ßandbucfi
der
ForHi^inentdidt
Drifte BuKage
2
MAX HUEBER
THIS BOOK BELONGED TO W I L F R I D E. HILEY
Digitized by the Internet Archive
in 2009 with funding from
NCSU Libraries
Iittp://www.arcliive.org/details/liandbucliderforst02lore
ßandbudi der Forstwissenschaft
begründet uon Professor Dr. Culsco Lorey
Dritte, perbesserte und erweiterte Auflage
in Verbindung mit
Profellor Dr. 3. u o n B a u e r in Wien (Ausgabe B) - Profetior R. B e d* in Ctiarandt - Proieilor Dr.
W. Borgmann in Cliarandt - Profelior Dr. Büsgen in Bann.-ITlünden - 6erichfsrat Profelfor
Dr. e. D i ck e I in Berlin (Ausgabe A) - forltamtmann Dr. V. D i e t e r i di in Stuttgart - Pro-
feiior Dr. K. £ (k tt e i n in Eberswalde — Profeitor Dr. Hl. G n d r e s in mündien - Seti. Bofrat
Profeüor Dr. E. fromme in Giemen - Forltdirel^tor a. D. Dr. B. p o n F ü r !t in Aichaffenburg
- Bofrat Proieilor Dr. A. Ritter won Suttenberg in Wien - Profelfor Dr. B. B a u s r a t ti in
Karlsrutie - Profeüor Dr. Hl. Bei big in Karlsruhe - Forftmeifter Dr. 5. 3 a n 1^ a in ITlariabrunn
- ©eh. Bofrat Profelfor Dr. li. K I e i n in Karlsruhe - Profeffor Dr. U. IIl ü 1 1 e r in Karlsruhe -
Rittergutsbeiitjer B. u o n S ü 1 i [ di in Poitel - Dozent Dr. 3. S di m i d t in Wien - Geh. Re=
gierungsrat Profelfor Dr. A. S di w a p p a di in Gberswalde - ITlinilterialrat Profelfor F. W a n g
in Wien - Regierungsdirektor Dr. (i. Wappes in Speyer - Profeffor Dr. B. W e b e r in Sieben
herausgegeben uon
Dr. Christof V?agner,
0. Professor der Forstwissenschaft an der Universität Tübingen.
3n Pier Bänden.
Zweiter Band
Produktionslehre.
mit 49 .Abbildungen im Cext und zwei farbigen Cafein.
Cübingen
Verlag der 5. [laupp'fchen Budihandlung
1912.
Produküonslehre.
Hn Verbindung mit
R. Beck, B. Fürlt, F. Wang, 6. 3anka,
\), Dieterich, 3. Schmidt
tierausgegeben
von
Christof Wagner.
IHil 49 Abbildungen im Cext und zwei Farbigen Cafeln.
-=*Si«=-
CObingen
Verlag der B. liaupp'Idien Budihandlung
1912.
Copyright 1912 by H. Laupp'sche Buchhandlung, Tübingen.
Druck von H. Laupp jr in Tübingen.
Inhaltsübersicht des zweiten Bandes
(Abschnitt VI— IX).
VI. Waldbau.
Von
Tuisko Lorey.
Für die dritte Auflage bearbeitet von R. B e c 1<.
Seite
Literatur 1
Einleitung: Begriff, Zwecke und Ziele, Hilfsfächer, Einteilung ... 2
ErsterAbschnitt:DasBestandesmaterial . . . 4
Holzarten .............. 4
Waldbauliche Eigenschaften der Holzarten ........ 4
I. Standortsansprüche. . . . . . . . . 4
A. Lage und Klima. Allgemeines Klima; örtliches Klima 5. Meereshöhe
7. Neigungsrichtung 7. Neigungswinkel 8. Oberflächengestal-
tung 8.
B. Boden, insbes. physikalische Eigenschaften desselben 8. Feuchtig-
keit 10. Gründigkeit 10. Bindigkeit 10.
II. Entwickelungs- und Wuohsverhältnisse des ein-
zelnenBaumes . . . . 11
Keimung 11. Wurzelsystem 11. Höhenentwicklung 12. Verhalten
gegen Beschädigungen 13. Fruktifikation 13.
III. VerhaltenderHolzartenim Bestand . . . . 15
A. Einfluß der Holzarten auf den Boden 13
B. Verhalten der Holzarten unter einander. Gemischte Bestände 19
Allgemeines 19. Allgemeine Regeln für die Anlage gemischter
Bestände 22. Spezielle Regeln 24. (Schattenhölzer untereinander
24. Schatten- und Lichthölzer 25. Lichthölzer untereinander 26.)
C. Holzartenwechsel .......... 27
Einführung ausländischer Holzarten 28.
IV. Wirtschaftliche Bedeutung der Holzarten . . 32
Massen- und Werterzeugung 32. Arbeitsgelegenheit 35. Ver-
halten gegen den Standort 35. Wirtschaftseinrichtung 35.
Nebennutzungen 35. Widerstandsfähigkeit gegen Gefahren 36.
besondere örtliche Anforderungen 36.
ZweiterAbschnitt:DieBetriebsarten 36
Vorbemerkungen ............. 36
Erstes Kapitel: Uebersicht und allgemeine Würdigung
derGrundformen . . . . . . . . . 38
I. UebersichtanGrundformen . . . . . . 38
A. Hochwaldformen .......... 38
Vorverjüngungsbetriebe: Plenterbetrieb 38. Plenterschlag-
betrieb 39. Schirmschlagbetrieb 40. Saumschlagbetrieb 40.
— Nachverjüngungsbetriebe: Kahlschlagbetrieb 41. Kahlschlag
mit Randbesamung 41.
B. .\usschlagholzbetriebe ......... 42
C. Mittelwaldbetrieb 42
II. WürdigungderGrundformcn . . . . . 43
Vorbemerkungen .......... 43
A. Hochwald ........... 44
Plenterbetrieb 45. Plenterschlagbetrieb 46. Schirmschlagbetrieb
47. Saumschlagbetrieb 47. Kahlschlagbetrieb 48. Kahlschlag
mit Randbesaraung 49.
VI
Inhaltsübersicht des zweiten Bandes.
egründung
B. Ausschlagwald (Niederwald, Kopfholzbetrieb, Schneitelholzbetrieb).
C. Mittelwald
Zweites Kapitel: Modifikationen der Grundformen,
Zwischen- und Uebergangsformen. Besondere Fälle
A. Hochwald (Femelartiger Hochwaldbetrieb, Ueberhaltbetrieb, zwei-
hiebiger Hochwaldbetrieb, Unterbau- und Lichtwuchsbetrieb)
B. Nieder- und Mittelwald ........
C. Haupt- und Nebennulzungsbetriebe (Waldfeldbau, Hackwald-
wirtschaft) .......
Drittes Kapitel: B e t r i e b s u lu w a n d 1 u n g e n
I. Allgemeines ........
II. Umwandlungen innerhalb des Hochwaldbetriebes
III. Hochwald in Nieder- oder Mittelwald
IV. Nieder- oder Mittelwald in Hochwald
Dritter Abschnitt: Die Bestandesbegründung
Erstes Kapitel: .\llgemeine Gesichtspunkte
1. Arten der Begründung und ihre wirtschaftliche Bedeutung
A. Arten .
B. Wahl der Art der Bestandesbegründung
C. Historisches ......
II. Reihenfolge der Kulturen ....
Zweites Kapitel: Natürliche Bestandesb
A. durch Samen .....
I. Kahlschlag mit Randbesamung
II. Mutterbäume auf der Verjüngungsfläche
Allgeraeines 68. Verjüngung im Schirraschlagbetrieb 71
(Vorbereitungsstadium 71. Samenschlag 73. Auslichtungs
Stadium 74). Femelschlagbetrieb 75. Saumschlagbetrieb 77
Femelbetrieb 78.
B. Durch Ausschlag
I. Niederwald
(Eichenniederwald 80. Kastanienniederwald, Robinien-
niederwald 81. Erlenniederwald, Weidenniederwald 82)
II. Kopfholzbelrieb .........
III. Schneitelholzbetrieb ........
Drittes Kapitel: Künstliche Bestandsbegründung
Vorbemerkungen, Arten der Begründung und Wahl zwischen Saat und Pflanzung
Erster Teil: Herstellung eines kulturfähigen Wald-
bodens. Urbarmachung
I. Behandlung von Sümpfen ........
II. Flugsand (Binnensand 90, Dünensand 91) .... .
III. Baseneisenstein und Orlstein ........
IV. Heideböden
V. Unfruchtbarer Humus .
VI. Moore .
ZweiterTeihSaat
I. Allgemeines (A. Verschiedene Arten der Saat; B. Wirtschaftliche
Bedeutung der Saatarten) ........
II. Das Saatmaterial ..........
Beschaffung des Samens (Selbstgewinnung, Naturalabgabe)
Ernte und .Aufbewahrung .......
Prüfung der Samengüte (Echtheit, Reinheit, Größe und Be-
schaffenheit, Keimzahl und Keimungsenergie, Keimprobe)
Keimbett ...........
Vorbemerkungen ..........
Herstellung eines guten Keimbettes (Entfernung eines hinderlichen
Bodenüberzuges, Bodenlockcrung 110. Vollsaat 110. Stellenweise
Saat 111. Herbeischaffen von Kulturerde)
IV. Die Aussaat ....
A. Saalzeit ....
B. Erforderliche Samenmenge
C. Beförderung der Keimung
D. Die einzelnen Saatmethoden
E. Unterbringen und Bedecken des Samens
F. Pflege der Saatkulturen ....
A.
B.
C.
III. Das
Seite
50
51
52
55
56
57
57
58
59
59
61
61
61
61
62
65
66
66
67
67
68
79
79
83
84
84
84
88
88
90
92
94
97
98
100
100
101
101
105
105
109
109
109
112
112
113
114
115
116
117
Inhaltsübersicht des zweiten Bandes.
VII
Dritter Teil: Pflanzung
I.
II.
B.
Das
A.
B.
III.
IV.
.\llgemeinc3 .....
Ä. Arten der Pflanzung
Wirtschaftliehe Bedeutung
Pflanzeninaterial
Erforderliche Eigenschaften
Arten der Pflanzenbeschaffung
C. Forstgartenbelrieb, insbes.:
1. Arten der Forstgärten 121. 2. Wahl des Platzes 122
3. Bodenbearbeitung und Verbesserung 123. 4. Einteilung
und innere Einrichtung 126. 5. Aussaat im Forstgarten 126.
6. Pflanzbeete im Forstgarten. Vorschulen 127. 7. Schutz
und Pflege der Saat- und Pflanzbeete 129.
Pflanzenbeschaffung bei den einzelnen Holzarten
Ausheben, Beschneiden, Transport, .aufbewahren d. Pflanzen
Herrichtung der Kullurfläche .
Vollzug der Pflanzung ....
A. Pflanzzeit ......
Herstellung geregelter Pflanzverbände
Pflanzenmenge und Pflanzweite
Pflanzverfahren ....
Ballenpflanzen, ballenlose Pflanzen (gew
Zungen, Spalt- oder Klemmptlanzungen, Obenaufpflanzungen
Stecklinge, Setzstangen.
Schutz und Pflege der Pflanzkulturen ......
Viertes Kapitel: Betriebsarten und Bestandesbegrün-
dungbeideneinzelnenHolzarten
I. Laubhölzer
Buche 140. Eiche 143. Hornbaum 145. Esche, Ahorn, Ulme 146. Erle,
Linde, Birke 147. Robinie, Edelkastanie, Pappel, Weiden 148. Prunus-,
Pirus-, Sorbus-.\rten, Unterhölzer 149.
Nadelhölzer
Tanne 149. Fichte 152. Kiefer 154. Schwarzkiefer, Weymouthskiefer,
Berg-, Pech- und Bankskiefer 156. Lärche 157.
GemischteBestände. .
DieBestandeserziehung
D.
E.
B.
c.
D.
öhnliche Hackpflan-
V.
II.
III.
Räumung von Ueber-
Vierter Abschnitt:
Vorbemerkungen ......
Erstes Kapitel: Auszugshauungen
hältern
Zweites Kapitel: Reinig ungs hiebe (.\usläuterungen)
I. .\ushieb von Vorwüchsen .........
II. Ausjätungen (Ausläuterungen) ........
Drittes Kapitel: Durch forstungen
I. Begriff
Zweck .............
Grundsätze bei der .\usführung ........
A. Beginn 169. B. Stärke des Eingriffes und Wiederholung 170.
C. Besondere .\rten 176. (Hecks freie Durcliforstung, dänische Durch-
forstung, Hochdurchforstung, Kulissendurchforstung, Borgmanns
Lichtwuchsdurchforstung, Borggreves Plenterdurchforstung.)
Durchführung im Walde ........
Veranschlagung, Holzauszeichnung, Hiebsführung
Viertes Kapitel: Unterbau und Licht wuchsbetrieb
Vorbemerkungen ...........
I. Unterbau insbesondere ........
A. .\llgemeine Gesichtspunkte ......
B. Bedingende Momente (die zu unterbauende Holzart, die einzubrin
gende Holzart, die spezielle .\ufgabe des Unterstandes, der Boden
die Zeit des Unterbaues, .\usführung)
C. Besondere Fälle des Unterbaues .
II. Lichtungsbetrieb insbesondere
A. .\llgemeine Gesichtspunkte .
B. Bedingende Momente (der Bestand, der besondere Wirtschaftszweck,
Beginn, Maß der Lichtung, wiederholte Lichtung, Unterbau)
II.
III.
IV.
Seito
118
118
118
118
119
119
120
121
131
132
133
134
134
134
135
136
139
140
140
149
157
158
158
159
160
160
162
164
164
165
169
180
181
181
181
181
183
185
185
185
186'
VIII Inhallsübersicht des zweiten Bandes.
C. Spezielle Fälle des Lichtungsbetriebes 188 (der zweialterige Hoch-
wald Burckhardts, der modifizierte Buchenhochwaldbetrieb von
V. Seebach, die Homburgsche Nutzholzwirtschaft, Wageners Licht-
wuchsbetrieb, Mayrs Kleinbestandswald mit Erziehungsverjüngung,
Vogls Lichtwuchsbetrieb) igg
D. Würdigung der Lichtungsbetriebe . . . . . . igi
Fünftes Kapitel: Die Antastungen. . . . . . . 193
L Zweck (Erziehung guter Nutzstämme, Förderung des Unterwuchses.Mate-
rialanfall) ............. 193
IL Erfolg 195
A. Art der Ausführung (Ort der Abtrennung der Aeste, Instrumente,
Ausführung, Behandlung der Wundfläche) 195
B. Zeit der Aufastung 196
C. Ausdehnung der Astung 196
D. Kosten ............ i96
Sechstes KapiteLDieBodenpflege . . . . . . 197
Erhaltung des Bodens, Erhaltung der Bodenlockerheit, Erhaltung der Boden-
frische (1. Bewässerung, 2. Entwässerung), Erhaltung bezw. Verbesserung des
Humusvorrates und des Nährstoffgehaltes {Forstdüngung) 197.
TU. Forstschutz.
Von
Hermann Fürst.
Mit 2 farbigen Tafeln.
Einleitung: Begi-iff, Begrenzung, Einteilung 202
Erster Abschnitt: Gefährdung durch menschliche
Handlungen 203
1. Sicherung der Waldgrenzen, Vermarkung ........ 204
2. Schutz der Waldprodukte, Forstfrevel und deren Verhütung .... 206
3. Waldbrände, Entstehung, Art des Auftretens, Vorbeugungsmaßregeln 209.
Löschung 210 ............. 208
4. Schutz gegen Rauchschäden .......... 211
Zweiter Abschnitt: Gefährdung durch die organi-
sch eNatur 212
1. Gefährdung durch Tiere. Bezeichnung dieser ..... 212
A.SchädlicheSäugetiere 213
a) Haustiere; Weidetiere 213. Schweine 216 ...... 213
b) Jagdbares Wild. Rotwild 216. Dam- und Rehwild 219. Schwarzwild
219. Hasen und Kaninchen 219 ....... 216
c) Die kleinen Nagetiere: Mäuse 220. Eichhörnchen und Schläfer 221 . 220
B. Schädlich eVögel 222
C. Schädliche Insekten. Die Forstinsekten im allgemeinen. Lebens-
weise 224. Verbreitung und Vermehrung 225. Die nützlichen Forstinsekten
226. Mittel der Abwehr 227. Größe des Schadens 228. Einteilung 228 . 223
a) Nadelholz-Insekten. Käfer. Die Borkenkäfer im allge-
meinen. Vorbeugung und Vertilgung 231. Einteilung 232. Fiohten-
borkenkäfer 232. Kiefernborkenkäfer 234. Sechszähnige Fichten-
borkenkäfer 234. Tannenborkenkäfer 234. Zweizähnige Kiefernborken-
käfer 235. Nutzholzborkenkäfer 235. Kiefernmarkkäfer 236. Sonstige
Bastkäfer 238 229
Rüsselkäfer. Große braune Rüsselkäfer 239. M'eiDpunktierter
Rüsselkäfer 242. Sonstige Rüsselkäfer 243 239
Maikäfer ........... 244
Schmetterlinge. Kiefernspinner 246. Nonne 249. Föhren-
Eule 251. Föhrenspanner 252. Kieferntriebwickler 253. Harzgallen-
wickler 254. Fichtenrindenwickler 254. Fichtennestwickler 254.
Lärchenmotte 255 .......... 246
Sonstige schädliche Insekten. Kiefernblattwespe
255. Gespinstblattwespen 257. Maulwurfsgrille 257 .... 255
Inhaltsübersicht des zweiten Bandes.
IX
Seite
b) L a u b h 0 1 z - I n s e li t e n. Käfer. Laiibholzborkonkäter 258.
Bockliäfer 259. Rüsselkäfer 259. Prachtkäfer 210. Blattkäfer 260.
Spanische Fliege 261 258
Schmetterlinge. Buchenspinner 261. Prozessionsspinner
262. Sonstige Spinner 263. Frostspanner 264. Eichenwickler 265 . 261
c) Deformitäten-Erzeuger. Auf Nadelholz 266. Auf Laub-
holz 266 265
2. Gcfährdungdurch Gewächse. . . . . . . . 267
Forstunkräuter. Auftreten, Nachteile 267. Arten 268. .\bwehr 268. Schraa-
rotzergeW'ächse 269.
Dritter Abschnitt: Gefährdung durch die anorga-
nisch eNatur . . . . . . . . . . 269
a) Frost. Winterfrost, Frostreis 270. Spätfrost 271. Frühfrost 272. Barfrost 272 269
b) Hitze. Wirkung, Vorbeugung 27,S. Rindenbrand 2 74 273
c) Atmosphärische Niederschläge. Fließendes Wasser 274. Nässe
275. Schnee 276. Beschädigung und Vorbeugung 277. Duft und Rauhreif 278.
Hagel 279 274
d) Blitzschlag 279
e) Winde und Stürme. Schaden durch diese 280. Größe der Gefahr 281.
Vorbeugung 282. Loshiebe 282 280
Vierter Abschnitt: Krankheiten der Holzgewächse 283
Begriff, Ursachen 283. Wundfäule 284. Gipfeldürre 285. Schütte 286. Erkrankun-
gen durch Pilze 287. Buchenkeimlingspilz 287. Eichenmehltau 288. Fichtennadelrost
288. Hallimasch 288. Wurzelschwamm 289. Eichenwurzeltöter 289. Löcherpilze
289. Lärchenkrebs 290. Tannenpilz 290. Kiefernbaumschwamm 290 . . . 283
VIII. Die Wildbach- und Lawineuverbauung.
Von
Ferdinand Wang.
Mit 41 Abbildungen.
Einleitung
.A. Die Wildbach verbauung
§ 2. Die Charakteristik und Einteilung der Wildbäche
§ 3. Die Einteilung des Bachverlautes
§ 4. Das Herkommen des Geschiebes .
§ 5. Die Ursachen der Wildbachverheerungen
§ 6. Die Systeme der Wildbachverbauung .
§ 7. Die allgemeinen Regeln für den Bau und die Erhaltung der W
verbauungen .......
§ 8. Die technischen Mittel der Wildl)achverbauung
Die Ouerbauten .....
a. Die Talsperren ....
b. Die Grundschwellen
Die Parallelbauten ....
Die Schalenbauten ....
Die Entwässerungsanlagen
Die Lehnenbindungen ....
Die Schuttkegelsicherungen .
1.
9.
10.
§ 11.
6-
Die Berasung und .Aufforstung
Die besonderen Verbauungssysteme
1. Das System nach Jenny
2. Das System nach Schindler .
Das Regulierungssystem nach Wolf
Das System nach Seeling
Das System nach Serrazanetti
wirtschaftlichen Maßnahmen .
3.
4.
5.
Die
DieLawinenverbauung.
§ 12. Die Ursachen und die Einteilung der Lawinen
ildbach-
292
292
292
296
299
301
302
308
310
310
311
318
322
324
325
327
328
329
329
329
329
330
330
330
330
331
331
X Inhaltsübersicht des zweiten Bandes.
Seite
§ 13. Die Lawinenverbauung ........... 333
§ 14. Mittel zum Abbaue der Lawinen im .\nbruchgebiete ..... 333
1. Allgemeines ............ 333
2. Die Verpfählungen •■•....... 334
3. Die Schneebrücken und Schneefänge ....... 335
4. Die .Aufforstungen .......... 339
§ 15. Die Lawinenbauten, die eine Ableitung der Lawinen bezwecken oder ausschließ-
lich zum Schutze einzelner Objekte errichtet werden ..... 340
§ 16. Die Lawinenstatistik 341
IX. Die Forstbenntzung.
A. Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
Von
Wilhelm Franz Exner.
Für die 3. .\uflage bearbeitet von G. J a n k a.
Mit 3 Abbildungen.
Einleitung 342
§ 1. .Allgemeine Gesichtspunkte 342. § 2. Geschichte und Literatur der älteren
Holzuntersuchungen 343. § 3. Holzuntersuchungen von Chevandier und
W e r t h e i ra 348. § 4. Holzuntersuchungen von Dr. H. Nördlinger 350.
§ 5. Holzuntersuchungen des letzten halben Jahrhunderts 351. § 6. Holzunter-
suchungen in technologischer, botanischer und anatomischer Richtung 353. § 7. Vor-
bemerkungen zu den technischen Holzuntersuchungen 356. § 8. Gliederung des
Stoffes 356.
I. AeußereErscheinung 357
1. § 9. Farbe des Holzes 357
2. § 10. Glanz des Holzes 364
3. § 11. Feinheit 365
4. § 12. Textur, Zeichnung, Flader, Maser ........ 366
5. § 13. Geruch des Holzes 369
II. MateriellerZustanddesHoIzes 370
§ 14. Substanz des Holzes nach den physikalischen Eigenschaften 370.
1. § 15. Dichte oder spezifisches Gewicht (Raumgewicht) des Holzes . . 371
2. § 16. Der Wassergehalt 374
3. § 17. \'olumsveränderlichkeit .......... 377
4. § 18. Folgen der Hygroskopizität und Volumsveränderlichkeit . . . 381
III. Mechanisch-technischeEigensc haften . . . 383
1. § 19. Elastizität und Festigkeit 383
§ 20. Definitionen der Elastizitäts- und Festigkeitslehre 384. § 21. Die ver-
schiedenen -Arten der Elastizität und Festigkeit 385. § 22. Formeln zur Be-
rechnung der Elastizitäts- und Festigkeitskoeffizienten 386. § 23. Material-
Prüfungsmaschinen 387. § 24. .Allgemeiner internationaler Arbeitsplan für
Holzuntersuchungen 389. § 25. Uebersicht der neueren Holzuntersuchungen 391.
§ 26. Versuchsresultate von Mikolaschek 391. § 27. Versuchsresultate
von Jenny 395. § 28. Versuchsresultate über Rotbuchenholz von Exner
397. § 29. Versuchsresultate über Ailanthusholz von Lauboeck 399.
§ 30. Versuchsresultate über den Einfluß der Fällungszeit auf din Dauer des
Fichtenholzes von E. H a r t i g 400. § 31. Versuchsresultate von T e t -
m a j e r 402. § 32. Versuchsresultate über den Einfluß des Standortes und
der Fällzeit auf die Elastizität und Festigkeit des Fichten- und Kiefernholzes
von Bauschinger 407. § 33. Versuchsresultate über die Veränderung
der Festigkeit des Nadelholzes nach dem Fällen von Bauschinger 411.
§ 34. Versuchsresultate über die Elastizität und Festigkeit verschiedener Nadel-
hölzer von Bauschinger 412. § 35. Veisuchsresultate von R u d e 1 o t f
414. § 36. Versuchsresultate von Schwappach 416. § 37. Versuchs-
resultate über die Elastizität und Festigkeit des Fichtenholzes von J a n k a 418.
§ 38. Untersuchungen über die Qualität des Eschenholzes von J an k a 425.
§ 39. Untersuchungen über die Druckfestigkeit von im Wasser ausgelaugten
Hölzern von J a n k a 427.
Inhaltsübersicht des zweiten Bandes. XI
Seite
2. § 40. Biegsamkeit und Zähigkeit 427
§ 41. Bestimmung der Biegsamkeit, Zähigkeit und Sprödigkeit und Bruch-
erscheinungen bei der Biegeprobe 429.
3. § 42. Warnfähigkeit 431. § 43. Erfahrungen über Zähigkeit des Holzes 432.
4. § 44. Spaltbarkeit 432
5. § 45. Härte des Holzes 436
Schlußbemerkung 441
B. Die Hauptnutzung.
(Ernte, Verwertung und Aufbewahrung von Holz und Rinde.)
Von
Hermann Stoetzer.
Für die 3. Auflage bearbeitet von C. W a g n e r.
Mit 5 Abbildungen.
Einleitung 443
I. Verwendung des Holzes und der Rinde (§ 1 — 15) . . 444
Nutzholz und Brennholz, Verwendungsarten des Nutzholzes 445. Bauholz 445.
Holzarten des Hochbaus 448. Buche als Bauholz 449. Schiffsbauholz 450. Gruben-
holz 452. Erd-, Brücken- und Wasserbau 454. Spaltholz 458. Verwendung in
Schreinerei, Glaser- und Wagnergewerbe 460. Schnitzerei und Spielwarenfabrika-
tion 463. Papierfabrikation 463. Holzverbrauch in der Landwirtschaft 465.
Brennholz 466. Holzverwendung nach Holzarten und Sortimenten 467. Verwen-
dung der Rinde 469. Eichenschälbetrieb 470.
II. Gewinnung des Holzes und der Rinde (§ 16 — 21) . . 472
Der Fällungsplan 472. Die Fällungszeit 473. Art des Holzhauereibetriebs und An-
weisung der Holzhauer 475. Der Fällungsbetrieb 478. (Rodung 478. Rodewerkzeuge
479. Fällung mit Axt und Säge 482. Konstruktion der Waldsägen 482. Fällaxt und
Spaltaxt 484. Fallrichtung 485.) Ausformung und Sortierung der Hölzer 486. Stock-
. holzgewinnung 490. Nutzung der Rinde 492.
III. Verwertung der Fällungsergebnisse (§ 22 — 26) . 496
Schlagaufnahme 496. Numerierung 497. Kubierung 498. Verkaufsarten 500.
Bildung von Holztaxen 503. Ausführung der Forstproduktenverkäufe 507. Beför-
derung des Holzabsatzes 510.
IV. Aufbewahrung von Hölzern (§ 27) 512
Aufbewahrung von Holz durch die Verwaltung 512. Holzgärten 512. Aufstapelung
von Hölzern 513.
C. Die Nebennutzungen im Walde.
Von
Viktor Dieterich.
Einleitung 514
I. Die Nutzung der Nebenerzeugnisse vom stehenden
Holz 515
1. Die Baum fruchte (Holzsämereien) ........ 515
a) Die ökonomischen Gesichtspunkte ........ 515
b) Die Technik der Samenernte usf. . . . . . . . . 517
Die Ernte der Baumfrüchte im allgemeinen 517. Die Gewinnung der
Nadelholzsamen 520. Klengergebnisse 523. .Aufbewahrung der Holz-
samen 524.
2. Sonstige Bestandteile des stehenden Holzes . . . 526
Futterlaub 526. .\st- und Schneitelstreu 527. Sonstiges 527.
XII
Inhaltsübersicht des zweiten Bandes.
3. Die Abfallstoffedesstehenden Holzes
Raff- und Leseholz
Laub- und Nadclstreunutzung .........
Bedeutung und Wert der .... 528. Statik der .... 532. Maß und Art
der zulässigen Nutzung 537.
II. Die Nutzung der Nebenerzeugnisse des Wald-
bodens.
1. Die pflanzlichen Nebenerzeugnisse .
Allgemeines .........
Streustoffe {Moosstreu, Unkräuterstreu) ....
Futterstoffe (Grasnutzung, Waldweide) ....
Sonstige Gewächse (Seegras, Beeren und Pilze)
Der Waldfeldbau
2. MineralischeNebennutzungen
Seite
528
528
528
538
538
538
539
542
545
547
551
D. Forstlich-Chemisclie Technologie.
Von
Franz SchwackhöJer.
Für die 3. Auflage bearbeitet von J. Schmidt.
I. Die chemische Zusammensetzung des Holzes, der
Rindeunddes Korkes, sowiederGallen . . . 552
a) H olz 552
Chemischer Bestand desselben 552. Lignin 553. Zellulose, Eigenschaften,
Umwandlungsprodukte derselben etc. 553. Holzsaft 556. Wassergehalt des
Holzes 557. Organische Bestandteile des Holzsaftes 558. Mineralstoffe des-
selben 560.
b) Rinde 561
Gerbrinden 562. Rindenbestandteile 563.
c) Kork (Gewinnung, Eigenschaften und Verwendung) ..... 564
d)GallenundK noppern 565
II. KonservierungdesHolzes 566
Allgemeines 566. Konservierungsmethoden 567. Das Trocknen 567. Das Aus-
laugen 569. Das Dämpfen 569. Die Umhüllung 570. (Das Polieren 570. Der Anstrich
570. Das Ankohlen 572.) Imprägnierungsmittel 572. Imprägnierungsmethoden 576.
Schlußbemerkungen zur Imprägnierung 581.
III. Zellulose- und Holzstoff-Fabrikation . . .582
Allgemeines 582. Rohmaterial 583. Prozeduren der Zellulosefabrikation 583.
Natronverfahren 584. Sulfitverfahren 586. Elektrochemisches Verfahren 589.
Abwässer der Zellulosefabrikation 589. Ausbeute, Beschaffenheit und Verwendung
der Zellulose 591. Holzstoffgewinnung 592.
IV. TrockeneDestillationdesHolzes 594
Allgemeines 594. Verkohlungsmethoden 595. Meilerköhlerei 596. Beurteilung der-
selben 604. Verkohlung in Oefen 606. Verkohlung in Retorten 607. Produkte der
Holzdestillation 609. (Holzkohle 609. Holzessig 611. Holzteer 613.) Verkohlung
von Holzabfällen 615.
V. HolzalsHeizmaterial 616
Allgemeines über den Heizwert der Brennmaterialien 616. Heizwert des Holzes
im Vergleich mit den fossilen Brennstoffen 618.
VI. DiePottasche-Fabrikation 619
VII. Die Harze, deren Gewinnung und Verarbeitung 621
Vorkommen, Entstehung und allgemeine Charakteristik der Harze 621. Harz-
gewinnung 624. (Allgemeines 624. Schwarzföhren-Harzung 625. Strandkiefer-
Harzung 627. Fichten-Harzung 628. Harzung nach Dr. Mayr 628. Lärchen-Harzung
629.) Verarbeitung der Harze 629. Harzprodukte 631. (Terpentinöl 631. Kolopho-
nium 631. Brauerpech 631. Harzöle 632.)
Sachregister zum II. Band 635
VI.
W a 1 d b a u.
Von
Tuisko Lorey.
Für die 3. Auflage bearbeitet von R. B e C k.
Literatur: a) Das ganze Gebiet behandelnde Werke: Hartig,
G. L., Anweisung zur Holzzueht für Förster, 1. Aufl. 1791, 7. .\un. 1818. — C o t t a, H., An-
weisung zum Waldbau, 1. Xuü. 1817, 9. Aufl. (ed. H. v. Cotla) 1865. — Pfeil, Die deutsche
Holzzucht, 1860. — Gwinner, H. W., Der Waldbau, 1. Aufl. 1834, 4. .\ufl. (ed. Dengler)
1858. — Stumpf, C, Anleitung zum Waldbau, 1. Aufl. 1849, 4. .\ufl. 1870. — H e y e r,
C, Der Waldbau, 1. Aufl. 1854, 5. Aufl. (ed. R. Heß) 2 Tle. 1906/09. — Burckhardt,
H., Säen und Pflanzen, 1. .\ufl. 1855, 6. .\ufl. (ed. A. Burckhardt) 1893. — G a y e r, K., Der
Waldbau, 1. .\ufl. 1880, 4. .\ufl. 1898. — Perona, Selvicoltura, 1880. — Fischbach,
Praktische Forstwirtschaft 1880. — Wagen er, G., Der Waldbau und seine Fortbildung,
1884. — N e y, C, Die Lehre vom Waldbau, 1885. — B o r g g r e v e, B., Die Holzzucht,
1. .\ufl. 1885, 2. Aufl. 1891. — Weise, W., Leitfaden für den Waldbau, 1. Aufl. 1888, 3. Aufl.
1903. — M a y r, H., Waldbau auf naturgesetzlicher Grundlage, 1909. — D i t t m a r, Wald-
bau. 1910. — Schlich, W., SylvicuUure, 3. ed. 1904. — Wagner, C, Die Grundlagen
der räumlichen Ordnung im Walde, Tübingen 1907, 2. Aufl. 1911. — b) S p e z i a 1 s c h r i f-
t e n, u. a. : H e y e r, G., Verhallen der Waldbäume gegen Licht und Schatten, 1852. — Heß,
R., Eigenschatten und \erhalten der Holzarten, 1. Aufl. 1883, 3. Aufl. 1905. — Beil, A.,
Forstwirtschaftl. Kulturwerkzeuge, 1846. — Jäger, J. P. E. L., Das Forstkulturwesen, 1.
Aufl. 1850, 3. Aufl. 1874. — v. B u t t 1 a r, R., Forstkultur-Verfahren, 1853. — v. M a n-
teuf fei, H. E., Hügelpflanzung der Laub- und Nadelhölzer, 1. .\ufl. 1855, 3. Aufl. 1865.
— V. Ale mann, F. A., Ueber Forstkulturwesen, 1. Aufl. 1851, 3. Aufl. 1884. — U r f f,
L'eber Forstkulturen, 1885. — Fürst, H. Die Pflanzenzucht im Walde, 1882, 4. Aufl. 1907.
— Homburg, Die Nutzholzwirtschaft im geregelten Hochwald-Ueberhaltbetrieb, 1878,
2. Aufl. 1890. — Brünings, Der Anbau der Hochmoore, 1881. — Fürst, H., Plänter-
wald oder schlagweiser Hochwald, 1885. — G a y e r, K. Der gemischte Wald, 1886. — Krähe,
Rationelle Korbweidenkultur, 5. Aufl. 1897. — Brecher, .\us dem .\uen-Mittelwalde, 1886.
— Kraft, G., Beiträge zur Lehre von den Durchforstungen, Schlagstellungen und Lichtungs-
hieben, 1884. — Derselbe, Beiträge zur Durchforstungs- und Lichtungsfrage, 1889. —
Kautsch, Beiträge zur Frage der Weißtannenwirtschaft, 1895. — Hamm, T., Der Aus-
schlagwald, 1896. — Boden, Die Lärche, 1899. — Gerhardt, P., Handbuch des deut-
schen Dünenbaus, 1900. — S c h w a p p a c h, A., Anbauversuche mit fremdländisclien Holz-
arten, 1901. — B 0 o t h J., Die Einfülirung ausländischer Holzarten in Preußen, 1903. —
M a y r, H., Fremdländische Wald- und Parkbäume für Europa, 1906. — G o d b e r s e n,
Kiefer, 1904. — Kern, E., Erfahrungen im Korbweidenbau, 1904. — J a n k o w s k y, R.,
Begründung naturgemäßer Hochwaldbestände, 3. Aufl. 1904. — F r ö m b 1 i n g, C., Buchen-
hochwaldbetrieb, 1908. — E r d m a n n, F., Die Heideaufforstung, 1904. — R e u ß, H., Die
forstliche Bestandsbegründunir, 1907. — Metzger, Dänische Geräte zur Bodenbearbeitung,
1906 und 1908. — G. K. S p i t z e n b e r g. Die Spitzenberg'schen Kullurinstrumente, 2. Auü.
1898. — C. R. Heck, Freie Durchforst ung, 1904. — M i c li a e 1 i f , Gute Bestandspflege
und Starkholzzucht, 1907. — D ü e s b e r g, R., Der Wald als Erzielier, 1910.
"y. Haudb. d. Forstwiss. 3. Aufl. II. 1
2 VI. L 0 r e y, Waldliaii.
Einleitung: Begriff, Zwecke und Ziele, Hilfsfächer, Einteilung.
§1. Begriff, Zwecke und Ziele. Der Waldbau oder die Bestandes-
zuclit befaßt sicli mit der Begründung und Erziehung der Bestände. Alle waldbau-
liclien Maßnahmen bezwecken die Schaffung von solchen Holzbeständen, welche dem
Wirtschaftszweck möglichst vollkommen entsprechen. Diesen bezeichnet der Wald-
besitzer, sein Wille ist maßgebend; in der Regel wird tunlichst hoher Wert der
Holzbestände angestrebt, gegeben in der Ertragsleistung. Der Wert und damit das
Ziel der Wirtschaft kann dabei in verschiedener Weise bestimmt werden, näruHrh
entweder als absolut liöchstmöglicher Ernteertrag auf gegebener Waldbodenfläche
oder als relativ, d. h. im \'ergleich zu dem Aufwand, höchst mögliche Produktions-
leistung. Welcher Gesichtspunkt maßgebend sein soll, ist von Fall zu Fall zu be-
stinunen. Im allgemeinen ist die höchste Rentabilität das Ziel jeder rationellen W irt-
schaft; jene zu bemessen, ist Sache der forstlichen Statik. Da der Ertrag und somit
jede Entscheidung, welche die Statik treffen kann, in erster Linie vom Preise der
Produkte abhängt, so darf im Wirtschaftswalde unter allen Umständen nur markt-
fähige Ware erzogen werden.
Von anderen als wirtschaftliehen Werten wird hier abgesehen, weil die Fälle, in welchen
solche, wie z. B. Gewährung ästhetischer Genüsse (Parkanlagen etc.), erstrebt werden, doch
nur als Ausnahmen zu betrachten sind. Von besonderen waldbaidiclien Vorkehrungen aus
Rücksichten des Schutzes (Klima, Boden etc.) wird gelegentlich die Rede sein. — Die Defi-
nierung des Waldbaus als ,,Forstproduktenzucht" (C. Heyer) oder ,, Holzzucht" (G. L. Hartig,
l'fcil, Borggreve) ist hier ersetzt durch ,, Bestandeszucht". Einerseits schien es nicht angezeigt,
(he Aufgabe des Waldbaus auf die Anzucht sämtlicher Nebennulzungen, insbesondere derjeni-
gen auszudehnen, welche, wie Wild, Torf, Wiesengras, landwirtschaftliche Clewächse usw.,
nicht Teile des Bestandes sind, während andererseits die Beselu-änkung auf das Holz eine zu
enge Umgrenzung darstellt, da solche Nebennutzungen, welche, wie Lohrinde, Futterla\ib,
Mast, event. Gras auf .Mähplatten usw., an die betreffenden Bestände gebunden sind, dann
im Waldbau eine Stelle finden sollten, wenn sie irgendwelche besondere, die Bpstandesbegrün-
ilung oder -erziehung beeinflussende wirtschaftliche \orkehrungen veranlassen.
In der Waldbaulehre sind alle Operationen vorzutragen, welche, je nach Lage der
konkreten Lmstände, zum Ziel führen können; dabei sind die allgemeinen Gründ<>,
welche für oder gegen die einzelnen Möglichkeiten sprechen, zu entwickeln. Der wald-
baulichen Praxis bleibt es dann überlassen, imter den jeweils gegebenen besonderen
Verhältnissen zur Erreichung des erstrebten Zieles aus der Zahl der möglichen Wege
denjenigen auszuwählen, welcher in bezug auf die Faktoren: Raschheit und Sicherheit
des Erfolgs und Kostenaufwand die günstigste Kombination darbietet. Die Modi-
fikationen der dem Waldbau gestellten Aufgaben und der zu ilu-er Lösung verfügbaren
Mittel sind äußerst mannigfaltig. Elieser Vielgestaltigkeit der Fälle gegenüber gibt
es keine unbedingt besten waldbaulichen Maßregeln, sondern jede der letzteren kann
unter bestimmt umgrenzten ^'oraussetzungen ihre Berechtigung haben. Was am
einen Orte bewährt ist, kann unter veränderten Bedingungen an einem andern Orte
weniger gut, ja schlecht sein und darum durch eine abweichende Behandlung er-
setzt werden müssen. Die fast unbeschränkte ^'ielheit der \'erschiebungen, welche
sich in dem Zusammenwirken der bei der Beurteilung der Fälle hauptsächlich ent-
scheidenden Elemente, wie Standort, Holzart, Absatzverhältnisse usw. ergeben,
schließt die einseitige Bevorzugung einer bestimmten Richtung von vornherein aus.
Man kann die Zahl der als wirtschaftlich berechtigt anzuerkennenden Möglichkeiten
verkleinern, dai-f jedoch niemals so weit gehen, daß in dem derart verengerten
Rahmen nicht mehr alle im Walde wirklich vorkommenden Fälle Platz finden.
Verbietet nun auch jene Mannigfaltigkeit der Umstände die strikte Anwendung
jeder Schablone im Waldbau, so müssen do<ii, wie s(dK)n nben angedeutet wurde,
Begriff, Zwecke und Ziele. § 2. 'g
gewisse, allgemein leitende Ziele für ilie forstliche Produktion aufgestellt werden.
.Ausgangspunkt für alle Envägung ist hierbei zunächst der Standort. Durch diesen
ist — wenn man v(in absolut besten Böden und Lagen absieht, welche auch kaum je
in groÜer Ausdehnung dem Forstwirtschaftsbetrieb überwiesen sind — inuner nur
eine beschränkte Reihe von waldbaulichen Möglichkeiten bedingt, unter denen man
zu wählen hat. Die Entscheidung wird durch die im übrigen zu beachtenden Momente
(Wert der Produkte, Absatzgelegenhoit, Gewälnamg gewisser Nebennutzungen, Ar-
beitsgelegenheit usw.) begründet. So kann z. B. für viele Standorte als waldbaulich
möglich, bezw. mit gleicher Aussicht auf Erfolg ausführbar, die Anzucht der Buche
mit eingesprengten Eichen, Eschen, Ahornen und andererseits etwa der Fichte oder
Tanne, beides unter mehrfacher .Modifikation bezüglich des Verfahrens im einzelnen
(Art der Bestandsbegründung, des Durchforstungsbetriebs usw.) in Frage kommen.
Die Entscheidung liegt dann außerhalb des Waldbaus. Der letztere zeigt, zunächst
unabhängig von anderen Rücksichten, wie man auf einer Waldbodenfläche, eventuell
in verschiedener Weise, Bestände schaffen kann. Auf Grund statischer Untersu-
chungen, welche alle konkurrierenden Momente, insbesondere auch die volkswirt-
schaftlichen, bei der Begutachtung einbeziehen müssen, erhalten dann die wald-
baulichen Operationen jeweils ein örtlich und zeitlich modifiziertes Gepräge. Je
nachdem der spezielle Wirtschaftszweck ein verschiedener ist, erstehen in der Folge,
durch die Kunst des Wirtschafters, auch unter gleichen äußeren Bedingungen ganz
verschiedene Bestandesbilder.
Daß alles, was erreicht werden soll, mit möglichst geringem Aufwand erreicht
werde, ist oberster Wirtschaftsgrundsatz. Daraus folgt, daß nicht nur die direkten
Ausgaben, natürlich inuner unter der Voraussetzung eines genügenden Erfolgs, auf
ein geringstes Maß beschränkt werden müssen, sondern namentlich auch, daß an
Zeit möglichst zu sparen ist. .Jede Abkürzung der Umtriebszeit ist im allgemeinen ein
Gewinn in dem Sinne, daß alle wirtschaftlichen Maßnahmen, welche uns ohne unver-
hältnismäßige Kostenmehrung gestatten, die erforderliche Menge an Produkten von
bestimmter Beschaffenheit (z. B. Nutzholzstämme einer gewissen Stärke) in k ü r-
z e s t e r Zeit zu erziehen, vor anderen den \'orzug verdienen, um so mehr, als da-
durch auch die für das Einzeljahr des Umtriebs verfügbare Fläche entsprechend
größer ausfällt.
Das Bestreben, den Produktionsaufwand im ganzen und im einzelnen tunlichst
herabzumindern, schließt überdies auch die Forderung sorgfältigster Schonung des
Bodenkapitals ein. Unsere waldbauliche Arbeit muß die Erhaltung und womöglich
Mehrung derjenigen Eigenschaften des Bodens, von welchen dessen Leistungsfähig-
keit abhängt, gewährleisten. In dieser Erwägung bietet sich für die Beurteilung der
einzelnen wirtschaftlichen Operationen sowie ganzer Betriebsarten ein bisher nicht
berülirter, überaus wichtiger Maßstab dar: die Nachhaltigkeit der Waldwirtschaft
ist wesentlich davon abhängig, daß der einzelne Bestand keinenfalls mehr als die Zin-
sen des Bodenkapitals, nicht aber Teile des letzteren selbst für sich beansprucht. Ja
man sieht sich sehr häufig vor die Aufgabe gestellt, vor allem eine Besserung des
Bodenproduktionsvermögens durch richtig gewählte und durchgeführte waldbauliche
Operationen zu bewirken, auch wenn dadurch unter Umständen erhebliche Aus-
gaben veranlaßt werden. Immerhin ist die Bodenpflege stets nur Mittel zum Zweck,
und -Aufwendungen in dieser Riclitung sind nur so lange zu rechtfertigen, als sie
sich in dem höheren Wert der demnächst und in der Zukunft erwachsenden Bestände
belohnt machen.
§ 2. Hilfsfächer, Einteilung: Diejenigen Disziplinen, deren Kenntnis
1*
4 N I. L 0 r c y. Waldbau.
der Waldbau voraussetzen muß, die also füglich als Hilfsfächer desselben bezeichnet
werden können, sind Standortslehre, bezw. Bodenkunde und Klimatologie, sowie die
Forstbotanik, einschließlich Physiologie und Biologie der Holzgewächse.
Das Gesamtgebiet des Waldbaus läßt sich folgendermaßen einteilen:
I. Das Bestandesmaterial ; II. die Betriebsarten ; III. die Bestandesbegründung;
IV. die Bestandeserziehung.
Erster Abschnitt.
Das B e s t a n d e s III a t e r i a 1.
§ 3. In diesem Abschnitte ist im wesentlichen die Wahl der geeignetsten Holz-
art zu besprechen und damit eine wichtige \'orfrage für alle waldbauliche Tätigkeit
zu erledigen.
Die waldbaulich wichtigeren Holzarten sind:
a) Laubhölzer: Rotbuche, Fagus silvatica, — Stieleiche, Quercus pe-
dunculata, — Traubeneiche, Quercus sessiliflora, — Roteiche, Quercus i'ubra, —
Kastanie, Castanea vesca, — Hainbuche (Weißbuche, Hagebuche, Hornbaum), Car-
pinus betulus, — Rüster, Rusche oder Ulme, Ulmus (effusa, campestris und mon-
tana), — Esche, Fraxinus excelsior, — Weißesche, Fraxinus alba, — Ahorn, Acer
(pseudoplatanus, platanoides, campestre), — Erle, Alnus (glutinosa. incana, viridis),
— Birke, Betula (verrucosa, pubescens), — Sorbus-Arten, z. B. die \'ogelbeere, S.
aucuparia; Eisbeere, S. torminalis; Mehlbeere, S. Aria, — Linde, Tilia (parvifolia
und grandifolia), — Falsche Akazie, Robinia Pseudacacia, — Zitterpappel (Aspe),
Populus tremula, und sonstige Pappeln, wie P. alba, nigra, canadensis, — Weide,
Salix (caprea, fragilis, amygdalina, acutifolia, alba, viminalis, daphnoides, purpurea),
— Walnuß, Juglans (nigra, cinerea), — Hickory, Carya alba.
b) Nadelhölzer: Weißtanne (Edeltanne), Abies pectinata, — Fichte,
Picea excelsa, — Sitkafichte, Picea sitchensis, — Weißfichte, Picea alba, — Stech-
fichte, Picea pungens, — gemeine Kiefer (Föhre, Forle, Forche), Pinus silvestris,
— Schwarzkiefer, Pinus Laricio austriaca (syn, nigricans) und Pin. Laricio Poire-
tiana (syn. corsicana), — Bergkiefer (Legföhre), Pinus montana, — Zürbelkiefer
(Arve), Pinus Cembra, — Weymouthskiefer, Pinus Strobus, — Bankskiefer, Pinus
Banksiana, — Pechkiefer, Pinus rigida, — Lärche, Larix europaea, — Japanische
Lärche, Larix leptolepis, — Douglasie, Pseudotsuga douglasii, und Ps. glauca, — Law-
sonszypresse, Chamaecyparis Lawsoniana, — Riesenlebensbaum, Thuja gigantea.
Bestimmend bei der Wahl der Holzart sind die w a 1 d b a u 1 i c li e n E i g e n-
sc haften, sowie die wirtschaftliche Bedeutung der einzelnen Art .
^^' a 1 d b a u 1 i c n e Eigenschaften der Holzarten.
Sie kommen zum Ausdruck in den Standortsansprüchen, in den Entwicklungs-
und Wuchsverhältnissen des einzelnen Baumes und im \'erhalten der Holzart im
Bestand,
I, S t a n d o r t s a n s p r ü c h e,
§ 4, Mit S t a n dort bezeichnet man die Gesamtheit der durch Lage und
Boden bedingten Einwirkungen, unter denen eine Holzart lebt. Die Beziehungen im
einzelnen, welche zwischen Standort und Holzart bestehen, sind in diesem Handbuche
im wesentlichen in der Standortslehre, sowie zum Teil in der Forstbotanik (s. dort)
erörtert. Es handelt sich dabei hinsichtlich der Lage um die allgemeine geogra-
phische Lage, sowie um die durch Meereshöhe. Xeigungsrichtung und Neigungswinkel,
Das Bestandesmatciial. § 5. 5
Bodenausfonnung und Uiiigebung dos W'aldortcs nälicr uinsclinebene örtliche
Lage. Der Boden wird durch seine Nährkraft, d. li. durch seine chemische Zusam-
mensetzung und weiterhin dunMi seine physikaHschen Eigenschaften nach Wert und
Güte bestimmt.
\"om Standpunkte des Waldbaues aus möclite in Ergänzung der vorausgehenden
Abschnitte Standortslehre und Forstbotanik des Handbuchs auf folgendes noch
besonders hingewiesen werden.
A. Lage und Klima.
g 5. Das Entscheidende für die Existenz von Baum und Wald ist die in ihren
Hauptzügen von der geographischen Breite und Länge, von der Meereshöhe und von
der Entfernung zum Meere näher bestimmte Lage, und zwar nicht deshalb, weil hin
und wieder auch die Bodeneigenschaften mittelbar oder unmittelbar von ihr beein-
flußt werden, sondern weil von iiir die das Pflanzenleben in erster Linie bedingen-
den klimatischen \'erhältnisse abhängen. Der Boden kommt, sofern es sich nicht
um Böden handelt, die aus geognostischen oder anderen Gründen an der unteren
Grenze der Ertragsfähigkeit stehen, erst in zweiter Linie, namentlich bei Klima-
gleichheit, als bestimmender Faktor in Betracht.
So erklärt es sich, daß manche Holzarten, eben weil sie an bestimmte Lagen,
d. h. an bestimmte klimatische ^'erhältnisse gebunden sind, im Waldbau eine weit
weniger ausgedehnte Verwendung finden, als sie ihnen zugestanden werden könnte
und wegen ihres wirtschaftlichen ^^'ertes auch gern eingeräumt werden würde, wenn
allein die Bodenansprüche maßgebend wären.
Die mit der Lage wechselnden, die Verteilung und Ausformung der Waldregio-
nen regelnden Klimafaktoren sind Wärme (mittlere Jahrestemperatur), Luftfeuchtig-
keit, Niederschlagsmenge, sowie Länge und Intensität der Frostperiode (Eintreten
des ersten und letzten Frostes, tiefster Kältegrad), ^'on ihnen hängen zunächst
Dasein und Charakter des Waldes, in gegebenem Waldgebiete aber auch der Erfolg
der wirtschaftlichen Tätigkeit im Walde ab.
Wird als Maßstab für die W ä r m e a n s p r ü c h e der Holzarten der Durch-
schnittswert der Hauptvegetationszeit unserer nördlichen Halbkugel, d. i. Mai bis
August, benutzt, so ist nach M a y r eine Durclischnittstemperatur (Viermonatstem-
peratur = Tetratherme) von mindestens 10° Bedingung für Ansiedelung und Ent-
wicklung von Wald, d. h. von Bäumen, die höher als 8 m werden.
In bezug auf den zweiten, für die \\'aldbildung unbedingt notwendigen Faktor,
die Feuchtigkeit, hält M a y r Waldansiedelung auf natürlichem Wege überall dort
für ausgeschlossen, wo während der Hauptvegetationszeit weniger als 50 mm Regen
fallen, gleichgültig, ob der Feuchtigkeitsgehalt der Luft hier hoch oder niedrig ist.
Die Luftfeuchtigkeit spielt erst in jenen Länderstrichen eine Rolle, wo während der
4 Sommermonate zwischen 50 und 100 mm Regen fallen, insofern hier Waldbildung
unterbleibt, wenn die Luftfeuchtigkeit während der Hauptvegetationszeit unter oO%
herabsinkt. In Gebieten mit mehr als 100 mm Regen nimmt der Einfluß der Luft-
feuchtigkeit in dem Maße wieder ab, in dem die Niederschlagsmenge zunimmt. Bei
70% Luftfeuchtigkeit und 100 mm Regenmenge kann jede Holzart gedeihen; ein
Mehr von Feuchtigkeit sichert nur die natürliche und künstliche Verjüngung.
Je luftfeuchter und reicher an Niederschlägen ein \^'aldgebiet ist, um so mühe-
loser und erfolgreicher sind alle unsere auf \'erjüngung und Erziehung gerichteten
waldbaulichen Maßnahmen. Feuchte Luft stumpft die extremen Temperaturgrade
ab und verringert damit die Frostgefahr, während umgekehrt trockne Luft zu rasche-
6 \ I. L o r c y, Waldbau.
rer Ahkühluns: und größeren Temperatursrhwankungen hinneigt. Das niederschlags-
reiclie und in bezug auf Luftfeuchtigkeit gk>ichmäßigere Küsten- oder insulare Küma
erleichtert deshalb, sofern nicht der Wind hier als störender Faktor auftritt, die
Waldbildung und Waldbehandlung weit melir als das Inlandskliina rnit seinen Ex-
tremen in Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Die gegen Frost und Dürre empfind-
lichen Holzarten gedeihen z. B. in Deutschland im Osten weniger gut als im Westen,
weil Luftfeuchtigkeit imd \^'ärme hier in westöstlicher Piichtung abnehmen. .le weiter
der Einfluß der durch ^^'inde von der See aus landeinwärts getragenen Feuchtigkeit
reicht, um so günstiger gestalten sich die Verhältnisse für den Pflanzenwuchs im
Innern der Kontinente. Sonst finden sich hier dem Küstenklima analoge ^'erhältnisse
nur in den mit Wald bedeckten Gebirgen, wo vermehrte Niederscidäge und eine
konstante höhere Luftfeuchtigkeit der Waldbildung gleich förderlich sind wie im
Küstengelände.
In ihrer Gesamtheit bestimmen die klimatischen Standortsfaktoren das nach
Norden bezw. oben von der Kältegrenze, nach Süden bezw. unten von der Wärme-
grenze umschlossene natürliche \'erbreitungsgebiet einer jeden Holzart. Je nach den
Ansprüchen an das Klima gruppieren sich die Holzgewächse nach Gattung und Art,
so zwar, daß gleichen Klimazonen Bäume mit gleichen oder ähnlichen biologischen
Eigenschaften entsprechen. Da mit der südlicheren Lage der einzelnen Klimazone die
von ihr gebotene mittlere Wärmemenge zunimmt, sehen wir hier mehr Baumgattungen
an der Waldbildung beteiligt als in den nördlicheren Zonen. Die Zahl der Gattungen
und Arten ninuut von Süden nach Norden zu ab. Infolgedessen werden die \\'ald-
bilder nach Norden zu einheitlicher und einförmiger, während der Süden Holzarten
mit weiter auseinander liegenden Ansprüchen und ferneren verwandtschaftlichen Be-
ziehungen zum Nebeneinanderleben befähigt. Die in horizontaler Hinsicht, gewisser-
maßen im Grundriß, beim Durchwandern verschiedener Klimazonen von Süden nacli
Norden bemerkbare Erscheinung des Zurücktretens und allmähliclien \'erschwindens
der einzelnen wärmebedürftigeren Holzarten wiederholt sich im Kleinen, im .\ufriß,
beim Besteigen jedes höheren Gebirges. Die ^^'aldtypen, die uns im Süden in den
höheren Erhebungen entgegentreten, finden wir in um so tieferen Lagen, schließlich
in der Ebene, je mehr wir uns nach Norden bewegen.
Nach der vom Klima bedingten Anordnung der Baumarten unterscheidet Ma yr
6 Waldzonen: die tropische Zone (Palmetum), die subtropische der immergrünen
Eichen und Lorbeerbäume (Lauretum), die gemäßigt warme des winterkahlen Laub-
waldes in ihrer wärmeren und kühleren Hälfte (Castanetum und Fagetum), die ge-
mäßigt kühle der Fichten, Tannen und Lärchen (Picetum, Abietum oder Laricetum)
und die kühle Zone der Krummhölzer und Halbbäume (.^Ipinetum oder Polaretum).
^'om deutschen bezw. mitteleuropäischen \\'aldgebiete gehört der größte Teil dem
Fagetum und der Region der Nadelhölzer an.
Es ist ohne weiteres klar, daß die Einreihung einer jeden Holzart in die ihr zu-
kommende Waldzone diejenige Grundlage für Anbau und Erziehung aller Holzarten
ist, ohne deren Beachtung eine erfolgreiche Waldwirtschaft nicht denkbar ist. In-
nerhalb ihrer Waldzone und zwar im mittleren Teile ihres ursprünglichen natürlichen
Verbreitungsgebietes muß die einzelne Holzart die ihr zusagendsten klimatischen
Verhältnisse und damit die \'orbedingungen zu höchsten Massen- und\\ertsleistungen
finden.
Sowohl in diesem Teile, dem klimatischen Optimum, wie überhaupt im ge-
samten natürlichen \'erbreitungsgebiet einer Holzart sind nun aber die wichtigsten
Klimafaktoren: Wärme, Luftfeuchtigkeit, Licht,-^^■ind u. s. f. nicht überall gleiche.
Das Bestandesniaterial. § 5. 7
Vieliaelii- vci-iiia"r die so«:, ö r l 1 i r h e I. a i,' e dfii der allgemeinen geographischen
Lage eigentinnlichen Klimaeharakter wesentlirli y.u beeinflussen. Dies führt dann
zum Entstehen eines auf größerem oder kleinerem Gebiete herrsclienden sog. ört-
lichen K 1 i m a s. l'nd dieses wiederum hat zur Folge, daß das Auftreten einer
llfilzart iniierlialli ilires Verbreitungsgebietes kein einheitliches und gleichmäßiges ist,
sondern um so verschiedenartiger sich gestaltet, je größer die von der Geländeaus-
formung geschaffenen Lnterschiede in der Meereshöhe, der Exposition, Abdaciiung
und Oberflächengestaltung der einzelnen Standorte sind.
1. Die Meeres höhe beeinflußt zunächst die Temperatur, die Feuchtigkeit der
Luft und die Niederschlagsmenge und führt in den höheren Lagen zu einer Ver-
stärkung der durch Frost, Schnee und \\'inde der Baumvegetation zugefügten Schä-
den. Diese schädigenden klimatischen Einflüsse werden im Forstschutz (s. dort)
näher besprochen. Hier sei nur ergänzend nochmals darauf hingewiesen, daß das
verschiedene Wärmebedürfnis die Holzarten veranlaßt, verschiedene Regionen der
absoluten Höhe aufzusuchen. Daß die oberen Grenzen des Vorkommens der ein-
zelnen Holzarten in den verschiedenen Gebirgen hierbei nicht immer die gleichen
sind, sondern mehr oder weniger auffällige \'erschiebungen in den Höhenzonen
derselben Holzart vorkommen, wird angesichts der \"erscliiedenartigkeit in der
Massenerhebung und Ausformung der Gebirge leicht verständlich.
In den oberen Regionen der höheren Gebirge ist eine geregelte Forstwirtschaft
nicht mehr möglich. Kälte, Schnee, Sturm und Abnahme der Feuchtigkeit ver-
hindern hier die Bildung geschlossener Bestände und halten den Baumwuchs mehr
und mehr auf, sodaß schließlich nur Kriech- und Krüppelformen den Wald an seine
vertikale Grenze begleiten.
2. N e i g u n g s r i c h t u n g , Exposition, d.h. Neigung eines Bodens
gegen die Himmelsgegend. Da cet. par. der Einfluß der Sonne auf eine ^^'ald-
bodenfläche durch sie bedingt ist, so kommt die \'erschiedenheit der Exposition
zunächst in entsprechender Verschiedenheit der Erwärmungsverhältnisse zum Aus-
druck. Tatsächlich macht sich aber in den mittleren Höhenlagen der Unterschied
der einzelnen Expositionen besonders hinsichtlich des Feuchtigkeitsgrades bemerklich.
Infolge der direkten, intensiveren Erwärmung durch die Sonne sind die Süd- und
Südwestlagen im allgemeinen weniger feucht als die Nord- und Nordostseiten. Die
Böden in ersteren sind trockener; die Holzpflanzen werden überdies zu energischerer
Blattverdunstung gereizt, so daß diejenigen, welche in den genannten Beziehungen
anspruchsvoller sind, von den Süd- und Südwesthängen fern bleiben.
Recht empfindlich ist in dieser Hinsicht z. B. die Weißtanne, welche gern die nörd-
lichen und östlichen Lagen einnimmt, während das Umsetzen der Exposition nach Süd und
West oft sofort durch das .\uftreten der Kiefer charakterisiert ist ').
Die Bestandesverjüngung wird, sowohl was Wahl der Methode als auch Ausfüh-
rung im einzelnen anlangt, durch die angedeuteten Wirkungen der Exposition oft
wesentlich beeinflußt; dazu kommt die Beziehung der Exposition zu Windgefahr,
Schneedruck und Frost. In höheren Gebirgslagen muß bezüglich des Gedeihens der
Holzarten, von einer gewissen Grenze an, der meist größeren Wärme der Süd- und
Westseiten das unmittelbar entscheidende Wort zugestanden werden, während feuch-
tere Luft, bedeutendere Niederscldagsmengen usw. dort den Faktor Feuchtigkeit ia
seiner Beziehung zur E.xposition zurücktreten lassen. So kommt es, daß hier die
nach Süden, Südwesten und Südosten geneigten (Sommer-)Hänge höher hinauf
1) S. die bezügliclien Mitteilungen des Forstmeisters Graf von L' c x k ü 1 1 aus dem
würll. Schwarzwaldtorste Neuenbürg^ Monatsciuift für Tor^t- und Jagdwesen, Januar 1877.
g - VI. L o r e y, Waldbau.
bewaldet sind als die nördlichen, nordöstlichen und nordwestlichen Expositionen
(Winterhänge), die ihrerseits wieder in den Vor- und Mittelgebirgen bevorzugt wer-
den. Im höheren Gebirge steigt die einzelne Holzart an den Südseiten unter Um-
ständen 200 bis 500 m höher als an den Nordseiten.
3. Neigungswinkel, Abdachung, I n k 1 i n a t i o n, d. h. Neigung
des Bodens gegen die Horizontale. Im allgemeinen bilden, sofern ein gewisses Maß
der Steilheit nicht überschritten wird, auch bedeutendere Neigungen kein Hindernis
der Holzkultur, wenn auch Bestandesbegründung und -erziehung, sowie namentlich
auch die Ernte und der Transport der Forstprodukte in steileren Lagen oft mit
erhöhten Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Stärker geneigte Hänge sind vielfach
trockener und flachgründig, sind Bodenrutschungen ausgesetzt und bedingen dadurch
häufig besondere Aufmerksamkeit bei der Wahl der Betriebsart und der Ver-
jüngungsmethode. Andererseits treten Versumpfungen mehr in ebenen Lagen auf.
Die Grenzen der landwirtschaftlichen Bodenbenutzung und der Waldwirtschaft sind
an vielen Stellen hauptsächlicli durch den Abdachungsgrad gezogen.
4. Oberflächengestaltung: Dabei kommt in Betracht der durch die
Bodenausformung im großen geschaffene orographische Charakter einer Gegend,
sowie die verschiedenartige Gestaltung der Bodenoberfläche im einzelnen. In ersterer
Beziehung ist besonders die Verteilung von Land und Wasser, sowie die Gebirgs-
bildung von Bedeutung: Massengebirge im Gegensatz zu Kettengebirgen mit zahl-
reichen Einzelzügen, Anordnung der Täler, Wechsel der Expositionen, isolierte Berg-
kuppen, Hochplateaus usw. sind zu beachten. Innerhalb dieser, den Gesamtcharakter
ausdrückenden Unterschiede, welche die waldbaulichen Maßregeln oft ganz direkt
beeinflussen (z. B. bei der Wahl der Holzart), treten dann bei der Beurteilung von
Detailfragen die teilweise sehr greifbaren Verschiedenheiten im einzelnen in Kraft,
wie insbesondere das Vorkommen von Mulden, welche meist infolge größerer Feuchtig-
keit und Tiefgründigkeit wesentlich besseren Holzwuchs erzeugen, aber als Tieflagen
auch zu Frösten Anlaß geben können, ferner von Steilhängen, flachen Rücken usw.
Die meisten dieser großen und kleinen Unterschiede in der Oberflächengestaltung
werden auch insofern wichtig, als von ihnen der größere oder geringere Schutz
eines Waldortes durch seine Umgebung abhängt. Es ist klar, wie der Verlauf der
Höhenzüge, wie einzelne Berge die Wirkung der Winde auf hinterliegendes Gelände
modifizieren, wie die Sturmgefahr durch die Richtung der Täler und Höhen be-
einflußt wird, wie größere Wasserflächen bei dem Auftreten von Frösten, Duft-
und Eisbruch mitwirken können. Zu allen solchen Umständen, die sich teils aus
größei-er Entfernung, teils aus der Nähe fühlbar machen, tritt dann der Einfluß des
unmittelbar benachbarten Geländes mit seiner Bestockung (vorliegende höhere Holz-
bestände oder Kahlfläche — junge Kultur, Wiese, Feld — in ihren Beziehungen
zu Winden, Randverdämmung usw.).
B. Boden, insbesondere physikalische Eigenschaften desselben.
§ 6. Als solche gelten Feuchtigkeit, Gründigkeit und Bindigkeit.
Fast alle unsere Holzarten zeigen da das beste Gedeihen, wo keine jener Eigen-
schaften in einem ihrer Extreme vorhanden ist; weder Nässe, noch Trockenheit, weder
Festigkeit noch Lockerheit kann, sobald ein bestimmtes Maß überschritten wird, als
zuträglich bezeichnet werden. Hinsichtlich der Gründigkeit ist allerdings im allge-
meinen nur das eine Extrem, die Flachgründigkeit einer freudigen Entwickelung oft
hinderlich, während Tiefgründigkeit nur in den seltenen Fällen einmal nachteilig wer-
den kann, wenn sie, — sei es, weil die atmosphärischen Niederschläge zu rasch in den
Das Bcstandcjinalerial. § 6. 9
Boden einsinken, sei es, weil ein Heran Idringen des Grundwassers aus der Tiefe bis
zum Wurzelraum nicht mehr stattfindet, — Trockenheit zur Folge hat. Eine gewisse
mittlere Beschaffenheit des Bodens ist also im großen und ganzen die zuträglichste und
bietet, da sie fast alle Holzarten wenigstens zuläßt, in waldbaulicher Beziehung dem
Wirtschafter den weitesten Spielraum. Freilich zeigen nicht entfernt alle oder auch
nur eine Mehrheit unserer Holzarten bei der nämlichen mittleren Bodenbeschaffenheit
gleich gute Entwickelung; ihre .Vnspriiche und demgemäß ihr Gedeilien sind mannig-
fach abgestuft. Ausgeschlossen aber ist auf diesen Böden mittlerer Eigenschaften
im allgemeinen keine Holzart. In solchem Falle wird dann die Auswahl einer be-
stimmten Holzart wesentlich durch ihr Verhalten im Bestand, sowie durch ihre
wirtschaftliche Bedeutung bedingt, während überall, wo irgend welche Extreme der
Bodenbeschaffenheit vorliegen, diese bei der Entscheidtmg über die anzubauende
Holzart in erster Linie maßgebend werden. Die Zahl der Möglichkeiten ist dann meist
eine sehr beschränkte.
Es ist bekannt, daß und inwieweit der Humus geeignet ist, die physikalischen
Eigenschaften des Bodens zu modifizieren, indem er zwischen den Extremen ver-
mittelt, insbesondere einem lockeren Boden mehr Bindigkeit, einem festen größere
Lockerheit gewährt, durch bedeutende Wasseraufnahme und wasserhaltende Kraft die
Feuchtigkeit reguliert, als schlechter Wärmeleiter ausgleichend wirkt und durch Koh-
lensäure-Entwickelung den mineralischen Boden aufschließt. Als absolute Bedingung
für die Waldvegetation kann er, sofern im übrigen der Boden die nötigen mineralischen
Nährstoffe sowie die erforderlichen physikalischen Eigenschaften besitzt, nicht ange-
sehen werden. Immerhin leuchtet ein, daß die waldbauliche Tätigkeit auf ununter-
brochene, reichliche Humusbildung abheben muß. Dabei handelt es sich aber durch-
aus nicht um Anhäufung größerer Streumassen, sondern vor allem um einen regelmäßi-
gen normalen Fortgang der Streuzersetzung und der Mengung der Zersetzungsstoffe
mit dem mineralischen Boden.
Im einzelnen sind die Ansprüche der Holzarten an den Boden außerordentlich
verschieden. Erwägt man überdies, daß auch für das Gedeihen einer b e s t i m m-
t e n Holzart nicht ein durchweg gleichbleibendes Maß der verschiedenen Boden-
eigenschaften gefordert wird, sondern, namentlich durch verschiedene Lage bedingte
Schwankungen zulässig sind, so erhellt, daß eine Charakteristik der Holzarten nach
ihren Bodenansprüchen nur ganz im allgemeinen und in großem Zuge möglich ist.
Sie kann auch mehr nur in der Weise erfolgen, daß die Grenze angedeutet wird, unter
welche bezüglich der einzelnen Bodeneigenschaft nicht herunter-, bezw. über welche
nicht hinaufgegangen werden darf, nicht aber kann man etwa innerhalb dieser Grenzen
ein bestimmtes Maß als jeweilig absolut bestes bezeichnen. Dies ist schon durch die
große Zahl zusammenwirkender Faktoren ausgeschlossen. Es gilt hier das gleiche
wie bei der vorerwähnten Lage. Die spezielle Einwirkung der einen oder der anderen
Gruppe von Produktionsfaktoren läßt sich um so weniger leicht feststellen, als in vielen
Fällen Ungunst der Lage durch vorteilhafte Bodenbeschaffenheit, wenn nicht ausge-
glichen, so doch in ihrem ertragsmindernden Einfluß abgeschwächt wird. Zu be-
achten ist, daß aus dem tatsächlichen Vorkommen einer Holzart nicht ohne weiteres
auf deren Wohlbefinden Schlüsse gezogen werden können. Anbaufähigkeit und Anbau-
würdigkeit sind sehr zu unterscheiden; für jede Holzart gibt es eben ein Optimum
ihres \'orkommens, an welches sich Zonen geringerer Leistung anschließen. Bei der
Beurteilung des waldbaulichen Wertes einer Holzart entscheidet überhaupt das Ver-
halten der Holzart im Bestand viel mehr als die Entwickelung des Einzelbaumes.
Die besten Standorte werden natürlich zunächst von den begehrlichsten Holzarten in
10 VI. L 0 r c y, Waldbau.
Besclilag genommen, so daß sicli weniger anspruchsvolle vielfach mit geringeren Böden
und schlechteren Lagen begnügen müssen, obwohl auch sie gern an dem Genuß der
besseren Standorte teilnehmen würden (z. B. die gem. Kiefer).
§ 7. 1) Feuchtigkeit: Ausgehend von der überaus wichtigen Rolle, welche
dem Wasser in der Pflanzen-Ernährung zukommt, und von der daraus folgenden und
durch die Tatsachen allseits bestärkten Ueberzeugung, daß jede Holzart unter sonst
gleichen Verhältnissen auf frischem Boden besser gedeiht als auf trockenem, muß
man sorgsame Bodenpflege im Sinne der Wassererhaltung als eine unabweisbare
Forderung hinstellen. Was in dieser Hinsicht zu beachten und vorzukehren ist,
wird späterhin berührt werden.
Für trockenen Boden taugen noch die gemeine Kiefer und die gemeine Birke,
Bet. verrucosa, die Robinie und eventuell einzelne Pappeln und Weiden. Einen
mindestens feuchten, wenn nicht nassen Boden verlangt z. B. die Schwarzerle, die
Ruchbirke, Bet. pubescens; auf solchem gedeihen ferner viele Weiden, auch woiil
Vogelbeere und Krummholzkiefer. Stagnierende Nässe bedingt fast immer eine mehr
oder minder zweifelhafte Entwickelung, während fließendes oder nur vorübergehend
stagnierendes Wasser auch im Ueberschuß kein Hindernis guten Wachstums ist, wie
die Weiden an Bach- und Flußufern und die üppige Entwickelung bes. der Stieleichen,
Eschen, Uhnen in zeitweise überschwemmten Auewaldungen beweisen. Selbst die
Rotbuche findet sich da und dort in Inundationsgebieten nicht selten. Fraxinus america
soll sich (nach Brecher) hier besser bewähren als Frax. excelsior; Carya alba, Robi-
nie und Lärche haben sich nach Ueberschwemmungen gut gehalten. Zeitiumkl,
namentlicli Dauer etc. der Ueberschwemmung sind dabei aber von Einfluß.
Weitaus die meisten unserer Holzarten meiden die Extreme und befinden sich
nur auf frischen, höchstens feuchten Böden wohl, mit der Abstufung, daß man einen
nur frischen Boden für die in der Uebersicht zu Eingang dieses Abschnittes genann-
ten Nadelhölzer, sowie für Eiche, Buche, Ahorn, Linde, einen feuchteren dagegen
für Esche, Erle, Ulme, Pappeln und Weiden vorziehen wird. Auch von den Aus-
ländern, mit welchen Anbauversuche gemacht werden, scheinen die meisten einen nur
frischen Boden zu lieben.
2) Gründigkeit. Man versteht darunter die Mächtigkeit der von den ^^'ur-
zeln durchdi'ingbaren Bodenschicht. Flachgründige, d. h. nur bis 30 cm tiefe Böden
sind oft, insbesondere an Hängen, zugleich trocken, seltener, bei undurchlassendem
Untergrund, in ebener Lage, zu naß und in beiden Fällen meist von geringer Er-
tragsfähigkeit. Hiervon abgesehen aber müssen sie dem Gedeihen derjenigen Holz-
arten hinderlich sein, welche ein tiefgehendes Wurzelsystem haben, namentlich dann,
wenn letzteres durch eine stark ausgebildete Pfahlwurzel charakterisiert ist, welche
sich, auf einem festen, unzerklüfteten Untergrund aufsitzend, nicht normal entwickeln
kann. Aus diesem Grunde taugen z. B. Eiche, Esche, L^lme, Linde und auch die
Tanne nicht auf einen flachgründigen Boden, während sich die Fichte mit ihren
flachstreichenden Wurzeln daselbst noch gut zurechtfindet. Auch Buche, Birke u. a,
sind von einem nicht gründigen Boden keineswegs ganz ausgeschlossen. Immerhin
sind auch für Holzarten, welche ihre Wurzeln in der Regel nicht weit in die Tiefe
senken, mitteltiefgründige (30 — 60 cm tiefe) und noch besser tiefgründige, über 60 cm
tiefe Böden wegen ihres meist besseren Feuchtigkeitszustandes entschieden vorzu-
ziehen. Flachgründigkeit macht sich fast immer durch geringes Höhenwachstum be-
merklich. Man vergleiche hierzu auch die Bemerkungen zu § 8, 2, S. 12.
3) Bindigkeit: ^^on dem Grade derselben ist die Entwickelung der Holz-
bestände insofern beeinflußt, als mit ihr die Ausbildung der feinen Saugwurzeln, die
Das Bcstandesmaterial. § 8. W
Standfestigkeit der Bäume, sowie der Feuclitigkeitsgelialt und die Üurcldüfluiig des
Bodens in Beziehung stellen. I >ie Extreme (einerseits strenger Tonboden, bald zu
naß und kalt, bald zu hart und rissig, wenn trocken, andererseits Flugsand) sind in
jedem Falle nachteilig. Zu den Holzarten, für deren normale I^eistung ein lockerer
Boden gefordert werden muß, gehören z. B, Ulme, Esche, Kastanie, Erle, Robinie,
von den Nadelhölzern Kiefer, Douglasie; die meisten andern zeigen auf einem Boden
von mittlerem Biiidiirkeitsgrad voll befriedigendes, zum Teil sogar ihr bestes Gedeihen.
II. E n t w i c k c 1 u n g s - und W u c h s v e r h ä 1 1 n i s s e des einzelnen
Bau m e s.
§ 8. Da es sich hier nicht um eine botanische Charakteristik, sondern um die
bei waldbaulichen Maßnahmen besonders zu beachtenden, bezw. zu verwertenden
Eigenheiten in der Entwickclung der einzelnen Holzarten handelt, so sind diese,
unter Voraussetzung normaler \'erhältnisse, vorab also eines geeigneten Standortes,
hauptsächlich nur im Hinblick auf folgende Fragen zu untersuchen:
1) Wie vollzieht sich die Keimung? Bleiben die Kotyledonen unter der Erde
oder werden sie mit heran fgenonunen? — 2) Wie sieht das Wurzelsystem aus? —
3) Ist die Holzart in der .lugend rasch- oder langsamwüchsig? Welchen \'erlauf
nimmt überhaupt ihre Höhenentwickelung absolut und im Vergleich zu derjenigen
anderer Holzarten? — 4) Wie verhält sich die Holzart gegen Beschädigungen aller
Art? Ist sie insbesondere in ihrer Jugend gegen Frost und Hitze empfindlich? ist
sie dem Schneedruck und der Sturmgefahr besonders ausgesetzt? — 5) Wann be-
ginnt sie regelmäßig zu fruktifizieren? in welchem Umfange darf auf ^^'iederkelu•
waldbaulich verwendbai-er .Masten gerechnet werden?
Auf die meisten der vorstehenden Fragen geben die Abschnitte Forstbotanik
und Forstschutz des Handbuches Antwort, so daß wir uns hier auf eine Gruppie-
rung der Hauptholzarten nach den vorgenannten Gesiclitspunkten, sowie auf einige
ergänzende Bemerkungen beschränken können:
1) Keimung: Die Kotyledonen bleiben unter der Erde bei der Eiche, Roß-
kastanie, Kastanie, Hasel, .Juglans und Carya, während die übrigen Laubhölzer, sowie
die Nadelhölzer oberirdisch (epigäisch) keimen, d. h. ihre Keimblätter über den Bo-
den erheben. Die Durchdrinsrung der über dem Samen lagernden Bodenschicht be-
deutet Leistung einer mechanischen Arbeit, die um so größer ist, je umfangreicher
die Kotyledonen sind und je dicker, bindiger und schwerer die über dem Samen
lagernde Erdschicht ist. Bei den unterirdisch (hypogäisch) keimenden Holzarten:
Eiche, Kastanie usw. kann die Bedeckung des Samens entsprechend stärker sein.
Vergl. hierzu § 57. E.
2) W u r z e 1 s y s t e m: Holzarten mit weitverzweigtem Wurzelsystem bean-
spruchen damit einen größeren Nahrungsraum, sind aber u. U. auch auf ärmerem,
trockenerem Boden noch zuwachskräftig (Akkommodationsfähigkeit von^^'eidenarten).
Durch Bäume mit flachstreichenden Wurzeln wird zunächst nur die obere Boden-
schicht, von solchen mit tiefgehenden Wurzeln werden entsprechend tiefer liegende
Schichten behufs Nahrungsaufnahme in Anspruch genommen; erstere kömien auf
flachgründigem Boden, wo letztere versagen, eher noch gedeihen. Holzarten mit tief-
gehender Pfahlwurzel, dann besonders auch solche mit mehreren starken, tiefeindrin-
genden Wurzelsträngen sind standfester als solche mit flachstreichenden Wurzeln.
Nach Bau und Habitus des Wurzelsystems unserer Holzgewächse unterscheidet
M. B ü s g e n 1) das lang auslaufende, durch dicke, spärlich verzweigte Würzelchen
1) Studien über die Wurzelsystemc einiger dikotyler Holzpflanzen. Flui'a 95. Bd. S. 58.
22 ^ I- L 0 r e y, Waldbau.
ausgezeichnete Extensivsystem und das Intensivsystem, bei welchem die letzten Aus-
zweigungen geringere Dicke haben, aber mit sehr viel mehr Faserwürzelchen besetzt
sind als beim Extensivsystem. Durch diese verschiedene \'erteilung der Wurzel-
substanz im Boden werden Unterschiede in der ^lethode der Ausnutzung desselben,
speziell in der Wasserversorgung bedingt. Extensive Wurzelsysteme finden sich bei
Holzgewächsen, die wenigstens zum Teil feuchten Klimaten und Standorten ange-
hören, z. B. bei der Esche, und scheinen mehr für Wirtschaft mit reichlichem Was-
servorrat geeignet, Intensivsysteme, wie sie z. B. die Buche zeigt, hingegen sind der
Ausnutzung kleinerer Wassermengen, d. h. periodisch trockenen Standorten angepaßt.
Als Holzarten mit tiefgehenden Wurzeln sind zu nennen: Eiche, Ulme, Esche,
Ahoi'n (besonders Acer pseudoplatanus), Kastanie, Schwarzerle, Linde, auch Weiß-
tanne, Kiefer, Weymouthskiefer, Lärche. \'on den genannten haben manche eine bis
in höheres Alter kräftig entwickelte Pfahlwurzel, wie z. B. Eiche, Kastanie, wäh-
rend bei anderen, wie Erle, Lärche, früher oder später das Wachstum der Pfahlwurzel
nachläßt, dagegen mehrere schräg in den Boden eindringende starke Seitenwurzeln
(,, Herzwurzeln") das Gerüst des Wurzelsystems bilden.
Flachstreichende Wurzeln haben Birke, Robinie, Pappeln und Weiden, sowie
Fichte, während andere Holzarten, wie Buche, Hainbuche, Weißerle, eine Mittelstel-
lung einnehmen. Abgesehen von den unzweideutig ausgeprägten Extremen ist diese,
wie überhaupt jede ähnliche Abgrenzung, angesichts der zahlreichen Uebergänge
keine sichere, zumal auch bei der gleichen Holzart je nach der Bodenbeschaffenheit
oft auffällige ^'erschiedenheiten und vielfache Uebergänge vorkommen. Namentlich
ist die Bildung einer ausgeprägten Pfahlwurzel nicht bei allen, eine solche von Haus
aus aufweisenden Holzarten in gleicher Weise Bedingung einer guten Entwickelung
(Eiche), sondern unter Umständen (Tanne auf weniger gründigen Böden) kann eine
starke eigentliche Pfahlwurzel durch kräftigere Entwickelung seitlicher Wurzeln er-
setzt werden.
3) H ö h e n e n t w i c k e 1 u n g 1) : Für viele waldbauliche Fragen (Erzielung
genügenden Bestandesschlusses und damit guter Bodendeckung, Schädigung durch
Wild, Weidevieh, Frost usw.) ist namentlich die Jugendentwickelung der Holzarten
entscheidend. Einzelne machen schon in den ersten Lebensjahren bedeutende Längs-
triebe, während andere erst nach einer Reihe von .Jahren mit einer energischeren
Höhenentwickelung beginnen. Unter Zugrundelegung des Jugendwachstums teilt
man die Holzarten in rasch- und langsamwüchsige ein und rechnet zu den letzteren:
Buche, Hainbuche, Tanne, wogegen man Erle, Birke, Robinie, Esche, Ahorn, Kasta-
nie, Pappeln, Weiden, die meisten Pinus-Arten und die Lärche als raschwüchsig be-
zeichnen und endlich den Ulmen, Linden, Pirus- und Sorbus-Arten, sowie der Fichte
eine mittlere Stellung einräumen muß. Doch auch hier finden sich von Fall zu
Fall, d. h. nach Standort, Witterung, Behandlung usw. mancherlei \'erschiebungen.
Nach der Bodenzusammensetzung z. B. kann sich die Skala der Schnellwüchsigkeit
der Holzarten während der ersten Jugendjahre hin und wieder geradezu umkehren.
Eine ziemlich rasche, vielfach aber bald nachlassende Jugendentwicklung zeigen
auch unsere beiden einheimischen Eichenarten. Wie überhaupt in ihrem biologischen
Verhalten finden sich aber auch in der Wuchsenergie merkbare Unterschiede bei
ihnen: der Traubeneiche wird ziemlich allgemein rascherer Wuchs und längeres An-
1) Ueber die Art der Errrittelung des Höhenzuwachsganges ist die Holzmeßkunde von
v. Guttenberg in diesem Handbuche zu vergleichen. Daselbst finden sich überdies die
Enlwickelungsgeselze nach dem dcrmaJigen Stand unserer Kenntnis zusammengestellt. — Auf
die Frage der Bedeutung des Hühenwachstums bei Anlegung gemischter Bestände wird nocli zu-
rückgekommen werden.
Das Bestandesmaterial. § 8. 13
dauern kräftiger Hölieiientwickeluiig ziieikaniit. Mil zunehmendem Alter ändert sicli
bei vielen Holzarten das Höhenwachstum. Die in der Jugend langsam wüchsigen
Holzarten, Buche, Tanne. Ficlite fangen, zusagende Boden- und Standortsverliäit-
nisse vorausgesetzt, mit Eintritt des Bestandsschlusses an, kräftige Höhentriebe zu
schieben, während umgekehrt das Höhenwachstum der ii|i der Jugend raschwüchsigen
Arten um so früher und um so intensiver naciizulassen pflegt, je weniger der Stand-
ort ihren Ansprüchen genügt. Der bei den einzelnen Holzarten verschiedene Zeit-
punkt dieses Nachlassens verdient namentlich beim Zusammenordnen derselben im
Mischbestande sorgfältige Beachtung.
Endlich ist, wenn auch weniger für eigeullicli waldbauliche Maßnahmen, als im
Hinblick auf die Rentabilität des Betriebs (Haubarkeitserträge), die absolute Höhe,
welche überhaupt erreicht wird, von Bedeutung. In dieser Hinsicht stehen die Na-
delhölzer (Tanne und Fichte bis zu 40 Meter und mehr) im allgemeinen den Laub-
hölzern voran. Entscheidend ist hierbei nicht sowohl die Höhe einzelner besonders
gut entwickelter Exemplare, als vielmehr die mittlere Höhe haubarer Bestände. Es
verdient volle Aufmerksamkeit des Wirtschafters, daß der Höhemvuchs zwar in erster
Linie eine Funktion der Bodengüte, zum Teil aber auch ein Produkt der Bestands-
erziehung ist. Alle im freieren Stand zu baldiger Kronenabwölbung und Kronenaus-
breitung und damit zur Kurzschaftigkeit hinneigenden Holzarten, d. i. die Mehr-
zahl unserer Laubhölzer, ganz besonders die Buche und Stieleiche, müssen durch
Erziehung in engem \'erbande während der Jugend- und schwachen Stangenholzperiode
gezwungen werden, dem ihnen zunächst nur von oben gebotenen Lichte entgegen-
zuwachsen, um auf diese Weise die von der Nutzholzwirtschaft geforderte größere
astreine Schaftlänge zu erzeugen.
4) Verhalten der Holzarten gegen Beschädigungen. Wild-,
^^'eidevieh-, sowie Insektenschäden kommen insofern in Betracht, als sie (wie Rüs-
selkäferfraß in Kulturen. Maikäferschaden. Auftreten gewisser Schmetterlinge u. a.)
auf die waldbaulichen Anordnungen einen bestimmten Einfluß ausüben. Immerhin
werden unsere wirtschaftlichen Entschließungen häufiger und stärker durch das
A'erhalten der \^■aldbäume gegen Frost und Hitze, gegen Schneeschaden und Sturm
bedingt.
Hinsichtlich dieser Gefahren und der sie bedingenden Momente wird auf den
Forstschutz verwiesen. Hier soll nur hervorgehoben werden, daß eine in bezug
auf ihre Massen- und Wertserträge, sowie ihr \'erlialten gegen den Boden usw..
vielleicht weniger geschätzte Holzart gerade durch ihre Unempfindlichkeit gegen Frost
und Hitze für gewisse konkrete Fälle eine besondere Bedeutung erlangen kann, in
dem sie empfindlichere Holzarten endweder ganz vertritt oder ilmen als wirksames
Schutzholz (Mischung. Voranbau) beigesellt wird. Beispiele: Hainbuche statt der
Rotbuche zum Unterbau auf feuchten Stellen, Kiefer als Schutz- und Treibholz für
Eiche. Birkenvoranbau in Frostlöchern. Ebenso können manche Holzarten wegen
besonderer Gefährdung (z. B. Fichte in Sturmlagen) örtlich von unseren Erwägungen
bezüglich der Wahl der Holzart ausgeschlossen erscheinen.
5) Fruktifikation: Soweit die Bestandesbegründung durch Pflanzung
stattfindet, ist der Waldbau mit seinen Operationen von dem Eintritt guter Samen-
jahre nur in mäßigem Umfange abhängig. Einmal läßt sich, was an Pflänzlingen
nicht aus Schlägen entnonunen werden kann, sondern besondere Anzucht erheischt,
aus verhältnismäßig kleinen Mengen des betreffenden Samens erzielen, so daß auch
in samenarmen Jahren oft wenigstens dieses geringe Quantum brauchbaren Samens
zu erlangen ist. und zum andern kann im Falle reichlicher Mast meist für mehrere
14 VI. L o r e y, Waldbau.
Jahre vorgesorgt werden, weil man bei der Pflanzung nicht immer gerade auf ein
ganz bestimmtes Alter der Pflänzlinge angewiesen ist. Dagegen ist die Kultur durch
Saat in weit erheblicherem Maße, sowie die natürliche Samen- Verjüngung voll-
ständig an die Masten gebunden, und es ist, namentlich für das regelmäßige Fort-
schreiten der Wirtschaft im größeren nachhaltigen Betriebe, oft von wesentlichem
Einfluß, ob und in welchen Zwischenräumen Samenjahre in genügender Art wieder-
kehren (vergl. den Abschnitt über Bestandesbegründung).
Man kann zwar für Saaten (Nadelhölzer) unter Umständen auch noch einige Jahre
alten Samen verwenden, überdies den Samen, wenn den Anforderungen der Zucht-
wahl dabei nicht entgegengetreten wird, aus weiter Ferne herbeischaffen, aber diese
Behelfe fehlen bei der Naturbesamung. Wenn nun letztere auch bei allen Holzarten
stattfindet, so ist der Wirtschaftsbetrieb im großen doch meist nur bei Tanne und
Buche, sowie vielfach bei Fichte, da und dort auch bei Eiche, Esche, Ahorn und
Kiefer auf Naturverjüngung begründet. Die Benutzung natürlicher Ansamung von
Eiche, Esche, Ahorn usw. wird, weil sie vielfach nicht nur als erwünschte Ergänzung
der künstlichen Kultur erscheint, sondern letztere geradezu überflüssig machen kann,
neuerdings mit Recht vielenorts in größerem Umfange angestrebt. In erster Linie
kommen für unsere Frage Tanne, Fichte und Buche, event. Kiefer und Eiche in Be-
tracht, da Holzarten wie Esche und Ahorn, dann auch Hainbuche und Birke meist
sehr regelmäßig Samen tragen oder doch nur selten gänzlich versagen. Obwohl schon
vom ausgehenden Stangenholzalter an oft bedeutendere Masten vorkommen, und zwar
auf schlechterem Standort gewöhnlich früher als auf besserem, wird ihre regelmäßige
Wiederkehr meist erst von einem späteren EnLwickelungsstadium an beobachtet,
welches demgemäß als volle Mannbarkeit bezeichnet werden kann. Erst wenn diese
eingetreten ist, läßt sich die ^'erjüngung mit Sicherheit leiten.
Man kann rechnen*), daß bei der Tanne etwa vom 70. — 80. Jahre an in mildem
Klima alle 3, in rauherem alle 5 — 7 Jahre eine reichliche Mast eintritt; bei der Fichte
geschieht dies vom 60. Jahre an (mit entsprechenden, örtlich allgemein, sowie durch
die mehr zufälligen Einflüsse der Jahreswitterung bedingten Schwankungen auf-
und abwärts) durchschnittlich alle 5 Jahre. Die gemeine Kiefer fruktifiziert früher
und oft auch reichlicher, so daß etwa vom 40. Jahre an in je 3jährigen Perioden auf
eine genügende Samenmenge zu zählen ist. Buchensamenjahre, wenn auch eigentliche
Vollmasten selten sind, doch, je nach Oertlichkeit, vom 70. — 80. Jahre an alle 5 — 10
Jahre. Aehnlich wie die Buche (im ganzen wohl etwas günstiger) verhalten sich die
Eichen, doch bewegt sich die Buche mehr in Extremen, während bei Eichen Haib-
und Sprengmasten häufiger sind.
Von besonderem Einfluß auf die Samenentwickelung sind der allgemeine Cha-
rakter des Klimas und die Witterungsverhältnisse des einzelnen .lahres. Die Frukti-
fikation beginnt, von der nicht unbedeutenden Beeinflussung durch die spezifische \'er-
anlagung des Einzelindividuums abgesehen, im allgemeinen um so früher, je wärmer
das Klima ist. Die Samenjahre treten nach Häufigkeit und Ergiebigkeit zurück, je
nördlicher bezw. höher der in Frage kommende Standort liegt. In der Einflußsphäre
der Jahreswitterung spielen naßkalte Sommer, ganz besonders aber Spätfröste, welche
die Blüten vernichten, eine große Rolle. Warme Sommer wirken fördernd und stei-
gern die Fruktifikation bei Eiche im gleichen, bei Buche im folgenden Jahre. Außer-
dem wirkt auch das Licht auf die Anlage und Ausbildung der Blütenknospen anre-
gend ein. Die späte Mannbarkeit und geringe Fruktifikation unserer gleichaltrigen
1) Vergl. u. a. H e ß, ,,Die Eigenschaften und das forstliche Verhallen der wichtigeren
. . Holzarten", woselbst in Anmerl<uiigen die öpezialliteratur nachgewiesen ist.
Das Beslandesniaterial. § 9. J5
Bestände hängt nfl niclit zum weuifislea mil der anjjstliclieii l^rhaltuii^ des vollen Be-
standsschlusses zusammen ; vergl. Zweck und Bedeutung der ^'o^•bel•eitungsschläge.
§ -iO.
III. \" 0 r li a 1 t e n der Holzarten im Bestand.
Da es der Waldbau fast ausnahmslos iiiclit mit Einzelbäumen, sondern mit Be-
ständen, d. li. mit einer \'iellieit irgendwie zusannaengeordnetcr Individuen zu tun
hat, so ist die Würdigung der einzelnen Holzarten recht eigeullicli ilunh deren \er-
halten im Bestände, beim Zusammenleben mit Individuen der gleichen oder anderer
Art bedingt. Dabei ist jenes \'erhalten hauptsächlich nach zwei Richtungen hin zu be-
gutachten; nämlich es fragt sich: 1) welchen Einfluß äußert die Holzart im Bestand
auf den Boden; der sie trägt? und "2) was leistet der Bestand als solcher für die Zwecke
der Wirtschaft?
A. Einfluß der Holzarten auf den Boden.
!; 9. Der Bestand, welcher dem Boden bestimmte Beträge an Nährstoffen entzieht
und ihn dadurch ärmer macht, soll hierfür durch diejenigen Substanzen, welche die
Holzgewächse zur Streudecke und somit demnächst zur Humusbildung beitragen,
also in erster Linie durch den jährlichen Blatt- und Nadelabfall, durch Blüten- und
Fruchtteile, Zweige etc. soweit möglich Ersatz leisten. Außerdem soll durch das Kro-
nendach des Bestandes die Einwirkung von Sonne und ^^"ind in solchem Maße vom
Boden fern gehalten werden, daß diesem hierdurch das gehörige Maß von Feuchtig-
keit, sowie vor allem ein normal verlaufender stetiger Gang der Humusbildung ge-
.sichert, die Streudecke im wesentlichen bewahrt und zugleich die Entwickelung zu
massenhafter Forstunkräuter hintangehalten werde. Diese Wirkungen sollen vom Kro-
nendach ausgehen, d. h. von der Gesamtheit aller Baumkronen, welche sich über einer
bestimmten Fläche befinden. Die nach Holzart und Lebensbedingungen überaus ver-
schiedene Ausgestaltung der einzelnen Krone ist — von der gegenseitigen Beeinflussung
der Individuen und der Wirkung wirtschaftlicher Maßnahmen abgesehen — allgemein
bedingt durch die der Holzart eigene Art der Ast- und Zweigbildung, durch Größe,
Gestalt, Anordnung, Menge, Dauer der Blätter und Nadeln. In den weitaus meisten
Fällen — außer auf besonders kräftigen bezw. feuchten Böden, deren Erschöpfung in
bezug auf Mineralstoffe und Wassergehalt nicht zu fürchten ist — leistet in den voran-
gedeuteten Richtungen nur ein gut geschlossenes Kronendach Genügendes, wobei
allerdings vielfach das Ideal nicht darin besteht, daß die einzelnen Kronen sich in
gleicher Höhe gewissermaßen zu einer einzigen Etage zusammenfügen. Der Erhaltung
und Pflege der Bodenkraft ist es oft weit förderlicher, wenn an Stelle eines gleich-
mäßig geschlossenen Kranendaches Einzelbäume und Gruppen verschiedensten Alters
und damit verschiedenster Höhe und Ausformung den Raum über dem Boden derart
mit Aesten und Zweigen anfüllen, daß die zur Zersetzung der Streu notwendige \^'ärme
in genügendem Maße dem Boden zugeführt wird. Jedenfalls aber ist zur Herstellung
jenes Schutzdaches über dem Boden, sowie zur Rücklieferung einer hinreichenden
Menge an hunmsbildenden Substanzen auf der Flächeneinheit eine gewisse, mit dem
Alter des Bestandes wechselnde Anzahl von Holzpflanzen erforderlich, welche genügend
nahe zusammenstehen und deren Kronen in sich entsprechend dicht sind. Na-
mentlich in höherem Alter, wenn der einzelne Baum einen größeren Standraum ein-
nimmt, ist die Beschaffenheit der Einzelkrone für die Intensität des Bodenschutzes
bedingend. In der Jugend fällt ja zweifellos die auf gegebener Fläche sich vorfin-
dende Zahl der Individuen am meisten ins Gewicht, aber mit fortschreitender Ent-
16 \l. L 0 r e y, Waldbau.
•Wickelung (zunehmender natürlicher und künstliciier Bestandesreinigung) tritt diesem
Moment der Einfluß der einzelnen Krone mehr und mehr als gleichwertig zur Seite.
Nun verhalten sich aber unsere Holzarten in Beziehung auf die Ausbildung ihrer
Kronen außerordentlich verschieden. Zwar besitzen nicht bloß diejenigen, welche
sich auch im Alter noch durch dichte Kronen auszeichnen, sondern auch viele von
denen, bei welchen dies nicht der Fall ist, in der Jugend reichliche Belaubung oder
Benadelung; aber mit zunehmendem Alter lichten sich die Kronen mehr und mehr
aus. Sie rücken überdies (infolge Absterbens der unteren Aeste) immer weiter vom
Boden in die Höhe. Durch die sowohl im Boden als im Kronenraume stattfindende
seitliche Beengung gehen ferner viele Individuen ein, so daß durch dies alles bald früher
bald später (nach Holzart, Standortsverhältnissen usw.) eine oft sehr weitgehende Un-
terbrechung des Kronenschlusses eintritt, eine Lichtstellung, die sich durch Ueber-
kleidung des Bodens mit Unkräutern, durch zu rasche oder auch durch unvollkom-
mene Humuszersetzung, Austrocknung etc. bemerkbar macht. Da im allgemeinen der
Waldboden in seiner Produktionsfähigkeit hierdurch geschädigt wird, so muß für
dauernden Kronenschirm gesorgt werden. Dies geschieht am einfachsten, indem man
überhaupt nur solche Holzarten in die Bestände bringt, deren Kronendach sich bis
ins höhere Alter gut geschlossen erhält. Zu diesen gehören Tanne und Buche, dann
auch die Fichte. Sie sind vor allen anderen berufen, die Hauptmasse des Waldes
zu bilden, und können, richtige Bestandespflege vorausgesetzt, ohne Gefährdung
der Bodenkraft in reinen Beständen auftreten, d. h. solchen, die nur aus E.xem-
plaren der nämlichen Holzart zusammengesetzt sind.
Sache einer zweckmäßigen Bestandeserziehung (s. dort vierter Abschnitt) aber
ist es, darauf zu halten, daß man mit der Bevorzugung reiner Bestände der genannten
Holzarten im Dienste der Bodenpflege nicht aus einem Extrem ins andere fällt. Mit
vollem Rechte nämlich beschuldigt man das bis in die neueste Zeit herrschende Dogma
von der Erhaltung des dauernden vollen Bestandsschlusses in den Fichten-, Buchen-
und Tannenbeständen, daß mit ihm nicht in allen Fällen eine Förderung, sondern oft
genug eine Verminderung der Bodengüte und eine Erschwerung der Waldbegründung,
namentlich der natürlichen, herbeigeführt werde. In den durch Kahlschlagbetrieb
oder schlagweise Naturverjüngung geschaffenen gleichaltrigen, also gleichwüchsigen
imd dauernd in Dichtschluß erhaltenen reinen Beständen von Fichte, Buche und
Tanne lagern sich, wie die Erfahrung lehrt, beim Vorhandensein ungünstiger Verwe-
sungsbedingungen, d. i. in Lagen mit niederer Temperatur, bei Ueberschuß oder
Mangel an Feuchtigkeit oder bei mangelndem Kalkgehalt des Bodens, leicht pflanz-
liche Reste in Gestalt mehr oder minder mächtiger Streuschichten ab. Man nennt
solche meist dicht gelagerte, wenig oder nicht zersetzte Streumassen Trockentorf
(früher Rohhumus). Sie haben sowohl in chemischer wie physikalischer Hinsicht
eine ungünstige Veränderung des Waldbudens zur Folge und sind für Boden und
Bestand überwiegend schädlich. Wie im vorangehenden Abschnitt ,, Forstliche Stand-
ortslehre" näher ausgeführt ist, verursachen stärkere Trocken torf schichten, zumal
auf den Sandböden, das Entstehen von Ortstein, veranlassen Auslaugung der lös-
lichen Mineralstoffe, führen zur Versauerung und Verdichtung des Bodens, min-
dern seine Durchlüftbarkeit und beeinträchtigen das für die normale \'ei-wesung
aller organischen Reste außerordentlich wichtige Tierleben im Boden, sowie die für
die \'erwesungsvorgänge gleich wichtige Bakterienflora, kurz, sie machen den Boden,
wie man zu sagen pflegt, krank. Die sauren Zersetzungsprodukte, die in den reinen
Schattenholzbeständen überall dort entstehen, wo infolge Erhaltung dauernden Dicht-
schlusses die Bedingungen zum raschen Fortgang der ^"erwesung fehlen, führen na-
Das Bestandesmaterial. § 9. 17
mentlicK bei Buche i), Fichte und Tanne '^) zum Versagen der Naturverjüngung.
Ilirer Bildung kann nur dadurch vorjicbougt werden, daß durch entsprechende und
namenlhch frühzeitigere Sclihißuntcrhrechung für hinreichenden Wärme- und Luft-
zutritt zum Boden und damit für Förderung der Venhmstung und Streu Zersetzung
Vorsorge getroffen \\^ird.
Holzarten, die sich später licht stellen, werden, um der oben genannten Gefahr
der Bodenverunkrautung zu entgehen, entwedei in so niedrigen Umtrieben bewirt-
schaftet, daß bei der Aberntung des Bestandes die für den Bodenzustand bedenkliche
Lichtung noch nicht eingetreten ist, oder es muß, wenn man sie älter werden lassen
will, im Zeitpunkte der beginnenden Auslichtung durch besondere Maßnahmen (Un-
terbau) für Bodenschutz gesorgt werden.
Die mehrerwähnten Holzarten Tanne, Buche und Fichte werden im Verein mit
einigen Nebenholzarten als schattenertragende oder kurz Schatten-
holzarten bezeichnet, weil man die Dichtigkeit ihrer Krone, welche wesentlich
darauf beruht, daß Blätter bezw. Nadeln im Innern derselben sich noch längere Zeit
hindurch lebend erhalten, als einen Beweis höheren Schattenerträgnisses ansieht.
Im Gegensatz hierzu steht das Verhalten anderer Holzarten, deren Kronen sich bald
lichten, indem die von den äußeren Blatt- bezw. Nadelschichten umschatteten Organe
im Kroneninnern nicht mehr lebensfähig bleiben. Diese Holzarten werden deshalb
I i c h t b e d ü r f t i g oder kurz Lichthölzer genannt.
Die schon seit mehr als einem Jalirhundert gebräuchliche Einteilung der Holzarten
in Licht- und Schattenhölzer gründet sich auf das eben angedeutete verschiedene Verhalten,
das sich zeigt, wenn man Bestände der einzelnen Holzarten während ihrer Entwicklung sich
selbst überläßt. Den Holzarten wohnt in der Tat eine verschiedene Lichtempfindlichkeit
inne; sie sind auf einen verschiedenen Lichtgenuß, auf ein verschiedenes Minimum desselben
abgestimmt. Der Lichtbedarf der einzelnen Holzart und die mit ihm zusammenhängende
Fähigkeit, Beschattung zu ertragen, sind aber keine absolute und unabänderliche Größen,
sondern wechseln mit den Standortsverhältnissen, der geographischen Breite, der Meeres-
höhe, dem Alter, der Jahreszeit und dem Entwicklungsstadium des Einzelindividuums. In-
folgedessen ist es allerdings nicht angängig, die in einem heranwachsenden Bestände sich
abspielenden Vorgänge der Bestandesausscheidung, d. h. des allmählichen Unterdrückt-
werdens und .\bslerbens einer größeren oder geringeren Anzahl von Individuen und das
Tempo dieses Vorganges lediglich unter Zugrundelegung der Lichtempfindlichkeit und des
wechselnden Lichtgenusses zu betrachten. Hierbei spielen vielmehr Klima, Bodengüte und
namentlich Bodenfrische als mitwirkende Faktoren eine wesentliche Rolle. Der Lichtan-
spruch einer Holzart ist um so größer, ihr Schattenerträgnis mithin um so geringer, je kühler,
schlechter oder trockner der Standort ist. Auf gutem, namentlich frischen Boden oder in war-
mem Klima verträgt eine unter mittleren Verhältnissen auf ein hohes Lichtgenußminimum
angewiesene Holzart, d. h. eine Lichtholzart, so viel Beschattung, daß sie ihren Lichtholz-
charakter fast zu leugnen scheint, und umgekehrt verlangt eine Schattenholzart in Stand-
ortsverhältnissen, die an der unteren Grenze ihrer Ansprüche liegen, auf trockenem, armen Bo-
den oder in nördlicheren bezw. höheren, kühlen Lagen so viel Licht, daß sie kaum mehr als
Schattenholzart bezeichnet werden kann. Diese noch keineswegs hinreichend geklärten Wech-
selbeziehungen zwischen Lichtgenuß und Standort sind mehrfach, neuerdings wieder für
F r i c k e ') Veranlassung gewesen, alltägliche Erscheinungen des Waldbaues, wie ungenü-
gende Entwicklung des Jungwuchses im Halbschatten oder unter dem Schirm älterer Bäume,
Wiederverschwinden des Aufsclilages und dergl. nicht auf Lichtmangel, sondern auf mangelnde
Bodenfeuchtigkeit infolge Konkurrenz seitens der Wurzeln der älteren Bäume zurückzuführen.
So richtig und wertvoll der von Fricke gelieferte Nachweis der Mitwirkung dieser Wurzel-
konkurrenz beim Gedeihen beschatteten Jungwuchses auch ist, so wenig berechtigt ist die
hieraus abgeleitete Folgerung, daß die übliche Einteilung der Holzarten in Licht- und Schat-
tenholzarten sich nicht halten lasse und wissenschaftlich nicht begründet sei. Die mehr
oder minder ausgeprägte Fähigkeit unserer Holzarten, unter sonst gleichen Verhältnissen
mehr oder weniger Schatten zu ertragen, bleibt als Tatsache bestehen. Sie bedarf aller-
1) Vgl. hierzu: C. F r ö ni b 1 i n g. Der Buchenhochwaldbetrieb. Berlin 1908.
2) H. St oll, Das Versagen der Weißtannenverjüngung im mittleren Murgtale. Naturwiss.
Ztschr. f. Forst- und Landwirtschaft 1909, S. 351.
3) Fricke, „Licht- und Schattenholzartcn", ein wissenschaftlich nicht begründetes
Dogma. Z. i. d. ges. Forstw. 1904, S. 315.
Handb. d. Forstwiss. 3. Aufl. II. A
18 VI. L 0 r e y , Waldbau.
dings noch der .Aufhellung hinsichtlich ihrer anscheinend sehr engen und nur schwer zu iso-
lierenden Beziehungen zu den Faktoren der Bodengüte bezw. der Bodenfrische.
Als extreme Repräsentanten der Lichthölzer können Lärche und Birke gelten;
sie zeichnen sich vor allen andern durch ihre besonders dünne Krone aus. Zwischen
den beiden genannten Extremen, den absoluten Schattenhölzern Eibe, Tanne und
Buche und den Lichthölzern Birke und Lärche, schalten sich in mannigfacher Ab-
stufung die übrigen Holzarten ein. Keiner unserer Waldbäume liebt oder bedarf
den Schatten, abgesehen von der .Jugendzeit, in welcher vielen von ihnen Schutz
gegen Frost und Hitze gewährt werden muß. Das letztere aber kann im großen
Forstbetrieb meist nur durch das Kronendach eines Schutzbestandes geschehen,
ist also mit Beschattung verknüpft. Alle Holzarten entwickeln sich vielmehr kräf-
tiger in der Lichtstellung.
Tanne und Buche brauchen in der Jugend Schutz gegen Frost und Hitze und ertragen
die Beschattung, die Tanne aber länger und intensiver als die Buche. Weit weniger schutz-
bedürftig, zumal gegen Sonnenbestrahlung, ist die junge Fichte; ihr Schattenerträgnis ist
entschieden geringer als dasjenige der Buche. Immerhin muß man die Fichte, so lange nur
die zwei großen Gruppen: Schatten- und Lichthölzer gebildet werden, den Schattenhölzern
zuzählen. Mit ihr konkurriert allenfalls in bezug auf die Fähigkeit, l Schatten zu ertragen,
die Weymouthskiefer, von Laubhölzern vielleicht die Hainbuche. Alle anderen Holzarten
sind als Jungwüchse sofort sehr dankbar für vollen Lichtgenuß und erhalten sich unter dem
Schatten von Oberständern im allgemeinen nur dann einige Zeit wuchskräftig, wenn das, was
ihnen im Schatten an atmosphärischen Niederschlägen (Regen, Tau etc.) abgeht, durch Boden-
frische, feuchte Luft, gute Ernährung reichlich ersetzt wird. Hin und wieder bezeichnet man
diejenigen Holzarten, die in der Mitte zwischen ausgesprochenen Lichthölzern und ebensolchen
Schattenhölzern stehen, und hinsichtlich ihres Schattenerträgnisses in der Jugend oft auch
mehr den Schattenhölzern nahekommen, als Halbschattenholzarten. Je nach
den Standortsverhältnissen steigert sich das Lichtbedürfnis dieser Holzarten früher oder
später bis zu dem der typischen Lichthölzer. — Von dem Verhalten in der ersten Jugend ist
dasjenige während der weitern Entwickelung des Bestandes zu unterscheiden. Das kriti-
sche Alter, in welchem sich die größere oder geringere Fähigkeit einer Holzart, dichte und
damit reine Bestände dauernd zu bilden, deutlich ausspricht, ist gemeinhin die Zeit des be-
ginnenden Stangenholzes. Außer bei Lärche und Birke tritt die Sorge um den Bodenschutz
im reinen Bestände einer Lichtholzart meist erst von jenem Zeitpunkte ab an uns heran;
ja in Beständen mancher lichtkroniger Nadelhölzer, wie z. B. der Kiefer, kann man sich
dieser Sorge oft noch weiterhin, bis ins mittlere, ja höhere Stangenholzalter entschlagen,
sofern eine dichte Moosdecke den Boden überkleidet und ihm den erforderlichen Schutz
(Feuchtigkeit etc.) gewährt.
Von verschiedenen Schriftstellern sind die Holzarten in bezug auf ihre Fähigkeil, Schat-
ten zu ertragen, bezw. sich im geschlossenen Bestände zu hallen, klassifiziert worden'). Die
von ihnen aufgestellte Skala stimmt nicht in allen Einzelheiten überein. Dies kann auch nicht
anders sein, denn die Beobachtungsgebiete, welchen die betreffenden Bücher entstammen, sind
sehr verschieden; immerhin treffen die Abweichungen zumeist nur die eine mittlere Stellung
einnehmenden Holzarten. Manche Verschiebung ist auch rein lokaler Natur, durch die Eigenart
des Standorts bedingt-), Ueberdies ist, wie oben erwähnt, die exakte komparative Beobach-
tung äußerst schwierig, weil meist viele Faktoren gleichzeitig wirksam sind. Zu den Schatten-
hölzern zählt man allgemein: Eibe, Buche, Tanne, Fichte, Douglasie, Schierlingstanne, zu den
Lichthölzern: Lärche, Birke, Eiche, Kiefer, Pappel, Weide; zu den Halbschaltenhölzern: .\horn,
Esche, Ulme, Erle, Linde, Weymouthskiefer, Robinie Zu beachten ist, daß zu den ziemlich
viel Schalten ertragenden Holzarten die Weymouthskiefer gehört, welche sowohl dadurch wie
auch durch ihre Raschwüchsigkeit für manche Spezialfälle waldbaulicher Arbeit, wie z. B. Aus-
pflanzen von Schneebruchlücken, allen Wegen usw. besonders geeignet erscheinen kann. Ferner
sei nochmals betont, daß die Fichte keineswegs der Buche und noch weniger der Tanne gleich-
geordnet werden darf.
Tatsächlich kommen auch von andern Holzarten, als der Tanne, Buche und
Fichte, ausgedehnte reine Bestände vor; diese sind dann aber entweder Kinder der
Not oder in besonders günstigen Verhältnissen, sehr oft auch in eigenartigen wirt-
1) Vergl. u. a. G. H e y e r, Verhalten der Waldbäume gegen Licht und Schatten, 1852.
— v. F i s c h b a c h, „Forstwissenschaft", 4. Aufl. 1886, S. 5. — K r a f t in AUg. F.- u. J.-Ztg.
von 1878, S. 164. — G a y e r, „Waldbau", 4. Aufl. S. 31 ff.
2) In dieser Beziehung macht z. B. G a y e r auf die erhöhten Lichtansprüche bei kur-
zer Vegetationsdauer (Gebirg, Norden), dann auf den Einfluß der örtlichen Lichtintensität,
die Wirkung häufiger Nebel usw. aufmerksam.
Das Bestandesmaterial. § 10. jg
schaftlichen Bedingungen begründet. Alle diese Umstände können die theoretisch
als Ausnahme zu betrachtende Bildung reiner Bestände durch Lichtholzarten ge-
gebenenfalls geradezu als Regel erscheinen lassen. So findet sich, um das prägnanteste
Beispiel herauszugreifen, die Kiefer auf weiten Flächen in reinen Beständen, und
zwar zumeist auf Böden, welche für andere, anspruchsvollere Holzarten nicht mehr
taugen, wo man also, um überhaupt Wald zu haben, mit der Kiefer im reinen Be-
stand zufrieden sein muß. Man befindet sich hier in einer Zwangslage, aus der man
eben niemals herauskommen kann. So lange solche Bestände noch jung und gut
geschlossen sind, ist die Leistung der Kiefer auch in Rücksicht auf die Bodenkraft
eine befriedigende. Die Fälle, in welchen Lichtholzarten, wie gerade nicht selten
die Kiefer, aus wirtschaftlichen (Rentabilitäts-)Gründen rein angebaut werden,
sind für unsere Frage zunächst weniger von Interesse. Es mögen nur noch Schwarz-
kiefer (Wiener Wald), Krummholzkiefer (Hochgebirg, Moore), Erle (nasse Partien),
sodann Esche, Eiche (auf kräftigen Böden der Flußniederungen, doch hier meist
mit einem Unterholz) als Beispiele dafür aufgeführt werden, daß unter besonderen
Umständen Lichthölzer, zumal solche, welche eine mehr mittlere Stellung ein-
nehmen, in reinen Beständen vorkommen. Ueberdies ist der Eichenschälwald als
typische Form besonders zu erwähnen, bei welcher der niedrige Umtrieb ent-
scheidend ist. — Anbau von Schutzbeständen (aus Birke, Kiefer), sowie Anzucht
von reinen Beständen (etwa der Eiche) in der Absicht, sie später zu unterbauen,
kommen als nicht dauernd beizubehaltende reine Bestände hier nicht weiter in Be-
tracht.
B. Verhalten der Holzarten untereinander. Gemischte Bestände').
§ 10. 1. A 1 1 g e m e i n e s. Da, wie wir gesehen haben, nur eine ziemlich
kleine Anzahl von Holzarten geeignet ist, für sich allein, d. h. in reinem Bestände,
dem Boden den erforderlichen Schutz zu gewähren, da sich aber gerade unter den
übrigen, den Lichthölzern, eine Reihe unserer wertvollsten, für die vielseitigsten
Verwendungszwecke gesuchten Nutzhölzer befinden, auf deren An- und Nachzucht
nicht verzichtet werden kann, so müssen sich den reinen Beständen ,,g e m i s c h t e"
zugesellen, d. h. solche, welche aus Individuen zweier oder mehrerer Holzarten zu-
sammengesetzt sind, wobei dann die Lichthölzer derart mit Schattenhölzern zu-
sammengebracht werden sollen, daß letztere die Sorge für den Bodenschutz in der
Hauptsache übernehmen, während jene, in der Minderzahl, ohne besonderen Nach-
teil für die Bodenkraft mitwachsen. Die Lichthölzer tragen ja auch ihrerseits, wenn
auch in mehr odei weniger bescheidenem Maße, zum Bodenschutz bei, so daß eine
geeignete Zusammenordnung von Licht- und Schattenhölzern vollkommen genügt,
um die Produktionskraft eines Waldortes dauernd zu sichern. Die zwei großen
Gruppen Licht- und Schattenhölzer gestatten folgende drei Arten von Mischungen:
a) Schattenhölzer untereinander, b) Schatten- mit Lichthölzern, c) Lichthölzer
untereinander. Außerdem sind bezüglich der Mischungen Unterschiede dahin zu
machen, ob sie bleibend oder vorübergehend sind, ob die einzelnen Holzarten
gleichzeitig oder zu verschiedener Zeit auf die Fläche kommen, ob sie demnach
gleichalt oder ungleichaltrig sind, endlich ob eine regelmäßige (reihen-, streifen-,
bandweise) oder unregelmäßige, mehr gruppen- oder horstweise Verteilung der ein-
zelnen Holzarten beliebt wird, oder aber ob ein Grundbestand mit Exemplaren
einer anderen Holzart in einzelständiger Anordnung der letzteren durchstellt ist.
a) Beispiele vorübergehender Mischungen: 1) Anzucht von Scliutz-
1) Vergl. Carl H e y e r, „Beiträge zur Forstwissenschaft" II. Hell, 1847, S. l ff.
2«
20 ^ I- Lorey, Waldbau.
beständen: Birke, Lärche oder Kiefer auf Blößen behufä Nachzuclit von Tanne, Fichte oder
Buche; Kiefer in üntermischung mit Eiche, um letztere durch Seitenschutz gegen Frost zu
sichern; — 2) Milanzucht einer Holzart, welche i ine frühe Zwischennutzung abwerfen soll,
z. B. Fichte (Weihnachtsbäume!) in Pflanzkulturen zwischen ausländischen Hölzern (Douglas-
tanne). — b) Beispiele ungleichzeitiger Mischungen: 1) Voranbau eines
Schutzbestandes, nachfolgendes Einbringen der Hauptholzart; 2) Unterbau von Lichthölzern
(Eiche) mit Schattenhölzern. — c) Beispiele ungleich alteriger Mischun-
gen sind unter a und b einbegriffen
Die Entscheidung darüber, ob reine oder gemischte Bestände herangezogen
werden sollen, wird, wenn zwingende waldbauliche Momente nicht vorliegen, in
letzter Linie von der Rentabilität getroffen. Sofern eine Anzahl kaum entbehr-
licher Holzarten im reinen Bestand nicht oder wenigstens nicht in hohem Umtriebe
ohne Gefährdung der Bodenkraft erzogen werden können, sind, wie bereits hervor-
gehoben wurde, Mischbestände eine unabweisbare Notwendigkeit. Es könnte sich
aber weiterhin die Erwägung aufdrängen, ob nicht auch solche Holzarten, welche
vermöge ihres dichten Kronenschlusses zu reinen Beständen taugen, wegen be-
sonderer Vorzüge der Mischbestände allgemein besser in Untermischung mit andern
Holzarten angebaut werden, ob also die Begründung gemischter Bestände nicht
ganz allgemein als Regel hingestellt werden soll. Solcher Vorzüge passend
gemischter Bestände werden in der Tat mehrere angeführt i), und zwar
wird neben der schon genannten Möglichkeit der Starkholzerziehung von Licht-
hölzern in der Hauptsache folgendes zugunsten der Mischbestände geltend gemacht:
a) Gemischte Bestände gewähren größeren Schutz gegen gewisse Gefahren, indem
die einzelnen Mischholzarten in verschiedenem Maße (manche eventuell gar nicht)
bedroht sind und dadurch für den Bestand im ganzen eine höhere durchschnittliche
Widerstandsfähigkeit entsteht. Wenn letztere auch nicht selten nur mittelbar der
Mischung, zunächst jedoch der durch sie ermöglichten kräftigeren Kronenent-
wicklung, besserer Gesundheit im allgemeinen usw. zu verdanken ist, so bedeutet
doch in sehr vielen Fällen schon die Verschiedenheit der Holzarten an sich eine
größere Sicherheit für den Bestand. Beispiele: Mischung von Laubholz mit Nadel-
holz als Schutz gegen Feuer, Pilze und Insekten, desgleichen gegen Schneedruck;
flach- und tiefwurzelnde Holzarten bilden unter Umständen einen sturmsichereren
Bestand als flaclnvurzelnde allein; frostharte und -empfindliche Holzarten in Mi-
schung zum Schutz der letzteren usw. — b) Gemischte Bestände ,. können" die
Holzmassenproduktion steigern. Allgemein ließe sich dieser Satz vielleicht aus den
verschiedenen Bodenansprüchen der Holzarten, aus der Verschiedenheit ihrer Wur-
zelbildung (flach- und tiefwurzelnde), ihrer Kronenform, namentlich aber aus den
besseren Bodeneigenschaften, welche Lichtliölzern im Grundbestande von Schatten-
hölzern zu gute kommen usw., ableiten. Es wird aber gut sein, wenn man sich
solcher allgemeiner Folgerung gegenüber zunächst skeptisch verhält und das Er-
gebnis einer größeren Anzahl einwandfreier komparativer Untersuchungen abwartet.
Einige Erhebungen, welche den in Frage stehenden Vorzug gemischter Bestände
bestätigen, liegen zwar vor, aber nur in beschränkter ZahP), längst noch nicht ge-
nügend, um alle einschlagenden Beziehungen mit Bestimmtheit nachzuweisen. An-
dererseits haben z. B. neuere Untersuchungen, welche die württembergische forstliche
Versuchsstation in Fichten-Buchen-Mischbeständen angestellt hat, um deren Wuchs-
leistung im Vergleich zu derjenigen reiner Fichten- und reiner Buchenbestände zu
erfahren, durchaus keine Ueberlegenheit, sondern teilweise sogar ein nicht uner-
1) Vergl. Carl Heyer daselbst S. 32 ff.
2) Carl H e y e r a. a. O. S. 35 ff. — Bergmann, Grundzüge der Geschichte und
Wirtschaft der Kgl. Oberförsterei Eberswalde, 1905, S. 26.
Das Bestandesmalorial. § 10. 21
liebliches Zurückbleiben der Mischbcstiinde ergeben i). Zur vollen Klärung der
Frage sind noch zahlreiche Aufnahmen nötig. So wäre z. B. auch hinsichtlich
einiger, in größerer Ausdehnung vorkomincnder Nadclholzmischungen, wie Tanne
und Kiefer, Tanne und Fichte, Tanne, Fichte und Kiefer (Schwarzwald, Vogesen),
welche offenbar Gutes leisten, der zahlenmäßige Vergleich ihrer Massenproduktion
mit derjenigen reiner Bestände jener Holzarten auf gleichem Standort noch durch
ausgedehnte Untersuchungen zu führen. Nadelhölzer, wie Kchte, Kiefer, Tanne,
bilden, in Buchen eingesprengt, erfahrungsgemäß oft besonders bedeutende Dimen-
sionen heraus. Daß übrigens eine Mehrproduktion, wenn sie insgesamt eintritt,
wohl wesentlich auf freiere Kronenentwickelung einzelner sclineller wüchsiger Bäume
im Mischbestande zurückzuführen sein dürfte, während eine Wachstumssteigerung
in gleichalterigen, gleichhohen Beständen durch die Mischung allein kaum oder
doch nur in beschränktem Maße verursacht werden möchte, hat Wagener^) her-
vorgehoben. Der den Mischbeständen in Verbindung mit der Massensteigerung
vielfach noch nachgerühmte Vorzug der Wertsteigerung trifft jedenfalls noch weni-
ger zu als der höherer Massenerträge. Der einzelne, in Mischung mit einem Schat-
tenholz astrein und vollholzig erwachsene Lichtholzstamm kann für sich allein be-
trachtet sehr wohl eine Wertssteigerung im Vergleich zum gleichalten Stamm des
reinen Lichtholzbestandes erkennen lassen, der Gesamtwertsertrag des Mischbestan-
des bleibt deshalb nach den vorliegenden Erfahrungen hinter dem Gesamtwerts-
ertrag des reinen Bestandes zurück. In finanzieller Hinsicht sind die Mischbestände
zweifellos minderwertiger als die reinen Bestände. — c) Gemischte Bestände dienen
zur ^'erminderung der Betriebsklassen. Dies geschieht einmal dadurch, daß sie eine
einheitliche Schlagordnung (normale Altersstufenfolge) gestatten, wo sonst, wenn
man von jeder Holzart jährlich einen Ertrag haben möchte, ebensoviele selbstän-
dige Schlagordnungen nötig wären, als Holzarten vorhanden sind (bei kleiner Ge-
samtfläche insbesondere ganz undurchführbar); sodann dadurch, daß innerhalb
gewisser Grenzen ein Ausgleich der Umtriebszeiten im Mischbestande möglich er-
scheint; Verschiedenheit der Umtriebszeit wäre sonst ein zwingender Grund für Aus-
scheidung besonderer Betriebsklassen der einzelnen Holzarten. Beispiele: Kiefer,
für sich mit SOjährigem, Buche, für sich mit 120jährigem Umtrieb zu behandeln,
lassen sich unter Umständen in der Mischung, in welcher ein besserer Bodenschutz
und Bestandesschluß als im reinen Kiefernbestand bewahrt bleibt, zu einem mitt-
leren Umtrieb von 100 Jahren vereinigen. Es kommt hinzu, daß manche Holzarten
gar nicht in solcher Masse auf dem Markte begehrt werden, als daß es sich lohnen
würde, durch reine Bestände den Bedarf nachaltig decken zu wollen, während man
sie andererseits doch im Handelsverkehr nicht ganz entbehren kann (Ahorn, Linde,
Eisbeere usw.). — d) Die Mischung verschiedener Holzarten kann ein Mittel
bieten zur Herbeiführung rascli und regelmäßig verlaufender Streuzersetzung, die
im Gegensatz zur Anhäufung von mehr oder weniger toten Humusmassen nur er-
wünscht ist. Denn die Art der Zersetzung (Umfang, Raschheit derselben) ist beim
Laub bezw. den Nadeln verschiedener Holzarten eine wesentlich verschiedene, und es
leuchtet ein, wie günstig es wirken kann, wenn leicht und rasch zersetzbare Streu-
mengen zu widerstandsfähigeren hinzutreten. Leicht zersetzbar ist z. B. das Laub
von Esche, Ahorn, Hainbuche, sind die Nadeln von Weymouthskiefer und Dougla-
sie. Besonders vorteilhaft ist im Hinblick auf die normale Zersetzung der Streu
1) Vergl. L o r e y , Mischbestände aus Fichte und Buche. Allg. Forst- und Jagd-Ztg.
1902, S. 41.
2) Vergl. W a g e n e r , „Waldbau", S. 141 ff.
22 VI. L o r e y , Waldbau.
die Mischung von Laubholz (Buche) mit Fichte oder Tanne. Die mit der Lockerung
des Kronendaches durch das winterkahle Laubholz in Verbindung stehende stärkere
Einwirkung der Atmosphärilien auf die Streudecke führt, von den Vorteilen der Mi-
schung der Streu ganz abgesehen, zu rascherer Zersetzung des Pflanzenabfalles. —
e) Gemischte Bestände tragen unzweifelhaft zur Verschönerung der Gegend bei.
Diesen Vorzügen stehen aber doch manche nicht unerhebliche Bedenken
gegenüber: a) Selbst wenn wirklich allgemein die Mischung eine Massen produk-
tionssteigerung bedingen würde, müßte von ihr abgesehen werden, falls die Gesamt-
Werts erzeugung des Bestands dadurch eine beschränktere würde, daß gering-
wertige Holzarten (z. B. Buche) einen Teil der Stellen einnehmen, an welchen
höherwertige (Nutzhölzer, wie Fichte, Tanne etc.) stehen könnten. Es ist freilich
in vielen Fällen fraglich, ob diejenige Holzart, welche heute die vorteilhafteste ist,
dauernd den Vorzug verdienen wird, oder ob ihr nicht eine andere in Zukunft den
Rang ablaufen wird. Im allgemeinen wird aber jedenfalls das Nutzholz dem Brenn-
holz überlegen bleiben, so daß es recht wohl verständlich ist, wenn man sich insbe-
sondere gegen eine erhebliche Beimischung der Buche zu schattenertragenden
Nadelhölzern (Tanne, Fichte) ablehnend verhält. — b) Gemischte Bestände ver-
ursachen, in Absicht auf Forsteinrichtung, Bestandesbegründung und -erziehung,
Holzernte usw. manche Wirtschaftserschwerung, während umgekehrt reine Bestände
sämtliche waldbaulichen Operationen, ganz besonders die in Mischbeständen hoch-
wiclitigen Erziehungsmaßnahmen vereinfachen, die Erntearbeiten, die Abgabe und
den Transport des Holzes erleichtern und nach der betriebstechnischen Seite viel
bequemer sind. Wohl hauptsächlich aus letzterem Grunde, der aber, selbst wenn
die Tatsache an sich richtig ist, niemals für die Wahl des Wirtschaftsverfahrens
allein entscheidend sein darf, finden sich gemischte Bestände längst noch nicht
oder längst nicht mehr in der für sie von einer Mehrzahl von Forstwirten gewünsch-
ten Verbreitung. Daß reine Bestände dann, wenn die eine Holzart örtlich un-
zweifelhaft die tauglichste, bezw. vorteilhafteste ist, den Vorzug verdienen, bedarf
keiner nochmaligen Hervorhebung.
In solchen gemischten Beständen, in denen zwei oder mehrere Holzarten nicht
zu annähernd gleichen Teilen vertreten sind, sondern eine Holzart entschieden
überwiegt, bildet diese, die wohl auch als die herrschende bezeichnet wird, den sog.
Grundbestand, während die anderen Holzarten als beigesellte oder Neben-
holzarten erscheinen. Diese Unterscheidung bezieht sich zunächst nur auf Häu-
figkeit des Vorkommens im Bestände. An Wertsleistung und damit auch an Be-
deutung für den Effekt der Wirtschaft ist die beigesellte, in der Minderheit vorhan-
dene Holzart nicht selten der den Grundbestand bildenden überlegen, so daß sie
eigentlich zur führenden, zur Hauptholzart wird. Insbesondere gilt dies von den
Mischungen der Rotbuche mit Nutzhölzern.
!iü',2) Allgemeine Regeln für die Anlage gemischter Be-
stände.
§ 11. Voraussetzung ist, daß die Holzarten an sich für den betreffenden Stand-
ort passen.
a) Den Grundbestand der Mischung muß eine schattenertragende Holzart
bilden, d. h. eine solche, welche in dem in § 9 angegebenen Sinne die Bodenkraft
erhält. — b) Werden Schattenhölzer miteinander gemischt, so müssen sie entweder
gleichen Höhenwachstumsgang haben, oder es muß die langsamer wüchsige einen
Vorsprung besitzen oder durch wirtschaftliche Maßregeln (Freihieb) geschützt wer-
den. Bei allen Mischungen ist natürlich die relative Beteiligung der verschiedenen
Das BeslandesiiiaUM-ial. § 11. 03
Holzarten von Belang. Es ist z. B. sehr viel leichter, eine geringere Zahl von Exem-
plaren der rascher wüchsigen Fichte im Buchengrundbestande hoch zu bringen als
umgekehrt wenige Buchen im Fichtengrundbestande. — c) Schattenhölzer und
Lichthölzer taugen nur dann zu einer Mischung, wenn die letzteren dauernd die
ersteren überragen, was dann geschieht, wenn sie entweder rascher in die Höhe
gehen als die Schattenhölzer oder, im Falle gleicher oder gar geringerer Höhenent-
wickelung, einen entsprechenden Altersvorsprung vor diesen haben.
Zur Erläuterung der Sätze b und c sei darauf hingewiesen, daß keine einzige Holzart
— auch die Schattenhölzer nicht — bei andauernder Ueberschirmung sich gut zu entwickeln
vermag. Mindestens muß der Gipfel schirnifrei sein, d. h. frei zum Luftraum hinautschauen,
ohne daß die .^este von Nachbarn über ihn hereinragen. Wenn auch ausgesprochene Schatten-
hölzer, wie in erster Linie die Tanne, selbst durch eine länger dauernde, mehr oder minder
intensive Beschirmung noch nicht geradezu zum Absterben gebracht werden, so ist ihr Wuchs
doch unter solchen Verhältnissen ein kümmerlicher. Dabei finden sich naturgemäß nach Holz-
art, Beschaffenheit des Individuums, .\lter, Standörtlichkeit, Maß und Zeitdauer der Ueber-
schattung usw. die mannigfaltigsten Abstufungen. Lichthölzer sind in dieser Hinsicht sehr
viel empfindlicher. Dies liegt schon im Begriff des Lichtholzes. Bei extremen Lichthölzern
(Lärche) genügt es zur freudigen Entwickelung keineswegs, wenn ihr Gipfel freien Himmels-
raum über sich hat, sondern sie verlangen dazu auch, daß ihre Krone, oder doch wenigstens
deren oberer Teil, seitlich nicht beengt ist. Im allgemeinen sind die einzelnen Holzarten in
dieser Hinsicht um so anspruchsvoller, je größer ihr Lichtbedürfnis ist. Jedenfalls ist dieses
verschiedene Verhalten bei der Frage nach der Mischungsmöglichkeit in erster Linie zu be-
achten. Die Möglichkeit der Mischung ist auch wesentlich von dem relativen Höhenwachs
tum der Holzarten abhängig, d. h. davon, wie sich durchschnittlich die Höhenentwickelung
einer Holzart zu derjenigen einer anderen Holzart vollzieht. Jede Holzart hat ihre (namentlich
durch den Beginn des raschen Ansteigens, sowie durch die Lage des Wendepunktes in der
Jugend und dann des Kulminationspunktes im späteren .'Mter) besonders charakterisierte
Höhenkurve. Die absoluten Werte der Ordinalen ändern sich innerhalb der nämlichen Holzart
nach dem Standort, der Waldbehandlung usw., während das relative Verhalten, trotz der mit
wechselnder Standortsgüte sich verschiebenden Lagerung der charakteristischen Kurven
punkte, namentlich des Maximums, doch ungefähr das gleiche bleibt (cfr. IL 3 dieses Abschnit-
tes S. 12). Wird eine Holzart von einer anderen überwachsen, so wird sie dadurch meist (Be-
schattung, Entzug der Niederschläge etc.) geschädigt, kann jedoch auch, vorübergehend
wenigstens, (durch Schutz gegen Frost, Hitze) in ihrer Entwickelung gefördert werden, letzteres
aber nur, wenn die überwachsende Holzart nicht zu massenhaft beigemengt und nicht zu dicht-
kronig ist, weil anderenfalls die schädigenden Einflüsse überwiegen. Ueberdies ist ein solcher
Schutz meist nur in der Jugend von Belang. Namentlich wenn gleichzeitige, bezw. gleichalterige
Mischungen beliebt werden, ist in erster Linie die Höhenentwickelung im jugendlichen Alter
entscheidend. Eine Licht holzart verträgt, wie schon angeführt wurde, dauernde Ueberwach-
sung in keinem Falle, am allerwenigsten durch eine Schattenholzart, während umgekehrt
der lockere Kronenschirm nicht zu zahlreicher Lichthölzer (wie Lärche, Birke) einem Schatten-
holz die normale Entwickelung nicht notw-endig benimmt. Seitenlicht (Bestandesränder, Steil-
hänge) wirkt modifizierend.
d) Lichtbedürftige Holzarten sind zu dauernden Mischungen nicht zu ver-
binden. Folgt aus a. Ausnahmen ergeben sich in den nämlichen Fällen, in welchen
auch reine Bestände aus Lichthölzern unbeanstandet bleiben (cfr. S. 19). — e)'Die
Mischung kann, je nach Umständen, eine gruppen- und horstweise oder eine Einzel-
mischung sein.
Man spricht von Einzelmischung, wenn Einzelexemplare verschiedener Holzarten in
der Zusammenordnung zum Bestand mit einander abwechseln oder die E.xemplare einer
Holzart einzeln in dem durch eine andere Holzart gebildeten Grundbestande eingesprengt
sind. Treten dagegen die einzelnen Holzarten in einer Mehrzahl von Exemplaren zusammen,
bilden also für sich Gruppen oder (bei größerer Flächenausdehnung dieser Verbände) Horste,
und setzen dann im wesentlichen solche Verbände je der gleichen Holzart in .Abwechselung
die Bestände zusammen, so hat man die gruppen- oder horstweise Mischung. Gruppe und
Horst gehen ineinander über; eine für alle Fälle bestimmte Größe der Fläche als Grenze für
beide läßt sich nicht angeben. Man könnte, wenigstens bei Lichthölzern, vielleicht die Gruppe
im Gegensatz zum Horste dann noch als gegeben ansehen, wenn im Alter der beginnenden
natürlichen Lichtstellung vom umgebenden Bestandesrand her noch eine für den Boden
genügende Beeinflussung {Laubabfall, Beschattung) bis zur Mitte der betr. Fläche hin statt-
findet, während man einen Horst hat, sobald die bodenschützende Wirkung des Grundbestan-
des sich nicht mehr auf die ganze Fläche erstreckt.
24 VI.
Eine allgrcmein bindende Regel soll in Beziehung auf die Unterscheidung ad e nicht
aufgestellt werden. Heyers Waldbau verlangt im allgemeinen (5. .\ufl. S. 53) Einzelmischung,
während viele neuere Waldbauschriften (z. B. Gay er)') mehr für gruppen- und horstweise
Mischung eintreten. Bei Beantwortung der Frage, ob man reine oder gemischte Bestände vor
sich habe, also bei der Definierung dieser beiden Bestandesarten, muß grundsätzlich daran fest-
gehalten werden, daß ein Mischbestand im strengen Sinne des Wortes eigentlich nur dann vorlie-
gen würde, wenn durchgängig in obigem Sinne Einzelmischung vorhanden wäre. Bestände, in
welchen in der Hauptsache Einzelbäume, bezw. an deren Stelle auch wohl kleine Gruppen
(Trupps) der verschiedenen Holzarten in Untermischung stehen, finden sich z. B. bei Tanne und
Fichte. So oft eine Lichtholzart mit in Konkurrenz tritt, ist das Verhalten in der Regel so, daß
man einen mehr oder minder zusammenhängenden Grundbestand der Schattenhölzer hat, in
welchem die Lichthölzer verteilt sind, und nun kommt es darauf an, ob diese Verteilung (künst-
lich oder durch die Natur) so bewirkt ist, daß die Individuen der Lichtholzarl zumeist in
Gruppen und Horsten zusammenstehen oder als Einzelexemplare auftreten. Horste, ja selbst
Gruppen (also kleine Horste) einer beigesellten Holzart sind, genau genommen, nichts anderes
als reine Bestände, mithin treffen für sie a priori alle die für solche geltenden Sätze zu, nur
dadurch modifiziert, daß von den Rändern des Horsts her der Einfluß des umgebenden Holzes
sich auf eine gewisse Erstreckung hin geltend macht. Namentlich wäre ein größerer Horst
aus Lichthölzern zunächst ebenso bedenklich, wie ein reiner Bestand aus solchen. Diese und
die weitere Erwägung, daß eine gegenseitige Beeinflussung der Mischhölzer im Sinne der Stamm-
pflege nur dann möglich ist, wenn die Individuen der verschiedenen Arten miteinander in
Konkurrenz treten, führt zu Einzelmischung. .\ber es ist zu beachten, daß letztere die Bestandes-
erziehung erschwert, indem man die einzeln eingesprengten Beiholzarten nicht so leicht im Auge
behalten kann, als dies bei horstweiser Anordnung derselben möglich ist -). Die Lichthölzer
werden im vorgeschritteneren -\lter von den Schattenhölzern immer mehr oder weniger be-
drängt. Hat man Lichtholzgruppen und -Horste, so haben nur die Randstämme derselben den
Kampf zu bestehen, während die Bäume in deren Innerem sich nur mit ihresgleichen abfinden
müssen. Sofort aber ist zu erwägen, ob der bodenschützende Einfluß des umgebenden Grund-
bestandes sich bis in die Mitte der betr. Fläche erstreckt, oder ob nicht für letztere noch beson-
dere Mittel zur Bewahrung der Bodenkraft (Unterbau) erforderlich werden. Die kleinere Gruppe
kann solcher Maßnahmen wohl entraten; aber sobald man mit Horsten operiert, löst sich das
Ganze unzweifelhaft in einen Komplex aus einzelnen reinen Beständen auf, für welche nur an den
Rändern die Bedingungen des Mischbestandes noch als vorhanden eingeräumt werden können.
Die ganze Frage wird eigentlich vom Standort entschieden. Man sollte — soweit sich dies mit
der Uebersichtlichkeit der Wirtschaft, einem Betrieb in großem Zuge, der manchen Vorteil
bietet, verträgt — grundsätzlich auf jedem (kleinen oder großen) Waldbodenteil diejenige Holz-
art erziehen, welche für ihn am besten paßt, bezw. auf ihm am besten rentiert. Freie Wahl
hätte man hiernach also nur auf Böden, welche durchgängig gleichartig sind und mehrere Holz-
arten zulassen. Hier kann man mischen oder (Schattenhölzer) rein anbauen, man kann Einzel-
mischung oder horstweise Anordung wählen, und hier wäre die Einzelmischung im allge-
meinen vorzuziehen. In sehr vielen Fällen, und vorab fast stets im Hügelland und Gebirg, also
wohl auf dem größeren Teil unserer gesamten Waldbodenfläche, wechselt aber die Standorts-
güte, oft innerhalb der einzelnen Waldableilung (Mulden, Rücken etc.). Will man auch
nicht jeden einzelnen kleinen Unterschied berücksichtigen, so muß doch eine sorgfältige
Begutachtung der Bodenproduktionsfähigkeit in dem Maße gefordert werden, daß man nicht
größere in sich nicht gleichartige Flächenteile gleichwohl mit Gewalt als einheitliche Ganze
bewirtschaftet, sondern bessere Partien den anspruchsvolleren Holzarten (z. B. tiefgründige,
frische Böden der Eiche) zuweist, diese dagegen von geringeren Partien (steinigen, trockenen
Köpfen usw.) fern hält. Wie weit man bei solcher Ausscheidung ins Detail arbeiten soll, läßt
sich nicht allgemein bestimmen. Jedenfalls aber geht dadurch die Einheitlichkeit des Bestandes
innerhalb des einzelnen Waldteiles verloren und der Gesamtbestand gestaltet sich zu einer An-
zahl von Einzelbeständen, die in sich gleichartig (reine Bestände, event. mit Unterbau), aber
auch wieder Mischbestände sein können. Es kann sich im einzelnen naturgemäß eine größere
oder geringere Mannigfaltigkeit ergeben, je nachdem man der einen oder anderen der dabei
auftretenden Erwägungen (sorgsamste Ausnutzung jeder kleinen Bodenverschiedenheit einer-
seits, oder Vereinheitlichung der Wirtschaft und \ereinfachung der Forsteinrichtung anderer-
seits etc.) das größere Gewicht beimißt. In den meisten Fällen wird Vermeidung der Extreme
im Interesse der Wirtschaft (wenigstens bei großem Waldbesitz) gelegen sein.
3) Spezielle Regeln:
§ 12) a) S c h a 1 1 e n h ö 1 z e r unter einander:
1) T a n n e und Fichte: Die Tanne, in der Jugend langsamer wüchsig, wird von
1) G a y e r, „Maldbau" und dessen ,,Der gemischte Wald, seine Begründung und Pflege,
insbes. durch Horst- und Gruppenwirtschaft", 1886.
2) Durch regelmäßige \'erteilung etwa in Reihen oder dergl. läßt sich übrigens manchmal,
wenn auch keineswegs immer, helfen.
Das Bestandesinalerial. S 12. 25
der Kiclilc übcrlioll, koiuml aber wieder nach, falls die Ficlitc niciil zu zahlreich. Selir Rute
Miscliung ') , die bei nalürlieher N'erjüiiguiif,' \vie<ler erscheint, wenn durch Heduküon der
Fichten auf eine geringere Zahl, sodann durch IJunkelhaltcn des Samenschlags (so daß der
Fichtenanflug zunächst wieder vergehl, während sich die Tanne hält) die Tanne vorerst begün-
stigt wird. Die hin und wieder angewendete regelmäßige reihenweise Mischung führt gemein-
hin zu keinem befriedigenden Hesultal. ebensowenig wie die regelmäßige Einzelmischung. Die
Tanne wird in solchen Mischungen, namentlich dann, wenn der Boden den von ihr gestellten
höheren Ansprüchen in bezug auf Nährkraft und Tiefgründigkeit nicht entspricht, von der
Fichte von Jugend auf überwachsen und bleibt, wenn ihr nicht ganz energisch zu Hilfe ge-
kommen wird, sitzen. — 2) Tanne und Buche: Die größere Nutzfähigkeit der Tanne
verlangt besondere Rücksichtnahme auf diese Holzart; sie soll herrschende Holzart sein und
ist, naniontlich auf der Buche behagendem Standort, in der Jugend vor der Buche zu schüt-
zen. Bei der \erjüngung ist zunächst nur auf Tanne zu wirtschaften und erst, weim deren
Nachwuchs gesichert ist, die für die junge Buche nötige lichtere Stellung zu geben. Größere
Sicherheit der mit Buche durchstellten Tannenbestände gegen Stürme! — 3) Buche mit
Fichte: .\uch hier ist die Buche an sich die minderwertige Holzart. Sie wird von der
Fichte bald überholt und bei reichlicher Beinuschung derselben in eine mehr untergeordnete
Stellung gedrängt. Will man die Buche gleichwertig erhalten (wozu aber meist kein Grund
vorliegen dürfte), so muß sie an Zahl überwiegen. Im allgemeinen wird es, auch mit Rücksicht
auf den Boden etc., genügen, wenn die Buche in der Zusammenordnung mit Tanne oder Fichte
oder mit beiden etwa V« — Vs der Bestandesmasse ausmacht und zwar mehr in Gestalt eines
Zwischen- und Füllholzes, weniger als herrschender Stamm. Tritt die Buche aber nicht herr-
schend, sondern mehr nur als bodenpflegendes Füllholz auf, so bereitet die Verjüngung solcher
Bestände, vorausgesetzt, daß die Mischung in dem genannten Nerhällnis auch in dem neuen
Bestände beibehalten werden soll, meist große Schwierigkeiten und endet vielfach mit dem
Ergebnis, daß an Stelle des ehemaligen Mischbestandes ein reiner Fichten- bezw. Tannenbestand
tritt, dem nur auf künstlichem Wege (durch Unterbau oder Saat) die gewünschte Durch-
sprengung mit Buche verschafft werden kann. — 4) Tanne, Fichte und Buche:
Treffliche Mischung, wenn Tanne und Fichte überwiegen. Wo die Buchenbrennholzpreise
besonders hoch stehen, oder sich für Buchennutzholzverwendung ausnahmsweise günstige Ge-
legenheit bietet, kann man der Buche in der Mischung selbstredend mehr Raum gönnen. Bei
der ^'erjüngung entscheidet, falls die Mischung erhalten bleiben soll, zunächst wieder die für
die Tanne geeignete dunkle Schlagstellung.
b) Schatten- und Lichthölzer:
1. T a n n e als Grundbestand: Charakteristisch ist, daß die Tanne anfänglich von allen
Lichthölzern überw'achsen wird, ihnen (namentlich den Laubhölzern) aber im Stangenholzalter
(früher oder später) vielfach wieder nachkommt, ja viele von ihnen erheblich überwächst.
Gleichalterige Mischungen der Tanne mit lichtbedürftigen Laubhölzern, wie Eiche, Esche,
Ahorn finden sich in den Haupttannengebieten von Natur kaum anders als so, daß diese Holz-
arten einzeln da und dort eingesprengt sind, oder so, daß die gleichzeitig beigesellte Buche ge-
wissermaßen die Vermittelung übernimmt. Jene Mischung planmäßig herbeizuführen, liegt
meist kein Grund vor. — Dagegen kann sich wirtschaftlich sehr empfehlen ') die Mischung
der Tanne mit der Kiefer, welch letztere Holzart den höheren Tannenumtrieb meist trefflich aus-
hält und dabei besonders wertvolle Stämme herausbildet. — Tanne mit Lärche insofern be-
denklich, als es im geschlossenen Bestände oft nicht gelingt, der lichtbedürftigen Lärche, welche
selbst seitliche Bedrängung übelnimmt, den erforderlichen Vorsprung dauernd zu wahren. —
Tanne und Birke nur insolange zulässig, als die vorwüchsige Birke die Gipfel der Tanne nicht
beschädigt (event. Schneitelung der Birke).
2. F i c h t e als Grundbestand: Die Fichte verhält sich im allgemeinen ähnlich wie die
Tanne, geht nur von vornherein rascher in die Höhe und bedarf deshalb in der Jugend nicht
in dem Maße, wie die Tanne, der Unterstützung im Ivampt mit anderen Holzarten. F'ichte
mit Kiefer meist gut. Bei gleichzeitiger Mischung der Fichte und Kiefer muß aber, falls man
nicht denmächst einen Kiefernbestand mit Fichtenunterwuchs haben will, die Fichte an Zahl
beträchtlich vorherrschen. Je nach dem Standort ist die Gefahr für die Fichte größer oder
geringer (auf trockenen Böden bleibt die Fichte rascher zurück). Die von der Kiefer nicht völlig
unterdrückten Fichten holen aufbesseren Böden die Kiefer später wieder ein, zumal bei erhöhtem
Lichtgenuß, wie z. B. infolge Schneebruch*. Bislang völlig zurückgebliebene Fichten erweisen
sich dann oft noch als sehr entwickelungsfähig, indem sie in die entstandenen Lücken einwach-
sen. Bei reihenweiser oder Einzelmischung von Fichte und Kiefer ist darauf zu achten, daß
auf Böden, die das Hochwerden der Fichte nicht erwarten lassen und ihr von vornherein die
Rolle als Bodenschutzholz zuweisen, die Kiefer in hinreichend engem Verband erzogen wird,
da sonst die über die Fichten hinauswachsenden Kiefern ästige Sperrwüchse werden. — Fichte mit
1) Z. B. in vielen Revieren des Schwarzwaldes. Die Mischung ist daselbst meist eine grup-
pen- und horstweise, wie dies durch den Gang der N'erjüngung bedingt ist.
2) Z. B. Oberförsterei Wasselnheim — Elsaß.
26 VI. Lorey, Waldbau.
Lärche meist noch weit zweifelhafter wie Tanne mit Lärche, weil die Fichte der Lärche rascher
nachdrängt. Bei räumlicherer Bestandesstellung und im Genüsse reichlichen Seitenlichtes
(höhere Gebirgslagen, steile Hänge) gelingt es der Lärche eher, ja bisweilen sehr gut, sich zu
behaupten, insbesondere, wenn sie der Fichte reichlich beigesellt ist. — Fichte mit Birke, wie
Tanne mit Birke. — Desgleichen Fichte mit Eiche, Esche, Ahorn, Ulme etc. Will man, um in
einem Fichtengebiet genügende Mengen von Eichenholz zu erziehen, etwa Fichte und Eiche
in Mischbeständen haben, so empfiehlt sich Einbringen der Eiche in Horsten bezw. flächen-
weise Sonderung. Bei reihenweiser oder Einzelmischung wird die Eiche meist früher oder
später von der Fichte totgedrückt. Diese Mischung empfiehlt sich nach vielen übereinstim-
menden Erfahrungen gar nicht. Ebensowenig ist der Unterbau älterer Eichenbestände mit
Fichte zu empfehlen: auf nicht sehr frischen Böden führt der Fichtenunterwuchs zur Zopf-
dürre und Zuwachsrückgang der Eichen.
3. Buche als Grundbestand: Die Buche ist für die meisten lichtkronigen Laubhölzer
die gegebene, ebenso aber auch für Kiefer und Lärche eine treffliche Mischholzart, welche durch
ihre schirmende Krone und ihren Laubabfall auf den Boden in hervorragendem Maße günstig
wirkt. Nur muß man sorgen, daß die Lichthölzer, falls sie nicht entschieden rascher wüchsig
sind als die Buche, von letzterer nicht bedrängt (seitliche Beengung der Krone ist oft schon
verderblich) oder gar überwachsen werden. In Untermischung mit der Buche zieht man die
Halbschattenhölzer Hainbuche, Linde am besten. Sodann werden Ahorn, Esche, Ulme, Birke,
Aspe etc., vor allem aber die Eiche zweckmäßig mit der Buche zusammengebracht. Ahorn kann
in der Jugend recht vordringlich werden und ist dann, wenn die Buche nicht zu sehr zurück-
treten soll, zu reduzieren; Esche und Ulme in großer Zahl sind (wegen des besonders wert-
vollen Holzes) meist nur erwünscht. Der Mischung der Buche mit Esche und Ahorn kommt
örtlich (z. B. in der schwäbischen Alb) besondere Wichtigkeit zu. Birke und .\spe dürfen mit
Rücksicht auf Bodenschutz und Massenproduktion nicht in größerer Menge und jedenfalls nicht
in größeren Gruppen oder gar Horsten vorkommen. — Von hervorragender Bedeutung ist die
Mischung der Buche und Eiche, und zwar handelt es sich hier zunächst um (wenigstens annähernd)
gleichalterige Mischung (Unterbau der Eiche ist später, § 84 besprochen). Ob Eiche oder
Buche vorwüchsig ist, läßt sich zwar nicht ganz allgemein angeben '), doch ist in dieser
Hinsicht der schon S. 13 berührte Unterschied zwischen Stieleiche und Traubeneiche zu
beachten; der, ausweislich zahlreicher Beobachtungen^), mehr Schatten und Seitendruck
ertragenden, anspruchsloseren, schnellwüchsigeren und durch bessere Schaftbildung (vielleicht
infolge der kräftigeren Endknospe) gekennzeichneten Traubeneiche wird die Konkurrenz mit
der Buche leichter. Nach den Erfahrungen im Solling ^) hält die Traubeneiche im rascheren
Wachstum aus und bleibt infolgedessen im gleichalterigen Buchengrundbestande mitherrschend,
die Stieleiche vermag auf gutem Boden wohl in der ersten Jugend mit der Buche Schritt zu hal-
ten, unterliegt aber bald. Immerhin wird, wie auch im Spessart zu beobachten ist, auch die Trau-
beneiche im Stangenholzalter von der Buche oft eingeholt und so hart bedrängt, daß einzeln
stehende Exemplare sich im umgebenden Buchenbestande nur zu halten vermögen, wenn
ihnen durch Freihieb seitens der Wirtschaft ausgiebigste Hilfe gewährt wird. Letztere muß
schon im Gertenholzalter einsetzen und durch alle Lebensalter des Bestandes andauern: eine
im großen Betrieb sehr weitgehende Forderung, welcher nicht ohne oft beträchtliche Kosten,
jedenfalls aber nur bei größter Aufmerksamkeit und Ausdauer des Wirtschaftspersonals genügt
werden kann. Horstweises Einbringen der Eiche (Horste von beträchtlicherem Umfang am
meisten empfohlen) in Gestalt des Vorbaus (am besten durch Saat), so daß die Eiche einen ent-
sprechenden Höhenvorsprung hat, sichert deren Heraufwachsen inmitten des später sich ringsum
einstellenden Buchenaufschlags; man kommt dann aber, wie schon oben S. 24 betont wurde,
zu reinen Beständen, welche demnächst unterbaut werden müssen ').
c) Lichthölzer unter einander.
Besondere Fälle sind z. B. Birke, Eiche etc. eingesprengt in die Kiefernbestände auf Sand-
böden, wo man sich, um überhaupt etwas Laubholz zu erziehen, mit dieser an sich zweifel-
haften Mischung begnügen muß. Sodann: Erle mit Esche, auch Birke (bes. Betula pubescens)
etc. auf nassen Standorten; Eiche mit Ulme, Esche, Erle, Pappel u. a. auf den fruchtbaren,
tiefgründigen Böden der Flußniederungen usf.
Die ehemals häufigere Mischung zweier Lichthölzer, die von Kiefer und Eiche, die durch
das Vorkommen guter Eichen auf hinreichend frischen und tiefgründigen, mineralisch nicht
zu armen Kiefernstandorten gewissermaßen legRimiert sind, kann dort, wo der Boden eine
befriedigende Entwicklung der Eiche gewährleistet, besser ersetzt werden durch die Mischung
1) Ed. H e y e r (cfr. u. a. Zeitschrift f. Forst- u. Jagdwesen, Novbr. 1886) führt das tat-
sächlich oft raschere in die Höhewachsen der Eichen gegenüber der Buche auf die geringere
Empfindlichkeit der Eiche gegen Frost, bezw. das bessere Ueberwinden der Frostschäden zurück;
in frostfreier Lage (Nord-, Westhänge) sei die Buche in der Jugend vorwüchsig.
2) Cfr. u. a. N e y in „Aus dem Walde" Nr. 49 von 1899.
3) Verhdlgn. d. Hils-SoUing Forstvereins. 27. Vers. 1890, S. 10 ff.
4) Vergl. Gay er, „Die neue Wirtschaftsrichtung in den Staatswaldungen des Spes-
sarts", 1884.
Das Bestandesmaterial. § 13. 27
der Eiclic mit einem dann zweifellos auch cnlwicklunfjbfäliigen ScliaLlenholz. AuS ausgespro-
chenem Kiefernboden aber, wo die Eiche die ihr nötigen Bodenverhältnisse nicht findet und
deshalb von der Kiefer leicht überwachsen wird, hat diese Mischung ebensowenig Berechtigung
wie die auf eine totale Verkennung der Lärchennatur schließen lassende Mischung der Kiefer
mit der Lärche. — Auch die hier und da aus .Ausbesserungen lückiger Eichcnkulturen hervor-
gegangene Mischung von Eiche und Lärche hat meist zu keinem anderen Ergebnis als zu früh-
zeitig zurückgehenden und verunkrautenden Beständen geführt.
Alle Erfahrungen mit Mischungen von Lichlholzarten unter sich weisen darauf hin, daß
solche Mischungen nur auf den besten und auf den schlechtesten Böden zulässig sind. Auf den
ersteren findet sich der notwendige Bodenschutz meist von selbst in Gestalt von Strauchwerk
und Unterholz (Auewaldungen) ein oder kann durch Unterbau eines Schattenholzes geschaffen
werden; auf den letzteren, wo meist sowieso nur Lichthölzer, Kiefer und Birke gedeihen, macht
es nichts aus, ob diese rein oder in Mischung auftreten.
Bestände aus Kiefer und Eiche in der Form abwechselnder breiter Streifen aus den beiden
Holzarten sind füglich als entsprechend viele schmale reine Bestände zu betrachten. Die Eichen-
streifen, welche meist höheres Alter erreichen sollen, müssen unterbaut werden.
C. Holzaptenweehsel.
§ 13. Ist es für die Erzielung dauernd höchster Ertragsleistung notwendig, nach
Abtrieb eines Bestandes, also etwa von Umtrieb zu Umtrieb, mit der Holzart zu wech-
seln ? Da die Holzarten verschiedene Ansprüche an die Mineralbestandteile des Bodens
machen, so liegt der Gedanke nahe, ob nicht durch regelmäßigen Holzartenwechsel in
dem Sinne, wie die Landwirtschaft einen Fruchtwechsel eintreten läßt, von einem be-
stimmten Boden dauernd die höchstmöglichen Erträge an Forstprodukten erzielt
werden können. Vorausgesetzt, daß die hierbei für einen konkreten Fall etwa in
Wahl kommenden Holzarten im übrigen wirtschaftlich gleichwertig sind, läßt sich
gegen einen solchen Wechsel an sich nichts einwenden, Aber einmal ist diese Voraus-
setzung in den weitaus meisten Fällen nicht zutreffend, und sodann ist der Wechsel
der Holzart als Regel mindestens keine Notwendigkeit, weil — bei einer den Boden
sorgsam pflegenden Wirtschaft — durch den relativ sehr geringen und je nur in
langen Zeiträumen erfolgenden Entzug an Mineralstoffen keine so weit gehende
Schwächung der Bodenkraft stattfindet, daß bei wiederholter Anzucht der gleichen
Holzart ein Nachlassen im Ertrag oder gar ein völliges Versagen zu befürchten ist.
Wo freilich die nötige Bodenpflege fehlt, wo insbesondere rücksichtslose Streunutzung,
unbedachte Verlichtung der Bestände usw. das fernere Gedeihen einer irgend an-
spruchsvollen Holzart zweifelhaft machen, da kann die Vermittelung einer minder
begehrlichen Holzart zum Zwecke der Bodenverbesserung angerufen werden müssen
{Kiefernanbau auf zurückgegangenen Laubholzböden). Derartige durch eine Notlage
herbeigeführte Holzartenwechsel lassen sich vielfach nachweisen (nord westdeut-
sches Heidegebiet). Ebenso tritt jetzt in vielen Fällen aus rein wirtschaftlichen
Gründen eine wertvollere Holzart an Stelle einer minderwertigen (Umwandlung von
Buchenorten in Nadelholz), ein Vorgang, welcher stets gerechtfertigt ist, wenn damit
unzweifelhaft eine dauernd höhere Rentabilität des Waldes herbeigeführt wird.
Auch Gründe des Forstschutzes (Wildschaden, Schnee, Insekten etc.) können da und
dort einen Holzartenwechsel, zumal den Uebergang von reinen zu gemischten Be-
ständen, rätlich erscheinen lassen. Solche und ähnliche, durch Rücksichten der Wirt-
schafthchkeit und den ungestörten Verlauf des Forstbetriebes gebotene besondere
Maßnahmen sind immerhin nicht geeignet, einen Holzartenwechsel als Regel zu
empfehlen. Es scheint aber, als legten in unseren im Banne der modernen Betriebs-
formen stehenden Wirtschaftswäldern die in den gleichalterigen geschlossenen Be-
ständen unserer Hauptholzarten sich ausbildenden ungünstigen Humusverhältnisse
dem Wirtschafter nahe, durch Mischung einem wenigstens partiellen Holzarten-
wechsel nachzugehen, um dem weiteren Fortschreiten des mancherorts bemerkbar
28 ^"'- Lorey, Waldbau.
werdenden Bodenrückganges (durch Trockentorfbildimg) vorzubeugen. Man muß
H. .Jentsch beistimmen, wenn er darauf hinweist^), daß die immer lauter erhobene
Forderung gemischter Bestände ein Zugeständnis an das „Naturgesetz des Frucht-
wechsels" ist und daß in den gemischten Beständen ein modifizierter Fruchtwechsel
erblickt werden kami. Nicht unbeachtet darf bleiben, daß Mischbestände nicht nur
im Hinblick auf den physikalischen Zustand des Bodens wertvoll sind, sondern auch
als geeignetes Mittel gegen einseitige Inanspruchnahme seines Nährstoffgehaltes an-
gesehen werden müssen. In teilweisem Zusammenhang mit dem Streben, der Not-
wendigkeit eines totalen Holzartenwechsels, einer vollständigen Umwandlung vor-
zubeugen, steht ferner die Frage, ob nicht auch im Walde, in analoger Weise wie im
Landwirtschaftsbetriebe, mit künstlicher Düngung nachgeholfen werden sollte. Tat-
sächlich ist man dieser Frage in neuester Zeit näher getreten, indem man die Düngung
nicht mehr auf die Saat- und Pflanzbeete der Forstgärten beschränkte, sondern sie
auch, wenigstens versuchsweise, auf Kulturflächen des freien Waldes, in Gerten- und
Stangenhölzern angewendet hat. Nur planmäßig eingeleitete Versuche größeren Um-
fanges und unter verschiedenartigen Verhältnissen können uns die notwendigen Auf-
schlüsse gewähren (vgl. vierter Abschnitt, Bodenpflege).
§ 14. Ihrer wenn auch nur äußerlichen Verwandtschaft mit der Frage des
Holzartenwechsels wegen mögen hier die beachtenswertesten Erfahrungen folgen, die
mit der
Einführung ausländischer Holzarten
in deutsche bezw. mitteleuropäische Waldgebiete gemacht worden sind.
Die seit 1870 wieder aufgegriffene Frage nach dem Werte fremder, namentlich
nordamerikanischer Holzarten für unsere heimische Forstwirtschaft hat bereits in
den letzten .Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts die forstlichen Gemüter lebhaft be-
wegt und würde ihrer Lösung weit näher gebracht sein, wenn sie seinerzeit von den
Vertretern der sog. forstlichen Ausländerei (v. Münchhausen, v. Veitheim, du Roi,
V. Burgsdorf, v. Wangenheim) auf eine so sichere Basis gestellt worden wäre, wie es
in der Neuzeit seitens der forstlichen Versuchsanstalten geschehen ist. Da das nicht
der Fall war und da das ehedem treibende Motiv der .Anbauversuche, die drohende
Holznot, seine Wirksamkeit bald verlor, schlief die Bewegung zugunsten der fremden
Holzarten unter dem Drucke der damaligen politischen Verhältnisse um so schneller
wieder ein, als sich Männer wie Georg Ludw. Hartig und Pfeil angesichts der vielen
Mißerfolge der Einführungsversuche berechtigt sahen, die Exotenfrage als Schwär-
merei und Torheit hinzustellen. Infolgedessen sind es nur wenige Holzarten, vor
allem die Weymouthskiefer, die ihr Heimatsrecht im deutschen Walde aus der Zeit
der ersten Anbaubewegung datieren. Wohl aber ragen in Gärten und Parks stehende
stark- und hochstämmige Exemplare einer Reihe anderer noi damerikanischer Laub-
und Nadelhölzer, meist Platanen, Tulpenbäume, Eichen, Walnüsse usw. aus dem
18. .Jahrhundert in die Gegenwart hinein und künden als lebende Zeugen, daß der guten
Entwicklung dieser Holzarten in unserem Klima Hindernisse nicht entgegenstehen.
Die neuzeitliche Steigerung des Nutzholzbedarfes und die mit ihr in Verbindung
stehende Tatsache, daß eine Anzahl fremder Holzarten, die unseren heimischen Nutz-
hölzern auf dem Markte bedenkliche Konkurrenz machen-), Klimaten entstammen,
welche den unsrigen gleich oder ähnlich sind, regten die Exotenfrage von neuem an.
1) Fruchtwechsel in der Forstwirtschaft, Berlin 1911, S. 87.
2) Vergl. hierzu Unwin, Die forst- und Volkswirtschaft!. Bedeutung der .^nbauversuche
mit nordamerikanischen Holzarten für Deutschland und .Nordamerika. Zbl. f. d. ges. Forslw.
903, S. 8, 56, 153, 207.
Das Bestandesmaterial. § 14. 29
Die Propaganda für Wiederaufnahme der Anbauversuche setzte mit dem kaufmän-
nisch ganz plausiblen Hinweis ein, daß wir einen großen Teil des jetzt dem Auslande
mit teurem Gelde bezahlten Holzes doch viel bequemer im eigenen Lande erzeugen
köiniten. Der Gedanke ist sicherlich nicht zu verwerfen; es wird ja, schon wegen des
beschränkten Areales, das den fremden Holzarten im deutschen Walde nur zugewie-
sen werden kann, an ein vollständiges Hintanhalten des Importes fremden Holzes nie
gedacht werden können. Jedenfalls aber gehörte es zu den waldbaulichen Aufgaben
des forstlichen Versuchswesens, die Bedingungen festzustellen, unter welchen ein der-
artiges Unternehmen erfolgversprechend sein möchte. Der Verein deutscher forst-
licher Versuchsanstalten hat sich diese Frage auch angenommen und seit etwa 30 Jah-
ren mehr oder weniger umfangi-eiche Anbauversuche mit ausländischen Holzarten
eingeleitet ^). Ein ganz hervorragendes Verdienst um die Anbahnung dieser Ver-
suche und um die Wiederbelebung des Einführungsgedankens hat sich der begeisterte
Vorkämpfer desselben, J o h n B o o t h , teils durch seine unverdrossene litera-
rische Tätigkeit-), teils dadurch erworben, daß er den Fürsten Bismarck für seine
Ideen zu interessieren und dessen mächtige Befürwortung zu gewinnen verstand.
Bei der Beurteilung einer ausländischen Holzart hinsichtlich ihrer Einführungs-
möglichkeit sind Anbaufähigkeit und A n b a u w ü r d i g k e i t zu unter-
scheiden. Erste Voraussetzung für die Einführung ist, daß die betreffende Holzart
unser Klima verträgt, d. h. aus klimagleichen Verhältnissen stammt. Entscheidend
sind dabei sowohl die mittleren Jahrestemperaturen bei uns und in ihrem Heimat-
lande als namentlich auch die niedrigsten Wintertemperaturen, auf welche wir zeit-
weise rechnen müssen, sowie die Temperatur in der eigentlichen Vegetationsperiode,
fernerhin auch insbesondere die Feuchtigkeitsverhältnisse (Seenähe, Luftfeuchtig-
keit, Niederschlagsmengen usw.). Gedeihen die fremden Gehölze im Walde oder
außerhalb desselben, im Garten und Park, so ist ihre Anbaufähigkeit unzweifelhaft
bewiesen, nicht aber ihre Anbauwürdigkeit im forstlichen Sinne. Um diese zu be-
jahen, muß die in Frage kommende fremde Holzart auf einem bestimmten Standort
im Vergleich zu der für denselben passenden heimischen Holzart mehr oder doch
mindestens dasselbe leisten. Dekorative Werte und Befriedigung unseres Schönheits-
gefühles sind es nicht, die im Walde über Anbauwürdigkeit entscheiden. Hier gilt
im allgemeinen als anbauwert nur das, was materielle oder wald bauliche
Vorteile bietet. Diejenige Holzart ist anbauwürdig, die die heimischen Arten in der
Holzmassenerzeugung in quanti- oder qualitativer Hinsicht übertrifft, die also in
gleicher Zeit mehr und möglichst auch besseres, durch wertvolle technische Eigen-
schaften bezw. durch gute Formausbildung ausgezeichnetes Holz erzeugt. In bezug auf
diesen Punkt ist eine Bemerkung von Prof. Mayr-München beachtenswert. Mayr^)
weist darauf hin, daß alle Arten ein und derselben Baumgattung ein in seinem ana-
tomischen Aufbau und damit auch in vielen physiologischen und technischen Eigen-
schaften gleiches Holz erzeugen, gleichgültig, wo diese Arten wachsen, und daß des-
halb durch Einführung von Holzarten, deren Gattung in unserem Walde schon ver-
treten ist, d. h. durch Einführung fremder Fichten, Tannen, Lärchen usf. ein an Güte
1) Arbeitsplan für Anbauversuche mit ausländischen Holzarten, sowie Arbeitsplan für
Untersuchung des forstliclien \erhaltens ausländischer Holzarten, vergl. Gang hof er, Das
forsll. Versuchswesen. II. Bd, S, 169 und 191.
2) Vergl. John Booth, Die Douglas-Fichte. Berlin 1877. — D e r s. , Die Naturali-
sation ausländischer Waldbäunie in Deutschland. Berlin 1882. — D e r s. , Die nordamerikani-
schen Holzarten und ihre Gegner. Berlin 1896. — D e r s. , Die Einführung ausländischer Holz-
arten in die Preußischen Staatsforsten unter Bismarclc und Anderes. Berlin 1903.
3) H. Mayr, Fremdländische Wald- und Parkbäume für Europa. Berlin 1906. S. 219.
30 VI. L 0 r e y , Waldbau.
besseres Holz als das der heimischen Art nicht erzeugt werden kann. Für die Kiefern
gilt dieser Satz nach Mayr mit der Einschränkung, daß des Holzes wegen nur jene
Arten bei uns in erster Linie anbauwürdig sind, deren Sektion im heimischen Walde
noch nicht vertreten ist, d. h. also die nicht zur Sektion Pinaster gehörigen Arten.
Soweit lediglich die Erzeugung hochwertigeren Holzes in Frage kommt, empfiehlt es
sich am meisten, solche Holzarten einzuführen, deren Gattungen (wie z. B. Douglasie,
Chamaecyparis, Thuja, Carya etc.) überhaupt noch nicht im deutschen Walde ver-
treten sind.
Sind Massen- oder Wertssteigerungen des Nutzungsergebnisses nicht zu erwar-
ten, so muß die fremde Holzart waldbauliche Vorteile gewährleisten, wenn sie An-
spruch auf die Bezeichnung ,, anbauwürdig" erheben will. Sie muß entweder in der
Genügsamkeit hinsichtlich der Bodenansprüche unsere in dieser Richtung beschei-
densten einheimischen Holzarten übertreffen, muß also selbst auf den geringsten
Böden noch fortkommen und Erfolge in Aussicht stellen, oder aber, sie muß über
Eigenschaften verfügen, die ihr im Kampf mit elementaren Gefahren (Frost, Trocken-
heit, Schnee, Wind) eine größere Widerstandsfähigkeit sichern. Im einzelnen Falle
mag dieser oder jener ausländischen Holzart, z. B. Nadelhölzern mit stechenden Na-
deln, auch größere Widerstandsfähigkeit gegen tierische Gefahren (Wildverbiß) als
Vorzug angerechnet werden.
Die bisherigen Erfolge der Anbauversuche, die von den forstlichen Versuchs-
anstalten der verschiedenen deutschen Bundesstaaten, am umfangreichsten von
Preußen 1) (1910 auf 417 ha), ferner in Oesterreich und von zahlreichen Privatwald-
besitzern mit hauptsächlich nordamerikanischen und einigen japanischen Holzarten
seit rund 3 Jahrzehnten angestellt wurden, sind nicht einheitlich. Neben Mißerfolgen
aller Art, die zur Streichung mancher zunächst als anbauwürdig angesehenen Holzart
aus der Liste der brauchbaren Fremdländer, vielfach auch zur abfälligen Beurteilung
und Verwerfung der ganzen Exotenfrage führten, haben die Anbauversuche auch
recht erfreuliche Ergebnisse gezeitigt. Mehrere der eingeführten Holzarten haben sich
den einheimischen Arten in bezug auf Massen- oder Wertsleistung überlegen und
damit zur Verwendung im forstlichen Großbetrieb geeignet gezeigt, anderen wieder
kommt unter besonderen Verhältnissen eine derartige waldbauliche Bedeutung zu,
daß sie zum mindesten eine wertvolle Bereicherung der Gehölzflora Deutschlands
darstellen.
Es ist selbstverständlich, daß sorgfältiges Studium des Verhaltens der Exoten
in ihren Heimatländern und volle Berücksichtigung der Standortsansprüche den
Anbauversuchen als Grundlage dienen muß, damit nicht, wie es oft genug geschehen
ist, Kulturarbeiten mit fremdländischen Holzarten unternommen werden, die schon
in ihrer ersten Einleitung als verfehlt erscheinen. Es seien hier u. a. nur die in ver-
schiedenen Schriften niedergelegten wertvollen Forschungsergebnisse des Prof. De.
Mayr2)-München erwähnt.
1) Vergl. hierzu die Veröffentlichung von Danckelmann, Anbauversuche mit aus
ländischen Holzarten in den preußischen Staatsforsten. Ztschr. f. Forst- u. Jagdw. 1884, S. 289,
3-15 und die den gleichen Gegenstand behandelnden Arbeiten Schwappachs; ebendas. 1891,
S. 18; 1896, S. 327; 1901, S. 137; 1909, S. 27; 1911, S. 591. — Auch aus Württemberg (AUg.
F.- u. J.-Ztg. 1897, S. 14 u. 83), Bayern {forstl.-naturw. Ztschr. 1892), Baden (W i m m e r,
Anbauversuche usw. Berlin 1909) und aus Oesterreich (C i e s 1 a r , Ueber Anbauversuche etc.
Zentralbl. f. d. ges. Forstw. 1901) liegen Nachrichten über die bisher erzielten Resultate vor.
2) H. Mayr, Die Waldungen von Nordamerika, ihre Holzarten usw. München 1890. —
D e r s. , Aus den Waldungen Japans. München 1891. — D e r s., Monographie der Abietineen
des japanischen Reiches. Tokio 1890. — D e r s. , Fremdländische Wald- und Parkbäume für
Europa. Berlin 1906.
Das Bestandesmaterial. § 14. 3J
Aus der ziemlich langen Reihe von Holzarten, die nach den bisher gesammelten
Erfahrungen in mehr oder minder hohem Maße anbauwürdig sind, seien nur die wich-
tigsten hervorgehoben.
A. \ a d e 1 h ö 1 z e r. 1 Douglasie (Pseudotsuga Douglasii Carr.). In der grünen
(Küsten-) Form auf frischem Sand und mildem Lehmboden eine ganz hervorragende, die Fichte
weit zurücklassende Massenerzeugerin (am Südharz laufend- jähriger Durchschnittszuwachs
eines 28jähr. Bestandes 27,2 Fm. !). Hin und wieder, namentlich in Saat- und Pflanzenschulen,
Frostschaden. Zu engen Verband beim Auspflanzen vermeiden; frühzeitige und kräftigere
Durchforstungen erwünscht. Die blaue (Gebirgs-)Form (Ps. glauca Mayr.) zwar frosthärter,
aber wegen Langsamwüchsigkeit weniger brauchbar. Die grüne Form ist die wertvollste aller
anbauwürdigen Exoten, eignet sich zum Reinanbau und in Mischung (Buche).
2. S i t k a f i c h t e (Picea sitchensis Trautv. et Meyer). Rascliwüchsig, auf zusagenden
feuchten, moorigen Standorten die heimische Fichte in der Massenerzeugung ganz wesentlich
übertreffend (If. -jähriger Zuwachs eines 25 jähr. Bestandes auf einer pommerschen Versuchs-
fläche (nach Schwappach) 26,5 Fm.). Ihrer Widerstandsfähigkeit gegen Seewinde wegen im
Küstengebiet brauchbarer als die einheimische Fichte; im trockeneren Binnenlande durch Spät-
fröste leidend, buschig werdend und nur dort der heimischen Art überlegen, wo es dieser zu
feucht ist. Geringerer Verbißschaden infolge ihrer steifen, scharf stechenden Nadeln, hingegen
aber gern gefegt.
3. Amerikanische Silbertanne (Abies concolor Gord.). Einzige Tannenart,
die auf günstigem frischen Lehmboden der heimischen Art durch Raschwüchsigkeit und Wider-
standsfähigkeit gegen extreme Temperaturgrade überlegen ist; lichtbedürftiger als Ab. pectinata.
4. Weymouthskiefer (Pinus Strobus L.). Ihre waldbaulich sehr brauchbaren
Eigenschaften: Raschwüchsigkeit, Schattenerträgnis, Widerstandsfähigkeit gegen Frost, Sturm,
Schnee, reicher Nadelabfall) haben ihr seit langem schon volles Bürgerrecht in den heimischen
Waldungen erworben. Gedeiht nachhaltig aber nur auf tiefgründigen, lehmigen, humosen
und namentlich hinreichend frischen Böden, sonst nur in der Jugend befriedigend und bald
(im Alter von 25 — tO Jahren) versagend. Hallimasch und Blasenrost örtlich sehr gefährlich.
5. Banks kiefer (Pinus Banksiana Lamb.). Anspruchslose, in der Jugend sehr rasch-
wüchsige ^"oranbauholzart für ärmste Böden (Flugsand, Dünen, Sumpf- und Moorpartien),
gutes Füllholz für lückige KiefernkuUuren. Keine Nutzholzerzeugerin.
6. Pechkiefer (Pinus rigida Milk). Ebenfalls keine für Reinanbau taugliche Nutz-
holzerzeugerin, aber geeignetes Mischholz für Kiefernkulturen auf armen Böden.
7. Japanische Lärche (Larix leptolepis Murr.). Auf zusagendem (kräftigen)
Boden der tieferen, höchstens mittleren Lagen in der Jugend raschwüchsiger als die heimische
Art; außerdem widerstandsfähiger gegen Krebs und Motte, bisweilen aber schlechtschaftiger.
8. Lawsonszy presse (Chamaecyparis Lawsoniana Park). Vorzügliches Holz. Auf
gutem Standort (frischer lehmiger Sand- oder sandiger Lehmboden) und bei hinreichender
Luftfeuchtigkeit nach den ersten Jugendjahren ziemlich raschwüchsig; liebt Seitenschutz,
daher für Kahlflächen ungeeignet, tauglich für Löcheranbau in Buche und Kiefer. In der Ju-
gend nicht völlig frosthart, leidet in Frostlagcn leicht unter Pilzangriffen (Hallimasch und Pesta-
lozzis funerea).
9 Riesenlebensbaum (Thuya gigantea Nutt.). Standortsansprüche und wald-
bauliches Verhalten wie bei der vorigen Art; geeignet zum gruppenweisen Einbau in lückige
Buchenverjüngungen.
B. Laubhölzer. 1. Roteiche ( Quercus rubra L.). Raschwüchsiger und bezüg-
lich der Bodenansprüche genügsamer als unsere deutschen Eichen; gute Schaftbildung; Holz
infolge größerer Porosität dem der heimischen Eichen nicht ganz gleichwertig; gehört aber
dank ihrer guten waldbaulichen Eigenschaften zu den wertvollsten aller eingeführten auslän-
dischen Holzarten.
2. Weißesche (Fraxinus alba = americana L.). Waldbauliches Verhalten dem der
heimischen Esche ähnlich; etwas später austreibend als diese, daher etwas weniger durch Spät-
fröste gefährdet; gegen Stau- und Ueberschwcmmungswasser ebenfalls weniger empfindlich
als die heimische Art.
3. Kanadische Pappel (Populus canadensis Moench.). Auf günstigem Standort
infolge geradezu erstaunlicher Raschwüchsigkeit größte Holzerzeugerin unserer Breiten.
4. Spätblühende Traubenkirsche (Prunus serotina Ehrh.). Raschwüch-
sig, auf Buchenboden geradschaftig, auf armem und zu feuchtem Boden aber sperrig wachsend;
brauchbar als Füllholz in Laubholzverjüngungen.
5. Schwarze W a 1 1 n u ß ( Juglans nigra L.). Nur für beste (Aue-)Böden in mildem
Klima ohne Spätfröste geeignet, hier raschwüchsig, licht bedürftig, Erzeugerin hochwertigen
Holzes, .\uspflanzung infolge starker Pfahlwurzelbildung schwierig, daher nur Saat mit vorge-
keimten Nüssen.
6. Weiße Hickory (Carya alba Nutt.). Zunächst langsamwüchsig, später in freiem
Stand sich gut entwickelnd; frischer, tiefgründiger Eichenboden beansprucht.
oo VI. L 0 r e y , Waldbau.
Die höheren Ansprüche, die vom größeren Teil der wertvollen ausländischen Laubhölze
an Klima (Wärme) und Boden gestellt werden, bringen es mit sich, daß diesen nicht in dem
Maße wie den exotischen Nadelhölzern im deutschen Walde die Bedingungen zu hoffnungs-
reicher Entwicklung geboten werden können und daß für die Erziehung gerade der dem Holz-
wert nach hervorragendsten Arten hauptsächlich nur der Süden und Westen unseres \aler-
landes in Betracht kommen. Da wir aber in einzelnen einheimischen Laubhölzern, wie Eiche
und Esche, für bessere Böden Holzarien haben, die den fremden Laubhölzern in Qualität und
Verwendb.Trkcit nicht nachstehen, so i^t schließlich die Einführung fremder Laubhölzer nicht
so brenn« nd.
Ob die im vorstehenden angeführten fremdländischen Holzarten die ihrer forst-
lichen Verwendbarkeit nach den bisherigen Erfahrungen erteilte günstige Zensur in
Zukunft durchhalten werden, wissen wir noch nicht. Wir urteilen zunächst noch zu
sehr nach den in der Kinderstube der Exoten gesammelten Erfahrungen und sind dort,
wo waldbauüche Fehler in der Behandlung der Exoten gemacht wurden, und dort,
wo der Faktor Wild nicht oder in nicht genügendem Maße bei der Versuchsanordnung
ausgeschaltet wurde, wohl oft zu voreilig absprechenden Urteilen gekommen. Auf
der anderen Seite aber fehlt es unter Hinweis auf besonders günstige Einzelerfolge
ebensowenig an übertrieben optimistischen Beurteilungen. Wie alle forstlichen Maß-
nahmen wird auch die Ausländerfrage von der Zeit gelöst. Die letzte Entscheidung
über die Anbauwürdigkeit der einen besseren Boden beanspruchenden fremd-
ländischen Holzarten wird jedenfalls unter der Voraussetzung, daß alle waldbau-
lichen Forderungen durch die eingeführte Holzart erfüllt werden, der Rentabilität
zufallen.
IV. Wirtschaftliche Bedeutung der H o 1 z a r t e n i).
§ 15. Zur Erreichung der in der Einleitung kurz skizzierten Ziele des Waldbaues
sind die einzelnen Holzarten in sehr veischiedenem Maße geeignet. Ihre wirtschaft-
liche Bedeutung beruht hauptsächlich auf der Massen- und Wertserzeugung, letztere
bedingt durch die Verhältnisse des Holzmarktes, ferner auf der Arbeitsgelegenheit,
welche eine Holzart bietet, auf ihrem Verhalten gegen den Boden, auf der Art der Be-
triebsführung, bezw. Wirtschaftseinrichtung, soweit diese durch die Holzart beein-
flußt ist, auf der Art und dem Umfang gewisser an sie geknüpfter Nebennutzungen,
auf ihrer Widerstandsfähigkeit gegen Gefahren, sowie endlich auf ihrer Tauglichkeit,
bestimmten besonderen Anforderungen (Schutzwald u. dergl.) zu genügen.
1. Massen- und Wertserzeugung: Für die auf der Massen- und
Wertserzeugung beruhende Wertschätzung einer Holzart entscheidet in erster Linie
deren Verbreitungsgebiet. Es gibt Holzarten, welche schon vermöge ihres ausgedehn-
ten Vorkommens den Markt beherrschen und dadurch anderen, die nur in beschränk-
tem Umfang an der Bestockung unserer Waldungen teilnehmen, an Bedeutung weit
überlegen sind. Besonders wertvolle Eigenschaften und dementsprechend hoher
Preis werden eben doch immer in Verbindung mit der Masse wirksam ; das größte Pro-
dukt aus Masse mal durchschnittlicher Preis der Masseneinheit ist ausschlaggebend.
Von den in Deutschland heimischen Holzarten sind Kiefer, Fichte, Buche die ver-
breitetsten. Oertlich (auf größeren oder kleineren Einzelgebieten) sind die Verhält-
nisse sehr verschieden. Hier und da tritt die Weißtanne, auch wohl die Eiche, stark
in den Vordergrund -).
Ganz Deutschland hat (auf rund 14 Mill. ha Wald = fast 26% der Gesamt-
fläche) 67,5% Nadelholz und 32,5% Laubholz. Hieraus erhellt die größere Bedeu-
1) Zu vergleichen: Weber, „Die Aufgaben der Forstwirtschaft", s. Handbuch, insbes.
,,Die Forstwirtschaft vom privatwirtschaftlichen Gesichtspunkte aus betrachtet".
2) Cfr. u. a. die Erörterungen inBorggrcves Holzzucht 2. Aufl. S. 63 ff. Im übrigen
gibt die Statistik der einzelnen Länder die etwa gewünschte spezielle Auskunft.
Das Bestandesmaterial. § lö. 33
tung des Nadelholzes für die deutsche Forstwirtschaft. Erwägt man weiterhin, daß
fast 45% der Gesamtvvaldfläche der Kiefer und 23% der Fichte und Tanne (Tanne
gegen die Fichte erheblich zurücktretend) zufallen, während die sonstigen Nadelhölzer
(Lärche, Arve etc.) nur mit verhältnismäßig kleinen Beträgen beteiligt sind, und be-
denkt man ferner, daß vom Laubholz ca. 14% dem Buchenhochwald, etwa 7% der
Eiche (Hochwald und Schähvald), 5% dem Mittelwald gehören, so ergibt sich, daß —
zunächst lediglich der großen Verbreitung und demgemäß Massenerzeugung wegen —
Kiefer, Fichte, Buche im allgemeinen geradezu als führende, als Hauptholzarten, be-
zeichnet werden dürfen. Tanne und Eiche schließen sich ihnen an. Die übrigen Holz-
arten spielen in der Gesamtheit des deutschen Waldes eine mehr untergeordnete
Rolle, obwohl natürlich örtlich, je nach den besonderen Standorts- und sonstigen Ver-
hältnissen, bald die eine, bald die andere mehr in den Vordergrund tritt, ja die Füh-
rung übernimmt.
Besondere Erwähnung verdient an dieser Stelle die örtlich große Verbreitung
der Schwarzkiefer, welche in Niederösterreich (bes. in den Kalkbergen des Wiener
Waldes) auf etwa 80 000 ha bestandbildend auftritt und in diesem Kronland rund Vs
des Gesamtwaldes ausmacht.
Die Massenerzeugung ist absolut, die Wertsbildung stets relativ zu bemessen,
d. h. letztere ist abhängig nicht nur von der tatsächlichen Brauchbarkeit einer Holz-
art für einen gegebenen Verwendungszweck, sondern auch vom Marktpreis, welcher
wesentlich durch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage bedingt ist. Alle Preis-
bestimmungsgründe kommen dabei in Betracht, insbesondere wird die Konkurrenz
der Surrogate (Kohle, Torf etc. für Brennholz, Eisen, Steine für Bauholz) wirksam i).
Bekanntlich haben sich die Bedingungen des Holzmarktes in den letzten Jahrzehnten
bedeutend verändert: Nutzholzwirtschaft im Gegensatz zur Brennholzerzeugung
ist die Losung der waldbaulichen Produktion -), was gleichbedeutend ist mit der
relativ hohen Wertschätzung und dementsprechend immer weiter schreitenden Aus-
dehnung des Gebietes der ausgesprochenen Nutzholzarten im Vergleich namentlich
zur Buche, welche als spezifische Brennholzart mehr und mehr an Terrain verliert
und im raschen Verlauf des Umwandlungsprozesses wohl noch viel weiter zurück-
gedrängt werden würde, wenn nicht ihre trefflichen waldbaulichen Eigenschaften,
vorab in bezug auf die Bewahrung der Bodenkraft, die Einbuße, welche sie am Holz-
wert erlitten hat, wenigstens zum Teil zu paralysieren berufen wären. Eine Holzart,
welche mit der größten Wahrscheinlichkeit dauernd ihren Wert auf dem Holzmarkte
bewahren wird, weil ihre Nutzholzqualität unbezweifelt ist und bleiben wird, ist die
Eiche. Auch Esche und die sonstigen edlen Laubhölzer, sowie die Lärche berechtigen,
wenn auch wohl schon in etwas engeren Grenzen, zu dieser Hoffnung. Die gedeihliche
Entwickelung dieser Holzarten ist aber meist an sehr bestimmt umgrenzte Bedin-
gungen (namentlich bezüglich des Standorts) gebunden, so daß durch ihren erweiterten
Anbau und intensive Pflege wohl örtlich (z. B. Esche und Ahorn in der schwäb. Alb)
eine bemerkbare Veränderung, im allgemeinen jedoch kaum eine besonders weit-
gehende Umgestaltung der Physiognomie des Waldes herbeigeführt wird. Dagegen
müssen einige Nadelhölzer, wie vorab Kiefer und Fichte, als Holzarten bezeichnet
werden, welche vermöge ihrer verhältnismäßigen Anspruchslosigkeit und der Leichtig-
keit ihres Anbaues im Verein mit einer sehr hohen Nutzfähigkeit allerdings so umfäng-
liche Gebiete teils schon erobert haben, teils noch in Besitz nehmen können, daß
der ganze Charakter ausgedehnter Waldgebiete dadurch verändert wird. Obwohl
1) Weber, Aufgaben der Forstwirtschaft, s. Handbucli I. Bd.
2) Zu vergl. W a g e n e r in Allg. Forst- u. Jagd-Zeitung von 1877, S. 7 ff.
Uaiidh. a. Forstwiss. 3. Aufl. II. 3
34 VI. L o r e y , Waldbau.
auch die Tanne an manchen Orten eine Schmälerung ihres Gebietes zu verzeich-
nen hat, die übrigens durch erweiterten Anbau an anderen Orten ziemlich ausge-
glichen werden dürfte, ist tatsächlich vorzugsweise der Besitzstand der Buche
gefährdet. Sie ist jetzt schon auf weiten Gebieten durch die genannten Nadelhölzer
ersetzt worden und wird, wo die augenblicklichen Preisverhältnisse für die Beur-
teilung der Rentabilität in erster Linie maßgebend sind, unweigerlich auch einen
noch weitern Rückgang erfahren. Doch ist es gewiß sehr am Platze, wenn sich ge-
wichtige Stimmen 1) warnend erheben, um ein zu allgemeines Verdrängen der Buche
zu verhüten. Niemand bezweifelt die höhere Nutzfähigkeit der Nadelhölzer; soll-
ten letztere auch schließlich (etwa wegen fehlender Absatzgelegenheit zumal für
schwächere Sortimente) zum Teil ins Brennholz geschnitten werden müssen, so würde
ihre in einer gegebenen Zeit pro Flächeneinheit erzeugte größere Masse wohl immer
noch das ersetzen, was die Buche an Brennwert pro Masseneinheit vor ihnen voraus
hat. Selbst wenn man berücksichtigt, daß die Nadelhölzer von viel größeren und
mannigfaltigeren Gefahren bedroht sind als die Buche und deshalb nicht die gleiche
Sicherheit der Ertragsleistung zu bieten vermögen wie diese, muß ihre Ueberlegenheit
im gi-oßen und ganzen zugegeben werden. Immerhin sollte man keinesfalls in zu
weitem Maße ausgedehnte reine Nadelholzwaldungen schaffen. Ist die Buche auch
im reinen Bestand nicht mehr allgemein existenzberechtigt, so sollte man sich doch
möglichen Veränderungen der wirtschaftlichen Lage (eventuell gänzlich veränderten
Absatz- und Transportbedingungen etc.) gegenüber den Rückweg offen halten, indem
man der Buche wenigstens die gebührende Stelle im gemischten Walde gönnt. Sie
wird durch ihre schon mehrfach erwähnte überaus günstige Einwirkung auf den
Boden diese Rücksichtnahme stets reichlich lohnen. Außerdem ist auch eine ge-
legentlich gesteigerte Nutzholzverwendung für die Buche keineswegs ausgeschlossen.
Angesichts der Verwendungsfähigkeit und Dauer der imprägnierten Buchenschwelle,
weiterhin angesichts der steigenden Verwertung der Buche zu Holzpflaster und zur
Bedielung der Wohnräume ist eine solche Hoffnung nicht unberechtigt. Dem Buchen-
holz wohnt in der Tat ein höherer Gebrauchswert inne, als das zur Zeit noch vorhan-
dene Vorurteil gegen seine Verwendung als Nutzholz ihm zugesteht. Das kann sich
aber ändern. Gerade die mangelnde Sicherheit bezüglich der Vorausbestimmung
der zukünftigen wirtschaftlichen Verhältnisse in ihrer Gesamtheit kann uns mahnen,
gemischte Bestände überhaupt und insbes. auch solche, in denen die Buche vertreten
ist, zu begünstigen^). Von der Buche, der schon oben genannten Eiche, die ihres
besonderen Wertes wegen ohnehin anders zu beurteilen ist, und von den sonstigen
sog. edlen Laubhölzern abgesehen, bedürfen die übrigen Laubhölzer, weil sie meist
ihre ganz spezifische Nutzbarkeit besitzen (z. B. Birke für Geschirrhölzer, Erle zu
Zigarrenkisten, Aspe für die Zündholzfabrikation) und für den gi-oßen Betrieb kaum
irgendwo oder wenigstens nur auf ganz beschränkten Standörtlichkeiten einmal als
1) Z. B. G a y e r in seiner mehr zitierten .Sclirift : ,,Der gemisclite Wald".
2) Einen besonders prägnanten Ausdruck hat die Beurteilung des Werts der Rotbuche in
den Verhandlungen der Versammlung deutscher Forstmänner zu Stuttgart (1897) und in den
daran sich anschließenden literarischen Debatten gefunden. Während von den einen die Buche
im Hinblick auf ihre mangelhafte Rentabilität in reinen Beständen geradezu als verlorene Holzart
bezeichnet wurde, haben andere dieselbe mehr oder minder energisch in Schutz genommen. Aus
der umfänglichen, zur ,, Buchenfrage" erwachsenen Literatur seien u. a. erwälml die Aufsätze
von Endres (AUg. Forst- u. J.-Z. 1898, S. 91), H e i ß (ebendas. 1898, 256), Dr. H c c k (ebendas.
1898, 257), N (A. F.- u. J.-Z. 1898, 383), B in Prakt. Forstwirt für die Schweiz (1898, 49), Trebel-
j ah r (Mündener forstl. Hefte 1898, 14. Heft), Kutsch, Die Stellung des Buchenhochwaldes im
deutschen Nationalvermögen, Gießen 1898. — Vgl. auch H u In a gl , Die Buchenfrage in der
österr. Forstwirtschaft, Wien 1900.
Das Bestandesmaterial. § 15. 35
mitherrschende oder gar herrschende Holzarten, sondern meist nur in untergeord-
netem Maße in Frage kommen, der besonderen Fürbitte weit weniger. 2. A r b e i t s-
gelegenheit: Hierüber enthält Handbuch I (vgl. Weber, Aufgaben der Forst-
wirtschaft) die nötigen Angaben. Der Waldbau läßt sich bei Bemessung seiner Maß-
nahmen in der Regel zwar nicht von der Erwägung leiten, ob eine Holz- oder Betriebs-
art mehr oder weniger umfängliche Arbeitsgelegenheit bietet, trotzdem läßt sich dieses
Moment doch auch wieder nicht von den übrigen wirtschaftlichen Beziehungen, von
den Rücksichten, welche der Gesamtbetrieb zu nehmen hat, einseitig loslösen. Auch
der Waldbau sollte vor seinen Entscheidungen über den engen Kreis seiner eigensten
Interessen hinaus Umschau halten, um einerseits für seine Arbeiten stets genügende
Kräfte verfügbar zu haben und andererseits auch wieder vorhandenen Kräften die
erwünschte Betätigung zu gestatten und sie dadurch dem Walde zu erhalten. Dabei
kommen in erster Linie die mit der Begründung, Erziehung, Ernte eines Holzbestan-
des verknüpften Arbeiten in Betracht; daneben aber auch solche, welche durch die
Gewinnung gewisser Nebennutzungen (Waldfeldbau, Hackwald, Harznutzung usw.)
bedingt sind, sowie diejenigen, welche sich schließlich nach der vollzogenen Ernte
an das Rohprodukt anlehnen, bezw. sich mit dessen Verwendung befassen. Daß die
Holz- und Betriebsarten in diesen Beziehungen sehr verschieden zu werten sind,
erhellt aus den späteren Abschnitten. 3. Verhalten der Holzarten
gegen den Standort: Die Erörterungen auf S. 15 geben über die ein-
schlägigen Beziehungen Aufschluß. Es sei an dieser Stelle nur wiederholt hervor-
gehoben, daß bei aller waldbaulichen Tätigkeit die Bodenpflege auch um deswillen
vorangestellt werden muß, weil wir im allgemeinen kein Recht haben, etwa zugunsten
der Gegenwart wirtschaftliche Maßregeln zu ergreifen, infolge deren wir der Zukunft
in Gestalt eines geschwächten Bodens einen minder leistungsfähigen Kapitalteil
hinterlassen, als wir ihn von der Vergangenheit überkommen haben. 4. W i r t -
Schaftseinrichtung: Von der absoluten Ertiagsziffer (Etat) abgesehen,
bei deren Bemessung natürlich auch die größere oder geringere Sicherheit der Ertrags-
leistung mit berücksichtigt wird, sind es hauptsächlich zwei Fragen, welche den Zu-
sammenhang der Holzart mit der Forsteinrichtung andeuten, nämlich: 1. für welche
Betriebsart (Hochwald, Niederwald, Mittelwald) eignen sich die verschiedenen Holz-
arten, bezw. wie werden sie verjüngt? und 2. werden sie in reinen oder in ge-
mischten Beständen erzogen? Daß der Femelwald und alle ihm sich nähernden
Betriebsformen im Gegensatz zu schlagweiser Behandlung, und daß ebenso gemischte
Bestände im Gegensatz zu reinen i) die Forsteinrichtung erschweren, steht außer
allem Zweifel; dei Nachweis dafür ist übrigens an anderer Stelle zu führen. Es
wird auch nicht zu beanstanden sein, daß dieser Umstand bei der Würdigung der
einzelnen Holzarten mit beachtet wird. Dagegen wäre es verkehrt, wenn be-
stimmte waldbauliche oder sonstige Vorzüge einer Betriebsform oder Holzarten-
mischung irgend einer starren Forsteinrichtungsregel zum Opfer gebracht würden,
da natürlich die waldbaulich höchste Leistung des Forstes stets erste und wichtigste
Forderung an die Wirtschaft sein muß. Ein passender Ausgleich zwischen den hier
und da sich widerstreitenden Interessen wird in den meisten Fällen unschwer gefun-
den werden können. — 5. Nebennutzungen: An ganz bestimmte Holzarten
sind direkt gebunden z. B. Lohrinde, Harz, Mast, Futterlaub u. a. m. Durch Ver-
mittelung der Betriebsart hängen mit der Holzart zusammen z. B. Produkte des
Waldfeldbaues, die landwirtschaftlichen Nutzungen im Hackwald, Gräserei in Pflanz-
1) Vergleiche auch 1. Abschn., III. B., S. 19 ff. dieser Abhandlung.
36 VI. L o r e y , Waldbau.
kulturen u. dgl. — 6. Widerstandsfähigkeit gegen Gefahren:
Die schon mehrfach, erstmals bereits § 8, S. 13 unter 4, angedeuteten Beschädi-
gungen können den wirtschaftlichen Wert einer sonst recht schätzbaren Holzart
unter Umständen, bezw. für bestimmte Oertlichkeiten so herunterdrücken, daß man
auf ihre Anzucht geradezu verzichten muß. So verbietet sich z. B. in wildreichen
Forsten, wenn man nicht besondere Schutzmaßregeln (Eingattem) ergreifen will,
zuweilen der Anbau der Esche, der Eiche, der Weißtanne vollständig, obwohl diese
Holzarten ohne die Gefährdung durch Schälen oder Abäsen hohen Ertrag erwarten
ließen. In ausgesprochenen Schneebruchlagen hat man möglichst mit der Kiefer
fern zu bleiben; dem Sturm besonders exponierte Orte taugen nicht für die Fichte
usw. Auch hier darf wieder daran erinnert werden, wie vielfache Gelegenheit, solche
Gefahren abzuschwächen, durch geeignete Holzartenmischung gegeben ist. —
7. Besondere örtliche Anforderungen: Dahin gehört z. B. eine
gewisse Anpassung an die Bewiitschaftungsweise umgebender Waldungen, sofern
es sich um kleinere Enklaven handelt (z. B. ein sturmgefährdeter Fichtenbestand
inmitten eines größeren Schälwaldgebietes); ferner die Rücksichtnahme auf Servi-
tuten, deren Befriedigung häufig eine bestimmte Holzart fordert; sodann eine Reihe
spezieller wirtschaftlicher Aufgaben, wie die Anzucht von Faschinenhölzern, Bö-
schungsbefestigangen usw.
Im allgemeinen kann die tatsächliche Verbreitung der Holzarten als Maßstab
derjenigen wirtschaftlichen Bedeutung dienen, welche ihnen beigelegt wird, mit
der Einschränkung natürlich, daß für die Wertschätzung seitens der Gegenwart
nur die unter unsern Augen entstehenden Jungbestände beweiskräftig sind, während
alle älteren Hölzer nur bezüglich der Anschauung jener Zeit, in welcher sie begründet
sind, ein Urteil zulassen. Entscheidend für den Betrieb im großen ist, wie wir re-
kapitulierend nochmals hervorheben, immer nur die kleine Zahl von Holzarten,
welche ausgedehnte Gebiete (eventuell auch in reinen Beständen) einnehmen, d. h.
Kiefer, Fichte, Buche, Tanne. Alle übrigen Holzarten, selbst die Eiche, sind, so
sehr sie auch, örtlich oder allgemein für bestimmte Verhältnisse, unsere Aufmerk-
samkeit in Anspruch nehmen, doch in ihren Existenzbedingungen jenen herrschen-
den Holzarten gegenüber meist äußerst beschränkt, so daß an eine den Umfang
ihres jetzigen Gebietes weithin überschreitende Verbreitung derselben nie zu denken
ist. Um so mehr sollte man ihnen da, wo ihre Anzucht ohne greifbare Benachteili-
gung anderer Interessen zulässig erscheint, einen Platz anweisen, um dem Walde
die in den verschiedensten Beziehungen so schätzenswerte Mannigfaltigkeit zu er-
halten, oder, wo sie verloren ist, wieder zu verschaffen.
Zweiter Abschnitt.
Die Betriebsarten.
§ 16. Vorbemerkungen: Ehe wir zum angewandten Teile des Wald-
baues, d. h. zur Besprechung und Erörterung der bei Begründung und Erziehung
der Bestände zu beachtenden Handgriffe und Maßnahmen übergehen, müssen wir
uns Klarheit verschaffen über die bei unserer Wirtschaftsführung innegehaltene
zeitliche Aneinanderreihung der von uns jeweils angewendeten waldbaulichen Ope-
rationen. Die Erreichung des vorgesteckten Wirtschaftszieles erfordert, daß wir
Die Betriebsarten. § IG. 37
unsere Maßnahmen planmäßig gruppiei-en und zu einer bestimmten, regelmäßig
wiederkehrenden Wechselfolge zeitlich verbinden. Wir nennen eine solche plan-
mäßige Kombination bestimmter, zeitlich aufeinander folgender wirtschaftlicher Ope-
rationen Betriebsart oder Betriebsform und definieren diesen forst-
lichen Begriff kurzhin als Art und Weise der Verjüngung und Erziehung eines Be-
standes oder Waldes.
Je nachdem sich die zur Verjüngung führenden Maßnahmen zeitlich oder wirt-
schaftlich voneinander unterscheiden und je nachdem die spätere Behandlung und
Erziehung des durch die ^'erjüngung entstandenen Bestandes in dieser oder jener
Weise geregelt und gehandhabt wird, entstehen verschiedene Betriebsarten, deren
wenige, scharf voneinander getrennte Grundformen durch zahlreiche Zwi-
schen- und Uebergangsformen verbunden werden. Als gleichbedeutend
mit Betriebsart wird meist das Wort ,, Bestandesform" angewendet. Das ist nicht
ganz zutreffend, denn die Bestandesform, d. i. das Bild, was ein Bestand als Folge
der Bewirtschaftungsweise dem Beschauer darbietet, ist das Resultat der Betriebsart,
nicht aber diese selbst.
Angesichts der großen Zahl möglicher Kombinationen (aus Holzart, Bestandes-
begründung, bezw. Verjüngung, Bestandespflege, Erziehung usf. mit allen ihren Mo-
difikationen) ist es begreiflich, daß sich im Walde, sofern auch die feineren Unter-
scheidungsmerkmale beachtet werden, tatsächlich viele mehr oder weniger von-
einander abweichende Betriebsarten vorfinden. Sie alle sind durch menschlichen
Eingriff, durch wirtschaftliche Kunst (bisweilen auch Künstelei) herausgebildet,
während die Urwaldform überall das im gi-oßen ganzen gleiche, wenn auch durch
Holzart, Standort usw. modifizierte Gepräge trägt. Zum Verständnis des Wesens
der Betriebsarten aber ist es erforderlich, einzelne scharf ausgeprägte Formen als
typische herauszugreifen und an ihnen gewissermaßen Schulbegriffe zu entwickeln,
die dann als feststehend zu betrachten sind. Zwischen diese Grundformen lassen
sich die übrigen in mannigfaltigster Reihe, oft mit kaum merklichen Uebergängen,
einschalten.
Es ist als bedenklich zu bezeichnen, namentlich im Interesse der Anfänger im
Studium, die erst in das vielgestaltige Gebiet des Waldbaues eingeführt werden
sollen, daß einige Lehrbücher eine verhältnismäßig große Anzahl von Betriebsarten
als selbständige Formen aufführen und beschreiben, während man einen Teil dersel-
ben recht wohl als Uebergangsformen bezeichnen und sich demgemäß auf eine kleine
Anzahl von Grundformen beschränken kann. Das Verständnis wird durch jenes
Vorgehen offenbar nicht gefördert. Vielmehr ist dadurch manche irrtümliche
Auffassung entstanden, und manche umfängliche Diskussion wäre zu vermeiden
gewesen, wenn man sich zunächst nur an wenige, wirklich wesentliche Unter-
scheidungsmerkmale gehalten, diese entsprechend scharf betont und dadurch erst
aus der reichen Fülle waldbaulicher Formen einige große Hauptgruppen gebildet
hätte. Deren weitere Zerlegung wäre einem vorgeschritteneren Stadium wirt-
schaftlicher und wissenschaftlicher Erkenntnis vorzubehalten gewesen. Manche
Schriftsteller fürchten, wie es scheint, durch eine solche Beschränkung bei dem
Lernenden die Meinung zu er\vecken, als ob man es im Walde wirklich nur mit einer
geringen Zahl bestimmt zu charakterisierender Formen zu tun habe. Man scheut
die Schablone, die ja sicheilich wenn irgendwo so namentlich in waldbaulichen
Dingen zu meiden ist. Und doch kommt man zunächst mit einer kleinen Reihe
von Grundformen aus; weitergehende Scheidungen lassen sich jederzeit leicht an-
schließen.
38 VI. L o r e y , Waldbau.
Erstes Kapitel.
üebersicht und allgemeine Würdigung der als Grundformen zu
betrachtenden B e t r i eb sar t e n^).
§ 17. I. U 6 b e r s i c h t der Grundformen.
Man unterscheidet:
A. Hochwaldformen oder S a m e n h o 1 z b e t r i e b e.
Die Verjüngung erfolgt durch Samen; das Bestandesmaterial sind infolgedessen
Kernwüchse, d. h. Bäume, die sich aus Samen entwickelt haben. Die Funktionsdauer
des einzelnen Individuums ist mit dessen Abtrieb zu Ende ^); jedes Individuum wird
nur einmal Gegenstand der Nutzung (Durchforstung oder Haubarkeitsnutzung) 3).
B. Ausschlag holzbetriebe.
Die Nutzung erstreckt sich nur auf oberirdische Teile des Individuums. Dessen
Funktion ist mit der einmaligen Nutzung nicht zu Ende; an dem nicht genützten
Teile entstehen vielmehr Ausschläge (Stock-, Wurzel- oder Schaf tausschläge), durch
welche die Neubegründung des Bestandes erfolgt.
C. Mittelwaldbetrieb.
Die Verjüngung erfolgt hier teils durch Samen, teils durch Ausschläge; der Mittel-
wald stellt eine Kompositionsform von A und B, von Samenholz- und Ausschlagholz-
betrieb dar.
A. Die Hoehwaldformen.
§ 18. Die Hochwaldbetriebsarten lassen sich nach der Zeit der Verjüngung unter-
scheiden in
I. Vorverjüngungsbetriebe, d.s. diejenigen Betriebsarten, bei de-
nen die Verjüngung vor der gänzlichen Entfernung des Altholzbestandes erfolgt.
Stehenbleibende Teile des Altholzes (Mutterbäume) dienen der Verjüngung, indem
sie den zur Neubegründung des Bestandes nötigen Samen tragen und abwerfen. Im
Falle des Ausbleibens von Samenjahren kann die Bestandsneubegründung auf künst-
lichem Wege, durch Saat oder Pflanzung (Unterbau) erfolgen.
II. Nachverjüngungsbetriebe, d. s. diejenigen Betriebsarten, bei
denen die Verjüngung nach der gänzlichen Entfernung des Altliolzbestandes erfolgt.
Etwaige, zunächst stehenbleibende Reste des Altholzes (Ueberhälter) dienen nicht
oder nur zufällig der Verjüngung.
§ 19. Die Vorverjüngurgsbet riebe werden nach der Dauer der
Verjüngung unterschieden :
1. Plenter- oder F e m e 1 b e t r i e b ""j. Die Verjüngung erstreckt sich
1) M a r t i n (Forstl. Statik, 2. Bd. 1911, S. 1) untersclieidpt nur 4 Betriebsarten: Nieder-
waldbolricb, Mittelwaldbetrieb, Plenterbetrieb und regelmäßigen Hochwaldbetrieb und hält die
weitere Ausdehnung des Begriffes Betriebsart auf andere Formen nicht für empfehlenswert, wäh-
rend Gay er (Waldbau, 4. .*\ufl. 1898, 3. Abschn.) 9 Betriebsarten unterscheidet; Kahltlächen-
forra, Schirmschlagform, Saumschlagform, Femelschlagform, femelartige Hochwaldform, Femel-
form, Ueberhaltform, Unterbauform, Niederwaldformen, Miltehvaldformen.
2) Fortvegetieron im Boden verbleibender Stöcke während des folgenden ümtriebs bleibt
insofern unbeachtet, als man bei der Begründung des neuen Bestandes die etwa erwachsenden
Ausschläge nicht grundsätzlich einbezieht, wenn ihnen auch da und dort aus bestimmten Grün-
den (Holzartenmischung, Bodenschutz usw.) eine Stelle gegönnt wird.
3) Finden Aufastungen statt, so erfolgt der bezügliche Holzanfall nur im Interesse der
Bestandeserziehung, die Wegnahme einzelner Organe geschieht hier nicht zum Zweck einer Re-
produktion.
4) Plenter- oder Plänterbetrieb fälschlich abgeleitet von plantare, richtiger nach dem Bei-
spiel C. Wagners Blenderbelrieb von ,, Blender" = beschattender Baum. \'on den forstlichen
Die Betriebsarten. § 19. 39
Über die ganze Umtriebszeit und über die ganze Fläche unter Benützung aller eintre-
tenden Samenjahre, sie hört nie auf. Infolgedessen sind im Plcntervvalde alle Alters-
klassen in gruppen- oder horslweiser oder einzelständiger Anordnung vertreten. In-
wieweit Repräsentanten jedes einzelnen Jahres vorhanden sind, hängt von der Wie-
derkehr der Samenjahre bezw. von wirtschafthchen Eingriffen ab. Da Samenjahre
nicht von .lahr zu .lahr, sondern meist nur in größeren Zeitzwischenräuinen kommen,
sind mehrjährige Altersdifferenzen zwischen den im Alter benachbarten Bestands-
individuen die Regel. ,Fe jünger die einzelne Altersstufe ist, um so zahlreicher pflegt
sie vertreten zu sein.
Bei 120jiilir. Umtriebe, d. Ii. bei .\nnalime von 120 Jahren als demjenigen .\ltcr, das von
der ältesten Slamml<lasse normal erreicht werden soll, sind unter der Voraussetzung, daß alle
fünf Jahre ein Samenjahr kommt, beispielsweise also 5-, 10-, 15-, 20- 90-, 95-, 100-, 105-,
110-, 115- imd 120jähr. Individuen vorhanden. Die Intervalle können größer oder kleiner sein;
sie brauchen überdies nicht gleich groß zu sein; tatsächlich sind sie auch fast immer verschieden.
Charakteristisch ist aber immer, daß Jungwüchse, mittelalte Stämme, Althölzer in dem näm-
lichen Bestände angetroffen werden. Dementsprechend ist das Kronendach da und dort unter-
brochen, keinenfalls in annähernd gleicher Höhe über dem Boden nur eine Etage bildend.
Bis alle Individ<ien des jetzt vorhandenen Bestandes genutzt sind, verfließt bei normalem \"er-
lauf der Nutzung die ganze Umtriebszeit. Erst nach deren Verlauf ist, obwohl die Verjüngung
fortwährend im Gang ist. ein in allen seinen Teilen neuer Bestand vorhanden.
Bei den übrigen Vorverjüngungsbetrieben wie auch bei den Nachverjüngungen
erstreckt sich die \'erjüngung immer nur auf die mit dem ältesten Holze bestockten
Teile der Waldfläche und beansprucht dementsprechend nicht die ganze Umtriebs-
zeit, sondern nur einen mehr oder weniger großen Teil derselben. Man bezeichnet
die jeweilig zur Verjüngung bestimmte Fläche als Schlag und die weiter zu nen-
nenden Betriebe als S c h 1 a g b e 1 1 i e b e. Sie unterscheiden sich nach der Dauer
der Verjüngung. Je schneller die Veijüngung vor sich geht, je kürzer der hieifür
vorgesehene Zeitraum (Verjüngungszeitraum) ist, umso gleichalteriger wird
der neue Bestand, während umgekehrt lange Verjüngungszeiträume zu ungleich-
altrigen Beständen führen, weil dann die Abkömmlinge einer Reihe aufeinanderfolgen-
der Samenjahre im Bestände vereinigt werden.
2. Plenterschlag- oder Femelsch lagbetrieb. Die Ver-
jüngungsmaßregeln werden nicht gleichzeitig und nicht gleichmä-
ß i g auf der ganzen Fläche eingeleitet, sondern zunächst nur löcher- oder horstweise
an bestimmten Stellen (Angriff sp unk t'^n)^) und greifen unter Benutzung meh-
rerer Samenjahre nach und nach auf die noch unberührten Teile des Bestandes über.
Der Verjüngungszeitraum umfaßt eine je nach Ilolzait, Standort und speziellem
Wirtschaftszweck (bezw. Waldbehandlung) bald längere, bald kürzere Reihe von
Jahren. Wie schon aus dem allmählichen Fortschreiten der Verjüngung und aus der
Zuhilfenaiune einei Mehrzahl oft weit genug auseinander liegender Samenjahre her-
vorgeht, dauert es aber immer relativ lange, bis ein größerer Bestand auf diese
Weise vollkommen verjüngt ist. Im Zusammenhang damit steht eine mehr oder
minder ausgeprägte U n g 1 e i c h a 1 1 r i g k e i t des aus der Verjüngung hervorge-
henden Bestandes.
Wie viel Zeit die Verjüngung des ganzen Bestandes erfordert, ist für die Methode
an sich ohne Belang, obwohl das entstehende Bestandesbild dadurch natürlich we-
sentlich beeinflußt wird. Man findet lange und kürzet e Vei jüngungszeiträume ; über
Versuchsanstalten ist aber die Schreibweise ,, Plenterbetrieb" angenommen. — Femelbetrieb von
„femella" bezw. von .Vusfemeln, d. h. Entfernen der (vermeintlichen) Femellae beim Hanf über-
tragen.
1) Horst- und gruppenweise Verjüngung G a y e r s , vgl. dessen „Der gemischte Wald"
S. 68 ff.
40 VI. L 0 r e y , Waldbau.
die halbe Umtriebszeit wird dabei wohl kaum hinausgegangen; also wird z. B. bei
120jährigem Umtrieb ein Tannenbestand in längstens 60 Jahren vollständig verjüngt.
Der Bestand hat ein femelartiges Ansehen, besonders während der Verjüngungsdauer,
insofern stets die der Länge des Veijüngungszeitraumes entsprechenden Altersstufen
vorhanden sind. In einem mit 60 jährigem Verjüngungszeitraum begründeten Tan-
nenbestande werden z. B. 30 — 90jährige Bäume, oder, so lange die Vei-jüngung im
Gang ist, Altholzgruppen, sowie gleichzeitig wieder Jungwüchse angetroffen. Der
Unterschied vom eigentlichen Femelwald springt in die Augen; es fehlen die Zwischen-
glieder der Altersreihe. Ist die Verjüngungsdauer = a Jahre, so ist bei der Umtriebs-
zeit = u in jedem Stadium der Bestandesentwickelung ein Zeitraum von u — a Jah-
ren nicht durch Stämme vertreten.
3. S c h i r m s c h 1 a g b e t r i e b. Auch hier vollzieht sich die Verjüngung in
einer längeren oder kürzeren Reihe von Jahren. Die Verjüngungsmaßnahmen aber
erstrecken sich, um wenn möglich mit einem einzigen Samenjahr die ganze
Betriebsfläche zu besamen, gleichmäßig über den ganzen Bestand. Das
setzt voraus, daß das zu verjüngende Altholz durch seine ganze Erstreckung mög-
lichst gleichartig ist, und hat zur Folge, daß der entstehende Jungbestand,
wenn sonst die Besamung in der gewünschten Weise in kürzester Zeit — tunlichst eben
durch ein Samenjahr — gelingt, ganz oder wenigstens annähernd gleichaltrig
wird. Der Verjüngungszeitraum i.^^t mithin bei diesem Betriebe im allgemeinen k ü r-
z e r als beim Plenterschlagbetriebe. Mancherorts bezeichnet man den Schirmschlag-
betrieb auch als Dunkelschlag Wirtschaft.
Während beim Femelschlagbetrieb der Verjüngungszeitraum nicht allein von
dem längere oder kürzere Zeit hindurch andauernden Belassen der Mutterbäume im
Bestände, sondern namentlich auch von der im Belieben des Wirtschafters liegenden
rascheren oder langsameren Ausbreitung des Verjüngungsprozesses über alle Bestan-
despartien abhängig ist, entscheidet für die Veijüngungsdauer beim Schirmschlag-
betrieb nur das Tempo, in welchem man mit den Vorlichtungen und demnächst nach
erfolgtei Besamung mit Abräumung der Mutterbäume vorgeht, bezw. vorgehen muß.
Wie viel Zeit hierfür nötig wird, ist wiederum für die Methode an sich gleichgültig.
4. S a u m s c h 1 a g b e t r i e b. Der zu verjüngende Bestand wird von einer
Seite, der Angriffsfront (Osten, Nordosten, Norden, Nordwesten) aus auf schmalen
Streifen = Säumen nach den Grundsätzendes Schirmschlag- oder Plenterschlagbetrie-
bes behandelt. In dem Maße die natürliche Ansamung auf dem zuerst in Angriff
genommenen Streifen gelungen ist, schreiten die auf Verjüngung gerichteten Maß-
nahmen auf einem weiteren Streifen nach dem Bestandesinnern vor, während auf
dem ersten, bereits besamten Streifen die Bestandspflege für die dem Jungwuchs
nötige allmähliche Lichtstellung Sorge trägt. Diese.'' stufen- oder schrittweise Vor-
dringen der Verjüngung fühlt zu streifenförmigen, dem Alter nach ineinander über-
gehenden Kleinbeständen und hat, wenn sonst die Verjüngung eines Bestandes von
einem Ende zum anderen nicht zu lange dauern soll, nur geringe Flächenausdehnung
der zu verjüngenden Bestände und öftere Wiederkehi von Samenjahren zur Voraus-
setzung.
Je breiter die Verjüngungsstreifen werden, umsomelir geht der Saumsolilagbetrieb in
den reinen Schirmschlag- bezw. Plenterschlagbetrieb über. Die bisher zunächst von Ost oder
Nordost versuchte Saumschlagverjüngung ist neuerdings in der von Prof. Wagner')-
Tübingen lebhaft empfohlenen und unter dem Namen „B 1 e n d e r s a u m s c h 1 a g" ein-
geführten Form sehr populär geworden. Das Wesentliche und Neue des Wagner'schen Verfah-
rens ist die Verlegung der Angriffsfront auf die Nord- bezw. Nordwestseite des zu verjüngenden
Bestandes.
1) Die räumliche Ordnung im Walde, 1907.
Die Betriebsarten. § 20. 4J
§ 20. Die N a c h V e r j ü n g u n g s b e t r i e b e werden nach der Art und
Weise der Verjüngung unterschieden.
5. K a h 1 s c h 1 a g b e t r i e b. Die Verjüngung erfolgt, nachdem der Bestand
auf der Fläche kahl abgetrieben ist, durch Saat oder Pflanzung, also künstlich
und meist gleichzeitig auf der ganzen Fläche. Es ei"wächst infolgedessen ein gleich-
altriger gleichmäßiger Jungbestand.
Wenn tatsächlich manclimal zwei oder mehrere Jahre bis zur Neubegründung
eines Bestandes vergehen, so tragen sekundäre Umstände, welche mit dem Wesen
der Methode in keinem Zusammenhang stehen, wie z. B. Unmöglichkt it raschen Ro-
dens, Insektengefahr (Rüsselkäfer) u. dergl. die Schuld. Ein einziger Hieb (Kahl-
abtrieb) räumt den Altholzbestand hinweg; danach kann sich die Begründung des
neuen Bestandes unmittelbar anreihen. In kürzester Frist könnte sich also der Vor-
gang (Fällung, Abfuhr, Saat oder Pflanzung) im Verlaufe etwa eines halben Jahres
abspielen, was wirtschaftlich immerhin als ein einjähriger Zeitraum (eine Zuwachs-
periode) aufzufassen wäre.
6. K a h 1 s c h 1 a g mit R a n d b e s a m u n g. Es handelt sich bei diesem
Betriebe um schmale Kahlschläge (Saumschläge), deren Wiederverjüngung den Rand-
bäumen des anstehenden Bestandes, also der Natur überlassen bleibt. Während die
Naturverjüngung im allgemeinen Voi"verjüngung ist, haben wir es hier mit einem
und zwar dem einzigen Fall von natürlicher Nachverjüngung zu tun. Verlauf, Rich-
tung und Breite der Saumschläge wechseln, sind aber für Gelingen und Ergiebigkeit
der natürlichen Ansamungen von großer Bedeutung.
Soweit bei den unter 5 und 6 genannten Kahlschlägen Ueberhälter nicht stehen
gelassen werden, finden sich beim Kahlschlagbetrieb Altholz und Jungwüchse nie-
mals auf der nämlichen Fläche. Hierin unterscheidet sich der Kahlschlagbetrieb sehr
scharf von den Vorverjüngungsbetrieben, bei denen stets während des Verjüngungs-
zeitraumes Teile des alten und neuen Bestandes gleichzeitig vorhanden sind.
Alle übrigen noch vorkommenden Hochwaldformen sind nur als Modifikationen
der vorstehend in ihren Hauptmerkmalen charakterisierten Grundfornien zu betrach-
ten. Es sind Uebergangsformen mit engerer oder minder enger Anlehnung an diese
oder jene Grundform. Zum Teil werden hierbei durch sekundäre Maßnahmen z. B.,
durch Unterbau, Bestandsbilder geschaffen, die in ihrer Eigenartigkeit den Eindruck
neuer selbständiger Formen erwecken.
So ist es z. B. nur eine Modifilvation des Kahlschlagbetriebes, wenn ein voi-übergehender
Ueberhalt zur Beschirmung der nachfolgenden Kultur gegen Frost oder Sonnenhitze, vielleicht
auch zur Zurückhaltung von L'nkrautwuchs oder von Stockausschlägen belassen wird. Man
nennt eine solche Schlagführung hin und wieder „Schulzschlag" oder wohl auch „Schirm-
schlag". Bei den Vorverjüngungsbetrieben kann man sich an Stelle der unter 1 bis 4 genann-
ten vier Grundformen nur mit deren zwei: Femelbetrieb und Schirmschlagbetrieb begnügen.
Streng genommen lassen sich in der Tat auch nur diese beiden Formen festhalten. Der Saum-
schlagbetrieb ist ja, wie oben erwähnt, nichts anderes als saumweiser Schirmschlagbetrieb, und
der Femelschlagbetrieb zerfällt, sobald man den Horst oder die Gruppe als wirtschaftliche Ein-
heit betrachtet — was grundsätzlich gewiß zulässig ist — in eine Anzahl von kleinen Schirm-
schlagbetrieben. Da wir jedoch gewohnt sind, — aus Zweckmäßigkeitsgründen und doch auch
infolge einer gewissen Berechtigung im Sinne der Logik — die von der Waldeinteilung geschaf-
fenen Wirtschaftsfiguren, wie Abteilungen und Unterabteilungen etc., auch in Absicht auf wald-
bauliche Behandlung als Ganze zu betrachten, so mag hier, wo nicht die Einzeloperalion, son-
dern der Betrieb in Frage steht, jene Trennung durchgeführt und der Femelschlagbetrieb als
ü'irundform der Samenverjüngung durch auf der Fläche stehende iMutterbäume behandelt
werden. Bestimmend wirkt dabei besonders auch der Wunsch mit, es möchte tunlichste Ein-
heitlichkeit der Definierung erreicht und damit das Verständnis gefördert werden. G a y e r
hat in seiner Schrift „Der gemischte Wald" für das, was hier als „Femelschlagbetrieb" cha-
rakterisiert ist, die Bezeichnung ,, hörst- und gruppenweise \ erjüngung" gewählt, weil er sich
vor der Verwechselung mit dem Femelschlagbetrieb H e y e r s ( = unserem Schirmschlag-
42 VI. L o r e y , ^^■aldbau.
betrieb) scheut. Es ist dies aber nicht als zwingender Grund anzuseilen, die Bezeichnung Fe-
melschlagbetrieb ganz zu meiden, da die .Sache, um welche es sich handelt, doch so schart' ge-
k?nnzeichnct ist, daß Mißverständnisse kaum zu erwarten sind.
B. Die Aussehlagholzbetriebe.
§ 21. Die hierher gehörigen Betriebsarten sind dadurch voneinander verschie-
den, daß die oberirdische Masse des Einzelindividuums in mehr oder weniger weit-
gehender Weise Gegenstand der Nutzung ist. Man unterscheidet:
1. Nieder wald-oder Stockschlagbetrieb: Bei der Ernte wird
die gesamte oberirdische Holzmasse genutzt, so daß nichts als der Stock mit den Wur-
zeln verbleibt. Stockausschläge und eventuell Wurzelbrut bilden den jungen Be-
stand. Ein im jährlichen Nachhaltbetrieb befindlicher Niederwald hat eine der Um-
triebszeit entsprechende Anzahl von einzelnen Flächen bezw. Beständen in Alters-
abstufung von je 1 .Jahr.
2. Kopfholzbetrieb: Ein Teil des Schaftes bleibt stehen; an seinem
oberen Ende entwickeln sich Ausschläge, welche Gegenstand der folgenden Nut-
zung sind. Bei öfterer Wiederholung derartiger Nutzung bilden sich am Schaftende
Wülste und köpf artige Verdickungen.
3. Sc hneitel holzbetrieb: Der ganze Schaft bleibt erhalten. Die Nut-
zung erstreckt sich nur auf die Aeste, an deren Abhiebsstellen Ausschläge liervor-
treiben; diese liefern dann die Holzmasse für den nächsten Hieb.
C. Der Mittelwaldbetrieb.
§ 22. Der Mittelwald ist eine Verbindung von Niederwald mit plenterartigem
Hochwald. Auf derselben Fläche wird gleichzeitig ein im wesentlichen Brennholz
lieferndes, aus ausschlagsfähigen Holzarten bestehendes sog. Unterholz und ein
hochstämmig erwachsendes, der Nutzholzerzeugung dienendes O b e r h o 1 z erzogen.
Beim jedesmaligen Abtriebe des im 10 bis 20 jährigen Umtriebe bewirtschafte-
ten Unterholzes wird ein Teil der bestwüchsigsten Ausschläge stehen gelassen, ebenso
werden die beim vorhergehenden Abtriebe zur Ausfüllung der Fehlstellen usw. durch
Pflanzung eingebrachten Kernwüchse erhalten. Diese stehengelassenen Teile des
bisherigen Unterholzes gehen mm in die Oberholzklasse über und führen zunächst
den Namen Laßreiser oder L a ß r e i t e 1. Beim nächsten Abtriebe des Unter-
holzes haben die Laßreiser das doppelte Alter des Unterholzumtriebes. Ein Teil von
ihnen wird gleichzeitig mit dem Unterholz entnommen, der andere Teil bleibt stehen
und bildet während des dritten Unterholzumtriebes die ,,0 b e r s t ä n d e r", deren
bei den späteren Unterholzabtrieben übergehaltene Teile ab und zu als a n g e h e n d e,
später als starke oder Hauptbäume bezeichnet werden. Die ältesten Ober-
hölzer werden beim Unterholzschlage = Mittelwaldschlage mit genützt.
Jedem Unterholzabtriebe entspricht somit eine Oberliolzklasse. Das Umtriebs-
alter des Oberholzes ist ein Mehrfaches des Unterholzumtriebes, so daß im normalen
Mittelwald der Altersunterschied der verschiedenen Oberholzklassen immer durch
den Unterholzumtrieb oder durch ein Vielfaches desselben angegeben wird.
Ein im jährlichen Nachhaltsbetriebe stehender normaler Mittelwald hat, wenn der Unter-
holzumtrieb u, der Oberhülzumtrieb U Jahre umfaßt, 1 = n Oberholzklassen, da die Laß-
u
reiser, die nach Abtrieb des Unterholzes zum Oberholz übertreten, vor dem Abtrieb noch dem
Unterholz angehören. Er bietet dann folgendes Bild:
Wir haben u Flächenteile, bezw. Schläge (im Normahvald gleichwertig in ihrer Ertrags-
leistung). Diese sind unmiltelbar vor einem Hieb bestockt mit
Die Betriebsarten. § 23. 43
a) 1-, 2-, 3- .... u jülirigciu l/nlorholz,
b) je mit den n Oberliolzklasson, welclie z. B. für den Schlag mit iijähriareiu Unterholz
2u-, 3u- . . . nu-, (n + 1) u = Ujährig^e Stämme
und für den Schlag mit Ijührigcm Unterholz
(u + 1)-, (2u + 1)-, .... (nu + 1) jährige Slüiiime cnlhallen.
Die Zalil der Stämme in den einzelnen Olierholzlvlassen bildet eine abnehmende Reihe,
sofern sich die ursprünglicli in beträchtlicher Menge übergehaltenen Laßreitel stetig vermin-
dern. Denn sowohl die Entwickehmg der einzelnen Oberliolzstämme, als die Rücksicht anf
kräftiges Erwachsen genügender Unterholzmengen fordert es, daß bei jedem Hieb des Unter-
holzes nicht nur gleichzeitig die älteste Oberholzklasse genutzt, sondern auch in die übrigen
Oberholzklassen eingegriffen wird, indem man nutzholztaugliche Stämme entfernt und einen
zu dichten Stand des Oberholzes ermäßigt. In welchem Betrage dabei die Stammzahlen im
einzelnen reduziert werden, ist von einer großen Reihe so sehr wechselnder Umstände (Holzart,
Standort, Wirtschaftszweck, bezw. stärkere Betonung bald des Oberholzes, bald des Unter-
holzes usw.) abhängig, daß dafür auch nicht entfernt irgend welche allgemeine Norm aufge-
stellt werden kann. Ueberhaupt zeigt der .Mittclwald, bedingt durch Art, Menge und Verteilung
des Oberholzes, wohl die vielfältigst abgeänderten Formen. Nach dem verschiedenen Maße,
in dem Ober- und Unterliolz an der Zusammensetzung des Mittelvvaldes teilnehmen, unter-
scheidet man hochwaldartigen, niederwaldartigen .Vlittehvald und solchen im gewöhnlichen
Sinne. Je mehr das Oberliolz überwiegt, umsomehr nimmt der Mittelwald naturgemäß hoch-
waldartigen Charakter an und umsomelu- tritt die stammweise \erleilimg der Oberliolzklassen
des niederwaldartigen und gewöhnliclien .Mittelwaldes gegenüber einer melir hörst- und flächen-
weisen zurück.
II. W ü r d i g u n g der Grundformen.
§23. Vorbemerkungen. Abgesehen von denjenigen Wäldern, in wel-
chen Schutzwaldcharakter oder besondere vom Waldbesitzer verfolgte Zwecke (Wild-
park) die der Wirtschaftsführung zu gründe zu legende Betriebsart vorschreiben,
sind bei der Wahl der Betriebsart deren ökonomische und waldbauliche Leistungen
ausschlaggebend. Es unterliegt keinem Zweifel, daß in unseren Wirtschaftswäldern
die ökonomischen, im Nutzeffekt zum Ausdruck kommenden Leistungen im Laufe
der Zeit einen überwiegenden Einfluß auf die Bevorzugung und Ausbreitung der
in dieser Richtung vorteilhaftesten Betriebsarten gewonnen und die vom natürlichen
Prinzip geforderten Rücksichten hin und wieder in einer zu weit gehenden Weise in
den Hintergrund gedrängt haben. Der Einfluß, den die einzelnen Betriebsarten auf
den Boden ausüben, ist für ihre Beurteilung zweifellos unbedingt maßgebend, weil
die dauernde Erhaltung bezw. Steigerung des Produktionsfaktors ,, Bodenkraft" die
wesentlichste Bedingung aller Nachhaltigkeit ist. Die von Gay er u. a., neuerdings
von C. Wagner inaugurierte Bewegung zugunsten schärferer Betonung der waldbau-
lichen Leistungen der Betriebsarten verdient deshalb volle Beachtung. Andererseits
ist aber auch in dieser Richtung eine einseitige, über die ökonomischen Werte hinweg-
sehende Wertschätzung zu vermeiden. Zum mindesten kann es angesichts der Ver-
schiedenartigkeit der waldbaulichen und wirtschaftlichen Eigenschaften unserer Holz-
arten und angesichts der Verschiedenheit der Standortsverhältnisse nicht als richtig
bezeichnet werden, in e i n e r Betriebsart ihrer waldbaulichen oder sonstigen Vorzüge
wegen die für alle Holzarten und alle Produktionsgebiete gemeinsame, passendste
und beste zu erblicken.
.Jede vernünftige Wirtschaft wird diejenige Betriebsart wählen, die unter den
gegebenen Umständen das günstigste Verhältnis zwischen Ertrag und Produktions-
kosten aufweist und zwar nachhaltig. Diese gebotene Rücksichtnahme auf die Nach-
haltigkeit und auf Vermeidung von Augenblickserfolgen umschließt von selbst die
Beachtung des waidbaulichen Wertes der zu wählenden Betriebsart. Maßgebend
für die Bemessung der ökonomischen Effekte verschiedener Wirtschaftsverfahren
ist die Bodenrente bezw. der Bodenertragswert, und dasjenige Wirtschaftsverfahren,
das uns bei Wahrung der natürlichen, produktiven Forderungen das Maximum des
Bodenertragswertes in Aussicht stellt, ist das günstigste.
44 VI. L o r e y , Waldbau.
A. Hochwald.
§ 24. Im Wesen des Hochwaldbetriebs, wenn auch nicht grundsätzhch da-
durch bedingt, hegt es, daß er mit höherem Umtrieb behandelt wird i). Aus
diesem Umstände hauptsächlich ergeben sich hinsiclitlich der wirtschaftlichen Lei-
stung die Unterschiede gegenüber dem Ausschlagswald und dem Mittelwald. Bei
letzterem steht nur das Oberholz in höherem Umtrieb, während das Unterholz meist
in kurzen Zwischenräumen (von 10 — 20 Jahren) abgetrieben wird; bei den Ausschlags-
waldungen kommt überhaupt nur ein niederer Umtrieb (von Ijähiigem bei Flecht-
weiden bis etwa SOjährigem bei Eilen) in Betracht.
Jene Unterschiede treten am klarsten zu Tage, wenn man zunächst die beiden
extremen Formen: Hochwald und Niederwald vergleicht.
Folge des höheren Umtriebs ist beim Hochwald zunächst die seltenere Sorge
für Neubegründung eines Bestandes auf der nämlichen Fläche. Dagegen muß aber
derjenige Waldbesitzer, welcher nicht anders als in aussetzendem Betrieb wirtschaf-
ten kann, länger auf einen Abtriebsertrag warten und empfängt nur in Gestalt der
Zwischen- und etwaigen Nebennutzungen mehr oder minder belangreiche Abschlags-
zahlungen. Soll ein jährlicher Betrieb durchgeführt werden, so bedarf es in den
meisten Fällen — (beim Plenterbetrieb nicht) — einer relativ (im Verhältnis zur
Umtriebszeit stehend) großen Fläche, damit der einzelne Jahres- oder Periodenschlag
noch eine für die erfolgreiche wirtschaftliche Behandlung genügende Größe erhält.
Unzertrennlich mit dem höheren Umtrieb verbunden ist für den Nachhaltbetrieb das
größere Holzvorratskapital, mit welchem der Hochwald arbeitet, ein Umstand, wel-
cher an sich, d. h. immer dann, wenn er nicht durch andere Momente paralysiert wird,
eine geringere Verzinsung erwarten läßt. Wenn der Hochwaldbetrieb eine zu hohe
Kapitalanhäufung aber vermeidet und durch bessere Ausnützung der das Produk-
tionskapital nicht erhöhenden Naturkräfte (durch Bodenpflege, Ausnützung der Na-
turverjüngung, intensiven Durchforstungs- und Lichtungsbetrieb) auch auf Kürzung
des Produktionszeitraumes bedacht ist, so ist er in bezug auf Rentabilität dem Nie-
derwald immer und dem Mittelwald in den meisten Fällen überlegen. Weniger gün-
stig stellt sich das Verhältnis des Hochwaldes zu Nieder- und Mittelwaldbetrieb in
bezug auf Sicherheit vor Gefahren: ersterer ist durch Sturm, Schnee, Feuer, Insekten
zweifellos mehr gefährdet als jene. Dieser Nachteil ist aber nur zum Teil auf die
Verschiedenheit in der Umtriebshöhe zurückzuführen. In höherem Maße wird er
von der Verschiedenheit der Holzart, namentlich von dem mehr oder weniger voll-
ständigen Fehlen der Nadelhölzer im Nieder- und Mittelwaldbetrieb bedingt.
Auf der anderen Seite wiederum ist der Hochwald für alle Holzarten tauglich,
liefert bei entsprechend hohem Umtriebe alle verschiedenen Sortimente, erzeugt
Nutzholz in größter Menge und bester Quahtät und ist somit diejenige Betriebsart,
die den gesteigerten Bedürfnissen des Marktes nach Nutzholz weit mehr gerecht wird
als Nieder- und Mittelwald, deren Nutzholzprozente nur ausnahmsweise über 5 bezw.
40 steigen. In seinem größeren Holzvorrate bietet der Hochwald ferner eine oft
willkommene Gelegenheit zur Kapitalanlage und gewährleistet, wenn richtig geleitet,
wegen der selteneren Wiederkehr der Abtriebsnutzung die vollständigere Erhaltung
der Bodenkraft. Daß der Hochwald auch die absolut höchsten Massenerträge lie-
fert, darf als sicher angenommen werden, wenn es auch an Zahlen nicht fehlt, die
wenigstens dem Mittelwald die Ueberlegenheit in dieser Richtung zu sichern schei-
nen. Diese Zahlen, welche die höheren Massenerträge des Mittelwaldes dartun sollen,
1) Ausnahme z. B. die Anzucht von Weihnachtsbäunichen auf besonderen Flächen.
Die Betriebsarten. § 21. 45
beruhen entweder darauf, daß ein Ertrag des Mittelvvaldes zugrunde liegt, der über
den normalen Durchschnitt hinaufgeht, wie es bei Abnutzung ungewöhnlicher Aut-
speicherungen von Oberholz leicht vorkommen kann, oder aber sie stützen sich auf
unzulässige Vei gleiche mit zu geringen Zuwachsleistungen oder zu geringen Stand-
ortsbonitäten des Hochwaldes. Abgesehen davon, daß im Nieder- und Mittelwalde
viele Individuen im jüngeren Alter, in welchem der durchschnittliche Zuwachs noch
weit unter seinem Kulminationspunkt steht, abgenutzt werden, weisen schon die
natürlichen Faktoren, von denen die Zuwachsbildung abhängt, darauf hin, daß weder
der Mittelwald und noch viel weniger der Niederwald den Hochwald in der nachhal-
tigen Holzmassenerzeugung zu übertreffen vermögen.
Bei den einzelnen Hochwaldformen machen sich die vorstehend angedeuteten
Vor- und Nachteile in sehr verschiedenem Maße geltend.
1. Plenter- oder Fem elbetrieb ^):
Als Vorzüge müssen geltend gemacht werden: die Möglichkeit, höhere Ab-
triebsalter in nachhaltiger Wirtschaft mit jährlichen Erträgen auch auf kleiner
Fläche einzuhalten; ferner die weitestgehende Sicherung der Bodenkraft (gegeben
namentlich in entsprechender Bodenfrische), weil niemals Bodenstellen in größerem
Umfang völlig bloßgelegt werden; sodann die Gewährung eines bedeutenden Lich-
tungszuwachses schon in einem verhältnismäßig frühen Stadium der Baumentwicke-
lung. Dabei werden die Stämme, weil schon bald mehr freiständig erwachsend, wi-
derstandsfähiger gegen Sturm und Schneebruch, wie denn alle einem ungleichmäßigen
Kronendach nachgerühmten Vorteile im Femelwald in besonderem Maße angetrof-
fen werden müssen. Für gefährdete Gebirgslagen, Schutzwaldungen etc. ist der Fe-
melbetrieb die geeignetste, ja oft einzig zulässige Wirtschaftsform.
Dagegen beschränkt sich seine Anwendbarkeit auf nur wenige Holzarten, auf
die eigentlichen Schattenhölzer Tanne, Buche, allenfalls Fichte; denn alle Jung-
wüchse müssen mehr oder minder im Druck heraufwachsen, also die Fähigkeit haben,
sich mindestens in starkem Seitendruck längere Zeit entwickelungskräftig zu erhalten.
Dem vorerwähnten starken Lichtungszuwachs steht mithin eine (je nach den Um-
ständen verschiedene) Einbuße an Zuwachs in der Jugend gegenüber. Die Wirt-
schaftsführung hat diese Einbuße möglichst zu reduzieren, kann sie aber begreiflich
niemals ganz vermeiden. — Die Fällung und Holzbringung ist erschwert — (geübte
Holzhauer wissen übrigens diesen Nachteil auf ein geringeres Maß zu beschränken,
als der Uneingeweihte meinen sollte!) — ; die Bäume werden großenteils weniger ast-
rein und weniger vollholzig als im geschlossenen Bestände, die tiefer angesetzten Kro-
nen erhöhen zwar den Zuwachs, nehmen aber gleichzeitig den jüngeren Bestandes-
gliedern mehr Licht weg und vermehren das Reisholzprozent. Für die hin und wie-
der behauptete Ueberlegenheit des Plenterbetriebes über die schlagweisen Betriebe in
bezug auf Massen- und Wertsleistungen fehlen noch hinreichende Beweise. Der ein-
zelne zutreffende Fall bietet keine Gewähr für die allgemeine Richtigkeit dieser Behaup-
tung. Die im Plentervvald vorliegenden Wachstumsbedingungen, die Schwierigkei-
ten der Ernte im allgemeinen und die der rechtzeitigen Nutzung des Einzelstammes
machen eher die gegenteilige Annahme wahrscheinhch. Es kommt weiter hinzu, daß
der ganze Betrieb, weil er mehr zersplittert ist und sich mit seinen Operationen über
1) Vergl. Fürst, ,,Pläiiterwald oder sctilagweiser Hochwahi". Berlin 1885. — Schu-
berg, Schlaglichter zur Streitfrage: ,, schlagweiser Hochwald- oder Femelbetrieb" (Forstw.
Zentralbi. v. 1886, S. 129, 193). — V o n h a u s e n , ,,Der schlagweise Hochwaldbetrieb und der
Fenielbelrieb" {XUg. F.- u. J.-Z. 1882, S. 289). — Düesberg, Der Wald als Erzieher, 1910. —
Wer nick. Plenterwald, eine Studie. Allg. F.- u. J.-Z. 1910, Juli — Okt.
46 VI. Lorey, Waldbau.
einen größeren Teil des ganzen Waldes erstreckt, weniger übersichtlich ist und der
sicheren Ertragsbestimmung, der Buchführung etc. größere Schwierigkeiten bietet.
So wenig aber in der geringeren Uebersichtlichkeit, sowie in der durch den Be-
trieb etwa geforderten größeren Intelligenz und Arbeitsleistung der Beamten bei
der Schlagauszeichnung, Beaufsichtigung des Fällungsbetriebs usw., ein Hindernis
für die Durchführung erblickt werden darf, so verfehlt wäre es, wollte man nicht
in der größeren Einfachheit anderer Betriebsarten einen immerhin erwähnenswerten
Vorzug derselben anerkennen. Es ist kaum anzunehmen, daß der Plenterbetrieb
außerhalb der höheren Gebirgslagen, wo er gewiß die beste Betriebsart darstellt,
zur ,, Bestandsform der Zukunft" i) werden oder in der von Düesberg i) empfohle-
nen Form in den Kiefernbeständen Norddeutschlands viel Feld erobern wird.
2. Plenter- oder Femelsch lagbetrieb ^).
Dem in Bayern, im Schwarzwald und in den Vogesen in den Buchen-Tannen-
Fichten-Mischbeständen bevorzugten hörst- und gruppenweisen Betriebe werden
Erzielung horstweise gemischter Bestände, bessere Erhaltung der Bodenkraft, Si-
cherheit der natürlichen Verjüngung und erhöhtere Ausnützung des Lichtungszu-
wachses nachgerühmt. Es steht fest, daß durch die dem Plenterschlagbetrieb eigen-
tümliche ungleichmäßige Hiebsführung und Schlagstellung und die dadurch beding-
ten Unterschiede im Grade und in der Dauer der Ueberschirmung sowohl das Ent-
stehen wie namentlich auch die schnellere oder langsamere Entwicklung von Horsten
und Gruppen der verschiedenen Holzarten reguliert werden kann. Soweit der Ent-
wicklungsgang der in Mischung befindlichen Holzarten es verlangt, kann den ein-
zelnen Horsten ein grundsätzlich verschiedenes Alter gewährt werden dergestalt, daß
den langsamwüchsigeren Holzarten ein Vorsprung vor den rasch sich entwickelnden
gegeben wird. Die Altersdifferenz der Horste wird der verschiedenen Wuchskraft
der in Frage kommenden Holzart angepaßt. Auch in reinen Beständen hat die in
den einzelnen \'erjüngungshorsten von innen nach außen fortschreitende Verjüngung
ein wellenförmiges Profil des entstehenden Bestandes zur Folge. Die Verjüngungs-
horste fallen von ihrer Mitte aus kegelförmig nach den Rändern zu ab und stoßen,
wenn der ganze Bestand verjüngt und die letzten Mutterbäume geräumt sind, ohne
Steilränder aneinander. Man bringt mit der so geschaffenen stufigen Form des Be-
standes eine größere Widerstandsfähigkeit gegen Schneeschäden in Zusammenhang
und schließt aus dem Vorhandensein einer im Vergleich zum gleichaltrigen Bestand
größeren Kronenoberfläche und größeren Blattmenge auf lebhaftere Wuchsenergie
und erhöhten Zuwachs. Ob und in welchem Betrage der Betrieb größere und nament-
lich wertvollere Massen erzeugt als ein anderer, insbesondere als ein richtig geleiteter
Schirmschlagbetrieb, dessen Bäume frühzeitig aus dem Zustande starker Kronen-
1) A. E n g 1 e r , Aus Theorie und Praxis des Femelsclilagbetriebes. Scliweiz. Zlsclir.
f. Forstw. 1905, S. 123 ff. — Düesberg, Der Wald als Erzieher, S. 93 — 132.
2) Hier insbes. zu vergleichen G a y e r s: ,,Der gemischte Wald", sowie G a y e r , „Ueber
den Femelschlagbetrieb und seine Ausgestaltung in Bayern" 1895, ferner Bericht über die 19.
N'ersammlung deutscher Forstmänner in Kassel 1890, S. 17. ,,Die wirtschaftliche und finanzielle
Bedeutung des hörst- und gruppenwe'sen Femelschlagbetriebes im Hochwald", sowie Bericht
über die II. Hauptversammlung des aeutschen Forstvereins in Regensburg (1901) S. 106: ,, Be-
ruht in dem Femelschlagvcrfahren, sowie in der Kombination desselben mit dem .Saumschlag-
verfahren das vorzüglichste Mittel, Mischbestände in sicherster und vollkommenster Weise zu
erziehen?" ,, Wirtschaftsregeln für die Kgl. Bayerischen Forstämter Kehlheini-Nord und Süd"
herausgegeben von der Kgl. Ministerial-Forstabteilung (den Mitgliedern der Forstversammlung
zu Regensburg gewidmet). — W a p p e s , Ueber das Prinzip und die Anwendbarkeit des Femel-
schlagverfahrens. Zbl. f. d. ges. Forstw. 1904. S. 387; A. Engler, Aus Theorie und Praxis
des Femelschlagbetriebes. Schweiz. Ztschr. f. Forstw. 1905, S. 29, 61, 99, 123. — Blum, Aus
Theorie und Praxis des Femelschlagbetriebes. Allg. F.- u. J.-Ztg. 1906, S, 119.
Die Betriebsarten. § 24. 47
Spannung befreit werden, ist noch nicht genügend untersucht. Wie allen Naturver-
jüngungen ist auch dem Plenterschlagbetrieb eine gewisse Erschwerung bei der Ernte
und beim Transport der Mutterbäume eigentümlich. Beschädigungen des Jungwuch-
ses und der noch stehenden Althölzer sind unvermeidlich, treten aber um so mehr
zurück, je geschickter und vorsichtiger die Arbeiter zu Werke gehen, und lassen .-ich
wohl bis zur Unschädlichkeitsgrenze zurückdrängen. Der Gedanke an größere Sturm-
gefahr der in der Verjüngung stehenden Bestände scheint zwar nach den bayrischen
Erfahrungen unberechtigt, bleibt aber für alle exponierteren Lagen und weniger
sturmfesten Holzarten naheliegend.
Der Femelschlagbetrieb tritt in Konkurrenz hauptsächlich mit dem Schirm-
schlag- und dem Kahlschlagbetrieb, lilr ist im allgemeinen für alle Holzarten zuläs-
sig, welche nicht so ausgesprochene Lichthölzer sind, daß sie jeden Sclürmdruck oder
alle Seitenbeschattung auch in der Jugend verbieten. Die Verbindung mit Kahlab-
säumungen und künstlichem Anbau ist nicht ausgeschlossen, vielmehr öfters geboten.
3. S c h i r m s c h 1 a g b e t r i e b :
Der Betrieb findet ebenfalls in der natürlichen Verjüngung durch Samenabfall
(Mutterbäume auf der Fläche) Ziel und Begründung. Der Boden wird niemals bloß-
gelegt, wohl aber wird dadurch, daß man den ganzen Bestand gleichmäßig durchlich-
tet, die Entstehung einer leichten Bodenbenarbung eher möglich als bei dem mit
einzelnen kleinen, unzusammenhängenden Bestandespartien operierenden Femel-
schlagbetrieb. Keineswegs bedeutet dies aber schon eine entschiedene Schädigung
der Bodenkraft, wenn nur bei den betreffenden Hieben stets mit der nötigen Vorsicht
verfahren wird. Allerdings entsteht grundsätzlich ein gleichförmiger Bestand. An
sich ist ein solcher aber nur dann zu beanstanden, wenn durch ihn den Rücksichten
der Bodenpflege nicht genügend entsprochen wird. Ausdehnung des Verjüngungs-
zeitraumes bietet auch bei diesem Betrieb die Möghchkeit länger andauernden Lich-
tungszuwachses. Das Zusammenfassen mehrerer Jahresschläge in einen Periodenschlag
gestattet die Durchführung des jährlichen Nachhaltbetriebs auf kleinerer Gesamtfläche
als beim Kahlschlagbetrieb ; freilich ist der reine Femelbelrieb in dieser Hinsicht nicht
zu erreichen. Dagegen ist die Uebersichtlichkeit im Schirmschlagbetrieb größer als
im Femelwald und auch als im Femelschlagbetrieb. Die angestrebte Gleichmäßigkeit
der Schlagstellung beun Schirmschlagbetrieb spricht für dessen Anwendung in gleich-
förmigen, hauptsächlich von ein und derselben Holzart gebildeten Beständen.
4. Saumschlagbetrieb.
Diese Betriebsweise ist, wie schon S. 41 angedeutet wurde, nur eine Abart des
Schirm- bezw. Plenterschlagbetriebes. Die natürliche Verjüngung findet auf schma-
len Streifen statt, die man je nach dem gleichmäßigen oder ungleichmäßigen Stande
der Samenbäume als S a u m s c h i r m s c h 1 ä g e bezw. Saumplenter-
schläge bezeichnen darf. Der Wert aller Säumverjüngung beruht in der Erhöhung
der für das Gelingen der natürlichen Ansamimg sehr bedeutsamen Bodenfeuchtigkeit.
Auf dem am Bestandesrande liegenden Verjüngungsstreifen kommen die bei günsti-
gem Winde hereingewehten Niederschläge mehr zur Wirkung als auf einer größeren
mit Samenbäumen mehr oder weniger gleichmäßig überstellten Fläche, wo sie von den
Kronen der Samenbäume um so stärker abgefangen werden, je größer deren Zahl ist.
Hinsichtlich der von der Saumverjüngung angestrebten besseren Ausnützung der
Niederschläge macht es aber einen großen Unterschied, ob der Verjüngungsstreifen
am Ost- oder Südrande bezw. am West- oder Nordrande des zu verjüngenden Bestan-
des gelegen ist. Die der Sturmgefahr wegen zeither zumeist von Osten herein einge-
leitete Verjüngung führte infolge der intensiveren Besonnung durch die Vormittags-
48 VI. Lorey, Waldbau.
und Mittagssonne, ferner infolge der ungehinderten Einwirkung der trockenen Ost-
winde, sowie infolge der stärkeren Abhaltung der von Westen kommenden Regen zu
keinem befriedigenden Ergebnis. Vielmehr sind Austrocknung des Bodens, Dürre
und Spätfrostschäden die gewöhnlichen Begleiterscheinungen der von Osten, Süd-
osten oder Süden herein versuchten Verjüngung. Prof. Wagner- Tübingen ist es
zu danken, die infolgedessen stark in Mißkredit gekommene Saumverjüngung dadurch
wieder zu Ehren gebracht zu haben, daß er an der Hand praktischer Erfahrungen auf
die ganz anders gearteten Verhältnisse der an den West-, Nordwest- und Nordrändern
liegenden Verjüngungsstreifen aufmerksam machte. In dem von Wagner^) empfoh-
lenen ,,Blendersaumschla g", einer von Norden, unter Umständen (bei Feh-
len von Sturmgefahr) auch von Nordwesten vorrückenden Saumverjüngung, ist der
Saumschlagbetrieb wieder in die Zahl der brauchbaren Betriebsarten aufgenommen
worden. Auf den am Nord- oder Nordwestrande liegenden Verjüngung«streifen bleibt
die Bodenfrische besser bewahrt, weil die im Osten und Süden stehende Sonne weni-
ger einwirkt und weil die von Westen kommenden Regen mehr oder weniger vollen
Zutritt zum Boden haben. Die Folge ist, wie die Beobachtungen im Walde bestäti-
gen, Gelingen, und zwar teilweis überraschend gutes Gelingen der Naturverjüngungen.
Die Würdigung des Saumschlagverfahrens kann sich deshalb auf die Bewertung
des Wagnerschen Blendersaums beschränken. Dadurch, daß die Verjüngung allmäh-
lich streifenweise nach dem Bestandsinnern zu vorrückt und daß auf den bereits an-
gesamten Streifen eine mehr oder weniger rasch durchgeführte Räumung der Samen-
bäume für Regulierung des Lichtgenusses sorgt, wird, ähnlich wie beim Plenterschlag-
betrieb, dem Wirtschafter die Mögüchkeit geboten, Mischungen zu schaffen. Auf
dem Verjüngungsstreif eri behauptet sich zunächst der Aufschlag der Schattenhölzer
Tanne und Buche. Je mehr beim Fortschreiten der Verjüngung auf dem zuerst in
Angriff genommenen Streifen die Samenbäume geräumt werden, um so mehr sind
die Bedingungen für Ansamung der lichtbedürftigen Holzarten, vor allem der Fichte,
gegeben. Der Altersvorsprung, den der Schattenholzjungwuchs hat, sichert vor
schnellem Ueberwachsen durch die Fichte und andere natürlich angeflogene oder
künstlich eingebrachte lichtbedürftigere und schnellwüchsigere Holzarten. Dem in
Erhaltung des Mischwuchses liegenden Vorzuge treten alle der natürlichen Verjüngung
als solcher eigentümlichen Vorteile und Nachteile zur Seite. In sturmgefährdeten
Lagen und gebirgigem Gelände, ferner dort, wo Samenjahre selten sind oder ein Licht-
holz, vor allem die Kiefer, die standortsgemäße herrschende Holzart ist, stehen der
Anwendbarkeit des Blendersaumschlages Bedenken entgegen. Auch die Notwendig-
keit einer großen Anzahl von Anhieben und Transportgelegenheiten (Wegen) bereitet
der allgemeinen Durchführung der Blendersaumverjüngung Schwierigkeiten, die in
den ausgedehnten Fichtengebieten um so größer erscheinen, je mehr mit der Zahl der
Anhiebe von Norden die Sturmgefahr wächst.
5. Kahlschlagbetrieb.
Sein wesentlichster Vorzug ist seine Einfachheit und Uebersichtlichkeit, sowohl
1) C. W a g n e r , Die Grundlagen der räumlichen Ordnung im Walde. 2. Aufl. 1911.
Derselbe, Der Blendersaumschlag und sein System, 1912. — Vgl. hierzu u. a.: Thal er,
Natur- oder Kunstverjüngung; sowie Wagners Erwiderung. AUg. F.- u. J. -Ztg. 1908, S. 8
und 153; Eberhardt, Die räumliche Ordnung im Walde und die Naturverjüngung, ebendas.
1908,8.113. — Eulefeld, Die Waldwirtschaft von Prof. Wagner, ebendas. 1908, S. 353. —
Fürst, Strittige Fragen auf dem Gebiete des Waldbaues. Forstwiss. Zentralbl. 1908, S. 505.
— Fabrieius, Die Anwendbarkeit des Wagner'schen Verjüngungsverfahrens, ebendas. 1909,
S. 401. (Erwiderung von C. Wagner, das. 541); Derselbe, Zu dem Artikel des Herrn Prof.
C. Wagner-Tübingen über die Gaildorfer Waldwirtschaft, ebendas. 1910, S. 37. — K i e n i t z ,
Aus dem Gebiete des Blendersaumschlags. Ztschr. f. F.- u. Jw. 1910, 215. — C i e s 1 a r, Wag-
ners Blendersaumschlag. Zbl. f. d. ges. Fw. 1910, S. 49.
Die Betriebsarten. § 24. 4g
im Hinblick auf die Operationen des Waldbaues (Unabiiängigkeit von der zufälligen
Beschaffenheit des Altbestandes, dem Eintritt von Mastjahren etc.) und der Holz-
ernte einschl. Holzbringung (Hiebsführung zu beliebiger .Jahreszeit, ohne Rücksicht
auf Jungwuchs etc.), als auf die Maßnahmen der Forsteinrichtung und Wirtschafts-
kontrolle. Voraussetzung ist aber, daß die Holzart für die Nachzucht im Freien
(künstlicher Anbau oder Besamung durch Randbäume) geeignet ist, und daß eine Ge-
fährdung der Bodenkraft nicht befürchtet ■werden muß. Der Betrieb ist also von vorn-
herein nicht zu wählen für Tanne und Buche, obwohl er auch für diese Holzarten aus-
hilfsweise da und dort eintreten kann. Bezüglich der Bodenkraft werden dem Kahl-
schlag die größten Vorwürfe gemacht. Unzweifelhaft ist das zeitweilige Bloßlegen
des Bodens kein Gewinn (Verschlechterung insbes. der physikalischen Bodeneigen-
schaften, Humusverflüchtigung etc.), es sei denn, daß der Nachteil durch die Vorteile
nachfolgender Bodenbearbeitung (Roden im Waldfeldbau, Rabattenkultur in nassem
Terrain u. dergl.) paralysiert wird. Immerhin aber tritt im Hochwaldbetrieb jenes
vollständige Entblößen des Bodens nur in großen Zwischenräumen ein und dürfte
kaum als so unbedingt verderblich erachtet werden, wie es ab und zu hingestellt wird,
wenn nur durch sofort nachfolgende tüchtige und gründliche Kultur der Boden rasch
wieder gedeckt wird. Das ist allerdings eine nicht immer leicht zu erfüllende Be-
dingung, zumal außer den zunächst entscheidenden Witterungseinflüssen oft auch In-
sekten (Maikäfer. Rüsselkäfer u. a. m.) auf den Kahlflächen in verderblicher Weise
auftreten oder Unkräuter im Uebermaß sich einstellen. Die Entstehung eines ge-
nügend geschlossenen Jungbestandes kann dadurch, ganz besonders auch durch W'ild-
schäden, auf Jahre hinaus vereitelt werden. Gegen derartig widrige Einflüsse muß
man sich möglichst sichern, indem man zu große und namentlich von Jahr zu Jahr
aneinandergereihte Kulturflächen vermeidet, die Art der Kultur richtig wählt und
für genügende Pflege derselben sorgt. Ein zweifelloser Nachteil des Kahlschlagbetrie-
bes ist die durch ihn unaufhaltsam herbeigeführte Uniformierung der Bestände. Die
wohltätigen Mischungen verschwinden. Dem gegenüber aber steht das ökonomische
Uebergewicht reiner Bestände, wie auch die trotz aller Jugendkrankheiten der Kul-
turen doch immerhin große Erfolgssicherheit des \"erjüngungsgeschäftes. Mit dieser
Erfolgssicherheit steht allerdings ein oft nicht unbedeutender Kulturaufwand, also
eine die Rentabilität wesentlich beeinflussende Erhöhung des Produktionskapitales
in Zusammenhang. So richtig von den Anhängern der Naturverjüngung hierauf
hingewiesen wird, so berechtigt ist der von den Kahlschlagfreunden erhobene Einwand,
daß auch die natürlichen Verjüngungen meist nicht kostenlos gelingen und daß der
Kahlschlag in vielen Fällen weit schneller zu lückenlosen Verjüngungen führt als
die Naturverjüngung.
Tatsächlich sind mittelst des Kahlschlagbetriebs und nachfolgender künstlicher
Kultur auf weiten Strecken vortreffliche Bestände begründet worden (bes. Fichte,
Kiefer, Eiche etc.), und obwohl zweifelsohne da und dort auf großen Flächen auch
entschiedene Mißerfolge zu verzeichnen sind, so sind diese doch nicht alle als unver-
meidliche Folgen des Betriebs an sich zu charakterisieren, sondern sicherlich teilweise
auf wirtschaftliche Fehler oder auf Ungunst des Standsortes zurückzuführen. Jeden-
falls sind die Beweise, welche zugunsten des Betriebs erbracht werden können, min-
destens ebenso zahlreich, als die gegenteiligen, so daß es — eine hier und da zu weit
gehende Ausdehnung desselben zugegeben — doch nicht gerechtfertigt ist, den Kahl-
schlag ganz allgemein zu bekämpfen, bezw. auch für diejenigen Fälle zu verwerfen,
in welchen er unleugbar guten Erfolg sichert. Man könnte wohl die Frage stellen,
ob in solchen Fällen nicht durch Schirmschlag oder Femelschlag der gleiche waldbau-
Handb. d. Forstwiss. 3. Aufl. II. 4
50 ^ I- L o r e y , Waldbau.
liehe Erfolg erzielt worden wäre? Bejahendenfalls würde dann ein zwingender Grund
für den Kahlschlag nicht vorhanden gewesen sein. Aber es blieben dann doch die an-
dern zu seinen Gunsten angeführten Momente in Kraft. Wer freilich überhaupt einen
gleichmäßigen Bestand (auch den gleichförmigen Schirmschlag) nicht billigen kann,
muß sich gegen Kahlschlag bedingungslos abweisend verhalten, mindestens ihn nur
als Ausnahme zulassen. Aber es sind nur wenige, welche so einseitig eine bestimmte
waldbauliche Richtung vertreten. Vielmehr begegnen sich mit wenig Ausnahmen
alle bedeutenderen neueren Schriftsteller auf dem Gebiete des Waldbaues in dem
fortwährenden Hinweis darauf, daß starres Verfolgen von Extremen zu vermeiden
und jeder Betriebsart, je nach den örthchen Bedingungen, ihre Stelle einzuräu-
men ist. Dies gilt natürlich, wie es jetzt anläßlich der Würdigung verschiedener
Hochwaldformen ausgesprochen ist, nicht minder von allen übrigen Betriebsarten.
Für die Wahl des einen oder des anderen Verjüngungsverfahrens ist der Standort von
ausschlaggebender Bedeutung. Ein Generalisieren zugunsten eines bestimmten Be-
triebes ist unzulässig.
6. Kahlschlag mit Randbesamung.
Der nur für Holzarten mit leichten flugfähigen Samen in Betracht kommenden
Naturverjüngung durch den Seitenstand ist eine größere Bedeutung nicht beizumes-
sen. Die der Windgefahr wegen meist von Osten herein vorrückenden schmalen
Kahlschläge sind mit denselben Mängeln behaftet, die oben bei Besprechung der Ost-
rand-Saumschläge erwähnt wurden. Sie sind namentlich der Austrocknung ausge-
setzt, Samen sich meist nur unvollkommen an und bedüifen bei der Verjüngung um
so mehr künsUicher Nachhilfe, je breiter und unkrautwüchsiger sie sind.
B. Aussehlagswald.
§ 25. Charakteristisch sind kurze Umtriebszeit, dementsprechend baldiger Ein-
gang von Abtriebsnutzung, häufige Wiederkehr der Ernte auf der nämlichen Fläche,
Kahlabtrieb und damit in Verbindung Bloßlegung des Bodens und Gefährdung der
Bodenkraft. Wenn auch in normalen Verhältnissen bei nicht zu alten Stöcken eine
rasche Wiederbedeckung des Bodens stattfindet, so ist doch infolge des hohen Mi-
neralstoffbedarfs der Ausschläge das Nährstoffkapital des Bodens met r als beim
Hocbwaldbetrieb gefährdet. Die vom Ausschlagswald gelieferten Erträge sind, so-
weit es sich lediglich um Holz handelt, nach Masse und Wert meist gering. Das
Nutzholzprozent ist gewöhnlich sehr bescheiden, die Rentabilität des Betriebes des-
halb keine hohe, obgleich infolge des geringen Holzvorrates das Produktionskapital
verhältnismäßig klein ist. Vorteilhaft erscheint der Ausschlagswald nur durch die
von ihm gebotene Möglichkeit einer jährlichen Nachhaltsvvirtschaft auf kleiner Fläche
und im Hinblick auf die geringe Bedrohung durch äußere Gefahren. Schnee, Sturm,
Insekten, Feuer schaden wenig, nur der Frost wird hin und wieder den Stöcken des
Niederwaldes gefährlich. Es ist selbstverständlich, daß nur ausschlagsfähige Holz-
arten, also Laubiiölzer, für die hier zu nennenden Betriebe sich eignen.
1. Niederwald.
Er ist diejenige Betriebsart, die unter den Ausschlagswaldungen fast allein im
großen angewendet wird. Für ihn gelten alle vorstehend angeführten Momente. Sehr
niedrige Umtriebe (Anzucht von Flechtweiden) sind auch auf ganz gutem Standort
nur bei entsprechender Bodenbearbeitung, event. Düngung dauernd leistungsfähig,
selbst die höheren (z. B. Eichenschälwald) fordern sorgsamste Bestandes- und bezw.
Bodenpflege. Der Niederwaldbetrieb zeichnet sich durch größte Einfachheit und
Uebersichtlichkeit aus, vermag aber nur dann einen befriedigenden Ertrag zu liefern,.
Die Betriebsarten. § 26. 5J
wenn seine besonderen Erzeugnisse, z. B. Weidenruten, Rebpfähle, Faschinen usw.
günstige Marktverhältnisse finden und infolgedessen relativ hoch in Wert stehen. Der
nur Brennholz erzeugende Niederwald ist im allgemeinen nicht gewinnbringend und
daher nur dort gerechtfertigt, wo er durch die Ungunst des Standortes bedingt wird,
z. B. an steilen, flachgründigen Hängen oder in Bruch- und Geröllpartien. Vor dem
Preisrückgang der Eichenlohrinde war es vielerorts dem Eichenniederwalde ( = Eichen-
schälwalde) möglich, einen im Vergleich zum Durchschnittsertrag des Hochwaldes
befriedigenden Reinertrag zu erzielen. Da das heut nicht mehr möglich ist, hat der
Eichenschälwald seine Existenzberechtigung auf großen Flächen verloren, namentHch
dort, wo er sich in Hochwald überführen läßt.
2. K o p f h o 1 z b e t r i e b.
Konmat als forstlicher Betrieb höchstens in Flußniederungen in Frage, wenn
Schutz gegen Eisgang und Wasser notwendig ist. Hier sowohl wie auch auf land-
■wirtschaftlichem Gebiete, auf Wiesen entlang der Bäche usw., handelt es sich fast
durchgängig um Weiden und Pappeln, deren Ausschläge als Futterlaub, meist je-
doch zu gröberen Korbflechtereien (Bandweiden) Verwendung finden. Rücksichten
der Bodenpflege zugunsten der Holzproduktion werden nicht genommen.
3. Schneitelbetrieb.
Forstlich bedeutungslos. Meist nur in geringem Umfange an Einzelbäumen
(Eichen) und außerhalb des Waldes zum Zwecke der Futterlaubgewinnung seitens
des Landwirtes ausgeübt.
C. Mittelwald.
§ 26. Der Mittelwaldbetrieb ermöglicht die Anzucht sämtlicher Holzarten.
Für das Unterholz sind natürlich nur Laubhölzer mit bedeutender Reproduktions-
kraft tauglich. Aber als Oberholz lassen sich, obwohl manche und insbesondere dicht-
kronige Holzarten zu diesem Zwecke wegen zu starker Beschattung des Unterholzes
nur schlecht taugen, wenn es der Waldbesitzer wünscht, sämtliche Holzarten ver-
wenden. Der Mittelwald liefert alle denkbaren Sortimente. Kann er auch, in bezug
auf Qualität der Oberholzstämme, mit manchen Leistungen des Hochwaldes (ast-
reines, geradschaftiges Holz) nicht konkurrieren, so erzeugt er doch andererseits
wieder manche Ware (z. B. Schiffsbauhölzer) in besonderer Güte. Ertragsreich sind
die als Mittelwälder behandelten Forste zumeist nur in den Niederungen unserer
Flüsse (Auewaldungen), für welche sich diese Betriebsform trefflich eignet. Sie
verdient aber auch insofern Beachtung, als sie eine jährliche Nachhaltwirtschaft auf
kleiner Fläche gestattet und dabei doch durch den Oberholzbetrieb auch Nutzholz
verschiedenster Art, wenn auch in beschränkter Menge, ergibt (z.B. sehr beliebte Wirt-
schaftsform für den oft nicht beträchtlichen Waldbesitz von Gemeinden). Die Ge-
fahren, welche den Mittelwald bedrohen, sind im ganzen ziemlich gering.
Die Wirtschaftsführung erfordert aber viel Fleiß und Umsicht, will man nicht
baldigen Rückgang der Erträge erleben '). Der Kahlhieb im Unterholz bedeutet
— wenn auch wegen des Oberholzschirmdaches weniger wie im Niederwald — immer-
hin eine Gefährdung der Bodenkraft, welcher durch sorgfältige Erhaltung ausschlags-
kräftiger Holzarten tunlichst begegnet werden muß. Ebenso ist die richtige Auswahl,
Menge, Verteilung, Pflege etc. des Oberholzes von größter Wichtigkeit. Die Rekru-
1) Geringwertige Mittelwaldungen finden sicli zahlreich, häufig infolge nicht genügender
Rekrutierung, sowie rücksichtsloser Ausübung der Gras- und Weidennutzung, wodurch 'die etwa
sich einstellenden Naturansamungen vernichtet werden.
4*
52 "^'I- L 0 r e y , Waldbau.
tierung erfolgt durch reichliches Einpflanzen von starken Pflänzlingen, namentlich
Halbheistern und Heistern (Eiche, Esche, Ulme, Nadelhölzer usw.) nach jedem
Abtrieb des Unterholzes. Besondere Schwierigkeiten entstehen im Mittelwald für
die Forsteinrichtung, soweit das Oberholz in Betracht kommt; Ertragsveranschla'
gungen sind ziemlich unsicher^). Die Erträge selbst sind begreiflich außei-ordentlich
verschieden ^).
Zweites Kapitel.
Modifikationen der Grundformen, Zwischen- und Uebergangsformen.
Besondere Fälle.
Wie schon in den Vorbemerkungen zum zweiten Abschnitte hervorgehoben wor-
den ist und auch aus den Erörterungen der späteren Abschnitte, namentlich aus denen
über Bestandeserziehung, näher hervorgeht, darf die Anzahl der sich zwischen den
Grund-Betriebsarten einschaltenden, sie modifizierenden und in schärferer Aus-
prägung sich zu gewissen eigenartigen Formen ausbildenden Betriebe füglich als
eine unbeschränkte betrachtet werden. Deshalb kann an dieser Stelle auch nur
auf einige Fälle noch besonders aufmerksam gemacht werden, die, sei es durch
ihr häufigeres Auftreten, sei es durch die Art ihrer Merkmale vor anderen Beach-
tung verdienen dürften.
Dabei können als Modifikationen solche Formen bezeichnet werden, bei welchen
die Grundform, der sie zugehören, noch klar erkennbar, bezw. nur in mehr nebensächlichen
Punkten verschoben ist; als Uebergangsformen solche, welche sich zwischen zwei
Grundformen einschalton und ebensowohl der einen als der anderen zugezählt werden können.
Als besondere Fälle endlich dürfen gewisse Wirtschaften namhaft gemacht werden,
die sich zwar aus einer bestimmten Grundform herausentwickeln lassen und sich noch mehr
oder minder an sie anlehnen, aber doch durch Einfügung irgend welcher neuer Faktoren
ein entschieden abweichendes und entsprechend selbständiges Gepräge zeigen. Scharfe Tren-
nung nach diesen drei Rubriken ist allerdings nicht möglich, vielmehr werden vielfach Zweifel
darüber entstehen, ob man eine vorgefundene Wirtschaftsform da oder dort einreihen soll. Doch
ist eine solche feinere Rubrizierung auch ziemlich gleiehgiUig.
A. Hochwald.
§27. 1. Femelartiger Hochwald betrieb^):
Diese Wirtschaftsform würde als eine Vereinigung des Femelbetriebs und Fe-
melschlagbetriebs, auch wohl dieser beiden mit dem Schirmschlagbetrieb im näm-
lichen Bestand aufgefaßt werden können. Sie äußert sich — ganz nach dem jeweiligen
Bedürfnis der einzelnen Bestandespartie und frei von allem schablonenmäßigen Ge-
bundensein an ein einzelnes der in den genannten Grundbetrieben verkörperten Prin-
zipien — bald in femelweiser, bald in mehr schlagweiser Behandlung der Gruppen
und Horste und berücksichtigt in gleicher Weise die gesicherte natürliche Ver-
jüngung der Bestände (wo nötig mit künstlicher Beihilfe in beschränktem Um-
fang), wie die Ausformung der Stämme zu möglichst starken, hochwertigen Sor-
1) Vergl. Handbuch unter XIII. Forsteinrichtung.
2) Nachweise in den statistischen ^'eröffenllichungcn verschiedener Länder. — Vergl. z. B.
auch: Vereinshefte des Elsaß-Loth. Forstvereins für 1885; ferner Brecher, Aus dem Auen-
mittelwalde S. 61 ff., sowie Lauprecht, Aus dem Mühlhäuser Mittolwalde, Suppl. zur Allg.
F.- u. J.-Z. VIII. Bd., 1. Heft (S. 54 ff.) von 1871. Hamm, Der Ausschlagwald 1896. D e r-
selbe, „Leitsätze für den Mittelwaldbelrieb" (Fw. Zbl. 1900, S. 392). Lieber die statische Seite
des Mittelwaldbetriebs zu vergleichen Stoetzer, Die finanzielle Seite der Mittelwaldwirt-
schaft (Tharandter Jahrbuch 1890, S. 75); ferner Sc hu borg, Zur Betriebsstatik im Mittelwalde,
1898. — Martin, Forstliche Statik, 2. Bd. 1911, S. 10 f.
3) Vergl. S c h u b e r g s Schlaglichter zur Streitfrage: schlagweiser Hochwald- oder Femel-
betrieb. Forstw. Zentralblatt v. 1886, S. 129 u. S. 194; siehe auf S. 53 die Bemerkung über diese
höchst dankenswerte Arbeit.
Die Bctrieb?arten. § 27. g3
timenten (intensive Auswirkung des Lichtungszuwachses). Ein solcher Betrieb
paßt nur für entschiedene Schattenhölzer, hauptsächlich l'iir die Weißtannc, und
erscheint in seiner Durchführung zumeist als eine Konzession an die Grundsätze des
Femelbetriebs. Das Abweichende von diesem bestellt darin, daß nicht ein ganzer Um-
trieb zur Schaffung eines neuen Bestandes an Stelle eines jetzt vorhandenen gefordert,
sondern die \'erjiingung in kürzerer Zeit, jedenfalls aber doch in langem Zeitraum
(30, 40, ja 60 Jahren) bewerkstelligt wird, und daß sich je nach Umständen größere
oder kleinere gleichförmig behandelte Gruppen (wie im Femelschlagbetrieb) ein-
schieben. Ob dabei mehr durch Aushieb einzelner Stämme oder mehr in Gestalt
gruppen- und horstweiser Bewirtsciuü'tung vorgegangen wird, hängt in erster Linie
von der zufälligen Beschaffenheit des Bestandes (Aushieb alles schadhaften
Holzes, besonders breitkroniger, hervorragend starker Stämme, Förderung von
\'orwuchshorsten usw.) ab. Jedenfalls ist ein ungleichförmiger Bestand das Wirt-
schaftsziel. Die behaupteten Vorzüge eines solchen kommen in diesem Betrieb voll
zur Geltung. In den Alpen werden (nach Engler ^) viele gewöhnlich als Plenter-
waldungen bezeichnete Waldungen femelschlagweise bewirtschaftet, indem meistens
nur 2 oder 3 Altersklassen miteinander gemengt sind und nach kürzerer oder län-
gerer Zeit auf der einzelnen Bestandsfläche alles ältere Holz verschwindet.
Die Abhandlung Schubergs, auf welche S. 52 Anm. 3 verwiesen ist, bringt hinsichtlich
der Tanne, welche bes. im badischen Schwarzwald vielfach im ,,femelartigen Beirieb" bewirt-
schaftet wird, den auf zahlreiclie exalite Erliebungen über die Zuwaclisleistung in diesem Be-
trieb im Gegensatz zum Scliirmschlagbetrieb gestützten Xacliwcis, daß der letztere sowohl in
der Gesamtmasse als aucli namentlich bezüglich der \erteilung der Einzelstämme auf die ver-
schiedenen Nutzholzklassen erheblich hinter dem femelartigen Betrieb zurückbleibt. Bei glei-
chem durchschnittlichem Alter liefert dieser einen weit höheren Prozentsatz an Stämmen der
ersten Klasse, weil er keine entwickelungsunfähigen Individuen lediglich eines gleichmäßigen
Bestandesschlusses wegen beläßt und eben infolge der zeitigen Entfernung aller dieser zweifel-
haften Glieder den übrigen einen erhöhten Lichtgenuß gewährt. Immerhin könnte man fragen,
ob nicht bei der V'ergleichung ab und zu gegen einen Grundsatz der Statik einigermaßen ver-
stoßen ist, nämlich den, daß man jede der gegeneinander abzuwägenden Wirtschaftsformen
im Zustand ihrer höchsten Leistungsfähigkeit betracliten soll. Dann darf aber auch der Schirm-
schlag keine Kranken aufweisen und muß derart durchlichtet sein, daß auch in ihm ein genü-
gender Liclitungszuwachs zur Geltung kommt. (Ob man dann bei der Tanne, insbesondere
durch bedingungslosen Aushieb aller Krebsbäume nicht von selbst zu einer femelartigen Form
kommt, ist eine andere Frage.)
2. Ueber haltbetrieb und zw ei hiebiger Hochwaldbe-
trieb 2) :
a) Wenn von den hiebsreifen Bäumen eines Hochwaldbestandes eine gewisse An-
zahl von der Abtriebsnutzung ausgeschlossen wird und im nachgezogenen Jungwuchse
bis in den nächsten Uratrieb hinein stehenbleibt, so entsteht die Ueber haltform.
Zweck derselben ist die Anzucht besonders starker Stämme, wie sie der gewöhnliche
Umtrieb nicht zu erzeugen vermag. Man will aber nicht für die ganze Wirtschaft
oder für einzelne ganze Bestände, um solche Starkhölzer zu gewinnen, den Umtrieb
erhöhen, sondern die übliche Umtriebszeit für die Hauptmasse der Bestände durch-
weg beibehalten. Der gewünschte Erfolg ist nur zu erreichen, wenn die übergehalte-
nen Stämme (Ueberhälter, Waldrechter, Oberständer) genügend lange Zeit nach dem
Abtrieb des Grundbestandes, möglichst während der ganzen folgenden Umtriebszeit,
fortwachsen. Sie müssen also an sich entsprechend wuchskräftig sein und unter Be-
1) E n g 1 e r , Aus der Theorie und Praxis des Femelschlagbetriebes. Scliweiz. Zeitschr.
f. Forslw. 1905, S. 6i.
2) Vergl. T ä g e r , ,,Zum zweihiebigen Kiefernhochwaldbetrieb" {Festgabe zur Görlitzer
Forstversammlung 1885). — Derselbe, „Zum zweihiebigen Kiefernhochwaldbetrieb" im
Tharandter Jahrb. v. 1887, S. 1 ff. — Meyer, „Zur Frage des Leberhaltsbetriebs resp. des zwei-
hiebigen Hochwaldes" in Zeitschr. f. F.- u. Jw. 1887, S. 13 ff.
K4 ^ I- L 0 r e y , Waldbau.
dingungen belassen werden, die ihre fernere gedeihliche Entwickelung sichern. Man
darf deshalb nur durchaus gesunde, gut geformte und gleichmäßig bekrönte Stämme
zum Ueberhalt bestimmen (nicht etwa die allerstärksten) und muß für Erhaltung der
Bodenkraft sorgen.
Mittelhohe Umtriebe eignen sich am meisten; man hat dann Hoffnung, daß we-
nigstens ein Teil der Oberständer den vollen zweiten Umtrieb aushält.
Der Betrieb findet sich in den verschiedenartigsten Formen, weil er sich aus je-
der beliebigen Grundform herausentwickeln kann. Immer aber sollten die Ueber-
haltbäume möglichst allmählich an den freien Stand gewöhnt werden, wozu unter
Umständen schon lange Zeit (20—40 Jahre) vor ihrer endgültigen Freistellung der
Freihieb eingeleitet werden muß, falls nicht die Wirtschaftsform an sich schon (wie
im Femelbetrieb oder femelartigen Betrieb) allmähliches Gewöhnen an den Freistand
bedingt. Mit dem Uebergang in die Ueberhaltstellung muß jede, wenn auch nur
vorübergehende Minderung der Bodentätigkeit vermieden werden.
Ueber die Leistungen des Ueberhaltbetriebes gibt man sich vielfach Täuschungen
hin. Sie sind in vielen Fällen keineswegs so befriedigende, wie man namentlich in frü-
herer Zeit annahm. Die Erkenntnis dieser Täuschung hat in der neueren Zeit zu ei-
ner wesentlichen Einschränkung des Ueberhaltbetriebes geführt. Auf gutem Boden
zeigen gesunde und mittelstarke Ueberhaltstämme in den ersten .Jahrzehnten nach
der Freistellung allerdings eine lebhafte Zuwachssteigerung, einen erfreulichen Lich-
tungszuwachs, dem bei Eiche, Kiefer, Lärche und anderen Wertshölzern auch eine
mehr oder weniger beträchtliche Wertszunahme zur Seite steht. Je nach der Boden-
güte früher oder später, manchmal schon wenige Jahre nach der Freistellung lassen
Massen- und damit Wertzuwachs aber nach und vermögen dann oft nicht mehr den
Schaden zu paralysieren, den Wurzeln und Krone des Ueberhälters am nachwachsen-
den Jungwuchse anrichten. Hierzu kommt, daß der einzelne Ueberhaltstamm den
doppelten Umtrieb oft nicht aushält, sondern aus Gründen verschiedenster Art (Rin-
denbrand, Sturmbeschädigung, Insekten, Blitz usw.) vor der Hiebsreife des Haupt-
bestandes genützt werden muß, wenn der weiteren Holzentwertung vorgebeugt wer-
den soll. Derartige Vorentnahmen (Auszugshauungen) sind ebenso störend, wie für
den Hauptbestand gefährlich und hinterlassen meist unbequeme Löcher, die nur
schwer sich ausfüllen lassen. Aus allen diesen Gründen empfiehlt sich der Ueberhalt-
betrieb nur auf den besten Böden, die einen nachhaltigen Lichtungszuwachs in Aus-
sicht stellen, und nur für solche Holzarten, deren Massenzuwachs eine erhebliche
Wertsteigerung in sich schließt, das sind vor allem Eiche, weiterhin Kiefer, Lärche,
Ahorn, Esche. Je lichtbedürftiger die übergehaltene Holzart und je schattenertragen-
der der Hauptbestand ist, um so mehr treten die Verdämmungsschäden zurück. Ganz
besonders rechtfertigt sich das Ueberhalten der Eiche im Buchengrundbestande. Ob
gruppenweiser Ueberhalt dem Einzelüberhalt vorzuziehen ist, bedarf der Entschei-
dung von Fall zu Fall ; jedenfalls erfordert die Ueberhaltgruppe Unterbau, wenn nicht
natürlicher Unterwuchs sich einstellt. Die Ansichten über die zweckmäßige Anzahl
der auf der Flächeneinheit zu belassenden Ueberhälter sind verschieden und müssen
es sein, da Bodengüte und Schattenerträgnis des Hauptbestandes bei der Bemessung
der Zahl der Ueberhaltstäname entscheidend sind.
Der mehr oder weniger günstige Wirtschaftserfolg des Ueberhaltbetriebes hängt weiterhin
auch von der Betriebsart ab, mit welcher der Ueberhalt verbunden wird. Am mißlichsten sind
in dieser Hinsicht die Bedingungen im Kahlschlagbelrieb, z. B. beim Ueberhalt einzelner Kiefern
beim .\btrieb des Bestandes. Die wünschenswerte allmähliche Freistellung der Ueberhälter
unterbleibt hier oft, der Ueberhaltstamm wird vielfach aus dem vollen Bestandsschluß frei-
gestellt und leidet dann unter den Folgen der ungewohnten' Wuchsverhältnisse, während an-
Die Betriebsarten. § 28. 55
dererseits seine zunächst kleine Krone nicht in der Lage ist, den verstärkten Lichtgenul3 in
gehörigem Maße aii'izunützen.
Im Schirmschlagbetrieb (z. ß. Ueberhalt wuchskräftiger Eichen, Eschen, auch einzelner
Buchen etc. im gemischton Laubholzhochwald) liegen die Verhältnisse insofern günstiger, als
während des VerjQngungszeitraunios allmähüche Kreistollung bewirkt und der Boden nicht ent-
blößt wird. — .\uch mit dem Feinelschlagbetrieb würde sich ein eigentlicher Ueberhaltbetrieb
(stammweise oder vielleicht grundsätzlich mehr gruppenweise) sehr gut verbinden lassen.
b)Der zw ei hiebige oder zweialtrige Hochwald darf als be-
sonderer Fall des Ueberhaltbetriebs bezeichnet werden. Er entsteht, wenn bei nicht
zu hohem Umtrieb verliältnismäßig viele Stämme zum Zwecke der Starkholzerziehung
als Ueberhälter belassen werden. Die Oberständer erscheinen dann nicht als eine
Zugabe zum Grundbestand, sondern sind der eigentlich entscheidende Bestandesteil,
während der nachzuziehende Bestand zwar auch zu nutzholzliefernden Stämmen
heranwachsen, nebenbei aber für Schutz und Erhaltung der Bodenkraft sorgen soll.
Der zweihiebige Hochwald ist somit nichts anderes als ein Lichtwuchsbetrieb. Er
arbeitet am besten, wenn ihm nur mittelhohc Umtriebszeiten (70, 80 höchstens 100
Jahre) zu Grunde gelegt, die Ueberhaltstämme in diesem Alter also freigestellt
werden. Anderenfalls werden trotz aller Sorgfalt viele Ueberhälter vor der Zeit
abständig 1). Gegenüber einer allgemeinen Erhöhung der Umtriebszeit hat man den
Vorteil, daß nur die wirklich guten Stämme dem hohen Alter zugeführt werden. Von
geringeren Böden ist der Betrieb fernzuhalten^).
Das frühzeitige \'orbereiten auf die Ueberhallstellung, d. h. das Freistellen der dazu be-
stimmten Bäume ist stets nur so allmählich auszuführen, daß eine schädliche Verlichtung des
Bestandes dabei nicht eintritt.
Als besondeie hierher gehörige Formen sind zu nennen:
der zweialtrige Hochwald Burckhardts,
der modifizierte Buchenhochwaldbetrieb von v. Seebach,
die Homburgsche Nutzholzwirtschaft.
Sie sind im vierten Abschnitt besprochen.
Wie sich unter bestimmten Umständen auch einmal ein ,, Dreifacher Hochwaldbetrieb"
(innerhalb einer Umtriebszeit Nutzung gewissermaßen von drei verschiedenen Beständen auf
der nämlichen Fläche: 20.jähriger Kiefernschutzbestand, 110jährige Buchen, 140jährige Eichen)
entwickeln kann, hat Wilb rand in der AUg. F.- u. J.-Z. (1879, S. 41 ff.) gezeigt. Doch gehört
die betr. Wirtschaft melir nur dem Namen nach hierher; sie ist ein Unterbaubetrieb mit beson-
derer Modifikation.
3. U n t e r b a u - und L i c h t w u c h s b e t r i e b.
Beide sind nicht eigentlich besondere Betriebsarten, sondern mehr nur bestimmte
Formen der Bestandeserziehung und werden als solche im 4. Abschnitt näher
besprochen. Sie schließen sich nach Zweck und Form eng an die oben genannten
zweialtrigen Betriebe an und können sowohl aus dem Kahlschlagbetrieb wie auch
aus den Vorverjüngungsbetrieben heraus entwickelt werden. Von den zweialtrigen
Betrieben im engeren Sinne unterscheiden sie sich dadurch , daß zwar das Wirt-
schaftsziel wie dort auf die Nutzbarmachung des Lichtungszuwachses an freigestell-
ten Stämmen gerichtet, neben diesen Stämmen aber ein natürlich entstandener oder
durch Unterbau usw. geschaffener Bestandsteil vorhanden ist, dem ohne Rücksicht
auf eigene Werterzeugung in erster Linie der Schutz des Bodens zufällt.
B.Niederwald und Mittelwald.
§ 28. Zwischen beiden Betriebsarten, sowie zwischen diesen und dem Hochwald
schieben sich mehrere Uebergangsformen ein, welche sich in verschiedenartiger Weise
gegenseitig annäliern können.
1) Auszugshiebe, vergl. vierter Abschnitt, § 72.
2) T ä g e r a. a. O. will auch noch auf Kiefernboden 3., ja 4. Güte mit seinem Betrieb gute
Starkhölzer erziehen; auf Boden 2. Bonität soll mit Fichte unterbaut werden. Entsprechende
Rentabilität wird von T. nachgewiesen.
56 VI. L o r e y , Waldbau.
So kann man im N i e d e r w a 1 d einzelne Oberständer überhalten und gewinnt
dadurch, namentlich wenn man einen Teil derselben noch länger als durch den nächst-
folgenden Umtrieb stehen läßt, eine mittelwaldartige Form. Eine solche kann für
etwaige Betriebsumwandlungen (z. B. Eichenschälwald in Eichenhochwald, bei rück-
gängigen Rindenpreisen) von hoher Bedeutung werden.
Oder man läßt im Niederwald an den Wegrändern Hochstämme stehen, bezw.
pflanzt daselbst hochstämmig zu erziehende Holzarten (Lärche etc.) an, um wenig-
stens ein mäßiges Quantum stärkerer Nutzholzsortimente zu erhalten. Durch den
Oberstand wird ja im allgemeinen der Ertrag an Ausschlagholz geringer, dafür aber
erhält man stärkere, im Nutzwert höher stehende Stangen. In einzelnen Fällen kann
auch Beschattung des Bodens oder Schutz der Ausschläge vor Frost Veranlassung
zum U eberhalt sein.
Der M i 1 1 e 1 w a 1 d kann ein liochwaldartiges Aussehen gewinnen oder anderer-
seits mehr nach Art des Niederwaldes beschaffen sein, je nachdem man dem Oberholz
eine mehr oder minder umfängliche Beteiligung gestattet. Die besonderen Umstände
des Wirtschaftsbetriebes können Uebergänge nach der einen oder anderen Seite hin
rätlich erscheinen lassen. Die neuere Zeit neigt dazu, die niederwaldartige, durch
Vorherrschen des Ausschlagholzes gekennzeichnete Form, sowie den sog. regulären
Mittelwald, in welchem Ober- und Unterholz in annähernd gleichmäßiger Verteilung
vertreten sind, zu verlassen und die durch größeren Oberholzreichtum rentabler wer-
dende hochwaldartige Form zu begünstigen. Dem Oberholz verschafft man hierbei
durch Auspflanzen größerer Löcher eine mehr horstweise Verteilung. In dem Maße •
die Horste erweitert werden, nähert sich der Mittelwald alsdann der Plenterschlag-
form und geht in Hochwald über.
C. Haupt- und Neben nutzungsbetriebe.
§ 29. Als besondere Formen des Hoch- bezw. Niederwaldbetriebes seien liier
noch die im Abschnitt Forstbenutzung näher geschilderten Verbindungen forst-
und landwirtschaftlicher Produktion erwähnt , die als W a 1 d f e 1 d b a u bezw.
Hackwald- oder Haubergswir tschaft in früheren Zeiten eine grö-
ßere Rolle gespielt haben als in der Gegenwart.
1. Waldfeldbau'): stellt eine Verbindung von Hochwaldbetrieb und land-
wirtschaftlicher Produktion dar. Erfolgt der Anbau landwirtschaftlicher Erzeugnisse
(Roggen, Buchweizen, Kartoffel) nach der Rodung der ursprünglich mit Holz bestock-
ten Fläche als Vorbau, wechseln mithin land- und forstwirtschaftliche Ernten mit-
einander ab, so haben wir es mit Röderlandbetrieb zu tun. Erfolgt hinge-
gen der Anbau land- und forstwirtschaftlicher Nutzpflanzen gleichzeitig auf dersel-
ben Fläche, dergestalt, daß zwischen den mehr oder weniger weit voneinander ent-
fernten Holzpflanzenreihen eine Anzahl von .Jahren landwirtschaftlicher Zwischenbau
getrieben wird, so handelt es sich um W a 1 d f e 1 d b a u im engeren Sinne. Beide
zunächst auf Erzeugung landwirtschaftlicher Werte, vom waldbaulichen Standpunkte
weiterhin auf Förderung der Holzkultur durch Bodenbearbeitung und auf Erhöhung
der Waldrente gerichteten Betriebe haben ihre Bedeutung verloren. Von Ausnahmen
abgesehen kommt hierbei höchstens der Forstwirt, nicht aber der Landwirt auf seine
Rechnung. Der Waldboden ist zumeist kein Feldboden oder erfordert, um ihn zu
solchem umzugestalten, so große Aufwendungen für Bodenbeaibeitung, daß seine
1) Vgl. Bericht über die X^■. Versammlung deutscher Forstmänner zu Darmstadl 1886,
S. 81 — 145; S p e i d e 1 , Der Waldfeldbau im württemb. Oberschwaben, .\llg. V.- u. J.-Z. 1888,
S. 276; Köhler, Ueber den Waldleldbau in Oberschwaben, das. 1898, S. 117, spricht sich
gegen denselben aus.
Die bcirii'bsarloii. § 30. 57
nur kurzfristige Benutzung: zur Anziuhl von Feldgewächscn sich nicht lohnt. Auch
vom forsthchen Stnndj)unlvte erscheint der landwirtschaftliciie Vor- oder Zwischen-
bau nicht immer einwandsfrei, weil er, meist ohne Düngung verlaufend, zur Verar-
mung des Bodens führt, wenn er eine Reihe .Jahre hintereinander auf einer Fläche
betrieben wird.
2. H a c k w a 1 d - oder H a u b e r g s w i r t s c h a f t *) : \' erbindung von
Niederwald mit landwirtschaftlichem Fruchtbau. Nach dem Stockschlag werden
die schwächeren Reisigteile und der Bodenühorzug verbrannt, teils durch ein über
den Schlag hinweglaufendcs Feuer, durch ,,Ueberlandbrennen" oder ,, Sengen", teils
nach Zusammenbringen des Reisigs und des abgeschälten Bodenüberzuges in Haufen,
durch sog. ,, Schmoren". Nach dem Brennen (,, Hainen") und folgender Bearbeitung
des Bodens wird zwischen den Ausschlagstöcken 1 — 2 Jahre Getreide angebaut. Der
seit Jahrhunderten in Hessen und Baden (Odenwald, Schwarzwald, Siegen) mit dem
Eichenschälwald verbundene Betrieb hat für die in Frage kommenden Gegenden mit
einer nur kleinen und noch dazu ziemlich unfruchtbaren Feldfläche und mit inten-
sivem Lebensmittelbedarf eine ziemlich hohe volkswirtschaftliche Bedeutung. Der
Umtrieb ist 16 — 20 jährig. Kürzere Umtriebe gefährden infolge der öfteren Wieder-
keiu" des Getreidebaues die Bodenkraft.
Drittes Kapitel.
Betriebsumwandlungren.
I. Allgemeines.
§ 30. ^'eranlassung zur Betriebsumwandlung, d. h. zu dem planmäßigen Ueber-
gang von einer Betriebsart zur anderen, ist nicht selten gegeben. Die Gründe hierzu
können sehr verschiedene sein. Sie liegen zum Teil in veränderten Interessen des
Waldbesitzers (Anlage eines Wildparks usw.) oder in der Ueberzeugung von der höhe-
ren Leistungsfähigkeit einer Betriebsart gegenüber der bisher eingeführten in bezug
auf Bodenpflege, Massen- und Wertserzeugung usf., vielfach auch in veränderten
Marktverhältnissen, d. h. in der durch einen Umschwung auf dem Gebiete der Holz-
verwertung herbeigeführten veränderten relativen Wertschätzung der verschiedenen
Forstprodukte. Hin und wieder zwingt auch die Unmöglichkeit, den zeitherigen Be-
trieb infolge Rückgangs der Bodenkraft oder infolge Auftretens schädlicher Einflüsse
(Rauch) ferner beizubehalten, zur Betriebsumwandlung. Mithin sind es teils persönliche,
teils sachliche Gründe, welche entscheidend werden. Letztere haben oft nur örtliche,
manchmal aber mehr allgemeine Bedeutung, wie beispielsweise der Einfluß geringe-
rer Absatzfähigkeit des Brennholzes, ebenso der Lohrinde infolge auswärtiger Kon-
kurrenz usf. Ihren Zielpunkt finden fast alle bezüglichen Maßregeln in Herbeiführung
einer höheren Rentabilität der Wirtschaft. Es ist aber, wie schon oben S. 43 her-
vorgehoben wurde, durchaus falsch, wenn man lediglich die ökonomischen \'orteile
bei der Entscheidung der Frage, ob eine Betriebsumwandlung zweckmäßig oder not-
wendig ist, sprechen läßt. Die Umwandlung einer weniger rentablen Betriebsart in
eine ökonomisch wertvollere ist immer nur dann gerechtfertigt, wenn die Ertrags-
steigerung nachhaltig ist, also nicht auf Kosten der Bodenkraft geschieht.
Am einschneidendsten wirken diejenigen Umwandlungen, bei denen eine Aen-
derung der Holzart und der Betriebsart zugleich in Frage kommen, während sich
1) Vgl. Bernhardt, Die Haubergswirtschaft im Kreise Siegen 1867. S t r o li e c k c r ,
Die Hackwaldwirtscliaft. 2. Aufl. 1867. \' 0 g e 1 m a n n , Die Reulberge des Schwarzwaldes.
•2. .-Vun. 1871.
58 ^ I- Lorey, Waldbau.
jene Vorgänge verhältnismäßig einfacher abspielen, die entweder nur einen Holzarten-
wechsel oder nur eine Betriebsänderung darstellen. Je beträchtlicher zwei inein-
ander überzuführende Betriebsarten in ihrem Gesamtcharakter von einander abwei-
chen, um so schärfer treten die den Uebergang vermittelnden Operationen zu Tage.
In vielen Fällen kann nur ein allmähliches Aufgeben des bestehenden Betriebes Platz
greifen. Wenigstens wird immer dann, wenn größere Wirtschaftsobjekte in Be-
tracht kommen, jedes durch starke Sprünge sich äußernde Vorgehen ausgeschlos-
sen werden müssen. Die Gründe hierfür liegen in den Rücksichten auf den Holz-
markt, auf das verfügbare Kulturmaterial, die erforderhchen Arbeitskräfte, auf nach-
haltige Gestaltung der Holzabnutzung usw. Besonders dann, wenn die neu einzu-
führende und die bisherige Betriebsart in der Höhe der Umtriebszeit wesentlich von
einander abweichen und mithin die vom Nachhaltsbetrieb geforderten normalen
Holzvorräte ebenso große Unterschiede aufweisen, kann der Uebergang meist nur
langsam und unter sorgsamster Abwägung aller begleitenden Umstände bewerk-
stelligt werden. Derartige Umwandlungen können nur unter Zugrundelegung
eines die Entwickelung der Waldverhältnisse voraussehenden, langfristigen Um-
wandlungs- oder Betriebsplanes vorgenommen werden. Ohne Entwerfung eines
solchen Planes lassen sich Umwandlungen in größeren Waldungen nicht mit der wün-
schenswerten Klarheit und Sicherheit durchführen. Waldbau und Forsteinrichtung
haben hier gemeinsam zu operieren. Bei einzelnen Beständen, kleinen Parzellen un-
teriiegt jedoch selbst ein plötzlicher Uebergang oft nicht dem mindesten Bedenken.
n. Umwandlungen innerhalb des Hochwaldbetriebes.
§ 31. A. Der Kahlschlagbetrieb soll verlassen werden:
1 . Uebergang vom Kahlschlagzum Schirmschlagbetrieb.
Dieser Uebergang läßt sich, wenn die Holzart beizubehalten ist, in meist sehr
einfacher Weise bewerkstelligen, indem man im haubaren oder nahe haubaren Be-
stand die natürliche Verjüngung (je nach Bedarf unter entsprechender künstlicher
Beihilfe) mit ihren verschiedenen Hiebsführungen an Stelle des Kahlhiebs treten läßt.
Im einzelnen können sich freilich mannigfaltige Modifikationen des Schemas ergeben.
Zusammenfassen mehrerer Jahresschläge zum Periodenschlag wird erforderlich. Aen-
derungen der Umtriebszeit und im Gefolge davon des Normalvorrats bringt diese
Ueberführung nicht grundsätzlich mit sich. Soll die Holzart wechseln, so muß
künstliche Kultur (bisweilen durch Unterbau, z. B. Tanne unter Kiefer) eintreten.
2. Vom Kahlschlag zum Femelsch lagbetrieb, femel-
artigen Betrieb und Femelbetrieb.
Die Umwandlung vollzieht sich im allgemeinen ähnlich wie die vorbesprochene.
An Stelle gleichmäßiger Behandlung des ganzen Bestandes tritt der Horst oder die
Gruppe, wodurch zunächst der Femelschlagbetrieb erreicht wird. Der Weg von die-
sem zum femelartigen Betrieb und schließlich zum eigentlichen Femelbetrieb ist leicht
zu finden ; doch wird man sich zumeist mit Beibehaltung einer der Uebergangsformen
begnügen und nicht gerade dem reinen Femelwald zusteuern.
B. Ueberführung des Femelbetriebes in einen schlagweisen Betrieb.
Der betreffende Wirtschaftsplan muß zunächst die Bildung der Orts- und Be-
standesabteilungen, sowie die Hiebszüge vorsehen, wobei die jeweilige Beschaffen-
heit der Femelbestände, die verschiedenartige Beteiligung und räumliche Gruppierung
der Altersklassen zumal für die Uebergangszeit besonders zu beachten sind, damit der
neue Zustand nicht mit zu großen Opfern erreicht wird. Die zuwachsärmsten Teile,
sowie solche mit dem höchsten Durchschnittsalter kommen, soweit es die Schlagfolge
zuläßt, in erster Linie zur Behandlung. Inzwischen muß der Gang der Durchhiebe in
Die Botriehsarleii. § 32. 59
den übrigen Teilen eine Minderung der Altersunterschiede anstreben.
C. Uebergang vom Schirmschlag zum Femelschlag oder Saumschlag und umge-
kehrt.
1 . Die Ueberführung des Schirmschlags zum Femel- oder Sau ra-
se ii 1 a g wird erreicht, indem man die Verjüngung nicht gleichmäßig über die ganze
Bestandesfläche hin, sondern hörst- und gruppenweise, bezw. streifenweise vom Rande
herein einleitet und durchführt.
2. Vom Femelschlag zum Sciiirmschlag gelangt man durch all-
mähliches Verschwindenlassen der durch Altersunterschiede gekennzeichneten Grup-
pen und Horste.
D. Uebergang zum Kahlschlag.
Die vorhandenen Bestände, gleichgültig welcher Betriebsart sie angehören, wer-
den schlagweise kahl abgetrieben, nachdem die Abgrenzung der Schlagflächen im
Sinne der späteren Hiebsfolge geschehen ist.
Es leuchtet ein, daß fast alle diese Umwandlungen sich nicht ohne mancherlei
Opfer in der Uebergangszeit vollziehen lassen. Vielfach werden Bäume und Bestände
schon vor oder erst nach ihrer Hiebsreife genutzt. Es ist die Aufgabe der die Aufstel-
lung des Umwandlungsplanes besorgenden Forsteinrichtung, durch Schaffung hin-
reichender Anhiebe und Wahl einer geeigneten Hiebs- und Verjüngungsfolge solche
Verluste auf das geringste Maß zu beschränken.
HI. Der Hochwaldbetrieb wird aufgegeben.
§ 32. A. Uebergang zum Niederwald:
Bei dieser in der forstlichen Praxis nur selten vorkommenden Umwandlung ist,
wenn infolge Mangels ausschlagfähiger Holzarten gleichzeitig ein Wechsel in der Holz-
art eintreten muß, künstliche Bestandesbegründung nach vorausgegangener Abräu-
mung des vorhandenen Bestandes unvermeidlich. Die Umwandlung erfolgt unter
Zugrundelegung einer dem Niederwaldumtrieb entsprechenden Schlageinteilung. Soll
insbesondere ein jährlicher Nachhaltbetrieb mit u-jährigem Umtriebe entstehen, so
braucht man u Schläge, welche dann nach und nach in u Jahren umgewandelt werden.
Ist die gewünschte Holzart schon vorhanden (Eiche, Erle), so kann unter gün-
stigen Verhältnissen die künstliche Kultur ganz entfallen. Die jüngeren noch gut
ausschlagsfähigen Bestände werden auf dem Stock gesetzt. Bei älteren Beständen
wird damit nicht Genügendes erreicht; künstliches Einbringen von Kernpflanzen zur
Ausfüllung von Fehlstellen wird dann nicht zu umgehen seini).
B. Uebergang zum Mittelwald:
Erfolgt, soweit das Unterholz in Betracht kommt, im ganzen nach gleichen Grund-
sätzen wie bei A. Wie rasch sich die einzelnen Oberholzklassen in der erforderlichen
Art (nach Holzart, Menge, Verteilung usw.) herstellen lassen, ist von der Holzarten-
beteiligung und der Betriebsform (gleichalterig oder ungleichalterig) im Hochwald
abhängig. Soweit jüngere, gesunde und entwicklungskräftige Bäume, die zum Ober-
holz taugen, nicht vorhanden sind, lassen sich die Oberholzklassen erst nach und
nach bei den späteren Unterholzabtrieben heranbilden. Nachhilfen durch Einbringen
von Kernpflanzen zur Anzucht von Laßreisern und durch Auspflanzen von Fehl-
stellen mit Stummelpflanzen zur Anzucht von Unterholz werden meist notwendig
sein.
IV. Niederwald oder Mittel wald ist in Hochwald über-
zuführen.
1) Vergl. die in § 68 zitierten Aufsätze von O s t e r li e 1 d über den Edelkastaniennieder-
wald.
60 VI. Lorey, Waldbau.
§ 33. A) N i e cl e r w a 1 d i) :
Die Verschiedenheit der Umti-iebszeit bedingt es, daß, wenn der Niederwald in
einen Hochwald-Nachhaltbetrieb übergeführt werden soll, bedeutende Holzvorrats-
massen angesammelt werden müssen, damit ein der gewählten Umtriebszeit ent-
sprechender Vorrat vorhanden ist. Wird die Holzart beibehalten, so genügt das
Aufhören mit den Niedenvaldhauungen und das Fortwachsenlassen der Stockaus-
schläge, welche entsprechend zu durchforsten sind. Allerdings ist hiermit eine Ver-
zichtleistung des Waldbcsitzers auf Erträge verbunden, die gemildert werden kann,
wenn als Uebergangsstadium eine mittelwaldartige Form gewählt wird. Beim Hieb
wird dann immer eine größere Anzahl von Laßreiteln übergehalten und so allmäh-
lich der Hochwald-Vollbestand angebahnt.
Soll ein teilweiser oder vollständiger Holzartenwechsel eintreten, so ist künst-
licher Anbau erforderlich. Nach dem Abtrieb des Stockausschlages ist die neue Holz-
art in kräftigen Exemplaren, zweckmäßigerweise in Gruppen und Horsten, einzu-
bringen und durch geeignete Bestandspflege vor dem Ueberwachsen durch die Stock-
ausschläge zu schützen. Im einzelnen Falle, namentlich dann, wenn heruntergekom-
mene Niederwälder in Nadelholz umgewandelt werden sollen, ist die Rodung der
Laubholzstöcke eine zwar kostspielige, aber empfehlenswerte Maßnahme, um dem
sonst unvermeidlichen Ausschneiden und Köpfen der sich vordrängenden Stock-
ausschläge zu entgehen. Man kommt dann allerdings zur Kahlflächenkultur und zu
reinen Beständen. Ist die Herstellung von Mischungen erwünschter oder die volle
Beseitigung der Stöcke aus Gründen des Bodenschutzes (z. B. an Hängen) nicht zu
empfehlen, so bleibt es Aufgabe einer sorgsamen Bestandspflege, den besseren Teil
der Stockausschläge hoch zu bringen und Verdammen der eingebrachten Nadelholz-
pflanzen zu vermeiden. Die Modifikationen der Ueberführung von Niederwald in
Hochwald sind überaus zahlreich.
Die geringe Rentabilität des Eichenschälwaldes ist Veranlassung dazu,
daß diese Betriebsform neuerdings vielfach in Hochwald und zwar auf allen geringeren
Böden in Nadelholzhochwald übergeführt wird^).
B) Mittel wald3).
Soll ein solcher in einen Hochwald-Schlagbetrieb übergeführt werden, so ist es,
je nach der Art und Beschaffenheit des Oberholzes, oft weniger die Menge, als die
Verteilung der verfügbaren Holzmasse, welche geändert werden rnuß. Jede normale
Betriebsklasse des schlagweisen Hochwaldbetriebes zeigt weit erheblichere Alters-
unterschiede ihrer Bestände, als sie im Mittelwald von Schlag zu Schlag vorhanden
sind, wo sich alle analogen Glieder (Unterwuchs, einzelne Oberholzklassen) zweier in
der Schlagfolge benachbarter Bestände je nur um 1 Jahr im Alter verschieben, so
1) E m ni e 1 li a i n z , Umwandlung der nassauisclien Niederwaldungen. Ztschr. f. F.- u.
Jw. 1902, 523, ebenda 1903, S. 619. — Kruhöffer, Die Ueberführung von Niederwald in
Hochwald, Silva 1909, S. 681. — P e t i t h , Die Ueberführung bezw. Umwandlung der Eichen-
schälwaldungen in Hochwald. Allg. F.- u. J.-Z. 1907, S. 272. — v. Fischbach, Ueberführung
des Eichenschälwaldes zu rentableren Betrieben, Forslw. Zentralbl. 1898, S. 333.
2) Hey er, „Eichenschälwald-Umwandlungen im Odenwald" (Forstw. Zentralbl. 1902,
S. 415).
3) Zu vergl. u. a. Böhme, ,, Ueberführung des Mittelwaldes in Hochwald" (Forstw.
Zentralbl. von 1885, S. 332 ff.), woselbst für verschiedene Jlittehvaldkategorien Sjiezialregeln
angegeben werden. — Im sächs. Forstverein stand 1882 die Umwandlung rückgängiger Miltel-
waldungen in Hochwald zur Debatte, ebenso auf der Deutschen Forstvcrsammlung in Metz 1893,
auf der Badischen Forstversammlung 1899, desgleichen auf der Thüringischen Forstversammlung
1909, desgl. auf der Versammig. d. deutschen Forstvereins 1902 und 1907. — Weitere Literatur:
Jäger, Vom Mittelwald zum Hochwald, 1889. — Brauns, Ueberführung des Mittelwal-
des in Hochwald in der Oberf. Bischofsrode. Ztschr. f. F.- u. Jw. 1903, S. 530.
Die Betriebsarten. § 34. 61
daß das Maximum des Unterschieds zweier Bestände gleich dem Ureloriiolzumtrieh
ist. Man wird der normalen Altersstufenordnung des Hochwaldes nur insoweit all-
mählich sich nähern, als es bei möglichst vorteilhafter Benutzung der verfügbaren
Bestände erlaubt ist, damit die kritische Zeit der Ueberleitung keine Verluste bringt,
welche den durch die ganze Manipulation erhofften wirtschaftlichen Gewinn in Frage
stellen. Vermehrung des Oberholzes, Zurückdrängen des Ausschlagholzes ist allge-
mein erforderlich. Um die für den Hochwaldbetrieb erwünschte Altersstufenfolge
in die Wege zu leiten, empfiehlt es sich, auf den verschiedenen Mittelwaldflächen
teils die älteren, teils die mittleren und jüngeren Oberhölzer zu begünstigen. Die
Art und Weise und die Menge, in welcher die verschiedenen Oberholzklassen auf
dem einzelnen Schlage vertreten sind, werden hierfür den Wegweiser darstellen. Je
oberholzreiclier ein iMittelwald ist, um so leichter macht sich seine Ueberführung.
Da die stärksten Oberholzklassen immer in der Minderzahl vertreten sein werden,
wird bei der Ueberführung den jüngeren Oberhölzern die ausschlaggebende Bedeu-
tung um so mehr zufallen, als ihre Ergänzung durch Ueberhalten zahlreicher Laß-
reitel möglich ist. Oberholzamie Mittelwaldungen bedürfen naturgemäß umfassen-
der künstlicher Hilfe und werden am besten durch Ansaat oder richtiger durch Aus-
pflanzen von Löchern und allmähliche Räumung der vereinzelten Oberständer
in einen mehr hörst- und gruppenweis zusammengesetzten, also plenterwaldartigen
Hochwald übergeführt.
Der letztgenannte Weg kann besonders dann beschritten werden, wenn mit der
Umwandlung in Hochwald zugleich ein vollständiger Holzartenwechsel beabsichtigt
ist. In vielen Fällen wird dann der Kahlhieb am schnellsten zum Ziele führen, aller-
dings auch ohne Verzicht auf nachhaltige Erträge nicht ganz auskommen. Unter
Umständen läßt sich die neu einzuführende Holzart — namentlich dann, wenn es
sich um ein Schattenholz handelt — auch mittels Unterbau nach vorlieriger entspre-
chender Schlagstellung einbringen.
Dritter Abschnitt.
Die Bestandesbegründiiiig.
Der Abschnitt bespricht die Art, wie unter den verschiedensten Verhältnissen Bestände
begründet werden. Demnächst hat die „Bestandeserziehung" (vierter Abschnitt) aus den Jung-
wüchsen haubare Bestände heranzubilden^).
Erstes Kapitel.
Allgemeine Gesichtspunkte.
I. Arten der Begründung und ihre wirtschaftliche Bedeutung.
A. Arten.
§34. Man unterscheidet natürliche und künstliche Bestandsbegründung. Bei jener
if t das Kulturmaterial auf der Fläche bereits vorhanden oder wird von der Natur auf
sie gebracht, während bei dieser menschliche Tätigkeit Samen bezw. Pflanzen herbei-
schafft und die sonst erforderliche Arbeit leistet. Die natürliche Bestandsbegrün-
dung vollzieht sich entweder durch Samen ^) (durch Abfall desselben von Bäumen,
1) Bezüglich der Grenze zwischen Begründung und Erziehung der Bestände ist die Vor-
bemerkung zum vierten .\bschnitt zu vergleichen.
2) Die aus den abgefallenen Samen entstandenen Jungpflanzen scheidet man nicht selten
in .\ufschlag und .\nflug: .\ufschlag sind im allgemeinen die aus schwereren, direkt herunter-
fallenden, flügellosen Samen gekeimten Pflanzen (Eiche, Buche etc.), während man die aus ange-
62 VI. L o r e y , Waldbau.
die auf oder neben der Fläche stehen) oder durch Ausschlag ^) (Bildung von Wurzel-,
Stock- oder Schaftlohden). Die künstliche Begründung erfolgt entweder durch
Saat oder durch Pflanzung. Bei der Saat bleibt die aus dem Samen entstehende
Pflanze auf ihrer Stelle, während bei der Pflanzkultur andei-wärts erzogene Pflanzen
Verwendung finden.
B. Wahl der Art der Bestandesbegründung.
Zunächst ist zu entscheiden, ob natürliche oder künstliche Verjüngung eintreten
soll. Danach ist innerhalb dieser beiden Hauptgruppen von Verjüngungsmethoden
die Auswahl im einzelnen zu treffen.
Die Entscheidung ist bedingt durch Standort und Holzart (ctr. erster Abschnitt), dann
insbesondere durch den Wirtschaftszweck, durch das Verhältnis von Autwand und Erfolg, für
dessen Beurteilung sehr oft in erster Linie die Gewinnung der erforderlichen Arbeitsl<räfte ins
Gewicht fällt, sowie durch den Umstand, ob auf der Fläche schon Wald vorhanden war oder
nicht. In letzterem Falle kann, wenn man von der seltenen Möglichkeit einer Randbesamung
(von seitlich stehenden Bäumen her) absieht, nur künstliche Bestandesgründung in Betracht
kommen. Das gleiche gilt, wenn die Fläche zwar bereits mit Wald bestockt war, aber ein Holz-
artenwechsel beabsichtigt wird. So oft jedoch die nämliche Holzart auf einer Fläche nachge-
zogen werden soll, treten allgemein die natürliche und künstliche Bestandesbegründung in
Konkurrenz. Beide werden unter Umständen vereint angewendet, indem durch künstliches
Einbringen von Samen oder Pflanzen die auf natürlichem Wege bereits entstandenen oder noch
zu erwartenden Jungwüchse vervollständigt werden.
Natürliche odtr künstliche Bestandesbegründung?
§ 35. Wenn nicht bestimmte Ursachen die künstliche Begründung des neuen
Bestandes fordern, kann und soll man die natürliche Verjüngung wählen. So lange
man auf dem Wege, welchen die frei wirkende Natur einschlägt, das durch die Wirt-
schaft gesteckte Ziel genügend rasch und sicher erreichen kann, ist zunächst nicht ab-
zusehen, weshalb man jenen Weg verlassen soll. Vor allem ist die Verschiedenartig-
keit der Standortsverhältnisse bei der Wahl des Verjüngungsverfahrens sorgfältig zu
beachten. Aber selbst wenn man erwägt, daß man, wie von vielen Seiten scharf be-
tont wird, bei der natürhchen Verjüngung im allgemeinen am leichtesten für ununter-
brochene rationelle Bodenpflege sorgen kann, daß sie auch die Begründung gesunder
gemischter Bestände erleichtere, sowie die Starkbolzzucht ohne Erhöhung der Um-
triebszeit ermögliche, ergibt sich doch in vielen Fällen eine Entscheidung zugunsten
der künstlichen Bestandesbegründung und zwar hauptsächlich nach Maßgabe fol-
gender Erwägungen: a) die natürliche Verjüngung durch Ausschlag ist ausgeschlos-
sen bei den Nadelhölzern. — b) Soll die natürliche Verjüngung bei irgend welcher
Holzart durch Samen erfolgen, so muß eine je nach den Umständen größere oder
geringere, jedenfalls genügende Anzahl von tauglichen Samenbäumen zu Gebote
stehen, welche den Samen liefern. Man ist also an das Vorhandensein und das Samen-
tragen dieser (der Mutterbäume) gebunden, und es leuchtet ein, daß durch Ausbleiben
oder Fehlschlagen einer Mast Störungen im Verjüngungsbetrieb und Verzögerungen
in der Schaffung junger Bestände veranlaßt werden können, welche unter Umstän-
den den Gang der ganzen Wirtschaft beeinflussen, indem Abweichungen von der
normalen Umtrieb. zeit, Ersatz eines an Haubarkeitsnutzungen zu liefernden Hiebs-
quantums durch Vorgriffe, stärkere Durchforstungen usw. notwendig werden. Sind
auch solche Störungen im einzelnen meist nicht von Belang, so können sie sich doch
flogenen (leichten, geflügelten) Samen erwachsenden als Anflug bezeichnet. Die Trennung ist
keine scharfe. Der Name ,, Anflug" wird vor allem für Nadelhölzer oft gebraucht.
1) Die Bestandesbegründung durch Ausschlag kann nicht wie die Bestandesbegründung
durch Samen als „Begründung" im vollen Sinne angesehen werden. Es handelt sich bei ihr nur
um Wiederverjüngung. Daß sie hier mit zur natürlichen Begründung gerechnet wird, entspricht
nur dem allgemeinen Brauch.
Die Bestandesbegründung. § 35. 63
in unangenehmer Weise häufen (mehrmahges Vernichten der Blüte durch Frühjahrs-
fröste etc.), so daß die künstliche Verjüngung, in diesem Falle ein Kind der Not, ein-
springen muß. Kunstverjüngung kann auch als Folge von Kalamitäten wie Insek-
tenfraß, Schneebruch, Sturm etc. notwendig werden, wenn solche den betreffenden
Waldort in einem Stadium der Entwickelung treffen, in welchem er noch nicht ver-
jüngungsfähig ist. Auch dann, wenn die erforderliche Zahl geeigneter Samenbäume
infolge einer Kalamität verloren ging oder wenn bedeutende Einschlagmassen den
normalen Fällungsgang stören und die zur Benutzung eines eintretenden Samen-
jahres notwendigen Maßnahmen unmöglich machen, kann die künstliche Bestands-
gründung zweckmäßig oder notwendig werden. — c) Stehen, wie in der Regel, die
Mutterbäume auf der Kulturfläche selbst, so beschatten bezw. überschirmen sie,
nach Art, Zahl, Verteilung in verschiedenem Maße, die jungen Keimpflanzen. Wenn
auch letzteren dadurch während ihrer ersten Jugendentwickelung meist ein nur
wohltätiger, ja für manche Holzarten und in bestimmten Oertlichkeiten geradezu not-
wendiger Schutz gewährt wird, so können doch andere Holzarten (Lichthölzer) all-
gemein, andere in gewissen Lagen diese Beschirmung nicht oder nur kurze Zeit hin-
durch vertragen. Hieraus kann sich für eine Anzahl von Fällen i) die künstliche
Verjüngung als Erfordernis ergeben.
Die .\nsiclilen darüber, wie mit, Rücksicht auf die Erfordernisse der einzelnen Holzarten
die Grenzlinie zwischen natürlicher und künstlicher Verjüngung zu ziehen sei, gehen auseinan-
der 2). Daß Schattenhölzer allgemein durch Samenabfall, also natürlich verjüngt werden
können, steht, entsprechende Bestandesbeschaffenheit, d. h. hinreichendes Alter, genügende
Zahl und richtige Verteilung der Samenbäume, sowie gute Bodenbeschaffenheit vorausgesetzt,
außer Zweifel; ebenso, daß diejenigen unter ihnen, welche in der Jugend gegen Frost und Hitze
empfindlich sind und deshalb in der Regel eines Schutzbestandes bedürfen, meist mit dem
größeren Vorteil auch wirklich natürlich verjüngt werden. Die künstliche Verjüngung dieser
scliutzbedürftigen Holzarten, z. B. der Buche oder Tanne, auf der Kahlfläche, event. auch,
unter Zuhilfenahme eines durch eine andere Holzart erst beschafften Scimtzbestandes ist Aus-
nahme. .\ndererseits sind unbedingte Lichthölzer, wie Lärche, Kiefer, Eiche, von der natürlichen
Verjüngung zwar keineswegs ausgeschlossen, verlangen aber auf allen nicht sehr frischen und
kräftigen Böden eine so rasche Räumung der Mutterbäume, daß man mit ihnen bei künstlicher
Verjüngung meist schneller und bequemer zum Ziele kommt. Eine Anzahl von Holzarten
(Fichte, Esche, Erle, .\horn) halten die Mitte und lassen sich je nach Lage der klimatischen
und Bodenverhältnisse bald natürlich bald künstlich mit größerem Erfolg verjüngen. Je
besser der Boden, um so eher ist im allgemeinen die natürliche Verjüngung durch Samen mög-
lich, weil das geringe Sehattenerträgnis der Lichthölzer in besseren Lagen durch die sonst guten
Wachstumsbedingungen teilweise paralysiert wird (z. B. reichlicher Eschen- und Eichenanflug
auf frischen, kräftigen Böden unter oft noch sehr dichtem Schirmdach der Mutterbäume). —
Aehnlich erhöht größere Luftfeuchtigkeit (in der Nähe des Meeres oder sonstiger großer Wasser-
flächen, im Gebirge etc.) die Möglichkeit natürlicher Verjüngung. — Rauhe Lagen, steile Hänge,
steinige Partien, Böden, welche bei Freistellung starken Unkrautwuchs erwarten lassen, fordern
oft natürliche, nasse Orte meist künstliche Bestandesbegründung. Näheres bei Behandlung der
einzelnen Holzarten, siehe 4. Kap. dieses .\bschnittes.
d) Wie schon im 2. Abschnitt näher ausgeführt ist, wird die Art und Weise der
Verjüngung meist schon von der gewählten Betriebsart vorgeschrieben. Der Kahl-
schlagbetrieb bedingt, abgesehen vom Falle der Randbesamung, die künstliche Ver-
jüngung. Und da der Kahlschlagbetrieb ein Günstling der Forsteinrichtung ist, so
unterliegt es keinem Zweifel, daß das Uebergewicht, das die Kunstverjüngung vieler-
orts über die Naturverjüngung aufweist, in vielen Fällen nicht auf waldbauliche Er-
wägungen, sondern auf das der Forsteinriclttung zugrunde liegende Prinzip zurück-
zuführen ist. Schirmschlag- und Femelschlagbetrieb und noch mehr Femelbetrieb,
1) Die Präzisierung derselben folgt aus dem 4. Kapitel dieses Abschnittes ,, Betriebsarten
und BestandesbegrOndung bei den einzelnen Holzarten".
2) Zu vergl. u. a. die Verhandlungen der Versammlung deutscher Forstmänner zu Frank-
furt a. M. 1884 über das Therna: ,,Auf welchem Standpunkt befindet sich augenblicklich die Frage
der natürlichen Verjüngung?" Versammlungsbericht bei Sauerländer, Frankfurt a. M. 1885
64 VI. L 0 r e y , 'Waldbaii.
Niederwald und Mittelwald operieren meist mit Beschaffung ihrer Jungwüchse auf
natürlichem Wege. — e) Als Vorzug der künstlichen Bestandesbegründung wird auch
(insbesondere bei der Pflanzung) eine gleichmäßigere Verteilung der jungen Indivi-
duen auf der Fläche geltend gemacht, woraus sich dann auch eine gleichmäßigere
und bei lichterem Stande raschere Entwickelung der Einzelstämme von Jugend auf
ergibt. Bei der Naturverjüngung kann eine reiche Mast unter günstigen Verhältnissen
zu dicht stehende Jungbestände schaffen, die, wenn sie nicht in ihrer Entwickelung
sitzen bleiben sollen, schon frühzeitig kostspielige Maßnahmen der Bestandspflege,
Verdünnungen durch Ausschneiden und Läuterungen notwendig machen. — f) Wer
auf regelmäßige Mischungen Gewicht legt, wird auf dem Wege der künstlichen Ver-
jüngungen solche weit eher herzustellen imstande sein als durch Naturverjüngung.
• — g) In hohem Maße entscheidet auch der Bodenzustand eines Bestandes über die
Anwendbarkeit dieser oder jener Verjüngungsmethode. Die natürliche Verjüngung
setzt einen solchen Zustand des Bodens voraus, daß das Ankeimen der Samen und
das Weiterwachsen der Keimlinge möglich ist. Man bezeichnet diesen Bodenzustand
als Bodengare und ist überall dort, wo diese Bodengare infolge starker Verunkrau-
tung oder infolge von Anhäufung von Trockentorfmassen fehlt, nicht berechtigt, eine
erfolgreiche Naturverjüngung ohne Maßnahmen der Bodenvorbereitung zu erwar-
ten. Die Kunstverjüngung führt in solchen Fällen, trotzdem sie auch eine mehr oder
weniger umfängliche Bodenbearbeitung nicht umgehen darf, oft schneller und siche-
rer zum Ziele als die Naturverjüngung. — h) Auch der Kostenaufwand ist in man-
chen Fällen (Waldfeldbau, arme Böden, seltene und nicht ergiebige Samenjahre,
umfangreiche Nachbesserungen im Falle natürlicher Verjüngung etc.) bei künstlicher
Kultur geringer, obwohl eingeräumt werden muß , daß im allgemeinen gerade im
Sinne der Kostenersparnis die natürliche Bestandesbegründung den Vorzug verdient.
Jede Kulturausgabe belastet den Bestand, mit Zins und Zinseszins bis zum Abtrieb
anwachsend, derart, daß möglichste Ersparnis geboten ist. Erstmaliger x\ufwand
und Kosten etwaiger Nachbesserungen sind stets zu kombinieren. Entscheidend ist
der vollkommene, nicht nur der erstmalige, oft nur vorübergehende Kulturerfolg.
Die Frage, ob künstliche oder natürliche Verjüngung, bedarf, wie aus vorstehen-
den Andeutungen hervorgeht, recht häufig der besonderen örtlichen Untersuchung,
da uns die Zweifelsfälle, in welchen beide Arten möglich sind, in großer Zahl und viel-
seitiger Gestalt entgegentreten. Ausschlaggebend ist der nach jenen allgemeinen
Gesichtspunkten unter gleichmäßiger Berücksichtigung aller konkurrierenden Mo-
mente zu bemessende wirtschaftliche Gesamteffekt. Oertliche Erfahrung ist für die
Beurteilung höchst wertvoll, jedoch stehen unverkemibar Gewohnheit und durch
sie bestärkte ^'orurteile nicht selten sachgemäßen Aenderungen hindernd im Wege.
In bezug auf die allgemeinen Gesichtspunkte sei nur wiederholt daran erinnert, daß allein
in der Durchführbarkeit einer natürlichen Verjüngung deren vollgültige Motivierung noch nicht
liegen kann. Die natürliche Verjüngung darf vielmehr, um gerechtfertigt zu erscheinen, keinen-
falls weniger leisten als die künstliche Bostandesbegründung, und als Maßstab dient die Ge-
samtwertserzeugung auf gegebener Fläche unter voller Berücksichtigung des Faktors ,,Zeit",
bezw. Umtriebszeit. Dies sei hauptsächlich deshalb nochmals betont, weil neuerdings mehrfach
für längeres Warten auf natürliche Besamung (bes. im Kiefernschirmschlag) plaidiert wird,
indem für zeitweiliges Fehlschlagen der Verjüngung auf den Lichtungszuwachs am Oberstand
als einen genügenden Ersatz hingewiesen wird. Ist dieses bewußte, lange Zuwarten gleichbedeu-
tend mit Verlängerung der Umtriebszeit über die normale Dauer hinaus — ob die Umtriebszeit
an sich lioch oder niedrig bemessen ist, kommt dabei nicht in Betracht — . so ist es allgemein zu
verwerfen; denn ebensowenig, wie derWald derUmtriebszeitwegendaist, dürfen Ordnung, Ueber-
sichtlichkeit und höchste Rentabilität, welch letztere mehr oder weniger immer nur bei einer
bestimmten Höhe der Umtriebszeit erreicht wird, der natürlichen \'erjüngung zuliebe geopfert
werden. Wo diese gar nur zweifelhaften Erfolg verspricht, darf nicht bloß die künstliche Ver-
jüngung unter Schirmstand, sondern auch der Kahlschlag in vielen Fällen die Konkurrenz ganz
Die Bestandesbegründuug § SU. ß5
beruhigt aufnehmen. Die Losung: „Fort mit jedem Kahlschlag!" ist jedenfalls als eine ein-
seitige Auffassung waldbaulicher und gosamtwirlschaftliclier Verhältnisse anzusehen und be-
ruht auf weitgehender Nichtbeachtung umfangreicher wirtschaftlicher Erfolge, wie sie tatsäch-
lich mit dem Kahlschlage erzielt worden sind und noch erzielt werden!
C. Historisches.
§ 36. Im Hochwaldbetriebe hat die natürliche Verjüngung vielfach der künst-
lichen Bestandesbegründung, sowohl der Saat als der Pflanzung, weichen müssen
und zwar auch in Fällen, in welchen natürliche Verjüngung recht wohl möglich ist.
Der Grund liegt hauptsächlich in der relativ hohen Sicherheit vieler Methoden der
künstlichen Verjüngung, sowie in dem Umstände, daß man bei der Kunstverjüngung
den Vorgang der Bestandesbegründung unabhängig von dem mehr oder minder zu-
fälligen Eintreffen gewisser Vorbedingungen (wie der Mast für natürliche Besamung,
Vorhandensein eines wenigstens annähernd normalen Altholzbestandes usw.) in je-
dem beUebigen Zeitpunkte einleiten und durchführen kann. Dadurch wird bis zu
einem gewissen Grade größere Regelmäßigkeit und Uebersichtlichkeit in dem ganzen
Verjüngungsbetriebe gewährleistet und auch den Interessen der Forsteinrichtung am
besten entsprochen. Insbesondere hat die Pflanzung bedeutend an Ausdehnung ge-
wonnen.
Selbstredend ist die natürliche Verjüngung die älteste Methode der Bestandes-
begründung. Bis in die zweite Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts findet man außer
in den Fällen absoluter Notwendigkeit (Blösenanbau etc.) künstlichen Holzanbau nur
wenig, hatte auch nach Lage der Umstände (Bedeutung der Jagd, niedrige Holz-
preise usw.) keinen Anlaß, für Kulturen besondere Aufwendungen zu machen. Mit
dem Vordringen des schlagweisen, zunächst des Femelschlag- und Schirmschlag-Be-
triebes an Stelle des reinen Femelwaldes kam die künstliche Kultur, wenn auch
vorerst nur als Unterstützung der natürlichen Verjüngung, mehr und riiehr in Auf-
nahme und erlangte endlich im Kahlschlagbetrieb die Herrschaft. Hierbei war es
namentlich die schon angedeutete taxatorische Rücksicht, d. h. die Sehnsucht nach
größerer Uebersicht und Ordnung in der ganzen Wirtschaft, die mehr als die rein
waldbaulichen Erwägungen der Ausbreitung des Kahlschlagbetriebes und damit dem
Vordringen der künstlichen Bestandsbegründung Vorschub leistete. Ueberhaupt hat
die Forsteinrichtung nicht selten mehr, als ihr zukam, die Führung im Wirtschafts-
betriebe übernommen. Hier und da ist man in der Wertschätzung der künstlichen
Bestandesbegründung ganz zweifellos zu weit gegangen. Man ließ sich vielenorts
mehr und mehr zur bedingungslosen Verfolgung dieser einseitigen Richtung verleiten,
so daß mancherlei wirtschafthche Mißstände nicht ausbleiben konnten, und es ist
wohl begreiflich, wenn man in den letzten Jahrzehnten vielfach um so entschiedener
zur natürlichen Verjüngung zurückgekehrt ist. Daß wir uns in der Gegenwart einer
der letzteren günstigen Strömung gegenüber befinden, erhellt schon aus der neueren
Waldbauhteratur, aus den durch manche waldbauliche Werke (insbes. G a y e r s
^^'aldbau, Borggreves Holzzucht, Wagners räumhche Ordnung u. a.) ange-
regten Debatten, sowie aus der Behandlung einschlägiger Probleme in einer großen
Reihe von Forstversammlungen der letzten Jahrzehnte^). Selbstverständlich wird
dem aufmerksamen Beobachter der Umschwung der Anschauungen auch im Walde
vielenorts sofort erkennbar. Man hat sich aber davor zu hüten, daß man nicht aus
1) Vergl. Berieht über die XUI. Versammlung deutscher Forstmänner zu Frankfurt a. M.
1884 (Verlag von Sauerländer 1885), insbes. S. 18 ff Referat von L o re y über das Thema: ,,.A.uf
■welchem Standpunkt befindet sich augenblicklich die Frage der natürlichen \erjüngung?" Da-
selbst sind u. a. auch eine .Anzahl .\euI3erungen aus der neuesten Literatur, sowie aus \"er-
sammlungs-Verhandlungen angeführt.
Handb. d. Foistwias. 3. Aufl. II. O
ßg VI. Lorey, Waldbau.
einem Extrem ins andere fällt und soll namentlich auch nicht vergessen, daß die
Verschiedenartigkeit der Wald- und Standortsverhältnisse beide Verjüngungsprin-
zipien nebeneinander zuläßt.
,. II. Reihenfolge der Kulturen.
§ 37. Passende Verteilung der einzelnen Kulturarbeiten auf die einzelnen Jahre
und die in ihnen verfügbare Zeit ist erforderlich. Die Kürze der Kulturzeit, die Be-
schaffenheit des Kulturmaterials und die Rücksicht auf die Arbeitskräfte beschrän-
ken den Wirtschafter oft in seinen Dispositionen. Bei den Anordnungen über die
Reihenfolge der vorzunehmenden Arbeiten kommt es darauf an, diejenigen zunächst
zu bedenken, welche entweder an einen bestimmten Zeitpunkt gebunden sind oder
sich als die für den Gesamtwirtschaftsbetrieb wichtigsten erweisen. Im allgemeinen
gilt der Grundsatz, Nachbesserungen sobald als möglich vorzunehmen , da sie
später meist nur mit größeren Kosten und oft nur mit geringerer Aussicht auf Er-
folg ausgeführt werden können. Dasselbe gilt von der Einsprengung von Misch-
hölzern in die Schläge. Im übrigen ist denjenigen Kulturflächen, auf welchen Boden-
verschlechterung zu befürchten ist, die nächste Sorge zuzuwenden, während außer-
dem solche Flächen baldmöglich mit einem vollkräftigen Bestände zu versehen sind,
welche den größten Zuwachs versprechen, deren zeitweiliges Liegenlassen also den
größten Verlust mit sich bringen würde. Eine den örtlichen Umständen entsprechende
Verteilung der Arbeiten auf Herbst und Frühjahr ist besonders wichtig. Man beachte
überdies, daß manche Holzarten (Lärche u. a.) verpflanzt sein sollten, bevor sie ihre
Knospen öffnen, während mit anderen (Fichte) noch ohne besonderen Nachteil kul-
tiviert werden kann, nachdem sie schon kleine Triebe gebildet haben ^). Im allge-
meinen stellt man im Frühjahr gern die Pflanzungen den Saaten voran.
Zweites Kapitel.
Natürliche Bestandesbegründung.
Vorbemerkung. Die allgemeinen Gründe für und gegen natürliche Verjüngung sind im
ersten Kapitel dieses .Abschnitts zu I, B, § 35 angegeben worden. Die Vorfrage lautet immer:
ist die Bestandesbegründung auf natürlichem Wege überhaupt möglich ? Aus der Bejahung
folgt dann aber noch keineswegs, daß sie auch rötlich ist. Die Naturverjüngung etwa durch
überlanges Abwarten erzwingen zu wollen, ist ein ebenso großer Fehler, wie der Verzicht auf
sie in Fällen, wo sie uns ohne besondere Kosten einen guten Nachwuchs oder gar Bestände lie-
fert, welche den auf andere Weise begründeten überlegen sind.
Ein Haupterfordernis für das Gelingen der natürlichen ^'erjüngung ist neben dem
Vorhandensein von Samenbäumen, Samenjahren und geeignetem Bodenzustand die
Einleitung der Verjüngung zur richtigen Zeit. Eine zu frühe Verjüngung
ist unzweckmäßig, weil die Mutterbäume, solange sie noch nicht im ^'ollbesitz der
Mannbarkeit sich befinden, schwach und unregelmäßig fruktifizieren. Wird die
^'erjüngung erst im überhaubaren Alter eingeleitet, so bietet teils die dann im Verein
mit räumlicherer Stellung der Mutterbäume meist eingetretene Bodenverwilderung ein
mechanisches Hindernis für normale \'erjüngung, teils erzeugen die Mutterbäume
nicht mehr den vollwertigen Samen, den sie im Optimum ihrer Mannbarkeit — bei
Eiche undBuche im Alter von 80 — 120 .Jahren, bei Fichte und Kiefer zwischen 60 — 100
Jahren — erzeugten. Der Samen wird im höheren Alter vielmehr kleiner und leich-
ter. Jedoch ist das Zurückgehen der Samengüte in allen khmatisch günstigen Stand-
ortsverhältnissen praktisch ziemlich bedeutungslos, da hier auch im höheren Alter
1) Vergl. Dr. W a 1 t h c r , ,,Wann sollen wir die Nadelhölzer verpflanzen?" Allg. F.- u.
J.-Z. 1887, S. 112 ff.
Die Bestandesbegründung. § 38. 67
nocli durchaus brauchbarer Samen erzeugt wiid. Viel wichtiger für den Erfolg der
Verjüngung ist der Bodenzustand, und dieser verlangt, weil er im höheren Alter durch
stärkere Unkrautdecken oder Anhäufung nur langsam sich zersetzender Streu-
mengen schlechter wird, die F^inleitung der Verjüngung zur richtigen Zeit d. h. im
allg. im früheren, nicht zu hohem Alter des Bestandes.
A. Natürliche Verjüngung durch Samen.
I. Kablscblag mit Randbesamung.
§ 38. Die Mutterbäume, in geeigneter Zahl und Beschaffenheit, insbesondere also
im samenfähigen Alter, stehen seitlich an der Verjüngungsfläche. Man erwartet das
Ueberfliegen der Samen auf diese, was aber nur für leichte, besonders für beflügelte
Samen (Nadelhölzer, Ahorn, Esche, Hainbuche), mit hinreichender Sicherheit zu
unterstellen ist. Ueberdies dürfen jedesmal nur schmale, 1 — 2 Stammlängen breite
Absäumungen am Rande des Samenbestandes (in der Windrichtung, damit der
Samen vom Winde der Kahlfläche zugetragen wird ; am Hang womöglich von oben
nach unten) stattfinden. Meist gelingt die Ansamung nicht vollständig und gleich-
mäßig; man muß entweder längere Zeit warten oder — und das ist das Richtigere —
die Fehlstellen mittels künstlicher Kultur nachbessern. Schwierigkeiten entstehen
durch inzwischen angesiedelte Unkräuter, Stockausschläge usw. Man findet diese
Art der Verjüngung hier und da in kleinem Umfange mit Erfolg durchgeführt, wenn
die Erfahrung ihre Zulässigkeit nachgewiesen hat oder wenn die Umstände den Auf-
wand für künsthche Kultur nicht gestatten, während man doch (etwa aus Rücksich-
ten der Holzbringung) von dem Kahlhieb nicht absehen möchte. Größere Bedeu-
tung kommt dieser Art der ^'erjüngung nicht zu.
Als ein Spezialfall der Randbesamung sind die sog. Kulissenhiebe zu betracliten,
bei welchen zum Zweck der Verjüngung streifenweise aliwechselnd 10 — 30 ni breite Kalilhiebe
geführt und Bestandesteile von gleicher oder doppelter Breite dazwischen stehen gelassen wer-
den. Von letzteren ausgehend soll die Besamung der Kahlstreifen stattfinden. Daß dies, wenn
Samenjahre und günstige Witterung zu rechter Zeit eintreten, sowie Unkrautwuchs, Boden-
verödung etc. nicht hinderlich wird, mit Erfolg geschehen kann, wird durch die Erfahrung
bestätigt. Ebenso sicher ist aber auch, daß die geschlossen bleibenden Bestandespartien, welche
mit Rücksicht auf die Bewegung des Samens meist mit der Breitseite dem Winde entgegen-
stehen, oft der Sturmgefahr preisgegeben und überdies in sich zunächst nicht mit den Bedin-
gungen einer guten Naturbesamung ausgestattet sind. Selbst wenn man, um gleichzeitig mit der
von ihnen ausgehenden Randbesamung für sie selbst zu sorgen, einen normalen Samenschlag
auf ihnen stellt, ist das Resultat ungewiß. Erfahrungsgemäß verhagert und verunkrautet der
Boden unter dem Einfluß von Wind und Sonne an den Rändern der bestandenen Streifen.
Kommt nun hinzu, daß tatsächlich die Kulturerfolge mittelst der Kulissenhiebe auch bezüglich
der Kahlstreifen vielfach nicht befriedigen (Mangelliaftigkeit insbes. an den Rändern, Holz-
abfuhr, Insekten usw.), so bleibt ein Grund so zu verfahren, kaum übrig; man geht viel-
mehr besser entweder vollständig zur Freikultur oder zur Samenschlagstellung für die ganze
Fläche über.
Mit anderen hat namentlich Borggreve — Holzzucht, 2. Aufl. S. 186 ff. — auf Grund
der Beobachtung, daß eine Zeit lang in den norddeutschen Kieferebenen dem Kulissenhieb
in der Praxis der Kiefernverjüngung mehrfach in größerem Umfang Raum gewährt wurde,
sehr energisch gegen ihn Front gemacht. — Zu vergleichen übrigens Danckelmanns Bemerkun-
gen hierzu. Zeitschr. f. F.- u. Jagdwesen, S. 66 ff. von 1887. —
Der Kampf gegen die Kulissenschläge wird nicht sowohl in erster Linie gegen die vor-
stehend geschilderten Hiebsführungen unternommen, bei welchen ausschließlich oder doch ganz
vorwiegend durch Randbesamung die Wiederbestockung erwartet wird, sondern allgemein
gegen das Prinzip derartiger Wechselstellung von Kahlfläche und Bestandesstreifen, also insbes.
auch dann, wenn, wie in der .Mehrzahl der Fälle, künstliche Kultur, z. B. Pflanzung mit
1jährigen Kiefern auf vielen preußischen Kulissenschlägen (Regierungsbezirk Bromberg), als-
bald erfolgt. Von anderer Seite werden die Kulissenschläge in Schutz genonunen, wenigstens
für bestimmte \erhältnisse (cfr. H o 1 1 w e g in der Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen 1901,
S. 323 ff.). Wenn nun auch die Kulissenverjüngung durch künstliche Kultur eigentlich an
anderer Stelle besprochen werden sollte, so möge doch die ganze Kulissenfrage hier ihre Er-
5*
68 VI. L 0 r e y , Waldbau.
ledigung finden. Es handelt sich zumeist um Kulissen im Kiefernwald der norddeutschen
Ebene, auf ärmeren Sandböden, oft bei sehr geringen atmosphärischen Niederschlägen, bei
großer Ausdehnung der zu verjüngenden Flächen, woselbst mit großen, weithin sich erstrecken-
den Kahlschlägen oft schlechte Erfolge erzielt worden sind Hier hat man (zumal in 1883 bis
1897) vielfach, nach sorgfältig erwogenem Plane, 40 — 70 m breite Kulissenhiebe geführt und
die Flächen bepflanzt, da auf durchgehends natürliche Verjüngung der Schläge nicht zurück-
gegriffen werden sollte. Einige Wuchsbehinderung durch Beschattung und Rückstrahlung
an den Rändern sei zwar erfolgt; Randlichtung mindert diese Schädigung. Schütte, Insekten-
schäden, Windwurf seien nicht gesteigert, auch Fällungsschwierigkeiten ergeben sich nicht;
vielfach seien einwandfreie Jungwüchse entstanden.
Aus diesen Andeutungen ergeben sich ganz klar die einzelnen Einwendungen, welche
(zum Teil auch oben schon) gegen die Kulissenhiebe erhoben werden. Als allgemein anzu-
wendende Form der Verjüngung kann man sie um so weniger empfehlen, da man mit Schmal-
sclüägen, über welche später (unter der Rubrik ,, Kahlschlagbetrieb") zu sprechen ist, in voll-
kommen wirksamer Weise den Nachteilen großer Kahlhiebe vorbeugen kann.
IL Die Mutterbäume stehen auf der Verjüngungsfläche.
§ 39. 1. Allgemeines. Die Mutterbäume dienen nicht nur der Begründung
des neuen Bestandes durch ihren Samenabfall, sondern beschirmen auch den Jung-
wuchs. Wesentlich von dem Einfluß dieser Ueberschirmung hängt es ab, ob man
die Eigenschaft der Altholzstämme, Samen auszustreuen, mit mehr oder weniger
Erfolg bei der Begründung des neuen Bestandes benutzen kann. Der Einfluß
der Ueberschirmung i) macht sich teils im und am Boden, an dessen Feuchtigkeits-
und Wärmeverhältnissen und an dessen äußerem Zustand bemerkbar, teils trifft er
die den Boden bekleidenden Pflanzen, in Sonderheit also auch die Holzpflanzen,
deren Nachzucht wir beabsichtigen. Ueberdies wird auch das Tierleben auf der Kul-
turfläche durch das Vorhandensein eines Kronenschirms von Mutterbäumen berührt.
1. Der Boden. Im großen und ganzen ist der Einfluß der Ueberschirmung gün-
stig, es sei denn in sehr nassen Lagen, deren Wasserüberschuß beseitigt werden muß.
In Betracht kommen hauptsächlich die Wirkungen der Sonne, der atmosphärischen
Niederschläge, der Winde, und zwar sämtlich in bezug auf Bodenwärme und Boden-
feuchtigkeit und damit im Zusammenhang auf Humuszersetzung usw. Der Kronen-
schirm der Mutterbäume hält die Sonnenstrahlen vom Boden ab und schützt ihn
vor intensiver Erwärmung und Austrocknung. Weiterhin wird durch die Baum-
kronen ein Teil der atmosphärischen Niederschläge vom Boden ferngehalten. Der
Zutritt des Windes zum Boden wird gehemmt, sodaß diesem die Feuchtigkeit
besser bewahrt bleibt.
2. Die jungen Holzpflanzen. Zu Sonne, Niederschlag und Wind
gesellen sich als wirkende Faktoren die Wärmeausstrahlung gegen den Luftraum,
der Anspruch des Oberstandes an das Nährstoffkapitel des Standorts, die Unkräuter
und die Tiere, a) Die Sonne wirkt durch Licht und Wärme. Wie sich diese
beiden in die Gesamtleistung teilen, ist noch nicht genügend aufgeklärt. Jedenfalls
kommt aber in physiologischer Beziehung dem Licht ein ganz hervorragender An-
teil an der Sonnenarbeit zu. Im Licht, wenn auch nicht im direkten Sonnenlichte,
sondern vielmehr im zerstreuten (diffusen) Lichte, wachsen unsere Holzpflanzen
sämtlich besser als im Schatten oder Halbschatten, vorausgesetzt, daß alles zu ihrer
freudigen Entwickelung Nötige vorhanden ist. Namentlich muß der Boden hinrei-
chend frisch sein, damit den im höheren Licht- und Wärmegenuß stärker verdunsten-
den Holzpflanzen die nötige Feuchtigkeit nicht fehlt, um die austrocknende Wirkung
1) Zu vergl. Borggreve, „Holzzucht", 2. Aufl. S. 118 ff. Daselbst findet sich eine sehr
vollständige Andeutung der Einzelmomente, welche zur ,, Gesamtwirkung der Beschirmung"
zusammentreten. Der Vielgestaltigkeit der Kombinationen gegenüber ist eine allseits erschöpfende
Behandlung kaum denkbar. Immerhin lassen sich gewisse, stets wiederkehrende und allgemein
festzuhaltende Gesiclitspunkte unschwer gewinnen.
Die Bestandesbegründung. § 39. gg
der Sonnenwärme auszugleichen. Je liclitbedürftiger eine Holzart ist, um so weniger
lange verträgt sie, wie schon im allg. Teil S. 17 näher ausgeführt ist, Ueberschirmung.
b) Wenn die atmosphärischen Niederschläge den Ilolzpflanzen durch den
Kronenschirm zum Teil entzogen werden, so ist diese Wirkung nicht unter allen
Umständen eine nachteilige, sie kann vielmehr in längeren Regenzeiten oder auf
kalten, undurchlassenden Tonböden als eine günstige angesehen werden. Immer-
hin aber muß in sehr vielen Fällen, in welchen die Rätlichkeit einer natürlichen Ver-
jüngung bezweifelt wird, wie z. B. für die Kiefer auf Sandboden, die Zurückhaltung
der atmosphärischen Niederscliläge durch die Baumkronen zu den bedenklichen Um-
ständen der Ueberschirmung gerechnet werden. Entscheidend ist der Wasserbedarf
der nachzuziehenden Holzart und hier wieder die Frage, ob in den kritischen Zeiten
längerer Trockenheit überhaupt nur durch einen Schirmstand oder in welchem
Maße etwa durch einen solchen b e s s e r für die Erhaltung der nötigen Feuchtigkeit
gesorgt wird. Daß im allgemeinen unter einem noch nicht sehr stark gelichteten Kro-
nenschirm der Mutterbäume mehr Feuchtigkeit verfügbar und damit die Gefahr
durch Trockenheit geringer ist, darf als erfahrungsmäßig feststehend betrachtet wer-
den, c) Der Wind wirkt austrocknend auf den Boden und wird, wie schon oben
erwähnt, durch eine teilweise Ueberschirmung am Geltendmachen dieser unerwünsch-
ten Wirkung gehindert. Ebenso schützt Ueberschirmung auch vor dem nament-
lich im Laubholz bemerkbar werdenden Verwehen des Laubes, d) Die Wärm e-
ausstrahlung kommt einmal in Betracht wegen der Spätfröste (klarer Himmel,
ruhige Luft), sodann wegen der Taubildung. Die Wirkung des Kronenschirms ist
ersteren gegenüber unzweifelhaft günstig, wogegen die Beeinträchtigung der Tau-
bildung nachteilig ist. Für viele Fälle bedeutet die Verminderung der Wärmeaus-
strahlung durch den Schirm der Mutterbäume und die damit zusammenhängende
Zurückhaltung von Spätfrostschäden ein außerordentlich wichtiges Moment. Eine der
übelsten Jugendkrankheiten der Kahlschlagkulturen, die den Wirtschafter hin und
wieder, beim Anbau der sog. Frostlöcher, zur Verzweiflung bringen kann, wird durch
die Verjüngung unter Schirm gemindert, wenn nicht ganz aufgehoben, e) Die Be-
teiligung der Mutterbäume und andererseits der Forstunkräuter am Nährstoff-
kapital des Bodens (Wurzelkonkurrenz) muß, sobald eine gewisse Grenze
überschritten wird, den jungen Holzpflanzen nachteilig werden. Geht man davon
aus, daß der noch geschlossene Altbestand alles, was an Nährstoffen verfügbar ist,
für sich ausnutzt, so gestattet erst eine Durchlichtung desselben die Entwickelung
eines Jungwuchses. Für dessen Entstehung und Ernährung genügt zunächst eine
sehr mäßige Schlußunterbrechung. Unterbleibt dann aber eine weitere Auflocke-
rung des Schirmbestandes, so geht der Jungwuchs wieder ein, er vermag sich
im Existenzkampf mit den Wurzeln der Schirmbäume um so weniger zu behaupten,
als letztere auch durch Kronenverdichtung und Kronenausbreitung dem Jung-
wuchs den notwendigen Lichtgenuß verkürzen. Neben der Wurzelkonkurrenz der
Mutterbäume kommt für den Jungwuchs weiterhin die Konkurrenz der Forstun-
kräuter in Betracht, die bei jeder stärkeren Lichtung, auf gutem wie auf schlechtem
Boden, leicht bedenklich werden können. Durch Beschirmung lassen sich viele von
ihnen, in erster Linie alle lichtbedürftigeren, bekämpfen. Die schädigende Wirkung
der Unkräuter beruht außer auf Inanspruchnahme der Nährstoffe und insbesondere
der Feuchtigkeit des Bodens, auch auf Beschattung (Verdammung) der Holzpflanzen.
In welchem Maße das eine oder das andere der Fall ist, läßt sich überhaupt nicht
und am wenigsten allgemein angeben. Je nach der Art und Menge kann das Unkraut
auch nützlich wirken, insofern es die Holzpflanzen vor Frost, Austrocknung etc.
70 VI. L orey , Waldbau.
schützt, f) Bezüglich schädhcher Tiere ist an die durch Ueberschirmung geminderte
(event. verhütete) Gefahr durch Mäuse, Engerhng, Rüsselkäfer zu erinnern. Boden-
frische unter dem Schirm von Mutterbäumen fördert, wenn die nötige Wäiine nicht
fehlt, die regelmäßige Streuzersetzung, die höchst wirksame Arbeit der Regenwür-
mer usw.
Aus den vorstehenden Andeutungen geht hervor, daß der Kronenschirm der
Mutterbäume im großen und ganzen bezw. in den weitaus meisten Fällen der Ent-
wickelung des Jungwuchses förderlich ist. Leitet man hieraus ab, daß die natürliche
Verjüngung die Regel zu bilden habe, so ist das waldbaulich richtig, schließt aber nicht
aus, daß in zahlreichen Fällen die Verjüngung unter Schirm nicht so viel leistet wie
die Verjüngung auf freier Fläche, wo vermehrte Niederschläge, Taubildung, Licht
und Wärme im speziellen Falle günstig wirken. Man hat also zu erwägen, welche
Momente jeweils in dem allein entscheidenden Gesamteffekt der Beschirmung, in dem
die vielgestaltigsten Einzelwirkungen vereinigt sind, nach Lage der Umstände vor-
aussichtlich die wichtigsten sein und einen vorwiegenden Einfluß äußern werden.
Die ganze Frage ist, wie S. 63 schon angedeutet wurde, überhaupt nur hinsicht-
lich eines Teils unserer Holzarten eine kritische, sofern bei Tanne und Buche kaum
jemand ohne Not von der natürlichen Verjüngung Abstand nehmen wird, während
man manche andere Holzarten, zumal so entschieden lichtbedürftige wie die Lärche,
meist durch Pflanzung an die Orte bringen wird, wo man ihrer bedarf. Auch die
Eichen, Esche, Ahorne sind keine für die allgemeine Entscheidung — pro oder contra
natürliche Verjüngung — maßgebenden Holzarten, schon wegen des im ganzen nicht
großen Gebietes, in welchem sie wirklich in der Wirtschaft führende Holzarten sind.
Dagegen ist bei der Fichte die Frage zweifelhaft. Bei dieser Holzart hat man viel-
fach die Möghchkeit der natürhchen Verjüngung, und, wo man von ihr abgeht, könnte
die Angabe der Gründe dafür gefordert werden. Die weitaus erheblichsten Beden-
ken aber gegenüber der auf natürliche Verjüngung gerichteten Forderung treten uns
bei der Kiefer entgegen, deren Jungwüchse im allgemeinen keines besonderen Schutzes
gegen Frost und Hitze bedürfen und sich im vollen Lichtgenuß unzweifelhaft freu-
diger entwickeln als unter einem nur einigermaßen dichten Kronenschirm. — Alles
Nähere über die einzelnen Holzarten im 4. Kapitel dieses Abschnittes.
Die natürliche Verjüngung durch einen auf der Fläche stehenden Mutterbestand
scheidet sich in die vier charakteristischen Formen des Schirmschlagbetriebes i),
Femelschlagbetriebes, Saumschlagbetriebes und Femelbetriebes.
Die Charakteristik dieser vier Betriebsarten findet sich im II. Abschnitte. Es sei
hier nochmals kurz hervorgehoben, daß der S c h i r m s c h 1 a g b e t r i e b die Ver-
jüngung auf größerer Fläche gleichzeitig und gleichmäßig in Angriff nimmt und wo-
möglich (grundsätzlich wenigstens) mit Hilfe einer einzigen Mast durchführt, so
daß ein gleichalter und gleichartiger Jungbestand ersteht. Der Femelschlag-
betrieb schafft zunächst über die zu verjüngende Fläche hin zerstreute Ver-
jüngungszentren, verjüngt diese durch noch nicht angegriffene Teile des Altbestan-
des getrennten Partien zuerst und schreitet von ihnen aus allmählich unter Benutzung
einer Reihe aufeinanderfolgender Samenjahre vor, indem er die Verjüngungszentren
ringsum erweitert, stets neue Angriffspunkte einschaltet und so nach und nach den
ganzen Bestand aufrollt. Der Benutzung verschiedener Masten entsprechend ist
der Jungbestand aus ungleichaltrigen Gruppen und Horsten zusammengesetzt, die,
dem Verjüngungsgange gemäß, nicht mit steilen Rändern aneinanderstoßen, sondern
gewissermaßen ineinander überfheßen sollen. Der Sa um seh lagbetrieb stellt
1) Femelschlagbetrieb H e y e r s; ctr. S. 41.
Die BestandesbegrQndung. § 40. 71
einen streifenweise vom Hände aus nach dena Bcstandsinnern vorrückenden Schinn-
schlag- bezw. Plenterschlagbetrieb dar. Im F e m e 1 w a 1 d e endlich stehen alle
Altersklassen auf der Flacheneinheit untereinander, die Verjüngung knüpft sich je-
weils an den Aushieb einzelner Stämme bezw. Gruppen von solchen. Bis alle Teile
des Bestandes durch neue ersetzt sind, vergeht die ganze Umtriebszeit. Alle Samen-
jahre während derselben tragen durch Lieferung von Jungwüchsen zur Bildung des
neuen Bestandes bei; dieser enthält somit wiederum alle Altersklassen.
§ 40. 2. Die Verjüngung im S c h i r m s c h 1 a g b e t r i e b. Bei
schulgerechter Ausführung des Schirmschlagbetriebes unterscheidet man das V o r-
b e r e i t u n g s-, das S a m e n s c h 1 a g- und das L i c h t u n g s s t a d i u m. Das
Vorbereitungsstadium beginnt in dem Moment, wo in dem bis dahin mehr oder weni-
ger regelmäßig durchforsteten Vollbestande zum Zwecke der Herstellung günstiger
Verjüngungsverhältnisse eine stärkere Kronendurchlichtung erfolgt. Die hierzu not-
wendigen Eingriffe in den Bestand heißen Vorbereitungsschläge, Vorbereitungshiebe,
Vorhiebe oder Vorlichtungen; sie können in der Ein- oder Mehrzahl erfolgen. Als
Samen- oder Besamungsschlag bezeichnet man den unmittelbar zum Zwecke der
Besamung im Samenjahre stattfindenden Eingriff in die Bestandsmasse. Das Lich-
tungsstadium endlich umfaßt die nach eingetretener Besamung auf schnellere oder
langsamere Entfernung der Mutterbäume gerichteten Licht-, Auslichtungs- oder
Nachlichtungshiebe, deren letzter, der Räumungsschlag, die letzten Mutterbäume
entnimmt und den verjüngten Bestand allein zurückläßt. Bei der Schirmschlag-
verjüngung geht man von einem bestimmten Jahre aus, in welchem man die Ver-
jüngung wünscht 1). Die zum Zweck der Verjüngung auszuführenden Maßnahmen
umfassen eine Reihe von vor und nach diesem Zeitpunkt liegenden Jahren, welche
man in ihrer Gesamtheit den ,,Verj üngungszeitraum" nennt. Der erste
Eingriff in den Bestand, welcher unmittelbar dazu bestimmt ist, die Verjüngung ein-
zuleiten, bezeichnet den Anfangs-, der Hieb des letzten Mutterbaumes den Endpunkt
jenes Zeitraums. Die Fällungen während desselben erstrecken sich auf haubares
Holz. Der Verjüngungszeitraum ist je nach den örtlichen Bedingungen bald länger
bald kürzer. Seine Dauer wird teils durch die Häufigkeit der Mastjahre (Frucht-
barkeitszeitraum), namentlich aber durch die Länge der Zeit, während welcher
der Jungwuchs des Schutzes der Mutterbäume bedarf, bestimmt; er kann sich
so lang erstrecken , als der Nachwuchs die Ueberschirmung durch die Mutter-
bäume, ohne Not zu leiden, noch verträgt. Eine Ausdehnung des Ueberhaltens
von ]Mutterbäumen über das den besten Verlauf des Verjüngungsprozesses garan-
tierende Maß hinaus findet ihre Begründung, wo sie beliebt wird, außerhalb des
Gebietes des Waldbaues (z. B. längerer Bezug eines Lichtungszuwachses an den
Mutterbäumen, Verteilung der Fällungen, Ausstattung der Perioden etc.). Diejenige
Holzart, bei welcher sicli der scharf ausgeprägte Schirmschlagbetrieb — in Bayern
neuerdings vielfach ,, Dunkelschlagbetrieb" genannt — am häufigsten findet, ist die
Rotbuche.
a) Vorher eitungssta diu m. Der Uebergang aus den Durchforstungen
in den Vorbereitungshieb, bezw. in die Vorbereitungshiebe — denn sehr oft, ja meist
werden die bezüglichen Fällungen nicht auf einmal vorgenommen — kann ein all-
1) Daß diese talsächlich nicht immer gerade in diesem einen Jahre, sondern bald etwas
früher, bald etwas später erfolgt, und daß man nicht auf das Einzeljalir, sondern auf einen durch
örtliche Erfahrung bekannten, bald längeren bald kürzeren Zeitraum, innerhalb dessen man
durchschnittlich eine genügende Mast erwarten darf, alle auf die Verjüngung abzielenden Ope-
rationen einrichtet, bedarf kaum der Erwähnung. Für die Darstellung des normalen ^"erlaufs darf
man aber anstandslos alles auf das normale Besamungsjahr beziehen.
72 VI Lorey , Waldbau.
mählicher sein. Manchmal wird er durch stärkere Durchforstungen bezw. Lichtungs-
hiebe so vermittelt, daß eine Grenze zwischen den Maßnahmen der Bestandspflege
und den auf Verjüngung abzielenden Eingriffen gar niclit zu finden ist. Wo man
bei der Bestandspflege die in der Gegenwart mehr und mehr vertretenen Grundsätze
der schärferen Durchforstung beobachtet, entfällt die Notwendigkeit besonderer
Vorbereitungshiebe. Die Besamung vollzieht sich in solchen Beständen, wie man
zu sagen pflegt, ,,aus vollem Orte". Ueberhaupt ist die Vorbereitung keineswegs
immer notwendig. Holzarten, die sich im späteren Alter sowie so licht stellen, ma-
chen Vorbereitungshiebe meist entbehrlich. Der Zweck des Vorbereitungshiebs ist,
die für die Besamung besten Bedingungen herzustellen und zwar sowohl auf dem
Boden wie im Bestand. Der letztere soll so beschaffen sein, daß er im Moment
der Besamung nicht nur das erforderliche Material an Mutterbäumen, sondern
auch eine solclie Anzahl von Stammindividuen enthält, wie sie für den dem Boden
und demnächst dem jungen Aufschlag zu gewährenden Schutz nötig ist. Die auf
Herbeiführung dieses Bestandeszustandes gerichteten Fällungen abzuschließen, ist
später die Aufgabe des Besamungsschlages. Die Vorhiebe bereiten dort, wo die
vorhergehenden Bestandspflegemaßregeln nicht hinreichend genug waren, den Be-
samungsschlag vor, indem sie durch allmähhche Durchlichtung des Kronenschlus-
ses teils eine stärkere Kronenentwickelung , teils erliöhten Zuwachs, reichliches
Fruchttragen, sowie größere Standfähigkeit der stehenbleibenden Stämme zu be-
wirken suchen. Hierbei ergreift der Hieb, ohne größere Löcher zu schaffen, zu-
erst solche Holzarten, welche zur Besamung nichts beitragen sollen, z. B. Hain-
buchen in Mischbeständen mit der Rotbuche, wenn man demnächst keine oder nur
wenige Hainbuchen im Jungwuchse wünscht. Außerdem werden schon beim Vor-
bereitungshieb fehlerhafte Stämme, wie tief gegabelte, drehwüchsige, ferner, so-
weit tunlich, überalte, schwere Stämme entfernt, welche für eine gleichmäßige
Schlagstellung stets hinderlich sind und überdies, wenn ihr Aushieb erst stattfindet,
nachdem die Besamung bereits erfolgt ist, durch ihren Fall, durch das Aufarbeiten
und Anrücken oft schwere Beschädigungen der Jungwüchse herbeiführen. Die Be-
samung hat in der Hauptsache von den Stämmen der kraftvollen, normalen, mittleren
Klassen auszugehen. Schwaches, besonders unter- und zwischenständiges Material
ist, soweit es nicht etwa durch zu dichten Stand die Besamung beeinträchtigt, zu er-
halten, weil es meist zur Schaffung eines Schirmdaches trefflich geeignet ist und auch
später noch, ohne besondere Gefährdung des Aufschlags durch die Fällung, leicht
ausgezogen werden kann. Auch im Sinne gleichmäßiger Verteilung der Fällungen,
der Etatserfüllung, wenn die Mast fehlschlägt usw., sind die Vorbereitungshiebe
äußerst schätzenswert, indem sie dann vielleicht weiter ausgedehnt werden können
und durch ihren Holzanfall zur Ertragsausgleichung dienen. Sie sichern in solchen
Fällen eine gewisse Beweglichkeit der Wirtschaft.
Gleichzeitig soll durch die Vorhiebe, wie oben schon angedeutet wurde, eine
Wirkung auf den Boden ausgeübt werden, da sich eine Unterbrechung des Kronen-
schlusses stets durch Veränderungen im Zustand der Bodenoberfläche (raschere Zer-
setzung der Streuschicht, Begrünung) kennzeichnet. Hierin hegt sogar der Haupt-
zweck der Vorbereitung. Der Boden soll für die Ansamung empfänglich gemacht,
d. h. in eine solche Beschaffenheit versetzt werden, daß die Samen keimen und die
Keimlinge anwachsen können. Eine genügende Bodengare, d. h. eine entsprechend
weit vorgeschrittene Zersetzung der Streudecke, die Beseitigung etwa vorhandener
Rohhumusmassen ist erforderlich, wenn die Mast gut anschlagen soll. \\'ieweit die
Kronenschlußunterbrechung speziell zur Herbeiführung jenes Bodenzustands gehen
Die Bestandesbegründung. § 40. 73
muß, ist nacli Lage des Falles (Arl der Streudecke, Bodenschicht, Feuchtigkeit etc.)
verschieden. Im ganzen sind langsame Vorbereitungshiebe zum Zweck der Bodenvorbe-
reitung plötzlichen, stärkeren Eingriffen vorzuziehen. Auf sog. tätigen Böden, auf
denen infolge eines hinreichenden Kalkgehaltes und infolge Vorhandenseins der son-
stigen Zersetzungsfaktoren die Anhäufung unzersetzter Streumassen überhaupt nicht
vorkommt, entfällt die Notwendigkeit der Bodenvorbereitung sehr oft. Wohl aber
ist eine solche A'orbereitung dort notwendig, wo sich infolge Trägheit des Bodens,
d. h. infolge von Kalkarmut, oder kühler Lage (Nordlage), dichten Schlusses, zu
großen \A'asserreichtums, kurz, infolge Fehlens der die Slreuzersetzung fördernden
Bedingungen Trockentorf angesanmielt hat. Hier muß durch eine entsprechende
Schlußunterbrechung, sei es auf dem Wege der Durchforstung oder auf dem der
^'orhereitungshiehe, für das Auftreten einer schwachen Bodenflora gesorgt werden,
damit unter deren und der Atmosphärilien Einfluß die der Ansamung und dem Ge-
deihen des Jungwuchses äußerst hinderlichen unzersetzten Streumengen in Humus
überführt werden. A^'o der Vorhieb hierzu nicht zureicht, muß eine mechanische
Bodenbearbeitung zu Hilfe konmien. In der Regel soll durch geeignete Bestands-
pflege und Hiebsführung eine besondere Bodenbearbeitung unnötig gemacht werden.
Sie ist jedoch nicht immer ganz zu umgehen, zumal auf geringeren Standorten, und
besteht dann namentlich im Entfernen von Moospolstern (Polytrichum commune),
welche die Samen, bezw. die aus ihnen sich entwickelnden Würzelchen nicht zum
mineralischen Grund gelangen lassen, im Grobschollighacken (Kurzhacken) u. dergl.^).
Oft genügt es, diese Maßregeln nur streifen- oder platzweise durchzuführen. Auch
Schweineeintrieb kann sich unter Umständen sehr empfehlen. Da und dort findet
auch auf besten Böden grundsätzlich immer eine Bodenbearbeitung statt, damit
in jeder denkbaren Weise eine gute Besamung und die rasche Entwickelung der Keim-
pflanzen befördert wird (Buchenverjüngung in Dänemark als Beispiel ^).
Im großen Durchschnitt wird das Richtige getroffen sein, wenn der Vorberei-
tungshieb 10 — 20 % des bis dahin kräftig durchforsteten Bestandes an Masse entnimmt.
Er erstreckt sich auf die demnächst in Samenschlag zu stellende Fläche. An den
Schlagrändern ist der Bestand (gegen Sonne und Wind) dunkler zu halten. Vor-
sichtige Fällung ist ebenso selbstverständlich, wie etwa die Verschonung der der
\"erjüngung entgegenzuführenden Bestände mit Streunutzung u. dgl.
Ob und inwieweit etwa von früheren Masten her bereits vorhandener Aufschlag
oder Anflug bei der allgemeinen Bestandesverjüngung mitbenutzt werden kann und
soll, bleibt späterer Erörterung vorbehalten.
b) Samenschlag: Wenn die Vorbereitungshiebe im Bestand noch nicht den-
jenigen Grad der Durchlichtung herbeigeführt haben, welcher für die eigentliche Be-
samung und für die Bescliirmung des Aufschlags während der ersten Zeit nach der
Keimung erwünscht erscheint, wird durch einen besonderen Hieb, den sog. Besa-
mungsschlag, nachgeholfen. Man könnte ihn grundsätzlich vielleicht den Vorberei-
tungshieben noch zuzählen und aus diesen unmittelbar zu den nach erfolgter Besa-
mung nötig werdenden Nachhchtungen übergehen. Dadurch jedoch, daß der Besa-
mungsschlag an ein bestimmtes Jahr, dasjenige des Masteintritts, geknüpft ist, wäh-
rend die \' orbereitungshiebe ohne Rücksicht auf das Samenjahr den Bestand nur ganz
allgemein für die Ausnutzung einer erhofften Mast tauglich machen wollen, unter-
1) So finden sich z. B. im geschlossenen Buchenort auch nicht selten Laubschichten von
solcher Mächtigkeit, daß in ihnen zunächst zur rascheren Reduzierung eine etwas lebhaftere Zer-
setzungstätigkeit wachgerufen werden muß. Eventuell muß die Laubschichte teilweise entfernt
werden. Hier und da teilweises Unterpflügen derselben — (Vogelsberg).
2) Darauf wird bei spezieller Besprechung der Rotbuche zurückgekommen werden.
74 ^"I- L 0 r e y , Waldbau.
scheidet er sich von den Vorhieben. Diese sind, weil man nicht siclier voraus weiß,
wann sich die Mast einstellen wird, bisweilen noch nicht bis zu dem für die Besamung
geeignetsten Maß der Durchlichtung vorgeschritten. Kommt nun ein Samenjahr,
so besorgt alsbald der Besamungsschlag das noch Fehlende. Auch hierbei ist Gleich-
mäßigkeit der Stellung und im allgemeinen eine dunkle Haltung des Schlages anzu-
streben. Der Eingriff in den Bestand soll nicht stärker sein, als daß die Keimung
sicher von statten geht, und sich der Aufschlag bis zur nächsten Nachlichtung, welche
in der Regel nicht vor dem zweiten, vielleicht erst im dritten auf die Besamung fol-
genden Jahre vorgenommen wird, normal entwickelt. Den Keimpflanzen ist durch
ein relativ dichtes Schirmdach zunächst die nötige Bodenfeuchtigkeit zu garantieren
und jeder energische Kampf mit vordringlichen Unkräutern möghchst zu ersparen.
Ein allgemein gültiges Maß läßt sich für die Schlagstellung nicht geben, weil sie je
nach Holzart, Bestands- und Standortsbeschaffenheit eine verschiedene sein muß.
Insbesondere kommt es darauf an, wie weit man mit den Vorbereitungshieben schon
gegangen war. Im großen Durchschnitt wird man eine brauchbare Stellung gefunden
haben, wenn unmittelbar nach der Besamung noch etwa 0,7 — 0,6 des normalen Voll-
bestandes vorhanden sind. Modifikationen im einzelnen sind vorbehalten. Hoch-
angesetzte Kronen z. B., welche mehr Seitenlicht zulassen, erfordern weniger starkes
Eingreifen als kurzschaftiges Holz; letzteres aber stockt meist auf geringerem Boden,
weshalb man auch hier vorsichtiger sein muß. Lichthölzer fordern, sofern man es
mit der natürlichen Verjüngung bei ihnen versuchen will, immerhin eine etwas kräf-
tigere Kronendurchbrechung als ausgesprochene Schattenhölzer, wie z. B. die Tanne.
Gegen starken Unkrautwuchs hält man den Bestand dunkler. Dichterer Schluß kann
endlich auch auf trockenen und mageren Böden, an steilen Hängen zur Erhaltung
der Feuchtigkeit, wie unter Umständen gegen Ueberhandnehmen nasser Stellen
(Carex brizoides in Buchenbeständen!) angezeigt sein.
Wie schon erwähnt wurde, ist der Samenschlag erst zu stellen, wenn auf das
Eintreten der Mast mit Sicherheit gezählt werden darf. Seine Größe ist zumeist
von dem häufigeren oder selteneren Vorkommen guter Mastjahre, d. h. von dem
Fruchtbarkeitszeitraum, dem durchschnittlichen Intervall zwischen zwei Mastjahren,
abhängig und jeweils so zu bemessen, daß im jährlichen Nachhaltbetrieb innerhalb
der Umtriebszeit der gesamte Wald verjüngt wird. Von dem Fruchtbarkeitszeit-
raum unterscheidet sich der durch die Dauer der Ueberschirmungsbedürftigkeit des
Jungwuchses bedingte Verjüngungszeitraum (siehe oben). Decken sich beide, so
staltet sich der Vorgang der Verjüngung am übersichtlichsten. Kehren die Mast-
jahre, wie dies meist der Fall ist, in Zwischenräumen wieder, die kürzer sind als der
Verjüngungszeitraum, so kann nicht jede Mast ausgenutzt werden. Jährliches Samen-
tragen würde die Bildung von Jahresschlägen gestatten; anderenfalls wird eine
entsprechende Anzahl von Jahresschlägen in einen Periodenschlag zusammengefaßt.
Die Bodenvorbereitung, von welcher schon gelegentlich der Besprechung des
Vorbereitungshiebes die Rede war, wird mit Vorteil erst unmittelbar vor dem Samen-
abfall vorgenommen. Die Holzhauerei im Samenschlag muß vor der Keimung be-
endet sein. Zweckmäßigerweise nimmt man sie im Herbst vor oder nach dem Ab-
fall des Samens vor, um durch die Arbeiten der Holzemte im ersten Falle der Boden-
verwundung, im anderen Falle dem Unterbringen des abgefallenen Samens zu dienen.
c) A u s 1 i c h t u n g s s t a d i u m. In den nach der Besamung zu führenden
Hieben liegt im allgemeinen die Hauptschwierigkeit bei der Leitung des Verjüngungs-
prozesses, weil man in jedem einzelnen Falle die Grenze zu bemessen hat, von der
ab die wohltätigen Wirkungen der Beschirmung durch den Nachteil überboten wer-
Die Bestandesbegiündung. § 41. 75
den, der diircli längeres Zurückhalten der Entwickelung des Nachwuchses ersteht.
Der Gefährdung durch Frost, üürre, Unkraut usw. steht das in verstärktem Liclit-
genuß (bei genügender Bodenfeuchtigkeit) unzweifelhaft freudigere Heraufwachsen
des Aufschlags gegenüber. So sehr sich einerseits \'orsicht in der Richtung empfeh-
len kann, daß man der sicheren Behütung vor jenen Gefahren den höheren Wert bei-
mißt, so kann doch durch eine zu weitgehende Aengstlichkeit, welche den Jungwuchs
zu lange unter dem Schirmdach der llutterbäume kümmern läßt, ebenso viel ge-
schadet werden. Sobald die Verjüngung planmäßig eingeleitet ist, wird deren best-
möglicher rascher Vollzug in erster Linie maßgebend. Das Gedeihen des neuen
Bestandes, nicht die tunlichst potenzierte Wertsteigerung im a 1 1 e n , ist von da
ab für die Wirtschaftsführung bestimmend, wenn auch eine möglichst günstige Kom-
bination beider Rücksichten stets anzustreben ist. Allmähliche Gewöhnung des
Jungwuchses an freiere Stellung durcli langsames Nachhauen im Mutterbestande
wird sich vielenorts empfehlen, während in anderen Fällen ein beschleunigtes Tempo
der Abräumungen erwünscht, ja notwendig sein kann (z. B. frostfreie Lagen im Ge-
gensatz zu Frostlokalitäten, lichtbedürftige Holzarten gegenüber Schattenhölzern
usw.). In bezug auf den zeitlichen und räumlichen Gang der Lichtungshiebe sind
Boden und Bodenfrische, Entwicklungsenergie des Jungwuchses, Sturmgefahr der
Mutterbäume zu berücksichtigen. Auch ist die Holzart entscheidend, sofern ganz
allgemein der Aufschlag und x\nflug von Lichthölzern zu seinem Gedeihen rascherer
und energischerer Freistellung bedarf als solcher von Schattenhölzern. Es kann als
Regel gelten, daß die Lichtung im Oberstand nicht früher als im zweiten Winter nach
der Besamung beginnt (,, Kräftigungshieb" Grebes), nachdem die jungen Pflanzen
wenigstens einigermaßen erstarkt sind. Es ist selbstverständlich, daß bei den Nach-
hieben die ursprüngliche Gleichmäßigkeit der Schlagstellung nicht gewahrt werden
kann, sondern ganz von selbst verloren geht. Einzelne Stellen werden vielleicht
schon früher oder doch schon vollständiger besamt sein als andere, auf einzelnen wird
sich infolge zufällig stärkeren Lichteinfalls etc. der Aufschlag kräftiger, unter Um-
ständen zu förmlichen Vorwuchshorsten entwickelt haben. Daß man solchen Par-
tien Luft macht, um sie noch mehr zu fördern, daß durch allmähliche Erweiterung
der im Altbestande hierdurch entstehenden Lücken nach und nach die zwischen-
hinein noch vorhandenen Oberstandspartien zusammenschrumpfen, bis die vollstän-
dige Schlagräumung, der Räumungsschlag, eintritt, leuchtet ein. Von diesen mehr
zufällig entstehenden Ungleichartigkeiten im Jungbestande, welche übrigens kaum
je so bedeutend sind, daß sie nicht df m Auge bald wieder verschwänden, unterschei-
den sich wesentlich diejenigen, welche als Ergebnis der Verjüngung im Femelschlag-
betriebe erscheinen.
§41. 3. Der Femelschlagbetrieb. Wie schon mehrfach kurz ange-
führt worden ist, will der Femelschlagbetrieb grundsätzlich keine gleichmäßig über
die ganze Fläche sich erstreckende Verjüngung herbeiführen und demgemäß auch
keinen gleichaltrigen Jungbestand schaffen, sondern erhält, indem er die einzelnen
Bestandespartien nacheinander behufs ihrer Verjüngung in Angriff nimmt, in dem
erwachsenden neuen Bestand Altersunterschiede, welche der Länge des Verjüngungs-
zeitraumes und der Zahl und Aufeinanderfolge der während desselben benutzten ein-
zelnen Masten entsprechen. Der Verjüngungszeitraum ist — da die Bewältigung
der Aufgabe, zumal bei vorsichtiger, feinster Wirtschaftsführung, mehr Zeit erfordert
als eine Verjüngung, bei welcher durch wenige, über die ganze Fläche sich erstreckende
Hiebe alles Erforderliche erledigt wird — demgemäß ein meist längerer, kaum je
unter 30 Jahre heruntergehend.
76 VI. Lorey, Waldbau.
Der Vorgang ist im allgemeinen folgender:
Man macht planmäßig da und dort stärkere Eingriffe, während die zwischen-
liegenden Partien noch intakt bleiben. Diese als Angriffs- oder Vorbereitungs-, in
Bayern auch als Gruppenhiebe bezeichneten Eingriffe sollen die wertvolleren Bestan-
desglieder kräftigen, sie zur Fruktifikation anregen und sollen den Boden empfäng-
lich machen, verfolgen mithin dieselben Zwecke wie die Vorhiebe des Schirmschlag-
betriebes. Die Einzelstellen, von welchen die Verjüngung ausgeht, sind entweder
nur größere oder kleinere Löcher, absichtlich gehauen, vielleicht auch mehr zufällig
entstanden (Tannenwirtschaft: durch Sturm, Aushieb von Krebsbäumen etc.), oft
ohne jeglichen Oberstand, Partien, welche nicht selten bereits besamt sind, anderen-
falls von den Randbäumen her sich leicht besamen, — oder es sind Flächenteile,
manchmal gleich anfangs von etwas größerer Ausdehnung, auf welchen zunächst
(wie beim Vorbereitungshieb des Schirmschlags) geeignete Mutterbäume stehen blei-
ben, bis die Besamung erfolgt ist, und der junge Wuchs des Schutzes nicht mehr
bedarf. Die Schutzwirkung der Mutterbäume tritt dabei insofern zurück, als der
rings um den Junghorst noch geschlossene Bestandesrand entsprechenden Seiten-
schutz gewährt, so daß die Räumung der Schirmbäume meist bald erfolgen kann.
Regelmäßige Figuren sind natürlich ebenso wenig Bedingung wie gleichmäßiger
Abstand der einzelnen Verjüngungszentren voneinander, wenn auch deren annähernd
gleiche Verteilung über die Gesamtfläche, sowie tunlichst die Kreisform erwünscht
ist. Es muß sich eben bei der Durchführung von Fall zu Fall alles nach den örtlichen
Umständen richten; eine scharf ausgeprägte Schablone ist ausgeschlossen. Je nach
der Entwickelung der Jung-wüchse und dem Eintritt neuer Samenjahre wird dann
am Rande in schmäleren oder breiteren Ringen weiter gelichtet, es werden ,,Um-
randungs"- oder ,,Umrändelungshiebe" geführt. Neue Jungwüchse erstehen in An-
gliederung an die im Inneren der Verjüngungsplätze heraufwachsenden Partien,
neue Angriffspunkte werden zwischen den alten eingeschoben, und es ist klar, wie
durch solches Verfahren nach und nach der ganze Altbestand durch junge Gruppen
und Horste ersetzt wird. Größere unbesamte Lücken entstehen dabei also nirgends,
sondern nur kleine Löcher und schmale Absäumungen, deren Besamung sich vom
Rande oder von Schirmbäumen aus leicht vollzieht. Als Vorzug einer solchen Un-
gleichförmigkeit im Verjüngungsgange wird größerer Zuwachs, besonders infolge
bedeutenderer Boden- und Luftfrische, vollkommenste Bewahrung der Bodenkraft,
auch wohl örtlich verminderter Schneeschaden und Windwurf bezeichnet. Zwei-
fellos sind durch die allmählich vorschreitende Femelschlag-Verjüngung örtlich
schon sehr gute Erfolge zu verzeichnen, indem man tadellose Jungbestände in
großer Ausdelmung erzielt hat. Namentlich wird in Bayern, wo auf G a y e r s ener-
gische Anregung hin die Methode ins feinste ausgebildet worden ist, seit mehreren
Jahrzehnten nach ihr erfolgreich gearbeitet. Man braucht aus den dortigen be-
friedigenden Erfolgen jedoch noch nicht auf eine unbedingte Räthchkeit dieser
Wirtschaft, die vorzugsweise für Tanne, Fichte und Buche, ganz besonders aber für
Mischbestände dieser Holzarten in Betracht kommt, zu schließen, sondern kann die
Frage aufwerfen, ob nicht in den reinen und niu- wenig gemischten Beständen in vie-
len Fällen eine durch den ganzen Bestand hindurch annähernd gleichmäßige und
gleichzeitige Durchführung der Verjüngung — stets die erforderliche Durchlichtung
im Kronenschirm vorausgesetzt — die nämliche Wertsproduktion an den gleichmäßig
verteilten, sämtlich mit gehörigem Lichtungszuwachs arbeitenden Mutterbäumen
erzielen würde und ob dabei nicht unter voller Schonung der Bodenkraft ein allen An-
Die Bestandesbegründung. § 42. 77
forderungen entsprecliender Nachwuchs erzogen werden könnte '). Unbestrittenen
Wert aber hat die hörst- und gruppenweise Verjüngung überall dort, wo die Wirt-
schaft auf Erhaltung der vorhandenen Mischung gerichtet ist. Die von ihr gebotene
Beweglichkeit bei der Anbahnung, Pflege und Erweiterung von Verjüngungspunk-
ten gewährleistet mehr als jede andere Betriebsart die Möglichkeit, dem verschiede-
nen Lichtbedürfnis und dem ungleichen Entwicklungsgang der in Frage kommenden
Mischholzarten so Rechnung zu tragen, da(3 horstweis gemischte Bestände wieder
entstehen. Andererseits ist nicht zu verkennen, daß bei der Gruppenverjüngung
durch die Verteilung mehr oder minder geschlossener kleiner Beständchen über die
ganze Fläche hin vielfach bedenkliche Umstände (Frostgefahr, Gefährdung durch
Stürme, Entzug der Niederschläge etc.) herbeigeführt werden. Die unbedingten An-
hänger des Femelschlagbetriebe? stehen zwar auf dem Standpunkte, daß gerade diese
Gefahren im Femelschlagverfahren weniger bedenklich werden, und weisen zur Er-
härtung ihrer Ansicht auf eine Reihe von Beispielen hin, in welchen Schädigungen
wie die angedeuteten ausgeblieben sind.
Für Schirmschlagbetrieb und Femelschlagbetrieb ist noch zu erwähnen, daß bei
der Nachlichtung solchen Partien, welche zunächst unbesamt geblieben sind, durch
eine Unterbrechung im Kronendach oft am leichtesten geholfen werden kann, daß
also solche Stellen im Bestände keineswegs immer besonders dunkel zu halten sind.
Vorsichtiger Fällungsbetrieb, mit Rücksicht auf den Unterwuchs, ist geboten. Nach-
besserung durch Saat oder Pflanzung, Einbringen von Mischhölzern, soweit es nicht
mittels Vorverjüngung (z. B. Eiche im Buchengrundbestand) schon erfolgt ist, hat
zugleich mit den Auslichtungen, spätestens bald nach ihnen stattzufinden. Stock-
löcher, im Falle der Rodung, bieten besonders geeignete Stellen zur Einpflanzung. Der
Femelschlagbetrieb kann sich, falls nur mit ganz kleinen Löchern operiert wird,
offenbar dem reinen Femelbetrieb nähern. Er kann andererseits, wenn die Verjün-
gungszentren größere Flächen einnehmen, und die Erweiterungsringe breit sind,
mehr und mehr einer Auflösung des Ganzen in einzelne im Schirmschlagverfahren
behandelte Teile gleichkommen.
§ 42. 4. D e r S a u m s c h 1 a g b e t r i e b. Wie ebenfalls schon oben (S. 41)
ausgeführt wurde, ist der Saumschlagbetrieb nichts anderes als eine Anwendung der
Verjüngungsgrundsätze des Schirmschlag- bezw. des Plenterschlagbetriebes auf
schmalen, vom Rande herein allmählich nach dem Bestandsinnern vorrückenden
Verjüngungsstreifen. C. Wagner- Tübingen, der den Saumschlagbetrieb in der
von ihm empfohlenen als Blendersaumschlag bezeichneten Form zu neuem Leben
erweckt hat, legt den Schwerpunkt des Saumschlagbetriebes auf die Hiebsrichtung,
weil von dieser die mehr oder weniger austrocknende Einwirkung der Sonne und da-
mit der Erfolg der Saumverjüngung in erster Linie beeinflußt wird. Als normale
Hiebsrichtungen kommen nach Wagner 2) nur in Betracht: Nordwest-Südost für
Laubhölzer und besonders geschützte Lagen, Nord-Süd für Nadelhölzer und die we-
niger festen Laubhölzer in besonders gefährdeter Lage. Der vom nördlichen oder
nordwestlichen Bestandsrande aus beginnende und sich langsam nach Süden bezw.
Südosten vorwärts bewegende Hieb besteht zunächst in einem ungleichförmigen Auf-
lockern eines Saumes des bisher geschlossenen Bestandsrandes. Durch die Ent-
nahme unerwünschter und zu stark vertretener Holzarten und zwar immer zuerst
1) Vergl. hierzu die schon oben (S. 46) angeführte Literatur, sowie Schuberg, Schlag-
lichter zur Streittrage ,, schlagweiser Hochwald- oder Femelbetrieb" im forstw. Zentralbl. von
1886, S. 129 ff. und S. 193 ff. Diese Abhandlung von Seh., welche sich auf umfängliche exakte
Untersuchungen stützt, ist, weil bestimmte Zahlen gegeben werden, sehr interessant.
2) Grundlagen d. räuml. Ordnung i. Walde. 1907, S. 135 ff.
78 ^ I- L o r e y , Waldbau.
der dichtbekrontesten Exemplare werden Löcher und Kleinflächen für die erste An-
samung geschaffen. Diese erfolgt im noch dunklen Schirm und im Seitenschutz des
geschlossenen Bestandes. Der Dunkelstand befähigt bei Verjüngung von Mischbe-
ständen zunächst nur die Schattenhölzer Tanne und Buche zur Bildung von Anflug-
gruppen, die sich beim langsamen Fortgang des Hiebes und beim Lichterstellen all-
mählich erweitern. Fortgesetzte Entnahme der noch stehenden Mutterbäume vom
Schlagrande herein bereitet den erstarkenden Anflug auf den Freistand mehr und
mehr vor. Mit dem zunehmenden Lichtgenuß finden auch die lichtbedürftigeren
Holzarten, zunächst Fichte, Ahorn, Esche, später Kiefer und Lärche günstige Lebens-
bedingungen auf dem nach außen gelegenen Teile des Verjüngungsstreifens und ver-
mögen sich hier anzusiedeln. — Den jeweilig in Verjüngimg befindlichen Streifen
kann man sich gewissermaßen aus 3 in verschiedenen Stadien der Verjüngung befind-
lichen Säumen zusammengesetzt denken. Der dem geschlossenen Bestand nächste
Saum befindet sich in Samenschlagstellung, die beiden anderen nach dem Schlag-
rande zu gelegenen Säume im mehr oder weniger vorgeschrittenen Auslichtungssta-
dium. In dem Maße der Verjüngungsstreifen vom Schlagrande herein gelichtet und
durch Räumung der Mutterbäume abgebaut wird, schiebt sich sein dunkelster Teil,
der Samenschlagsaum, gegen den geschlossenen Bestand vorwärts. Die Geschwindig-
keit, mit der dieses Vorrücken geschieht, hängt, abgesehen von wirtschaftlichen Mo-
menten, vom Gelingen der Ansamung und von den Bedürfnissen des Anfluges ab.
Selbstverständlich nimmt auch die größere oder geringere Häufigkeit der Samen-
jahre sowohl auf das Tempo des Hiebsfortschrittes wie namentlich auch auf die Breite
des ersten Ansamungssaumes und damit auf die Breite des Verjüngungsstreifens
überhaupt Einfluß. Je seltener die Samenjahre sind, um so mehr muß das einzelne
ausgenützt, um so breiter mithin der Dunkelsaum angelegt werden. Die Breite des
Verjüngungsstreifens aber richtet sich auch nach der Holzart. Den breitesten, vom
Dunkel des geschlossenen Bestandes bis zum stark gelockerten Lichtstand abgestuf-
ten Verjüngungsstreifen verlangen die Schattenhölzer; auch die Fichte verträgt ihn,
obwohl für sie schon ein ziemlich schmaler Streifen genügt. Lichthölzer verjüngen
sich am besten auf einen schmalen und lichten Verjüngungsstreifen. Wie bei jeder
anderen Naturverjüngung ist auch hier schließlich der Boden in zeitlicher und räum-
licher Hinsicht maßgebend für den Gang der Verjüngung. Je geringer seine Besa-
mungsfähigkeit infolge von Neigung zur Verunkrautung, fehlender Bodenfrische oder
infolge anderer Ursachen ist, um so mehr ist Vorsicht bei der Lichtstellung und in
bezug auf die Schnelligkeit des Verjüngungsganges geboten. Schwierige Böden
lassen, um die Sicherheit der Verjüngung zu erhöhen, meist Maßregeln der Bearbei-
tung angezeigt erscheinen. Ueber die Vor- und Nachteile des von Wagner als bestes
Verjüngungsverfahren angesehenen Saumschlagverfahrens vgl. das oben im 2. Ab-
schnitt (S. 47) hierüber Gesagte.
§ 43. 5. Die Verjüngung im Femelbetrieb: Ein im eigent-
lichen Femelbetrieb bewirtschafteter Wald unterscheidet sich seinem Wesen nach
von dem mit langer Verjüngungsdauer femelschlagartig, d. h. nicht gleiclunäßig durch
die ganze Fläche hin, sondern gruppen- oder horstweise behandelten Walde dadurch,
daß in ihm alle Altersstufen — die Abstufungen im einzelnen in kleineren Zwischen-
räumen — vertreten sind, während, wie wir gesehen haben, im Femelschlagbetrieb
der zwischen den ältesten und jüngsten Hölzern bestehende Altersunterschied im
Höchstfalle nur gleich der Verjüngungsdauer ist. Hieraus ergibt sich bezüglich der
Verjüngung im reinen Femelwald als charakteristisches Merkmal, daß der ganze Wald
gleichzeitig in wirtschaftlicher Behandlung steht. Es trifft der Hieb zwar keines-
Die BestandesbegrQndung. § 44. 79
wegs in jedem einzelnen Jahre die ganze Fläclie, wohl aber kehrt er in meist kürzeren
Zeitzwischenräumen auf die Einzelfläche wieder. Bald mit mehr, bald mit weniger
Regelmäßigkeit wechseln im Plenterwaldc kleinere und giößere, ältere und jüngere
Partien miteinander ab, indem da und dort die ältesten Stämme genutzt werden
und an ihre Stelle Jungwüchse treten, um welche sich, nach vorgängiger Absäumung
im Altholz neue Jungwüchse anlegen, so daß auf diese ^^"eise allmählich die Verjün-
gung des ganzen \^^aldes erfolgt. Beim Femelschlagbctrieb konzentriert sich der
Verjüngungsprozeß in der einzelnen Waldabteilung auf die Zeit der Verjüngungs-
dauer, so daß sich im Gesamtwalde die einzelnen Periodenflächen deutlich vonein-
ander abheben. Im reinen Femelwalde hingegen vollzieht sich die Verjüngimg fort-
gesetzt in jedem Umlauf der Hauungen. Einzelne Teile der verschiedenen Perioden-
flächen des Femelschlagbetriebes, bald kleinere Gnippen. bald größere Horste, sind
im Femelwalde gewissermaßen untereinander geworfen, so daß, wenn auch keines-
wegs in jedem kleinsten Bestandteile, so doch innerhalb der einzelnen Abteilung,
alle Altersklassen vertreten sind, selbstverständlich nicht durchweg in Abstufungen
von Jahr zu Jahr, sondern je nach der Häufigkeit des Eintritts von Samenjahren in
mehr oder minder ungleichen, meist mehrere Jahre umfassenden Abstufungen.
B. Natürliche Verjüngung durch Ausschlag.
Vorbemerkung: Sie ist nur möglich bei Holzarten mit entsprechender
Reproduktionskraft, schließt also die Nadelhölzer aus. Die genutzten Bestandes-
teile werden durch Ausschlag aus den auf der Fläche verbliebenen Baumteilen er-
setzt, und hierdurch wird der neue Bestand erzeugt. Man unterscheidet Niederwald,
Kopfholzbetrieb und Schneitelholzbetrieb. Beim Niederwald wird der gesamte
oberirdische Baumteil genutzt; die Begründung des neuen Bestandes vollzieht sich
durch Stockausschläge (event. in Verbindung mit VVurzelausschlägen) aus den im
Boden verbliebenen Stöcken mit ihren Wurzeln. Der Kopfholzbetrieb
nimmt dem einzelnen Kernwuchs einen Teil seines Schaftes. An der Abhiebsstelle
brechen Zweige hervor, welche die nächste Nutzung, die Nutzung des ..nächsten Um-
triebs", und somit gewissermaßen den neuen Bestand darstellen. Infolge wiederhol-
ter Nutzung dieser Aeste entsteht am Schaftende ein Wulst oder Kopf. Beim
Schneitelbetrieb werden dem einzelnen Stamme nur seine Zweige und Aeste
genommen, während der Schaft ihm in ganzer (oder annähernd ganzer) Länge belassen
wird. Die Regeneration erfolgt durch Ausschläge an den einzelnen Aststummeln
bezw. Schaftwunden.
I . \' e r j ü n g u n g im Niederwald.
§ 44. 1. Holzarten und Ausschlagsverraögen: Außer den
baumartig envachsenden Laubhölzem werden auch viele strauchartige, als Klein-
nutzhölzer, Faschinenhölzer u. dgl. verwendbare Holzarten im Niederwald angezo-
gen. Zu ersteren gehören vor allen die Eichen, dann Erlen, Kastanie, Akazie,
Weiden, auch Esche, Ulme, Hainbuche u. a., zu letzteren z. B. Hasel, Schneeball,
Hartriegel, Heckenkirsche, Schwarz- und Weißdorn usw. Die meisten dieser Holz-
arten treiben nur Stockloden, wie Rotbuche, Hainbuche, Eiche, Kastanie, Esche,
Ahorn, Birke u. a.; bei einigen brechen außer solchen auch Wurzelloden hervor, wie
bei Weißerle, Rüster, Feldahorn, Akazie, Pappel, Kirschen usw. Die Reproduktions-
kraft der verschiedenen Laubhölzer ist nicht gleich groß und von ungleicher Dauer
und wird von den äußeren Verhältnissen, namentlich von der Bodengüte und dem
Lichtgenuß beeinflußt. Am längsten hält die Ausschlagsfähigkeit bei Eiche, Hörn-
8Q VI. L o r e y , Waldbau.
bäum, Erle und Linde aus, während Buche, Birke, Ahorn und Esche schneller nach-
lassen. Je älter der Stock ist, um so schwächer ist sein Ausschlagsvermögen und
um so mehr bleiben die Ausschläge im Höhenwuchs zurück. Flachgründige, arme
Böden erzeugen ebenso keine hoch werdenden Ausschläge, wenn sie auch — nament-
lich in warmen Lagen — die Reichlichkeit des Ausschlags nicht beeinflussen. —
2. Die Verjüngung: Sie erfordert keine besonderen waldbaulichen Maßregeln,
da ihr Gelingen, d. h. die Entstehung eines normalen Jungbestandes, wenn anders
sich die passende Holzart auf geeignetem Standort in einem guten Bestand vorfindet,
und keine besonderen Störungen, wie Spätfröste, Hagelschläge u. dgl. eintreten, in
der Hauptsache nur von einem rationellen Nutzungsbetrieb abhängig ist. Im all-
gemeinen führt man die Stockschläge im zeitigen Frühjahr (März) aus. Man umgeht
dann die beim Herbsthieb bestehende Gefahr, daß die Stöcke bei strenger Kälte
zugrunde gehen und hat auch die in Herbstschlägen infolge zeitigen Austreibens der
Stöcke leicht vorkommenden Spätfrostschäden nicht zu fürchten. Ausnahmen vom
Frühjahrs = (Saft-)Hieb machen sich nur dort nötig, wo die nur bei Frost mögliche
Zugänglichkeit des Geländes die Winterfällung bedingt (Erlenniederwälder), oder wo,
wie in den Eichenschälwaldungen, die Gewinnung der Rinde Hauptzweck der Ver-
jüngung ist. Hier findet die Nutzung erst nach dem Laubausbruche im Mai bis
Juni statt, weil vorher die Rinde nicht in gewünschter Weise sich loslöst. Stock-
schläge zum Zwecke der Futterlaubgewinnung werden im Sommer (Juni— August)
geführt. — Bei der Hiebsführung in Stockschlägen empfiehlt es sich, da Wind-
gefahr nicht in Betracht kommt, in umgekehrter Richtung wie beim Hochwaldbetrieb,
von Westen oder Süden, zu hauen, um Wärme und Licht in die Schläge zu bringen.
Bei der Nutzung der Ausschläge, die bei schwächerem Material mit Heppen, bei stär-
kerem mit Axt oder Säge geschieht, ist auf möglichst tiefen Abschnitt und glatte,
am besten etwas geneigte Schnittflächen zu achten. Einkerbungen der Abhiebs-
flächen, wie sie entstehen, wenn die Beilschläge von zwei Seiten aus und von oben
geführt werden, sind zu vermeiden, weil sonst das in dem Einschnitt stehen bleibende
Regenwasser zur Fäulnis der Schnittfläche beiträgt. Die Nachbesserungsarbeiten in
Niederwäldern, zum Ersatz eingegangener bezw. zu alter Stöcke, werden am besten
durch Pflanzung, ev. mit Verwendung von Stummelpflanzen, besorgt.
3. Die praktisch wichtigen Stockschlag-Betriebe.
a) Eichenniederwald. Hauptsächlich zum Zwecke der Rindengewin-
nung betrieben, hat der Eichenniederwald nach der Reichsstatistik von 1900 noch
446 500 ha = 3,2% der Gesamtwaldfläche Deutschlands als E i c h e n s c h ä 1 w a 1 d
eingenommen. Wenn auch der seit 1890 eingetretene beträchtliche Rückgang des
Rindenpreises — nach J e n t s c h i) kostete 1 Ztr. Rinde 1890 im Durchschnitt
6,01, 1905: 3,19 M. — hier und da zur Verminderung der Schälwaldfläche geführt
hat und vielleicht noch führen wird, stellt der Eichenschälwaldbetrieb doch noch
immer einen namentlich in Süd- und Westdeutschland sehr beachtenswerten und
unter den Ausschlagbetrieben den wirtschaftlich wichtigsten Betrieb dar. Verwendet
werden Stiel- und Traubeneiche, letztere ihrer etwas besseren und anhaltenderen
Ausschlagsfähigkeit wegen im allgemeinen lieber. Die ihr gleichfalls hin und wieder
1) Jentsc h, Untersuchungen über die Verhältnisse des deutschen Eichenschälwald-
betriebes. Berlin 190G; Derselbe, Der deutsche Eichenschälwald und seine Zukunft.
Berlin 1899; Derselbe, Der Eichenschälwald in den Niederlanden. Mündener forstl. Hefte,
16. Hfl. 1900, S. 89. — S c h e n c k , Die Rentabilität des deutschen Eichenschälwaldes. Darm-
stadt 1896. — Bericht üb. d. XXVI. Vers, deutscher Forstmänner 1898: Gegenwärtige Verhält-
nisse und Zukunft des Eichenschälwaldes. — W a c h s , Der augenblickliche Stand der Eichen-
schälwaldfrage. Silva 1908, Nr. 20 und 21.
Die Bestandesbegründunsr § 44. gl
nachgerühmte bessere Rindenqualität wird von anderer Seile bestritten und eher
der Stieleiche zugesprochen. Unterschiede in dieser Hinsicht sind anscheinend Folge
des Standortes, nicht der Eichenart. Umtrieb, rd. löjährig, schwankt zwischen
12 und 20 Jahren; in neu angelegten Schälwäldern erstmalig etwas länger, da Kem-
wüchse bis zur gewünschten Erstarkung längere Zeit brauchen als Stockausschläge.
Die Neubegründung von Eichenschälwäldern geschieht durch Saat oder Pflanzung
und setzt, wenn sie rentabel sein soll, kräftige, wenn auch nicht tiefgründige Böden
in warmen Lagen (Weinlagen) voraus. Saat, meist in Riefen, 6 — 10 hl für 1 ha;
Pflanzung, meist mit 3jährigen Stummelpflanzen in Reihenverband 2:1m oder
Ouadratverband 1,3 — 1,5 m. Mischungen sind zu vermeiden. Wo sie früher als
richtig angesehen wurden, auf ärmeren Böden, auf denen die eingemischte Holzart
(Kiefer, Weymouthskiefer, Lärche, Akazie) den Boden bessern und den Ertrag er-
höhen sollte, gehört der Schälwald heut nicht mehr hin. Die sich von selbst ein-
stellenden Mischhölzer (Aspe, Sahlweide, Hasel, Hombaum), die sog. Raumhölzer
oder Unhölzer. sind zeitig und nach Bedarf wiederholt so gründlich wie möglich
auszujäten. Durchforstungen, die neben der Entfernung der Raumhölzer die unter-
drückten Eichenausschläge fassen und mit Antastungen der besseren Schälstangen
verbunden werden können, sind im Interesse der Erhöhung des Rindenertrages emp-
fehlenswert und erfolgen zweckmäßigerweise mindestens zweimal bei ISjährigem Um-
triebe. Abtrieb im Mai oder Juni (vgl. hierzu Handbuch, unter IX. Forstbenutzung B.).
Nonnale Schälwalderträge auf gutem Standorte beim Abtrieb jiro ha zwischen 80
und 1.30 Ztr. Rinde schwankend. Hierzu kommen 20 — 30 fm Schälholz und (meist
als Zwischennutzung) 6 — 15 fm Raumholz. In Hessen ist für Schälwaldungen mit
weniger als 80 Ztr. Rindenertrag generell Umwandlung in Hochwald angeordnet
worden.
b) K a s t a n i e n n i e d e r w a 1 d '^). In Weinbaugegenden, in Deutschland
namentlich im Elsaß, zur Erziehung von Rebpfählen geeignet. Erfordernisse: tief-
gründiger, kräftiger Boden, mildes Klima, freie, sonnige Lage. Im Elsaß weisen die
östlichen und südöstlichen Hänge der Vorberge bessere Kastanienniederwälder auf
als die meist trockeneren und flachgründigen Süd- und Westhänge. Umtrieb
15 — 20jährig. Mischung ist auf den besseren Böden zu vermeiden, auf steinigen
und sandigen Standorten mit Robinie vorteilhaft. Wo letztere die Kastanienstock-
ausschläge bedrängt, muß sie bei der im 7 — 10jährigen Alter des Stockschlages not-
wendig werdenden Durchforstung entfernt werden. Gleichzeitig werden die besse-
ren Ausschläge von Zwieseln und stärkeren Seitenästen befreit. Zuwachs auf gu-
tem Boden beträchtlich (14 — 16 fm für ha und Jahr). Hieb im März und April,
in der Pfalz und im Elsaß vielfach aber auch im Herbst. Dem Erfrieren der Stöcke
beugt man dann durch Erd- oder Laubbedeckung vor.
c) R o b i n i e n n i e d e r w a 1 d ^). Weniger für Deutschland, als für Ungarn
bedeutungsvoll; dort sind jetzt nahezu 70 000 ha mit Robinie bestockt. Lockerer,
frischer Sandboden verlangt; auf sterilem, nährstoffarmem Boden versagt die Ro-
binie trotz ihrer zweifellos vorhandenen Genügsamkeit. Immerhin hat sie sich in
1) K a y s i n g , Anbau. Bewirtschaftung und Ertrag des Kastanienniederwaldes. Bericht
Ob. d. XII. Vers, deutscher Forstmänner 1883, S. 118 — Ilse, Ueb. Edelliastanienzucht im
Oberelsaß. AUg. F.- u. J.-Z. 1898, S. 225. — Osterheld, D. Kastanie am pfälzischen Vorge-
birge. Allg. F.- u. J -Z. 1895, S. 22. — H a 1 1 b a u e r , Edelkastanie und Akazie als Waldbäume
im Oberelsaß. Allg. F.- u. J.-Z. 1896, S. 249.
2) Eberts, D. Akazien-Niederwald. .\llg. F.- u. J.-Z. 1899, S. 168, 290; 1900, S. 74. —
Bund, D. Zucht der .\kazie. Ztschr. f. F.- u. Jw. 1899, S. 199. — E. V a d a s , D. Bedeutung
der Robinie f. d. Forstwirtschaft Ungarns. Selmecbanya 1910. — F ekele, Erdeszeti Kiscrietek
1909, Hft. 3 und 4.
Haudb. d. Forstwiss. 3. Aufl. II. 6
82 VI. Lore y, Waldbau.
Ungarn bei der Fkigsandbindung gut bewährt. Für den Niederwald ist sie hervor-
ragend geeignet, weil sie durch zähe Ausschlagsfähigkeit (Stock- und Wurzelausschlag)
und schnelles Wachstum ausgezeichnet ist. Nach der Pflanzung werden die Pflan-
zen auf den Stock gesetzt, am besten im Vorfrühling (März). Umtrieb nach Maß-
gabe des gewünschten Sortimentes 10 — 30 jährig: bei Erzeugung von Rebpfählen
7 — lOjährig; wenn auf Brennholz und Werkholzsortimente gearbeitet wird, 15 —
20jährig; wenn stärkeres Nutzholz verlangt wird, 30 jährig. Höhere Umtriebszeiten
empfehlen sich nicht infolge sehr raschen Zuwachsabfalles vom 30 jährigen Alter an.
Fekete gibt für Ungarn die Waldrente des 30jährigen Robinienniederwaldes mit
35,5 kr, die Bodenrente mit 11,16 kr an und weist darauf lün, daß der Robiniennieder-
wald damit alle anderen Holz- und Betriebsarten weit hinter sich läßt. Aus Deutsch-
land sind bei 15 — 20 jährigem Umtriebe Reinerträge von 90 und mehr Mark pro Jahr
und ha bekannt.
d) E r 1 e n n i e d e r w a 1 d ^): Ist in Ueberschwemmungs-, Stauwasser- und
Niederungsmoorgebieten hin und wieder die einzige Betriebsart, um dem Boden
einen Ertrag abzugewinnen. Beiden Erlen ist ein energisches und lang anhaltendes
Ausschlagsvermögen eigentümlich, das sich bei der Weißerle in Bildung zahlreicher
Wurzelausschläge, bei der Schwarzerle in Bildung von Stockloden bemerkbar macht.
Bei Tiefabschnitt oder Anhäufeln bewurzeln sich die Stockloden oft von selbst. Bei
der Anlage und Ausbesserung von Erlenniederwäldern ist Pflanzung unumgänglich,
da des verdämnienden Gras- und Unkrautwuchses wegen auf natürliche Besamung
nicht zu rechnen ist. Die zur Verwendung kommenden Pflanzen müssen so hoch
sein, daß sie der Verdämmungsgefahr durch das Gras entwachsen sind. Dreijährige,
einmal verschulte vmd gut bewurzelte Pflanzen sind zu empfehlen. Die oft sich nö-
tig machende Hügel- oder Rabattenpflanzung krankt, abgesehen von ihrer Kost-
spieligkeit, an dem Nachteil, daß sich bei Hochwasser die Mäuse in die Aufhöhungen
flüchten und durch Fraß bedeutenden Schaden anrichten. Umtrieb mit Rücksicht
auf den Wertzuwachs stärkerer Sortimente meist höher als in den Stockschlägen
anderer Holzarten, 30-, 40- auch 50 jährig. Die Abtriebszeit muß in den Brüchern
vielfach in den Winter verlegt werden, weil zu anderer Zeit das Gelände nicht zu-
gänglich ist. Baldige Abfuhr der Ernte ist dann selbstverständlich.
e) W e i d e n n i e d e r w a 1 d -). .Je nachdem der Weidenstockschlag der Er-
zeugung von Flechtruten oder von sog. Bandstöcken, d. i. stärkerer zu Faßreifen
benutzter Ausschläge dient, wird er in 1- oder Sj ährigem, im anderen Falle 3- bis
5 jährigem Umtrieb bewirtschaftet. Zur Anlage einer Weidenkultur eignet sich
jeder einigermaßen nährstoffreiche Boden, sobald er die nötige Frische besitzt. Hu-
musreicher, milder Lehmboden mit nicht zu hochstehendem Grundwasser ist am
besten; reiner Sand, Torfboden und vollständig trockener Boden eignen sich nicht.
Ueberschwemmungsgelände ist um so brauchbarci', je weniger infolge der periodisch
wiederkehrenden Ueberstauungen Ersatz für die durch die Nutzung der Ruten aus-
geführten Nährstoffe notwendig ist. Stagnierende Nässe wird von den Weiden nur
dann vertragen, wenn Dammkultur angewendet wird. Die Neuanlage einer Weiden-
1) Forslrc liier, Erlenwirtschaft im Niederungsmoorgebiet der Kgl. Oberförstcrei
Memonien. 1903.
2) Krähe, Die Korbweidenkultur. 5. Aufl. Aachen 1897. — Kern, .achtzehnjährige
praktisclic Erfahrungen im rationellen Korbweidenbau und Bandstockbetriebe. Dresden 1904. —
G r a m s - S c h ü n s e e , Wann und wie sollen die Weidenruten geschnitten werden? AUg.
F.- u J.-Z. 1903, S. 100. — D e r s., Die Bandstockgewinnung, das. 1904, S. 380. — D e r s., Ar-
beiten in der Weidenkultur vom Frühjahr bis zum Herbst, das. 1903, S. 257. — D e r s. , Die
Ausbesserung der nach einigen Jahren schwächer werdenden Weidenkulturcn, da«. 1908, S. 70.
Dio Beslandesbegründung. § 43. 83
kiiltur geschieht im Fnilij;ihr (Mitte März bis Ende Apiil) mit 30 cm langen Steck-
lingen, die in gut rigolten Buden senkreciiL und vollständig im Reilienverband 50 : 10
cm, bei Bandstockerziehung öO : 30 cm eingesteckt werden. Weitere Verbände
führen zur \'erästelung der Ruten und zur leichteren Verunkrautung des Bodens. Die
zahli'eichen Weidenarten luid Kreuzungen wertlen nach der Länge und Stärke ihrer
Ruten, sowie nach der Ausschlagsfähigkeit der Stöcke und deren Dauer beurteilt.
Als Flechtweide empfiehlt sich in erster Linie die Hanfweide (Salix viminalis), weil
sie vorzügliche seidanke Ruten ergibt und jährlichen Schnitt der Ruten, also 1 jäh-
rigen Umtrieb, gut ausiiält. Die ebenfalls empfohlene Mandelweidc (S. amygdalina)
verästelt zu stark. Kreuzungssorten sind in Masse im Handel, taugen aber meist
nicht viel. Für Bandstockbetrieb hält Hauptmann K e r n , eine Autorität auf dem
Gebiete der Weidenzucht, S. dasyclados X purpurea ihrer Schnelhvüchsigkeit we-
gen für besonders geeignet. Ein guter Weidenstockschlag macht dauernde Pflege,
Bodenbearbeitung, Düngung (bei schlechterem Boden), vor allem aber Bekämpfung
des Unkrautes notwendig. Verunkrautete Kulturen gehen zu Grunde. Bei ratio-
neller Pflege und Unterbringen der humosen, die Unkrautsamen beherbergenden
oberen Bodenschicht gelegentlich der erstmaligen Anlage genügt einmaliges Behacken
und Jäten im Frühjahr (Mai, .luni), um das Unkraut so lange zurückzuhalten, bis
es durch den dicliten Schluß der Ruten selbst unterdrückt wird. Wie lange ein Stock
ausschlagfähig bleibt, hängt sowohl von der Weidenart und den Standortsverhält-
nissen, wie auch von der Intensität der Nutzung und der Umtriebszeit ab. Viele
Weidenarten vertragen den 1 jährigen Umtrieb nicht. Schwächer werdende Lei-
stungen bei jährlichem Schnitt können dadurch wieder gehoben werden, daß man
die Ruten hin und wieder 2 jährig werden läßt. Bei Neuanlagen erfolgt der erste
Schnitt zweckmäßigerweise im ersten Winter. Die jedesmalige Nutzung der Aus-
schläge erfolgt in der Zeit der vollkommenen Saftruhe (ab Dezember). Je glatter
am Stock die Ruten mit Hilfe eines scharfen Messers geschnitten werden, um so
gesunder bleibt der Stock ; Stummel müssen möglichst vermieden werden. Bei guter
Behandlung der Stöcke geht die Ausschlagsfähigkeit nur langsam zurück. Rodung
und Neukultur aber empfiehlt sich dann, wenn die Erträge nicht mehr befriedigen.
Je besser der Boden an sich ist oder je mehr durch energische Düngung für Erhaltung
der Produktionskraft des Bodens gesorgt wird, um so länger läßt sich der Termin
der unter Umständen 500 bis 1000 M. für 1 ha erfordernden Neubegi-ündung hinaus-
schieben. In rationellen Flechtweidenbetrieben sind Reinerträge von 300 bis 500 M.
für 1 iia und Jahr keine Seltenheit.
II. K o p f h o 1 z b c t r i e b.
§ 45. Der Betrieb ist gerichtet auf periodische Nutzung der an geköpften Laub-
hölzern und zwar an Baumweiden, Pappeln, Hornbaum, Robinie und Platane ent-
stehenden Ausschläge. Eine weitergehende forstliche Bedeutung kommt dem Be-
trieb nicht zu, da meist nur Flußufer, Niederungsgebiete mit L'eberschwemmungs-
gefahr und Viehweiden als geeignet zur Besetzung mit Kopfbäumen angesehen wer-
den. Hin und wieder ist die Ueberpflanzung rückgängiger Weidenheger mit Kopf-
bäumen von Weide und Pappel erfolgreich gewesen. Bei der Anlage von Kopfbaum-
kulturen empfiehlt sich die \'erwendung bewurzelter Stämmciien aus Baumschulen
mehr als die Verwendung der 2,5 bis 5 m langen, im Ankommen nicht ganz sicheren
unbewurzelten Setzstangen. Der Umtrieb wird je nach Wuchsenergie und Verwen-
dungszweck der Ausschläge bemessen und schwankt zwischen 3 Jahren (bei Weiden)
und 6 — 8 Jahren bei Robinie, Platane usw. Die geemteten Ausschläge finden je
6*
g^ VI. L 0 r e y , Waldbau.
nach der Holzart als Flecht- und Faschinenmaterial, Bindweiden und vielfach als
Futterlaub Verwendung. Bei der Nutzung werden die Ausschläge entweder dicht
am Kopf oder unter Belassung längerer Stummel, sog. Hörner, weggenommen.
HI. S c h n e i t e 1 h o 1 z 1 ) e t r i e b .
§ 46. Der hauptsächhch der Futterlaubgewinnung dienende Betrieb erstreckt
sich auf die zeitweilige Wegnahme von Schattreisern und Ausschlägen von Laubholz-
bäumen, deren Schaft unverkürzt geblieben oder erst in größerer Höhe geköpft worden
ist. Die stärkeren Seitenäste werden gestummelt und die an den verbliebenen 30 cm
langen Aststummeln sich bildenden Ausschläge periodisch genützt. Wiederkehr der
Nutzung wie beim Kopfholzbetrieb.
Drittes Kapitel.
Künstliehe Bestandesbegpündung.
Vorbemerkungen. Arten der Begründung und Wahl zwischen
Saat und Pflanzung.
Unter dem Einfluß des Umstandes, daß die oben (S. 49) genannten Vorteile
der Kahlschlagwirtschaft augenfälliger und deshalb wirksamer hervortreten als ihre
meist erst in der Folgezeit und langsamer bemerkbar werdenden Nachteile, sind Kahl-
schlagbetrieb und mit ihm künstliche Bestandesbegründung mehr und mehr in den
Vordergrund getreten. Der modernen Forstwirtschaft mit ihrem Streben nach sicheren
und raschen Erfolgen ist die Naturverjüngung leider nicht mehr zuverlässig und
nicht mehr schnell genug. Bei der Kunstverjüngung hat der von der Mannbarkeit
der zu verjüngenden Bestände und vom Eintritt der Samenjahre unabhängige Wirt-
schafter den Erfolg seiner Begründungsmaßnahmen relativ sicher in der Hand. Er
kostet zwar Geld, dieser Erfolg, und zwar gemeinhin um so mehr, je sicherer er sein
soll' aber er ist unter sonst normalen Verhältnissen auch da, schnell und leicht, und
diese Vorzüge schlagen die Bedenken in die Flucht, die im Hinblick auf die Un-
sicherheit der Samenherkunft und auf die Forderungen der Bodenpflege in mehr
oder minder erheblichem Maße entstehen müssen.
Die Kunstverjüngung erfolgt als S a a t durch Samen oder als P f 1 a n z u n g
durch Auspflanzen ganzer Pflanzen (Kernpflanzen) oder von Pflanzen-
teilen (Stecklinge, Absenker, Stummelpflanzen usf.).
Wahl zwischen Saat und Pflanzung.
§ 47. Entscheidend ist, wie oben bei der Wahl zwischen natürlicher und künst-
licher Bestandesbegründung, der Erfolg und sein Verhältnis zum Kostenaufwand.
Dasjenige Verjüngungsverfahren ist das richtige, das unter den jeweilig vorliegenden
waldbauüchen und wirtschaftlichen Verhältnissen den schnellsten und sichersten
Erfolg mit den geringsten Kosten verspricht. Im einzelnen sind bei der Wahl zwi-
schen Saat und Pflanzung folgende Punkte zu beachten:
a) die Sicherheit des Erfolges. Die Ouahtät des Kulturmateriales (Samen
bei der Saat, Pflänzlinge bei der Pflanzung) kann hier nicht als Grund pro und contra
verwertet werden, da die Verwendung nur guten Materiales als selbstverständlich vor-
ausgesetzt werden muß. Immerhin bietet auch in dieser Hinsicht wie in vielen anderen
Punkten die Pflanzung eine größere Garantie, denn sie gestattet bei hinreichendem
Vorrat an Pflanzen „Auswahlpflanzung" i), d. h. ausschließliche Vei-wendung kräftiger,
1) Der von M a y r (Waldbau auf naturgeselzl. Grundlage, S. 410, 426) stammende Aus-
druck ist hier nicht im Sinne Mayrs gebrauclit. M. versteht unter ,,.\uswahlptlanzung" ein Ver-
fahren, bei welchem die besten und kräftigten Pflanzen in einem Verbände von 4 — 5 m ausge-
Die Bestandesbegründung. § 47 35
geradschaftiger guter Pflanzen, deren zufriedenstellendes Jugendwachstum eine eben-
solche Weiterentwicklung erwarten läßt. Die Saat gestattet eine derartige künst-
liche Zuchtwahl nicht, sondern bringt auch bei Verwendung besten Saatgutes eine
Menge minderwertiger Pflanzen auf die Fläche. Dieser Nachteil wird allerdings da-
durch wieder ausgeglichen, daß unter der weit größeren Anzahl von Pflanzenindivi-
duen, die bei der Saat auf die Fläche kommen, auch schnellwüchsige und gutver-
anlagte Pflanzen in mehr oder minder großer Menge vorhanden sind. Unter den
Faktoren, welche den Kulturerfolg beeinflussen, ist zunächst die Witterung der er-
sten, auf die Ausführung der Kultur folgenden Wochen oder Monate, eventuell der
nächsten .Jahre zu nennen. Schädlich wirken vor allem Witterungsextreme, wie an-
dauernde Trockenheit, Hitze, zu große Kälte, Fröste usw. Weder Saaten, noch
Pflanzkulturen sind vor Schädigungen durch die je nach der Bodenbeschaffenheit
und nach der Lage mehr oder weniger gefährlichen Witterungsextreme sicher; sie
leiden aber unter sonst gleichen Verhältnissen in verschiedenem Maße. Trocken-
heit z. B., ebenso wie Hitze, werden, obwohl alles auf die Zeit ihres Eintritts ankommt,
Pflänzlingen mit tiefer gehenden Wurzeln oft weniger gefährlich als Keimlingen.
Gleiches gilt von Frösten, soweit es sich um das Ausfrieren handelt. Platzregen
bringen an Hängen durch Abschwemmen einer Saat häufiger Schaden als einer
Pflanzung. Starker Schneefall, längeres Liegenbleiben des Schnees kann einer
jungen Saat, die vollständig überdeckt wird, durch Druck und Lichtentzug eher
nachteilig werden als einer Pflanzung. Andererseits vermag eine dickere Schnee-
decke aber den Frostschaden zu vermindern. Die total von Schnee umlagerten
kleineren Sämlinge leiden meist weniger als die über den Schnee mit ihren Gipfel-
trieben herausragenden höheren Pflänzlinge, die namentlich in Spätwinter, wenn die
Sonne schon wieder höher steigt und unter Tags stärkere Erwärmung erzeugt, leicht
Spätfrostschaden aufweisen. Unter Schneeschaden und zwar Schneedruckschaden
haben die aus Saaten hervorgegangenen Jungbestände auch dann meist mehr zu lei-
den als die Pflanzbestände, wenn sie sehr dicht geschlossen aufwachsen, so daß die
einzelne Pflanze nicht gehörig zu erstarken vermag. Wenn auch die meteorischen Ein-
wirkungen sowohl nach Art wie nach dem Grade ihrer Schädlichkeit nicht anders als
im Sinne eines auf örtlicher Erfahrung beruhenden Wahrscheinlichkeitsschlusses in
Rechnung gezogen werden können, so sind doch Saaten durch sie mehr gefährdet als
Pflanzungen. Gleiches gilt weiter bezüglich des Unkrautwuchses. Es ist deshalb fest-
zuhalten, daß auf nassen, trockenen, mageren Böden, auf allen zur Verunkrautung nei-
genden Standorten, in Frost- und Schneelagen und anderen irgend einer Gefahr aus-
gesetzten Oertlichkeiten die Pflanzung am Platze ist. Wo, wie auf sehr steinigen Orten,
die Herstellung der Pflanzlöcher Schwierigkeiten verursacht, ist die Saat vorzuziehen.
Letztere bewährt sich der größeren Pflanzenzahl wegen auch dort vielfach besser als
die Pflanzung, wo tierische Schädlinge, namentlich Wild, Engerlinge und Piüsselkäfcr
als Kulturfeinde zu fürchten sind. Es steht in solchen Fällen zu hoffen, daß eine zur
Bestandsbildung genügende Anzahl unbeschädigter Pflanzen auch dann übrig bleibt,
wenn dem Tierfraß nicht oder nicht genügend entgegengetreten werden kann.
b) Jugendent Wicklung der einzelnen Pflanze. Holzarten,
die sich in den ersten Jugendjahren langsam entwickeln oder während dieser Zeit einer
aufmerksameren Pflege bedürfen (Tanne, Sitkafichte, Douglasie, Esche, Ahorn, Ulme
usw.) werden am besten gepflanzt, nachdem sie in Forstgärlen bis zu der gewünschten
Stärke herangezogen worden sind. Die Saat empfiehlt sich hingegen für jene Holz-
pflanzt werden. Zwischen je zwei dieser Pflanzen kommen zwei minder gute der gleiclien Holzart,
die nach Mayrs Ansicht späterhin den Zwischenbestand bilden sollen.
86 ^''- Lorey, Waldbau.
arten, deren Sämlinge starke Pfahlwurzeln entwickeln und deshalb nur schwer ver-
setzt werden können (Walnuß, Hickory, Kastanie).
c) Entwicklung der jungen Kultur. Der bei einer gut aufgelaufe-
nen Saat von vornherein meist verhältnismäßig dichte Stand der Pflanzen bewirkt,
wenn nicht Unkräuterwuchs, Tierbeschädigung (durch Wild, Mäuse etc.), Frost und
dergl. dies verhindert, einen dichteren, meist aber erst später eintretenden Schluß
der Kultur. Sehr dichter Stand hemmt die Entwicklung der Einzelpflanze und ist,
sofern nicht durch Verdünnung der Saat, durch Ausheben oder Ausschneiden für Ver-
einzelung der Pflanzen gesorgt wird, ein erhebliches Hindernis für die Entwicklung
der ganzen Kultur. Dichte Saaten stocken sehr bald im Wuchs, sie ,,verbutten".
wenn ihnen nicht rechtzeitig zu Hilfe gekommen wird, und diese Hilfe ist oft recht
kostspielig. Anders die Pflanzung. Durch die gleichmäßige Verteilung der Pflanzen
und den ihnen zur Verfügung gestellten größeren Wachsraum wird den einzelnen In-
dividuen eine weit raschere und normalere Entwicklung ermöglicht. Außerdem hat
die Pflanzung je nach dem Alter der verwendeten Pflanzen einen größeren oder ge-
ringeren Altersvorsprung. Infolgedessen tritt der Schluß in den Pflanzbeständen
meist weit früher ein als in den gleich alten Saaten mit gleichem Abstand der Saat-
reihen oder Saatplätze. In den Pflanzungen kommt als verzögerndes Moment jedoch
die mit der Kulturausführung verbundene Störung des normalen Entwicklungs-
ganges der Einzelpflanze zum Ausdruck. Selbst bei sorgfältigster Kulturausführung
bedeutet das Umsetzen einen gewaltsamen Eingriff in den Lebensprozeß der Pflanze.
Die Notwendigkeit, anzuwachsen und neue Wuizeln an Stelle der beim Umsetzen
beschädigten und verlagerten zu bilden, versetzt die Pflanze oft in einen Zustand
des Kümmerns, der um so anhaltender und intensiver ist, je schlechter die Kultur-
ausführung war und je älter die Pflanze zur Vei^wendung kam. .Je jünger die in den
Pflanzkulturen verwendeten Pflanzen sind, um so leichter wachsen sie an. Wenn
sonst andere Gründe nicht die Verwendung älterer und stärkerer Pflanzen fordern,
sind Pflanzungen mit jüngeren Pflanzen nicht nur billiger, sondern auch sicherer.
d) W i r t s c h a f t s z w e c k. In Gegenden, wo starke Nachfrage nach schwa-
chen, bei den ersten Durchforstungen ausfallenden Sortimenten (Bohnen- und Zaun-
stängelchen, Baumpfählen, Hopfenstangen u. dergl.) vorhanden ist, kann die Saat
mehr am Platze sein als die Pflanzung. Die aus Saaten hervorgegangenen dicht ge-
schlossenen .Jungorte geben weit mehr schwaches Durchforstungsmaterial her als
die Pflanzbestände. Doch läßt sich auch in solciien durch Wahl eines engeren \'er-
bandes etwaigen Bedürfnissen des Marktes nach F^eisstangen u. dergl. gerecht werden.
Meist liegt der Fall aber so, daß für die in großer Menge ausfallenden und gewöhnlich
nur mit größeren Unkosten zu gewinnenden .schwachen Sortimente jede oder wenig-
stens jede nennenswerte Absatzmöglichkeit fehlt. Der Wirtschafter hat dann, z. B.
in allen verkehrsarmen Gegenden, weit mehr Interesse daran, Saaten zu vermeiden,
weil sie ihm nur unnötige Arbeit und Kosten verursachen, ohne wesentliche Gegen-
leistungen zu bieten.
e) Kostenaufwand. Beschaffung des Kultunnateriales und Kosten der
Kulturausführung wirken zusammen, sowohl bei der ersten Anlage wie bei etwaigen
Nachbesserungen. Es fragt sich zunächst, ob zur Saat guter Samen billig zu haben
ist oder nicht, und analog für die Pflanzung, mit welchem Aufwand die erforderliche
Zahl tauglicher Pflanzen beschafft werden kann. Begreiflich liegen die Umstände
von Fall zu Fall sehr verschieden. Gute Samenjahre begünstigen die Saat, während
hoher Samenpreis, sowie nicht genügende Samenvorräte zur Pflanzung drängen. Hat
man in natürlichen Verjüngungen oder auf Saatflächen brauchbares Pflanzenmaterial
Dio Bestandesbegründung. § IT. 87
ko.stenlos zur \'erfüo;uii^, so wird man dieses benutzen. Müssen die nfilwendigen Pflan-
zen aber erst besonders anj^ezo^^en worden, so sind die Art und Weise, wie es gesclueht
(Anzuclit in Schutzbeständen, in Forstgärten oder VVanderi<ämpen usf.), sowie die
Entfernung der Erziehungsstättc von der Kulturfläciie zwei den K(jsten|)reis der Pflan-
zen wesentlich beeinflussende Faktoren. Der Kulturaufwand hängt weiterhin von
der Schwierigkeit und Güte der Kulturausführung ab. Es ist zu erwägen, ob und
welche Bodenvorbereitungen nötig sind. Durch soiciie können insbesondere Saaten
leicht nicht unbeträchtlich verteuert werden. Ebenso gibt es gewisse Pflanzverfah-
ren, z. B. die Hügelpflanzung, die infolge umfänglicher Vorarbeiten kostspielig wer-
den. Bei der Saat geht das Aussäen des Samens, besonders dann, wenn geeignete
Maschinen Verwendung finden können, meist rasch und ohne große Kosten von stat-
ten. Eine Kultur mit älteren und stärkeren Pflanzen pflegt sowohl hinsichtlich der
Beschaffung des Kulturmateriales als auch bezüglich der Kulturausführung im all-
gemeinen teurer zu sein als die Saat. Läßt sich hingegen junges, schwaches Pflanzen-
material und ein einfaches, förderndes Kulturverfahren anwenden, so kann sehr wohl
die Pflanzung die billigere Kulturmethode darstellen und ihrer meist hohen Erfolgs-
sicherheit wegen ratsam sein. Oertliche Erfahrung gibt über den für Nachbesserun-
gen, Kulturpflege (Bekämpfung des Unkrautes, .Abhaltung schädlicher Tiere usf.)
in Aussicht zu nehmenden Kostenaufwand Aufschluß. Schließlich ist bei Beurteilung
der statischen Seite von Saat und Pflanzung der bereits oben erwähnte Altersvor-
sprung der Pflanzung mit in Rechnung zu stellen.
f) Z e i t a u f w a n d. Da die für die Kulturausführung verfügbare Zeit hin und
wieder, z. B. im Gebirge beim raschen Uebergang vom Winter in den Sommer, knapp
bemessen ist, so kann die Schnelligkeit des Kulturvollzuges für die Wahl des ^'er-
fahrens bedingend werden, zumal wenn Arbeitskräfte nur in beschränkter Zahl zu
haben sind und große Flächen zur Kultivierung vorliegen. Etwaige Bodenvorbe-
reitung kann in solchem Falle oft schon im Herbst vor der Kulturzeit vorgenommen
werden, so daß dann im Frühjahr das Kulturgeschäft sich weit rascher erledigen
läßt. Die Saat ist im Hinblick auf den Zeitaufwand im allgemeinen die vorteilhaftere,
d. h. schneller arbeitende Kulturmethode.
g) Die Maßregeln der Bestandeserziehung, insbesondere die Durcli-
forstung, werden durch die Methode der Bestandesbegründung, wenn bei dieser nicht
extreme Verhältnisse, z. B. sehr weiter Verband oder sehr dichte Saat, vorliegen, meist
nur im Jugendalter der Bestände in beachtenswertem Maße beeinflußt. Die Unter-
schiede in der Bestandespflege von Saat- und Pflanzbeständen, die sich in öfterer Wie-
derkehr der Durchforstungen in den Saatbeständen und öfters in Schwierigkeiten bei
der Herstellung einer gleichmäßigen Bestandesdichte in diesen bisweilen bis ins Stan-
genholzalter hinein bemerkbar machen, verschwinden späterhin, vorausgesetzt, daß
in den Saatbeständen rechtzeitig die notwendigen Eingriffe geschehen sind.
h) Rücksicht auf gewisse Nebennutzungen. Grasnutzung,
ev. auch Viehweide, ist in den Pflanzkulturen im allgemeinen leichter ausführbar
als in den Saaten, namentlich in unregelmäßig bestandenen Saaten. Es bieten aber
auch die Zwischenstreifen bei Reihensaaten eine ebenso gute Gelegenheit zur Ent-
nahme des Grases, wenn man nur wartet, bis die Sämlinge einigermaßen heraus
sind. Auch in dicht stehenden Nadelholzvollsaaten läßt sich der Auftrieb von Scha-
fen unter Umständen ohne besondere Schädigung der Kultur bewirken.
i) In gewissen besonderen Fällen des Kulturbetriebes, z. B. bei Anlage
von Alleen, Hecken, Uferbefestigungen, Weidenhegern, kommt stets die Pflanzung
als Kulturmethode zur Anwendung.
88 VI. L 0 r e y , Waldbau.
Im Durchschnitt sämtlicher zu beachtender Faktoren ergibt sich beim Vergleich
von Saat und Pflanzung ein unbedingtes Plus zugunsten der letzteren. Namentlich
sind es die den Pflanzungen eigentümliche raschere Jugendentwicklung und Erstar-
kung, der damit zusammenhängende schnellere Schluß der Kulturen und die sehr
beachtliche größere Widerstandsfähigkeit der Pflanzungen gegen meteorische Ge-
fahren, die der Pflanzung ein nicht wegzuleugnendes Uebergewicht über die Saat
verschaffen. Es ist aber gewiß nicht richtig, die Saat deshalb prinzipiell zu verwerfen,
wie es hin und wieder geschieht. Das vollständige Verdrängen der Saat durch die
Pflanzung ist nur in den höheren Gebirgslagen, nicht aber in der Ebene berechtigt.
Erster Teil.
Herstellung eines kulturfähigen Waldbodens. Urbarmachung.
Die natürliche Bestandesbegründung setzt in allen anderen Fällen, als demjenigen der
Bandbesamung, voraus, daß bereits Wald auf der Fläche vorhanden ist. Bei ihr kommt also
die Frage, wie manche Böden in einen kulturl'äliigen Zustand gebracht werden können, kaum
in Betracht. Hier sollen jetzt einige Fälle kurz berülirt werden, in welchen vor dem Holzanbau
gewisse Hindernisse einer erfolgreichen Kultur beseitigt werden müssen. Es handelt sich um
die Aufforstung von Flächen, welche ohne spezielle Vorbereitung einen brauchbaren Wald-
bestand zu tragen unfähig sind. Im Gegensatz hierzu mögen diejenigen Operationen der Boden-
bearbeitung, welche den Waldboden nicht gleichsam erst schaffen, sondern auf die Steigerung
eines bereits vorhandenen Bodenproduktionsvermögens, bezw. auf besseres Anschlagen einer
Mast, sicheres Gelingen einer Kultur, kräftigere Entwickelung der Bestands gerichtet sind,
als unmittelbare Maßnahmen der Bestandesbegründung und -erziehung betrachtet und an der
betreffenden Steell (als Vorarbeiten etc.) besprochen werden. Die hier in Betracht kommenden
Fälle (,,Oedland" im weitesten Sinne) sind vornehmlich: Sümpfe, Flugsand, Raseneisenstein
und Ortstein, Heide, Torfmoore. Grundlegende Erörterungen in bezug auf die in den Paragra-
phen 48 bis einschl. 53 besprochenen Arbeiten finden sich unter III. ,, Forstlichen Standorts-
lehre" (Handbuch, 1. Bd.), auf welche hier verwiesen werden muß^).
§ 48. I. Behandlung von Sümpfen^): Die Frage bildet auch einen
Gegenstand der Besprechung für den Forstschutz (vgl. Handbuch 2. Bd. VII.),
weshalb hier nur einige Bemerkungen mehr allgemeiner Natur eine Stelle finden
sollen. .Jeder Ueberschuß an Wasser (für verschiedene Holzarten verschieden be-
messen) ist im allgemeinen dem Holzwuchs nachteilig, ja macht diesen, wenn eine ge-
wisse Grenze überschritten ist, meist unmöglich. Sollen Orte mit Wasserüberschuß
kultiviert werden, so ist das Wasser vorher zu entfernen. Solche Orte finden sich in
der Niederung, sowie in den ebenen Lagen und Becken der Gebirge. Im allgemeinen
erleichtert das Höhenland den Abzug der atmosphärischen Niederschläge durch seine
vielfach geneigte Lage (Einfluß der Schichtung, Wasseradern etc.). Alle Entwässe-
rungsarbeiten sind nur auf Grund sorgfältigster Begutachtung aller ihrer Vor- und
Nachteile einzuleiten. Erstere bestehen — abgesehen von dem indirekten Gewinn,
welcher einer Gegend aus der Vermehrung ihres Waldbestandes erwachsen kann — in
der Hauptsache in der Ermöglichung oder wenigstens Steigerung der Holzproduktion,
letztere in den aufgewendeten Kosten, sowie in der durch Wasserentzug etwa herbei-
geführten Schädigung umliegenden Geländes. Nicht dringend genug kann gefordert
werden, die gegenseitige Abwägung nicht auf das in Frage stehende Grundstück allein
1) Zu vergl. R a in a n n , Forstliche Bodenkunde und Standortslehre. Berlin, 1893j
dass. 3. Aufl. unter dem Titel Bodenkunde. 1911.
2) \gl. Kaiser, ,, Beiträge zur Pflege der Bodenwirtschaft mit besonderer Rücksicht
auf die Wasserstandsfrage". Berlin, bei Springer, 1883. Insbes. S. 46 ff — B u r c k h a r d t ,
„Säen und Pflanzen", 6. .\ufl. S. 546 ff. — „.\us dem Walde" VIII. von 1877, S. 66 ff. — R e u ß,
„Ueber Entwässerung von Gebirgswaldungen" Prag 1874. — Kraft, „Zur Entwässerungs-
frage" in ,,Aus dem Walde" VI, S. 112. — E m e i s , Ueber Entwässerung des Kulturbodens.
Allg. F.- u J.-Z. 1901, S, 46.
Die BeslandcsbDgiündung. § 48. §9
zu beziehen, sondern den Einfluß der geplanten \\'asserstandsverändcrung auf die
Umgebung mit zu berücksichtigen '■). Die Zuwachsvcrluste, welche hier eintreten kön-
nen, ergeben in Verbindung mit dem durch die Entwässerung geforderten Baraufwand
sowie den Kosten der nachfolgenden Kultur oft eine Aufwandssumme, welche geeignet
ist, jeden noch so hohen auf der Fläche selbst zu erzielenden Holzwert zu paralysieren,
bezw. geradezu in einen finanzwirtschaftlichen Verlust umzukehren. Insbesondere
hat eine solche weitere Umschau liinsichtlich der Sumpfstellcn der Gebirge einzutreten.
Jedenfalls sollte, wenn irgend möglich, das an einer Stelle freigegebene Wasser dem
Walde nicht gänzlich entzogen werden und damit für den Holzwuchs verloren gehen,
sondern zur Bewässerung trockener Partien venvendet werden, indem man es nach
solchen hinleitet, in Löchern, Gräben, kleinen Sammclweihern etc. staut und damit
seitliches Einsickern in den Boden, sowie reichlichere Verdunstung, also vermehrte
Feuchtigkeit und hierdurch besseren Pflanzenwuchs herbeiführt. In manchen Fällen
ist man offenbar mit der Entwässerung zu weit gegangen. Da und dort haben sich
deren Nachteile so bald gezeigt, daß man die bezüglichen Arbeiten unterbrochen,
Gräben wieder beseitigt hat usw. Die ,,Wald- und Wasserfrage" — von einer solchen
wird mit Recht geradezu gesprochen — bildete namentlich in der neueren Zeit, wo
aucli die Anlage von Wasserleitungen für Gemeinwesen vielfach zur brennenden Ta-
gesfrage geworden ist, häufig den Gegenstand eingehender Erörterungen bei Ver-
sammlungen und in der Literatur. In Hinsicht auf Entwässerungen wurde hierbei
stets zu äußerster Vorsicht gemahnt und der Grundsatz vertreten, daß das im Walde
vorliandene Wasser dem Walde tunlichst erhalten bleiben solle, demgemäß das irgend-
wo im Uebermaß auftretende Wasser entsprechend zu verteilen, nicht aber zu ent-
führen sei.
Erweist sich die Entfernung des Wassers auf Freiflächen, Kulturen usw. als
rätlich, so sind zunächst die Ursachen des Wasserüberschusses festzustellen. Stets
rührt dieser von übermäßiger, die Verdunstung und den Abfluß übersteigender Wasser-
zufuhr her. Diese ist für die Folge hintanzuhalten: Dämme gegen Ueberschwemmung
seitens fließender Gewässer; oberhalb der zu schützenden Fläche anzulegende Sam-
melgräben zum Auffangen und demnächstiger Ableitung von Wassermengen, die an
Hängen zumal auf undurchlassender Schicht herabkommen. Oder es ist der Abfluß,
bezw. die Verdunstung zu beschleunigen, damit das gewünschte Verhältnis hergestellt
werde. Bilden undurchlassende, nicht zu mächtige Schichten (in ebener Lage oder in
Einsenkungen) das Hindernis des Wasserabzugs, so kann sich unter Umständen schon
das stellenweise Durchstoßen derselben als Abhilfe empfehlen. Anderenfalls müssen
etwa vorhandene Wasserrinnen (Gräben, Bäche etc.) vermehrtes Gefäll erhalten, oder
es sind Grabensysteme neu anzulegen. Hierbei finden offene Gräben im Walde mehr
Anwendung als bedeckte (Drains hauptsächlich nur zur Entwässerung kleinerer
Stellen in Forstgärten usw.). Ein genaues Nivellement ist oft erforderlich, bei größeren
Objekten (Entwässerung ausgedehnterer Flächen) meist unentbehrlich. Sauggräben
zum unmittelbaren Herausziehen des Wassers aus dem Boden, Verbindungsgräben,
Abzugsgräben werden bei der Durchführung in geeigneter Weise zu einem Graben-
system verbunden.
In allen Fällen ist zu ei"wägen, ob vollständige Wegführung des W'assers (oft in-
folge dessen zu weit gesteigerte Trockenheit im Sommer!) an der betr. Oertlichkeit
angezeigt ist, oder ob nicht vielmehr schon die Senkung des Wasserspiegels um einen
gewissen Betrag die gewünschte Kultur ermöghcht. In letzterem Falle wird auf die
1) Vergl. Re t Is t a d l, ,,Ueber den Einfluß der Senkung von Seespiegeln a\if benachbarte
Forsten", in ,,Aus dem Walde" VII. von 1876, S. 219 ff.
90 VI. Lorey, Waldbau.
Verbindung der Graben mit den natürlichen Wasserabzugsrinnen (Bäche, Flüsse) ver-
zichtet; entsprechend tief eingeschnittene Stückgräben, Löcher usw. können genügen,
der Wasserstand in ihnen gestattet die Beurteilung des Erfolges.
§ 49. II. F 1 u g s a n d 1) : Der als Flugsand bezeichnete feinkörnige, bindemittel-
arme und deshalb vom Winde leicht fortbewegte Sand findet sich am Meere als Dünen-
sand und im Binnenland als Binnensand. Seine Entstehung ist am Meere auf die fort-
gesetzte Zuführung neuer Sandmassen, im Binnenlande meist auf fehlerhafte wirt-
schaftliche Behandlung leichter Sandböden, Waldverwüstung, intensive Streu- und
Weidenutzung und Liegenlassen der entwaldeten und abgebrannten Flächen zurück-
zuführen. Man bezeichnet die zum Oedland gehörenden binnenländischen Sandge-
biete vielfach als Sandschollen oder Sandschellen und erkennt in ihrer L^eberführung
in Kulturboden gleichwie in der Bindung und Aufforstung des Dünensandes eine der
wichtigsten Aufgaben der modernen Kulturtechnik. Voraussetzung für die forstliche
Kultur des Flugsandes ist seine Bindung, d. h. seine Beruhigung mit Hilfe der
sog. Deckwerke.
1 . Bindung und Kultur von B i n n e n s a n d ^). Als Vorarbeit
empfiehlt sich neben Fernhaltung aller bodenlockernden Maßnahmen (Vieheintrieb,
Befahren mit Fuhrwerken) reine mechanische Einebnung der gröbsten Unebenheiten,
bestehend in sanfter, glatter Abschrägung schroffer Ränder der ausgewehten Sand-
kehlen, Abtragung der Firste und Köpfe der Dünen, Abböschung steiler, zerklüfteter
Seiten. In den Sandkehlen wirkt Aufstellen von Fangzäunen und Einfüllung sperri-
gen Reisigs und Strauchwerks planierend. Die dann folgende Deckung, d. h.
die Beschwerung des Landes mit Reisig, beasteten Kiefernstangen, Hackreisig (Häck-
sel), Heidekraut, Schilf, Besenpfrieme, Rohr, Binsen oder anderen sich örtlich dar-
bietenden LInkräutern, besser noch mit schachbrettförmig, streifenweise oder quartier-
weise ausgelegten Plaggen von Rasen, Heide oder Beerkräutern beginnt auf der Wind-
seite und sorgt für Beruhigung der dem Winde am meisten exponierten Rücken und
Seiten der Sandhügel. Es ist selbstverständlich, daß von der Art und Dichte der
Deckung der Erfolg wesentlich beeinflußt wird. Je leichter das Deckmaterial, um so
notwendiger ist es, durch verankerte Querstangen, Bewerfen mit Sand usf. für
Festliegen zu sorgen. Plaggen, die mit der Wurzelschicht nach unten gelegt, anzu-
wachsen vermögen, sind am sichersten, aber am teuersten. Die Verwendung von
aufrecht gestellten Flechtzäunen (Koupierzäunen), die netzförmig die zu bindende
Fläche durchziehen und zum Brechen des Windes und Aufhalten des bewegten
Sandes dienen, ist beim Dünenbau häufiger. Sie haben sich aber auch bei der
Bindung von Binnensanden und zwar um so besser bewährt, je enger sie gestellt und
je kleiner dann die von ihnen gebildeten Quartiere wurden. Die Aufforstung der
Flugsandböden erfolgt gleichzeitig mit ihrer Festlegung oder bald hinterher und ge-
sclüeht durch Pflanzung von Kiefer, Bergkiefer, Bankskiefer, Pechkiefer. Hin und
wieder sind auch Laubhölzer, namentlich Weiden und Pappeln, in Ungarn in großem
Maßstabe und mit Erfolg die Robinie, verwendet worden. Die frülier öfters angewen-
dete Saat (Zapfensaat) hat sich heim Kiefernanbau weniger bewährt als die Pflan-
zung mit Ballenpflanzen oder kräftigen •2jährigen verschulten ballenlosen Pflanzen.
Kann Düngung mit der Pflanzung verbunden werden, so ist das im Interesse der Er-
1) Vergl. Wessely, ,,Der Europäisclie Flugsand und seine Kultur", 1873.
2) K e r n e r , Die Aufrorstung des Flugsandes im ungarischen Tiefland. Oesterr. Munals-
scliritt f. Forstwesen 1865, S. 3. — B u r c k h a r d t , Zur Kultur des Flugsandes. A. d. Walde,
8. Hft. 1877, S. 167. — M e s c h w i t z , Die Flugsandbiudung und der Wiederanbau auf einer
Militärpachtfläche des Dresdener Forstreviers. Thar. Jhrb. 1882, S. 138.
Die Beslandosbct'rüiKjung. § 49. 91
höhunp; des meist nur sehr sreririiron N;ihrstoff<rehaRes des Flutjsiindes iiiii' erwünscht.
Besonders wertvoll ist die Zufiihrunfi; von Stickstoff durcii Lupinenanbau oder durch
Beigabe von Moorerde und anderen Humusstoffen bei Herstellung der Pflanzlöcher.
"2. Bin d u n g u n d Kult u r v o n D ü n e n s a n d '). DaO speziell der
Bindung und evcut. Bewaldung der Düne längs der Meeresküste im allgemeinen Kul-
turinteresse eine hervorragende Bedeutung zukommt, liegt auf rlci' Hand. Umfäng-
liche Arbeiten haben in dieser Richtung z. B. in Südwestfrankreich, aber auch in
den deutschen Küstengebieten (z. B. Ostpreußen: kurische Nehrung usw.) stattgefun-
den und werden mit großer Energie fortgesetzt. Die wichtigste vorbereitende Arbeit
bei der Aufforstung des Dünengeländes ist die S c h a f f u n g e i n e r V o r d ü n e,
die den Zweck hat, den von der See kommenden Sand auch längs der See festzuhalten
und die unausgesetzte Sandzufuhr nach dem Festlande zu verhindern. Die Vordüne
wird dadurch künstlich angelegt, daß man entlang der Küste und in entsprechender
Entfernung vom Wasserspiegel (40 — 50 m an der Ostsee, 75 — 100 m an der Nordsee)
in der Richtung der geplanten Düne zwei 0.6 — 0,7 m hohe lockre Strauchzäune in
2 m Abstand voneinander im Frühjahr fertigt. Sobald sie versandet sind, was inner-
halb der folgenden Wochen geschieht, werden 2 neue Zäune auf der Krone des ent-
standenen Sanddammes errichtet, die bis zum Herbst ebenfalls versanden. Der so
gebildete 1,5 m hohe Sandwall wird im Herbst mit Sandgras (Amophila arenaria oder
Elymus arenarius) bepflanzt und zwar auf der Seeseite netzweise, auf der Binnenseite
nur in parallelen, 2 m voneinander entfernten senkrecht an der Dünenböschung her-
ablaufenden Reihen. Bei der Graspflanzung werden die auf der seeseitigen Böschung
angewendeten 4 c[m großen Netze auch im Innern mit Grasbüscheln besetzt, sie wer-
den ,,ausgebüschelt" und zwar um so dichter, je höher an der Dammkrone sie liegen.
Da das Gras den vom Strande antreibenden Sand festhält, verbreitert und erhöht sich
die Vordüne nach und nach. Je breiter ihre Basis im Vergleich zur Höhe wird und
je flacher ihre Außenböschung ist, um so größer ist ihre Widerstandsfähigkeit. Die
fertige, an der Ostsee 6 m, an der Nordsee 8 — 10 m hohe Vordüne bedarf einer stän-
digen und sorgfältigen Unterhaltung, Pflege und Beaufsichtigung, damit den durch
Wasser und Wind herbeigeführten Schäden sofort mit Graspflanzungen und Errich-
tung von Strauchzäunen entgegengetreten werden kann. Sobald die Vordüne den
von der See ausgeworfenen Sand vollständig zurückhält, kann mit der Festlegung und
Aufforstung der landeinwärts gelegenen Dünenrücken, der Binnendünen, begonnen
werden. Man folgt hierbei der Windrichtung, beginnt also hinter der Vordüne und
rückt landeinwärts vor. Von dem früher geübten Verfahren, die Festlegung der Dü-
nen durch Sandgraspflanzung zu besorgen und erst nach 5 bis 6 Jahren die Aufforstung
folgen zu lassen, ist man jetzt abgekommen, weil die Aufforstung in diesem Falle in
dem mittlerweile fest gewordenen Boden tiefgehende und kostspielige Lockerung not-
wendig macht. Die Festlegung der Dünen gescliieht jetzt meist durch Bestrauchung,
d. h. durch netzförmiges Bestecken mit Nadelholzreisig oder abgestorbenem Rohr.
Man wählt hierbei je nach der Gefährlichkeit der festzulegenden Stellen eine engere
oder größere Maschenweite und steckt an besonders gefährdeten Oertlichkeiten noch
die Diagonalen der viereckigen Felder aus. Das Besteck wird 50 cm lang genommen
und mittels Spatens so in den Boden geklemmt, daß ^/g herausstehen. Im unmittel-
baren Anschluß an die im Herbst vorgenommene Bestrauchung werden in den Ma-
1) Gerhardt, Handbuch de.s deutsclien DOnenbaues. Berlin 1900. — J e n l s c li ,
Dünenbefe-stigung und Aufforstung im südwestliclien Frankreich. Forstw. Zenlialbl. 1907,
S. 10, 77. — O u § r i t e t , Boiseinent de dunes et de bruyüies en Daneniarl<. Bull, de la Soc.
centrale foresti^re de Belgique 1909, S. 1,t7. — Bock, Der Diuienbau. Bericlit üli. d. Vers,
des deutschen Forstvereins zu Danzig 1906, S. 70.
92 ■^ J- L 0 r e y , Waldbau.
sehen je nach ihrer Größe mehr oder weniger Pflanzplätze für die im zeitigen Früh-
jahr folgende Bepflanzung fertig gemacht. Die Vorbereitung dieser Plätze geschieht
am besten durch Mischung des Sandes mit Humus, humosen Lehm oder Moorerde,
also durch Düngung. Die Beigabe von Kainit und Superphosphaten scheint nach den
vorliegenden Erfahrungen ebenfalls günstig zu wirken. Die Pflanzplätze dürfen, um
den notwendigen schnellen Schluß der Kultur zu erreichen, nicht über 1 m von einan-
der entfernt sein und werden so zeitig wie möglich im Frühjahr mit je 4 — 8 Pflanzen
bester Beschaffenheit bepflanzt, damit kleine Horste entstehen. Als Holzart kom-
men hauptsächüch Kiefer und Bergkiefer, in beschränktem Maße Fichte und Weiß-
fichte, in den feuchten und nassen Einsenkungen Schwarzerle und Birke in Betracht.
Außer diesen sind stellenweise Schwarzkiefer, Pech- und Bankskiefer, auch Rüster,
Pappeln, Weiden und Weißerle angebaut worden. Am besten hat sich nach den in
Dänemark und Ostpreußen gesammelten Erfahrungen die Bergkiefer und zwar P.
montana var. uncinata bewährt. Sie hält sich dicht geschlossen, schützt dementspre-
chend den Boden vor den schädigenden Einflüssen von Wind und Sonne gut und ihre
dichten, derben Nadeln sind gegen die vom Winde angetriebenen Sandkörner und
Eiskrystalle ebenso unempfindlich wie es die ganze Pflanze gegen Winterfrost, plötz-
liche Temperaturschwankungen und Sturm ist. Die gemeine Kiefer ist den Einflüssen
der See und Seewinde weniger gewachsen und stellt sich auf trockenem, armen Dünen-
boden leicht Hcht. Eine wesentliche Bodenbesserung ist von ihr hier nicht zu erwarten.
Auf frischeren Stellen und in geschützteren Lagen aber ist sie brauchbar. Man pflanzt
sie meist Ijährig, die Bergkiefer 2jährig. Fichte ist weder wind- noch seefest und paßt
nicht für die Seenähe. Viel geeigneter scheint infolge größerer Widerstandsfähigkeit
die Sitkafichte zu sein. Die amerikanische Weißfichte (Picea alba), die man mehr-
fach zur Bildung von Windmänteln benutzte, ist ebenso empfindlich wie excelsa,
macht aber geringere Ansprüche an die Bodengüte und Bodenfrische. Die Schwarz-
erle endlich hat sich, hinreichende Feuchtigkeit vorausgesetzt, ganz befriedigend selbst
auf ziemlich ausgewaschenem Seesand entwickelt und ist gegen Wind und Sand ähn-
lich unempfindlich wie die Hakenkiefer. Die Kosten der Aufforstung einschl. Be-
strauchung sind natürlich hoch und stellen sich für 1 ha auf 1000 — 1200 Mk. Bei
Verwendung guter Pflanzen sind größere Nachbesserungen aber nicht nötig. Sie
müssen aber, auch wenn es sich um kleine Fehlstellen handelt, so schnell wie möglich
und sorgfältig ausgeführt werden, damit der Boden bald gedeckt wird.
§ 50. HL Raseneisenstein und Ortstein i): Die durch anorgani-
sche oder organische Absätze gebildeten Schichten beeinträchtigen den Pflanzen-
wuchs, indem sie das Eindringen der Wurzeln sowie des Wassers in die Tiefe (Versump-
fung) und das Aufsteigen des Grundwassers aus der Tiefe hindern. Mangelhafte Bo-
dendurchlüftung wirkt ebenfalls schädlich. Bei der häufigsten hierher gehörigen Er-
scheinung, der Ortsteinbildung, kommt hinzu, daß die zum Entstehen des Ortsteins
führende Anhäufung von Trockentorf eine totale Auslaugung und Verdichtung der
oberen Bodenschicht zur Folge hat. Diese Verarmung und Verödung der Ortstein-
1) Ueber Wesen und Entstehung von Ortstein, vgl. Handbuch Bd. I, III. Slandortslehre.
— Vgl. überdies .\ 1 b e r t , Beitrag zur Kenntnis der Ortsteinbildung. Zeitschr. f. F.- u. Jw.
1910, S. 327. — A. Mayer, Ueber die Ursachen der Bildung von Ortstein. Fühlings Landw.
Ztg. 1910, S. 315. — E m e i s , Waldbauliche Forschungen und Betrachtungen. Berlin 1876. —
D e r s. , Die Ursachen der Ortsteinbildung und ihr Einfluß auf die Landeskultur in Schleswig-
Holstein. AUg. F.- u. J.-Z. 19U8, S. 1. — Otto, Erfahrungen über die Oedlandaufforstungen im
Heidegebiet Nordwesldeutschlands. Bericht üb. d. 4. Vers. d. deutsch. Forstver. 1903, S. 83 ff. —
S c h i m m e 1 p f e n n i g , ,,Der Dampfpflug im Dienste der Forstwirtschaft" in der Zeitschr.
für Forst- u. Jagdwesen \'. Band (1873) S. 161 ff. — Müller, Die natürlichen Humusformen,
1887. — R a m a n n , Bildung und Kultur des Ortsteins. Zeitschr. f. Forst- u. J. 1886, S. 14.
Die Bestandesbegründung. § 50. 93
böden ist in gleicliem Maße mitwirkend bei deren Minderwertigkeit wie ihre durch
die Ortsleinbildung bedingte Flacligründigkeit. Sowohl Raseneisenstein wie Ortstein
bilden sich, wo die Bedingungen dafür gegeben sind, fortwährend. Mittels strecken-
weisen Durchbrechens jener Schichten wird die Verbindung zwischen Oberboden
und Untergrund hergestellt. Beim Raseneisenstein erfolgt das Heravisbrechen zu-
meist unter Anwendung von Spitzhaue und Rodhacke. Da ^h mächtige geschlossene
Raseneisensteinbänke meist in feuchten Gebieten finden, wo eine Senkung des Was-
serspiegels der Kultur voraufgehen muß, und die Bearbeitung des Raseneisensteins
teuer, die erzogenen Bestände aber oft minderwertig sind, bietet die waldbauliche
Behandlung solcher Flächen häufig keinen greifbaren Vorteil.
Auch beim Ortstein muß, wenn er nicht zu tief und mächtig liegt und wenn Ab-
führung eines etwa vorhandenen Wasserüberschusses nicht notwendig ist, eine gründ-
liche Zerstörung der verhärteten Schicht eintreten. Das kann nur durch Tiefumbruch
geschehen. Welcher Werkzeuge man sich hierbei bedient, hängtvonder GrößeundEben-
heitderFlächeab. Die frühervielfach angewendete Methode, mit Hilfe des Spatens den
Ortstein zu durchbrechen und durch Umkehren der Schichtlage herauszuheben, ist
für den Großbetrieb zu teuer, denn der ha kostet selbst bei nur streifenweisem Rigolen
200 — 300 M. Im Großbetriebe kommt nur die Pflugkultur in Betracht; sie gestattet,
die Ortsteinschicht, so lange sich diese in erreichbarer Tiefe befindet, zu durchbrechen
und nach oben zu bringen. Eine Methode, die den Ortstein nicht an die Oberfläche bringt,
hat keinen AA'ert. weil sich Ortstein nur bei vollem Luftzutritt zersetzt. Bei der Pflug-
kultur wendet man teils Gespann-, teils Dampfpflüge an. Letztere arbeiten ohne
wesentliche Erhöhung der Kosten besser, da sie einen bis 80 cm tiefen Umbruch fertig
bringen, während der von Pferden gezogene Pflug nicht tiefer als ÖO cm arbeitet. Ge-
Möhnlich werden beim Pflügen mit Pferden 2 Pflüge verwendet. Die von einem \'or-
pfluge oder Schälpfluge geöffnete Furche vrird von dem nachfolgenden Untergrund-
pfluge tiefer durchgearbeitet und umgebrochen. Ob voller oder nur teilweiser Umbiiich
der Fläche angezeigt ist, hängt von den Verhältnissen ab. Der geringere Kostenauf-
wand der streifenweisen Bearbeitung spricht scheinbar für allgemeinere Anwendung
dieser Methode. Im großen ganzen aber ist der Kostenunterschied kein sehr erheb-
licher, so daß namenUich beim Dampfpflügen \'ollumbruch der Fläche ratsam ist. Bei
streifenweisem Pflügen müssen die gepflügten Streifen mindestens 2 bis 3 m breit
genommen werden. Sclmiale Streifen haben den Nachteil, daß der Boden hier in ver-
stärktem Maße ausgelaugt wird, weil sich die Sickerwässer nach den durchbrochenen
Stellen hinziehen. Aus demselben Grunde ist auch das löcherweise Durchbrechen der
Ortsteinschicht nicht empfehlenswert. Löcherweise Bodenbearbeitung läßt sich aber
gewölmlich auf unebnen, hügeligen Ortsteinböden nicht umgehen, weil hier mit dem
Pfluge nichts zu machen ist. In solchem Falle ist es erwünscht, die Löcher wenigstens
möglichst groß zu machen, da sie sonst, ebenso wie sclmiale Streifen, Gefahr laufen,
bei dem verhältnismäßig raschen Nachwachsen des Ortsteins sich schneller wieder zu
schließen, ehe die Pflanze mit ihren Wurzeln in den Untergrund gelangt ist. Die
Kosten des Pflügens stellen sich bei Venvendung von Gespannpflügen bei gleicher
Leistung höher als bei Venvendung des Dampfpfluges, sind aber im ersteren Falle
meist etwas geringer, weil weniger tief gepflügt wird. Sie schwanken bei Gespann-
pflügen und streifenweiser Bodenbearbeitung zwischen 60 und 110 Mk. und stellen
sich bei Dampfpflugarbeit und Vollumbruch selbst unter schwierigen Verhältnissen
im allgemeinen nicht höher als 100 bis 110 Mk. für 1 ha. Je größer die Flächen sind,
die mit dem Dampfpfluge gepflügt werden, um so billiger wird die Arbeit. Stark ver-
heidete Ortsteinböden werden vor dem Dampfpflügen zweckmäßigerweise abgebrannt,
94 ^I L o r c- y , Waldbau.
um die Arbeit zu erleichtern und das Unterbringen der schwer zersetzbaren Heide-
polster zu verhindern.
Liegt die Ortsteinschicht sehr tief oder unter einer Moorschicht, handelt es sich
in Bodeneinsenkungen um Abführung überschüssigen Wassers und um Beseitigung
stauender Nässe, so läßt sich die notwendige Entwässerung zwar hin und wieder mit
der Pflugkultur verbinden, indem offen liegen bleibende Furchen so weit vertieft
werden, daß sie als Abzugsgräben wirken, im allgemeinen aber wird in den angeführ-
ten Fällen Rabattierung notwendig werden, um den Boden in kulturfähigen
Zustand zu bringen. Man liebt gleichlaufende, hinreii'hend tiefe (1 — 1,2 m) und die
Ortsteinschicht durchbrechende Gräben aus und bringt den Ortstein und die unter
diesem liegende unverdorbene Bodenschicht auf die Beete oder Bänke, die, wenn die
Rabattierung wirksam sein soll, möglichst nicht über 4 m breit gemacht werden dür-
fen. .Je breiter sie werden, um so billiger stellt sich zwar die an und für sich sehr kost-
spielige Kulturmaßregel, um so mehr läßt aber auch die Wirksamkeit der Rabattie-
rung nach. Bei richtiger Ausführung hat sich die Rabattenkultui' meist als ein sehr
vorteilhaftes \'erfahren gezeigt, das sowohl in bezug auf Bodenverbesserung durch
Trockenlegung und bessere Durchlüftung, wie auch in bezug auf das Wachstum der
auf den Beeten geschaffenen Kulturen voll befriedigte. Leider ist es, sobald die Grä-
ben in der wünschenswerten nahen Entfernung voneinander gezogen werden, so
teuer, daß seine Anwendung im Großbetrieb nicht rentabel ist. Die Kosten der Ra-
battierung betragen für 1 ha 250 — 350 Mk.
Ob sich überhaupt sowohl bei diesem Verfahren wie bei der billigeren Pflug-
kultur der Aufwand für die Bodenmelioration im Holzertrage bezahlt macht, ist von
Fall zu Fall Gegenstand besonderer Rechnung. Vielenorts scheint der Holzwuchs
die Ausgabe zu lohnen i).
In engstem Zusammenhange mit der Urbarmachung der Ortsteinböden steht
die der
§ 5L IV. H e i d e b ö d e n -). In vielen Fällen, aber keineswegs immer, sind
die vorgenannten Ortsteinböden mit Heideböden identisch. Die Ortsteinbildung ist,
wie große ausgedehnte, völlig ortsteinfreie Heideflächen beweisen, keine Vorbedingung
der Verheidung, wohl aber finden sich Ortsteinbildung und Verheidung oft zusammen
und sind auf die schon oben genannten Lirsachen (Waldverwüstung, rücksichtslose
Streunutzung, Trockentorfbildung und damit zusammenhängend Auslaugung, Aus-
trocknung und Verdichtung der oberen Bodenschicht, Vermoorung, Senkung des
Grundwasserspiegels) zurückzuführen. In Deutschland finden sich große durch Zu-
rücktreten des Baumwuelises und durch mehr oder weniger üppiges Auftreten der
Heidepflanzen, namentlich von Calluua vulgaris und Erica tetralix, ausgezeichnete
Heidegebiete im Nordwesten (Lüneburger Heide, Ostfriesland, Schleswig-Holstein,
Westfalen, Mecklenburg), an der Ostseeküste (Mecklenburg, Pommern, Westpreu-
1) Kraft, lieber Ortsteinkulturen, Zeitschr. t. Forst- u. J. 1891, 709. — Orlstein-
aufforstung mit Kiefer in der preuß. Oberförsterei Nienburg (Vers, des Vereins deutscher forsll.
Versuchsanstalten, 1894, cfr. Allg. Forst- u. ,J.-Z. 1895, 26). f
2) G r a e b n e r , Die Heide Norddeutschlands und die sich anscliließenden Formalionen
in biologischer Betrachtung, 1901. 2. Auil. u. d. Tit.: Handbuch der Hcidckultur, 1904. — Erd-
mann, Die Heideauftorstung und die weitere Behandlung der aus ihr hervorgegangenen Be-
stände. Berlin 1904. — D e r s., Die nordwestdeutsche Heide in forstlicher Beziehung. Berlin
1907. — Emeis, Waldbauliche Forschungen, Berlin 1876. — Borggreve, Heide und
Wald. Berlin 1875. — Bericht üb. d. IV. Vers, des deutschen Forstvereins zu Kiel 1903, S. 8.3 ff.
(Otto, O u a e t - F a s 1 e m , van S c h e r m b e e k , H a h n); desgl. \I1. Vers, zu Danzig
1906 (v. S y d o w: Forstliche Behandlung der Oedländereien in Westpreußen, S. 49). — Met z-
ger, Ueber die Heide in Jütland und ileren Aufforstung. Mündener forsll. Hefte XIII. 1898
und sehr zahheiche andere .Artikel der forstl. Zeilächriften.
Die Beslandesbegründung. § 51. 95
ßen), in Brandenburg (Prignitz) und in der Lausitz. An das nordwesldcnlsclie Heide-
gebiel sehließen die jütländisehen und nicderländiselien Heiden an.
Leber die Frasre der Heideaufrcirsliim; wird sclmii seit lange Streil gcffilirt, d. Ii. insl)eson-
dere aiicli daniber. ob unsere aiisgedelnilen lleidefläclien in frülierer Zeit einmal \Sald gelrairen
Ilaben oder nicht, sowie darüber, ob die Kosten etwaiger Aufforstung sicli in den zu crzielienden
Bestämlen lohnen werden. Die Debatte im einzelnen zu verfolgen, würde hier zu weit führen.
Der (ledanke, die ausgedehnten Heideflächen dem Walde zu gewinnen, liegt gewiß ludu'. uni-
somehr, als es sieh zum großen Teile um ein Wiedergewinnen handelt.
Denn von einem großen Teile des jetzigen nordwestdeutschen Heidegebietes steht fest,
daß sich früher, und zwar vor nicht langer Zeit, Wald dort vorfand, wo jetzt die Heide herrscht.
Der zunächst im ehemaligen Kgr. Hannover durch Burckhardt angeregte und lebhaft geförderte
Aufforstungsgedanke begegnete auf vielen Seiten Bedenken hinsichtlich der Rentabilität. Man
wies von gegnerischer Seite darauf hin. daß die Heideflächen auch ohne Wald keineswegs ganz
ertraglos seien, sondern durch Sctiatweide, Plaggenhieb und Streunulzung Erträge brächten,
und daß der finanzielle Effekt der .\ufforslung mindestens zweifelhaft sei. Erfreulicherweise
haben sich staatliche und kommunale Körperschaften dadurch nicht abhalten lassen, sich der
Aufforstung von Heideböden mit aller Energie zuzuwenden. Es sind schon sehr bedeutende
Mittel für Aufforslungszwecke \ erausgabl worden. In Schleswig, Hannover und Dänemark
bildeten sich besondere Heidekullurvereine und nahmen sich der .^ufforstungsfrage auf das
Tatkräftisste an. In Hannover haben sich neben Forstdirektor B u rc k h a rd t namentlich der
Leiter der Provinzialforstverwaltunsr, Landesforstral O u a e t - F a s 1 e m , in Schleswig der
\orstand des Heidekulturvereins, Forstdirektor E m e i s, große \'erdienste um die Heideauf-
forstung erworben. In Hannover sind bis 1903 unter Ouaet-Faslems .Mitwirkung 20 000 ha, in
Schleswig-Holstein seit 1876 bis 1903 17 000 ha Heideödland aufgeforstet worden. Die 1867
gegründete dänische Heidegesellschaft hat bis 190b bb 000 ha ,, Plantagen", d. h. Aufforstungs-
wälder angelegt.
Die Aufforstungstechnik auf Heideböden liat ihre ^laßnahmen so zu treffen,
daß die den Heideböden anhaftenden waldbaulichen Mängel möglichst verschwinden.
Worin diese waldbaulichen Mängel bestehen, darüber herrscht keine volle Uebciein-
stimmung. Während G r a e b n e r den Grund für tlie kümmerliche Entwicklung
der Waldvegetation in der Hauptsache in einer weitgehenden Nährstoffarmut erblickt
und dement sprecliend Düngung für unumgänglich ansieht, steht Erdmann auf
dem Standpunkt, daß die wirtschaftliche Hilfe ihr Hauptaugenmerk auf die Besserung
der physikalischen Eigenschaften richten muß. Die Wiedergesundung der erkrankten
und zum Teil hochgradig erkrankten Heideböden hat nach E r d ni a n n zur \'orausset-
zung, daß dem Boden durch geeignete \orbereitung und durch Auswahl der richtigen
Holzarten und der richtigen Bestandszusammensetzung die ilim fehlende Durchlüft-
barkeit wiedergegeben und erhalten wird. Alle Heideböden neigen ihrer Kalkarmut
wegen zur Rohhumusbildung und steigern diese Neigung mit zunehmender Luft-
feuchtigkeit und Niederschlagsmenge. Die auf eine dauernde Melioration gerichteten
forstwirtschaftlichen Maßnalmien haben deshalb ihre .\ufgabe nicht nur in der Besei-
tigung und Zerstörung der zur Zeit der .\ufforstung vorhandenen Rohhumusschichten
zu erblicken, sondern wesentlich auch in der Beschaffung einer Waldbestockung, die
der ferneren Rohhumusbildung nicht \'orschub leistet.
Nach der wechselnden Beschaffenheit der Heideböden bedingt ihre Urbarmachung
teils eine bloße Bodenvorbereitung, teils eine neben dieser notwendig werdende, mehr
oder weniger weitgehende Melioration. \'on den bereits unter OL betrachteten Ort-
steinböden abgesehen, bei denen Tiefumbruch, Entwässerung oder Rabattierung ^'or-
bedingungen einer erfolgreichen Kultur sind, verlangen die Heideböden Zerstö-
rung der Bodendecke, Boden lockerung und in nicht seltenen Fällen künst-
liche Zuführung von Nährstoffen.
Bei der Zerstörung der Bodendecke handelt es sich einmal um Ver-
nichtung des lebenden Heidekrautes durch Absicheln oder Abbrennen — Unter-
pflügen empfiehlt sich nicht — , sodann um Beseitigung der den Boden abschließenden
und das Gedeihen der jungen Holzpflanzen schwer beeinträchtigenden Heidehumus-
96 VI. L 0 r e y , Waldbau.
Schicht. Das hierbei empfehlenswerteste Verfahren, den Heidehumus durch Mischung
mit dem Mineralboden niclit nur unschädlich, sondern durch Ausnutzung seiner Nähr-
stoffe noch dienstbar zu machen, hat nur bei schwachen Humusdecken praktische Be-
deutung. Das Unterbringen und Vermischen stärkerer Heidehumusmassen mit Spaten
oder Pflug aber führt infolge der außerordentlich langsamen Zersetzung dieser Massen
zu weitgehenden Schädigungen des älter werdenden Bestandes. Eher empfiehlt sich,
jedoch wiederum zunächst nur bei schwachen Heidehumusdecken, die Zerreißung der
Schichten und ihre Vennengung mit dem Boden mit Hilfe des Waldgrubbers, der
dänischen Rollegge oder eines anderen der neuzeitlichen Wühlwerkzeuge. Stärkere
Schichten bedürfen, wenn sie auf diesem Wege zermürbt werden sollen, einer inner-
halb mehrerer aufeinander folgender Jahre mehrfach wiederholten Durcharbeitung.
Diese wirkt um so besser, wenn gleichzeitig durch Kalkzufuhr für Entsäuerung und
raschere Zersetzung des Rohhumus gesorgt wird. Wo man beim Vorliegen mächtiger
Heidehumusschichten keine Zeit hat, die letztgenannte gute, aber zeitraubende und
teure Methode zur Anwendung zu bringen, tut man gut, auf mechanische Beseitigung
der Heidehumusschicht zuzukommen.
Die Bodenlockerung ist im allgemeinen in ihrer Wirkung um so nach-
haltiger und besser, je gründlicher, d. h. je tiefer sie besorgt wird und je mehr eine
Umlagerung und Mengung der oberen und tiefer gelegenen Bodenschichten mit ihr
verbunden ist. Löcher- oder platzweise Bodenbearbeitung mit Spaten oder Wühl-
spaten ist nur auf ortfreiem Boden und dort angebracht, wo kein Pflug hin kann. Wo
Pflugarbeit möglich ist, ist die dadurch bewirkte Lockerung, und zwar die Tieflocke-
rung, die beste Kulturvorbereitung für Heideböden. Nur auf den feinkörnigen Böden
verpufft ihre Wirkung sehr rasch, weil sich diese Böden bereits nach kurzer Zeit wieder
vollkommen verdichten. Mit welcher Art von Pflügen die Tieflockerung vorgenom-
men wird, ob mit Wald-, Schwing- oder Dampfpflug, ist Sache örtlicher Gewohnheit
und Gegenstand finanzieller Envägungen. Der Billigkeit wegen wird man dort, wo
verhärtete Schichten nicht zu durchbrechen sind, von der Vollbearbeitung der Fläche
meist absehen und auf streifenweise Bearbeitung zukommen.
Die künstliche Zuführung von Nährstoffen durch Düngung
mit Mineraldüngern, Kalk oder durch Gründüngung würde, wenn sie nicht Geld ko-
stete, unter allen Umständen zu empfehlen sein. Der mit ihr verbundene Aufwand aber
macht eine Beschränkung auf die wirklich nährstoffarmen Heidesande notwendig.
Die vorliegenden Erfahrungen sind, von Kalkdüngung abgesehen, noch zu spärlich,
als daß über Form, Menge und Art der Dünger brauchbare Fingerzeige bereits vor-
handen wären. Sicher aber ist die sowohl in chemischer, wie namentlich auch in
physikalischer und physiologischer Hinsicht wirksame Kalkzufuhr angesichts der
notorischen Kalkarmut der Heideböden und angesichts des Vorhandenseins starker
Rohhumusschichten auf vielen derselben durchaus vorteilhaft. Auch der Vor- bezw.
Zwischenbau der Lupine scheint nach den bisher gesanunelten Erfahrungen eine er-
folgreiche Kulturvorbereitung zu sein, erfordert aber, da der Boden entweder einen
höheren Nährstoffvorrat besitzen oder durch Zuführung von Mineraldünger erhalten
muß, in der Regel einen nicht unbeträchtlichen Kostenaufwand.
Die H o 1 z a r t e n f r a g e ist bei der Aufforstung der Heideböden meist in
der Weise gelöst worden, daß Fichte oder Kiefer oder beide in Mischung angebaut
wurden, während andere Holzarten, Weißfichte, Bergkiefer mehr nur zur Bildung von
Wind- und Schutzmänteln Verwendung fanden. Inwieweit von den beiden Haupt-
holzarten die eine oder die andere den Vorzug verdient, darüber entscheiden die kli-
matischen Verhältnisse des in Fräse kommenden Heidegebietes. Während im See-
Die Boslandesbegründung. § 52. 97
klima Schleswig-Holsteins die Kiefer im Alter von 20 bis 30 Jaliren abstirbt, ist sie
auf den Aufforstuugsf lachen Hannovers die fülirende I lolzart. Die Meinungen darüber,
ob Reinanbau von Fichte und Kiefer bessere Erfolge erzielt als die in dem eben
genannten Heidegebiete lange Zeit bevorzugte reihen- oder streifenweise Mischung
beider Holzarten, sind geteilte. Der Umstand, daß reine Fichtenbestände auf zwei-
felhaften Böden zur Rohhumusbildung neigen und die in reinen Kiefernbeständen
später eintretende Verheidung Heidehumus zur Folge hat, spricht jedenfalls zugun-
sten der Mischung, solange nicht dem von Erdmann u.a. in den Vordergrund gestell-
ten Verlangen nach Beimischung von Laubhölzern in das Nadelholz nachgegangen
werden kann. Zweifellos verdient der Hinweis auf den Wert der Beimischung von
Eiche, Buche, Birke oder Erle um so mehr Beachtung, als nur Mischbestände die
Gewähr dafür bieten, daß die angestrebte dauernde Melioration der kranken Heide-
böden durch die Bestockung selbst besorgt wird. Für die Verhältnisse Schleswig-
Holsteins spricht Otto (Bericht der deutsch. Forstver. 1903, S. 103) den Laubhöl-
zern bei der Aufforstung der Heideböden zwar jede Bedeutung ab, doch dürften auch
hier, wie das Vorkommen von Eichenstockausschlägen und die günstige Entwicklung
der Fichte in deren Nähe beweisen, der Heranbildung des naturgemäßeren Misch-
waldes im derzeitigen Bodenzustand nur vorübergehende, nicht dauernde Hindernisse
entgegenstehen. Inwieweit für die Aufforstung der Heideböden neben den genannten
noch andere Holzarten, namentlich in Nordwestdeutschland Robinie, Tanne, Lärche,
Weymouthskiefer, vielleicht auch Banks- und Pechkiefer in Betracht kommen, be-
darf noch näherer Untersuchung. Jedenfalls ist an die günstigen Erfahrungen zu er-
innern, die Dänemark bei der Aufforstung von Heideböden mit der Mischung von
Fichte und Bergkiefer i), Belgien mit der Mischung von Kiefer und Pechkiefer ^)
gemacht hat.
§ 52. V. U n f r u c h t b a r e r H u m u s. Außer dem vorstehend unter IV.
näher erwähnten, aus Rückständen des Heidekrautes bestehenden Heidehumus bil-
den sich, wie schon oben (S. 16) ausgeführt wurde, auch aus anderen nicht genügend
zersetzten bezw. zersetzbaren Pflanzenresten mehr oder minder mächtige Humus-
schichten, die, rasch austrocknend und die Feuchtigkeit schlecht annehmend, den Bo-
den verschließen und der Entwicklung der Holzpflanzen hinderlich sind. Hierher ge-
hören die namentlich auf trocknen Böden aus Rückständen von Flechten, namentlich
der Renntierfleclite (Cenomyce rangiferina) entstehende Stauberde, der wie der
Heidehumus durch hohen Wachs- und Gerbsäuregehalt gekennzeichnete Heidel-
beerhumus und der aus Blättern. Nadeln und Zweigen unserer Holzgewächse
gebildete, aus zusammenhängenden, meist dicht gelagerten und schneidbaren humo-
sen Massen bestehende Trockentorf^). Seine Bedeutung für Boden und Bestand
wurde bereits oben gewürdigt (vgl. auch die Ausführungen im Abschn. ,,Forstl.
Standortslehre" Bd. I des Handbuches). Bei der Frage der Beseitigung der
1) Vgl. P. E. Müller, Leb. d. Verhältnis der Bergkiefer zur Fichte in den jütländischen
Heidekulluren. Naturw. Ztschr. f. L.- u. Forstwirtsch. 190.3, S. 289, 378.
2) \. S c hwa p p a c h, Ztschr. f. Forst- u. Jw. 1901, S. 223, 1907, 148.
3) Vater, Auf dem Trocknen gebildeter Rohhumus und seine Bekämpfung. Bericht d.
Sachs. Forstver. 1903, S. 138. — .M a 1 1 h e s und Vater, Welche neueren Forschungen und Beob-
achtungen liegen ob. d. Bedeutung des Humus f. d. Wald vor? Bericlil üb. d. 5. Vers. d. deutsch.
Forstver. 1904, S. 33. — v. Oertzen, Humus und Kulturen auf Humus. Ztschr. f. F.- u. Jw.
1904, S. 32. — Möller, Die .Nutzbarmachung des Rohhumus (Trockentorf) bei Kiefern-
kulturen, ebendas. 1908, S. 273. — D e r s. , Ueb. d. Ergebnisse der von dem Herrn Mi-
nister angeordneten praktischen Versuche zur Nutzbarmachung des Rohhumus bei Kiefern-
kulturen. Bericht d. .Märkischen Forstver. Wintervers. 1908. — Quaet-Faslem und
V. B e n t h e i m , Die Rohhumusbildung und deren Bekämpfung. Bericht üb. d. 19. Vers. d.
Nordwestd. Forstvereins.
llundb. d. ForstwJBS. 3. Aufl. II. 7
98 VI. L 0 r e y , Waldbau.
schädlichen Wirkungen des Trockentorfes ist vielfach der mechanischen Entfernung
und Abgabe stärkerer Schichten das Wort geredet worden. Je gründlicher diese Ent-
fernung vorgenommen wird, um so mehr geht den Pflanzen die erforderliche Stick-
stoffzufuhr verloren. An der Hand der günstigen Erfahrungen der dänischen Roh-
humusbekämpfung und zahlreicher ^'ersuclle hat sich deshalb die Ansicht Bahn ge-
brochen, daß es nur bei starken Trockentorfschichten angezeigt ist, einen Teil durch
direkte Entfernung zu beseitigen, daß es im übrigen aber richtiger ist, auf die teihveis
hers'orragende Düngerwirkung des Trockentorfes nicht zu verzichten. Zu diesem
Zwecke empfiehlt sich Mischung mit dem Mineralboden. Mittels Spatens, Hacke,
Spitzenbergs Wühlspaten, Waldgrubber usw. ist der Trockentorf seiner chemischen
und physikalischen Einwirkung wegen imterzubringen. Namentlich ist seine Nutz-
barmachung auf den ärmeren Böden ratsam. Nach den Erfahrungen v. Gertzens
und Möllers hat sich auch das Ueberdecken des nach dem Abschälen der Boden-
decke zutage liegenden Trockentorfes mit einer einige cm hohen Sandschicht als ein
empfehlenswertes Mittel zur Ausnützung seiner Düngerwirkung gezeigt. Weiterhin
ist, wie beim Heidehumus, die Zufuhr künstlicher Dünger, namentlich von Kalk und
Thomasmehl, eine die Umwandlung der schädlichen Humusmassen rasch und in
günstigster Weise fördernde Maßnahme.
§ 53. VI. Moore ^): Erstes Erfordernis ist eine genaue Bodenuntersuchung
(cfr. Forstl. Standortslehre, 1. Bd.), einschließlich der chemischen Untersuchung
der Moorsubstanz. Grünlandsmoore kommen für die Waldkultur wenig in Be-
tracht, wenigstens nicht, soweit sie bei geeigneter Behandlung gute Wiesen er-
geben. Da und dort kann sich auf ihnen, nach der Entwässerung und Bedeckung
mit Sand, Bepflanzung mit Erle empfehlen. Viel ungünstiger gestalten sich die
Verhältnisse auf Hochmooren. Diese haben im allgemeinen keine Neigung, sich
zu bewalden, ein Umstand, der uns mahnt, daselbst mit forsthchen Unternehmungen
vorsichtig zu sein. Befi'iedigende Rentabilität des Holzanbaues wird sich meist nicht
ergeben, es sei denn, daß die Mächtigkeit des Torflagers keine zu bedeutende ist,
sodaß man bald zu dem mineralischen Grunde gelangen kann. In diesem Falle
läßt sich durch Rabattierung der für den Holzanbau erforderliche Kulturboden
schaffen, indem nran Gräben bis zum mineralischen Boden aushebt und letzteren
auf die zwischenliegenden Beete bringt. Entwässerung (bezw. Senken des Wassers),
am besten durch offene Gräben (diese mit steilen Wänden), ist unter allen Umständen
erforderlich (langsames, allmähliches Vertiefen der Gräben). Das Moor setzt sich
unter Umständen bis zu -'^ seiner früheren Mächtigkeit nieder. Bildung einer Gras-
narbe deutet auf genügenden Rückgang des Wassers. — Urbannachung event. durch
Vermittelung des Brand fruchtbaues.
Nach der Schildervin": von B r ü n i n g s ist die Sache im großen Augustendorfer Moor
folgendermaßen vorlaufen: Vermessung des Moores, Entwässerung durch Gräben als \'or-
bereilung. Das Feuer soll demnäclist durch Zerstören des festen Fasergewebes eine zerbröclielle,
erdartige Masse und damit ein erstes Keimbett bilden und durch die Hitze die Säuren neutrali-
sieren. Bildung von Asche ist nicht die Hauptsache. Man brennt auf dem Moore (nicht nach
1) Burckhardt, ,,Säen und Pflanzen", 6. Aufl. S. 557 ff. — D e r s., „Wald, Moor
und Wild im Emslande" in ..Aus dem Walde" VI, S. 1 f. (insbes. S. 66 ff.). — Brünings,
,,Das Augustendorfer Moor" in ...^us dem Walde" IX (1879) S. 106. — D e r s. , ,,Der forstl. und
der landwirlscli. Anbau der Hochmoore mittelst Brandfruchtbaues". Berlin bei Springer 1881.
— Zu beachten insbes. auch die verscliiedenen Rezensionen der letztgenannten Schrift, z. B. forstl.
Blätter von 1882, S. 51. — Nordwestdeutscher Forslverein 1891, cfr. Zeitschr. f. Forst- u. J. 1891,
S. 631. — Moore des Erzgebirgs (Forstass. Dr. Manuel in Forsll. nat. Zeitschr. 1896, 325, 373). —
Moorkulluren in Dänemark (z. B. Oesterr. Forslzeitung 1893, Nr. 17). — \erhandlungen des
schles. Forstvereins 1894. — B a u m a n n , Die Moore und Moorkulturen in Bayern (Forstl.
nat. Zeitsclir. 1894, S. 89, 293).
Die BestandesbegrOndung. § 53. 99
dessen vorherigem Umbruch), indem nur die seine Oberfläche bildende Menge kleiner
Hügel („Bülten") umgerissen, nebst dem Grabenauswurf ausgebreitet und angezündet werden,
wobei das Feuer nur oberflächlicli angreift. Dann folgt .Vussaat von Buchweizen. Im nächsten
Jahre wiederholtes Brennen, desgl. im dritten und vierten Jahre, stets in Verbindung mit Frucht-
bau. Die Bülten sind nun verzehrt und erst im fünften und sechsten Jahre kratzt man behufs
erneuten Brennens Teile des eigentlichen Bodens flach auf. Wurzelgefaser, Heidehumus etc.
sind nach den sechs Jahren verschwunden. Durch die sechsjährige Vegetation ist neues Leben
in den toten Boden gedrungen. Gebrannt wird stets m i t dem Winde, sonst greift das Feuer
zu tief; an feuergefährlichen Stellen erfolgt gegen den Wind ein Vorbrand. Im 7. Jahr erfolgt
der forstliche .\nbau mit Eiche. Fichte, Kiefer, event. Lärche und Weymouthskiefer. Gesamt-
kosten pro ha (Brennzeit 6 Jahre, Tagelohn 2 Mark) = 360 Mark; Ertrag (.5 Jalire Buchweizen,
1 Jahr Roggen) pro ha = 900 Mark. Die .\ufforstung kostet pro ha 65 — 70 Mark.
\iele Moorkulturen, die in der angedeuteten Weise ausgeführt worden sind und anfäng-
lich, oft durch 10 — lö Jalire, gutes Wachstum zeigten, haben aber nur große Hoffnungen er-
weckt und haben in ihrer Entwickelung bald nachgelassen, so daß der Erfolg nur ein schein-
barer war und ein Ersatz der aufgewendeten Kosten nicht entfernt stattfand. Von irgend um-
fangreichen Mooraufforslungen wird deshalb abzusehen sein, es sei denn, daß es sich um bereits
abgetorfte Hochmoore handelt, wie solche z. B. in Nordwestdeutschlaud mit Holz angebaut
worden sind und gute Bestände von Eichen, Fichten, Kiefern und Birken tragen. — Nach Prof.
Dr. Tacke, Vorsteher der .Moor-\'ersuchsstation in Bremen (Zeitschr. f. Forst- und Jagdw.
1900, S. 38) kommt, zumal in Niederungsmooren, auch für forstliche Zwecke unter Umständen
die Rimpau'sche Sanddeckkultur nach vorheriger Entwässerung in Frage. Im allgemeinen
aber ist auch auf den im Walde belegenen .Mooren, wenn sie überhaupt benutzt werden sollen,
landwirtschaftliche Benutzung vorzuziehen.
,,F tüchtige .M o 0 r f 1 ä c h e n (Mullwehen) ') sind Moorflächen, die durch eine
übertriebene Benutzung oder fehlerhafte Behandlung ihre natürliche vegetabilische Boden-
decke verloren haben, so daß der rohe Moorboden zutage tritt, der dann bei trockener \\'itterung
staubig und flüchtig, bei nasser Witterung schlammig und treibend wird". Unterschied von
Sandwehen darin, daß sie auch bei feuchtem Wetter beweglieh sind. Entstehung besonders
durch zu ausgedehntes Heide- und Plaggenhauen oder zu langes Brennen, beides in \erbindung
mit täglichem Auftrieb von Schafen in geschlossener Herde und demnächst .\uffrieren des
Bodens. Gefahr für umgebendes Gelände durch Ueberwehen mit .MuH. — Vorbedingung der
Dämpfung ist das .aufhören jeder Benutzung des Bodens. Entwässerung, .\ufforsten der Mull-
wehen mit wenig mächtiger (bis 1 m) .Moorunterlage und zwar zunächst meist durch .Anpflan-
zung mit Birke hinter senkrecht zur herrschenden Windrichtung verlaufenden Wällen, zu
welchen das .Material durch .\ufhub von Gräben beschafft wird. xMulhvehen auf mächtigem
Moorlager sind nach der Entwässerung zunächst mit Kräutern (Rumex), Honiggras (Holcus)
etc. anzubauen (am sichersten unter Fruchtbau von Buchweizen mittels Brennens).
An dieser Stelle möge auch der 0 e d 1 a n d s a u f f o r s t u n g in weitestem
Sinne gedacht werden-). Die Sorge für tunlichste .Aufforstung des in Europa allein
etwa "22 000 Ouadratmeilen einnehmenden Oedlandes regt sich in allen zivilisierten
Ländern. Die Aufforstungsarbeiten im Karstgebiete, in West- und Ostpreußen
(Kassubei), sowie sonst in Deutschland, ferner in \'orarlberg, in der Schweiz (z. B.
Schweiz. Zeitschr. 1893, 6), zumal im Schutzwaldgebiete, in Italien, den Pyrenäen
seien als Beispiele angeführt. Auch die Bepflanzung von Alluvionen (Hochgebirge
und Ebene: Ueberschwemmungsgebiet der Flüsse), je nach den Verhältnissen mit
Erle, Pappel, .\kazie, Birke, auch wohl Ulme, Esche, Eiche, sei hier erwähnt 3).
1) Ger des, „Die flüchtigen Moorflächen in Hannover und Oldenburg" in „.\us dem
Walde" IX, (1879) S. 159 ff. — D. in Mündener forstl. Hefte I, 1892, S. 130.
2) Unter Oedland versteht man im allgemeinen diejenigen .\reale, welche zwar kulturfähig
sind, aber z. Z. nicht oder nur okkupatorisch benützt werden. Event, werden auch landwirt-
schaftlich benützte Flächen dem Oedland zugerechnet, welche einen äußerst geringen Reinertrag
(0 — 1,20 M.) abwerfen. Letztere einbezogen hatte Deutschland 1893 rund 3,7 .Mill. ha Oedland,
woran ca. 700 000 ha aufzuforsten wären, cfr. G r i e b , Das europäische Oedland, seine Bedeu-
tung und Kultur, 1898, bei Sauerländer. — M a t t h e s , Vortrag bei der 28. Aers. des Thürg.
Forstver. 1901, zu Coburg: \ ereinsheft S. 29 — 46. — Preußen hatte allein im Besitz der Staats-
forstverwaltung am 1. X. 1900 noch 34 07 3 ha Oedland, seit 1883 sind 70 856 ha erworben
worden; 61 620 ha waren hievon bis 1900 aufgeforstet. Beteiligt sind in erster Linie die nord-
östl. Provinzen.
3) J. H a m m (Forstwiss. Zentralbl. 1888, 601): Aus den Waldungen des badischen Rhein-
tales.
7*
100 VI. Lore y, Waldbau.
Zweiter Teil.
Saat.
Zum Gelingen der Saatkultur gehört, von Witterungseinflüssen abgesehen, vor
allem gutes Saatmaterial, ein geeignetes Keimbett und sachgemäße Ausführung.
I. Allgemeines.
§ 54. A. Verschiedene Arten der Saat: Je nachdem die Saat
aus der Hand oder unter Anwendung einer Maschine ausgeführt wird, nennt man
sie Handsaat oder Maschinensaat. — Außerdem werden unterschieden: 1. Voll-
saat, wobei die ganze Fläche möglichst gleichmäßig mit Samen bestreut wird,
und 2. stellenweise Saat, bei welcher der Samen nur auf bestimmte Stellen
der Saatfläclie kommt. Hierher gehören: a) die Streifensaat, auch Rinnen-,
Rillen-, Riefen-, Furchensaat genannt : der Samen wird auf Streifen gesäet,während die
zwischen ihnen liegenden Teile samenfrei bleiben i). b) die P 1 a 1 1 e n s a a t , auch
Plätzesaat: eine Anzahl Samenkörner kommt auf einzelne, über die Kultur-
fläche verteilte Plätze. Werden die Platten mangelnder Feuchtigkeit wegen vertieft,
so spricht man von ,, Löchersaat", c) Die Punktsaat, bei welcher man mit
Einzelsamen (Eichel, Kastanie usw.) operiert, die in möglichst gleichmäßiger
Verteilung auf der Fläche untergebracht, ,, eingestuft" werden, kann füglich als ein
Spezialfall der Vollsaat gelten.
B. Wirtschaftliche Bedeutung der Saatarten. Wenn M a-
s c h i n e n saat angewendet wird, tut man es, teils um die Gleichmäßigkeit der
Samenverteilung zu fördern, teils um Zeit, Arbeitsaufwand und Geld zu sparen. Kom-
pliziertere und demgemäß teure Maschinen kommen meist nur für große Kultur-
flächen und für regelmäßig wiederkehrende umfängliche Saaten in Betracht. H a n d-
s a a t ist die weit häufigere Methode. Maschinen, namentlich solche, deren Bewegung
Spannvieh erfordert, sind überdies meist an bestimmte Eigenschaften der Kultur-
fläche (nicht zu geneigte Lage, Fehlen von größeren, rasch wechselnden Uneben-
heiten, von Stöcken, Steinen usw.) gebunden. In größerem Maßstabe finden Säe-
maschinen, und zwar kleinere Handapparate, beim Pflanzgartenbetriebe Anwen-
dung. — V o 1 1 s a a t (breitwürfige Saat) gibt, gute Ausführung vorausgesetzt,
eine gleichmäßige Samenverteilung, bedingt mithin für die einzelnen Keimpflanzen
von vornherein annähernd nach allen Seiten gleichen Standraum, wodurch deren
normale Entwickelung, sowie in der Folge gleichmäßiger Schluß des .Jungbestandes
und damit auch gleichmäßige Deckung des Bodens angebahnt ist. Sie arbeitet
rasch, verlangt aber das größte Samenquantum und erfordert, sobald der Boden
eine intensivere Vorbereitung bedarf, gemeinhin sehr beträchtliche Lockerungskosten.
Auch erschwert sie die Reinigung von Unkraut, die etwaige Jugendpflege der Pflan-
zen durch Behacken, sowie das Ausbringen der ersten Durchforstungshölzer. Die
Vorzüge und Nachteile der s t e 1 1 e n \v e i s e n Saat folgen aus dem Vorstehenden.
Sie bedarf z. B. weniger Saatgut, wenn auch nicht im Verhältnis des wirklich be-
säeten zum samenfrei bleibenden Teil der Fläche, weil man naturgemäß auf den
Einzelstellen dichter säet, hat jedoch vielfach einen zu dichten Stand der Pflanzen und
1) In bezug auf diese Ml der Saat werden wühl feinere Unterscheidungen gemacht, indem
man von Streifensaat spricht, wenn die besäeten Bänder eine gewisse Breite haben, von Riefen-
saat oder Rillensaat usw., wenn der Same nur in schmale Linien zu liegen kommt. Sind die Strei-
fen verlieft, so spricht man von Fiu-chen- oder auch Muldensaat,
Die BestandesbegrQndung. § 55. ]Qj
eine etwas ungleicliniäßige, von vornherein unsymmetrische Entwickehin^ der .Iiing-
pflanzen zur Folge, weil sich die in den Streifen stehenden Pflanzen, ebenso wie die
Randpflanzen auf den Platten nach der freien Seite naturgemäß seitlich mehr ausbreiten
als in der Streifenrichtung bezw. nach dem Innern der Platte zu. Streifensaat
eignet sich oft für Anwendung von Maschinen, erleichtert am meisten die Kultur-
reinigung und die ersten Durchforstungen, läßt aber die Zwischenstreifen je nach
deren Breite kürzere oder längere Zeit unbedeckt, .^uf den Platten wird das
gedrängte Aufwachsen der Pflanzen oft besonders hinderlich; rasche Deckung der
zwischen den Platten liegenden Bodenpartien kann nur durch entsprechend nahes
Aneinanderlegen der Platten bewirkt werden. Löchersaat kommt namentlich für
trockene, der Sonne und dem Wind ausgesetzte Orte in Frage. Die Punktsaat
kann (siehe oben) als Vollsaat mit größerem Abstand der einzelnen Samen vonein-
ander betrachtet werden.
II. Das Saatmaterial.
§ 55. A.Beschaffung des Samens. Je mehr die Forstwirtschaft
die künstliche Verjüngung an die Stelle der Naturverjüngung treten laßt, um so
wichtiger wird die Frage nach der Beschaffung des notwendigen Saatmateriales.
Die neuzeitliche Entwicklung des Samenhandels weist mit unzweideutiger Sicher-
heit darauf hin, daß un|er den verschiedenen Beschaffungsniöglichkeiten die be-
quemste, der Kauf, im allgemeinen vorgezogen wird. Der fortgesetzt steigende
Bedarf, das Fehlen öfterer oder hinreichender Samenjahre und die mit dem Aus-
klengen der meist benötigten Nadelholzsamen verbundenen Umständlichkeiten
erklären die sehr zu bedauernde Erscheinung, daß der richtigste Weg der Gewinnung,
der der Selbstgewinnung, mehr und mehr verlassen wurde. Der in den
letzten Jaiirzehnten lebhaft debattierten Frage nach der wirtschaftlichen Bedeutung
der Samenherkunft (= Provenienz des Samens) war und ist es vorbehal-
ten, den notwendigen Umschwung in diesen Verhältnissen einzuleiten und, wenn
nicht die vollkommene Rückkehr zur Selbstgewinnung, so doch die Abstellung der
mit dem Kauf des Saatgutes bisher verbundenen Uebelstände zu bewirken.
Der wichtigste dieser Uebelstände ist die Unsicherheit hinsichtlich der Her-
kunft des Samens.
In dem Maße, wie die moderne Forstwirtschaft dem Ausbau des rationellen VVirt-
schaftswaldes zustrebt und an der Verbesserung und vollen Ausnutzung ihrer Pro-
duktionsmittel arbeitet, muß sie die physiologischen, d. h. die Wuchseigenschaften
der Waldbäume in den Bereich ihrer auf Nachzucht bester Rassen gerichteten Maß-
nahmen ziehen und muß darnach trachten, Keime fernzuhalten, an denen auch nur
der Verdacht minderwertiger Leistungen haftet. Nach den bis jetzt vorliegenden
Beobachtungen darf angenommen werden, daß sich eine Holzart ihren typischen
physiologischen und morphologischen Charakter unter dem Einfluß verschiedener
klimatischer Verhältnisse um so weniger zu erhalten imstande ist, je größer die Kli-
maunterschiede sind. Im Verbreitungsgebiet einer Holzart bilden sich vielmehr
beim Vorhandensein von Klimadifferenzen Anpassungsformen: Standorts-, pliysio-
logische oder klimatische Varietäten = klimatische Formen aus, von denen — zunächst
nach Analogieschluß, dann aber auch nach manchen Ergebnissen ad hoc eingeleiteter
Versuche *) — wiederum angenommen werden muß, daß sie ihre Eigentümlich-
1) Vergl. hierzu die Arbeiten von de V i 1 ni o r i n , Expos6 liistorique et descripUr de
r^cole foresUAre des Barres. M^moires d'Agriculture 1862, S. 332. — K i e n i t z , Ueb. Formen
102 VI. L o r e y , Waldbau.
keiten auf ihre Nachkommen vererben. Diese Ansicht ^^i^d unter Bezugnahme auf
Forscliungsresultate von A. Cieslar, A. Engler, v. Sivers, P. Schott
u. a. vertreten, während H. M a y r in seinen Lehrbüchern und zahlreichen Spezial-
artikeln an der Ueberzeugung festhält, daß weder Boden noch Klima imstande sind,
den Pflanzen erbliche Eigenschaften aufzudrücken, und daß die Provenienz des Saat-
gutes keine Bedeutung besitzt, solange es sich lediglich um Standortsformen (Klima-
rassen) der Holzarten handelt. Die forstliche öffentliche Meinung hat sich dieser
Ansicht Mayrs nicht angeschlossen. Sie leitete vielmehr aus den allerdings erst
kurzfristigen Versuchen, die mit Kiefer, Fichte, Lärche, Schwarzkiefer, Bergahorn,
Esche seitens der oben genannten Forscher angestellt worden sind, den durch Erfah-
rungen der forstlichen Praxis unterstützten Satz ab, daß für einen gegebenen Stand-
ort dasjenige Saatgut das geeignetste und beste ist, das von der örtlich angestamm-
ten Rasse oder von solchen Standorten gewonnen ist, die gleiche bezw. sehr ähn-
liche klimatische Verhältnisse aufweisen. Diese zuletzt genannten Standorte kommen
beim Samenbezug aber erst dann in Frage, wenn die heimatliche Rasse nichts taugt
oder heimischer Samen fehlt.
Die Kunstverjüngung mit wahllos gekauftem Samen liat zur Folge gehabt, daß
auf großen Flächen Samen ausgesäet wurde, der infolge seiner Herkunft aus klima-
tisch anders gearteten Gebieten minderwertig ist, weil er von Bäumen stammt, deren
Lebensökonomie sich den anders gearteten Verhältnissen angepaßt hat. Die aus
solchem Samen hervorgehende junge Generation wird unter äußere Lebensbeding-
ungen gebracht, die für sie absolut nicht passen, und die Folge sind Bestände mit
kümmerlichem Wachstum und Bäume mit unerwünschten Wuchseigenschaften.
Die Frage der Samenherkunft ist besonders wichtig für den Nadolholzzüchter.
Die Nachfrage nach Kiefern- und Fichtensamen ist im Laufe der Zeit so gestiegen,
daß die privaten Klengbetriebe bei weitem nicht mehr das notwendige Zapfenma-
terial im Inlande beschaffen konnten, wenn sie den vom Käufer verlangten niedrigen
Preis des Samens beibehalten wollten. Sie erschlossen sich deshalb ausländische
und zwar meist klimatisch wärmer gelegene Bezugsquellen; sie fanden besonders
in Frankreich, Belgien und Ungarn Länder, die, soweit namentlich Kiefer in Betracht
kommt, auch in sog. schlechten Zapfenjahren einen großen Bedarf an Zapfen zu be-
friedigen imstande sind und, was sehr wesentlich ist, billiger liefern als das Inland.
Die Erfolge, die der ausländische KiefSrnsamen bei uns gezeitigt hat, waren
bei einer Reihe von Samen ausländischer Herkunft durchaus zufriedenstellend, so
bei den Samen aus Belgien, Polen und den Ostseeprovinzen ; bei anderen, und zwar
bei den Samen aus Südfrankreich, LTngarn aber derart ungünstig, daß man hier imd
da von einer Verseuchung des deutschen Waldes spricht. .A.uch der Samen der bal-
tischen Kiefer, dessen Einführung nach Deutschland von v. Sivers empfohlen
wurde, eignet sich für das deutsche Wuchsgebiet nicht, ebenso wenig wie der Samen,
der von Mayr als besondere Art (P. lapponica) bezeichneten nordischen Kiefer.
Der an sich sehr schätzenswerten Geradschaftigkeit und Geringästigkeit dieser
und Abarten helmischer Waldbäunie. Berlin 1879. — Cieslar, Zentralbl. f. d. ges. Forstw.
1887, S. 149; 1895, S. 7; 1899, S. 49; 1907, S. 1, 49. — v. Sivers, Mitteilgn. d. deutsch, dendr.
Gesellsch. 1895, S. 49. — Ders., Forstwiss. Zentralbl. 1898, S. 537. — S c h o 1 1 , Rassen der gem.
Kiefer. Forstw. Zentralbl. 1907, S. 199, 262. — Ders., Pinus silveslris, d. gem. Kiefer, ebend.
1904, S. 123, 307, 436, 515, 587. — E n g 1 e r , Einfluß der Provenienz des Samens usw. Mittlgn.
d. Schweiz. Zentralanstalt f. d. forstl. Versuchsw. 1905, VI II, S.81. — Ders., Tatsachen, Hypothesen
und Irrtümer auf d. tlebiete d. Samenprovenienzfrage. Forstw. Zentralbl. 1908, S. 295. — May r.
Die Variationen der Holzgewächse, ihre Entstehung und Bedeutung für die Praxis, ebenda 1908,
S. 1. — Bericht üb. den 8. internationalen landw. Kongreß in Wien 1907. Sekt. VIII.
Die BestandesbDgründung. § 55. jq3
Kiefern steht Longsamwüchsigkeit ') ^ep;enüber, ein Umstand, der diese Provenien-
zen für Deutsrhinnd elienso aussoliließt, wie der kurzscliäftif^e, krumme und sperrige
Wuchs der südfranzösischen und ungarischen Kiefern niiliL dazu angetan ist, unsere
deutsclien Kieferngebiete zu veredehi.
Der durch den Handel bezogene Fichtensamen hat so hervorstechende Rassen-
unterschiede wie bei der Kiefer bisher niciit gezeitigt. Es ist verständüch, daß die
Herkunft des Samens um so mehr Beachtung verdient, je größer das Verbreitungs-
gebiet der betreffenden Holzart ist. Mit der Ausdehnung des \'erbreitungsgebietes
steigert sich die Möglichkeit größerer Klimaunterschiede, also auch die Möglichkeit
der Ausbildung von Rassen mit abweichenden biologischen Eigenschaften. Die Fichte
ist ein Baum der mittleren Gebirgslagen. Hier wird der meiste Fichtensamen ge-
erntet, um wieder in der Hauptsache in mittleren Gebirgslagen zur Aussaat zu ge-
langen. D^e klimatischen Verhältnisse der Mutterbäunxe und der jungen Generation
sind somit in vielen Fällen wenigstens annähernd die gleichen. Für die Fichten-
züchter scheint deshalb die Samenherkunftsfrage nicht die Bedeutung zu haben
wie für den Kiefernwald. Immerhin gilt für die Fichte dasselbe wie für die Kiefer,
und gerade bei ihr ist von C i e s 1 a r und E n g 1 e r an der Hand exakter Versuche
mit Hoch- und Tieflagensamen die Vererbung des Zuwachsvermögens und einer
Reihe biologischer, morphologischer und anatomischer Eigentümlichkeiten — zunächst
wenigstens für die .Jugendjahre — nachgewiesen worden. Wie lange die vererbten
Standortseigenschaften sich erhalten, bedarf noch näherer Feststellung durch wei-
tere Beobachtung. .Jedenfalls geht aus den bisherigen Erfahrungen aber hervor,
daß es sich auch bei der Fichte empfiehlt, das aus Hoch- und Tieflagen, nördlichen
und südlichen Wuchsgebieten stammende Saatgut auseinander zu halten und mög-
lichst nur auf Standorten zu verwenden, die dem jeweiligen Herkunftsort klimatisch
entsprechen.
Eine andere, zur Zeit noch umstrittene, für die Befürwortung der Selbstge-
winnung aber gleich wichtige Vererbungsfrage ist die Frage nach der Vererbung von
Individualitätscharakteren. Es handelt sich hier um die Feststellung, inwieweit
Eigenschaften und Eigentümlichkeiten der Mutterbäume, die für die Massen- und
Wertsleistungen unserer Bestände von Belang sind: Schnell- und Langwüchsigkeit,
Gerad- und Krummschaftigkeit, Aestigkeit, Zwieselwuchs, Drehwuchs, Grobfaserig-
keit, Gleichmäßigkeit des Jahresringbaues usf. vererbt werden. Die sog. forst-
liche Zuchtwahl geht von der Ansicht aus, daß diese physiologischen und habituellen
Eigenschaften nicht immer, wie B o r g g r e v e (Erblichkeit und Zuchtwahl bei
Waldbäumen. Forstl. Blätter 1889, S. 33) und nach ihm M a y r vertreten, Folge
äußerer Umstände und Wirkungen des Bodens, Klimas, der Erziehungsform und
äußerer Störungen sind. Sie schließt vielmehr aus den Erfahrungen der landwirt-
schaftlichen und gärtnerischen Praxis heraus, daß die genannten Eigenschaften
zum Teil auf Veranlagung beruhen und vererbt werden. Folgerichtig steht sie auf
dem Standpunkt, daß es möglich ist, durch Kreuzung die brauchbaren Eigenschaf-
ten zu steigern und die Rasse zu veredeln. Sie fordert dementsprechend bei der Sa-
menernte Beschränkung auf jene Baumindividuen, die unseren wirtschaftlichen
Zwecken am meisten genügen. Zweifellos bietet die Befolgung dieser Vorschrift, selbst
unter der Annahme, daß die unbekannte Vaterpflanze mit unerwünschten Eigen-
schaften behaftet war, und bei voller Anerkennung des gewiß nicht wegzuleugnenden
1) D e n g 1 e r , D. Wachstum von Kiefeni aus einheimischein und nordischem Saatgut in
d. Oberf. Eberswalde. Zeitschr. f. Forst- u. J\v. 1908, S. 137.
104 '^'I' L 0 r e y , Waldbau.
Einflusses von Boden und Klima die beste Gewähr dafür, daß zum mindesten eine
Verschlechterung der Rasse vermieden wird.
Ob auch die Widerstandsfähigkeit einer Holzart gegen bestimmte Gefahren,
z. B. gegen Frost-, namentlich Spätfrostschaden, Pilzangriffe, Lichtentzug usw.
durch züchterische Maßnahmen des Wirtschafters gefördert werden kann, mag an-
gesichts der noch sehr unsicheren Unterlagen hierfür dahingestellt sein. Sicher sind
auch ohne dieses die mit der Herkunft des Samens zusammenhängenden Erwägun-
gen von solcher Tragweite, daß bei der Beschaffung des Saatgutes der Selbstgewin-
nung unbedingt das Wort geredet werden muß. Sie ermöglicht am besten die Aus-
walü der geeigneten Samenbäume, gewährleistet die Nachzucht der heimischen
Rasse und sichert die Beachtung aller jener Maßregeln, die beim Sammeln und bei
der Behandlung und Aufbewahrung des Samens berücksichtigt werden müssen,
wenn qualitativ hochwertiges Saatgut gewonnen werden soll.
In größeren Forsthaushalten, namentlich in Staatsbetrieben, ist die Einführung
bezw. Wiedereinführung der Regiebeschaffung des Samens um so wichtiger, je mehr
die herrschende Wirtschaftsholzart einer Verschlechterung der Rasse durch Ein-
führung ungeeigneten fremden Saatgutes zugänglich erscheint.
Vor allem liegt es im Interesse der Kieferngebiete, Samen einheimischer Pro-
venienz an Stelle des bisher in großem Umfang ') eingeführten französischen Samens
zu verwenden. Es ist mit Freude zu begrüßen, daß auch der deutsche Samenhandel
die Hand geboten hat, die bei der Deckung des deutschen Bedarfes an Kiefernsamen
bisher bestehenden Mißstände zu beseitigen -). Dadurch, daß sich eine Reihe von
Großfirmen zur Lieferung von nur deutschen Kiefernsamen freiwillig verpflichtet
haben, wird namentlich den zahlreichen kleineren Forstbetrieben die gewünschte
Garantie für Versorgung mit geeignetem Saatgut gegeben. Der Großbetrieb kann
sich diese Garantie durch Selbstgewinnung des Samens selbst verschaffen.
Der Selbstbeschaffung des Samens steht die Gewinnung auf dem Wege der
Naturalabgabe annähernd gleich. Es handelt sich hier um Verpachtung der
Samenernte, wobei der Unternehmer u. a. verpflichtet ist, als Vergütung für die ihm
überlassene Nutzung ein bestimmtes Quantum des gesammelten Saatgutes an den
Waldbesitzer abzuliefern. Dieses Verfaliren enthebt den Waldbesitzer von der be-
sonderen Sorge für die Ernte und sichert ihm, sofern der Pächter die geeigneten
Samenbestände zugewiesen bekommt und bei Ausübung der Nutzung hinreichend
überwacht wird, den Bezug frischen, vollwertigen Saatgutes.
Die Gewinnung des Samens in Eigenregie und im Wege der Naturalabgabe
krankt naturgemäß an dem Uebelstand, daß in Samenjahren nicht nur der Bedarf
eines Jahres, sondern um so mehr Samen gesammelt werden muß, je weiter die Samen-
jahre auseinander liegen. Sie setzt außerdem voraus, daß Aufbewahrungsmethoden
bekannt sind und angewendet werden, mit deren Hilfe es möglich ist, die Keimkraft
des Samens mehrere Jahre auf einer befriedigenden Höhe zu erhalten. Bei Fichten-
und Kiefernsamen stellt das neuere Verfahren, die Samen durch Aufbewahrung
unter Luftabschluß und kühler Temperatur Jahre hindurch keimkräftig zu erhalten,
die Möglichkeit einer annähernden Unabhängigkeit vom Markte in Aussicht, wäh-
1) Nach Revue des Eaus et Forgts, 1909, April-Heft S. 217 gehen jährlich 130 Waggon Kie-
fernzapfen und 30 000 kg geklengter Kiefernsamen von Frankreich nach Deutschland.
2) Der .'Vnregung des Deutschen Forstwirtschaftsrates zufolge hat sich eine Kontrollver-
einigung der Besitzer von Samenklenganstallen und Forstbaunischulen gebildet, die sich unter
Gestattung der Buchkontrolle durch eine Kommission des Deutschen Forstwirtschaftsrates ver-
pflichtet, nach den Vorschriften des Deutschen Forstwirtschaftsrates Kiefernsamen und Kiefern-
pflanzen nur deutscher Herkunft zu liefern.
Die Beslandesbegründung. § 55. 1Q5
rend bei Bedarf an Samen nül schnell zurückgehender Keimkraft die Bcschaffvnig
durch Kauf auch für den Großbetrich nicht immer zu umgehen sein wird. Gerade
bei solchen Samen, die baldige Aussaat erfordern oder sich nur unter erheblicher Ein-
buße ihrer Keimfähigkeit bis zur Dauer eines Jahres aufbewahren lassen, wie Eiche,
Buche, Tanne, Birke, Erle, Ulme, Weide, Pappel, empfiehlt sich aber Selbstsammeln
in erster Linie. Die nicht zu umgehende Abhängigkeit vom Eintreten der Samen-
jahre hierbei ist immer noch das kleinere Uebel.
Beim Kauf Wendel man sich im allgemeinen besser an bewährte große Firmen als an
kleine Handler, w-eil die großen Anstalten am vollständigsten über die Mittel zur Lieferung
eines tadellosen Produktes verfügen und, wie die oben erwähnte KontroUvercinigung zeigt,
auch gern bereit sind, berechtigten Wünschen der Konsumenten zu entsprechen. Es ist üblich,
den Samen unler Zusicherung von Reinheit, guter Beschaffenheit und eines bestimmten Kei-
niungsprozentes zu kaufen. Bei größeren Lieferungen empfiehlt es sich, Einhaltung des Liefe-
rungstermines, event. Stellung einer Kaution für rechtzeitige Lieferung zu verlangen ^). —
Die Samenpreise schwanken je nach dem Ausfall der Ernte bedeutend, namentlich bei den-
jenigen Holzarten, die, wie z. B. die Kiefer, manchmal in längeren Zeiträumen nur schwache
Ernten geben und bei denen der Bedarf an Saatgut ein großer ist. Es ist selbstverständlich,
daß der Samenpreis mit den .Anforderungen, die an den Samen selbst gestellt werden, steigen
muß. Es ist total verkehrt, sich beim Ankauf von Samen nicht durch die Garantie guter Her-
kunft und hoher Keimkraft, sondern durch die Billigkeit bestimmen zu lassen. Wenn die
Samenhandlungen einen nach Keimkraft und Herkunft einwandsfreien Samen liefern sollen,
müssen sie den Preis erhöhen, weil die Beschaffung des Samen auf kleinerem Gebiete und
die sorgfältigere Behandlung beim Kiengen, Entflügeln, Aufbewahren usw. höhere Unkosten
verursacht. Der Preis für Fichtensamen hat 1880 — 95 zwischen 1,05 — 3,40 Mk. pro kg ge-
schwankt undstellt sich jetzt auf 2,50 .Mk.; Kiefer: 1880 — 95 3,05 — 8,10 Mk.; garantiert norddeut-
scher Kiefernsame ist schon mit 11,00 Mk. pro kg notiert worden und stellt sich jetzt auf 6,50
bis 8 Mk. Tanne: 1880—95 0,38—1,67 Mk., im Durchschn. 0,75 Mk., jetzt 0,80 Mk. pro kg,
Lärchel880 — 95 1,18 — 6,37, im Durchschn. 2,43 Mk., jetzt 4,50 Mk. pro kg. Eiche: pro hl (= 80 kg)
15,50 Stieleiche, 22 Mk. Traubeneiche; Buche: pro hl (= 45 kg) 21,00 Mk., jetzt 36 — 40 Mk.
Roterle: pro kg 0,70 — 1,00 .\lk., Weißeric 2,50 Mk.; Birke 0,60 — 0,80 Mk.; Ulme 0,40 — 0,60
Mark; Esche 1,00 Mk.; Bergahorn 1,00 Mk.; Spitzahorn 0,80 Mk.; Hornbaum 0,80 — 1,00 Mk.
B. Ernte und Aufbewahrung des Samens s. die betreffen-
den Teile im Abschnitt Forstbenutzung.
C. Prüfung der Samengüte. Neben Feststellung der Echtheit des
Samens hat sich die Prüfung zu erstrecken auf Reinheit, Größe und Beschaffenheit,
Keimzahl und Keimungsenergie. Nach dem Befund ergibt sich ein größerer oder
geringerer Gebrauchswert.
1. Echtheit. Am häufigsten sind Verwechslungen zwischen Stiel- und
Traubeneiche, gem. und Bergkiefer, Schwarz- und Weißerle, Berg- und Spitzahorn.
(Ueber die bezügl. Unterscheidungsmerkmale vergl. Abschn. Forstbotanik des Hand-
buches.) — 2. Reinheit. Das Saatgut soll möglichst rein, frei von Verunreini-
gungen (Zapfenschuppen, Teilen von Fruchthüllen, Samenflügeln, Harz, Steinchen
u. dergl.) sein. Je kleiner die Sämereien sind, um so stärker pflegen sie verunreinigt
zu sein. Besonders häufig sind Beimengungen bei Lärche, Birke, Weide, Pappel,
Erle. Die Reinheit wird durch das Reinheitsprozent, d. i. durch den prozentischen
Anteil von wirklichen Samenkörnern an 100 abgezählten Einheiten der Samenliefe-
rung angegeben. Das Reinheitsprozent schwankt nach den Angaben der Züricher
Samenkontrollstation zwischen 28 % (Birke) und 99 % (Buche). — 3. Größe und
Beschaffenheit. Größe und damit Gewicht des Samens sind insofern von
Belang, als das größere Samenkorn im allgemeinen die kräftigere Pflanze ergibt-).
1) Unter den größeren leistungsfähigen Klcnganstalten, bezw. Samenhandlungen sind
nicht wenige von bedeutendem Rufe (cfr. Abschnitt Forstbenulzung). Eine Zentrale des (man
darf wohl sagen europäischen) Samenhandels ist Darmstadt.
2) Vergl. Baur, Forstwiss. Centralblatt von 1880, S. 605 ff. — Wenn auch der Unter-
schied, welchen Pflanzen aus verschieden großen Samen (z. B. großen, mittleren und kleineren
Eicheln) anfänglich zeigen, später (nach 3 — 6 Jahren) mehr und mehr verschwindet, so sind
106 VI. L 0 r e y , Waldbau.
Nach den Beobachtungen von Friedrich waren Fichtenpflanzen aus schwererem
Samen im Alter von 3 Jahren nach Höhe und \'olumen nocli besser als gleich alte
Pflanzen aus leichten Samen. Abgesehen von der jeweiligen .Jahreswitterung und
der Bodengüte hängt die Größe des Samens vom Alter des Mutterbaumes und vom
Klima (Höhenlage) seines Standortes ab. S c h o 1 1 1) fand, daß im gleichen Revier
150jährige Kiefern auffallend kleine Zapfen mit kleinen, leichten Samen, 80jährige
hingegen größere Zapfen mit größeren Körnern erzeugten. Die gleiche Erscheinung,
daß der schwerere Zapfen den schwereren Samen liefert, bestätigt Friedrich von
Fichte. — Einen Anhalt für flüchtige Beurteilung des Wertes des Samens bietet seine
äußere und innere Beschaffenheit. Farbe der Samenschale und des Kerns '-), Wasser-
bezw. Oelgehalt des Kerns, Geruch und Geschmack, ganz besonders aber die Art und
Weise, wie der Kern die Schale ausfüllt, orientieren über Frische und damit über
das zu erwartende Keimungsprozent. Lange Zeit aufbewahrte oder zu stark ausge-
trocknete und dadurch minderwertig gewordene Samen verlieren ihre normale Farbe
außen wie innen, werden leichter und klappern beim Schütteln. Die größeren Säme-
reien (Eiche, Kastanie, Buche) lassen sich auch nach dem Gewicht beurteilen. Taube
Samen sind leicht und schwimmen im Wasser, während gute Samen untersinken. Die
Prüfimg von Eicheln usw. auf diese Weise, die sog. Wasserprobe, gibt zwar nach den
Feststellungen Grundners^) keine durchaus zuverlässigen, aber doch vollkom-
men zufriedenstellende Resultate. — 4. Keimzahl und K e i m u n g s e n e r-
gi e*). Das sicherste Mittel, die Brauchbarkeit eines Saatgutes festzustellen, ist die
Keimprobe. .Je höher das Keimprozent, d. ii. die Zahl der keimenden Körner unter
je 100 untersuchten und je größer die Keimenergie ist, d. h. je schneller die Samen
unter den ihnen bei der Keimprobe gebotenen günstigen Bedingungen keimen, um
so besser ist der Samen. Er ist am besten, seine Keimkraft also am größten kurz
nach seiner Reife. .Je älter er wird, um so mehr nimmt die Keimkraft auch bei sorg-
fältigster Behandlung ab. unter sonst gleichen Verhältnissen hängt die Schnellig-
keit, mit der die Keimkraft zurückgeht, von der Holzart ab. Sehr rasch, oft schon
nach wenigen Tagen, verlieren die Keimkraft Ulme, Erle, Birke, Weide, Pappel.
Bei Eiche, Buche, Kastanie, Tanne hält sie, sachgemäße Behandlung des Samens
vorausgesetzt, bis zum nächsten Frühjahr aus. Länger und zwar jahrelang lassen
sich Esche, Hornbaum, Linde, und am besten die Nadelliolzsamen keimfäliig erhal-
ten. Fichte und Kiefer bleiben bei guter Aufbewahrung 3 bis 4 Jahre keimfähig. Die
doch oft die ersten Jahre (energischer Höhentrieb im Kampfe mit Unliräutern etc.) äußerst
wichtig. — B a d 0 u X stellt den Einfluß der Korngröße in bezug auf die Keimkraft dahin
fest, daß groß und mittelgroß keinen erheblichen Unterschied zeigen, kleine Körner aber meist
weniger leisten als große und mittelgroße. — Friedrich, Ueber den Einfluß des Ge-
wichtes der Fichtenzapfen und des Fichtensamens auf das Volumen der Pflanzen. Zlschr. f.
d. ges. Forstw. 190.S, S. 233. — C i e s 1 a r , Ueb. d. Erblichkeit des Zuwachsvermögens,
ebenda?. 1895, S. 7. — E n g 1 e r , Mittign. a. d. Schweiz. Zentralanstall f. d. forstl. Versuchsw.
VIII, 1905, S. 182.
1) 130jährige Kiefern ergaben auf 1 hl 11 300 Zapfen und ein 1000-Korngewicht \on 3,3 gr;
80jährige auf 1 hl 6940 Zapfen und 4,3 gr 1000-Korngewlcht.
2) Der Kern frischer Samen ist meist weißlich oder gelblich, bei der Esche bläulich, beim
Ahorn ein grünes Pflänzchen.
3) Grün d n e r , ,,Die Ausscheidung keimfähiger Eicheln mit Hilfe des Wassers". AUg.
F.- u. J.-Z. Mai 1887.
4) Im gewöhnlichen Sprachgebrauch pflegt man von der ,, Keimkraft" eines Samens zu
sprechen und braucht diesen das Keimprozent und die Keimenergie umfassenden Ausdruck
meist (fälschlicherweise) nur für die Keimzahl. Die seither von den Samenhandlungen im besten
Falle garantierten Keimprozente schwanken bei Fichte zwischen 70 — 80%, Kiefer 70 — 75%,
Lärche 30—40%, Tanne 40—50%, Eiche, Buche 55—75%, Erle 30 — 40%, Birke 20—30%,
Weide, Pappel 5 — 10%.
Die Beslandesbegründung. § 55. 107
große praktische Bedeutung möglichst hochkeimenden Samens ist zwar längst allen
Forstwirten bekannt, ist aber erst neuerdings wieder duirh die ausführliclien Unter-
suchungen H a a c k s ^) an Kiefernsamen in sehr dankenswerter Weise unterstrichen
worden und wird, wie Vorgänge aus neuester Zeit ^) beweisen, in Zukunft die ver-
diente Beachtung wohl mehr finden, als es bisher im allgemeinen gescliehen ist.
Bei der Aussaat im Freien ist das Keimprozent wegen der weit ungünstigeren Be-
dingungen, unter welchen der Samen auf der Saatfläche keimt, stets geringer als bei
der Keimprobe im Zimmer. Nicht einmal im Forstgarten, geschweige denn auf den
großen Kulturflächen erhält man auch nur entfernt so viel Pflänzlinge, als dem
Keimprozent und der angewendeten Samenmenge entsprechen. Das ,,Pflanzen-
prozenl", d. h. die Zahl der aus 100 Samenkörnern hervorgehenden Pflanzen steht
vielmehr sehr erheblich hinter dem Keimprozent zurück. Von großer Wichtigkeit
ist nun, wie die Untersuchungen H a a c k s für Kiefer zeigen, daß Keimprozent und
Pflanzenprozent nicht parallel gehen, sondern daß das letztere bei höherem Keim-
prozent in schnellerem Tempo ansteigt, mit abnehmender Keiuikraft aber auch viel
schneller sinkt als das Keimprozent ^). Wie die unten angeführten Zahlen erkennen
lassen, liefert der bei vorsichtigem Klengbetrieb herstellbare 95%ige Kiefernsamen
doppelt so viele Pflanzen als der im derzeitigen Samenhandel als gut ange-
sehene Samen mit 75 °o Keimkraft. Von Bedeutung ist ferner auch die Keimenergie.
Aus schnell keimenden Samen gehen im allgemeinen kräftigere und besser bewurzelte
Keimlinge iiervor. Für Kiefer fand H a a c k , daß bei gleichem Keimprozent und
verschieden holier Keimenergie der energischer keimende Samen 10% Pflanzen mehr
gibt als der langsamer keimende. Da beide, Keimprozent und Keimenergie, aber vom
Alter des Samens und der Art seiner Behandlung abhängen, wird der in bezug auf
Keimzahl hochprozentigere Samen im allgemeinen auch der keimenergischere sein.
Der Praxis muß also an der Beschaffung möglichst hochprozentiger Samen liegen.
Die Sorge hierfür ist um so mehr angezeigt, je ungünstiger die Verhältnisse der Saat-
fläche sind. Das mit dem Keimprozent in verstärktem Maße anwachsende Pflanzen-
prozent erleichtert auch die Aufwendung höherer Preise für ein mit größeren Un-
kosten hergestelltes keimkräftigeres Saatgut, weil ja entsprechend seiner Güte an
der Menge des Samens gespart werden kann.
Die oben genannte Keimprobe beruht darauf, daß man eine bestimmte
Anzahl (50, 100, 200 Körner) durch andauernd gleichmäßige Potenzierung der die
Keimung bedingenden Faktoren Feuchtigkeit und Wärme, bei genügendem Luft-
und Lichtzutritt zu rascherer Entwicklung veranlaßt. Diese Beschleunigung ist er-
forderlich, damit man in kürzester Zeit (vor Eintritt der Kulturzeit) den gewünschten
Aufschluß erhält. Gleichmäßige Temperatur*) ist bei den Keimproben erwünscht;
namentlich sollten sie niciit in Räumen vorgenommen werden, welche nachts (in-
folge Unterbrechung der Heizung) erheblich kälter sind als am Tage. Die zu be-
nutzenden Apparate sind vor dem Gebrauch gründlich zu reinigen, damit Pilz-
bildungen (Schimmel) möglichst hintangehalten werden; Tonplatten etc. werden zu
dem Ende vorher ausgeglüht. Der Beginn der Keimung, sowie die Zahl der täglich
1) H a a c k , Ueb. d. Keimung und Bewertung des Kiefernsamens nacli Keimproben.
Zlschr. f. F.- u. Jw. 190(5, S. 411. — D e r s. , Die Beschaffung des Kiefernsamens einst, jetzt
und künftig. Mittlgn. d. deutsch. Forstver. 1909, S. LS?.
2) Nach einem Ministerialerlaß vom 29. I. 1910 soll das Ziel des Darrbetriebe^ in den preuß.
Kieferndarren die Gewinnung eines Saatgutes von mindestens 85°o Keimkraft sein.
3) Kiefernsamen von 50, 55, 60, 65, 70, 75, 80, 85, 90, 95% Keimkraft
ergab 5, 7, 11, 14, 18, 22, 26, Sl, 37, 44 Pflanzen.
4) Für die Keimung der Weymouthskiefersamen ist Temperaturwechsel sehr förderlich.
1Q8 vi. Lorey, Waldbau.
keimenden Körner ist zu notieren. Einzelne späte Nachkömmlinge dürfen bei der
Beurteilung der Samengüte unberücksichtigt bleiben, weil solche, im Freien erst
gegen den Sorruner hin erscheinende und nicht mehr zu normaler Entwickelung ge-
langende Pflanzen für das Gedeihen der Kultur meist wertlos sind. Daß man sich,
um sicher zu gehen, nicht mit einer einzelnen Probe begnügt, sondern gleichzeitig
Parallelproben vornimmt, ist selbstverständlich. Man pflegt die Keimprobe nach 4,
bei Kiefer nach 6 Wochen abzuschließen i). Bei Fichten- und Kiefernproben kommt
man aber schon zu einem hinreichenden Urteil, wenn der Keimversuch nach 14 Tagen
abgebrochen wird und die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht gekeimten, beim Durch-
schneiden aber als frisch befundenen Körner den gekeimten zugezählt werden. (Milt-
ner und Kinzel, Keimungshemmungen. Natunv. Ztschr. f. L.- u. Fw. 1906,
S. 36.)
Die oben angedeuteten Mittel zur Beschleunigimg des Keimprozesses sind u.a.
Aussaat in Scherben, deren Erde man ständig feucht erhält und die man in einen
mäßig warmen Raum stellt (Scherbenprobe) ; Einlegen des Samens in dauernd feuchte
Flanelllappen (Lappenprobe) oder Filtrierpapier; Anwendung besonderer Keim-
apparate, wie z. B. der Hannemann'schen Keimplatte -) (poröse Tonplatte mit
Vertiefungen zum Einlegen der Samen, steht in Wasser bis zur Höhe des Bodens
dieser Vertiefungen), des Nobbe'schen Keimapparates ^) (von einer Wasserrinne um-
gebener, muldenförmiger Tonhehälter zum Einlegen der Samen, von einem mit Luft-
öffnung versehenen Tondeckel überdeckt), der Apparate von Stainer und Grün-
wald *) (poröse mit Vertiefungen versehene Tonplatten, in Wasser liegend, mit einer
Glas- oder Porzellanglocke bedeckt), des Apparates von Coldewe und Schönjahn ^)
(Auslegen des Samens auf feuchtem Sand, Bedecken mit einer Filzplatte und mit
Glasdeckel), Magerstein ^), Keimkasten von Dr. Cieslar '), Pfizenmayers Keim-
kasten ^) (ein kleiner, blechbeschlagener, mit matter Glasplatte bedeckter Holzkasten,
in welchem auf nassem Torfmull der entsprechend kleinere, aus Zinkblech gefertigte,
sandgefüllte, am Boden siebartig durchlöcherte Keimkasten steht. Der Apparat wird
auf den warmen (nicht überhitzten) Ofen oder Herd gestellt; er arbeitet rasch und
genügend sicher: für schnell vorzunehmende Proben zu empfehlen), Keimapparat
von Entel ^) (Vertiefungen eines in Wasser eingesetzten Gipsblockes nehmen die
Samenkörner auf) usw.
Die Untersuchung einer Samenlieferung auf ihren Gebrauchswert wird am
zweckmäßigsten an einer zwischen Käufer und Verkäufer zu vereinbarenden Samen-
kontrollanstalt vorgenommen. Diese gut eingerichteten Anstalten verfügen über alle
erforderlichen Hilfsmittel, so daß die Prüfung naturgemäß exakter durchgeführt
wird als durch den einzelnen Samenkäufer, dem in den meisten Fällen nur ein mangel-
hafter Apparat zu Gebote steht. Namentlich dann, wenn es sich um größere, hohe
Werte repräsentierende Lieferungen handelt, ist die staatliche Samenprüfungsanstalt
der gegebene Ort für die Prüfung. Zur Orientierung in einzelnen Fällen, bei kleineren
Quantitäten ist die Prüfung durch den Empfänger deshalb nicht ausgeschlossen.
1) Vgl. Schwappach, Bestimmungen f. d. Waldsamcnprüfungsanstalt bei der Haupt-
station des forstl. Versuchswesens zu Eberswalde. ."Mlg. F.- u. J.-Ztg. 1901, S. 33.
2) Allg. Forst- u. Jagd-Zeitung von 1870, S. 153.
3) Nobbe, ,, Handbuch der Samenkunde" 1876, S. 507.
4) Vgl. Allg. Forst- u. Jagd-Zeitung von 1884 S. 371. Beide .\pparate funktionieren gut.
5) Vergl. Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen, Sept. 1886, S. 481 ff.
6) Zentralbl. f. d ges. Forstwesen 1886, S. 348.
7) Zentralbl. f. d. ges. Forstwesen 1890, S. 251.
8) Allg. Forst- u. Jagd-Zeitung 1893, S. 17.
9) Forstw. Zentralbl. 1897, S. 535.
Die Bestandesbegründung. § 5G. jq9
\'om Staat eingerichtete Koiitrollanstaiteu, welche in amtlicher Eigenschaft die Prü-
fung nach bestimmten Formen vornehmen, bestehen jetzt an vielen Orten; so z. B.
in Hohenheim (Württemberg), Zürich (Schweiz), Eberswalde, Dresden, Mariabrunn
(Oesterreich), Barrcs-Vilmorin (Frankreich) ^).
111. Das Keimbett.
§ 56. V o r b e m e r k u n g e n : Da bei der Keimung Feuchtigkeit, Wärme
und Sauerstoff der Luft zusammenwirken, so muß der Samen bei der Aussaat in Ver-
hältnisse gebracht werden, welche ihm die möglichst ungestörte Einwirkung dieser
Faktoren darbieten. Lichtabschluß wirkt hemmend. Anhaltende Trockenheit, sowie
Frost sind besonders dann schädlich, wenn sie im Zeitpunkte der beginnenden Kei-
mung eintreten. Gegen alle schädigenden Einflüsse kann, soweit sie sich in mäßigen
Grenzen halten, also z. B. die Trockenheit nicht zu lange andauert oder der Frost
nicht zu heftig auftritt, das Umgeben des Samenkornes mit lockerer Erde Schutz
gewähren. Ueberdies ist für das sofortige Anwachsen des zuerst aus der Hülle hervor-
brechenden Würzelchens erforderlich, daß dieses baldigst mineralischen Grund er-
reicht.
Herstellung eines guten Keirabettes: Alle hierauf gerich-
teten Maßregeln haben ihren Grund in den vorstehend angedeuteten Bedingungen
einer raschen, sicheren Keimung. Der Kulturkostenaufwand wird durch derartige
Vorarbeiten stets mehr oder weniger bedeutend erhöht, weshalb sorgfältigst zu er-
wägen ist, ob sie nötig sind, bezw. ob sie die gedeihliche Entwickelung der jungen
Saat so fördern, daß sich die Ausgabe lohnt. Die billigsten Mittel, welche uns den
Zweck erreichen lassen, sind zu wählen. Dabei ist aber wohl zu beachten, daß — so
sehr auch die Kulturkosten das Konto des zu erziehenden Bestandes belasten — doch
nicht am unrechten Orte gespart werden darf. Kulturen, bei deren Ausführung man
an Aufwand für Bodenvorbereitung gespart hat, werden oft durch die erforderlichen
Nachbesserungen zu teueren, oder die zweifelhafte Entwickelung des geschaffenen
Bestandes bedeutet einen Verlust, der den Kulturkosten zugeschlagen werden muß.
Statische Envägung ist hier besonders angebracht. Die zur Herstellung eines guten
Keimbettes notwendigen Operationen bestehen je nach den Umständen in der Ent-
fernung eines den mineralischen Boden nach außen abschließenden oder die Keim-
pflanzen demnächst benachteiligenden Bodenüberzugs, in der Auflockerung des Bo-
dens da, wo dieser zu fest gelagert ist, und ausnahmsweise auch wohl in Herbeischaf-
fung des für die Keimung geeigneten Bodens an Stellen, wo solcher fehlt.
A.Entfernung eines hinderlichen Boden Überzugs:
Eine lichte Grasnarbe oder dünne Decke aus Laub, Moos, Kräutern (auch Heide,
Beerkraut), unter welchen der Boden, genügend locker, sich einigermaßen frisch er-
hält, ist im allgemeinen der Saatkultur nicht hinderlich. Fehlt dieser Ueberzug (als
Beweis eines lebendigen tätigen Bodens), wie nicht selten auf trockenen, steilen oder
sandigen Orten, so hat man öfter mit Erfolg versucht, ihn erst zu gewinnen, indem
man die Fläche einige Zeit liindurch vollständig sich selbst überläßt. Als allgemeine
ISIaßregel ist dies jedoch wegen der Gefahr weitergehender .\ushagerung des Bodens
und Zerstörung seiner Krümelstruktur nicht anzuraten. Unbedingt hinderlich da-
gegen wirkt jede stärkere Bodendecke, also jede zusammenhängende dichte, hohe
1) Nachrichten über diese .\nslalten bezw. deren Unterstützungsergebnisse finden sich u. a.
Schweiz. Ztschr. f. Forstw. 1892, 112. Zentralbl. f. d. ges. Forstw. 1899, 339; Tliarand. Jahrb.
1890, 103; Allg. F.- u, J.-Ztg. 1901, 33.
110 ^^- Lorey, Waldbau.
Laub- oder Nadelschiclit, zumal wenn sie sich infolge ungenügender Streuzersetzung
als Trockentorf charakterisiert. Schädlich sind ferner festgeschlossene Polster von
Moos und Gräsern oder massige Ueberzüge von Farnkräutern, Heide, Heidelbeere,
Himbeere, Brombeere, Epilobium, Senecio, Digitalis usw. Die Entfernung eines
derartigen Ueberzugs geschieht meist nur teilweise. Man wendet unter solchen Ver-
hältnissen, wenn man überhaupt säet, stellenweise Saat an, weil die Bodenvorberei-
tung für Vollsaat zu teuer würde. Die Bearbeitung erfolgt 1 . bei L a u b u n d M o o s
mittels des Rechens (event. besondere kräftig gebaute Waldrechen), oder durch
Uebereggen mit Feld- oder Ketteneggen, bei besonders mächtigen Laubschichten
auch wohl mittels Pflügens (Vogelsberg). Weiterhin kommt Unterhacken der oberen
Schicht und dadurch Mengung mit dem Mineralboden in Frage. Dem letztgenannten
Zwecke dienen auch die dänische Rollegge und die ihr nachgebildeten Grubber, deren
vorzügliche Leistungen schon oben S. 96 ei-wähnt wurden; 2. bei Gras, Heide,
sonstigen F o r s t u n k r ä u t e r n durch Abschneiden mittels Sichel, Sense,
Heppe, Beil, Schere etc. ') oder eines Riefenabschneiders ^); 3. bei Sträuchern
durch Abhauen mit dem Beil oder Abschneiden mit der Durchforstungsschere,
oder durch Ausstocken (Schwarzdorn), wenn man vollständige Entfernung wünscht.
Auch Abbrennen kann unter Umständen angewendet werden und fördert rasch.
Bedingungen hierfür sind: mäßig trockenes Wetter, Trockenheit des Bodenüberzugs
(Heide, Gras etc. im Frühjahr, stehend; Kräuter nach vorherigem Abmähen und
Abwelken). Es ist selbstverständlich, daß alle möglichen Vorsichtsmaßregeln zur
Verhütung des Ueberlaufens des Feuers ergriffen und beobachtet werden müssen.
Dazu gehören Aufgebot der nötigen Mannschaft, streifenförmige Bodenverwomdung
um die Brandfläche, Vermeiden von Tagen mit stärkerem Winde usf.
B. Bodenlockerung: Je besser die Bodenlockerung, um so besser der
Kulturerfolg. Immerhin wird man des meist erheblichen Kostenpunktes wegen im
allgemeinen sich begnügen, den Boden nur so weit zu beaibeiten, daß eine für den
Kulturerfolg genügende Anzahl von Samenkörnern mit dem mineralischen Boden
in hinreichend innige Berührung kommt, um sich zunächst zu guten Keimpflanzen
zu entwickeln, und daß letzteren dann in dem gelockerten Boden vor allem die Bil-
dung eines normalen Wurzelsystems ermöglicht ist. Uebrigens kann durch Boden-
lockerung hin und wieder die Gefahr des Auffrierens in unenvünschter Weise er-
höht werden. Die Mittel der Lockerung sind für Vollsaat und stellenweise Saat ver-
schieden.
L Vollsaat: a) Früher hat man sicli zum Umbrechen des Bodens bisweilen
mit Vorteil der Schweine bedient, die, in mäßigem Tempo über die Fläche ge-
trieben, eine unter Umständen hinreichende oberflächliche Bodenverwundung fertig
brachten und gleichzeitig durch Vertilgen von Bodentieren aller Art nützlich wurden.
Die heutige Zeit, die dem Mastschwein die nötige Fertigkeit im Umbrechen des Bodens
nicht mehr zutraut, muß zu anderen Mitteln greifen und besorgt die Bodenlockerung
durch Kurzhacken, Eggen, Grubbern und Pflügen des Bodens.
Die Verwendung von Spaten, die an und für sich die beste Bodenlockerung verbürgt,
kommt der hohen Kosten wegen nur bei der Bearbeitung kleiner Flächen (Saat-
kämpe) oder bei stellenweiser, namentlich Plattensaat in Betracht.
Hacken sind Universalinstrumente für jede Art von Bodenbearbeitung und sind na-
1) Zum Teil eigens für diesen Zwceli l<onstruiertf' Instrumente; vergl. Beil, ,,Fu^^tvv.
Kulturwerkzeuge und Geräte", sowie die bezügliclien Kapitel der größeren Waldbauscliriften,
z. B. H e y e r s Waldbau, 5. Aufl. S. 115 ff.
2) „Der Riefenabschneider" von K e h r e i n. A. F.- u. J.-Z. von 1878, S. 37.
Die Bestandesbegründung. § 56. Hl
nipnllich dorl unumgänglich, wo die uipist durch S|ianuUral't fdi-lljewegten größeren und hei
passenden \'erli;iltnissen viel wohlfeiler arlieitenden Werkzeuge den Dienst versagen. Welelie
.\rl von Hacken ain zweekniäßigslen isl, ist schwer zu sagen. Die Hacken mit breiten Blättern
arbeilen gut, wenn es sich nur um .\bsclialen eines nicht zu dicken Ueberzugs handelt. /.\ir
Büdenlockerung und zum Beseitigen dicker, verfitzter Bodendecken sind Hacken mit schmä-
leren Blättern aber mehr geeignet. Steinige und verwurzelte Böden verlangen sogar die An-
wendung von Spitz- und Rodehacken. — Eggen. Außer der gewöhnliehen Keldegge kommen
in Tätigkeil: die sog, Strauchegge, bei welcher die Enden eingelegter Reisigbündel die Boden-
verwundung besorgen, für nicht zu dicht benarbten Sandboden, auf welchem Kiefernsaat aus-
geführt werden soll, oft vollkommen genügend; die dreieckige Egge, die Kettenegge (aus einer
Anzahl einzelner mit Zinken xersehener inid durch kurze Kettenstücke verbundener kleiner
Platten bestehend — beweglich), wie z. B. die Waldegge von Laake (Oesterr. Forslzeilung
1889, 8), eine Keltenegge mit auswechselbaren Zähnen; neuestens die Federegge ') (mit beweg-
lichen Zähnen). Eine gut arbeitende Egge (nach Oberforstmeister Hahn, Zeitschr. f. Forst-
u. J. 1892, 457) mit rOckschlagenden Löffelzinken ist die Ingermann'sche Waldegge. Stöcke,
Steine, Wurzeln etc. bieten der Arbeit der gewöhnlichen Feldegge Hindernisse; gegen solche
sucht die Kettenegge und die Federegge anzukämpfen. — Grubber. In neuerer Zeit werden
nach dänischem \orbilde die auf Zerreißimg der oberen Bodendecke und auf Mischung der
organischen Stoffe mit dem Mineralboden gerichteten Wühlapparate empfohlen. Der Typus
dieser schweren, durch Pferde fortbewegten Werkzeuge ist die dänische Rollegge. Nachbil-
dungen derselben von teihveis erhöhter Leistungsfähigkeit sind die Waldgrubber: Webers
Waldgrubber. Auf bereits vorbereiteten Böden, in Saatkämpen, auf Pflugfurchen usw. treten
die kleineren Handapparate (Spitzenbergs Wühlrechen, Wühlrad, Wühlspaten) an ihre Stelle.
— Waldpflüge sind in mannigfacher Gestalt konstruiert worden. Es sind teils Karren-
oder Räderpflüge, teils Stelz-, teils Schwingpflüge im Gebrauch. Neben gewöhnlichen Pflügen
kommen auch Untergrundpflüge (tiefere Lockerung) zur Benutzung. Beispiele: Der Wald-
pflug, sowie der Untergrundpflug von Alemann '), der Waldpflug von Eckert '), derjenige von
Erdmann ■■), von Osterheld (zur furchenweisen Bodenbearbeitung behufs Aufnahme der Buchel-
mast^), von Bötzel'), von Thaler (A. F.- u. J.-Z. 1906, liS), von Schenk v. Schmiltburg (ebendas.
1907, 339; 1911, 58), fernerhin die dänischen Pflüge (vgl. Metzger, Dänische Geräte z. Boden-
bearbeitung).
Als ein besonderer Fall der Anwendung des Pfluges möge hier der Kiefernanbau auf
Pflugwällen (prcuß. Oberförsterei Dobrilugk) erwähnt werden '). Durch das Ausheben ver-
tiefter Pfluirfurchen werden wallartige Erhebungen gebildet; auf letzteren wird kultiviert. All-
gemein sind auf undurchlassendem Boden die Pflugfurchen nicht selten zu naß.
Die volle Bodenbearbeitung ist (vom Schweineeintrieb und allenfalls von der
oberflächlichen \'er\vundung eines ebenen, mit kurzem Gras überkleideten Bodens
durch die Egge abgesehen) meist zu teuer, als daß sie ohne übermäßige Belastung
der Wirtschaft ausgeführt werden dürfte. Eventuell ist, wenn man sich nicht mit
stellenweiser Saat begnügen will, von der Saat überhaupt Abstand zu nehmen und
zur Pflanzung überzugehen.
2. StellenweiseSaat. Für sie tritt vorgängige Bodenbearbeitung (wenig-
stens für Riefen- und Plattensaat) fast immer ein. Die Kultur muß, da sie auf einzelne
Teile der Fläche beschränkt ist, auf diesen in ihrem Erfolg durch besondere Sorg-
falt möglichst gesichert sein. Der Aufwand für die Bodenbearbeitung ist hier ent-
sprechend geringer, als wenn die betreffenden Arbeiten auf der ganzen Fläche durch-
geführt werden.
a) Streifen: Die R i c h t ii n g ist in der Ebene meist nur bedingt durch
die ^^'ege, auf welche die Streifen zur Erleichterung der Holzausbringung bei den
Reinigungen und ersten Durchforstungen unter einem annähernd rechten Winkel
1) Vergl. über diese und einige andere Waldeggen von Alle n's Aufsatz in Danckelmanns
Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen 1886, S. 375 ff. — vergl. auch AUg. F.- u. J.-Z. von 1879,
S. 262.
2) A 1 e m a n n , Ueber Forstkulturwesen, 3. .\ufl. S. 25 ff
3) .\llg. Forst- und Jagdzeitung von 1869, S. 481.
4) Daselbst 1866, S. 327.
5) Forstwiss. Zentralbl. 1900, 131.
6) Holz-\'erkaufsanzeiger, 1893, 12.
7) Zeitschr. f. Forst- u. J. 1888, 513.
112 VI. L o r e y , Waldbau.
autstoßen sollen, sowie allenfalls durch die Windrichtung. Es wird als zweckmäßig
angesehen, daß der Wind tunlichst senkrecht auf die Saatstreifen trifft, sie aber
nicht in ihrer Längserstreckung bestreicht. An Hängen würde die Rücksicht auf die
Holzausbringung zur Anlegung der Streifen oft geradezu in der Richtung des größten
Gefälles (Einmündung in die Tal- und Hangwege) führen. Mit Rücksicht auf die da-
durch gesteigerte Gefahr des Abschwemmens von Bodenkrume, Samen und Pflanzen
läßt sich diese Richtung der Streifen meist nicht einhalten. Vielmehr empfiehlt sich
hier horizontale Lage der Streifen mit Anhäufung des Abraums am unteren Strei-
fenrande. Eine geeignete Vermittelung wird nicht selten durch eine die Richtung
des größten Gefälles in schiefem Winkel durchschneidende Erstreckung der Strei-
fen gefunden. Den vom Wasser (Platzregen, Schneeabgang etc.) drohenden Ge-
fährdungen kann einigermaßen auch durch Unterbrechung der Streifen (sog. Stück-
rinnen) begegnet werden. — Breite der Streifen: hauptsächlich abhängig vom
Unkrautwuchs auf den zvvischenliegenden Streifen. Die jungen Pflanzen dürfen von
der Seite her nicht überlagert und unterdrückt werden; durchschnittliche Breite
25 — 50 cm. — Abstand der Streifen: von Rand zu Rand meist % — 1 y. m,
bei langsamwüchsigen Holzarten und zur Erzielung eines raschen Bestandesschlusses
am geringsten. — Herstellung der Streifen: oft, zumal in sehr unebenem
Terrain, nach dem Augenmaß; sonst Abstecken unter Anwendung von Pflanzschnur
etc., Entfernung des Bodenüberzuges, Lockern des mineralischen Grundes (mit
Hacke oder Pflug), event. Bildung eines erhöhten Aufwurfs (und demnächstige Saat
auf die erhöhten Streifen, damit die jungen Pflanzen nicht von Laub etc. über-
deckt werden (sog. Dammkulturen). Die Kosten betragen bei Anfertigung mit der
Hacke pro ha (bei 0,3 m Breite und U/« m Abstand der Streifen) im ganzen 30 — 40
Taglöhne.
b) Platten: Ihre Größe und Entfernung (von Mitte zu
Mitte) ist abhängig von der Entwicklung der Keimpflanzen, Art des Unkraut-
wuchses, vom Eintritt des Bestandesschlusses; mittlere Größe 0,25 GMeter und
mittlere Enfernung 1— IV, Meter. Die Platten erhalten meist eine quadratische
Gestalt, werden auch wohl kreisförmig oder als der Quadratform sich annähernde
Rechtecke angelegt. — Anfertigung: Abräumen des Bodenüberzugs, Lockern
des mineralischen Grundes (mit Hacke, Kreisrechen *), Spitzenbergs Wühlspaten).
C. Herbeischaffen von K u 1 1 u r e r de . Für den Zweck einer Saat-
kultur (z. B. zwischen die Steine in Steinräuhen etc.): gute Walderde, Kompost,
Rasenasche. Die Maßregel ist, weil teuer, möglichst zu vermeiden; nur ausnahms-
weise und für kleine Flächen kommt sie in Betracht.
Die zeitliche Ausführung der Bodenbearbeitung richtet
sich teils nach den vorhandenen Arbeitskräften, teils nach den Bedürfnissen des
Bodens. Zumeist geht sie der Saat unmittelbar voran. Es kann sich aber nament-
lich auf bindigen Böden sehr empfehlen, die im Frühjahr zu besäenden Stellen bereits
im Herbst zuvor zu lockern, teils um die Arbeit im Frühjahr zu verkürzen, haupt-
sächlich aber, um den Boden physikalisch zu bessern.
IV. Die Aussaat.
§ 57. A. Saatzeit. Eine allgemeine Vorschrift in bezug auf die Saatzeit
läßt sich nicht geben. Abgesehen von denjenigen Holzarten, deren Samen baldigst
in den Boden gebracht werden müssen, weil sie ihre Keimkraft nach der Reife rasch
1) Verarl. Beil, ,, Kulturwerkzeuge" Fig. 90 — 96.
Die BestandesbegrQndung. § 57. j 13
verlieren, wie Ulme, Birke, die deshalb im Juni bezw. .luli — August ausgesäet wer-
den, säet man entweder im Herbst oder im Frühjahr. Die Frülijahrssaat bildet im
allgemeinen die Regel *). Bei der Herbstsaat hat man zunächst den Vorteil, daß
man den Samen nicht aufbewahren muß, sondern im \'ollbesitz der Keimkraft aus-
säet. Weiter pflegen die Herbstsaaten zeitiger aufzulaufen als die Frühjahrssaaten,
sie entwickeln sich dementsprechend, sofern Fröste nicht stören, schon im ersten
Sommer kräftiger und nützen namentlich auf trockenen Böden die Frühjaiirsfeucli-
tigkeit besser aus als die erst später ausgeführten Frühjahrssaaten. Sie sind aber
Gefahren aller Art mehr ausgesetzt als jene, leiden unter Tierfraß (Vögel, Mäuse,
Wild, Eichhörnchen), Abschwemmen bei der Schneeschmelze, Spätfrost infolge
frühen Auflaufens und stehen deshalb im Erfolg sehr oft den Frühjahrssaaten nach.
Rücksicht auf Arbeitskräfte, Kürze der verfügbaren Kulturzeit im Frühjahr, nament-
lich in höheren Lagen, wo der Boden lange mit Schnee bedeckt ist, ferner Unmög-
lichkeit der x\ufbewahrung des Samens durch den Winter können gleichwohl zur
Herbstsaat veranlassen. Bei der Entscheidung ist nicht außer acht zu lassen, daß
bei weit hinausgezögerten Frühjahrssaaten die Keimlinge nicht selten, bevor sie
einigermaßen erstarkt sind, durch Trockenheit und hohe Temperaturen zu leiden
haben. Verspätete Saaten sind auch den Frühfrösten gegenüber oft nicht widerstands-
fähig genug. Samen von Holzarten, die infolge eines Keimverzuges zu überliegen
pflegen, d. h. nicht sofort nach der Aussaat im Frühjahr keimen, sondern meist
erst nach Ijährigem Lagern im Keimbett auflaufen, säet man zuweilen schon im
Herbst, weil dann ein Teil der Körner bereits im nächsten Frühjahr keimt. Immer-
hin sind derartige Saaten meist sehr unvollkommen. Der Gleichmäßigkeit der Saat
wegen empfiehlt es sich mehr, Samen überliegender Holzarten (Esche, Hombaum,
Ahorn, Linde) ein Jahr vor der Aussaat in frischen Boden einzuschlagen und dann
im Frühjahr auszusäen.
B. Erforderliche Samenmenge. Sie ist abhängig von der Qua-
lität des Samens, dem Saatverfahren, der Holzart, dem Standort, dem gewünschten
Maß der Bestandesdichte, der Bodenvorbereitung und dem Wirtschaftszweck.
l. Qualität des Samens. Je keimkräftiger der zur Aussaat gelangende
Samen ist, um so weniger braucht man, um unter gegebenen Verhältnissen und bei
normalem Verlauf der Witterung die Flächeneinheit mit dem nötigen Pflanzen-
material zu versehen. Wie das oben S. 107 von der Kiefer angegebene Beispiel zeigt,
kann die Samenmenge stark eingeschränkt werden, wenn hochkeimender, frischer
Samen zur ^'erwendung kommt. Samen, der bereits länger aufbewahrt wurde, oder
Samen von Holzarten, deren Keimungsprozent selbst bei frischem Samen niedrig
ist, müssen entsprechend stärker gesäet werden. Einen ungefähren Anhalt für die
jeweils zweckmäßige Samenmenge bietet die Feststellung des Pflanzenprozentes
bei den verschiedenen Keimprozenten, wie es durch H a a c k für Kiefer geschehen
1) Speziell findet sich meist die \"orschrift, man solle recht früh säen, um von der Wyiter-
feuchti^keit möglichst zu profitieren. Zu beachten ist aber, daß für die Entwickelung der Samen
auch eine gewisse Wärmemenge Bedingung ist, und daß eintretende Kälterückschläge die Kei-
mung sehr ungünstig beeinflussen können. Im allgemeinen hat es keinen Wert, vor April zu säen:
vergl. auch v. Alten, „Wie wirkt die Saatzeit . . ?" in Zcitschr. f. Forst- und Jagdwesen
1887, S. 10 ff. Dieser hatte — Revier Kupferhütte, Reg.-Bez. Hildesheim — mit Forche die
besten Erfolge bei der .\ussaat Mitte .\pril. Die Frage muß örtlich, durch mehrere Jahre hindurch
und in .\usdelinung des \'ersuchs auf verschiedene Hulzarten untersucht werden. Insbesondere
darf daran erinnert werden, daß sich für Gebirgslagen als beste Saatzeit niclit selten erst .Mai
oder Juni ergeben: in eigentlichen Hochlagen ist frühere .\ussaat oft gar nicht möglich. Uebrigens
wird für trockene steile Hänge, zumal fürs Gebirge, auch Schneesaat (.ausstreuen des Samens auf
die Schneedecke) empfohlen: cfr. G. Raßl in Oesterr. Forstz. 1888, 282.
Handb. d. Forstwiss. 3. Aufl. II. 8
114 VI.
ist. Die preußische Ministerialverordnung vom 29. I. 1910 schreibt unter Beach-
tung dieser Feststellungen für Kiefer vor, daß bei 85 %igem Samen auf 1 ha im Höchst-
falle .3 kg auszusäen sind und daß einem kg solchen Samens 1,7 kg 70%iger, 1,4 kg
75%iger, 1,2 kg 80°öiger, 0,8 kg 90%iger und 0,7 kg 95 %iger entsprechen. —
Saatverfahren: man rechnet für Streifensaat -jz bis ^ji, bei Plattensaat i^
der Vollsaatsamenmenge. — Holzart; bei langsamwüchsigen, empfindlichen, zärt-
lichen Holzarten und solchen mit schlechtem Ausformungsvermögen säet man dich-
ter als bei Holzarten mit entgegengesetzten Eigenschaften. — Standort: je
schlechter der Boden, je mehr Gefahren der Standort aufweist (Unkrautwuchs,
Frost, Dürre, Insekten etc.), um so mehr Samen. — Bestandes dichte:
alle Extreme sind falsch; sehr oft wird zu dicht gesäet. Dichte Saaten imponieren
aber nur in der .Jugend. Später verursachen sie, wenn sie nicht verhütten sollen,
kostspielige Verdünnungsniaßregeln. Ausbesserungen zu dünner Saaten sind aber
auch nichts Angenehmes. Die richtige Dichte ist nicht leicht zu treffen, ist zum
Teil Glückssache. Mit 10 Jahren soll möglichst auch beim Schattenholz der Schluß
eingetreten sein. Dichtere Saaten können wirtschaftlich dort gerechtfertigt sein,
wo der Markt für die schwächsten Durchforstungs- und Reinigungssortimente
empfänglich ist oder wo Anzucht von Pflanzenmaterial (Schlagpflanzen) beab-
sichtigt ist. — Bodenvorbereitung: je sorgfältiger diese ist, um so gün-
stiger die Bedingungen des Keimens, um so mehr kann also an Saatgut gespart
werden. — Wirtschaftszweck: siehe Bestandesdichte.
Durchschnittliche Zahlenangaben i) :
a) Anzahl der Samen pro Maß-, b e z w. G e w i c h t s e i n h e i t ^j :
Eiche pro hl (= 70—100 kg) 18 000 — 25 000 Stück. — Buche pro hl (= 50 kg) 150 000
bis 200 000 Stück. — Gem. Kiefer (ungeflügelt) pro kg 150 000 Körner. — Fichte pro kg 150 000
Körner. — Tanne pro kg 20 000 Körner. — Lärche pro kg 160 000 Körner.
b) Samen menge pro 1ha bei Vollsaat:
Eiche 7 — 15 hl. — Buche 3 — 6 hl. — Gem. Kiefer (ohne Flügel) 6 — 8 kg. — Fichte 8 bis
12 kg. — Tanne 60 — 80 kg.
C. Beförderung der Keimung: Mehrfach ist die Frage erwogen
worden, ob man nicht durch besondere Behandlung der Samen vor der Aussaat die
Keimung beschleunigen und dadurch vielleicht über gewisse Mißlichkeiten (schlech-
tes, unregelmäßiges oder verzögertes Keimen infolge langen Liegens im Boden etc.)
hinauskommen könne. Als einfachstes Mittel erscheint das Anquellen des Samens
in Wasser einige Tage vor der Aussaat. Für den Kulturbetrieb im großen ist im all-
gemeinen das Anquellen nicht anzuraten, weil — abgesehen von der Umständlichkeit
des Verfahrens und der Erschwerung der Aussaat — der aufgelaufene Samen, wenn
nach der Saat eine Periode der Trockenheit oder Kälte folgt, zu leicht (meist weit
mehr als nicht gequollener) notleidet. Empfehlenswert ist das Anquellen bei dem
schlecht keimenden Lärchensamen und auch bei Bucheckern, wenn diese im Winter-
lager stark ausgetrocknet sind. ^lan mischt sie dann entweder mit feuchtem
Sand oder feuchtet sie im geschlossenen Raum durch Ueberbrausen an und säet sie
aus, wenn die Keime sich zeigen.
1) Zu vergleichen hier und in betreff des gesamten Kullurbetriebes bei Zahlenangaben in
dem Forst- und Jagd-Kalender von J u d e i c h und B e h m , jetzt Neumeister-Retz-
1 a f f , in H e m p e 1 s Taschenkalender für den österr. Forstwirt und in den verschiedenen Wald-
bauschriften. — Alle angegebenen Zahlen können nur einen ganz ungefähren Anhalt liefern und
sind für den konkreten Fall event. zu modifizieren.
2) Vergl. B a u r im forstwiss. Zentralblatt von 1880, S. 341. — Heß, Encyklopädie und
Methodologie 1888, 11, 1 (S. 61). — H e y e r , Waldbau, 5. Aufl., 1. Bd., 1906, S. 177. — Hand-
buch, II, Forstbenutzung.
Die Bestandesbegründung. § 57. 115
Für den Forstgarten, wo man auf kleinem Raum die Aussaat konzentriert un<l, wenn
nötig, jederzeit beispringen kann (Bedecken der Beete, Begießen etc.), mag eher einmal vom
.•\n(]uellcn Gebraucli gemacht werden (z. B. bei Verwendung älteren Samens, bei verzögerter
Aussaal usw.). Durch Anwendung chemischer Agentien {Chlorwasser, Kalkwasser, verdünnte
Säuren etc.) hat man überdies versucht, die Samenhülle zu lockern und dadurch die Keimung
zu befördern; sicherstehende Resultate sind nicht zu verzeichnen. Denn wenn z. B. auch Von-
hausen (Allg. F.- u. Jagd-Zeitiuig von 1858, S. -iSl und 1860, S. 8), sowie H e f3 (Zentralblatt
für d. ges. Forstwesen 1875, S. 463) für Nadclholzsamen gute Erfolge hatten, so haben anderer-
seits gelegentlich angestellte Proben der Württemberg. Versuchsstation zu greifbaren Ergeb-
nissen nicht geführt. Neuerdings haben Hiltner und Kinzel (Naturw. Ztschr. f. L.-
u. Forstw. 1906, S. 36, Samen von Pinus silvestris, Strobus, Cembra und Peuce mit konzentrier-
ter Schwefelsäure benetzt, dann ausgewaschen und die Schwefelsäure mit Kalkmilch neutrali-
siert. Die durch die Schwefelsäure bewirkte Abbeizung der Samenschale führte zu einer Er-
höhung der Keimungsgeschwindigkeit. Luft und Wasser vermögen durch die dünner gewordene
Schale leichter in das Sameninnere einzudringen. — Ulmensamen wird bei der Aussaal
zweckmäßig mit feuchtem Sand vermischt. — Für die Nüsse von Pinus Cembra wird Vorkeimen
in Gruben empfohlen (Hallbauer in .-Mlg. Forst- u. J.-Z. 1891, 439). Die Nüsse werden im Herbst
in eine mit Stroh belegte, mit einem den Luftzug vermittelnden Quandel versehene Grube,
mit Sägespänen vermischt, eingebettet; im Mai haben sie ihre kleinen Keime ausgetrieben und
kommen ins Saatbeet, wo die Keimpflanzen nach 14 Tagen aufgehen. — Vorkeimen der Jug-
lans- und Carya-Nüsse in Gruben oder in Haufen über der Erde unter Behandlung mit Sand,
Mist, Jauche ■).
D. Die einzelnen Saat m et h öden. 1. Vollsaat: Sie erfolgt
meist aus der Hand. Größere kompliziertere Säemaschinen kommen für Voll-
saaten beim Forstkulturbetrieb wenig in Anwendung, denn sie sind nur auf ebenem
Boden ohne Hindernisse, wie Steine, Stöcke etc. zu gebrauchen. Ihre Anschaffung
könnte nur etwa für ausgedehnte Nadel-Waldungen (Kiefer) der Ebene in Frage kom-
men. Doch ist bisweilen auch hier das jährlich zu bewältigende Objekt und damit
die bei der Arbeit zu erzielende Ersparnis zu gering im Vergleich zu den Anschaffungs-
kosten. Dort aber, wo die Arbeitskräfte teuer oder unzureichend sind, hat man
allen Grund, sich von der Menschenhand zu emanzipieren und zu schneller und
demzufolge billiger arbeitenden Säemaschinen überzugehen. Beim Gebrauch einer
gutfunktionierenden Maschine ist die Ersparnis an Zeit, Arbeit und oft auch Samen
dann so bedeutend, daß die Maschine bald amortisiert ist. Zumeist wird es sich aber
um Maschinen zur Streifensaat handeln, da Vollsaat aus dem oben (S. 100) ge-
nannten Grund so wie so nur äußerst selten zur Anwendung kommt. Bei der Hand-
saat sind geübte Arbeiter zu verwenden (die Zahl derselben in maximo bestimmt
durch die Forderung ständiger Kontrolle seitens des Schutzbeamten). Abstecken
der Saatgänge, an Berghängen horizontal. Vorrücken von oben nach unten; in der
Ebene oft Teilung des Samenquantums und Besäen der Flächen in zwei Richtungen
(in die Länge und in die Quere). Unterlassen der Saat bei starkem Wind. Bei Misch-
saaten (z. B. Kiefer und Fichte) Ausstreuen der verschiedenen Samenarten nicht
in Untermengung, sondern nacheinander zur Erzielung einer gleichförmigen Misch-
ung. — 2. Stellenweise Saat: Gleichmäßige Verteilung des Samens auf
den Streifen und Plätzen ist zu erstreben. Nicht immer werden bei Streifensaaten
die Streifen breit besäet, sondern ab und zu werden auf ihnen erst noch besondere
Furchen (Rillen, Riefen, Rinnen) zur Aufnahme des Samens gefertigt. Im Falle
diese Rillen nicht in der Längsrichtung der Streifen, sondern, quer wie die Sprossen
einer Leiter gezogen werden, spricht man von Leitersaaten. Werden die Streifen alle
2 — 3 m unterbrochen und die Teilstücke in dieser oder jener Form besäet, so
nennt man eine solche Saat Stückriefensaat. Gleichviel, welche Methode man an-
wendet, für alle gilt: Nicht zu dicht säen! Aussaat aus der Hand, oder, auf günstigem
1) Allg. Forst- und J.-Z. 1887, 362. — Schwappach, (Zeitschr. f. F. und J. 1888,
14 und 509).
8*
JJ6 V- Lorey, Waldbau.
Terrain, unter Benutzung von Säeapparaten bezw. -Maschinen zur Erhöhung der
Gleichförmigkeit des Ausstreuens und Förderung der Arbeit. Zu den einfachen
Apparaten, welche von Arbeitern getragen werden, gehören z. B. das Säehorn, die
Saatflinte ^) und der Harzer Saattrichter. Neben ihnen gibt es eine große Reihe von
Maschinen, die teils von Arbeitern geschoben oder gezogen, teils unter Zuhilfenahme
von Spannkraft fortbewegt werden. Sie bestehen in der Hauptsache aus einem
auf einem fahrbaren Karrengestell montierten Samenbehälter, aus dem der Samen
so herausfließt, wie es die im oder am Samenkasten befindliche verstellbare Ver-
teilungsvorrichtung oder Ausflußöffnung zuläßt. Zu nennen sind die älteren Maschinen
von Runde, Roch, Göhren, ferner die Sacksche Säemaschine, eine zweiarmige
Handdrillmaschine ^), die Waldsäemaschine von Pollack (Oesterr. Forstztg. 1895,
S. 61), bei welcher das rotierende Rad eine Schüttelvorrichtung in Bewegung setzt,
u. a., sowie die kompliziertere und teuere (Preis 140 Mk.), aber zur Bewältigung
großer Flächen in der Ebene sehr leistungsfähige gute Maschine von Drewitz ^).
Für Saat in Pflugfurchen empfiehlt Schenk v. Schmittburg seine von ihm konstruierte
Düngerstreu- und VValdsamensäemaschine (Allg. Forst- und J.-Ztg. 1911, 58). Für
ebene und gut vorbereitete Böden, namentlich Saatbeete, eignen sich weiterhin die
Hackersche und die nach ihrem Prinzip gebauten anderen kleineren Maschinen.
Als Maschine für Plattensaat ist der ,,Plattensäer" von Zitny *) empfohlen.
E. Unterbringen und Bedecken des Samens: Die Bedeck-
ung mit Erde (zum Schutz gegen Frost, Austrocknen, Tierfraß etc.) soll für größere
Samen im allgemeinen stärker sein als für kleine, desgl. darf sie stärker sein für
solche, welche beim Keimen die Kotyledonen unter der Erde lassen. Das Maximum
soll aber selbst bei Eicheln, .Juglans- und Carya-Nüssen, Kastanien 10 cm nicht über-
schreiten. Bedeckung bei Nadelhölzern, wie Kiefer, Fichte etc. nur etwa 5 — 10 Milli-
meter, bei Birke, Aspe. Weide nur ganz leichtes Vermengen mit der Bodenkrume
oder Andrücken an den Boden. In bezug auf die zweckmäßigste Bedeckungshöhe
sind mehrfach exakte Versuche angestellt worden, wie z. B. von einer Reihe forst-
licher Versuchsanstalten (Württemberg, Schweiz etc.). Die Ergebnisse können nur
einen allgemeinen Anhalt bei Bemessung der Bedeckungshöhe bieten, weil im ein-
zelnen Falle eine ganze Reihe von Faktoren mitwirkt, wie Bodenart und Boden-
zustand, Bedeckungsmaterial (Komposterde, Erde mit Sägespänen oder Torfmull
gemischt, Rasenasche, gewöhnliche Erde) und vor allem die Witterung. Auf einiger-
maßen bindigen Böden kann ein starker Regen ein Verschlammen, eine \'erkrustung
der Oberfläche bewirken, derart, daß selbst eine ganz mäßige Bedeckung das Her-
vorbrechen der Keimlinge aus kleinen Samen hindert, während ohne solche Schä-
digung eine etwas stärkere Bedeckung weniger geschadet haben würde. Herbst-
saaten pflegt man im allgemeinen etwas stärker zu decken als Frühjahrssaaten.
1. V o 1 1 s a a t: Anwendung der Egge, event. auch Handarbeit (Rechen), Ueber-
1) B a n d o , „Saatflinte und Säehorn" in Zeitsclir. für Forst- und Jagdwesen von Danckel-
mann 1869, S. 449.
2) Voigt, Zeitschr. f. Forst- und Jagdwesen 1888. S. 703.
3) B e r n h a r d t in Zeitschr. für Forst- und Jagdwesen 1875, S. 285. — R o 1 o f f , ,,.\llg.
Forst- und Jagd-Zeitung" 1876, S. 48. An letztgenannter Stelle wird berichtet, daß die Maschine
auch auf geneigtem Terrain verwendbar ist. 2 Arbeiter ziehen, 1 Arbeiter führt dieselbe. .\ni
besten auf niittelbindigeni Boden, nicht gut auf festem oder ganz lockerem und nicht gut bei
einem an die Werkzeuge sicli festhängenden Boden. Abhängigkeit auch vom Wetter (Regen bei
lockerem Sandboden oft günstig, nachteilig bei vielen Vertiefungen, wie Stocklöcher usw.). Er-
sparnis an Samen, nicht an .\rbeit. Kosten der Aussaat (reiner .Arbeitsaufwand) pro lia 2 — 3
Mark. Sorgfältige Bodenbearbeitung ist erforderlich.
4) cfr. Z i t n V , ,, Zentralblatt für das ges. Forstwesen" von 1882, S. 61 ff.
Die Bestandesbegründung. § 57. 117
erden. Auftrieb von Viehherden. — 2. Stellenweise Saat, und zwar bei
Streifen: Pflug (Eichelsaat), ferner besondere Maschinenteile (Rechen) an den Säe-
maschinen, Handarbeit (Hacke, Rechen); bei Plätzesaat event. Anwendung des
Kreisrechens.
F. Pflege der Saatkulturen: Es handelt sich um den Schutz der
Samen und demnächst denjenigen der Keimpflanzen, sowie um die erforderlichen
Nachbesserungen. I. Schutz der Samen ist vor allem zu gewähren gegen
Tiere (siehe Forstschutz); gegen Hitze und Frost schützt das Bedecken. II. Die
Keimpflanzen sind zu behüten vor Unkrautwuchs, Wild und Weidevieh, Hitze
und Frost. 1. Gegen Unkraut: Vollsaaten werden unter Umständen durch Schaf-
auftrieb gesichert, wobei davon ausgegangen wird, daß die Schafe die Holzpflanzen
(bes. Fichte und Kiefer) verschonen. In Streifen- und Plätzesaaten wird zu starker
Unkrautwuchs durch mechanische Eingriffe: Abschneiden, Umpflügen usw. un-
schädlich gemacht. Welche \\'erkzeuge dazu benützt werden, ist Sache der lokalen
Gewohnheit; hin und wieder finden Jätepflüge (Roth-Gerhardsche Jätepflug, Allg.
Forst- und J.-Ztg., 1911 S. 58) erfolgreich ^'er^vendung. Unter Umständen genügt
Niedertreten des Unkrautes ^), auch wohl (in den ersten Jahren, bei langsam wach-
senden Holzarten) vorsichtiges Abmähen über die Köpfe der Holzpflanzen hinweg.
Eine Sicherung gegen das Unkraut kann auch dadurch gewonnen werden, daß man
die zwischen den Saatstreifen und Saatplätzen liegenden Bodenteile künstlich mit
einer unschädlichen oder gar nützlichen Pflanze bestockt, welche ihrerseits das
schädhche Unkraut, zumal Gräser, zurückhält. Zu diesem Zwecke mag Lupinus
perennis empfohlen sein, die durch die Jahr um Jahr wiederkommende Blattfülle
in jenem Sinne günstig wirkt und überdies als Papilionacee eine Bereicherung des
Bodens an Stickstoff herbeiführt -). Auch die Beisaat von Waldkorn ( Johannis-
Staudenkorn) hat sich auf unkrautwüchsigen Böden bewährt (Tharand. Jhrb. 1905,
201). Der dichte Blattfilz dieses Kornes läßt Unkraut nicht aufkommen, und auch
nach Aberntung des Kornes hindern die stehengebliebenen Stoppeln den ^^'uchs
des Unkrautes noch ganz erheblich. — 2. Wild und W e i d e v i e h : Um-
friedigung der Saatfläche (Drahtzäune neuestens vielfach üblich; ein Geflecht
aus verhältnismäßig schwachem Draht, auf ein Stangengitter aufgespannt, gegen
das Durchkriechen des Wildes, genügt; Kosten der Zäune — gegen Rot- und Reh-
wild — pro lauf. Meter ca. 1 Mark, inkl. Holzmaterial). — 3. Hitze und Frost:
Fruchtbeisaat. Ansaat unter Schutzbeständen (Voranbau frost- und hitzebeständi-
ger, raschwüchsiger, lichtkroniger Holzarten: Birke, Kiefer etc.), event. Zwischen-
saat oder -pflanzung einer Schutzholzart. Durch diese Maßregeln wird natürlich
zugleich das Unkraut bekämpft. Die sehr beträchtlichen Kosten derartiger Maß-
nahmen weisen aber darauf hin, daß es viel richtiger ist, in Frost- und Dürrelagen
von der Saat überhaupt, namentlich aber von der Saat empfindlicher Holzarten
abzusehen und lieber zu pflanzen. Auch Bodenlockerung kann in manchen Fällen
gegen Austrocknung in Frage kommen. — III. Verdünnungen und Ver-
dichtungen (Nachbesserungen). Zu dicht aufgelaufene Saaten ma-
chen baldige Verdünnung notwendig, wenn sie, zumal auf ärmeren Böden, später
nicht sitzen bleiben sollen. Die Verdünnung geschieht durch Ausheben von Büscheln,
Ausrupfen oder Ausschneiden. Wenn möglich, sucht man das überschüssige Pflan-
zenmaterial weiter zu verwenden. Lückige Saaten und Fehlstellen bedürfen der
1) Brombeere schlägt nach dem Abschneiden sehr kräftig wieder aus. — Abschlagen von
Farnkraulwedeln mit Stöcken.
2) Koch, Allg. Forst- und J.-Z. 1902., S. 11.
118 VI. Lorey, Waldbau.
Verdichtung durch Nachbesserung. Nachsaat ist in solchen Fällen nur dann prak-
tisch, wenn die ganze Fläche oder doch größere Teile mißlungen sind. Richtig ist
Nachbesserung mittels Pflanzung. Sie hat nicht eher zu geschehen, als das Nach-
besserungsbedürfnis klar vor Augen liegt, im allgemeinen nicht vor dem dritten
Jahre. In Saaten sind Fehlstellen oft nicht gleich im ersten oder zweiten .Jahre mit
Sicherheit zu erkennen. Bezüglich der Nachbesserungen, sei es in Saat- oder Pflanz-
kulturen oder in natürlichen Verjüngungen, möge vor zu kleinlichem, ängstlichem
Vorgehen gewarnt werden. Es ist eine unangebrachte Pedanterie, jede kleinste Lücke,
die beim Heranwachsen des Bestandes von selbst bald verschwindet, nachzubessern.
Andererseits ist es oft falsch, dem sog. ,, Zuziehen" der Fehlstellen zu viel Gewicht
beizulegen. Namenthch erfordern Holzarten, die zu Sperrwüchsigkeit neigen, enge
Erziehung in der Jugend, also Nachbesserung im Interesse der Formausbildung.
— Ueber Düngung zurückbleibender Saaten s. unter Pflanzung. V. § 67.
Dritter Teil.
Pflanzung.
I. Allgemeines.
§ 58. A.Arten der Pflanzung. Unterschieden werden : 1 . Pflanzung
mit bewurzelten und mit unbewurzelten Pflänzlingen, erstere entweder natürlich
bewurzelt (Kernpflanzen aus Samen oder Wurzelloden) oder künstlich bewurzelt
(Ableger), letztere Steckreiser oder Setzstangen. — Ballenpflanzen (die Wurzeln
sind von einem Erdballen umgeben) und ballenlose Pflanzen. — Stummelpflanzen
(der Schaft wird über dem Wurzelknoten abgeworfen) und ungestummelte Pflanzen.
Schlagpflanzen = Wildlinge (Pflanzen aus Saaten oder natürlichen Verjüngungen),
Kamppflanzen, entweder Saat- oder Schulpflanzen (aus Saat- bezw. Schulbeeten der
Pflanzenerziehungsstätten). — 2. Einzelpflanzung oder Büschelpflanzung, je nach-
dem ein oder mehrere Pflänzlinge in das Pflanzloch kommen. — 3. Ungeregelte oder
geregelte Pflanzung. Bei letzterer werden die Pflanzen in bestimmter gleichförmiger
Weise räumlich verteilt. Diese räumliche Ordnung nennt man ,, Verband". Als
solche geregelte Verbände unterscheidet man: Quadrat-, Rechtecks- oder Reihen-,
Fünf- und Drei- oder Dreiecks-Verband. Beim Quadratverband stehen die Pflanzen
in den Ecken eines Quadrates, beim Rechtecks- oder Reihenverband in den Ecken
eines Rechteckes, dessen längere Seite den Reihen-, dessen kürzere Seite den Pflan-
zenabstand innerhalb der Reihe angibt. Der Fünfverband ist ein Quadratverband
mit Auspflanzung des Diagonalensclmittpunktes, der Drei- oder Dreiecksverband
ein Verband, bei dem die Eckpunkte gleichseitiger Dreiecke bepflanzt werden.
B. Wirtschaftliche Bedeutung. 1. Pflanzung mit be-
wurzelten Pflänzlingen bildet die Regel ( Setzreiser oder Setzstangen nur bei
Pappel und Weide) . Künstlich bewurzelte Pflanzen (Absenker, Ableger) finden ebenfalls
nur ausnahmsweise Verwendung. — Ballen pflanzung: beste Pflanzmethode, weil
bei ihr die Wurzeln nicht entblößt werden. Sie ist jedoch teuer bei älteren Pflanzen
mit großen Ballen, deren Aushebung entsprechend umständlich und zeitraubend ist.
Bedingung ist ein den Ballen haltender (nicht lockerer) Boden. Für kleine Pflanzen
ist dieser Bedingung viel leichter genügt, als für große, so daß die Anwendung der
Ballenpflanzung sich schon aus diesem Grunde in ziemlich engen Grenzen bewegt. —
Stummelpflanzen sind nur bei ausschlagsfähigen Holzarten (Laubhölzern),
zunächst bei Eiche, Erle, Birke, Robinie, Kastanie, Esche, Ahorn möglich und finden
besonders bei der Ergänzung von Nieder- und Mittelwaldungen Verwendung. Der
Die Beslandesbegründung. § 59. 119
Schaft wird mehr oder weniger knapp über den Wurzeln schräg und glatt abgeschnit-
ten; es wird also nur die Wurzel verpflanzt. Am Schaf tstunmiel entstehen Aus-
schläge, die bis auf einen (den besten und kräftigsten) entfernt werden. Stummeln
empfiehlt sich beim Auspflanzen von Laubhölzern, die an den Wurzeln stark beschä-
digt sind, z. B. beim Bezug der Pflanzen von auswärts, wenn durch Fehler in der
Verpackung, beim Transport usw. ein Teil der feineren ^^'urzeln vertrocknet ist. Die Aus-
schläge der Stummel sind nach Erfahrungen der Praxis meist aber kräftiger, wenn
die Pflanzen erst nach dem Anwachsen, nicht vor dem Einsetzen gestummelt werden.
Dann aber kann man naturgemäß nicht mehr von Stummelpflanzen sprechen. — Im
großen und ganzen findet Pflanzung mit bewurzelten, ballenlosen, in ihrem ober-
irdischen Teile unverkürzten Pflänzlingen Anwendung. — 2. Büschelpflan-
zung ist, besser war bei einzelnen Holzarten (Fichte) in manchen Gegenden (Harz)
verbreitet. Als Vorzüge werden angegeben besseres Gelingen der Kultur, rascher Be-
standesschluß, Sicherheit gegen Gefahren (Wildverbiß, Schutz vor Schälschaden,
geringerer Schneeschaden usw.). Die Büschelpflanzung ist im allgemeinen zu ver-
werfen. Sie führt zu Verwachsungen, macht zeitige Reinigungsmaßregeln notwendig,
wenn die Pflanzen im Büschel sich nicht drängen und in der Entwicklung hindern
sollen, zieht wohl auch Rotfäule für die bleibende Pflanze nach sich und zeitigt —
das ist die Hauptsache — wenn sie nicht rechtzeitig durchschnitten wird, geringere
Wuchsleistungen als die Einzelpflanzung. Die behauptete größere Widerstandsfähig-
keit gegen Schneeschaden trifft nur in jüngeren Kulturen in schneereichen Gegenden,
nicht aber für die späteren Altersstufen zu. In jüngeren Kulturen schützt das Büschel
die inneren Pflanzen gegen Auswuchte n der Seitenäste durch den Schnee. Die Bü-
schelpflanzung findet noch in Dänemark bei der Auspflanzung lückiger Buchenver-
jüngungen, bei Unterbau mit Buche als sog. Blockpflanzung, d. i. Pflanzung größerer
Erdballen, die aus dichten Buchenverjüngungen oder aus Buchensaatbeeten aus-
gehoben worden sind, Anwendung. Sonst ist man allgemein und mit Recht zur Einzel-
pflanzung übergegangen. — 3. Annähernd gleichmäßige \'erteilung der Pflanzen ist
in den weitaus meisten Fällen anzustreben. Sie läßt sich (durch geübte Arbeiter) oft
auch ohne genau abgesteckten Verband in genügender \\'eise erreichen. Ausnahms-
weise, wie z. B. unter Umständen beim Unterbau, wird mehr gruppenweise Anord-
nung der Pflanzen bevorzugt. — Geregelte Verbände, bei welcher jeder
Pflanze ihre bestimmte Stelle angewiesen ist, erfordern die besondere Arbeit des Aus-
steckens der Pflanzplätze, fördern aber die Ausführung der Pflanzung, sichern der
einzelnen Pflanze den gleichen Wachsraum, gestatten genaue Berechnung der Pflanzen-
zahl, leichte Nachbesserung (sofortiges Auffinden der Fehlstellen), Grasnutzung
zwischen den Pflanzreihen, Herstellung regelmäßiger Mischungen ^) und gewähren
Erleichterung beim Holzausbringen, bei manchen Maßregeln des Forstschutzes usw.
— Terrainunebenheiten, Steine, Stöcke, Vorwüchse etc. sind oft Hindernisse ihrer
Durchführung.
II. Das Pflanzmaterial -').
§59. A. Erforderliche Eigenschaften: Normale Entwickelung
des Pflänzlings, insbes. gute Wurzelausbildung, stufiger, kräftiger Schaft, genügende
1) Geeignete Bestandesmischungen sind übrigens oft viel mehr von der speziellen Boden-
beschaffenheit an der einzelnen Stelle, als von der Regelmäßigkeit des Verbandes abhängig.
2) Vergl. u. a. Fürst, ,,Die Pflanzenzucht im Walde" 4. Aufl. 1907, woselbst alle Einzel-
heiten der Pflanzenerziehung in erschöpfender Weise abgehandelt sind. Zahlreiche Literatur-
nachweise und Erfahrungszahlen etc. daselbst.
120 VI- L o r e y , "Waldbau.
Blatt- bezw. Nadelmenge (nicht zu geil oder in gedrängtem Stande spindelig erwach-
sen!). — Die für eine Kultur zu wählende Stärke bezw. Höhe ') und damit im Zu-
sammenhang das Alter der Pflänzlinge sind abhängig von dem speziellen
Zweck der Kultur, von den Verhältnissen, in welche die Pflanzen dabei gebracht
werden und dem dadurch bedingten Pflanzverfahren. Im allgemeinen verdient,
wo immer angängig, die Verwendung junger, d. h. kleiner Pflänzlinge (gutes
Anwachsen, Billigkeit des Verfahrens in Absicht auf Pflanzenbeschaffung, Ausheben,
Transport, Einsetzen) den Vorzug. 2 — 4jährige Pflanzen, von der diesem Alter unter
mittleren \'erhältnissen entsprechenden Höhe werden am häufigsten benutzt. In
besonderen Fällen kommen auch 1jährige (Kiefer), sowie andererseits ältere resp.
stärkere und höhere Pflänzlinge (Loden, Halbheister, Heister) in Anwendung: z. B.
Tanne (langsame .Jugendentwickelung) überhaupt meist 5 — Gjährig. Stärkere Pflan-
zen aller Holzarten werden im allgemeinen bei Nachbesserungen, Randpflanzungen,
Kultur von Viehweiden, bei bedeutendem Unkrautwuchs, in Frost- und Hoch-
lagen usw. verwendet.
§ 60. B.Arten der Pflanze nbeschaffung. Es kommen in Be-
tracht: Kauf, Entnahme aus Schlägen, besondere Anzucht und zwar entweder in
Freilagen, unter Schutzbeständen oder in Forstgärten. 1. Kauf: nur aus-
nahmsweise zulässig; im allgemeinen sollte jedes Revier (mindestens jeder Forst)
seinen Bedarf selbst decken. So lautete bis vor wenigen Jahren die allgemeine Re-
gel, und an derselben sollte auch heute noch tunlichst festgehalten werden, schon des
großen Interesses wegen, das jeder Forstwirt gerade an der Anzucht seines Pflanzen-
materials nehmen muß. Die hierbei gebotene Gelegenheit zu Beobachtungen und
Versuchen aller Art sollte nicht fortfallen; unnützes, kleinliches E.xperimentieren
hat natürlich zu unterbleiben. In neuerer Zeit haben es jedoch viele, insbesondere
große Pflanzenzüchtereien (z. B. Heins-Halstenbek in Holstein) durch weitestgehende
Vervollkommnung ihrer Einrichtungen dahin gebracht, daß sie tadellose Pflänzlinge
in jeder beliebigen Menge zu Preisen anbieten können, welche hinter den Kosten, mit
welchen die Pflanzen im Forstgarten des einzelnen Wirtschaftsganzen meist nur er-
zogen werden können, erheblich zurückbleiben. So ist es nicht zu verwundern, daß
von der so gegebenen Möglichkeit der Bedarfsbefriedigung durch Ankauf mehr und
mehr Gebrauch gemacht wird. Immerhin sollte das finanzielle Moment nicht allzu-
sehr betont werden. Auch für das Schutzpersonal bietet die Pflanzenzucht erweisüch
sehr oft besonderen Reiz und nicht zu unterschätzende Anregung. Gegen den Kauf der
Pflanzen in den großen Pflanzenzuchtbetrieben spricht auch der Umstand, daß die
Pflanzen auf dem mehr oder weniger langen Transportwege jedenfalls nicht besser
werden, in vielen Fällen aber leiden, und daß sie femer vielfach in Lagen erzogen
werden, die den klimatischen Verhältnissen des späteren Standortes gar nicht ent-
sprechen. Der wünschenswerten Erfüllung der oben (S. 102) erwähnten Provenienz-
forderungen wird durch Ankauf der Pflanzen aus einer weit entfernten Pflanzen-
zuchtanstalt fernerhin auch nicht Vorschub geleistet. Außerdem begibt sich der
Waldbesitzer, der den Kauf der Pflanzen der Selbstzucht vorzieht, in ein gewisses
Abhängigkeitsverhältnis zu der pflanzenliefernden Stelle, das unter Umständen, bei
Elementarschäden, Pilzepidemien usw., die den Pflanzenzuchtbetrieb treffen, recht
1) Mit Reclit wird mehrfach (z. B. Flury, Mttlgn. d. Schw. Zentralanstalt IV, S. 189) be-
tont, daß die Hölie der Pflanzen in erster Linie anzugeben sei, nicht deren Alter, weil die näm-
liche Höhe auch bei der gleichen Holzart unter verschiedenen Entwicklungsbedingungen bei
verschiedenem Alter erreicht werde, und doch eine bestimmte Höhe des Gipfels über dem Boden
in vielen Fallen der entscheidende Faktor sei, wie z. B. beim Kampf mit Unkraut, in Frostlagen,
gegen Wildverbiß usw.
Die Bestandesbegründung. § Gl. 121
störend werden kann ^). — 2. E n t n a li m e aus Schlägen, natürlichen Ver-
jüngungen und Saaten, teils zum Zweck unmittelbarer Venvendung für die Kultur,
teils zu vorgängiger Verschulung in Pi'lanzbeete. Gewinnung eines billigen, oft (auf
geeignetem Boden, bei nicht zu dichtem Stand) trefflichen Materials (mit oder ohne
Ballen, je nach Umständen). Sorgfältiges Ausheben (nicht Ausreißen und Abbrechen
der Wurzelenden) ist Bedingung. — 3. Besondere Anzucht: a) in Frei-
lagen, durch Saat, namentlich ab und zu behufs Anzucht von Ballenpflanzen,
auf mäßig bindigem Boden mit leichter Grasnarbe. Mit Vorteil werden auch die
wieder eingeebneten Stocklöcher starker Stämme zur Pflanzenzucht mit benutzt;
infolge der gründlichen Bodenlockerung sind die Ergebnisse hier oft besonders gute.
— b) unter 1 i c h t s c h i r m i g e n S c h u t z b e s t ä n d e n , z. B. Buche
(für Zwecke des Unterbaues, Main-Rheinebene) durch Saat in Kiefernbeständen, am
besten in stark durchforsteten Stangenorten oder angehenden Baumhölzern, nach ober-
flächlicher Zubereitung des Keimbeetes (Entfernung des Moospolsters, leichtes Durch-
hacken des Bodens, event. Umgatterung gegen Wild). Das Verfahren liefert oft mas-
senhaftes Material olme große Kosten, eignet sich aber nur für Erziehung von Scliat-
tenhölzern. — Hier und da Anzucht von Pflänzlingen auf Waldfeldern unter dem
Schutz von Getreide (z. B. Haferschutz-Saaten zum Ausheben der Pflänzlinge im
3. Jahre). — c)in Forstgärten oder Kämpen für Pflänzlinge, welche beson-
derer Sorgfalt bedürfen, insbesondere, wenn Verschulen nötig ist. Wo die Gelegen-
heiten des Pflanzenbezugs ad 1, 2, 3 fehlen oder nicht benutzt werden sollen, ergibt
sich die Anzucht im Forstgarten von selbst. Sie ist tauglich für alle Holzarten, aber
meist relativ teuer. Für viele Arten der Pflanzkultur ist sie unentbehrlich, im ganzen
aber doch auf das notwendige Maß zu beschränken.
C. Forstgartenbetrieb insbesondere'^).
§ 61. 1. Arten. Die Forstgärten sind entweder nur Saatschulen (Saat-
kämpe) zur Erziehung von Pflanzen, welche unmittelbar von der Stelle, wo sie ge-
keimt sind, zur Kultur verwendet werden, oder Pflanzschulen (Pflanzkämpe),
in welchen die Keimpflanzen erst noch versetzt (verschult, verstopft, umgelegt) wer-
den, bevor sie auf die Kulturfläche kommen. Meist sind Saat- und Pflanzbeete in
einem Forstgarten vereinigt, doch kommen auch größere Kampanlagen vor, in wel-
chen sich nur Verschulpflanzen finden (z. B. Tannensämlinge aus Bestandessaaten,
Buchen aus natürlichen ^'erjüngungen). — Man unterscheidet außerdem ständige
und unständige (sog. Wander-)Forstgärten. Erstere werden durch längere Zeit
andauernd benutzt, letztere nur kürzere Zeit, nur die Pflanzen für bestimmte Kul-
turen liefernd. Die unständigen Forstgärten werden natürlich möglichst unmittelbar
bei oder auf der Kulturfläche angelegt, deren Pflanzenbedarf sie demnächst decken
sollen. Ist die betr. Kultur erledigt, so werden sie wieder aufgegeben, bezw. bilden
dann mit einem Rest ihrer Pflanzen Teile der Kultur. Ständige Gärten sind teurer
in der ersten Anlage (sorgfältigere Bearbeitung etc.), erfordern bei beginnender Er-
schöpfung künstliche Düngung und liegen oft weiter von der Kulturstelle entfernt,
verursachen demzufolge oft größere Transportkosten. Gewöhnlich leiden sie auch
durch Verunkrautung mehr als die unständigen Kämpe. Sie sparen dagegen auch
wieder an erstmaligem Aufwand (Bodenvorbereitung, Umfriedigung etc.), insofern
1) Vergl. Schwarz, Der Waldpflanzenzuclitbetrieb in und um Halstenbeck. For^■lw.
Zbl. 1903, 472; — d e r s., In Sachen des Waldpflanzenzuchlbetriebes, das. 1904, 629; — H ü r-
mann, Der Waldptlanzenzuchlbetrieb in und um Halstenbeck, das. 1904, 141.
2) Vergl. hierzu die umfassenden Angaben in Fürsts ,, Pflanzenzucht" (cfr. Anm. 2, S. 119),
sowie zahlreiche Artikel der verschiedenen forstlichen Zeitschriften.
122 ^ •• Lorey, Waldbau.
sich dieser auf eine längere Benutzungsperiode verteilt, sind leichter zu beaufsichtigen,
gestatten wegen der großen Pflanzenmenge, die in ihnen im Laufe der Jahre erzogen
werden soll, die ausgiebigere Beschaffung von Apparaten, Schutzvorrichtungen,
unter Umständen die Anlage von Bewässerungsvorrichtungen usw., im ganzen also
einen feineren, intensiveren Betrieb. Beide Arten sind, je nach Umständen, in Uebung.
Das entscheidende Moment ist vielfach, zumal wenn Ballenpflanzen bei der Kultur
in Anwendung kommen sollen, der Pflanzentransport. Bietet sich günstige Gelegen-
heit, nah bei einer demnächst zu kultivierenden Fläche Wandersaat- und -pflanzbeete
anzulegen, so wird sie benutzt, im großen und ganzen jedoch sind wohl die ständigen
Forstgärten mehr beliebt, obwohl finanzielle Erwägungen oft für Wanderkämpe
sprechen. Für die Erziehung der einer sorgfältigeren Pflege bedürfenden und oft
länger im Forstgarten stehenden Laubhölzer eignet sich der günstiger gelegene und
dauernd überwachte ständige Forstgarten im allgemeinen mehr als der kleinere un-
ständige Garten. Diesem kommt aber für die Erziehung der weniger Pflege bedürf-
tigen, in großer Menge gebrauchten Nadelhölzer eine überlegene Bedeutung zu.
2. Wahl des Platzes. a)Lage: Außer möglichster Nähe bei den Kultur-
flächen sowie bequemer Erreichbarkeit und Beaufsichtigung kommt die Umgebung,
Abdachung, Exposition in Betracht. Steilere Hänge sind im allgemeinen ausgeschlos-
sen, etwas geneigte Lagen dann erwünscht, wenn ausnahmsweise die Wahl eines etwa
zu feuchten oder eines zu trockenen Ortes nicht umgangen werden kann, und im erste-
ren Falle für Wasserabzug gesorgt werden muß, im letzteren die Möglichkeit einer
Bewässerung ins Auge gefaßt wird. Süd- und Südwestseiten sind im Hügelland und
Mittelgebirge wegen Hitze und Trockenheit ebenso zu vermeiden, wie ungeschützte
Ostseiten (Frostgefahr). Für die Anzucht von Holzarten, die kühle Temperatur sowie
größere Luftfeuchtigkeit und Bodenfrische lieben, eignen sich, von den höheren Ge-
birgslagen abgesehen, am besten sanft geneigte nördliche, nordwestliche und nord-
östliche Abdachungen. In den höheren Lagen sind die Südhänge besser, die überall
zu bevorzugen sind, wenn Wärme beanspruchende Holzarten erzogen werden sollen.
Schutz durch umhegende Bestände kann sehr erwünscht sein; unter Umständen
wirken solche aber auch nachteiüg (event. Verdammen durch dieselben, Reflex der
Sonnenstrahlen am Trauf). Frostgefahr in tiefen Talsohlen. Nähe von Wasser er-
wünscht, soweit Wasserlieferung in trockenen Perioden in Frage kommt. Plätze im
Inneren des Waldes verdienen den Vorzug vor solchen am Rande, weil letztere vom
Felde her von den Mäusen schärfer bedroht werden, die sich im Herbst in den Wald
ziehen. Schneebruch- und Windbruchlöcher nicht selten verwendbar, sofern sie noch
nicht stark verunkrautet sind. Ueberhaupt ist der Kampf mit dem Unkraut sehr zu
beachten; man legt deshalb Forstgärten nicht gern auf größere Kulturflächen. —
b) Boden: Zu fordern ist genügende minerahsche Kraft in Verbindung mit den
nötigen physikalischen Eigenschaften. Insbesondere soll der Boden nicht zu zäh und
fest (kalter Tonboden) sein. Böden mittlerer Beschaffenheit (sandiger Lehmboden)
sind vorzuziehen ''■). Im Zweifelsfalle wähle man lieber einen etwas zu lockeren als
einen zu festen Boden. Beachtung des Untergrunds, hauptsächlich in betreff des
Wasserabzugs muß dringend empfohlen werden. Zu feuchter oder undurchlässiger
Boden eignet sich der Gefahr des Auffrierens wegen nicht. — c) Größe: Da nur
1) Die Meinung, als ob Pflänzlinge für magere Kulturstellen auch in Forstgärten mit geringen
Böden erzogen werden müßten, ist irrig. Eher schon sind Pflanzen für rauhe Lagen vor Verzärte-
lung im Forstgarten zu bewahren. Die Forderung, die ^"egetation solle allgemein im Forstgarten
sich nicht früher entwickeln, als auf den Kulturstellen, ist zu weitgehend, stimmt nicht fürs Hoch-
gebirge. Für letzteres ist zu beachten, daß Südseiten, falls der Boden genügend frisch ist, um so
mehr den Vorzug verdienen, je höher die Lage ist.
Die Bestandesbegründung § Gl. ]^23
die Pflanzenzucht für den eigenen Bedarf liier in Betracht kommt, so ist die Flächen-
größe entsprechend der Zahl der jährlich erforderlichen Pflünziinsje, dem Alter und
der Behandlung derselben (Dauer ihres Verbleibens in dem Forstgarten, verschult
oder unverschult, Verschulungsverband usw.) zu bemessen >). Um in der Lage zu
sein, nur tatsächlich gutes Pflanzenmaterial zum Auspflanzen zu bringen, empfiehlt
es sich, mehr Pflanzen zu erziehen, als man braucht. Das zahlreiche minderwertige
Material kann dann auf den Komposthaufen wandern. — d) Gestalt: Möghchst
regelmäßig in Rücksicht auf Umfriedigung (Ouadratform!) und Einteilung. Wo
Seitenschutz von Wichtigkeit ist, kann ein langgestrecktes Rechteck den Vorzug ver-
dienen; ebenso in geneigten Lagen (die größere Seite horizontal).
3. Bodenbearbeitung und Verbesserung, a) Nach gründ-
licher Rodung der Stöcke und Entfernung möglichst auch der schwächeren Wurzeln
des \'orbestandes empfiehlt sich im allgenieinen voller Umbruch des Bodens mit
Pflug, Spaten oder Hacke. Hand in Hand damit Entfernung von Steinen. Die ver-
hältnismäßige Leichtigkeit der Bodenbearbeitung bei früherem Ackerland darf nicht
für die Wahl des Platzes maßgebend sein. Ackerland kann wohl ausnahmsweise in
Betracht kommen, ist jedoch meist ausgebaut und neigt zur Verunkrautung. Auch
die mehrjährige Ueberlassung des ausgewählten Platzes an die Landwirtschaft zum
Anbau von Hackfrüchten, wodurch allerdings gute Bodenbearbeitung gewährleistet
wird, ist wegen des damit verbundenen Entzugs von Mineralstoffen nicht
ratsam. Vornahme der ersten tiefen Bodenbearbeitung im Herbst empfiehlt sich,
damit der Boden im Winter von Frost zermürbt wird. Ist der gewählte Ort stark
verunkrautet, so bricht man iim schon im Vorsommer um, damit das Unkraut ver-
west. Durchschnittliche Tiefe der Bodenbearbeitung 30 — 40 cm. Das Belassen ein-
zelner Bäume in der Forstgartenfläche ist aus Gründen der Beschattung, Abhaltung
von Niederschlägen und Wurzelkonkurrenz zu vermeiden. — b) Planierung,
soweit nötig, insbes. Einebnen der Stocklöcher, wird mit dem Umbruch unmittelbar
verbunden, event. Terassierung an Hängen, falls man zur Wahl eines stärker geneigten
Platzes gezwungen ist: die einzelnen Beete sollen horizontal liegen. Unbearbeitete
Streifen zwischen ihnen können die Beetpfade ersetzen, dienen als Lagerstellen
für Steine, Unkraut usw. Die darauf abgelagerten Materialien können gegen Ab-
flutung Sicherung bieten. — c) Besserung der physikalischen und chemi-
schen Bodeneigenschaften sollte von vornherein möglichst nicht er-
forderhch sein. In erster Linie sind Flächen bei der Wahl als Pflanzenerziehungsstätte
unberücksichtigt zu lassen, die in physikalischer Hinsicht einer Melioration bedürfen.
Mangelnder Nährkraft läßt sich viel leichter abhelfen. Im schlimmsten Falle, wenn
sich im ganzen Revier kein geeigneter Platz finden läßt, muß auch auf Besserung
mangelhafter physikalischer Bodeneigenschaften zugekommen werden. Entweder ist
dann mangelnder Bodenmächtigkeit durch Rabattenbildung oder Zuführung guter
Erde abzuhelfen, oder durch Entwässerung, event. Drainierung für Trockenlegung
nasser Stellen zu sorgen, oder der Bindigkeitsgrad des Bodens bedarf einer Korrektur.
Das letztere ist das häufigste. Zu bindige Böden sind dann durch wiederholte Locke-
rung und Beimengung von lockernden Substanzen (Sand, Sägespänen, Torf, Humus,
Komposterde, Rasenasche, Gerberlohe, Mergel, Stalldünger, Gründüngung), zu lockere
durch die gleichen Beimengungen in günstigeren Zustand überzuführen.
1) Etwa 4 — 5% der jährlichen Kulturfläclie dürfte z. B. für den Fall einer Fichtenwirtschaft
bei Verwendung durchweg 4jähriger Pflanzen nach 2jähriger Verschulung genügen. Bei Ver-
wendung ajähriger Saatpflanzen stellt sich in der Fichtenwirlschaft der Bedarf an Saatkamp-
fläche auf 1 — 1,5% der Kulturfläche.
124 ^'I- Lorey, Waldbau.
Mit der steigenden Bedeutung der Pflanzkultur und dem damit zusammen-
hängenden Streben nach größter Leistungsfähigkeit und Verbilligung der Pflanzen-
erziehung hat die Erhöhung ungenügender Nährkraft des Bodens durch Düngung
mehr und mehr Anklang gefunden. Für Wanderkämpe, deren Benutzung nur durch
wenige Jahre währen soll, ist, falls nicht besonders ungünstige Verhältnisse vorliegen,
die Düngung entbehrlich. Sie findet aber auch hier schon vielfach Anwendung.
Ständige Forstgärten können ohne Düngung nicht auskommen. Wenn sie auch nicht
vom ersten Anfang ihrer Benutzung an die Düngung erforderlich machen, so bedingt
doch die stärkere Inanspruchnahme des Nährstoffkapitales durch die Pflanzenerzieh-
ung bald genug kräftige Nachhilfe durch Düngerzufuhr und man tut gut, nicht erst
dann zu beginnen, wenn schon eine merkliche Erschöpfung eingetreten ist.
Die wichtigsten Stoffe, welche dem Boden durch die Düngung wieder zugeführt
werden müssen, sind Stickstoff, Phosphorsäure und Kali, event. auch Kalk, der, ab-
gesehen von seiner direkt nährenden Wirkung, auch noch eine Reihe günstiger che-
mischer und physikahscher Wirkungen auf den Boden ausübt. Wo es sich lediglich um
Erhöhung des Nährstoffkapitales des Bodens handelt, werden tierische, pflanzliche,
Mineral- oder sog. Mengedünger zugeführt. Als tierische Dünger kommen in An-
wendung: Stallmist (am besten Rindviehdünger, weniger gut, weil zu hitzig, Roß-
oder Schafdünger), Poudrette, Jauche, Knochenmehl, Guano, künstlicher Guano
(wie Fischmehl, Blutmehl etc.); als Pflanzendünger: Rasenasche, Holzasche, Torf-
asche, Humus (Dammerde), Gerberlohe, Gründüngung '); Mineraldünger (natürliche
und künstliche) sind u. a.: Mergel, Aetzkalk, Gips, Staßfurter Abraumsalze, bes.
Kainit, Chilisalpeter, Thomasmehl, Superphosphat, Doppelsuperphosphate, schwefel-
saures Ammoniak; als JMengedünger kommt zunächst Kompost verschiedenster Art
(unter Beigabe von Aetzkalk, Sägespänen, Torfmull, kräftiger Düngemittel, nament-
lich aus der Reihe der tierischen und mineralischen Stoffe) in Verwendung^). Tierische,
pflanzliche und Mengedünger, event. nur aus tierischen und mineralischen Einzel-
düngemitteln zusammengesetzt, empfehlen sich, da sie den Boden an a 1 1 e n für die
Pflanze wichtigen Nährstoffen bereichern, namentüch dann am meisten und allge-
mein, wenn über die Art der Bodenerschöpfung Zweifel bestehen. Die pflanzüchen
Dungstoffe, in erster Linie Humus und Gründüngung, verbessern außerdem den
physikalischen Zustand des Bodens in vorteilhaftester Weise und unterstützen die
Wirkung der konzentrierten Handelsdünger. Gründüngung erfolgt am zweckmäßig-
sten durch Anbau von Leguminosen auf der später zur Pflanzenzucht zu verwendenden
Fläche oder auf brachüegenden Teilen von Forstgärten. Für kalkarme, sandige Böden
eignet sich nach den Untersuchungen von E n g 1 e r und G 1 u t z (Mittlgn. d. Schweiz.
Zentralanst. f. d. forstl. Versuchw. VH Bd. S. 319) die gelbe Lupine, für Lehm- und
Tonböden Futterwicke, für kalkreiche Böden Ackererbse und Saubohne. Einsaat
im Mai und zwar entweder breitwürfig (pro Ar 2 — 3 kg Lupinensamen) oder in Reihen
mit ungefähr 25 cm Reihenabstand (1,5—2 kg pro Ar). Während der Blüte (August,
September) werden die Pflanzen angewalzt und grün untergehackt. Gegenüber der
Gründüngung mit Gräsern und Unkräutern gewährt die Gründüngung mit Legumi-
1) Vergl. „Lupinenbau in Forsten" in ,,Aus dem Walde" VIII, S. 160.
2) Liter. Angaben siehe in Fürst, Pflanzenzucht, 4. Aufl. S. 36 ff. Man vergl. außerdem!
Grundner ,,Die Düngung im Forstbetriebe, insbes. in Forstgärten" (Harzer Forstverein
1897); R a m ni ,, Rationelle Düngung der Forstgärten", im Bcriclit über die 17. Vers, des württ.
Forstvereins zu Calw, 1900; ferner .M a t t h e s ,,Ueber künstliche Düngung im forstl. Betriebe"
(Vers. Thüringer Forstwirte zu Eisenach, 1900). Zahlreiche Mitteilungen über Einzelversuche
finden sich in den versch. forstl. Zeitschriften. — H e 1 b i g, Ueber Düngung im forstl. Betriebe.
Neudamm 1906; — Vater, Düngungsversuche in Saatkämpen auf Sandsteinböden usw. Tharand.
Jhrb. 1905, S. 116. —
Die BestandesbegrQndung. § Gl. 125
nosen infolge der Fähigkeit dieser Pflanzen, den Stickstoff der Luft zu assimilieren,
den wichtigen Vorteil der Stickstoffanreicherung im Boden, eine Wirkung, die nanient-
licii dann in Erscheinung tritt, wenn vor der Einsaat der Legunxinosen eine kräftige
Rlineraldüngung mit Phosphorsäure, Kali und Kalk stattfand ').
In neuerer Zeit finden im Forstgartenbetrieb die oben genannten künstlichen
Mineraldünger (= konzentrierte, relative oder Hilfsdünger) mehr und mehr \"erwen-
dung, weil sich mit ihnen dem Boden die notwendigsten Pflanzennährstoffe in be-
liebiger Menge auf leichte Weise zuführen lassen.
.\ls SpeziakU'inger für P h o s p h o r s ä u r e d ü n g u n g verwendet man hauptsächlicli
Superpliosphat, Doppelsuperpliosphat und Thomasmehl. Letzteres empfiehlt sich für Sand-
und saure Böden und wird, da es für rasche Düngungen ungeeignet ist, in der Regel im Herbst
gegeben und untergearbeitet. Die schneller wirkenden Sviperphosphate kommen für schwere
Böden in kalter Lage in Betracht und eignen sich mehr zur Obenaufdüngung im Frühjahr.
Hauptdüngemittel für Kalidüngung ist Kainit mit ungefähr 12,4''ö Kaligehalt.
Da das in ihm enthaltene Chlor, frisch an die Pflanzenwurzeln gebracht, ätzend wirkt, wird
Kainit entweder im Frühjahr nu'hrere Wochen vor Beginn der \'egelation oder besser noch schon
im Herbst oder Winter in den Boden eingebracht. Seiner ätzenden \\'irkung wegen ersetzt man
den Kainit namentlich auf schweren Böden neuerdings mit N'orteil durch den natron- und
chlorärmeren „40prozentigen Kalidünger".
.\ls Stickstoffdünger finden außer Guano und Knochenmehl hauptsächlich
Chilisalpeter und schwefelsaures .\mmoniak Verwendung. Bei Chilisalpeter tritt die Wirkung
sofort ein, hält aber nicht lange an. Man benützt ihn deshalb zur Obenaufdüngung kurz vor
oder während der \'egetation und gibt ihn nur in kleineren Mengen (auf 1 qm 20 Gr.). Schwe-
felsaures Amnumiak muß sich, um wirksam zu werden, im Boden zunächst in ein salpeter-
saures Salz umwandeln, fordert hierzu einen gewissen Kalkgehalt des Bodens und kann ent-
sprechend seiner langsamen Löslichkeit im Herbst eingebracht werden.
.\ußer den genannten künstlichen Düngemitteln sind noch einige andere neuerdings
in den Handel gebrachte konzentrierte Dünger, z. B. Kalisuperphosphat, Ammoniaksuperphos-
phat für \erwendung im Forstgartenbetriebe beachtenswert.
Besondere Bedeutung kommt ferner der Kalkdüngung zu und zwar weniger der
Zuführung eines direkten Nährstoffes wegen, sondern namentlich deshalb, weil durch den Kalk
der physikalische Zustand des Bodens gebessert, schwerer Boden z. B. gelockert und erwärmt
wird, und weil außerdem die im Boden in einer für die Pflanzen nicht aufnehmbaren Form
vorhandenen Nährstoffe in assinalierbare Verbindungen übergeführt werden. Die Zuführung
von Kalk geschieht zumeist in Form von u n g e li r a n n t e m kohlensauren Kalk,
gebranntem oder .\ e t z k a 1 k, Gips oder Mergel. .\ußerdem ist Kalk ein Neben-
bestandteil einzelner oben genannter Mineraldünger, z. B. des Superphosphates und des Tho-
masmehles. Für nasse, kalte und schwere Böden eignet sich unter den Kalkdüngern am besten
der in physikalischer Hinsicht am energischsten wirkende A e t z k a 1 k. Bei Zufülirung von
Aetzkalk ist gleichzeitige Düngung mit schwefelsaurem Ammoniak zu vermeiden, da sich sonst
freies, den Pflanzenwurzeln schädliches Ammoniak bildet, .\etzkalk wird pulverförmig aus-
gestreut und sofort unlergehackt. Auf trockenen leichten Böden, wo es sich mehr um eine
nachhaltige Düngung handelt, wird am besten zermahlener, ungebrannter kohlen-
saurer Kalk verwendet. Der langsam wirkende Mergel, ein Gemenge von kohlen-
saurem Kalk mit Ton oder Lehm und Sand, eignet sich der letzteren Bestandteile wegen besonders
für sandige Böden, ist aber, um wirksam zu werden, in größeren Quantitäten zuzuführen und wird
durch die Transportkosten leicht zu teuer. Gipsdüngung ist in physikalischer Hinsicht wenig
wertvoll, verdient aber auf trägen, an sich nicht nährstoffarmen Böden als indirekte Düngung
zur ,\ufschließung der Nährstoffe Beachtung.
Ausführung der Düngung. Von großem Einfluß auf den Erfolg
der Düngung ist der Zeitpunkt der Ausfühftmg. Man spricht von vorausgehender
Düngung, wenn vor der Aussaat bezw. vor der Bepflanzung gedüngt wird, und be-
zeichnet die Zuführung von Düngung auf mit Pflanzen bestockte Beete als Zwischen-
oder Kopfdüngung. Inwieweit die eine oder die andere Art zweckmäßig ist, darüber
entscheiden Bodenuntersuchung und das im Aussehen und in der Entwickelung der
1) \'ergl. hierzu: Koch, Düngung durch leliende Papilionaccen. .■\llf?. Forst- u. J.-Ztg.
1902, 11. — H o f ni ä n n e r, Düngung der Pflanzgärten. D. prakt. Forstwirt f. d. Schweiz
1900, S. 6. — G a r e i s, Aus dem Pflanzgartenbetrieb im k. bayr. Forstamt Anzing. Forstw.
Zbl. 1903, 233.
J26 ^'I- L 0 r e y , Waldbau.
Pflanzen zum Ausdruck kommende Düngerbedürfnis. Jeder wiederholten Benutzung
eines Saat- oder Pflanzenbeetes hat grundsätzlich eine Düngung voranzugehen. Die
Düngungen erfolgen meist gelegenUich der zweiten Bodenbearbeitung im Frühjahr.
Gründüngungen, überhaupt Tiefdüngungen, desgleichen Düngungen mit Kainit und
Thomasmehl werden besser im Herbst vorgenommen. Holzart und Zuchtziel bestim-
men die Tiefe der Düngung. Tiefwurzelnde Holzarten (Eiche, Kiefer) und Ver-
schulungsbeete erfordern tieferes Einbringen des Düngers als Saatbeete und als Holz-
arten mit zunächst weniger tiefgehenden Wurzeln. Je tiefer aber die Düngung unter-
gebracht wird, umsomehr wird die Pflanze zur Ausbildung eines ausgebreiteten, das
Pflanzgeschäft erschwerenden Wurzelsystems angeregt. Es ist deshalb im allgemeinen
zweckmäßiger, nur die oberen Bodenschichten durch Düngerzufuhr nährstoffreicher
zu machen, um so die Bildung eines kon zentrierte ren Wurzelbaues zu veranlassen. —
Ueber die Menge des bei der einmaligen Düngung zur Verwendung kommenden
Düngers lassen sich nur ungefähre Anhaltszahlen geben. Infolge der großen Beweg-
lichkeit und Veränderlichkeit des Düngerwertes im Boden sind schwächere, öfter
wiederholte Düngungen vorteilhafter als einmalige stärkere sog. Vorratsdüngungen.
Bei einzelnen Düngerarten, z. B. bei Chilisalpeter und Kainit wirken stärkere Düng-
ungen sogar leicht direkt schädlich und sind schon aus diesem Grunde zu vermeiden.
Zulässig und gebräuchlich sind Vorratsdüngungen nur bei Kalk und Thomasmehl.
Je nach den Bodenverhältnissen werden bei der einzelnen Düngung auf 1 Ar ver-
wendet: Chilisalpeter, schwefelsaures Ammoniak 2 — 4 kg, Ammoniak-Superphosphat
2—3 kg, Kainit 2—6 kg, Kalk 30—40 kg, Guano 6 kg, Stalldünger 2^4 Ztr., Kom-
post, Dammerde 3 — 4 cbm, Mergel 1,5 cbm.
d) Eine wiederholte Bodenbearbeitung mit Hacke und Rechen
oder anderen Bodenbearbeitungswerkzeugen (Spitzenbergsche Kulturgeräte) findet
in Verbindung mit der gartenmäßigen Zurichtung der Beete und dem Ausheben der
Fußpfade im Frühjahr vor der Bestellung des Forstgartens statt. Auf sehr lockerem
Boden ist der Herbstumbruch unter Umständen entbehrlich, zumeist aber auch
hier rätlich. Wie schon vorstehend erwähnt, wird mit der Frühjahrsbearbeitung
vielfach Düngung verbunden. Die Bearbeitung geschieht zweckmäßigerweise einige
Zeit vor der Ansaat der Beete, damit sich der gelockerte Boden wieder setzt.
4. Einteilung, innere Einrichtung: Beete von angemessener
Breite (bis zur Mitte bei den Arbeiten leicht zu erreichen) und Beetpfade wechseln
miteinander ab. Dazu kommen einzelne breitere Wege für Karren etc. Durchschnitt-
liche Beetbreite 1 — 1,2 Meter, Pfadbreite 0,3 Meter. Da durch die Beetpfade der
eigentlichen Pflanzenzucht immerhin viel Areal entzogen wird (Y« — V^ '^^^ ganzen
Fläche), so empfiehlt sich bei einheitlichem Betrieb, d. h. bei der Anzucht großer
Mengen gleichartiger Pflänzlinge das Zusammenschließen von Beeten (ohne zwischen-
belegene Pfade) zu größeren Quartieren, welclie dann allerdings bei den jeweiligen
Arbeiten (Verschulen, Jäten etc.) betreten werden müssen. Es ist deshalb zweck-
mäßig, sie nicht mit Saat-, sondern bessÄ- mit weiter von einander abstehenden Schul-
pflanzen zu bestellen.
5. Die Aussaat im Forstgarten, a) Arten der Aussaat:
Vollsaat oder Rillensaat. Bei ersterer erhält man mehr Pflanzen als bei der Rillen-
saat; auch steht den Pflanzen ein gleichmäßigerer Entwcklungsraum für Wurzel und
Krone zur Verfügung, ein Vorzug, der namentlich dann zum Ausdruck kommt, wenn
nicht verschult werden soll. Dagegen sind die voll besäeten Beete mühsamer zu
reinigen, das Ausfrieren ist bedenklicher, weil sich Deckmittel schlechter anwenden
lassen als bei der Rillensaat, die einzeln keimenden Pflänzlinge (Nadelhölzer) drücken
Die Bestandesbegründung. § 61. 127
durch eine etwas verkrustete Oberfläche schwerer durch. Rillensaat bildet die Hegel,
b) Samenmenge: Im allgemeinen gelten hier dieselben Envägungen wie für die
Dichte der Saat überhaupt. Nicht zu dicht säen! Weniger dicht, wenn gar nicht oder
erst nach ■2— 3 Jahren verschult wird. Bedingend ist überdies die Entwickelung der
einzelnen Holzart in der ersten Jugend. Anfangs langsamwüchsige Holzarten können
dichterstehen oder länger im Saatbeet verbleiben (Gegensätze z.B. Tanne und Schwarz-
kiefer, Buche und Akazie). Kein großer Unterschied zwischen Voll- und Rillensaat
bezüglich der Samenmenge (z. B. bei Kiefer pro 1 Ar 0,5 — 1,0 kg) i). — c) Z e i t der
Aussaat: Auch hier gelten die allgemeinen Bestimmungsgründe. Möglichkeit
ins einzelne gehender Pflege im Forstgarten kann modifizierend wirken. Meist Früh-
jahrssaat. — d) Vollzug: Vollsaat stets aus der Hand, nach vorgängiger ge-
höriger Herrichtung der Beete. — Rillensaat: Richtung der Riefen bald quer
über die Beete (bequemer für gleichmäßige Aussaat, Bedeckung, Reinigung), bald in
deren Längsrichtung. Schmale Rillen (womöglich nurl , höchstens 2 etwas voneinander
entfernte Samenreihen — Doppelrillen). Entfernung derselben so gering, daß die
Pflanzen zu seitlicher Entwickelung gerade genügend Raum haben. Herstellung ent-
weder mit der Hacke oder einem Rillenzieher (Spitzenberg), oder mit Hilfe von Saat-
latten, Saatbrettern, Walzen mit entsprechenden Erhöhungen, wie z. B. der regulier-
baren Saatrillenwalze von Holl (Oe. Forstz. 1898, 123), der Saatrillenwalze von Zinger
(Allg. Forst- u. J.-Z. 1890, 412) usw. Aussaat aus der Hand oder unter Benutzung
von Apparaten, wie z. B. Säehorn, Saatrinne, Saatbrett etc. Als besonders brauchbar
hat sich die Eßlingersche Säelatte mit zugehörigem Samenkasten (Forstw. Zentralbl.
1890, S. 535) bewährt; sie arbeitet rasch und gibt gleichmäßige Verteilung des Sa-
mens. Empfohlen wird auch die Rillensäemaschine von Fekate (Oesterr. Forstzei-
tung), ferner Hackers Gartensaatmaschine (Oesterr.Forst-u. J.-Z. 1890, S. 299, Forstw.
Zentralbl. 1902, 327), Hörmanns Säeapparat (Forstw. Zbl. 1903, 622; 1904, 122,
452, 639), Schneiders, Spitzenbergs Säemaschine u. a. Bedeckung des Samens in
erforderlicher Höhe mittels Rechens, Ueberwerfens oder Uebersiebens mit feiner Erde,
Rasenasche etc. Die Höhe der Bedeckung ist je nach der Art des Samens und des
Deckmaterials verschieden. Je lockerer das letztere ist, um so stärker kann im all-
gemeinen der Samen eingedeckt sein. Maßgebend ini einzelnen sind die Bemerkun-
gen zu § 57, E. S. 116.
6. P f 1 a n z b e e t e im F o r s t g a r t e n. \' e r s c h u I e n. Das Ver-
schulen hat den Zweck, den jungen Pflänzlingen vor der Benutzung zur Kultur durch
Gewährung freieren Standraumes im gut hergerichteten Pflanzbeete zu kräftiger Ent-
wickelung zu verhelfen. Man will dadurch kräftige, gut be\\au-zelte, stufig und gleich-
mäßig beastete Pflanzen erziehen, die sich auf allen, irgend einer Gefahr ausgesetzten
Standorten besser bewähren als Saatpflanzen. Im einzelnen Falle dient die Verschu-
lung der Erziehung von Ballenpflanzen. Die mit dem Verschulen verbundenen höheren
Kosten lassen eine Beschränkung in der Verwendung verschulter Pflanzen auf solche
Standorte er\\"ünscht erscheinen, wo die Saatpflanze in ihren Leistungen zurücksteht.
Man hat stellenweise fast vergessen, daß sich durch dünne Saaten Pflanzen erziehen
lassen, die den verschulten Pflanzen qualitativ kaum nachstehen und für viele Ver-
hältnisse vollauf genügen, w'o man ohne verschulte Pflanzen nicht auszukommen
glaubt, a) Alter der Pflänzlinge: bei möglichst frühem Verschulen ( 1 — 2-
jährige Pflanzen) hat man leichtere (billigere) Arbeit und größeren Erfolg, sofern die
1) Die sciiweiz. \crsuclisanstalt hat bei Fichte und Kiefer von 10 gr Samen pro laufenden
Meter das Maximum an brauchbaren Pflanzen erhalten, cfr. Mitteilungen der Schweiz. Zentral-
anstalt für d. forstl. Versuchsw. I, 1.
J28 VI. L o r e y , Waldbau.
Pflanzen besser anwachsen und länger im Verschulbeete bleiben können. Sogar
ganz junge Keimlinge (aus natürlichem Anflug) werden unter Umständen verscliult.
Werden sie einem etwas bindigen Boden entnommen, so kann der kleinste Heyersche
Hohlbohrer mit Vorteil verwendet werden. — b)Zeit der \'ornahme: Herbst
und Frühjahr. Die Erfahrungen im Tübinger Versuchsgarten lassen die Herbst- und
die Frühjahrsverschulung als ziemlich gleichwertig erscheinen. Natürlich ist eine Herbst-
pflanzung mit der Pflanzung im nachfolgenden (nicht im voraufgegangenen) Frühjahr
zu vergleichen. Dr. Cieslar ^) hat sich gegen die Herbstpflanzung ausgesprochen, und
Bühler (189.5) hält nach seinen Versuchen das Wachstum nach Herbstpflanzung bei
allen Holzarten für geringer als dasjenige nach Frühjahrspflanzung. Geeignete Ar-
beitsverteilung spricht wesentlich bei der Wahl der Pflanzzeit mit. Wenn bei einer
Herbstverschulung kleine Sämlinge verwendet würden, ist die Gefahr des Ausfrierens
besonders zu beachten. Durch Ueberschirmen, Bodenbedeckung usw. wird ihr vor-
gebeugt; durch Frost gehobene Pflanzen sind rechtzeitig wieder anzudrücken. —
c) Dauer des Verbleibs im Pflanzbeet: meist 2 — 3 Jahre (1 .Jahr
ist zu wenig, der Vorteil bei so kurzer Zeit zu gering). — d) Sorgfältige B o d e n z u-
r i c h t u n g geht voraus. — e) Ausheben, Beschneiden, Anschläm-
men der Pflänzlinge: Da ein Transport zum Zweck des Verschulens sehr
häufig nicht in Frage steht, so werden die Pflänzlinge am besten unmittelbar aus dem
Saatbeet ins Pflanzbeet gebracht. Einstutzen von Schaft und Wurzel unterbleibt (abge-
sehen von zu langen Wurzeln und beschädigten Organen). Desgleichen das Anschläm-
men. Erfordert die Platzfrage (Beeträumung etc.) früheres Ausheben, oder kommen
Pflänzlinge von auswärts (z. B. Schlagpflanzen oder durch Ankauf erworbene Saat-
pflanzen), so ist sorgfältiges Einschlagen an feuchtem, schattigem Ort nötig. Sortieren
der schwachen von den stärkeren Pflänzlingen je für besondere Beete ist zur Erzielung
der Gleichmäßigkeit wünschenswert; andernfalls werden (zumal bei Laubhölzern wie
Ahorn und Esche) die schwächeren Pflanzen von den vorauseilenden stärkeren in ihrer
Entwickelung beeinträchtigt. Wenn möglich sind nur gesunde, kräftige Pflanzen zu
verschulen; alle Schwächlinge sind vorher auszumustern. Minderwertige Saatpflan-
zen auf besonderen F^flanzbeeten zu verschulen, um aus ihnen noch brauchbares Ma-
terial zu erziehen, ist nicht ratsam. Sie haben meist nicht nur stärkeren Abgang,
sondern verlangen auch eine sorgfältige, um .Jahre verlängerte Pflege im Schulbeet,
ohne dadurch zu besonders kräftigen Pflanzen zu werden. — f) P f 1 a n z e n e n t-
fernung, Verband: Allseits genügender Raum für die Zeit, welche die Pflanze
im Verschulbeet verbringen soll, ist Bedingung. Da diese Zeit nach Entwickelung
der einzelnen Holzarten verschieden ist, so kann kein einheitliches Maß angegeben
werden. Um auf gegebener Fläche eine möglichst große Pflanzenzahl zu erzielen, wird
man immerhin nicht weitständiger verschulen, als notwendig ist; in keinem Falle
sollten sich die verschulten Pflanzen bald wieder gegenseitig bedrängen. Meist Reihen-
verband (z. B. für 1jährige Ficliten 10: 5 — 7 cm, 2 Jahre im Pflanzbeet) im Inter-
esse der Beetpflege. Sonst ist Ouadratverband, wegen der gleichmäßigen Verbreite-
rung nach allen Seiten hin, besser. — g) Ausführung, Hilfsmittel: Pflan-
zung im Taglohn oder Akkord. Dabei ist scharfe Kontrolle sehr angezeigt, damit nur
tadelloses Material verwendet wird. Zu beachten ist ferner insbesondere, daß die
Pflanzen nicht tiefer eingesetzt werden, als sie im Saatbeet gestanden haben, und daß
Verkrümmungen und Umstülpungen der Wurzelenden vermieden werden. Die \'cr-
schulung kleinerer Saatpflanzen erfolgt gewöhnlich unter Zuhilfenahme einfacher
1) Mitteilungen aus dem forstl. Versuchswesen Oesterreichs, Heft XI\', 1892: „Die Pflanz-
zeit in ihrem Einfluß auf die Entwicklunsr der Fichte und Kiefer".
Die Bestandesbegründung. § 61. [OQ
oder komplizierterer Verschulungsapparate (Setzholz, Zapferbretter, Verschulungs-
gestell von Eck ^), Verschulungslattcn -), Rillenpflug ^), \'erschulungsapparat bezw.
-maschine von Hacker^), Thygesonsclie Pflanzharke ') u. a.) teils in Löcher, teils in
Gräben. Der Gefahr von Wurzelverkrümmungen wegen sind im allgemeinen alle
Verscluilungsmethoden zu verwerfen, die, wie die Handverschulung mit dem Setzholz
oder dem Zapfenbrette, auf Einsetzen der Pflänzchen in kegelförmig in den Boden
eingedrückte Löcher hinauslaufen. Einwandfrei erscheint in dieser Beziehung nur
die ^'erschulung in genügend tief hergestellte Gräben, an deren eine senkrecht abge-
stochene Wand die Pflänzchen mittels Einhängelatten usw. derart in bestimmten
Abständen verteilt werden, daß ihr fächerförmig ausgebreitetes Wurzelsystem auf
der Grabensohle nicht oder eben nur aufstößt. Durch Wiedereinfüllen und Andrücken
des Grabenaushubes werden die Wurzeln der verschulten Pflanzen eingebettet. —
Die durch die Verschulung angestrebte Verdichtung des Wurzelsystems sucht man
nicht ohne Erfolg auch dadurch zu erreichen, daß man die seitlich ausstreichenden
\\'urzeln der in der Saatrille stehenden Pflanzen mit einem schneidenden Instrument
(Hirschfänger, Säbel, iMuthsche Wurzelschnittmaschine ^), Kaisersches Wurzel-
schneidemesser ') durchschneidet. Im Verschulungsbeet angewendet, unterstützt
dieses Verfahren die Bildung von Ballen durch Wurzelverfilzung. — h) W i e d e r-
holung: Zur Erziehung besonders starker Pflanzen (Tannen für Kahlschläge,
Laubholzheister etc.) manchmal zweimaliges Verschulen (meist nach 2 — 3 Jahren
wiederholt).
7. Schutz und Pflege der Saat- und Pflanzbeete. In Re-
vieren mit W i 1 d s t a n d , auch gegen Weidetiere, müssen die Pflanzenerziehungs-
stätten durch Einfriedigungen geschützt werden. Die Art der Umfriedigung ist insbes.
durch die abzuhaltenden Tiergattungen bedingt (feste Zäune gegen Sauen, entspre-
chende Höhe gegen Ueberfallen von Rotwild, dicht am Boden gegen Hasen und Ka-
ninchen usw.). Unter Umständen transportable Hürden, a) Tote Umzäunun-
gen: Rollsteine (gegen Weidvieh), Mauern (zu teuer); Planken-, Pfosten-, Latten-,
Stangen-, Spriegelzäune (in verschiedenster Modifikation) ; Drahtzäune (starke Hori-
zontaldrähte, event. an stehende Bäume befestigt; zwischengeflochtene dünne Verti-
kaldrähte). Gilt es, Sauen abzuhalten, so leisten Spriegelzäune (Querstangen mit
zwischengeflochtenem starkem Reisig) wegen ihrer Elastizität gute Dienste; sie sind,
zumal wenn erste Durchreiserungen oder Durchforstungen in der Nähe das Material
ergeben, auch nicht kostspielig. Im übrigen dürften sich transportable, etwa 3 — 4
Meter lange, 1^2 Meter hohe Gatter aus Fichtengestänge mit aufgespanntem Geflecht
aus verzinktem Draht besonders empfehlen. Der Draht kann, da das entsprechend
hergestellte Stangengatter den erforderlichen Halt verleiht, dünn sein. Das Geflecht
braucht, wenn im Winter hohe Schneelagen fehlen, vom Boden an nicht über 1 m
hoch zu sein, um gegen Hasen und Rehe zu schützen. Solches Drahtgeflecht wird
1) AUg. F.- u. J.-Z. 1885, S. 197.
2) Das. 1884, S. 7.
3) z. B. Schmitt, ,, Anlage und Pflege der Fichtenptlanzschulen" 1875, sowie Fisch-
bach in Allg. F.- u. J.-Z. 1867, S. 85.
4) Zentralbl. f. d. ges. Forstw. 1886, S. 230; 1891, S. 373. Der Hackersche Verschulungs-
apparat (cfr. Oester. F.-Z. 1891, S. 207) arbeitet gut und ist, teurere Maschinen ersetzend, be-
sonders warm zu empfehlen, wenn große Pflanzenmengen zu bewältigen sind, vgl. Forstw. Zbl.
1903, 233; 1904, 463.
5) Zeitschr. f. Forst- u. Jagdwesen von Danckelmann 1885, S. 25.
6) Bernstein, Das Muthsche Pflanzenzucht- und Kulturverfahren. Forstw. Zbl.
1906, 18; Fürst, Der Muthsche Wurzelverschnitt, ebend. 1899, 227. —
7) S i n z , das Kaisersche Wurzelsehneidemesser. .'Mlg. F-. u. J.-Z. 1906, 356.
Handb. d. Forstwiss. 3. Aufl. II. 9
130 ^ '• L 0 r e y , Waldbau.
ZU 16 — 20 Pfg. pro laufd. Bieter bezogen. Zur gleichzeitigen Sicherung gegen Kanin-
chen muß das Geflecht höher sein, da etwa "30 cm in den Boden eingelassen
werden müssen. Sorgfältiges Autstellen der Gatter auf den Boden und scharfes An-
einanderschließen ist Bedingung. — b) Lebende Hecken: U'eißdorn, Fichte,
Tanne, Eibe, Hornbaum. Da die Anlage und Unterhaltung (Beschneiden etc.)
viel 'Sliihe und Sorgfalt erfordert und ein hasendichter Abschluß des Gartens durch
eine Hecke nicht erreicht wird, wendet man besser eine tote Umfriedigung an. —
c) G r ä b e n in Verbindung mit den Schutzmitteln unter a und b bewirken eine noch
weitergehende Sicherung, bes. gegen das Ueberfallen von Wild. — d) K o s t e n nach
Material, Arbeitsaufwand sehr verschieden in Hinsicht auf erste Anlage und Unter-
haltung i). — Weitere Gefahren drohen Samen und Pflanzen durch Trocknis, Frost,
Regengüsse, Unkrautwuchs, pflanzliche und tierische Parasiten, Mäuse und \'ögel.
Gegen Hitze und Frost sowohl als gegen Platzregen sichert Bedecken der Beete
mit Laub, JMoos, Sägemehl, Torfmull, Brettchen, gespaltenen Stangen, Stroh (rechtzei-
tige Entfernung der Bedeckung beim Keimen), Bestecken mit Zweigen (abfallende Na-
deln manchmal störend), Ueberdecken mit Schattengittern verscliiedener Art. Gegen
Trockenheit, wenn nötig, Begießen (öftere Wiederholung). Auch oberflächliche Boden-
lockerung ist ein Mittel gegen das Austrocknen, denn obwohl die schwache, dabei los-
gelöste Oberschichte stark trocken wird, schützt sie doch die unterliegende Boden-
schicht, welche feucht bleibt. Uebrigens darf solches Behäckeln nur nach einem durch-
dringenden Regen geschehen. Anwendung von senkrecht stehenden Schutzschirmen
gegen Wind und Sonne. Gegen Vögel dienen die Schutzgitter (zugleich Schatten-
gitter), gegen Mäuse das Vergiften etc. Behandlung des Samens vor der Aussaat
mit Bleimennige in der Art, daß der angefeuchtete Samen mit trockenem Mennige-
pulver überstreut und dadurch mit einer Mennigehülle umgeben wird, bietet weit-
gehende Sicherung gegen Vogel- und Mäusefraß. Häher, Tauben, Eichhörnchen sind
abzuschießen. Aushängen von Nistkästen zugunsten insektenfressender Vögel.
Fangen der Maulwurfsgrillen (cfr. hierüber Forstschutz, 2. Bd., VH. des Hand-
buchs). Ausjäten des Unkrautes, je nach Bedarf mehrmals jährlich. Pflege der
Pflanzen durch Andrücken vom Frost gehobener Pflänzlinge, durch Bodenlocke-
rung, Anhäufeln der Erde nach den Riefen zu. In ganz hervorragender ^^'eise
bewährt sich nach Cieslar (Zbl. f. d. ges. Forstw. 1893, 24) Moosdeckung.
Sie erscheint als Universalmittel gegen Austrocknung, Unkrautwuchs, Bodenver-
dichtung und Auffrieren. Durchrupfen oder Durchschneiden zu dichter Saaten,
Zwischendüngung. Pflege einzelner Pflanzen, namentlich bei der Laubholzer-
ziehung durch Beschneiden (Entfernung von Doppelgipfeln, Zweigen, Ausbrechen
von Knospen etc.),
8. K o s t e n 2). Alle Forstgärten stellen durch Anlage und Unterhaltung eine
mehr oder minder starke Belastung des Kulturfonds dar. Die Ausgaben sind auf das
notwendige Maß zu beschränken, jede Spielerei ist zu vermeiden. Auf zweckmäßiges
Ineinandergreifen der Einzelarbeiten ist namentlich Wert zu legen. Teuer ist insbes.
1) Drahtzäune, inkl. Pfostenmaterial etc., zum Schutz gegen Hasen und Rehwild kaum
unter 0,80 — 1,00 Mk. pro lfd. Meter; bei Befestigung an lebende Bäume ca. 0,50 Mk. ^■erbindung
der Pfosten oben und unten durch je eine Stange gibt ein besonders festes Gefüge beim Durchflech-
ten dünner Vertikadrähte. — Bei Anwendung der oben erwähnten Slangengatter mit aufgespann-
tem Dralitgeflecht kommt es bezüglich der Kosten hauptsächlich darauf an, ob der Wald das
Stangenmaterial (aus Fiehtendurchforstungen) in genügender Menge und in der Nähe des Gar-
tens liefert, cfr. Mitteilungen der Württ. \ ersuchsslation, .\llg. F.- und J.-Z. 1897, S. 104; ferner:
Dr. Grieb daselbst S. 74 (enth. Zusanmienstellung der Kosten verschiedener Umfriedigungen).
— S c h u h m a c h e r, Wildgatter 2. .Aufl. 1898.
2) Vergl. Thar. Jhrb. 1893, 110. — Forstw. Zbl. 1894, 140. —
Die Beslandesbegründung. § 62. 131
das Verschulen (Zeit- und Raumerfordeinis!). Unter Umständen Verschulen von
Schlagpflanzen auf kleinen Stellen in oder bei den Schlägen selbst. Allgemein gültige
Kostensätze sind nicht zu gewinnen; Abhängigkeit derselben insbes. von den orts-
üblichen Tagelöhnen. Angaben z. B. in F ü r s t s Pflanzenzucht, im Forst- und
Jagdkalender usw.
In vorstehender Schilderung des Pflanzgartenbetriebs ist nur das Notwendigste
enthalten und auch das großenteils nur in Andeutungen. Gerade auf dem Gebiete
der Pflanzenzucht im Forstgarten hat sich eine große Vielgestaltigkeit entwickelt mit
zahlreicher Modifikation der Durchführung aller einzelnen Arbeiten, je nach Oert-
lichkeit, Holzart, Umfang der Anlage usw. Eigene Erfahrung und Beobachtung, zu-
mal der exakte vergleichende Versuch führt fortwährend zu größerer Sicherlieit, zu
Verbesserungen, Kostenersparnis, also allgemein zu gesteigertem Erfolg, namentlich
auch im Punkte der Rentabilität. Dabei sollten aber die Erfahrungen, die anderwärts
gemacht sind, sorgfältig beachtet und in ausgiebigster Weise benutzt werden, damit
nicht Regeln, die sich unter bestimmten \'erhältnissen bewährt haben, erst wieder
von Neuem und vielleicht erst nach mancherlei Mißerfolgen gefunden werden müssen.
Auf das mehrfach erwähnte Werk von Fürst (Die Pflanzenzucht im Walde) als auf
einen guten Führer, dann auf die Resultate des Forstgartenbetriebs der schweizeri-
schen Versuchsanstalt (Mitteilungen der Schweiz. Zentralanstalt I, 1,2, 3, sowie II,
1 u. 2), ferner auf die Mitteilungen Weise s ,, Erfahrungen und Beobachtungen aus
dem Forstgartenbetrieb" (zu Karlsruhe) in Mündener Forstliche Hefte II, S. 1, sowie
auf die Mitteilungen der württembg. Versuchsstation (Allg. Forst- u. J.-Z. 1897,
S. 104, woselbst auf die früheren Mitt. hingewiesen ist) sei u. a. nochmals besonders
aufmerksam gemacht. Sehr wertvoll ist auch die Abhandlung von G a r e i s , Aus dem
Pflanzgartenbetrieb im kgl. bayr. Forstamt Anzing. Forstw. Zbl. 1903, S. 233.
Auch soll an dieser Stelle der Spitzenbergschen Kulturgeräte gedacht werden,
von welchen sich nicht wenige gerade beim Forstgartenbetrieb mit Vorteil verwenden
lassen ^). Sie dienen, wie z. B. der Wühlspaten und der Wühlrechen, zur Bodenlocke-
rung, andere (Gitterwalze und Saatbedecker) in großer Zahl dem Saatgeschäft (zur
Anfertigung aller Arten von Rillen, zum Decken des Samens usw.), wieder andere
sind als Pflanz-Geräte konstruiert, wie z. B. die Pflanzspaltschneider, Pflanzholz
mit und ohne Wühlspitze, Pflanzenlade.
D. Pflanzenbeschaffung bei den einzelnen Holzarten.
§ 62. Die bezüglich der Pflanzenbeschatfung hier folgenden .Angaben deuten,
ohne entfernt erschöpfend sein zu wollen, nur einige der Fälle an, welche in der Praxis
häufig vorkommen. l.Laubhölzer. a) Buche: Erziehung im Saatbeet selten,
meist Ver\vendung von Schlagpflanzen aus natürlichen ^'e^jüngungen. Empfehlens-
wert Ansaat unter Kiefernschutzbestand ; 2 — 3jährig unverschult zur Kultur, bes.
zum Unterbau. — b) Eiche: Aussaat im Saatkamp, 1 — ^2jährig verschult, 3 — 4jäh-
rig zur Kultur. Zur Heistererziehung nochmals verschult und ca. Gjährig verwendet.
— c) Edelkastanie. .Juglans- Arten: Aussaat im Saatkamp, zur Kultur
als 1— 2jährige Loden. — d) E s c h e , Ahorn, E r 1 e ^) : Aussaat im Saatkamp,
1) Spitzenberg, Die Spitzenbergschen Kulturgeräte, deren Wesen, Zweck u. wirtschaft-
liche Bedeutung usw. 2. Aufl. Berlin 1898. — Schwappach, Die Spitzenbergschen Kullur-
geräte für den Forstgartenbetrieb. Ztschr. f. Forst- u. Jagdw. 1902, 176. Man vergl. auch ,,Aus
dem Walde" 1897, S. 345, sowie .Möller, Ztschr. f. Forst- u. Jagdw. 1900, S. 443.
2) Erlenaussaat noch im Herbst hat sich oft bewährt: Festschlagen des Bodens, früh-
zeitiges Bedecken mit Reisig im Frühjahr. Erlensaatbeete sind bei Frühjahrssaat feucht zu halten,
z. B. durch .\uflegen von Moos, Begießen usw. Der Erlensamen wird am besten breitwürfig
ausgestreut, nur leicht mit Erde gemischt (nicht bedeckt). — Bei Esche und Ahorn ist wegen der
9*
132 ^ '• Lorey, Waldbau.
1 — 2jährig verschult, 3 — 4jährig zur Kultur (Erle, Ahorn event. als Stummelpflan-
zen). — Ulme: Dichte Saat im Sommer auf frischen, etwas angewalzten Beeten,
schwache Erdbedeckung, dann nochmals etwas anwalzen; einmalige Verschulung im
Frülijahr, Auspflanzen der 3jähr. Pflanzen. — e) Akazie: Aussaat im Saatbeet
(weit säen), zur Kultur als 1- oder 2jährige Lode. — 2. Nadelhölzer: a) Tanne:
Schlagpflanzen, neuerdings auch vielfach Ansaat im Saatbeet, in der Regel 2 — Bjährig
verschult, 5jährig zur Kultur. — b) F i c h t e: Ansaat im Saatbeet, von hier 2 — Sjähr.
ausgepflanzt oder 1 — 2j ährig verschult, dann 3 — 4jährig, in den höheren Lagen auch
5 — Gjährig zur Kultur. Hin und wieder auch Material aus Saaten und natürlichen
Verjüngungen, dann oft mit Ballen versetzt. — c) Kiefer: Aussaat im Saatbeet,
1-, 2-, Sjährig zur Kultur (im letzteren Falle nach vorheriger Verschulung). Schlag-
pflanzen nur ausnahmsweise. — d) S c h w a r z k i e f e r , Weymouthskie-
fer, Lärche: Aussaat im Saatbeet, 1 — 2jährig verschult, 3 — 4jährig zur Kultur.
— e) Zirbelkiefer: Keimung in besonderen Kästen zum Schutz gegen Tierfraß,
dann Verschulen (cfr. Förster: Zentralbl. f. d. gesamte Forstwesen 1888, 65).
E. Ausheben, Beschneiden, Transport, Aufbewahren
der Pflanzen.
§ 63. Was im Forstgarten gilt, ist für den großen Kulturbetrieb zu beachten.
1. Ausheben: Die Wurzeln sollen so wenig wie möglich verletzt werden, deshalb
Umstechen in derjenigen Entfernung vom Wurzelstock, welche der Entwickelung der
Pflanze entspricht, a) B a 1 1 e n p f 1 a n z e n: Bewahrung des Ballens in gewünsch-
ter Form und Größe. Instrumente zum Ausheben von Ballenpflanzen sind außer
dem gewöhnlichen Spaten verschiedene Hohlspaten, der Hohlbohrer von Karl Heyer '),
Kegelbohrer von Eduard Heyer -), Scherenbohrer von Mühlmann, Barths Pflanz-
schnabel ^), Jansas *) Patent-Hohlbohrer u. a. m. Bei zu steinigem oder zu lockerem
Boden lassen sich haltbare Ballen nicht stechen. In solchem Falle können für besonders
schwierige Kulturverhältnisse, für welche bestes Pflanzenmaterial erwünscht ist,
durch Verschulen Ijähriger Saatpflanzen in Ton- oder (nach Forstmeister Reuter)
asphaltierte Papiertöpfe künstliche Ballenpflanzen erzogen werden. — b) Ballen-
lose Pflanzen: Ausziehen (Ausrupfen) ist durchaus zu verwerfen, da selbst auf
lockeren Böden Wurzelzerreißungen hierbei unvermeidlich sind. Das Ausheben hat
mit der Hacke (auf steinigen Böden), am besten mit dem Spaten zu geschehen. Klei-
nere, im Saatbeet in Rillen stehende Pflanzen werden in der Weise ausgehoben, daß
sie durch Einstechen des Spatens auf einer Seite der Rille in einen vorher auf der
anderen Rillenseite gezogenen Graben umgelegt werden. Die an den Wurzeln an-
haftende Erde ist vorsichtig durch Schütteln, behutsames Aufklopfen des Erdballens
oder mit der Hand, eventuell auch durch Abspülen im Wasser zu entfernen. —
2. B e s c h n e i d e n. a) des Wurzelteils: beschränkt sich auf glattes Weg-
nehmen (mit Messer, Schere, Beil) beschädigter Teile der Seitenwurzeln und Pfahl-
wurzel; letztere ist zwar oft (z. B. bei Juglans-Arten!) ein Hindernis für die
Pflanzung, es ist aber fraglich, ob ihre Verkürzung in allen bezüglichen Fällen
gegenständigen Knospen darauf zu achten, daß bei der häufig vorkommenden Beschädigung
der Mittellinospe od. des Gipfellriebes durch Spätfrost od. andere Ursachen keine Doppelgipfel
entstehen: event. rechtzeitiges Entfernen des schwächeren Triebes.
1) V. W e d e k i n d , ,,Neue Jahrbücher der Forstkunde", Heft 1.
2) Tharander Jahrbuch von 1873, 23. Bd., S. 61 ff. und AUg. F.- u. J.-Z. von 1878, S. 39,
sowie Heß: A. F.- u. J.-Z. 1898, 179; Tiemann: A. F.- u. J.-Z. 1900, 144.
3) Vergl. Cieslar: Zeitschr. f. d. ges. Forstw. 1891, 48.
4) Prakt. Neuheiten f. d. forstl. Kulturbetrieb. \'erhdlgn. d. Forstw. von Mähren u. Schlesien
1908. S. 43.
Die Bestandesbegründung. § 64. J33
angeraten werden darf i). — b) des Kronen teils: Bei stärkerem Wurzel-
verlust ist (nur bei Laubhölzern und Larciie) entsprechendes Einstutzen der Krone
zweckmäßig; letzteres auch zur Erzielung guter Kronenform ^) (Hochstämme). Ab-
werfen des ganzen Schaftes, Stummelpflanzen, z. B. bei der Eiche, Erle usw. (meist
am besten hart über dem Wurzelknoten). Vgl. das oben S. 119 hierüber Gesagte. —
3. Transport: In Körben, in der Spitzenbergschen oder in der Bromberger
(Hollwegschen) Pflanzenlade oder auf Karren und Wagen, je nach Entfernung und
Pflanzenmenge. Ballenpflanzen werden am besten auf Tragbahren oder in Körben
getragen, weil bei Wagentransport die Ballen infolge der Erschütterung leiden. Die
Pflanzen sind dabei sorgfältigst vor Austrocknung zu behüten: Schlämmen der
Wurzeln, Einschlagen in feuchtes Moos, Bedecken mit einem Tuch etc. — 4. Au f-
bewahren: Kann das Einpflanzen nicht alsbald erfolgen, so ist wiederum sorg-
samste Bewahrung der Saugvvurzeln, sowie Vermeidung starker Verdunstung nötig.
Zu dem Ende Einschlagen der Pflanzen an feuchtem, schattigem Ort in lockere Erde ^).
HI. Herrichtung der Kulturfläche.
§ 64. Eine eigentliche Bearbeitung des Bodens für den unmittelbaren Kultur-
zweck, wie nicht selten vor einer Saat, findet im allgemeinen nicht statt, es sei denn,
daß eine der im 3. Kapitel, erster Teil geschilderten Urbarmachungsarbeiten ausge-
führt werden muß. Etwaige Bodenbehandlung des Waldfeldbaubetriebs kommt an
dieser Stelle nicht in Betracht. Die Pflanzlöcher werden in der Regel kurz vor dem
Einsetzen der Pflanzen angefertigt. Nur ausnahmsweise, auf schweren bindigen,
nassen Böden (Tonboden) oder vor dem Einsetzen älterer, wertvoller Heister kann
es zweckmäßig sein, die Pflanzlöcher schon im Herbst anzufertigen, um den Winter-
frost auf die gelockerte Erde einwirken zu lassen. Die zum Anschütten von Hügeln
bei Obenaufpflanzungen oder zur Ausfüllung der mit Pflanzeisen, Hohlspaten usw.
hergestellten Pflanzlöcher benötigte Kulturerde (Füllerde) wird meist schon im Herbst
vor der Kultur auf der zu kultivierenden Flächen durch Zusammenharken der oberen
1) G a y e r (Waldbau 4. Aufl. S. 365) spricht sich für möglichste Beschränkung des Beschnei-
dens aus. Hauptsächlich bei stärkeren Pflanzen ist Wurzelverschnitl oft nötig, bei schwächeren
zu vermeiden. Manche (z. B. Schütz) wollen eine lange Pfahlwurzel lieber zu einem Knoten
schürzen. Nach den von Borggreve (forsll. Blätter 1878, S. 306) u. Heß (Forstw. Zbl.
1882, S. 385) hierüber angestellten Versuchen haben Eichen mit geknoteten Pflahlwurzeln keine
wesentlichen Störungen im \A'achstum gegenüber Eichen mit eingestutzten Wurzeln gezeigt.
Erwähnung verdienen hier auch die von L a u r o p u. a. durchgeführten Versuche, das Versetzen
von Pfahhvurzelholzarten dadurch zu erleichtern, daß die Pfahlwurzeln im Saatbeet bei den noch
jungen Pflanzen durch Einstechen mit scharfem Spaten von der Seite her abgestoßen werden.
Denselben Gedanken, nur auf die Seitenwurzeln übertragen, verfolgen die oben (S. 129) genannten
Verfahren von M u t h u. Kaiser.
2) Vergl. Geyer, Erzieliung der Eiche zum Hochstaram, 1870.
3) Das .\usheben und Einschlagen in dünne Schichten empfiehlt sich nach B ü hier (Prakt.
Forstwirt für die Schweiz, 1885, Sept. — Okt.) auch zum Zurückhalten der Vegetation im Früh-
jahr, gegenüber von Kulturverzögerungen (durch die Witterung, \'erwendung von Pflanzen
aus der Ebene ins Gebirg usw.). Bedecken der Beete mit Reisig erwies sich nicht als zweckent-
sprechend. Ferner: Bühler (Schwz. Zeitschr. 1893, 123) : Nadelhölzer haben mehr .\bgang als Laub-
hölzer, 3- und mehrjährige Nadelhölzer sind weniger empfindlich als 1- und 2jährige; bei niedri-
ger Frühjahrstemperatur kann das Einschlagen bis zu 2 Monaten ausgedehnt werden. — .Aus-
heben im Herbst und Einschlagen über \\'inter ist bei sorgfältiger Behandlung ohne Bedenken
(cfr. Tübinger Versuchsgarten). Das Einschlagen der Pflanzen in Büscheln ist zu vermeiden,
vielmehr reihenweise .\nordnung derselben. — Event. Zurückhalten der Vegetation bei den
für die Frühjahrskultur vorgesehenen Pflanzen durch Lagerung (nach dem .\usheben) auf Schnee
in sog. Schneegruben, das sind mit festgestampftem Schnee ausgefüllte 1,5 m tiefe Löcher, in welche
die Pflanzen abwechselnd mit Reisigschichten eingelegt werden. Die Wurzeln werden einige cm
hoch mit frischer Erde eingebettet und das Ganze durch ein verstellbares schräges Reisigdach
überdeckt, (cfr. u. a. Kozesnik, Zeitschr. f. d. ges. Forstw. 1894, 59.)
134 VI. L o r e y , Waldbau.
fruchtbaren Bodenscliicht gewonnen und in entsprechender Verteilung auf der Kultur-
fläche in Haufen oder Hügeln zusammengesetzt. Mit diesen Arbeiten kann im Herbst
eine Düngung mit langsam \«rkenden Mineraldüngern (Thomasmehl, Kainit, kohlen-
saurer Kalk, Mergel) verbunden werden. Vergl. hierzu 4. Abschnitt unter ,, Boden-
pflege". Unebenheiten, Steine, Felsen, Stöcke usw. beeinträchtigen zwar vielfach
einen regelmäßigen Verband, sind aber kein Hindernis der Pflanzkultur an sich und
verbleiben zumeist an ihrer Stelle, sofern nicht auf die Nutzbarmachung des Stock-
holzes Wert gelegt wird. Zu üppiges Unkraut, unbrauchbare Vorwüchse, nicht ge-
wünschte Oberständer sind zu entfernen. Beim Uebergang von Mittelwald zum
Hochwald oder allgemein bei Holzartenwechsel, zumal beim Uebergang von Laub-
holz zum Nadelholz, können die oft massenhaft erscheinenden Stock- und Wurzelloden
für die junge Kultur sehr lästig werden und einen mehrjährigen harten Kampf be-
dingen. Vorheriges Entfernen der Stöcke und \A'urzeln kann sich deshalb empfehlen.
Uebrigens ist nicht zu übersehen, daß jene Ausschläge unter Umständen als Schutz-
und Treibholz von Wert sein können.
IV. Vollzug der Pflanzung.
§ 65. A. Pflanzzeit: Man unterscheidet Frühjahrs- imd Herbstpflanzung.
Bedingend für die Wahl der einen oder anderen Pflanzzeit ist die Sicherheit des Er-
folges und diese hängt von Standort, Holzart, Beschaffenheit der Pflanzen, Witterungs-
verhältnissen usw. ab. Hier und da sprechen auch die Arbeitei-verhältnisse und son-
stige äußere, den Kostenpunkt beeinflussende Momente mit. Nach der aus Erfahrung
hervorgegangenen Gepflogenheit des praktischen Waldbaues fällt die Hauptpflanz-
zeit in das Frühjahr und endet hier mit dem Austreiben der Knospen. Ausnutzung
der Winterfeuchtigkeit, Vermeidung von Pflanzenverlusten durch Ausfrieren und Er-
frieren oder Umdrucken durch Schnee, namentlich aber Ausnutzung des im Früh-
sommer besonders lebhaften Wurzelwachstums rechtfertigen die Bevorzugung der
Frühjahrspflanzung gegenüber der Herbstpflanzung, namentlich insoweit Nadelholz-
kulturen in Frage kommen. Höhenlage der Kulturfläche, Jahreswitterung und Kul-
turmethode sind bei der engeren Umgrenzung der Pflanzzeit auf frühere oder spätere
Zeitperioden im Frühjahr maßgebend. Kann die Kulturarbeit infolge zu großen Um-
fanges im Frühjahr nicht bewältigt werden, ist die Kulturfläche im Frühjahr zu feucht,
die Witterung zu trocken oder die Vegetation zu rasch vorgeschritten, so nimmt man
den Herbst zu Hilfe, am besten die Zeit von Mitte September bis Ende Oktober.
Laubhölzer eignen sich zur Herbstpflanzung besser als Nadelhölzer, weil ihre Wur-
zeln im Herbst kräftiger und nachhaltiger wachsen als die der Nadelhölzer ^). Laub-
hölzer sind namentlich dann von der Frühjahrspflanzung auszuschließen, wenn sie
bereits angetrieben haben. Ebenso ist Lärche gegen Verpflanzung im angetriebenen
Zustande sehr empfindlich. Die übrigen Nadelhölzer, insbes. Fichte und Schwarz-
kiefer, lassen sich mit mehr Erfolg im Frühjahr nach Beginn der Vegetation verpflan-
zen. Es empfiehlt sich aber auch bei ihnen, bei späterer Kulturzeit die Entwickelung
der Knospen durch Ausheben der Pflanzen und Einschlagen an schattigem, kühlen
Orte zurückzuhalten. Ballenpflanzung gestattet Außerachtlassung des Vegetations-
zustandes umsomehr, je kleiner die Pflanzen und je größer der Ballen ist.
B. Herstellung geregelter Pflanz verbände.
Die Herstellung geregelter Verbände erfolgt mit Hilfe der aus starkem Hanf ge-
fertigten oder aus schwächeren Drähten zusammengedrehten Pflanz- und Richt-
1) Vergl. Engler, Untersuchungen üb. d. Wurzelwachstum dei- Holzarten. Mltlgn.
d. Schweiz. Zentralanstalt f. d. forstl. \'ersuchsw. \U. 1903, S. 247.
Die Bestandesbegründung. § 65. 135
schnüren oder aucli mit Hilfe von Pflanzketten. Dem gewählten Pflanzen- bezw.
Reihenabstand entsprechend werden die Schnuren und Ketten mit Zeichen oder
Marken versehen (Barsche Ptlanzkette mit verstellbaren Markierungen, Forstw. Zbl.
1897, S. 651). Nach diesen Zeichen werden an den straff ausgespannten, mit End-
pflöcken in den Boden befestigten Schnuren oder Ketten die Pflanzstellen auf der
Kulturfläche durch Einhiebe mit der Hacke oder durch Einstecken von Holzstäbchen
vorgezeichnet. Bei größeren Kulturflächen kann die Zuhilfenahme einfacher Instru-
mente zum Abstecken rechter Winkel (W'inkelspiegel, Kreuzscheibe, Winkelprisma)
angezeigt sein, um regelmäßige Kulturen fertig zu bringen. Peinliche Genauigkeit
ist aber auch hier Spielerei und kein Haupterfordernis guter Kulturen.
C. P f 1 a n z e n m e n g e und Pflanzweite.
Die zur Bepflanzung einer Fläche notwendige Pflanzenmenge hängt von der
Größe der Kulturfläche, von der ^'erbandsa^t, sowie von der Pflanzweite ab und ist
gleich dem Quotienten Fläche: Standraum der Einzelpflanze. Bei gegebener Kultur-
fläche F stellt sich die Pflanzenzahl Z bei Reihenpflanzung (Abstand der Reihen = a,
F
Pflanzenabstand in den Reihen = b) auf Z = — r-; bei Ouadratpflanzung (Pflanzen-
F
abstand = a) auf Z = — ^ ; bei Dreieckspflanzung (Pflanzenabstand = a) auf Z =
F F
„ ^„„ — 5 = —j. 1,155 und beim Fünfverband (Pflanzabstand = a), der nichts ande-
0.866. a2 a- ' ^ '
res darstellt als einen auf der Kulturfläche zweimal durchgeführten Ouadratverband,
F
Z = 2 ^. Bei gleicher Fläche und gleichem Verband bestimmt somit die Pflanz-
weite, d. h. der Pflanzen- bezw. Reihenabstand die Pflanzenzahl und damit die Be-
standsdichte. Ueber die zweckmäßigste Pflanzenweite hat von jeher ein lebhafter
Meinungsaustausch stattgefunden und noch heut ereifern sich die Gemüter, wenn die
,, Verbandsweite" auf der Tagesordnung von Forstvereinsverhandlungen steht. Schon
daraus, daß endlose Zeitschriften- und A'ereinsdebatten über die beste Pflanzweite
nicht ins Reine kommen konnten, geht mit Sicherheit hervor, daß es für die Pflanz-
weite keine allgemeine Regel gibt. Holzart, Alter und Stärke der Pflanzen, Standort,
Schutzbedürfnis des Bodens und schließlich auch der von den ökonomischen Verhält-
nissen einer Gegend oder eines Landes wesentlich abhängige wirtschaftliche Zweck
der zu begründenden Bestände bedingen hier engere und lassen dort weitere Pflanzung
zu. Auf guten und besten Böden \\ird in neuerer Zeit die weitständige Pflanzung
ihrer größeren Zuwachsleistungen halber mehr empfohlen als die engere. Letztere
ist aber auf armen, trockenen oder unkrautwüchsigen, kurz auf Böden, die eine schnel-
lere Deckung brauchen, in heißen, steileren Lagen, bei langsam wachsenden, kleinen
Pflanzen und ganz besonders bei solchen Holzarten durchaus richtig, die auf einen
größeren Standraum mit Sperrwüchsigkeit und Aestigkeit quittieren. .Je energischer
eine Holzart in die Aeste geht, sobald sie Raum hat, um so enger muß sie gepflanzt
werden, sofern Nutzholzerziehung der Zweck der Wirtschaft ist. Wächst die Holzart
auch im Freistande geradschaftig, so steht ihrer Auspflanzung im weiteren ^'erbande
nichts entgegen, wenn auf einen schnelleren Schluß der Kultur verzichtet und eine etwas
gesteigerte Aestigkeit mit in Kauf genommen wird. Fichte, Tanne und Lärche gestatten
weiteren \'erband und zeigen dann nach den Erfahrungen der zahlreichen Kultur-
versuchsflächen 1) gegenüber den engen Verbänden wesentliche Mehrleistungen in
1) Vergl. Kunze, Ueb. d. Einfluß der Anbaumethode auf d. Ertrag der Fichte. Th. Jhrb.
Bd. 39, 45, 52, 57. Der s., Ueb. d. Einfluß der Anbaumethode auf den Ertrag der gemeinen Kiefer.
136 ^''- L 0 r e y , Waldbau.
Höhen- und Massenzuwachs und naturgemäß auch erhebhch geringere Kulturkosten.
Kiefer hingegen und die Laubliölzer, unter letzteren namenUich Buche und Eiche,
erfordern engen Verband, wenn sonst sie zu tauglichen Schäften heranwachsen sol-
len. Der engere Verband hat weiterhin den für alle Holzarten geltenden Vorzug, daß
die Mehrheit der auf der Fläche stehenden Pflanzen dem Wirtschafter bei der spä-
teren Bestandspflege zwar größere Arbeit macht, ihn aber auch mehr in den Stand
setzt, nur hoffnungs- und zukunftsreiches Material zu pflegen. Auch der Holzmarkt
spricht bei der Frage der engen oder weiten Verbände mit, insofern die von industrie-
reichen Gegenden geforderte Erziehung schwacher Sortimente auf engere Pflanzung
hinweist, während unter Voraussetzung günstiger Standortsverhältnisse die weit-
ständige Pflanzung dort am Platze ist, wo die Rentabilität der Wirtschaft nur durch
Angebot starker Hölzer gehoben werden kann. Die durchschnitthch vorteilhaften
Pflanzweiten liegen zwischen 1 bis 1,5 m. Man kann sie mittlere Verbände nennen,
wenn man die Pflanzweiten unter 1 m als eng, die über 1,5 als weit bezeichnet.
§ 66. D. Pflanzverfahren. Man unterscheidet Loch- und Oben-
aufpflanzungen. Bei ersteren werden die Pflanzen in auf irgend eine Weise
angefertigte Löcher in den Boden, bei letzteren so in angeschüttete Erdhügel, umge-
stülpte Rasenplaggen usw. eingesetzt, daß sie mit ihren Wurzeln über dem gewach-
senen Boden stehen. Zur Verwendung kommen Ballen- oder ballenlose Pflanzen.
1. Pflanzung mit Ballenpflanzen: Dieselben Instrumente, die zum
Ausheben der Pflanzen benutzt werden (cfr. H, E dieses Teiles, § 63) dienen in der
Regel auch zum Anfertigen der Pflanzlöcher, welche in allen Fällen einen der Gestalt
und Größe des Wurzelballens möglichst entsprechenden Raum darstellen sollen, so
daß der Ballen, nach leichtem Druck mit der Hand, rings an der Lochwandung fest
anschließt. Die Ballen werden mindestens bis zu ihrer oberen Grenzfläche in den
Boden eingesenkt.
2. Pflanzung mit ballenlosen Pflanzen. a)Lochpflan-
Zungen: Nach der Art und Weise, wie die Pflanzlöcher hergestellt werden, unter-
scheidet man Hack- und Spalt- oder Klemrapflanzungen.
l. Gewöhnliche H a c k p f 1 a n z u n g. Anfertigung des Pflanzloches
mit Spaten oder Hacke nach Entfernung des Bodenüberzuges. Bindige und unkraut-
wüchsige Böden, sowie ältere Pflanzen erfordern größere Pflanzlöcher. Die gelockerte
Erde wird entweder im Pflanzloch gelassen oder ganz oder teilweise herausgenom-
men. Im letzteren Falle wird sie oftmals nach ihrer höheren oder tieferen Lage im
gewachsenen Boden als gut oder weniger gut sortiert. Bei trockenem Wetter ist Aus-
heben des Bodens nur dann zulässig, wenn sofort nach Anfertigen des Pflanzloches
gepflanzt wird. Die Pflanzen sollen in der Regel nach dem Einsetzen so tief im Boden
stehen, wie vor dem Ausheben i), also normal etwa bis zur Grenze von Wurzel und
Schaftteil. Sehr häufig findet man bei den Kulturarbeitern die Neigung, die Pflanzen
zu tief in den Boden zu setzen. Alle Wurzeln sind möglichst in ihre natürliche Lage
zu bringen und mit fruchtbarer Erde dicht zu umgeben. Ebenso sind Stauchung und
Aufwärtsbiegung der Wurzeln — sehr oft die Folge zu kleiner oder schlecht gelockerter
Löcher — möglichst zu vermeiden. Zur Erzielung natürlicher Wurzellagerung ist die
Pflanze in die Mitte, nicht an eine Seite des Pflanzloches zu setzen. Empfehlenswert
ist das vielfach geübte, durch v. Uiblagger (Forstwiss. Zbl. 1904, S. 463 ff.)
Th. Jhrb. IV. Suppl.-Bd., ferner Bd. 43, 48, 54, 59. — S i e f e r t u. B u r g e r , Die Kultur-
versuche auf d. Köcherhof im Forstbezirk Eltenheim, Karlsruhe 1905.
1) Ausnahme z. B. hier und da die Kiefer im Sand, welche daselbst zunächst etwas tiefer
eingesenkt wird, weil sich der lose Sand doch noch merklich setzt.
Die Bestandesbegründung. § 66. I37
beschriebene Verfahren, in dem 40 — 60 cm im Quadrat großen Pflanzloch einen Teil
des gelockerten Erdreiches zu einem Hügel zu formen, die Pflanze hierauf zu stellen,
ihre Wurzeln nach allen Seiten entlang der Hügelwand auszustreichen und durch
Hereinziehen der zunächst aus dem Loch herausgenommenen Erde die Pflanze fest
und so tief anzuhäufeln, \vie sie an ihrem bisherigen Standorte stand. In erster Linie
eignet sich dieses Verfahren für Holzarten mit flachstreichenden Wurzeln (Fichte);
Holzarten mit Pfahlwurzel bedürfen eher einer Vertiefung des Loches zur Aufnahme
der Pfahlwurzel. Auf sorgfältigsten Vollzug der Pflanzung, möghchst unter Verwen-
dung von Pflänzlingen mit unverstümmelten Wurzeln, ist streng zu halten; scharfe
Kontrolle ist erforderlich '). Bei der Pflanzung stärkerer Exemplare (Halbheister,
Heister) sind zwei Arbeiter notwendig, von denen der eine das Senkrechthalten der
Pflanze, der andere das Einfüllen der Erde besorgt, oder es empfiehlt sich hierbei,
sofern ein Arbeiter das Pflanzgeschäft besorgt, die Benutzung des R e b m a n n-
schen Pflanzen h alters, welcher die Pflanze an der gewünschten Stelle
und in erforderlicher Höhe festhält, so daß der Arbeiter beide Hände zum Umfüttern
der Wurzeln mit Erde frei hat.
Zu den Hackpflanzungen sind auch jene Pflanzmetlioden zu rechnen, bei denen die
Herstellung des Pflanzloches durch ein- oder mehrmaliges Einstoßen, Drehen und Wuchten
eines die Lockerung und iMischung des Bodens besorgenden Werkzeuges geschieht. Hierher
gehört die Pflanzung nach Biermans: Fertigen des Pflanzloches mit dem Spiralbohrer.
Einsetzen besonders (unter .\nwendung von Rasenasche) hierfür erzogener Pflänzlinge (2 bis
äjährig), ebenfalls unter \er\vendung von Rasenasche oder guter Kulturerde. Gut im Erfolg
auf mittelbindigem, nicht verwurzeltem und nicht steinigem Boden, aber nicht sehr rasch
arbeitend. Besondere Arbeiter, welche die Löcher fertigen, gehen hier, wie auch meist bei der
gewöhnlichen Pflanzung, mit dem Bohrer den Pflanzern voraus. Ferner gehört hierher die Pflan-
zung mit Hilfe des Spitzenberg sehen Wühlspatens. Lockerer, steinfreier und nicht
verwurzelter Boden vorausgesetzt, gewährleistet der Wühlspaten bei der vom Erfinder vor-
geschriebenen Handhabung eine ganz vorzügliche Zerkrümelung und Mischung des Erdreiches.
Als hierher gehörig mögen von den zahlreichen Lochpflanzungsverfahren noch genannt
sein die Kulturmethodo des Forstmeisters K o z e - n i k -), die den beiden Haupterfordernissen
einer guten Kulturausführung, guter Bodenlockerung und normaler Wurzellagerung, gebührend
Rechnung trägt; ferner das Kiefernkulturverfahren des Forstmeisters Splettstößer^),
wobei das Pflanzloch durch Einstoßen, mehrfaches Umdrehen und Herausheben eines auf-
klappbaren Zangenbohrers beliebig tief hergestellt wird, und die sog. Ueberwurfkultur von Forst-
meister Grob mann*), bei welcher die aus einem Pflanzloch mit dem Spaten ausgehobene
Erde in das leere bereits vorher angefertigte Loch geworfen wird. Der bessere Boden kommt
auf diese Weise nach unten, der Rohboden nach oben. Wenn diese Umlagerung auch nicht
immer zweckmäßig sein wird, so bürgt das Verfahren doch auf alle Fälle für eine dem An-
wachsen der Pflanzen günstige gute Bodenlockerung.
2. Spalt- oder Klemmpflanzungen. Die sehr zahlreichen hierher
gehörigen Pflanzverfahren haben das Gemeinsame an sich, daß sie durch Verringerung
der Bodenbearbeitung eine Beschleunigung des Kulturgeschäftes anstreben. Sie über-
treffen demzufolge die Hackpflanzungen in der Wohlfeilheit mehr oder weniger,
stehen ihr aber an Güte und Wert zum Teil bedeutend nach und kranken weiterhin
an dem Uebelstand, daß sie fast durchgängig auf lockere, steinfreie und wenig ver-
unkrautete Böden und auf Verwendung kleinerer Pflanzen angewiesen sind. In dem
Maße sie diese Beschränkungen außer acht lassen, sinkt ihre Berechtigung. Mit keil-
oder spatenförmigen, aus Holz, Eisen oder beiden Materialien hergestellten kurz-
1) Vergl. u. a. Reuß (Wiener Kongreß 1890: Ueber die nachteiligen Einflüsse naturwid-
riger Pflanzenmethoden etc., Allg. F.- u. J.-Z. 1891, 1), sowie K 0 z e- n i k: Zeitschr. f. d. ges.
Forstw. 1889, 477 und 1892, 105. — Spitzenberg, Ueber Mißgestaltungen des Wurzel-
systems der Kiefer und über Kulturmethoden. Deutsche Forst-Ztg. 1908, 494, 515 ff.
2) K o z 6 5 n i k. Die neue Pflanzmethode im Walde. 3. Aufl. Wien 1908.
3) Splettstößer, Einfluß unserer Kulturmethoden auf d. Absterben der Kiefer.
Ztschr. f. Forst- u. Jw. 1908, 689.
4) G r 0 h m a n n, Ueberwurfkultur im Vierverband. Bericht d. Sachs. Forstvereins 1897, 150.
138 VI. L o r e y , Waldbau.
oder langgestielten \A'erkzeugen werden in den durch Hacken. Rigolen oder Pflügen
platz- bezw. streifenweise mehr oder weniger gelockerten, bisweilen auch in den un-
gelockerten Boden keil- oder spaltförmige Löcher gestoßen und durch Hin- und Her-
rütteln des Instrumentes erweitert. Hierein \\ird die einzusetzende Pflanze gehalten.
Während des Einhaltens wird das Loch durch einmaliges oder wiederholtes seitliches
Einstechen des Lochstoßers und durch Andrücken der Erde gegen das Pflanzloch ge-
schlossen. Alle auf diesem Prinzip beruhenden Pflanzverfahren haben den auf bindigem
Boden in verstärktem Maße hervortretenden Nachteil an sich, daß die Wurzeln der
Pflanzen in unnatürlicher Weise zusammengepreßt und gequetscht werden, ein Uebel-
stand, der namentlich bei mangelhafter Ausführung des Pflanzgeschäftes allerhand
Wurzelmißbildungen und damit zusammenliängend späteres Kümmern und Lückig-
werden der Kulturen zur Folge haben kann. Lockere Böden und Verwendung 1- oder
2jähriger Pflanzen lassen diese Nachteile weniger herv^ortreten und sind deshalb, wie
schon hervorgehoben, Bedingung für die Zulässigkeit der Klemm- und Spaltpflan-
zungen.
Die Praxiä hat eine große Reilie von Lochstoßern erfunden, von denen genannt seien:
Setz- oder Pflanzliolz, Pflanzdolch, Spitzenbergs Pflanzholz mit Wühlspitze, Buttlar-Eisen,
Wartenbergs Stieleisen, Grünewalds Pflanzenstichel, v. Alemanns Pflanzspaten, Ptlanzbeil,
Pflanzlanze, Keilspaten, Spitzenbergs Spaltschneider. Verwendung haben diese Instrumente
hauptsächlich beim Auspflanzen von Kiefernjährlingen gefunden, denen oft, um sie besser
in das teilweis enge Pflanzloch hineinzubringen, die Wurzeln eingeschlämmt wurden. Diese
im Eintauchen der Wurzeln in Lehmbrühe bestehende Maßnahme empfiehlt sich nicht, da die
Möglichkeit zu Wurzelmißbildungen hierdurch nur noch gesteigert wird. Viel gebraucht wurden
bei der Kiefernjährlingspflanzung das Wartenbergsche Eisen, ein großes Stoßeisen mit Stiel
und Krücke, und das Buttlar-Eisen. Letzteres, ein spitzer Eisenkeil mit gebogenem Hand-
griff, wird geworfen, so daß es bis zum Griff senkrecht im Boden steckt. In das durch das Her-
ausziehen gebildete Loch kommt ein eigens erzogener Pflänzling (lange Wurzelstränge); durch
Beistechen mit dem Eisen wird die Erde an die Wurzeln gedrückt. Das Verfahren fördert sehr;
der nämliche .\rbeiter macht das Loch und setzt die Pflanze (Führung des Eisens mit der rechten,
der Pflanze mit der linken Hand).
Die Zahl der zu den Lochpflanzungen aller Art erfundenen Kulturinstrumente ist Legion,
teils sind es neue Erfindungen, teils nur Modifikationen bekannter älterer Werkzeuge. Uebung
ist Hauptsache, gute und zugleich rasche (billige) Arbeit Erfordernis. Unter Umständen weit-
gehende Arbeitsteilung nach den Einzelmanipulationen, wie Anfertigen der Pflanzlöcher,
Einlegen der Pflanzen, Andrücken derselben usw. Rasches Ineinandergreifen der einzelnen
Arbeiten ist zu bewirken, \erwendung von Frauen beim Pflanzen gestattet wohlfeilere und
vielfach auch sorgfältigere Arbeit. Zahl der insgesamt zu verwendenden Arbeitskräfte nicht
größer, als daß dieselben noch gut überwacht werden können. Tagelohn- und Akkordarbeiten
in Uebung; letztere zulässig, wenn für \'erfehlungen hohe Straten angesetzt sind. Besonders
ist darauf zu achten, daß die Pflänzlinge nicht vor dem Einsetzen mit freiliegenden Wurzeln
der Sonne und dem Wind ausgesetzt sind.
b) Obenaufpflanzungen. Die Pflanzen werden hierbei nicht in
Pflanzlöcher, sondern auf dem Boden gepflanzt und zwar zumeist in angeschüttete
Erdhügel (Hügelpflanzung) oder in umgeklappte Rasenplaggen (Plaggen-
oder Rasen hügelpflanzung), in einzelnen Fällen — auf besonders nassen,
nicht zu entwässernden Böden — auch auf erhöhte Erddämme, die durch Ausheben
zusammenhängender oder unterbrochener Gräben hergestellt worden sind (Rabat-
t e n p f 1 a n z u ng).
lAna gebräuchlichsten ist die Hügelpflanzung. Der Hügel wird entweder aus
der auf der Pflanzstelle gewonnenen Erde geformt (gewöhnliche Hügel-
pflanzung) oder wird — bisweilen schon im Herbst — mit guter, auf der Kultur-
fläche oder in deren Nähe gesammelter Kultur- (oder Kompost-)erde angeschüttet
und nach der Bepflanzung mit zwei halbmondförmigen, umgekehrten Rasenplaggen
gedeckt (v. Manteuffelsche^) Hügel pflanzung). Beim Manteuffel-
1) V. Man teuf fei, Die Hügelpflanzung der Laub- und iXadelhölzer. i. ;Aufl. Leip-
zig 1874.
Die Beslandcsbegründung. § 67. 139
sehen ^'erfahren („Manteuffelei") wird die Pflanze, nachdem der Hügel bis auf den
gewachsenen Boden auseinandergezogen worden ist, mit ausgebreiteten Wurzeln
direkt auf die Bodendecke aufgesetzt. Nach sorgfältiger Einbettung der Wurzeln
wird der Hügel wieder herangezogen, leicht angedrückt und gedeckt.
Zweck der Hügelpflanzung ist Sicherung des Kulturerfolges namentlich auf
feuchten und nassen Böden. Durch das Hochsetzen kommen die Pflanzen in solchen
Lagen aus dem meist vorhandenen Graswuchs und damit aus der Frostzone heraus ;
außerdem konanen ihnen die in der Hügelerde bezw. in den verwesenden Rasen-
plaggen enthaltenen Nährstoffe zugute. Aus letzterem Grunde wendet man Hügel
auch auf trockenen, aber armen Kiesböden, in abgebauten Brüchen, beim Zupflanzen
von Wegen usw. an. Meist hört in den letzteren Fällen aber das Wachstum der zu-
nächst gut gedeihenden Pflanzungen auf, sobald die Nährstoffe des Hügels aufge-
braucht sind. Da die Hügelpflanzung nicht billig ist. bleibt sie im allgemeinen auf
kleine Flächen beschränkt.
In besonderen Fällen wird die Pflanzung nicht mit bewurzelten, sondern un-
bewurzelten Pflanzen- bezw. Pflanzenteilen, mit Stecklingen, Setzstan-
gen und Ablegern vorgenommen. Mit Stecklingen (Setzreisern)
bezeichnet man 20 — 40 cm lange, beiderseits glatt abgeschnittene Teile ein- oder
2jähriger ^^'eidenruten. Bei der Anlage von ^^'eidenhegern, wo sie fast ausschließlich
Verwendung finden, werden sie in gelockerten Boden in Löcher eingebracht, die meist
mit dem Setzholz oder einem ähnlichen Instrument senkrecht vorgestochen werden,
und sind zur selbständigen Bewurzelung befähigt, sofern der Boden die nötige Frische
besitzt. (Vergl. Weidenniederwald, S. 82). — Auf der Fähigkeit selbständiger Wurzel-
bildung beruht auch die beim Kopfholzbetriebe bei Pappel und Baumweiden ge-
bräuchliche ^'erwendung von S e t z s t a n g e n. Man versteht darunter 2 — ^3 m
lange bis 5 cm starke, aus kräftigen Stockausschlägen herausgeschnittene Schaftteile,
die in vorgestochene, 30 — 50 cm tiefe Löcher senkrecht eingepflanzt werden. Des
unvermeidlichen Einfaulens des Stockes wegen empfiehlt sich jedoch die Verwendung
bewurzelter Stämrachen aus Baumschulen mehr als die Verwendung von Setzstangen.
Lückige Nieder- und Mittelwälder lassen sich gegebenen Falles durch Benutzung
von Ablegern oder Absenkern verdichten. Zu diesem Zwecke \\erden tief-
sitzende Aeste herabgezogen oder Stockloden umgelegt, nach Entfernung hinderlicher
Seitenäste dem Boden glatt angedrückt und 10 — 20 cm hoch mit Erde bedeckt und
vom Mutterstocke getrennt, sobald sie sich bewurzelt haben,
V. Schutz und Pflege der Pflanzkulturen.
§ 67. Beschränkt sich im allgemeinen auf die bei der Pflege der Saatkulturen
(vgl. S. 117) genannten Maßnahmen, d, h. auf die Bekämpfung des L^nki-autes, auf
das Offenhalten etwa vorhandener Entwässerungsgräben, Anhäufeln der Erde um
stärkere Heister, Sicherung der Pflanzen gegen Wildverbiß, gegen Mäuse und In-
sekten (Engerling, Rüsselkäfer usw,), worüber Näheres im Forstschutz, L'eber Düng-
ung zurückbleibender Pflanzungen s, unter ,, Bodenpflege", Abschn, l\.
140 ^'I- L o r e y , Waldbau.
Viertes Kapitel.
Betriebsarten und Bes tandesbe gr ü n dun g bei den einzelnen
Holzarten.
Vorbemerkung. Nur in kurzen Andeutungen sollen hier die Betriebsarten und die
in enger Verbindung damit stehenden wesentlichsten Verjüngungs- und Bestandsbegründungs-
arten zusammengestellt werden, welche man in der forstlichen Praxis bei den einzelnen Holz-
arten antrifft. Besondere standörlliche und wirtschaftliche Verhältnisse stellen jeweils spezielle
Aufgaben. Das Studium der nachgewiesenen Literatur in Verbindung mit der Beobachtung
im Walde muß die Kenntnis der Details vermitteln. Insbesondere ist von den eingangs auf-
geführten Werken hier auf Burckhardts Säen und Pflanzen, sowie auf die über die einzelnen
Holzarten vorhandene monographische Literatur wiederholt hinzuweisen.
I. Laubhölzer.
§ 68. 1. Buchei).
A. Betriebsart. Die Buche ist ausgesprochene Hochwald-Holzart. Er-
scheint sie auch häufig im Mittelwald, sowie da und dort im Niederwald, so kann doch
wegen ihrer verhältnismäßig geringen Reproduktionskraft keiner dieser beiden letzt-
genannten Betriebe auf sie als Hauptholzart gegründet sein. Als Oberholzbaum im
Mittelwald ist die Buche überdies zu dichtkronig.
Im Hochwald findet sich die Buche (Umtriebszeit gewöhnlich 100 — 120 Jahre,
Haubarkeitsdurchschnittszuwachs-auf mittlerem Standort 4 — 6 Fm. pro ha) meist
im Schirmschlag-, auch wohl im Femelschlagbetrieb, im reinen Bestand sowohl, als
in Mischbeständen. Reine oder annähernd reine Bestände, welche bis zu dem durch
die Konkurrenz der Steinkohle herbeigeführten Rückgang in der Wertschätzung des
Brennholzes vielfach Wirtschaftsziel waren, können dies heute nicht mehr sein, da,
selbst wenn sich für Buchennutzholz noch neue, umfänghche Verwendungsarten finden
oder bereits bekannte sich als ausdehnungsfähig erweisen sollten, doch tatsächlich
kaum ein besonders hohes Nutzholzprozent bei der Verwertung reiner Buchenbe-
stände von größerer Ausdehnung sich ergeben wird, weil eben jene Venvendungsarten
(Eisenbahnschwellen, gebogene Möbel, Holzpflaster usw.) doch nur einen im Vergleich
zur Gesamtmassenerzeugung im Buchenwalde nicht sehr erheblichen Bedarf bedingen.
In Gegenden, welche von den großen Kohlenlagern weiter entfernt sind, hat Buchen-
brennholz noch einen besseren Absatz. Jedenfalls bleibt der Buche unbestritten der
Vorzug eines trefflichen Einflusses auf den Boden, so daß einer irgend einseitigen
Verdrängung derselben entschieden widerraten werden muß ^), wenn auch gegen eine
wohl erwogene örtliche Einschränkung ihres Gebietes nichts eingewendet werden kann.
Sie bleibt Hauptholzart im gemischten Bestände, sei es als bestandesbildender Teil,
1) Vergl. G r e b e, Der Buchenhochwald 1856. — K n o r r, Studien über die Buchenwirt-
schaft 1863. — F r ö m b 1 i n g, Der Buchenhochwaldbelrieb 1908. — D e r s., Anleitung zur natürl.
Verjüngung des Buchenhochwaldes. Mündener f. Hefte. Hft. I, 153; H, 24; III. 1892/93. —
V. B e n t h e i m, Wie sind reine Buchenhochwaldungen zu bewirtschaften? 1890. — Kraft,
Zur natürlichen Verjüngung der Buche. Ztschr. f. Forst- u. Jw. 1892, 628. — Martin, Folge-
rungen der Bodenreinertragstheorie. Bd. L 1894. Die Buche. — Hufnag 1, Die Buchenfrage
in der österr. Forstwirtschaft. 1900. — Kutsch, Die Stellung des Buchenwaldes im deutschen
Nationalvermögen 1898. — Bericht, über die 25. Vers, deutscher Forstmänner 1897, 38; desgl.
1. Vers. d. deutschen Forstvereins 1900, 135. — Heck, Allg. Forst- u. J.-Ztg. 1897, 406; L o r e y,
das. 1897, 391; Endres das. 1898, 91. — S e 11 h e i m, Zur Buchenfrage. Mündener f. Hefte
13. 1898, 8. — Trebeljahr, das. 14. Hft. 1898, 73. — S c h u b e r g, Aus deutschen Forsten,
IL Die Rotbuche 1894. — Wimmenauer, Ertragstafeln f. d. Buchenhochwald in Ober-
hessen. Allg. Forst- u. J.-Ztg. 1893, S. 300. — S c h w a p p a c h, Die Rotbuche 1911. —
2) Namentlich sollte bei Umwandlung in Nadelholz, bes. Fichte, eine gewisse Vorsicht walten,
vergL S. 34.
Die Bestandesbegründung. § 68. 141
sei es als höchst schätzbares Unterholz im Unterbau- und Lichtungsbetrieb. Zum
Ueberlialtbetrieb ist die Buche wenig geeignet (breite Krone, stark beschattend, Rin-
denbrand etc.). Besondere Starkhölzer können, von höheren Umtrieben abgesehen,
im zvveihiebigen Hochwald oder im v. Seebachschen Betrieb erzogen werden.
B.Verjüngung. Sie erfolgt angesichts des Schutzbedürfnisses der jungen
Buche gegen Frost, Hitze und Unkraut vornehmlich auf natürlichem Wege, selten
durch Ausschlag bezw. Absenker, ausnahmsweise (und dann meist unter Schirm)
durch Saat oder Pflanzung.
1. Natürliche Verjüngung:
a) Durch Samen: Hauptsächlich im Schirmschlagbetrieb. Die in § 40 ge-
schilderten Hiebsführungen (Vorbereitungshieb, Samenschlag, Nachlichtungen) haben
insbesondere bei der Rotbuche Platz zu greifen, und zwar kommen sie je nach Umstän-
den mit allen daselbst angedeuteten Modifikationen bezüglich des Tempos, in welchem
vorgegangen wird, sowie des Grades der einzelnen Eingriffe in den Mutterbestand
vor. Wird die Verjüngung ohne länger andauernde allmähliche Vorbereitungshiebe
im wesentlichen durch eine entsprechend stärkere Durchlichtung zwecks unmittel-
barer Schlagbesamung eingeleitet, so spricht man von der ,, Verjüngung aus vollem
Ort". Eventuell Bodenverwundung bei Eintritt eines Mastjahres (Kurzhacken,
Rechen, Schweineeintrieb, Pflug, Egge, dänische Rollegge, Webers Waldgrubber),
namentlich auf schlechteren und von stärkeren Trockentorfschichten überlagerten
Partien. Wo der Erfolg zweifelhaft, wird am besten nicht lange zugewartet, sondern
zur Anpflanzung mit Nadelholz (Fichte, Douglasie, Lärche, Weymouthskiefer, Forche)
geschritten. Gefahr durch Frost und Hitze, sowie durch Forstunkräuter ist in erster
Linie für die Art der Nachlichtung entscheidend; langsameres Vorgehen bietet hier-
gegen im allg. mehr Schutz als rasches Nachhauen. Die Gewinnung eines Lichtungs-
zuwachses an den Mutterbäumen kommt bei der Buche zwar meist weniger als Wirt-
schaftsziel in Betracht, ist aber gerade bei dieser Holzart mehr als bei jeder anderen
leicht und beachtenswert. Die Buche reagiert, wie die Lichtmessungen C i e s 1 a r s
(Rolle des Lichtes im Walde 1904, S. 27, 103) und die Ertragsuntersuchungen
S c h w a p p a c h s (d. Rotbuche 1911) zeigen, auf Lichtstellung durch überraschende
Ausbreitung und Verdichtung der Krone und ganz erheblichen Massenzuwachs.
Genügend reichliche und regelmäßige Masten je nach dem Standort vom 70. bis 100.
Jahre ab (oft noch früher).
Galt noch im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts die gelungene Durchführung der natür-
lichen Samenverjüngung eines reinen Rotbuchenbestandes (nacti den G. Ludw. Hartigschen
Generalregeln: Vorbereitungsschlag, Samenschlag = Dunkelschlag, Auslichtungsschlag) als
vornehmste Aufgabe forstlicher Kunst, so ist die Wertschätzung solcher Leistung heute begreif-
licherweise (cfr. § 15, S. 33) nicht mehr die gleich hohe. Trotzdem spielt die natürliche Buchen-
verjüngung in der waldbaulichen Tätigl<eit noch eine Hauptrolle, namentlich in allen Fällen,
in welchen die Buche als Mischholzarl den Grundbestand zu bilden hat. Daß übrigens auch
der reine Buchenbestand örtlich noch sehr gewürdigt wird, beweisen die Erörterungen, welche
die dänische Buchenwirtschaft in den letzten Jahren erfahren hat, im Anschluß an die
Schilderung derselben durch Dr. Metzger {,,D änische Reisebilde r", Mündener
forstl. Hefte, 1896, IX. und X. Heft). Daraufhin, sowie nach den Verhandlungen verschiedener
Forstversammlungen (z. B. Stuttgart, 1897, cfr. S. 38 — Pommerscher Forstverein, 1900 —
Wiesbadener \'ersammlung, 1900) ist auch die Verjüngung der Buche lebhaft besprochen ')
und namentlich auch in der Richtung diskutiert worden, ob die im dänischen Buchenwalde
angeordneten Maßregeln auf Deutschland zu übertragen sein möchten. .\uch die reiche VoU-
1) Vergl. u. a. Urich, Dänische und deutsche Buchenhochwaldwirtschaft 1897. — Fürst,
Forstwiss. Zbl. 1897, 241. — v. F i s c h b a c h, Mündener forstl. Hefte 12. Hft., 42. — T h a 1 e r,
Allg. F.- u. J.-Z. 1898, 113. — M e t z g e r, A. F.- u. J.-Z. 1898, 346. — E u 1 e f e 1 d. Aus dem
Walde 1898, 4, sowie Forstw. Zentralbl 1898, 131 und A. F.- u. J.-Z. 1898, 188. — Metzger,
Vortrag f. d. Versammlung zu Schwerin 1899. — S p e i d e 1, .A. F.- u. J.-Z. 1899, 261. — G r a s e r,
Forstw. Zentralblalt 1899, 121. — Hauch, \. F.- u. J.-Z. 1900, 225.
142 ^'I- L o r e y , Waldbau.
mast des Jahres 1888 hatte bereits zu vielfachen Aeußerungen über deren zweckmäßigste
Ausnutzung Anlaß gegeben.
Die dänische Wirtschaft bedient sich grundsätzlich einer intensiven Bodenbearbeitung
(event. Anwendung der Rollegge — cfr. Metzger, Allg. F.- u. J.-Z. 1900, 2 79), sodann vielfach
der Blockpflanzung unter schwachem Schirmstand, d. h. der Pflanzung von Ijähr. Buchen
in Reihen und zwar durch Einsetzen von Ballen bezw. Plaggen, mit je mehreren Pflänzlingen
aus engem Stand im Saatbeet entnommen. Besonders charakteristisch ist dann eine intensive
Bestandspflege, welche — unter Erhaltung des Zwischen- und Unterstandes so lange, bis die
Schaftreinigung besorgt ist — schon frühzeitig auf besonders gute Entwickelung einer beschränkten
Zahl späterer Haubarkeitsstämme abzielt (darüber später unter „Bestandeserziehung'). Rasche
Schlagräumung.
In der Regel kann man eine natürliche Buchenverjüngung in 20 Jahren .gut durchführen.
Günstige Verhältnisse gestatten die volle Schlagräumung schon nach 12 — 15 Jahren; Aus-
dehnung des Nerjüngungszeitraumes auf mehr als 20 Jahre nur in .Ausnahmefällen erforderlich.
Auch im Buchen- Verjüngungsschlage findet sich, wenn auch nicht so regelmäßig wie
bei der Tanne, so doch nicht selten von früheren (als dem planmäßig zu benützenden) Mast-
jahren her Aufschlag auf der ganzen Fläche oder als Vorwuchsgruppen und -Horste vor, welche
jedoch im Schirmschlagbetrieb im allgemeinen nicht besonders gepflegt werden. Dies schließt
jedoch nicht aus, daß man ihn, soweit entwickelungsfähig, bei der Verjüngung mitbenutzt.
Sperrwüchse sind nicht zu dulden. Das radikale \'orgehen der dänischen \erjüngungsmethode,
die selbst einen recht guten Aufschlag entfernt, um eine durchaus gleichmäßige %'erjüngung
möglichst mit einer Mast zustande zu bringen, erscheint nicht mit Unrecht manchem deutschen
Buchenzüchter als zu weitgehend.
b) Durch Ausschlag: Im Mittehvald, soweit die Buche im Unterholz ver-
treten sein soll ; bekanntlich gibt sie nicht andauernd reichliche Ausschläge, so daß
sie sich hier wenig eignet.
c) Durch Absenker^): Ausnahmsweise in besonders kritischen Lagen (steile,
sonnige Einhänge).
2. Künstlicher Anbau :
Kommt zur \'erjüngung bereits vorhandener Buchenbestände ausnahmsweise
dann in Frage, wenn man aus irgend welchen Gründen das Eintreten einer Mast
überhaupt nicht abwarten oder es nicht auf den Erfolg einer nächsten Mast ankom-
men lassen will, nachdem bereits eine oder mehrere Besamungen fehlgeschlagen sind.
Außerdem bei Bestandesumwandlungen, sowie in Gestalt des Unterbaues.
a) Saat: kommt als Vollsaat. Riefensaat und Plätzesaat vor (letztere beiden
häufiger). \'oraufgehende Bodenverwundung ist auch bei der ^'ollsaat meist wün-
schenswert. Auf Kahlflächen möghchst zu vermeiden, da der Erfolg infolge der
Frostempfindlichkeit der jungen Buche hier meist sehr unsicher. Eher ist der Anbau
von Buchen durch Saat bei Zuhilfenahme von Getreidebeisaat oder — noch besser,
aber nicht rentabel — nach Schaffung eines Schutzbestandes von Kiefer oder Lärche
möglich. Des späteren Auflaufens wegen ist Frühjahrssaat auf freier Fläche der Herbst-
saat vorzuziehen, bedingt allerdings gute L'eberwinterung der Buchein.
b) Pflanzung: meist 2 — 3jährige Pflanzen (manchmal auch Jährlinge),
welche (besonders 2jährige) zweckmäßig mit dem Beil oder der Hacke gepflanzt
werden; auch wohl geringe Ballenpflanzen mit dem Hohlbohrer oder Plaggen-
pflanzung, wie in Dänemark (cfr. oben). Keimlingspflanzung ist in Elsaß in grö-
ßerem Umfange ausgeführt worden (Vers, zu Schirmeck 1890). Anwendung stärkerer
Pflanzen (bis Halbheister) für Nachbesserung, hier und da auch beim Unterbau
ganzer Schläge, doch stets teuer und weniger sicher, freilich an manchen Orten
(Heidelbeerüberzug etc.) nicht zu vermeiden. Einzelpflanzung ist Regel; auf
trockenem, flachem und steinigem Boden hier und da Büschel. Nach der Voll-
mast des Jahres 1888 hat man da und dort Ballenpflanzung (mit je etwa 20
Keimpflanzen in 1 Ballen, zumal zur Nachbesserung ungenügend besamter Steil-
1) Vergl. u. a. v. F i sc h b a c h im Forstw. Zentralblatt von 1887, S. 137 ff.
Die Bestandesbegründung. § 6S. 143
hänge angewendet) ^). Pflanzmaterial vielfach aus Schlägen, oft Anzucht auf be-
sonderen Beeten unter Nadelholzschutzbestand, sowie im Forstgarten. Beim Anbau
von Kahlflächen ist Pflanzung im allgemeinen erfolgreicher als Saat, besonders dann,
wenn durch Beimischung einer raschwüchsigen Schutzholzart für Schutz gegen at-
mosphärische Einflüsse gesorgt wird. Dringend notwendig aber ist enger Verband,
da sich die Buche sonst sperrwüchsig entwickelt.
2. Eiche-):
Je mehr allgemein die Ueberzeiigung platzgreift, daß umfängliche Nachzucht der Eiciie
— jedoch nur auf wirklich guten Eichenböden, denen es, im \'erein mit den erforderlichen
klimatischen Bedingungen, nicht an mineralisclier Kraft, entsprechender Gründigkeit und
Frische mangelt — auch im Hinblick auf Rentabilität angezeigt ist, um so lebhafter wird die
zweckmäßigste Art ihres Anbaues, bezw. ihrer Wiederverjüngung besprochen, auf Versamndungen
sowohl, wie in der Literatur. Die Unterscheidung von Stiel- und Traubeneiche wird dabei
mit Recht von vielen Seiten gefordert. .\ach N e y, ,,Die Ausnützung der diesjährigen Eichel-
und Buchelmast" soll auf ständig mindestens feuchten Orten die Stieleiche, auf frischen Böden
der I. und II. Bonität die Stiel- und Traubeneiche, auf allen übrigen Eichenstandorten nur die
Traubeneiche ^■erwendung finden (Aus d. Walde, 1900, 25). Der .\nbau im reinen und im gemisch-
ten BeStande, namentlich die Mischung der Eiche mit der Buche, werden oft gleichzeitig erörtert
und können auch kaum ganz scharf getrennt gehalten werden, da die Grenze zwischen dem reinen
und gemischten Bestände (cfr. § 11, e) nicht unzweideutig gegeben ist, und namentlich beim
.\nbau der Eiche deren Einbringung in den Buchengrundbestand entsprechend der jeweiligen
Bodenbeschaffenheit oft (Spessart, Pfalz) in derart großen Horsten erfolgt, daß nicht mehr
ein gemischter Bestand, sondern eine .\uflösung des Bestandes auf der .\bteilungsfläche in eine
Mehrzahl einzelner reiner Bestände vorliegt.
A. Betriebsart. Die Eiche ist die einzige Holzart, die alle mögUchen Be-
triebsarten nicht nur zuläßt, sondern auch in allen mit Erfolg und in wirtschaftlich
beachtenswertem Umfange behandelt wird; sie ist Holzart des Hoch-, Mittel- und
Niederwaldbetriebes.
a) Im H o c h w a 1 d e tritt sie sowohl rein wie in Mischung auf. Reine Bestände
sind nur auf den allerbesten Böden angezeigt. Auf der großen Menge der mittleren
Böden ist die Erziehung der Eiche in Mischung mit bodenschützenden Holzarten,
am besten mit Buche, die einzig richtige Erziehungsform, und allen schlechten Böden
soll man mit der Eiche überhaupt fern bleiben. Die Ausnützung des anhaltenden
Wertzuwachses bedingt möglichste Steigerung der Stärkezunahme durch hinreichende
Umlichtung, mithin Lichtungsbetrieb mit Unterbau, und hohe Umtriebe (140 bis
160 Jahre). Auch Ueberhalt in einen folgenden Umtrieb wird zur Erzielung besonders
starker Stämme gewählt; doch ist dabei mit Vorsicht zu verfahren, damit nicht plötz-
liche Freistellung einen Rückgang des ^^■achstums bei den Oberständern (Wasser-
reiser, Zopftrocknis, zu starke Kronenausbreitung etc.) bewirkt. Gruppenweiser
Ueberhalt mit Bodenschutzholz in der Gruppe verdient Beachtung.
b) Mittelwald: Die Mittelwaldeiche (Stieleiche) liefert auf kräftigem
frischem Boden (besonders in den Auwaldungen der Flußniederungen) oft hervorragend
wertvolle Sortimente, weshalb die Bestandespflege auch hier der Eiche besondere
Sorgfalt zuwenden sollte. Die Rentabilität eines Mittelwaldes ist meist ganz wesent-
lich durch die Zahl der vorhandenen Eichenoberständer bedingt.
1) M o o s m a y e r. Aus dem Walde 1891, 8.
2) Vergl. von Jlanteuffel, Die Eiche, deren .\nzucht, Pflege und Abnutzung, 2. Aufl.
187-1. — Martin, Folgerungen der Bodenreinertragstheorie, 4. Bd. 1898, Die Eiche im Hoch-
waldbetriebe. — Carl, Eichenstarkholzzucht im Hochwaldbetriebe. Allg. F.-u. J.-Z. 1895, S. 1 ff.
— Schöttle, Leber die Renlabilität der Eichenstarkholzzucht, das. 1898, 253. — Staube-
sand, das. 1899, 41; 1901, 230; Ztschr. f. Forst- u. Jw. 1907, 567. — Arndt, .\us der Praxis
der Eichenverjüngung. Ztschr. f. Forst- u. Jw. 1899, 641. — W i m m e n a u e r, Ertragsunter-
suchungen im Eichenhochwald. .Mlg. F.- u. J.-Z. 1900, 2. — Der s., Erfahrungen im Lichtwuchs-
betrieb zum Zwecke der Starkholzzucht. Silva 1911, .Nr. 24. ^ S c h w a p p a c h, Untersuchungen
über die Zuwachsleistnnt.'i'n von Eichenhoehwaldbo-tänden in Preußen. .Neudamm 1905.
]^44 ^ I- L 0 r e y , Waldbau.
c) Niederwald, insbesondere E i c h e n s c h ä 1 w a 1 d, vgl. das oben
(S. 80) hierüber Gesagte.
B. Verjüngung.
1. Natürliche Verjüngung
a) Durch Samen: Im Hochwald durch Benutzung des unter einzelnen Alt-
stämmen oder in Gruppen und Horsten von solchen sich ansiedelnden Nachwuchses,
sowie durch planmäßige Herbeiführung einer Naturbesamung. Diese geschieht am
besten nach den Regeln des Plenterschlagbetriebes, besonders dann, wenn es sich um
Verjüngung von Mischbeständen handelt. Die horstweise Verjüngung gestattet am
ehesten, der Eiche den ihr meist notwendigen Altersvorsprung vor der mitwachsenden
Schattenholzart zu geben. Die von selbst sich einstellende Auslichtung der mann-
baren Eichenbestände macht eine auf den Bestand sich erstreckende Vorbereitung
im allgemeinen nicht nötig, wohl aber kann Vorbereitung des Bodens durch Bearbei-
tung angezeigt sein. Eine lichte Unkrautdecke des Bodens ist der Ansamung nicht
hinderlich, eher förderlich. Schwache Masten und zu lockerer Stand der Mutterbäume
bedingen Nachsaat aus der Hand. Bei dichterer Samenschlagstellung baldige Licht-
schläge nach erfolgter Ansamung.
b) Durch Ausschlag: Im Niederwald und Mittelwald durch Stockloden;
femer auch wolil durch Schattloden an Schneitelbäumen.
2. Künstliche Bestandesgründung.
Sie bildet im Hochwald immerhin die Regel, weil selbst da, wo in einem zu
verjüngenden Altbestande Eichen in der gewünschten Menge und Verteilung bereits
vorhanden sind, die Nachzucht ausschließlich durch Samenabfall oft nicht genügend
sicher erscheint (Lichtbedürfnis der jungen Pflanzen, obwohl vielfach überschätzt ^),
Abgang durch Mäuse, Vögel, Wild etc.). Die Saat wird an manchen Orten schon seit
längerer Zeit, neuerdings allgemeiner, vor der Pflanzung bevorzugt. Warum sollte,
wenn nur das Verzehren der Eicheln durch Tiere oder etwa Verstocken derselben im
Boden und demnächst Schädigung der Pflanzen durch Unkraut hintangehalten werden
können, die junge Pflanze nicht an dem Orte keimen, an welchem sie im Bestand
stehen soll? Man spart die Pflanzkosten, außer den Kosten der Pflanzenerziehung,
und vermeidet die immerhin mißliche Behandlung der in der Jugend schon kräftig
entwickelten Pfahlwurzel.
a) Saat: als Vollsaat (Punktsaat unter Anwendung verschiedener Eichel-
stecker, des Eichelhammers, der Hacke, der Pookschen Doppelhacke etc.), sowie als
Riefen- und Plätzesaat. Dichten Saaten wird im allgemeinen der Vorzug gegeben,
damit der Neigung der Eiche, zumal der Stieleiche, sich frühzeitig breit in die Aeste
auszulegen, durch engen Stand der Pflanzen, sodann auch dem Unkraut entgegen-
gearbeitet wird. Die Saat erfolgt keineswegs immer auf der Freifläche, vielmehr wird
1) Vergl. G e p p e r t, Erfahrungen über die Verjüngung der Eichenbestände (Zeitschrift
für Forst- und Jagdwesen v. 1887 S. 153 ff.). Daselbst wird vom ostpreuß. Revier Flatow berichtet,
daß künstliche Beslandesgründung nach Kahlhieb nicht gelinge, während sich die Eiche unter
dichtem Birkenvorwuchs in erfreulicher Menge natürlich ansame und lange wuchskräftig erhalte,
wie dies ebenso in Kiefernstangenorten in solchem Umfange der Fall sei, daß deren Umwandlung
in Eichenstände dadurch möglich werde. — Einschleppen von Eicheln in N'adelholzbestände
durch Nußhäher: die daraus entstehenden jungen Eichen sind oft überaus zählebig, bilden meist
zunächst ein kräftiges Wurzelsystem aus und sind infolgedessen nach der Freistellung nicht selten
vollkommen entwickelungsfähig. Vergl. auch Dr. Ed. H e y e r, Beitrag zum reinen und gemischten
Eichenniederwald und -Hochwald etc. (Allg. F.- u. J.-Z. v. 1884, S. 207 u. 229). — \'ieltach sehr
gute nat. Verj. durch Samen auf Schieferböden der Rhein- und Moselgegend. — Gelegentlich
der Versammlung deutscher Forstmänner zu Würzburg (1895) hat sich Fürst mehr gegen,
K i e n i t z mehr für die natürl. Verjüngung der Eiche ausgesprochen. Die für letztere erforder-
liche Bodengare sollte allmählich herbeigeführt werden.
Die BestandesbegrQndungf. § 68. 145
da und dort (cfr. z. B. Kraft, A. F.- u. J.-Z. 1891, 361. — Hauch, A. F.- u. J.-Z. 1900,
2"25. — Hils-Sollingverein 1900) der Ansaat unter lichtem Schutzbestande, zumal im
Hinblick auf Frost und Unkräuter, der Vorzug gegeben. Als Spezialfall der Rillensaat
kann die z. B. im Spessart manchmal (Roiirbrunn) angewendete Leitersaat gelten,
bei welcher auf 40 cm breiten Streifen die Eicheln (7 — 8 Hektol. pro ha) in Quer-
rillen eingelegt werden.
b) Pflanzung: meist mit Forstgartenpflanzen und zwar sowohl mit 2jäh-
rigen Saatbeetpflanzen als auch (in der Regel) 3- bis mehrjährigen verschulten Pflänz-
lingen (bis zum Starkheister zur Nachbesserung in Mittelwaldungen, Auspflanzung
im Wildpark etc.); event. ^'erschulung der 1 — 2jährigen Pflanzen. i\leist Pflanzung
mit ballenlosen Pflänzlingen. Pfahlwurzel bei der Kultur oft hinderlich, dann event.
Einstutzen derselben (siehe § 63). Anwendung von Stummelpflanzen (abwerfen nahe
über dem Wurzelknoten) kann sich bei der Eiche unter Umständen empfehlen : sicheres
Anschlagen, kräftige Triebe (doch nicht selten anfänglich mehrere gleichwertig).
Anzucht guter Heister, nicht selten durch mehrfaches Verschulen, Beschneiden etc. ^).
Heisterpflanzung ist im Erfolg oft recht zweifelhaft und hat stets nur als Ausnahme
zu gelten, auch wegen der großen Kosten der Pflanzenerziehung und des Pflanzge-
schäftes, wobei namentlich das Anfertigen entsprechend großer Pflanzlöcher, event.
Formieren von Hügeln (auf feuchtem Boden) sehr ins Gewicht fällt.
Pflanzung von ■2jähr. Pflänzlingen in gut gelockerte Riefen fördert rasch und ist dem-
gemäß billig, auch genügend sicher, wird aber (siehe oben) durch Saat vielfach ersetzt. Emp-
fohlen wird jene Pflanzung z. B. von Mortzfeld (Zeitschr. f. F. u. J. 1896, 2) auf seinen
kleinen (ca. 10 Ar großen) Löchern im Buchengrundbestand. Das von manchen Wirtschaftern
(cfr. z. B. Reiß, .\. F.- u. J.-Z. 1896, 309) unternommene Einbringen der Eiche auf kahl
gehauene Kulissen ist meist zugunsten des horstweisen .\nbaues oder der Einzelmischung
wieder aufgegeben worden. Verwilderung der Eichen an den Kulissenrändern, sowie örtlich
massenhaftes Auftreten der Maikäfer wurden dabei besonders beklagt. Je nach Umständen
streifenweises Einbringen der Eichen auf Pflugfurchen.
c) Spezialfall des W a 1 d f e 1 d b a u e s , wobei die Eiche (mittelst Saat oder
Pflanzung) auf gerodetem Lande nach Kahlabtrieb nachgezogen wird.
In Frostlagen bedarf die Eiche vielfach des Schutzes (mindestens seitlich) durch
eine frostharte Holzart (Kiefer, Birke, etc.), welcher durch lichten Vorbau oder
Zwischenbau zu gewähren ist. — Wiederholt sei betont, daß nur frische, kräftige Böden
dauernd der Eichenzucht gewidmet werden sollten. Man darf die Eiche, so schätzbar
sie als Nutzholzart ist, doch einem zu geringen Standort nicht aufzwingen wollen;
sonst sind wirtschaftliche Verluste unvermeidlich !
3. Hornbaum (Hainbuche).
A. Betriebsart: Zumeist Holzart des Hoch- und Mittelwaldes, weiterhin
Bestandteil des Nieder(Busch-)waldes. Im Hochwald meist nicht rein, sondern Misch-
holz in Laubholz-, weniger in Nadelholzorten. Im Mittelwald brauchbares, gut aus-
schlagfähiges Unterholz: auch im Oberstand (jedoch nicht zu reichlich) zuzulassen.
Gelegentlich auch Kopfholzbaum auf Viehweiden.
B. ^'erjüngung. Natürliche Verjüngung infolge von früh-
zeitigem, öfterem und reichlichem Samentragen ohne Schwierigkeit, ebenso \ erjüngung
durch Stockausschlag infolge großer Ausschlagfähigkeit leicht. Künstlicher
Anbau nur in besonderen Fällen, namentlich dann, wenn es sich um Schaffung von
1) Vergl. Schwappach, Zur Frage der Erziehung von Eichenheistern (Zeitschr. f.
Forst- u. Jw. 1887, S. 2 ff.). Nach den daselbst mitgeteilten \'ersuchen der Hauptstation für
Versuchswesen in Preußen hat 2malige Verschulung (zwischen dem ersten und zweiten Um-
setzen nur 2 Jahre) mit möglichst wenig Eingriffen in den natürlichen Entwickelungsgang die
besten Ergebnisse geliefert, sowohl in .\bsicht auf das Pflanzenmaterial als auf die Kosten.
Handb. d. Forstwiss. a. Aufl. II. 10
146 '^'I- L 0 r e y , Waldbau.
Unterholz, z. B. in Eichen- oder Kiefernbeständen handelt. Schattenerträgnis und
Frosthärte machen den Hornbaum insbesondere für Unterbauzwecke in feuchteren,
kälteren Lagen, wo die Buche gefährdet ist, geeignet. Dann entweder Saat oder besser
Pflanzung mit 2 — 3jähr. Schlag- oder Saatschulpflanzen. Bei Erziehung von solchen
im Saatbeet ist Ueberliegen des Samens zu beachten. Um gleichmäßiges Auflaufen
der Saat lierbeizuführen, ist der Samen erst nach Ijährigem Einschlagen in flachen
Gräben auszusäen.
4. Esche.
A.Betriebsart. Im Hochwald und als Oberholz im Mittelwald, in beiden
Fällen sehr geschätzt als Nutzholz; auch wohl Schneitelbaum zur Futterlaubgewin-
nung (Alpen). Im Hochwald meist nicht oder nur auf kleinen Flächen in reinen Be-
ständen ; gewöhnlich einzeln oder gruppen- und truppweise eingemischt in Laubholz-
(Buchen-, Erlen-) Bestände.
B.Verjüngung. Natürliche Verjüngung auf kräftigem, fri-
schem Boden unschwer. Eschenanflug stellt sich hier auch unter dichtem Kronendach
nicht selten äußerst reichlich ein, muß aber infolge wachsenden Lichtbedürfnisses
vom 10. — 20. Jahre an licht gestellt werden. Vorwiegend künstlich erAnbau,
ausnahmsweise durch Saat, gewöhnhch durch die infolge reichhcher Bewurzelung
sehr sichere Pflanzung, zu welcher ballenlose, vorzugsweise verschulte Pflänzlinge
(1 — Sjährig verschult, meist 2jähriges Belassen im Ptlanzbeet), seltener Schlagpflan-
zen benutzt werden. Zur Ergänzung des Oberholzes im Mittelwald, soweit daselbst
nicht Stockausschläge benutzt werden, ferner zum Einsprengen in bereits herange-
wachsene Buchenhegen oder auf sehr unkrautreiche Orte oft stärkere Pflanzen (event.
nochmals verschulte Heister). Im Saatkamp Behandlung des Eschensamens infolge
Ueberliegens wie bei Hornbaum. Zeitige Aussaat des eingeschlagenen Samens im
Frühjahr nötig, weil er zeitig keimt. Schutz der aufgelaufenen Saat gegen Frost sehr
notwendig. Verschulung bisweilen schon mit Keimlingen (Krautpflanzen) nach Er-
scheinen des ersten Blattpaares mit Erfolg vorgenommen. Im Heisterbeete Zwiesel-
bildungen durch Entfernung des schwächeren Triebes korrigieren bezw. durch Aus-
brechen einer Seitenknospe bei beschädigter (erfrorener) Gipfelknospe vorbeugen.
5. A h o r n.
A. B e t r i e b s a r t: Spitz- und Bergahorn sind Holzarten des Hoch- und JMit-
telwaldes, Feldahorn hauptsächlich Holzart des Auen-Niederwaldes. Die ersteren
im Hochwald selten rein, meist Mischhölzer in Laubholz-, namentlich Buchenbe-
ständen.
B. V e r j ü n g u n g. Im allgemeinen wie bei Esche. Natürliche \'er-
jüngung ohne Schwierigkeit, da Samenjahre oft und reichlich. Auf minder frischerii
und ärmerem Boden baldige Nachlichtungen voni .Jung^vuchs gefordert. Kunst-
1 i c h e Verjüngung durch Saat, häufiger durch Pflanzung mit 2jährigen und älteren
Loden oder Heistern Regel. Platz- und streifenweise Saat hin und wieder in Buchen-
schlägen zur Zeit der Samenschlagstellung oder schon einige Zeit vorher im Stadium
des Vorbereitungshiebes. Im Auslichtungsstadium der Buchenverjüngungen Aus-
füllung von Lücken durch Loden- oder Heisterpflanzung, ebenso Pflanzung im Mittel-
wald.
6. U 1 m e.
A. Betriebsart: wie bei Ahorn; Mischholz in Buchenbeständen (Berg-
ulme), Oberholz im Mittelwald (Feldulme). Hier und im Niederwald auch kräftiges
Ausschlagholz.
B.Verjüngung. Natürliche Verjüngung infolge Empfindlichkeit des
Die Bestandesbegründung. § 68. 147
Keimlings gegen Graswuchs seilen, meist künstlich durch Pflanzung mit ver-
schieden starken Forstgartenpflanzen (je nach den Umständen von der Ijährigen Lode
bis zum Starkheister). Aussaat des Samens im Saatbeet im Sommer. Samen verträgt
nur ganz schwache Deckung durch Uebersieben oder Vermengen mit oberster Erd-
schicht.
7. Erle.
A. Betriebsart: im Hochwald auf nassen Böden, dann oft rein, sonst
Mischholz mit Esche, Ulme, Pappelarten; ferner im Niederwald (Erlen-Brücher in
Niederungen, hier meist Schwarzerle in 30 — 40jälir. Umtrieb; im Gebirge zur Auf-
forstung hängiger Partien, in Thüringen zur Aufforstung verödeter Muschelkalk-
hänge Weißerle); vereinzelt im Mittelwald.
B. V e r j ü n g u n g. Im Hochwald natürliche Verjüngung durch Samen
wegen Gras- und Unkrautwuchs des Standortes meist ausgeschlossen, hier voi-wiegend
Kunst Verjüngung durch Pflanzung mit 3 — 5jährigen verschulten Pflanzen. Auch
bei Anlage von Ausschlag^valdungen ist Pflanzung in vielen Fällen nicht zu umgehen
(vgl. S. 82), event. Verwendung von Stummelpflanzen. Auch bei der Aufforstung
von Wildbachgebieten mit der bodenbessernden und -bindenden Weißerle ist Pflan-
zung mit 2- und 3jähr. Pflanzen, hin und wieder auch unter erfolgreicher Verwen-
dung von gestummelten Pflanzen Regel. Weißerle hat sich als Vorbauholzart bei der
Aufforstung verödeter Böden, auch als Unterbauholzart in verlichteten, verhagerten
Beständen als sehr brauchbar erwiesen.
8. Linde: Hoch- und Mittelwald. Im deutschen Walde, obwohl wegen ihrer
Nutzholzciuahtät für manche technisclie Zwecke sehr beachtenswert, doch nicht häufig
Gegenstand ausgedehnteren Anbaues, dann fast durchgängig Pflanzung, obwohl Na-
turverjüngung durch Samen infolge beträchtlichen Schadenerträgnisses erfolgreich.
Brauchbares Ausschlagholz im Mittel- und Niederwald.
9. Birke.
A. B e t r i e b s a r t: Hochwald- und Mittelwaldholzart, auch im Ausschlag-
walde. Reine Bestände im Hochwalde waldbaulich unzulässig, da schnelle Boden-
vermagerung eintritt. In den nördlichen Ländern, wo reine Bestände häufiger vor-
kommen, ist Rückgang der Bodenkraft weniger auffäUig als bei uns. Im heimischen
Waldgebiet ist Birke nur als Mischliolzart imd dann noch mit Vorsicht zu verwenden.
Gruppenweises Vorkommen führt leicht zu frühzeitiger Bestandesdurchlichtung, des-
halb ist Beschränkung auf Einzelmischung angezeigt. In Nadelholzbeständen macht
sich Birke vielfach durch Peitschen und Bereiben der Nadelholztriebe unangenehm
bemerkbar und führt infolge frühzeitiger Hiebsreife zu störender Lückenbildung.
Die Birke ist in den meisten Waldgebieten Deutschlands nicht eigentlich mitbestim-
mend für den Betrieb, sondern nur von sekundärer Bedeutung. Besondere Bedeutung
hat sie auf ärmerem Sandboden, wo sie namentlich zur Einfassung der Wege und
Schneisen, sowie zur Bildung von Feuermänteln am Platze ist.
B. A'erjüngung. Kleist reichlicher Anflug, sobald nur einige Samenbäume vor-
handen; auch Stockausschläge. Künstlicher Anbau durch Saat (z. B. Vollsaat zur Er-
ziehung eines Schutzbestandes ; Behandlung des Bodens nach der Saat mit der Strauch-
egge) oder durch Pflanzung (meist Schlagpflanzen) am besten zeitig im Frühjahr.
Hier mag besonders darauf hingewiesen werden, daß die beiden Birkenarten,
Betula verrucosa und B. pubescens, in ihrem waldbaulichen Verhalten sehr verschie-
den sind. B. pubescens ist dichter in der Krone, viel mehr eine Holzart feuchter
Böden, findet sich z. B. in reinen Beständen auf der Grenze der Brücher (Versuchs-
flächen in Ostpreußen), mit Erträgen bis zu 300 Fm. im 70. Jahre.
10*
J48 ^ '• Lorey, Waldbau.
10. Robinie. Waldbaulich meist nur als Ausschlagholz von Belang, an Bö-
schungen zur Befestigung, doch auch auf herabgekommenen Böden als eigentlicher
Bestand, z. B. in Mischung (horstweise) mit der Edelkastanie i) usw. (vgl. S. 81).
Das Holz wird als Grubenholz versvandt. Auch als Stickstoffsammler ist die Robinie
zu empfelüen, daher für Zwisclienbau zur Bodenverbesserung vorzüglich geeignet.
Die Massen- und Gelderträge des Robinienniederwaldes sind sehr hoch (bis 12 Fm.
für 1 .Jahr und Hektar und Preise bis 25, selbst 30 Mark für 1 Fm. Nutzholz).
11. Edelkastanie-). In Deutschland wegen der klimatischen Bedingungen,
welche sie für ihr Gedeihen fordert, zumal wegen ihres ^^■ärmebedürfnisses, nur in be-
schränktem Umfange (Pfalz, Elsaß etc.) als Waldbaum verbreitet. Besonders geschätzt
als Holzart des Niederwalds (Gewinnung von Rebpfählen): Stockausschläge reichlich
und kräftig (vgl. S. 81). Begründung neuer Bestände meist durch Pflanzung mit
1— 3jährigen (in der Mehrzahl der Fälle 2jährigen) Loden, Anzucht der nötigen Pflan-
zen (pro ha 6000—8000 Stück erforderlich) in rigolten Saatbeeten (Spitze der Frucht
beim Einlegen nach unten!). Kosten der Erziehung pro 1000 2jähriger Pflanzen ca.
12 Mark. Pflanzung im Frühjahr mit der Hacke oder einem Klemmeisen (spatenartig
abgeändertes Buttlar'sches Eisen); Pflanzen teils unbeschnitten, teils (besser) nach
Einstutzen der Seitenäste oder als Stummelpflanzen. Jährliches Reinigen und Be-
hacken der Kultur. Bodenpflege durch Grabenziehen (..Belebungsgräben"). — Saat
hier und da als Vollsaat (bezw. Punktsaat, wie bei der Eiche) mit 3 Hektoliter Kasta-
nien pro ha (30 000 Stück) oder Rillen- oder Plätzesaat. Gefahr durch Wildschweine.
12. P a p p e 1. JNIeist im Hochwald, doch für die Betriebsart nicht entscheidend.
Aspe ist infolge ihrer Verwendung zur Fabrikation der schwedischen Streichhölzer
sehr gesucht und an manchen Orten gut bezahlt, so daß ihr Anbau vielfach angezeigt
erscheint.
Für den Anbau kommen weiterhin besonders Schwarzpappel und kanadische
Pappel in Betracht. Letztere ist wertvoller. Die Pflanzung erfolgt vielfach durch
Setzstangen, welche aus Stockausschlägen zu gewinnen, wohl auch in der Pflanzschule
zu verschulen sind. Bei der Aspe verpflanzt man meist Wurzelbrut. Doch wird auch
künstl. Samenverjüngung empfohlen (Paul in Deutsche Forst-Zeitg. 1899, S. 195). des-
gleichen Erziehung von verschulten Aspenpflänzlingen (Forstrat Hofmann in Forstw.
Zbl. 1902, S. 360).
13. Weiden^). Im Kopfholzbetrieb (Flußniederungen), sowie im Niederwald
(Weidenheger), oft mit nur Ijährigem Umtrieb (feinste Flechtruten). Sorgfältige
Bodenpflege, Sicherung gegen Unkraut. Wenn nach ca. 15—18 Jahren eine Anlage
im Ertrag zurückgeht, so liegt dies weniger an Bodenerschöpfung, als an der in jeder
Nutzung zu erblickenden andauernden Mißhandlung (trotz rationell'' ten Schnittes)
der Stöcke. Sehr hohe Reinerträge. Frische Böden durchschnittlich am besten,
1) Vergl. K a y s i n g, Der Kastanienniederwald S. 31 ff., ferner E b e r t s, „Der .\kazien-
niederwald""(Allg. F.- u. J.-Z. 1900, S. 75), m. s. auch Verhandlungen der 23. Versammlung des
Elsaß-Lothring:ischen Forstvereins.
2) Vergl. K a y s i n g. Der Kastanienniederwald, 1884. — .Aufsätze in der AUg. F.- u. J.-Z.
1879, S. 206; 1883, "s. 37 (Osterheld — Pfalz); 1883, S. 241 (Rebmann — Elsaß). — E n g 1 e r,
„Die Edelkastanie in der Zentralschweiz". — M e rz, Schweiz. Forstver. 1895 und v. S e u 1 1 e r,
Schweiz. Zeitsclir. 1895, 201. — Osterheld, .\. F.- u. J.-Z. 1895, 22 ,. Edelkastanie am pfäl-
zischen Vorgebirge".
3) \'ergl. Schulze, Die Kultur der Korbweide, 1874. — S c h m i d. Die .\npflanzung
und Kultur der Korb- und Bandweiden, 1883. — Krähe, Lehrbuch der rationellen Korbweiden-
kultur, 5. .\ufl. 1897. — Z Schimmer, Anbau der Korbweide. Thar. Jahrb. 1888, S. 23.
— A u m a n n, Weidenhegerbetrieb in Flußniederungen. Zeitschr. f. F. u. J. 1894, 712. — Korb-
weidenkultur längs der österr. Eisenbahnen. Oesterr. Forst- u. J.-Ztg. 1894, 66. — P i c c i o 1 i,
La coltura dei salici, 1896. — D e k e r t, Ueber Weidenzucht. Mund. Forstl. Hefte 9. (1896).
S. 15. — D a n c k e 1 m a n n, Zeitschr. f. F. u. J. 1898, S. 652.
Die Bestandesbegründung. § 69. I49
keineswegs nasse. Einzelne Weiden (z. B. Salix caspica) auch sehr gut auf trockene-
rem, wenn nur einigermaßen mineralisch kräftigem Sand. Vgl. das oben (S. 82) über
Weidenniederwälder Gesagte.
Die als ein Hauptteil des sog. Weichholzes in den Schlägen auftretenden Weiden,
bes. S. caprea, cinerea, aurita erscheinen meist als Ausschläge und durcii Samenanflug.
14. Prunus-, Pirus-, Sorbus- Arten. Eingesprengt im Hoch-
waldbestand, an ^^'egrändern (hier bes. Sorbus aucuparia), auch als Oberholz im
Mittelwald. Großenteils als gute Nutzhölzer zu begünstigen, besonders bei den Durch-
forstungen zu berücksichtigen; doch waldbaulich ohne große Bedeutung, weil die
Nachfrage immerhin eine beschränkte ist; besonders begehrt ist die Eisbeere (S. tor-
minalis).
15. Unterhölzer im M i 1 1 e 1 w a 1 d. Als solche mögen insbesondere
für viele Auewaldungen A'iburnum, Lonicera, Cornus, Prunus, Crataegus u. a. m.
neben den bereits aufgeführten Mittelholzarten hier erwähnt sein, weil sie oft sehr
gut ver\vertbare Kleinnutzhölzer liefern. Abtrieb derselben oft alle 5 — 8 Jahre. Be-
sondere Pflege findet meist nicht statt.
II. Nadelhölzer.
§ 69. I.Tanne»).
A. B e t r i e b s a r t. Die Tanne ist, wie alle Nadelhölzer, ein Baum des Hoch-
waldes. Höchstens im Mittelwald findet sie sich hier und da in ganz beschränktem
Maße durch Pflanzung einzeln oder in Gruppen dem Oberholze beigesellt. Im
Hochwald wird sie im Femelbetrieb, Femelschlag- und Schirmschlagbetrieb
und den Zwischenformen dieser Betriebe behandelt, während sie den Kahlschlag als
Betriebsform wegen ihres Schattenbedürfnisses in der Jugend allgemein nicht zuläßt.
\\'o Tannenkahlschläge gleichwohl geführt werden, sind sie Notbehelfe infolge
von Betriebsstörungen, vorübergehende ^Maßregeln, nicht aber Wirtschaftsprinzip.
Wie schon früher hervorgehoben wurde (z. B. §27), führen gewisse Eigentümlichkeiten
der Tannen Wirtschaft (reichliche Ansamung unter noch geschlossenem Kronendach,
Zählebigkeit, Bildung von Vorwüchsen, Aushieb von Krebstannen etc.) naturgemäß
zu ungleichartigen, mehr femelartigen Beständen im Gegensatz zmn durchweg gleich-
mäßig gestellten Schirmsclilag. Die Umtriebszeit ist meist auf 100 — 120 Jahre fest-
gesetzt. Haubarkeits-Durchschnittszuwachs auf mittlerem Standort 7 — 9 Festmeter;
die durchschnittliche Höhe solcher Bestände beträgt in jenem Alter 25 — 30 !Meter.
Die Durclmiesser sind, je nach der Art der Wirtschaftsführung, überaus wechselnd.
Besondere Starkhölzer, Stämme von 50 und mehr cm Mittenstärke, werden auch
da, wo frühzeitig Lichtungszuwachs angestrebt wird, meist erst in längerer Zeit (mit
140 — 160 Jahren) produziert. Die femelartigen Betriebsformen bieten aber die beste
Gelegenheit, Stämme zu diesem Zweck länger im Bestände zu belassen; im regel-
mäßigen Schirmschlag müßte man die Umtriebszeit entsprechend erhöhen oder zu
1) \'ergl. u. a. G e r w i g, Die WeiOtanne im Schwarzwalde, 1868; Referate und Debatten
bei der deutschen Forstversammlung zu Wildbad 1880 (Die Referate finden sich in der AUg.
F.- u. J.-Z. von 1880: Sehuberg S. 304, Probst S. 311), ferner Verhandlungen des badischen
Forstvereins zu Wolfach 1884. — M a g e n a u, „Tannenverjüngung auf dem Jura". AUg. F.- u.
J.-Z. V. 1887, S. 312 ff. — Martin, Folgerungen .... 2. Bd. 1895, Die Weißtanne. — Wirtschafts-
egeln für Elsaß-Lothringen, 1892. — Carl, Allg. F.- u. J.-Z. 1893, 163, 204. — Mencke,
AUg. F.-u. J.-Z. 1897, 287. — Baudisch, Zbl. f. d. ges. Forstw. 1897, 101. — W e i n k a u f f ,
Die Tanne auf d. Buntsandstein des Pfälzer Waldes. AUg. F.-u. J.-Z. 1897, 321, 345. — Schaa 1,
Die Weißtanne in Sachsen. Allg. F.- u. J.-Z. 1898, 200. — Kautzsch, .\Ug. F.- u. J.-Z. 1892,
145, 279; 1893, 350; 1898, 220. — Ders., Beiträge zur Frage der Weißtannenwirtschaft 1895.
— Gretsch, Forstw. Zentralbl. 1898, 455. —
150 ^'^- L o r e y , Waldbau.
einer ausgesprochenen Ueberhaltform übergehen. In welchem Umfange die Anzucht
solcher besonders starken Hölzer rätlich erscheint, ist Sache lokaler Erwägung,
unter dem Gesichtspunkt der Rentabilität, deren Bemessung sich auf den Holzmarkt,
bezw. die Holzpreise stützt.
Die Tanne kommt in ausgedehnten reinen Beständen, sowie in verschiedenen,
zum Teil hervorragend wertvollen Mischungen vor, worüber im 1. x\bschn. S. 12
das Nötige bemerkt ist.
B.Verjüngung. Wenn irgend eine Holzart, so ist die Tanne vermöge ihrer
Eigenschaften zur natürlichen Verjüngung durch Samenabfall bestimmt. Künstliche
Bestandesbegründung ist — abgesehen von den (neuerdings zahlreicher auftretenden)
Fällen, in welclien die Neuanlage von Tannenbeständen erfolgen soll — Ausnahme
und findet meist nur da statt, wo wirtschaftliche Mißstände (Ueberalthölzer, Sturm-
lücken etc.) eine natürliche Verjüngung überhaupt nicht mehr oder nicht mit der
nötigen Sicherheit erhoffen lassen.
1. Natürliche Verjüngung:
Namentlich in den letzten 20 Jahren ist die Naturverjüngung der Tanne Gegen-
stand eingehender Erörterung gewesen. Sie erfolgt im Femelbetrieb, Schirmschlag-
betrieb, Saumschlagbetrieb und im Femelschlagbetrieb. In allen diesen Fällen kommt
die Zählebigkeit der Tanne, sowie ihre langsame Jugendentwicklung in Betracht.
Eine Folge ihres großen Schattenerträgnisses ist, daß sich Besamung meist ohne be-
sonderen Vorbereitungshieb und Samenschlag oft schon im 70 — 80jährigen Bestandes-
alter reichlich einstellt, mindestens auf denjenigen Stellen und in deren Umgebung,
welche durch Auszug von Krebstannen, eingesprengten Mischhölzern usw. etwas
(wenn auch nur mäßig) gelichtet sind. Werden solche Aushiebe schadhafter oder
sonst unerwünschter Bäume in gesteigertem Maße nötig, tritt vielleicht Windwurf
hinzu, so entstehen Löcher im Bestände, auf welchen der Jungwuchs bald in die Höhe
geht; deren allmähliche Erweiterung führt nach und nach zur Verjüngung des ganzen
Bestandes.
Wo sich dieser die Regel bildende A^organg nicht (gewissermaßen ganz von
selbst) abspielt, hat man es in der Hand, die ^'erjüngung in längerem oder kürzerem
Zeitraum mittelst gleichförmiger Schlagstellung durch den ganzen Bestand hin (regel-
mäßige Vorbereitungshiebe mit gleichmäßiger, allmählicher Durchhchtung etc. —
Schirmschlag Gayers) oder derart durchzuführen, daß man die einzelnen Bestandes-
partien nacheinander verjüngt, bezw. sich jene Löcher durch gruppen- und horstweise
Eingriffe künstlich schafft (hörst- und gruppenweise Verjüngung Gayers — vergl.
auch: dritter Absclmitt, § 40 — 43). Gleichmäßige Schinnschlagstellung auf schmalen
Streifen verbürgt den Erfolg event. ebenso sicher wie Löcherhiebe und verdient
unter Umständen wegen größerer Uebersichtlichkeit im Fortgange der \^erjüngung
den Vorzug.
Hinsichtlich des Verjüngungszeitraumes wird die Erwägung maßgebend, ob
man im konkreten Falle auf raschere Erstarkung des Jungwuchses oder auf längeres
Andauern des Lichtungszuwachses an den Mutterbäumen den größeren Wert legt.
Ueber die etwaige Benutzung des Vorwuchses siehe § 73. Erstreckt sich die vollstän-
dige Verjüngung eines Bestandes, d. h. die Ersetzung sämtlicher heute im Bestände
vorhandener Individuen durch neue, auf die ganze Umtriebszeit, so kommt man zum
eigentlichen Femelbetrieb.
Im wesentlichen ist es für die Art der nat. Tannenverjüngung zunächst entscheidend,
ob man grundsätzlich möglichst e i n Mastjahr zur Erzielung des Jungbestandes benutzen
will (Schirmschlag) und demgemäß mit gleichmäßiger Schirmstellung über die ganze Fläche
hin vorgeht, oder ob der allmählichen, partienweisen Verjüngung (Femelschlagbetrieb, Gruppen-
Die BestandesbegrOndung. § G9. 151
und Horstwirtschaft, Bemitzun? mehreror Samenjahre) der X'orziisr sesreben werden poII.
Martin stellt beide Methoden an Wert gleich. Genügende Samenjahre hat man fast überall
in 3- bis 5jähri<ren Zwischenräumen, fieides läßt sich machen; aber tatsächlich kommt man
ganz von selbst bei der Tanne fast immer zu einer nu>hr oder minder scharf ausgeprägten
Gruppenwirtschaft, weil sich, wie oben angeführt wurde, .\nflug in der Regel schon in Beständen
einstellt, welche noch nicht planmäßig zur \"erjüngimg stellen, und dieser Anflug sich wenigstens
teilweise bis zur Zeit der planmäßigen \'erjüngung wuclisUräftig erhält, bezw- schon zu gut
entwickelten \'orwüchsen ausbildet. Nach den allerdings nnr auf das .Murgtal sich erstreckenden
Untersuchungen S t o 1 I s ') scheint es jedoch nicht gleichgültig zu sein, ob Schirm -oder Plenter-
schlagverjüngung gewählt wird, zuni mindesten scheint die Höhenlage des jeweiligen Verjüngungs-
bestandes für den Erfolg der einen oder der anderen Betriebsform mit entscheidend zu sein.
Im nördlichen Schwarzwald ist nach Stoll Schirmschlagverjüngung nur bis 400 m Meereshöhe,
im südlichen Schwarzwalde bis 500 m angezeigt. Die höheren Lagen erfordern, wenn sonst
die Keinibettverhältnisse nicht derartig ungünstig werden sollen, daß die \'erjüngung versagt,
Plenterschlagvcrjüngung. Der mit der Schirmschlagverjüngung zusammenhängende dichtere
Bestandsschluß verhindert in den höheren Lagen eine hinreichende Erwärmung des Bodens,
was Trockentorfbildung und damit \'ersauerung und \'erdichtung des Keimbettes zur Folge hat.
In diesen Lagen vermag nur starke SchluGunterbrechung und Staffelung des Bestandes, d. h.
Anwendung des Femelschlag- oder des Femelbetriebes die zur normalen Streuzersetzung not-
wendige Wärmesumme dem Boden zuzuführen. Für die höheren Lagen des Schwarzwaldes
wird von Stoll daher die Femelschlagform mit langer N'erjüngungsdauer und Uebergängen
zum Femelwalde empfohlen. .Mit der Entscheidung für Schirmschlag- oder für Femelschlag-
betrieb entscheidet sich in der Hauptsache auch die wichtige Frage, ob man die Verjüngung
im ganzen rascher oder langsamer durchführen und demgemäß nur kleinere oder größere
.•Mtersunterschiede im Jungbestande haben will. Da die Bedingungen, unter denen die Tannen-
wirtschaft geführt wird, örtlich keineswegs die gleichen sind (z. B. in Baden auf der West-
seite, in Württemberg auf der Ostseite, d. h. im Regenschatten des Schwarzvvaldes, — Seenähe
in Oldenburg), so erklären sich die teilweis weit auseinander gehenden Forderungen, die in be-
zug auf die Länge des Verjüngungszeitraumes erhoben werden. Die schirmschlagartige ^'er-
jüngung führt zu einer verhältnismäßig raschen\'erjüngung in 20- bis 30jähr. Zeiträumen, während
die femelschlagartige Wirtschaft zu 40- bis 60jähr. Verjüngungszeiträumen hinneigt. Es ist
selbstverständlich, daß die N'erjüngungszeiträume um so länger werden, je mehr die Femelschlag-
form zum reinen Femelbetrieb übergeht.
2. Künstlicher Anbau:
Am besten unter Schutzbestand wegen der Empfindlichkeit der Tanne gegen
Frost, Hitze und Unkraut. Doch in Notfällen auch im Freien, dann aber fast aus-
schließlich mittelst Pflanzung; genügender Erfolg hauptsächlich bei großer Luft-
feuchtigkeit.
a) Saat:
Sie kommt gelegentlich (Elsaß-Lothringen) in abständigen Orten unter dem
Schirm des gelichteten Altbestands, dann aber hauptsächlich bei Umwandlung anderer
Holzarten in Tanne und beim Unterbau in Anwendung, in Ausnützung guter Samen-
jahre. Meist als Riefen- oder Plätzesaat; Aussaat am besten noch im Herbst. Dabei
erfolgt allgemein, ganz besonders aber bei Anlegung horizontaler Riefen an Hängen,
mit Vorteil die Aussaat des Samens auf den am Riefenrande angehäuften Auf-
vrarf, damit die Keimpflanzen nicht, wenn in der vertieften Riefensohle stehend,
von Wasser zugeflößt und von Laub etc. überlagert werden; überdies besonders kräf-
tige Wurzelbildung auf dem Riefenrande. Der Aufwurf befindet sich am Hange am
unteren Riefenrande.
b) Pflanzung:
Beim Unterbau meist 4 — 6jährige, einmal verschulte Pflanzen. Material für die
Verschulung liefern die Riefen- und Plätzesaaten, sowie die natürlichen Besamungen;
andernfalls Anlegung besonderer Saatbeete. Wird in kontinuierlichem Zuge die Um-
wandlung auf größeren Flächen durchgeführt, so findet man vielfach Saat und Pflan-
zung (je nach dem Ausfall der Samenernte, der verfügbaren Pflanzenmenge etc.) in
verschiedentlich variierter Kombination. Dabei verdient der Altersvorsprung der
1) Stell, Das Nersagen der Weißtannenverjüngung im mittleren Murgtale. Nalurwiss.
Ztschr. f. Land- und Forstwirtschaft 1909, S. 279, 297, 34'5.
152 VI. L 0 r e y , Waldbau.
Pflanzung Beachtung. Venvendung meist ballenloser Pflänzlinge unter Benutzung der
Hacke. — Zur Pflanzung auf Kahlflächen werden (besonders wegen Unkräuter\vuchs
manchmal stärkere, zweimal verschulte Pflanzen verwendet (teuer!).
Gefährdung der Tannenkulturen durch Wildverbiß.
2. Fichte.
A. Betriebsart. Ebenfalls zunächst Hochwald-Holzart, jedoch im Ober-
holz des Mittelwaldes nicht ausgeschlossen. Von der Tanne hinsichtlich der für die
Wahl der Betriebsart hauptsächlich in Frage kommenden Momente besonders durch
das abweichende Verhalten in der Jugend unterschieden: raschere Entwickelung in
den ersten Jahren, dabei größeres Lichtbedürfnis und dementsprechend geringere
Ausdauer im Schirmdruck, wesentlich geringere Gefährdung durch Frost und Hitze,
wodurch die Möglichkeit des Anbaues auf der Kahlfläche bedingt ist. Dazu kommt
andererseits größere Gefährdung durch Sturm und durch Schneebruch. Man findet
die Fichte in allen Hochwaldbetriebsformen, von der extremen Kahlschlagwirtschaft
bis zum eigentlichen Femelwald. Für den in früheren Abschnitten mehrfach berührten
Kampf pro und contra Kahlschlag, bezw. Femelbetrieb, Femelschlag, Schirmschlag
oder Saumschlag bildet die Fichte das hauptsächlichste Objekt. Man muß einräu-
men, daß der Kahlschlagbetrieb an vielen Orten und in weitestem Umfange sehr gute
Erfolge aufzuweisen hat, so daß man ihm gegenüber kaum behaupten kann, mit
natürlicher Verjüngung würde man unter den gegebenen Verhältnissen noch weiter
gekommen sein. Andererseits wäre es eine Uebertreibung, wollte man im Kahlschlag
mit nachfolgender künstlicher Bestandesbegründung allgemein und ohne Einschrän-
kung die beste Fichtenwirtschaft erblicken. Die Sicherung gegen Stürme läßt sich
zwar durch eine sorgsame Hiebsführung im- Kahlschlagbetrieb vielleicht am voll-
ständigsten erreichen, aber die Belastung der Bestände durch den Kulturaufwand,
welchen der Kahlschlag erfordert, ist, in Verbindung mit dem oft befürchteten nach-
teiligen Einfluß der Bodenentblößung, genügende Veranlassung, der natürlichen
Verjüngung der Fichtenbestände für die geeigneten Verhältnisse ihr Recht zu wahren.
Will man sie anwenden, so sind Femelschlagbetrieb sowie Saumschlagverjüngungen
in erster Linie zu wählen, soweit es sich überhaupt noch um einen Wirtschaftswald
handelt. Die eigentliche Femelform paßt für die Fichte weit weniger als für die Tanne.
Gegen den Schirmschlagbetrieb spricht die Gefahr des Windbruchs, die natürlich
auch bei der horstweisen Verjüngung ebensowenig ausgeschlossen ist wie beim Saum-
schlagbetrieb. Schon oben (S. 48) wurde darauf hingewiesen, daß die von Wagner
auch für die Fichte warm empfohlene Saumschlagverjüngung von Norden herein ge-
rade in der Sturmgefährdung eine ihrer schwachen Seiten hat. In schutzbedürftigen
Hochlagen ist der Kahlschlag oft ganz ausgeschlossen. Ueberhaupt hängt die Ent-
sclieidung zwischen den im allgemeinen möglichen Betriebsformen ganz wesentlich
von der Oertlichkeit ab. Frische Böden sind meist der natürhchen Besamung günstig.
Hinreichende Auslichtung der Bestände vorausgesetzt, stellt sich Besamung auf sol-
chen Böden leicht ein und hält sich bei wenig künstlicher Nachhilfe so gut, daß die
natürliche Verjüngung ohne besondere Besamungsschläge gelingt. Die Nachteile,
welche dem Kahlschlagbetrieb anhaften können, werden durch sofortigen Anbau mit-
telst Pflanzung unter Anwendung besten Pflanzmaterials auf ein Minimum reduziert.
Umtriebszeit 80 — 120 Jahre, Ertragsverhältnisse ähnlich wie bei der Tanne; doch
sind schwächere Sortimente der Fichte weit besser verwertbar (Hopfenstangen, Pa-
pierholz, geringe Baustämme), weshalb auch niedrigere Umtriebszeiten örtlich noch
sehr wohl zulässig sein können. Ueberdies beeinflußt dieser Umstand nicht selten den
Durchforstungsbetrieb. Die Bedeutung der Fichte als Mischholzart ist früher erörtert.
Die Beslandesbegründung. § 69. 153
B. Verjüngung.
Wie schon aus dem Vorstehemlen hervorgeht, treten bei der Fichte alle für ein Nadelholz
überhaupt in Frage kommenden \erjüngungsmöglichkeiten in lebhafte Konkurrenz, haupt-
sächlich deshalb, weil hier die Freilandskultur in den meisten Fällen ebenso möglich ist, wie die
N'erjüngung unter einem Oberstand. Es handelt sich vielfach nur um ,,gul" und ,, besser".
Neben gewissen allgemeinen Grundsätzen sind vorzugsweise bei der Fichte örtliche Erwägungen
von Fall zu Fall entscheidend, und es ist begreiflich, daß gerade über ihren .\nbau von jeher
lebhaftester Meinungsaustausch stattgefunden hat.
1. Natürliche Verjüngung.
Die neuerdings wieder melir als seither geltend gemachten Gründe zu gunsten
der natürlichen Aerjüngung sind in der Hauptsache die allgemein gegen den Kahlhieb
sprechenden und betreffen vornehmlich den Bodenzustand ^). Eigentlicher Femel-
betrieb, abgesehen von höheren Gebirgslagen, selten; Schirmschlagbetrieb oder Fe-
melschlagbetrieb ist Regel, letzterer, wenn die ausgesprochene Absicht vorliegt,
einen ungleichförmigen Bestand nachzuziehen. Im ganzen muß die ^^erjüngung in
rascherem Tempo geführt werden wie bei der Tanne. Der junge Aufwuchs der Fichte
verlangt baldigst einen bedeutenderen Lichtgenuß (Modifikationen je nach Oertlich-
keifi, mithin meist stärkere Eingriffe schon in Gestalt von Vorbereitungshieben und
demnächst auch rascheres Nachhauen. — \"erjüngung durcii Randbesamung, wenn je,
so ana ersten bei der Fichte noch zulässig (siehe § 38).
So sehr von vielen Seiten die natürliche Verjüngung empfohlen wird, so entschieden
darf man sich andererseits darauf berufen, daß durch künstlichen .'\nbau in großer .Ausdehnung
tadellose Bestände erzielt worden sind. Zumal dort, wo im Gegensatz zu großen zusammenhängen-
den Kahlhieben, mit Schmalschlägen operiert wird, die nicht alljährlich, sondern erst nach
mehrjährigen Zwischenräumen aneinandergereiht werden, bedarf es der natürlichen Verjüngung
nicht. Ob letztere in allen Fällen das Ziel billiger (event. kostenlos) erreichen läßt, ist im Hinblick
auf das oft überraschend gute Wachstum künstlicher Kulturen mindestens fraglich. Ueberdies
wird der Besamung von nicht wenigen Wirtschaftern die wünschenswerte Sicherheit abgesprochen :
die Fichte sei launisch in bezug auf die Besamung. — Ungleichaltrige Bestände, wie sie der
Femelschlagbetrieb liefert, werden auch bei der Fichte von manchen bevorzugt; sie sollen (cfr.
z. B. Engler) die ^"o^teile von gemischten Beständen ersetzen.
2. Künstliche Bestandesgründung.
Die Frage, ob Saat oder Pflanzung vorzuziehen ist, wird verschieden beantwortet.
Saat soll mehr Schutz gewähren gegen Rüsselkäfer und auch gegen Wild; auch für
Loshiebe (Schmalstreifen) sei oft Saat besser, wogegen auf großen Kahlschlägen die
Pflanzung, event. mit schmalen Saatstreifen längs des Altbestandes, vorzuziehen sei -).
Im großen ganzen ist die Saat von der Pflanzung aber verdrängt worden: es gibt
Fichtengebiete, wo man die Saat kaum mehr kennt. (Vgl. die .Abwägung der Vorzüge
und Nachteile zwischen Saat und Pflanzung S. 84) ^).
a) Saat: Als \'ollsaat. Riefen- und Plätzesaat, erstere im ganzen seltener.
Spezialfall der Vollsaat z. B. im früheren württembergischen Waldfeldbau, Forst
1) D i m i t z, Wie erhält sich die Fichte in Gebirgsforsten der nördlichen Kalkalpen zum
Femelschlag- und Lichtungsbetriebe? Zbl. f. d. ges. Forstw. 1901, 511. — E n g 1 e r, Verjüngung
der Rottannenbestände. Schweiz. Ztschr. f. Forstw. 1899, 1. — Martin, Folgerungen usw.
5. Bd. 1899, die Fichte. — B r o i 1 1 a r d, Revue des eaux et forgts 1897. — B e r n f u s, Die
Saumschlagwirtschaft im Fichlenhochwalde. Oesterr. Vierteljahresschr. 1905, 13. — W a g n e r,
Räumliche Ordnung, 2. Aufl. 1911.
2) Vergl. Neumeister, Thar. Jahrb. 1889, 105.
3) Neuestens ist namentlich den Fichtenpflanzungen, gegenüber der natürl. Verjüngung,
die Bildung zahlreicher Doppelgipfel, die ungünstigere Beastung, stärkere Rotfäule etc. vorge-
worfen worden. — Vergl. Grasmann, Beobachtung in Fichtenpflanzbeständen (Forstw.
Zentralblatt von 1886, S. 560 ff.), G r a s m a n n, Entgegnung an Rommel (Allg. F.- u. J.-Z. v.
1887, S. 130), dagegen für die Pflanzung Dr. S t o e l z e r, ,,Zur Frage der Rätlichkeit des Fichten-
anbaues durch Pflanzung" (Forstw. Zenlralbiatt v. 1887, S. 404) — Martin, Folgerungen . . .,
5. Bd. 1899, Die Fichte. . — E n g 1 e r, „Verjüngung der Rottannenbestände, Schweiz. Zeitschr.
1899, 1. — B r o i I 1 a r d, Revue des eaux et forSts, 1897.
154 VI. L 0 r e y , Waldbau.
Ochsenhausen 1). — Gelegentlich auch Fichten-Danimsaat ^j : Aussaat auf erhöhte
Saatstellen (analog der Hügelung beim Pflanzen) bei undurchlassendem, tonigem
Untergrund und starker Grasnarbe. Dämme % ^i breit, 10—15 cm hoch, 1.5 m Ab-
stand von Mitte zu Mitte.
b) Pflanzung: Als Einzel- und als Büschelpflanzung; als Loch- und als
Hügelpflanzung, event. auf Rabatten; mit 2— 6jährigen Pflänzlingen (mit oder ohne
Ballen), hier und da mit noch stärkerem ^laterial (bei Nachbesserungen); unter An-
wendung der verschiedensten Instrumente (Buttlars Eisen, Spiralbohrer, Hacke,
Stoßspaten etc.).
Pflanzenmaterial liefern Schläge, bezw. Saatstellen (z. B. massenhaft die Wald-
felder) und die Pflanzenerzielmngsstätten. In letzteren Erziehung von Saat- und
Schulpflanzen. Jetzt vielfach Verschulen (1- und 2jährige Pflanzen) und danach
2jähriges Belassen im Pflanzbeet. In windigen Freilagen, wie u. a. auf Hochflächen
des Gebirgs, keine zu starken Pflanzen (Losrütteln durch den Luftzug vor dem festen
Anwurzeln), event. Pflanzung in Löcher oder hinter kleine Schutzdämme. — Verband-
weite 3) je nach dem Wirtschaftszweck (z. B. Einfluß des Hopfenstangenhandels) sehr
verschieden ; Reihenverband findet sich z.B. von 0,5 bis 1,75 oder mehr zu 1 Meter,
Quadratverband von 0,75 bis 2,0 und mehr Meter (derart weite Verbände natürlich
nur ausnahmsweise).
Die Frage, ob Einzelpflanzung oder Büschelpflanzung (cfr. auch oben S. 119),
schien ziemlich allseitig zu gunsten der Einzelpflanzung erledigt, als sie bei Ge-
legenheit der Versammlung deutscher Forstmänner zu Braunschweig 1896, den meisten
Anwesenden unvermutet, wieder aufgeworfen, und dabei von manchen Seiten die
Büschelpflanzung befürwortet wurde. Als Regel kann die letztere jedenfalls
nicht gelten*). Mindestens ist dabei der Fehler, daß zu viele Pflanzen in 1 Büschel
vereinigt werden, zu vermeiden. — Wie bei jeder Pflanzung, so ist bei der Fichte ganz
besonders vor zu tiefem Einsetzen des Pflänzlings in den Boden zu warnen. — Für
Moor- und Torfböden wird Ballenpflanzung auf Rabatten bes. empfohlen 3).
3. K i e f e r.
A.Betriebsart. Auch bei dieser Holzart ist die Wahl der Betriebsart ziem-
lich gleichbedeutend mit der Art der ^'erjüngung. In der Konkurrenz zwischen Natur-
und Kunstverjüngung hat im allgemeinen der Kahlschlagbetrieb gesiegt und ist in
der zweiten Hälfte des 19. .Jahrhunderts zur herrschenden Verjüngungsmethode ge-
worden. Erst in neuerer Zeit •*) haben sich unter der Wirkung von mancherlei Miß-
erfolgen, die sich bei der Kunstverjüngung auf Kahlflächen herausstellten und die
1) Vergl. AUg. F.- u. J.-Z. von 1884, S. 341.
2) Vergl. Schulze, Fichtendammsaat. Tharander Jahrbuch 1837, S. 92 ff.
3) Vergl. Martin, Die Regelung des Wachsraumes bei der Begründung und Durchfor-
stung von Fichtenbeständen. Ztschr. f. Forst- und Jagdw. 1905, 419.
4) Vergl. Kunze, Ueber den Einflul3 der Anbaunietliode auf den Ertrag der Ficlite. Thar.
Jahrb. 1895, 45; 1902, 1; 1907, 1.
5) Otto, Deutsche Forst-Zeitung 1899, 230.
6) Vergl. Borggreve, Holzzucht S. 196 ff. Daselbst -nird die Rückkehr zur natürl.
Verj. gefordert und zwar mit einer verhältnismäßig dunklen Schlagstellung; Gesamtverjüngungs-
zeit 10 — 20 Jahre. Bei entsprechend langem Zuwarten soll man genügenden Anflug erhalten.
— Vergl. auch D a n o k e 1 m a n n, Zeitschr. f. F. u. J. 1887 S. 64 ff., sowie Pfeil, Die deutsche
Holzzucht. — W eise, Mund. Forstl. Hefte V, 1894, 1. — Stettiner N'ersammlung deutscher
Forstmänner 1892. — Preuß. Forstverein, 1889. — H o f f m a n n, Forstl. Blätter 1889, 161.
Zeitschr. f. F.-u. Jw. 1896, 112, 378. — May r, „Studien im nordwestl. Rußland", A. F.-u. J.-Z.
1900. — Reiß, „Naturverjüngung der Kiefer", Forstw. Zentralbl. 1898, 5. — Marti n,
Folgerungen . . ., 3. Bd. 1896, Die Kiefer. — K a u t z s c h, Zur Frage der Begründung von
Kiefernbeständen. Forstw. Zbl. 1893, 653. — K i e n i t z, Ueber die N'erjüngung der Kiefer
im Besamungsschlage usw. AUg. F.- u. J.-Z. 1878, 41. — D ü e s b e r g, Der Wald als Erzieher 1910.
Die Bestandesbegründung. § 69. 155
hauptsäcldich auf Rechnung von Engerling, Schütte und Dürre zu stellen sind,
wiederum Stimmen zu gunsten der natürlichen Verjüngung durch Schirmschlag- oder
Femelbetrieb erhoben. In jüngster Zeit hat Düesberg in seinem Buche ..Der
Wald als Erzieher" als erstrebenswertes Ziel für den Kiefernwald das Bild eines plan-
voll zusammengesetzten, nach der Sechseekschablone aufgebauten Plenterwaldes ent-
worfen. Der Verwirklichung dieses Idealwaldes stehen aber nicht zu behebende
Schwierigkeiten entgegen. Der Kiefernzüchter wird es immer mit dem mehr gleich-
altrigen Hochwald zu tun haben, gleichviel, ob dieser aus Natur- oder Kunstver-
jüngung hervorgegangen ist. Umtriebszeit sehr wechselnd, von 50 und 60 bis zu 100
und 120 Jahren, vom Standort weniger beeinflußt, als vom Wirtschaftszweck, der
Absatzgelegenheit usw. Höhere Umtriebe sind auf geringen Böden wegen der früh-
zeitigen natürlichen Auslichtung nicht am Platze. Auf besseren Böden kann Ueber-
haltbetrieb zur Erzeugung von Starkhölzern mit und ohne Unterbau in Betracht
kommen. Doch ist die Gefahr des Windbruchs hierbei zu beachten. Mittlere Leistung
des geschlossenen Hochwaldes 4 — 5 fm Durchschnittszuwachs im 80- bis lOOjährigen
Umtrieb; mittlere Höhe ca. 20 — 25 Meter.
B. Verjüngung.
1. N a t ü r 1 i c h e V e r j ü n g u n g. Die meist schlagweise, hier und da auch
wohl mehr hörst- und gruppenweise durchgeführte natürliche \'erjüngung der Kiefer
ist auf besseren Standorten zulässig und vollzieht sich um so leichter, je luftfeuchter
das Klima ist (Ostpreußen, russ. Ostseeprovinzen, Schweden). Vorbereitungshiebe
sind infolge der von selbst eintretenden Auslichtung der älteren Kiefernbestände
meist nicht nötig. Eher empfiehlt sich bis zur Samenschlagstellung möglich.stes
Dunkelhalten des Bodens, weil stärkerer Unkrautwuchs der Verjüngung höchst nach-
teilig ist. Wenn sich Jungwuchs eingestellt hat, ist verhältnismäßig rasche Nachlich-
tung mit Rücksicht auf das Lichtbedürfnis der Kiefer notwendig. Langes Belassen
der Samenbäume zum Zwecke der Ausnutzung von Lichtungszuwachs lohnt sich
nicht, sondern führt zu ungleicher Entwickelung der Verjüngung und damit zur
Sperr^\^Jchsbildung. Beihilfe durch Saat oder Pflanzung auf Fehlstellen ist dem langen
Warten auf vollständigen Anflug vorzuziehen.
Der Kampf um die natürliche ^'el■jüngung der Kiefer war bisweilen ein recht heftiger;
in der letzten Zeit ist dieser Frage gegenüber wieder mehr Ruhe eingetreten. Man wird die
natürl. Verjüngung unter für sie günstigen ^'erhältnissen nicht ausschließen, sondern sie
als unter Umständen willkommene Zugabe zur künstlichen Bestandesbegründung betrachten.
Das von manchen Seiten empfohlene geduldige, lange Zuwarten ■ — (oft reichen 20 — 25
Jahre noch nicht zur vollständigen Besamung einer Abteilungsfläche hin!) — kann gegen-
über der Raschheit und Sicherheit, mit der in vielen Fällen die künstliche Bestandesbegründung
erfolgt, nicht gutgeheißen werden. Hochanstehender Grundwasserspiegel, Bodenverwundung
durch "\Valdweide, Streunutzung begünstigen die natürl. Besamung. Auch wird der angeflogenen
jungen Kiefer große Entwicklungs- und Widerstandsfähigkeit nachgerühmt. Oertlich, zumal
bei hoher Luftfeuchtigkeit, erträgt sie selbst Schirmdruck. Auf kleinen Löchern fliegt Kiefer
besonders leicht an, auf Lücken in Stangenhölzern und angehenden Baumorten. Immerhin
liefert sie gerade dann stets horstförmig differenzierte Bestände, die sich bei der Kiefer wohl am
wenigsten empfehlen.
2. Künstlicher Anbau.
Sowohl die Saat wie die Pflanzung hat ihre Vertreter. Viele sind der Meinung,
daß der Saat vor der Pflanzung der Vorzug zu geben ist, wenn die Verhältnisse die
Saat gestatten.
a) Saat: Meist unter Verwendung entflügelten Samens, hin und wieder auch
Zapfensaat. In beiden Fällen kann Vollsaat wie stellenweise Saat zur Anwendung
kommen. Vollsaat bedingt einen nur schwach benarbten Boden, der keiner oder nur
geringer Bearbeitung (mit der Egge) bedarf. Verheidete oder verunkrautete Böden
156 IV. Lorey, Waldbau.
erfordern Bodenbearbeitung und werden zweckmäßigerweise durch Streifensaat in
Kultur gebracht. In diesem Falle ist Verwendung des Pfluges (Eckert'scher Wald-
pflug) zur Entfernung des Bodenüberzuges und zur Bodenlockerung meist billiger als
Hacken der Saatstreifen. Unter Umständen Verwendung des Weber'schen Wald-
grubbers. Plätzesaat (Anwendung von Hacke, Kreisrechen) meist ebenso selten wie
Vollsaat, im allgemeinen auf ungünstige Bodenverhältnisse beschränkt. Zapfensaat ^)
ist zwar insofern vorteilhaft, daß der Samen nicht geklengt werden muß und deshalb
in seiner Güte weniger leidet, ist aber infolge großen Zapfenbedarfes zu teuer, setzt
trockene, warme Witterung voraus und führt leicht zu ungleichmäßiger Saat. Ge-
klengter Samen ist möglichst zeitig im Frühjahr auszusäen; bei größeren ebenen Flä-
chen empfiehlt sich Verwendung von Säemaschinen (Drewitz).
b) Pflanzung^). Erfolgt mit ballenlosen Pflänzlingen und mit Ballen-
pflanzen. Zumeist unverschulte einjährige Pflanzen, ab und zu auch verschulte 2-
oder 3jährige. Verwendung stärkerer Pflanzen bei Nachbesserungen bezw. sehr gras-
wüchsigen Kulturen angezeigt; hier auch die früher in großem Umfange angewendeten,
im Erfolg vorzüglichen, aber teuren Ballenpflanzen richtig. Zur Pflanzung mit schwä-
cheren ballenlosen Pflanzen Anwendung verschiedener Instrumente: Pflanzdolch,
Keilspaten, Setzholz, Spitzenbergs Pflanzholz, Buttlar-Eisen, Wartenbergs Stiel-
eisen, Pflanzspaten, hauptsächlich also von Werkzeugen zu Klemm- und Spaltpflan-
zungen. Die mit diesen Pflanzmethoden leicht verbundenen Beschädigungen und
Quetschungen der Wurzeln haben die Spaltpflanzungen etwas in Mißkredit ^) gebracht
und haben zur Bevorzugung der Handspaltpflanzung geführt. Wo Klemmpflanzung
infolge Fehlens lockeren Bodens nicht am Platze, hat sich neuerdings Pflanzung mit
dem Splettstößer'schen Zangenbohrer als billige und jeder Klemmpflanzung über-
legene Pflanzmethode gezeigt. Meist Reihenpflanzung in Grabe-, Hack-, Untergrund-
pflug- oder Grubberstreifen, auf graswüchsigen Böden Pflanzung auf Pflugwällen
beliebt und erfolgreich *). Streifenbreite 30 bis 40 cm, Abstand der Streifen von Mitte
zu Mitte 1 m bis 1,5 m, Pflanzenabstand in den Streifen 30 — 50 cm. Enger Verband
notwendig, weil sonst Sperrwüchse.
4. S c h w a r z k i e f e r. Bei uns nicht, wie in Niederösterreich, rein, sondern
nur in Mischung und dann meist nur als Vorbauholzart auf verödeten Kalkhängen;
Pflanzung 2 — Sjähriger Pflanzen.
5. Weymouthskiefer^). Geeignet für Rein- und Mischanbau, letzterer
meist bevorzugt. Natürliche Verjüngung infolge öfterer Samenjahre und beträcht-
lichen Schattenerträgnisses leicht möglich ; in der Regel aber künstlicher Anbau durch
Pflanzung mit 2 — 3jähr. verschulten oder auch Ijähr. unverschulten Pflanzen.
6. Berg-, Pech- und Bankskiefer. Vor- und Zwischenbauholzarten
oder rein bei Oedlandsaufforstungen, Dünenbefestigungen usw. Pflanzung Regel.
1) V. A 1 e m a n n, Ueber Forstkulturwesen, 3. .^ufl. 1884 S. 65 ff. — D i 1 1 m e r, Kiefern-
zapfensaat. Ztschr. f. F.- u. Jw. 1897, 263.
2) Splettstößer, Einfluß unserer Kulturmethoden auf das Absterben der Kiefer.
Ztschr. f. F.- u. Jw. 1908. 689. — K r a n o 1 d, Die Kiefern-Zangenbohrer-Pflanzung, das. 1911,
S. 358. — Möller, Versuch zur Bewertung von Kiefernpflanzmethoden, das. 1910. S. 629.
3) Vergl. M u h 1, Zur Ehrenrettung des Kiefern- Jährlings. Allg. F.- u. J.-Z. von 1886 S. 221 ff.,
woselbst die neuere Literatur über die Frage nachgewiesen ist. — Danckelmann, Hand-
spaltpflanzung von Kiefern-Jährlingen, Zeitschr. f. F. u. J. 1889, S. 35.
4) Scott-Preston, Zeitschr. f. F. u. J. 1888, 512.
5) W a p p e s. Zur Kenntnis und Würdigung der Weymouthskiefer. AUg. F.- u. J.-Z.
1897. 8, 51, 365. D e r s., Forstl. naturw. Ztschr. 1896, 205:"Natürl. Verjüngung der W-kiefer
im Pfälzer Wald in 440 m Meereshöhe. — Grundner, Vergleichende Untersuchungen über die
Bestandesentwicklung bei der gemeinen Kiefer und der Weymouthskiefer. Thar. Jhrb. 1901,
114. ■ — Bericht 12. Vers, deutscher Forstmänner 1883, 86.
Die Beslandesbegründung. § 70. 157
7. L ä r c h e. Am besten vorwüchsiges Mischholz im Hochwald oder Oberholz
im Mittehvald. Reine Bestände wegen geringer Bodenpflege ungeeignet; wenn sie
vorkommen, ist frühzeitiger Unterbau nötig.
Unter gegebenen Bedingungen, z. B. in frischen, sonnigen Gebirgslagen, stellt
sich Anflug ein, so daß sich die natürhche Verjüngung leicht vollzieht. Doch meist
künstlicher Anbau und zwar
a) S a a t: belmfs Einsprengung der Lärche in andere Holzarten, entweder breit-
würfig oder als Plätzesaat (z. B. 2 kg Lärchen- und 5 kg Kiefernsamen zur Erzielung
einer Mischung der Kiefer mit der Lärche im Verhältnis von etwa 5 : 1, da Lärchen-
samen meist wesentlich geringere Keimfähigkeit hat als die Kiefer) ;
b) Pflanzung: meist verschultes Material (3 — 4jährig, seltener als stärkerer
Heister und dann zweckmäßig unter Einstutzen der unteren Zweige ; es kommt darauf
an, daß die Lärche ihrer Umgebung voraneilt). Anwendung der Hacke. Gewöhnlich
eingesprengt in andere Holzarten (Laubholz- wie Nadelholzbestände, Mittehvald),
einzeln oder horstweise oder in Reihen, an Wegrändern usw.
III. Gemischte Bestände.
§ 70. Angaben über die leitenden Gesichtspunkte finden sich bereits im ersten
Abschnitt, HI, § 10 flgde. Ueber die x\usführung der Kulturen ist besonders zu be-
merken, daß den langsam wüchsigen Holzarten der erforderliche Vorsprung vor ihrer
Umgebung zu gewähren ist. Dazu dient ganz besonders der Voreinbau auf Löchern
und Blößen ; namentüch die Eiche pflegt man auf diese Weise mittelst Saat oder
Pflanzung in die Buchenbestände einzumischen. In derartige Löcher köimen
auch Ahorn und Eschen im ersten Stadium der Buchenverjüngung in die Buchenbe-
stände eingebracht werden. Ebenso ist bei der Absicht einer Einmischung der
Weißtanne und Buche in die Fichtenbestände zu verfahren ^) . Der Femel-
schlagbetrieb bietet hierzu die beste Gelegenheit.
Die Anwendung der Pflanzung stärkerer Exemplare findet ihre Stelle, wenn in
den Buchenverjüngungen die edlen Holzarten erst nach erfolgter Ansamung der
Buche eingebracht werden. In diesem Falle kann ihnen der ei-wünschte Vor-
sprung nur durch Einpflanzung gut verschulter kräftiger Heister gewährt werden.
Ebenso pflanzt man Kiefern und Lärchen systematisch in die Buchenverjüngungen
ein. \A'ählt man hierbei kräftige Pflanzen, so arbeiten sich diese durch den Buchen-
wnchs hindurch, erlangen Schaftreinheit und geben hochwertige Nutzhölzer. Fichten
pflanzt man wegen der größeren Schwierigkeit ihrer Schaftreinigung besser in Gruppen
auf größeren Fehlstellen nach erfolgter Räunmng, insbesondere auf Stellen mit ver-
wildertem Boden.
Die Herstellung der Mischung von Kiefer und Fichte erfolgt auf Kahl-
schlägen durch gleichzeitigen .\nbau beider Holzarten, entweder getrennt nach den
Unterschieden des Standorts, oder in gleichmäßiger Mischung, besonders durch Saat.
1) Vergl. G a y e r, Der gemischte Wald 1886. Darin sind aucti liinsiclitlich der Kultur
eine Menge äußerst schätzbarer Erörterungen niedergelegt. -Als wesentlichstes Mittel der Erhal-
tung wertvoller Beslandesniischungen betrachtet Gayer den \" o r b a u, bei welchem die Misch-
holzart vor .\berntung des jetzt vorhandenen Bestandes eingebracht wird. Der eingesprengten
Holzart wird dadurch (neben horstweiser Isolierung, für welche bekanntlich G. im allgemeinen
eintritt) ein Altersvorsprung gegeben, hinreichend, um ihre Erhaltung wenigstens bis zur ersten
Durchfürstung zu sichern. Von da ab kann die Bestandespflege einsetzen. Warum dabei auch
der künstliche Voranbau der einzelnen Horste innerhalb einer Abteilung grundsätzlich nach
und nach erfolgen soll, ist nicht recht ersichtlich. Die üngleichförmigkeit im einzelnen Bestände
sollte nicht weiter gehen, als erforderlich ist, um die vollkräftige Entwicklung des Misch-
wuchses zu gewährleisten.
158 ^ '■ Lorey, Waldbau.
Doch ist ZU beachten, daß die Kiefer hierbei leicht vorwüchsig und sperrig wird, wenn
sie nicht in dichter Stellung erwächst, so daß sie in Schluß kommt. Ein Uebermaß
der Beimischung von Fichten ist hier vom Uebel.
In allen Misclumgen ist eine sorgfältige Bestandespflege von größter Wichtigkeit.
Durch Vorkultur eines Schutzholzes, insbesondere der Birke, hat man unter
nachträglichem Anbau des Nadelholzes ebenfalls gemischte Bestände er-
zogen, so z. B. in Bayern auf den ausgedehnten durch Nonnenfraß entstandenen Kahl-
schlägen. Der ,, Vorwald" gewährt den später emportreibenden Hauptholzarten
Schutz gegen Frost, Hitze etc.
Die Ergänzung des Oberholzes im ^littelwald, meist durch Pflanzung von
Heistern (Esche, Ahorn, Eiche), sowie von Nadelhölzern, besonders Lärchen, kann auch
als eine Begründung gemischter Bestände angesehen werden.
VierterAbschnitt.
Die Bestandeserziehung.
V 0 r b e m e r k u n g e n.
§ 71. Alle waldbaulichen Maßnahmen, welche von der Bestandesbegründung an
bis zum Zeitpunkt der Hiebsreife oder allgemeiner bis zu den direkt auf Begründung
eines Neubestandes abzielenden Wirtschaftsoperationen vorgenommen werden, ge-
hören in das Gebiet der Bestandeserzieliung. Die Bestandesbegründung ist beendet,
sobald der Boden mit derjenigen Menge entwickelungsfähiger junger Individuen be-
deckt ist, welche für das Heranwachsen eines den Wirtschaftszwecken entsprechenden
neuen Bestandes erforderlich ist. Außer der ersten Bestandesanlage gehören also zur
Bestandesbegründung auch alle Nachbesserungen, sowie die allmähliche Entnahme
des bei der natürlichen Verjüngung zunächst verbliebenen Oberstandes. Hingegen
sind alle diejenigen Eingriffe, welche planmäßig in die Substanz des neu ei-wachsenden
Bestandes erfolgen, als Maßnahmen der Bestandeserziehung aufzufassen. Beim Femel-
betrieb läßt sich eine scharfe Scheidung beider Kategorien von Wirtschaftsoperatio-
nen nicht leicht durchführen.
Aufgabe aller Bestandeserziehung oder Bestaudespflege ist es, die Entwickelung
der Bestände so zu leiten, daß sie dem Wirtschaftszweck möglichst vollkommen
entsprechen. Damit dies Ziel erreicht werde, müssen nicht nur alle Gefahren fern ge-
halten und die nachteiligen Wirkungen etwa eingetretener Beschädigungen auf ein
möglichst geringes Maß reduziert werden, sondern es muß auch der in ungefährdetem
Wachstum stehende gesunde Bestand innerhalb des durch den Wirtschaftszweck ge-
gebenen Rahmens der höchstmöglichen Leistung zugeführt werden.
Durch die Betonung des Wirtschaftszweckes ist, weil dieser wechseln kann, die
starre Schulregel vermieden. Der Wirtschaft wird eine gewisse Beweglichkeit gewahrt
und dem Willen des Waldbesitzers, dessen Interessen an verschiedenen Orten und
unter verschiedenen Umständen sehr von einander abweichende sein können, wird der
nötige Spielraum gesichert. Es kommt also vor allem darauf an, die wirtschaftlichen
Ziele, welche zu verfolgen sind, klar zu stellen. Im allgemeinen hat man das Ziel der
Wirtschaft in der höchsten Rentabilität des Betriebes zu erblicken. Da in den
meisten Fällen dem Nutzholz der höhere Wert zukommt, und unter dieser Gesamt-
rubrik wiederum die stärkeren Stangen und das Stammholz in guter marktfähiger
Ware (bestimmte Länge und Stärke, Geradschaftigkeit und Astreinheit) gewöhnlich
den Ausschlag geben, so kann man, wenigstens für die meisten Hochwaldungen, un-
Die Beslandeserziehung. § 72. I59
bedenklich die Anzucht niögUchst vielen und guten Langnutzholzes als ^^'irtschafts-
zweck hinstellen, zumal in neuerer Zeit die immer weitergehende Verwendung von
Surrogaten den Brennholzmarkt fast überall wesentlich eingeschränkt liat. Selbst-
redend sind in jedem einzelnen Falle die Absatzverhältnisse aufs sorgfältigste zu be-
achten. Die gewerblichen Verhältnisse bringen es nicht selten mit sich, daß einzelne
Sortimente örtlich eine erhöhte Bedeutung erlangen, infolge deren ihrer .Anzucht, so-
fern sie sich nicht schon beim gewöhnlichen Betrieb in genügender Menge nebenbei
ergeben, besondere Sorge gewidmet sein muß. Daß bei aller Bestandeserziehung im
Interesse des heranwachsenden Bestandes, sowie insbesondere mit Rücksicht auf
die Nachhaltigkeit der \Mrtschaft die Bodenpflege eine hei-vorragende Rolle zu
spielen hat, ist selbstverständlich, und ist auch in den bisherigen Erörterungen
schon mehrfach betont worden.
Einen Üebergang zwischen Bestandesbegründung und -erziehung bilden die-
jenigen Maßregeln, welche, unmittelbar an die Vornahme der Kultur anschließend,
die allererste Entwickelung der jungen Pflanzen fördern bezw. schützen sollen, z. B.
Ausstechen von Pflanzen in (absichtlich oder unabsichtlich) zu dichten Saaten i).
Auftreiben von Schafherden gegen Stockausschläge und gegen Unkraut, Ausschnei-
den des Grases zwischen den Saat- und Pflanzreihen, Entfernen der Unkräuter usw.
Alle diese Maßnahmen dienen zwar unzweifelhaft schon der Bestandeserziehung, kön-
nen aber auch noch als zur Ausführung der Kultur selbst gehörig oder als direkte Maß-
regeln des Forstschutzes betrachtet werden. Man bezeichnet sie gewöhnlich als Maß-
regeln der Kulturpflege. Sie sollen, da sie teils bereits oben (s. S. 117 und 139) erwähnt
wurden, teils im Forstschutz (Gefährdungen durch Gewächse) näher gewürdigt wer-
den und da die eigentliche Bestandeserziehung doch in und mit dem auf der Fläche
erwachsenden Material an H o 1 z pflanzen arbeitet, an dieser Stelle nicht weiter be-
sprochen werden.
Die Bestandeserziehung umfaßt nach dieser Abgrenzung die A u s z u g s h a u-
u n g e n , die sog. Reinigungshiebe oder A u s 1 ä u t e r u n g e n , die
D u r c h f o r s t u n g e n , den Lichtungs- und Unterbaubetrieb,
die Antastungen und die Maßregeln der B o d e n p f 1 e g e.
Erstes Kapitel.
Auszugshauungen = Räumung von Ueberhältern.
§ 72. Die Auszugshauungen entfernen solche vom vorigen Umtrieb überkom-
mene Ueberhaltstämme, welche nicht geeignet sind, bis zur Hiebsreife des jetzigen
Bestandes auszuhalten. Die ^"eranlassung liegt zumeist in den betreffenden Stämmen
selbst, indem sie vorzeitig schadhaft werden und im Zuwachs nachlassen ; zum Teil
aber fordert auch die Pflege des umgebenden Bestandes, welcher durch die oft breit-
kronigen .\ltholzstämme in seiner Entwickelung gehemmt wird, deren Aushieb. Es ist
, zu envägen, ob im Falle des Stehenlassens die Wertsmehrung des Ueberhälters für
den Zuwachsausfall am neuen Bestände ein Aequivalent bietet. (Vgl. die Ausfüh-
rungen auf Seite 54.) Die Fällung hat mit der nötigen Vorsicht (vorheriges Entasten
etc.) zu erfolgen, damit der Jungbestand möglichst wenig leidet.
1) Auf den AValdfeldbauflächen des Württembergischen Forsts Oclisenliausen wird zur
Fichten-Einsaat ein so bedeutendes Samenquantum, bis 25, ja 40 kg pro lia verwendet, daß
die auf dem sclion vorher durch landwirlschal'lliche Benutzung gelocl<erten Boden meist treff-
lich l<eimenden Pflanzen nicht alle Platz linden, sondern zum großen Teil für anderweite Kulturen
abgegeben werden, cfr. Der Waklfeldbaubetrieb im For*t Ochsenhansen, .\llff. F.-u. J.-Z. v. 1884
S. 341.
JßQ VI, L o r e y , Waldbau.
Zweites Kapitel.
Die Reinlg'ung'shiebe. (Ausläuterungen.)
§ 73. Als Reinigungshiebe bezeichnet man die Entnahme solcher Holzgewächse,
welchen bei der Bestandesbildung die Mitwirkung versagt sein soll. Es sind dies ein-
mal die Individuen solcher Holzarten, deren Anzucht überhaupt nicht beabsichtigt
ist, sodann von den das Objekt der waldbaulichen Tätigkeit bildenden Holzarten die-
jenigen Exemplare, welchen schon bei oder bald nach der Bestandesbegründung die
Fähigkeit abgesprochen werden muß, tüchtige Bestandesglieder zu werden. Hierher
gehört :
I. D e r Aushieb von V o r w ü c h s e n 2) (Wölfe). Vorwüchse sind Indi-
viduen der den Bestand bildenden Holzart, die sich schon, bevor die Fläche in Kultur
gebracht wurde, auf ihr eingefunden hatten oder die, wenn gleichzeitig mit den um-
gebenden Individuen entstanden, aus irgend einem Grunde eine die Nachbarn schä-
digende besonders rasche Entwickelung zeigen. Das ist z. B. nicht selten der Fall
bei Stockausschlägen, die sich oft ungebührlich vordrängen. Es kann dann die Frage
entstehen, ob man sie sämtlich entfernen oder sie in beschränktem Umfang durch
Belassen einzelner Loden zur Bestandesbildung beiziehen soll. Frühzeitig vorgenom-
mener Abhieb von Stockloden hat bei den meisten Holzarten, wie Eiche, Ahorn usw.
die Neubildung von solchen und damit oft neues Bedrängen der umstehenden Pflanzen
zur Folge. Es ist, falls gänzliches Entfernen beabsichtigt wird, oft zweckmäßig, wenn
man, gewissermaßen um die Stöcke lahm zu legen, zunächst auf jedem Stock eine
oder wenige Loden stehen läßt, die in der nächsten Zeit so sehr alle Kraft für sich in
Anspruch nehmen, daß die ringsum neu entstehenden Ausschläge verkümmern.
Dann werden die stehengelassenen Einzelloden, die inzwischen in ihrer isolierten Stel-
lung nicht geschadet, sondern im Gegenteil häufig vielleicht noch einen ganz wohl-
tätigen Schutzbestand gebildet hatten, nachträglich weggenommen. Inzwischen sind
die umgebenden Holzpflanzen so weit herangewachsen, daß ihnen neu erscheinende
Stockausschläge nicht mehr bedenklich werden.
In den meisten Fällen aber handelt es sich um solche Vorwüchse, die sich vor
der Vornahme der eigentlichen Verjüngung eingestellt haben. Sie kommen nament-
lich in den natürlichen Verjüngungen vor und rühren hier von Mastjahren her, deren
Ergebnis mit Rücksicht auf die Beschaffenheit des Altholzes, auf Hiebsfolge, Etats-
erfüllung usw., also in der Hauptsache aus Gründen der Forsteinrichtung, zur voll-
ständigen Bestandesverjüngung noch nicht verwendet werden konnte. Derartige
Vorwüchse bedürfen je nach ihrer Beschaffenheit einer verschiedenen Behandlung.
Eine normale Entwickelung zeigen sie meist nur auf lichteren Stellen des Bestandes
und auch da nur, wenn sie in Gruppen oder Horsten auftreten. Einzeln vorkommende
Exemplare dehnen sich meist in Aesten und Wurzeln zu sehr seitlich aus, werden
buschartig und sind nicht befähigt, sich zu guten Nutzstämmen zu entwickeln. Der
unter dem Schatten eines noch dichten Kronenschinnes in Mastjahren entstehende
Vorsvuchs vergeht, insbesondere bei Buche und Fichte, oft nach einigen .Jahren
wieder vollständig. Anders bei der Tanne, deren Jungwüchse so zäh sind, daß sie sich,
1) Zu vergleichen; Trübswetter, ,, Bedeutung des Vorwuchses für die Begründung und
Formbildung reiner und gemischter Bestände"; Tharandter Jahrbuch 35. Bd. S. 131 ff. (1885).
— Hartwig, „Wirtschaftliche Bedeutung des sog. Vorwuchses bei Begründung und Form-
bildung reiner und gemischter Waldbestände"; Forstw. Zentralbl., 1882, S. 1. — Kraft, Zur
Sperrwuchsfrage, Ztschr. f. Forst- u. Jagdw. 1891, 327. — P a h 1, Die wirtschaftliche Bedeutung
und Behandlung des Vorwuchses. AUg. F.- n, J.-Z. 1887. 37.
Die Bestandeserziehung. § 73. 161
wenn auch kümmerlich unrl ohne irgend welchen nennenswerten Zuwaclis, doch lebend
erhalten imd sich dann, wenn durch ^'orbereilungshiebe usw. die normale \"erjüngung
des Bestandes eingeleitet wird, da und dort, je nach dem verschiedenen Maße der
Lichtzufuhr und der ihnen innewohnenden Kraft, einzeln oder in Gruppen und Hor-
sten vordrängen.
Die Entscheidung darüber, ob solche Vorwüchse zu erhalten sind oder nicht, ist
unter zwei Gesiciitspunkten zu treffen. Zunächst nämlich und vor allem ist der \'or-
wuchs selbst auf seine Entwickelungsfähigkeit zu begutachten, sodann aber ist die
Frage zu erwägen, was mit den zwischen den Vorwüchsen vorhandenen Lücken ge-
schehen soll, ob sich die auf ihnen (durch Samenabfall auf natürliclienx Wege oder
durcii künstliche Kultur) entstehenden .Jung\vüchse zwischen den Vorwüchsen freudig
hinaufzuarbeiten vermögen werden oder nicht. E)ie sich im Walde darbietenden Fälle
sind äußerst mannigfaltig. Bald ist ein größerer, bald ein kleinerer Teil der Fläche mit
Vorwuchs überdeckt; bald hat letzterer einen bedeutenden, bald nur einen geringen
Vorsprung; bald sollen die Lücken mit der gleichen, bald mit einer (vielleicht rascher
wüchsigen) IMischholzart ausgefüllt werden. Kranker, vollständig verhütteter Vor-
wuchs ist, einzeln oder in Horsten, jedenfalls zu entfernen. Ebenso wird man einzelne
vorwüchsige Exemplare, auch wenn sie an sich gut sind, häufig wegnehmen, sofern
ihre fortdauernde Pflege (durch Aufastung etc.) ausgeschlossen erscheint und deshalb
Bedrängung der Nachbarpflanzen zu erwarten steht. Im übrigen aber soll man keines-
wegs radikal gegen jeden Vorwuchs vorgehen und soll nicht der ^'orliebe für gleich-
förmige, gleichalterige Bestände zu weitgehende Opfer bringen. Die Weißtannenwirt-
schaft benutzt die Vorwüchse fast überall schon lange. Dabei ist zu unterscheiden
dasjenige Vorgehen, bei dem man den Vorwuchs, wie im Femelbetrieb, als den eigent-
lichen Träger der Verjüngung betrachtet (so daß die Bezeichnung ,, Vorwuchs" dann
nicht mehr paßt) und wo dann von vornherein eine systematische Pflege dieser jungen
Anwüchse stattfindet, von derjenigen Wirtschaft (Schirmschlagbetrieb), bei der sich
der Anflug bezw. Aufschlag als eigentlicher Vorwuchs charakterisiert und nur einen
akzessorischen Bestandteil bildet. Hier kann man den lebenskräftigen Vorwuchs
ziemlich allgemein benutzen, wenn er nicht über manneshoch ist, weil dann die Hoff-
nung besteht, daß die auf den freien Plätzen dazwischen sich ansiedelnden Pflanzen
in genügender Weise nachwachsen werden. Höliere Partien können dann stehen blei-
ben, wenn sie als größere Horste erscheinen, die in sich geschlossene Beständchen
darstellen und als solche im Vergleich zu ihrer Fläche nicht zu viel Randlinie haben.
Bei unregelmäßigen Figuren der Vorwoichshorste kann Abrundung zweckmäßig sein.
Üeberhaupt erfordert der Schutz des zwischen hinein entstehenden .Jung\Michses
gegen Bedrängung durch die Vorwüchse andauernd sorgsame Beachtung. Soll kein
reiner Tannenbestand, sondern etwa ein Mischwuchs aus Tanne und Fichte i) nach-
gezogen werden, so hat man beste Gelegenheit, zwischen den Tannenvorwüchsen die
Fichte zur Pflanzung einzubringen.
Besondere ^'orsicht erfordert das Aushauen der Vorwüchse dann, wenn es nicht
in frühester Jugend, sondern bei schon etwas vorgeschrittener Entwickelung des Be-
standes (Gertenholzalter) erfolgen muß. Dann hat man einerseits zu sorgen, daß durch
den Aushieb keine Lücken entstehen, andererseits dafür, daß niclit in der Folge die
ringsum erwachsenen schlanken Stämmchen, ihrer Stütze beraubt, sich umlegen.
Ist dies, wie insbesondere in Laubholzhegen nicht selten, zu befürchten, so muß
1) Wie z. B. vielfach im würltemb. Schwarzwalde; cfr. u. a. auch Paiil, ,,\Virtschaftliclie
Bedeutung und Behandlung des Vorwuchses". Allg. F.- u. J.-Z. v. 1887, S. 37 und S. 2.S6.
Haudb. d. Forätwiss. 3. Aufl. 11. 11
162 VI. Lorey, Waldbau.
man sich zunächst auf bloßes Köpfen der Vorwüchse in entsprechender Höhe be-
schränken.
Oberster Grundsatz bleibt immer, daß die Vorwüchse nur insoweit beizube-
halten sind, als sie einen wirklich brauchbaren, allen Anforderungen bezüglich nor-
maler Entwickelung genügenden Bestandesteil zu liefern versprechen und nicht durch
später nötig werdende erweiterte Bestandespflege (Randverdämmung), sowie event.
durch Vermehrung der Frostgefahr (geringerer Luftzug) die Vorteile paralysieren,
welche sie durch höheres Alter, durch ihren Zuwachs, sowie durch die Ersparung an
Kulturkosten gewähren können. Sorgfältige Erwägung des einzelnen Falles ist ge-
boten.
Die Entfernung der Vorwüchse kann je nach Umständen mittelst der Säge, der
Axt und des Beils, der Heppe, des amerikanischen Buschmessers oder der Durch-
forstungsschere vorgenommen werden. In letzterem Falle ist nur eine solche mit
konvexer Schneide vollkommen leistungsfähig.
§ 74. II. Ausjätungen (Ausläuterungen), d.i. die Entnahme von Exem-
plaren anderer als der das Wirtschaftsobjekt bildenden Holzarten, sowie auch von
Exemplaren der letzteren bei übermäßig dichtem Stand im jugendhchen Alter i).
Im ersteren Falle hat man es meist mit spontanem Auftreten zu tun, und zwar
sind es gewöhnlich raschwüchsige Laubhölzer (Baum- und Straucharten), die sich in
die jungen Hegen eindrängen und durch Verdammen der Hauptholzarten nachteihg
werden, indem sie vermöge ihrer oft ungemein kräftigen Entwicklung den Boden und
den oberirdischen Wachsraum ungebührlich in Anspruch nehmen. Von Nadelhölzern
tritt fast nur die gemeine Kiefer ab und zu in der angedeuteten Weise auf: Anflug
von Mutterbäumen, der dann gelegentlich durch einen sperrigen Wuchs unbequem
wird. Weil iiuii die Reproduktionskraft fehlt, läßt er sich durch Aushieb aber leicht
meistern. Auch Laubsträucher, wie Lonicera, Prunus spinosa, Crataegus, Rhamnus,
Cornus, Viburnum u. a. m., sind nicht für längere Dauer bedenklich. Sie können zwar
einer jungen Kultur, wenn sie nicht rechtzeitig herausgehauen werden, bei reichlichem
Vorkommen übel mitspielen, werden aber gewöhnlich in einigen Jahren von dem
jungen Holzbestande so vollständig überwachsen, daß ihre Stockausschläge sich nicht
mehr hindurchzuarbeiten vermögen. Von da ab spielen sie, sofern sie sich überhaupt
noch lebend erhalten können, die Rolle eines unschädüchen Bodenholzes.
Von diesen Strauchhölzern sind die sog. weichen Laubhölzer zu unterscheiden,
die sich baumartig entwickeln, wie Salweide, Birke ^) und Aspe. Sie finden sich durch
Samenanflug oder als Stockausschlag leicht ein und zeichnen sich, da sie meist geringe
Bodenansprüche machen, zumal auch auf schlechteren Standorten, durch Rasch-
wüchsigkeit und relativ bedeutendes Höhenwachstum aus. Man hat es in der Hand,
auch diese Holzarten durch energischen Aushieb zurückzudrängen. Oft muß man in
kurzer Zeit die Maßregel mehrmals wiederholen, um ihrer Herr zu werden. Aber auch
hier ist radikales Vorgehen keineswegs immer als Regel zu empfehlen. Es ist vielmehr
zunächst ein wesentlicher Unterschied, ob sie sich in Laubholz- oder in Nadelholz-
hegen finden; nur in letzteren sind sie im allgemeinen bedenkliche Gäste. Besonders
reichlich stellen sie sich begreiflich in Nadclholzkulturen dann ein, wenn diese auf ehe-
maligen Laubhnlz-, namentlich Mittelwaldböden angelegt wurden. Wird Stockrodung
in solchen Fällen unterlassen oder nur unvollständig durchgeführt, so ist naturgemäß
1) cfr. u. a. R e b m a n n, „Bedeutung und Ausführung der Reinigungshiebe". AUg. F.-
u. J.-Z. von 1881 S. 401 ff.
2) Die Birke pflegt, obwohl nicht Weichholz, ihres in diesem Punkte gleichartigen waldbau-
lichen Verhaltens wegen einbezogen zu werden.
Die Bestandeserziehung. § 74. Ißß
Material für Lieferung von Stock- und Wurzelausschlägen im Boden in Menge vor-
handen. Unter diesen Umständen konkurrieren dann mit den oben genannten Holz-
arten auch Ausschläge von Eichen, Ahorn usw. Sobald die Kultur zum Schluß ge-
kommen ist, darf die Gefahr meist als beseitigt angesehen werden. Laubliölzer, die
mit dem Nadelholz gleichzeitig in die Höhe gehen, schaden dem letzteren, abgesehen
davon, daß sie ib.m den Platz versperren, hin und w'ieder auch durch Abpeitschen
der Knospen an den Trieben. Vorwachsende Laubhölzer, wie es die vor dem ersten,
bezw. zwischen diesem und dem zweiten Reinigungshieb entstandenen Stockaus-
schläge und Kernwüchse meistens sind, schaden, sobald sie dem Nadelholz zu reichlich
beigesellt sind, möglicherweise auch durch Beschattung. Oft aber gewähren sie
andererseits einen sehr wohltätigen Schutz gegen Frost. In solchen Fällen ist das
sonst meist gebotene frühzeitige und radikale Vorgehen gegen die eingesprengten
Laubhölzer durchaus nicht immer am Platze. Ist z. B. die Birke so weit vorwüchsig
oder wird regelmäßig so weit ausgeastet, daß sie die Nadelholzgipfeltriebe mit ihren
Zweigen nicht mehr befegen kann, so gewährt gerade sie einerseits dem Nadelholz
einen in vielen Lagen überaus dankenswerten Schutz gegen Frost und liefert ander-
seits eine unter Umständen nicht unbeträchtliclie Vornutzung in Gestalt von Besen-
reisig ^). Von der Entwickelung des Nadelholzes hängt es ab, in welchem Zeitpunkte
man später die Birke herauszuhauen hat; sie ergibt dann gute Wagnerhölzer. Einzelne
Exemplare läßt man wohl auch einwachsen, damit sie nach dem Abtrieb die Fläche
mit dem für die Neukultur als Schutzbestand meist erwünschten Anflug versorgen.
In Laubholzverjüngungen ist die Beurteilung der ohne Zutun und oft gegen den
Willen des Wirtschafters auftretenden Weichhölzer nicht so generell gegeben. Haupt-
sächlich sind die ^'erjüngungen der Rotbuche von Weichholz und Hornbaum meist
mehr oder weniger reichlich durchsetzt. Wenn der Hornbaum durch massenhaftes
Auftreten seiner vordringlichen Jungwlichse die empfindlichere Rotbuche schädigt,
liegt meist ein \'erschulden der Wirtschaft vor, indem man nicht rechtzeitig im Vor-
bereitungsschlag oder schon vorher bei den letzten Durchforstungen für Aushieb der
überzähligen Hornbäume gesorgt hat. Einige belassene Exemplare genügen, um die
immerhin erwünschte mäßige Beimischung dieser Holzart zu sichern. Die Weich-
hölzer fliegen, sofern nicht ungerodete Stöcke und Wurzeln für Stockausschläge bezw.
Wurzelbrut sorgen, meist von weit her in den Hegen an. Da sie lichtkronige Hölzer
sind, ist ihre beschattende Wirkung meist nicht sehr von Belang. Da sie weiterhin
zum Teil sehr gut nutzbare Holzarten sind, so soll man ihnen, vorausgesetzt, daß sie
nur mehr vereinzelt, nicht aber in größeren Gruppen und Horsten auftreten, einen
bescheidenen Platz wohl gönnen, so lange und in solchem Umfange, als sie auf dem
Holzmarkte durch ihren Preis die ihnen gewährte Nachsicht lohnen. Auch können
sie wohl einige Bedeutung als Wildfutter haben. Schlimmsten Falles kann man ja
bei Gelegenheit der Durchforstungen noch einschreiten.
Zu den Reinigungshieben gehört schließUch auch die Entnahme von Holzarten,
die der Wirtschafter mit der bewußten Absicht vorübergehender Benutzung bei der Be-
standesbegründung als Schutz- und Treibholz für die Wirtschaftsholzart eingebracht
1) X e u m e i s t e r, Wichtigkeit des Birlcenanflugs. Thar. Jhrb. 1885, 225. Schier,
Ueber die finanzielle Bedeutung der Birke als vorübergehendes Mischholz in Fichlenbeständen.
Forstwiss. Zbl. 1892, 604. — Nach Mitteilungen des Kgl. Württembg. Revieramts Bebenhausen
sind in den Staatswaldungen desselben auf einer Gesamtfläche der 1 — 40jährigen Nadelholz-
orte von etwa 450 ha (bei sehr ungleichmäßiger Verteilung der eingesprengten Birken) in den
Jahren 1881 — 1885 im ganzen an Birkenreisig geerntet worden: a) Besenreisig 3874 Wellen =
77,5 fm, Erlös = 1596,33 Mk., mithin für 1 fm = 20,6 Mk.; b) Brennholz-Wellen (die dickeren,
zu Besen nicht tauglichen Reiser) 5045 Stück = 100,9 fm = 790 Mk.; zusammen also durch-
schnittlich jährlicher Ertrag = 47 7 Mk.
11*
Jß4 ^ I- Lorey, Waldbau.
hat. Einer der häufigsten dieser Fälle ist die Entnahme der Kiefer aus Ficlitenbe-
ständen, die durch die Kiefernbeimischung über Frosteinwirkungen in der Jugend-
periode hinweggebracht werden sollten und nun, naclidem dieser Zweck erreicht ist,
vom Druck der vorwüchsigen und sperrig sich entwickelnden Kiefern befreit werden.
Auf allen weniger kräftigen und trockeneren Böden ist bei der Läuterung der Kiefer
zugunsten der Fichte mit großer ^'orsicht zu verfahren. Schneidelung. Köpfen, Ein-
knicken der Kiefer kann unter Umständen vorteilhafter sein als radikales Heraushacken.
Die Läuterungshiebe bedürfen in solchen Orten geschickter Führung, öfterer Wiedei"-
holung und sind solange fortzusetzen, bis sie mit den Durchforstungen verschmelzen ^).
Die ebenfalls zu den Ausläuterungen gehörende \'erdünnung zu dichter .Jung-
wüchse, sowohl im Nadelholz, als auch im Laubholz, erfolgt durch Ausschneiden der
Einzelindividuen oder durch gassenartige Durchhiebe, letzteres besonders in dichten
Nadelholzsaaten nach v. Holleben in Rudolstadt. An den Rändern dieser Gassen ent-
wickeln sich einzelne stärkere Stämmchen kräftig und übernehmen die Führung.
Von den Durchforstungen untersclieiden sich diese Aushiebe ihrem ^^'esen nach da-
durch, daß sie ein geringwertiges Material und daher meistens keinen Reinertrag
liefern, vielmehr Zuschüsse erfordern.
Drittes Kapitel.
Die Durehforstungen^i.
§ 75. L Begriff: Man versteht unter Durchforstungen die zum Zwecke
der Erziehung und Nutzung stattfindenden planmäßigen Hauungen in dem aus dem
laufenden Umtrieb stammenden Material ^) eines Bestandes. Sie folgen den Läute-
rungen, wiederholen sich bis zur Hiebsreife und stellen keine bis zum förmlichen
Lichtungshieb gesteigerten Eingriffe in die Bestandesmasse dar.
Die Durchforstuniren erstreciien sich besonders auf das zurückbleibende, sowie das für
die vorteilhafte Entwicklung des Bestandes unsreeignete Material, um auf diese Weise durch
die freiere Stellung der verbleibenden Stämme deren Massen- und Wertsproduktion zu fördern
und durch den Erlös aus dem anfallenden Material Erträge zu gewähren. Bei ihrer Ausführung
1) Vgl. V. F a 1 c k c n s t e i n, lieber planmäßige Durchläuterungen unserer Jungbe-
stände. Allg. F.- u. J.-Z. 1899. 225. — Pause, Läuterungshiebe in Mischbeständen von
Fichte und Kiefer. Thar. Jahrb. 1904. 132.
2) Man vergleiche außer den im Eingang unter Literatur genannten ^\■aldbausch^iften u. a.:
B a u r, Dr. Franz von: „Zur Geschichte der Durchforstungen'. Forstw. Zentralblatt von 1882,
S. 21 ff. und S. 205 ff. — De r s., ,,Ueber Durchforstungen und Durchtorstungsversuche" in Gang-
hofers „Versuchswesen" H. Bd. S. 209 ff. — v. F i s c h b a c h, ,,Zur Weiterentwicklung der
Lehre von den Durchforstungen". Forstw. Zentralblatt v. 1884 S. 426 ff., v. 1885 S. 466 u. S. 553.
— Der s., ,,Die wirtschaftl. Leistungen des Voll- und Abtriebsbestandes, sowie der verschiedenen
Stammklassen". Zentralbl. f. d. ges. Forstwesen, 1885, 293. — B o r g g r e v e, ..Zur Plänter-
durchforstung". Forstl. Blätter von 1887 S. 22ö ff. — L a n d o l t in d. Schweiz. Zeitschr. 1885
S. 27. — S p e i d e l, Waldbauliche Forschungen in württembergischen Fichtenbeständen mit
Beiträgen zur Wirtschaftsgeschichte, Zuwachs- und Durchforstungslehre 1889. — L a s c li k e,
„Oekonomik des Durchforstungsbetriebes" 1901. — Der s., ..Geschichtliche Entwickelung des
Durchforstungsbetriebes" etc. 1902. — K o z e -^"n i k, ,,Die Bestandespflege mittelst der Lich-
tung nach Stammzahltafeln" 1898. — Ha u g, ,, Beitrag zu der Durchforstungsfrage" .\. F.-u. J.-Z.
1894 — 1897 (versch. Abhandlungen). — D e r s., ,,Die Stanimzahlfrage und ihre Bedeutung
für die Bestandespflege" A. F.- u. J.-Z. 1899, S. 8. — H a u s r a t h ..Zur Geschichte der Durch-
forstungen" F. Zbl. 1896 S. 536. — M a y r, ,, Die Erziehungshiebe (Durchforstungen) der neuen
Schule" A. F.- u. J.-Z. 1899 S. 153. — Seh ü p f e r, ,,Die Entwickelung des Durchforstungs-
betriebes in Theorie und Praxis seit der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts dargestellt unter besonderer
Berücksichtigung der bayrischen \'erhältnisse" 1903. — Kraft, Gustav, Beiträge zur Lehre
von den Durchforstungen, Schlagstellungen und Lichtungshieben. Hannover 1884. — D e r s.,
Beiträge zur Durchforstungs- und Lichtungsfragc Hannover 1889.
3) Die Fällung von aus dem vorigen Lmtrieb üiierkommenen Stämmen wird als Auszugs-
hieb besonders unterschieden. N'ergl. erstes K.n>ili'l dieses Abschnitts.
Die Bcstandeserziehiing, § 76. 165
setzt man immci' den Wiedereintritt des ?elilusse> bis zur Wiederliolung voraus, was bei den
Liclitun^slüeben. die eine dauenule Sclilußunterbrecluing im Gefolge liaben, nicht der Fall ist.
Im Sinne der Forsteinriclitunfr hört, wo die Einteiluni; in äOjährige Perioden vorliegt, das Ge-
,biet der Durchl'orslungen im allgemeinen bei den Waldorlen der ersten, die ältesten Bestände um-
fassenden Periode auf. In Forstbetrieben inil nur 10jährigen Wirtschaftszeiträumen findet
diese Bestimmung sinngemäße .Vnwendung auf die in den laufenden Wirtschaftsplan zum Kahl-
hieb oder zur natürlichen N'erjüngung eingestellten Bestände oder Bestandsteile. Eingriffe
in die Bestände der ältesten Klassen, soweit sie nicht schon starke, mit der \'erjOngung in Ver-
bindung stehende Lichtungen darstellen, nennt man entweder V o r e n t n a h m e n oder
Durchhiebe und rechnet ihren F.rtrag nicht mehr zur Zwischen-, sondern vielmehr zur
Hauptnutzung. Ueberdies sollen nach den meisten bezüglichen Instruktionen auch solche
Eingriffe in das Bestandsmaterial jüngerer Orte zur Hauptnutzung gereclmet werden, welche
eine fühlbare Schniälerung des Haubarkeitsertrages nach sich ziehen, oder die so bedeutend
sind, daß die normale Weiterentwiekelung des betreffenden Bestandes ohne Füllung der ent-
standenen Lücken durch Anbau erwartet werden kann. Die planmäßigen Hiebe der letzt-
bezeichneten Art sollen als ,,Liclitungshiebe" besonders betrachtet werden ^).
§ 76. II. Zweck: Die Durchforstungen ergeben sich als wirtschaftliche Maß-
regel aus der Beobachtung der BesLandesentwickehmg. Letztere ist durch die einfache
Tatsache gekennzeichnet, daß im Haubarkeitsalter nur noch ein verhältnismäßig
kleiner Teil derjenigen Individuen vorhanden ist, welche ursprünglich den Jung-
bestand bildeten. Die einzelnen Bäume haben im Verlauf ihrer Entwickelungeine solche
Ausbildung erlangt, daß auf gegebener Fläche nicht mehr als eine gewisse Anzahl Platz
findet, während sich die nunmehrigen Altholzstämme in den früheren Lebensperio-
den in der Gesellschaft einer mit zunehmendem Alter des Bestandes naturgemäß stets
kleiner werdenden Menge von Genossen befanden, die von vornherein von der Natur
oder dem Wirtschafter meist als gleichberechtigt nebeneinandergestellt worden
waren -). (Das gilt keineswegs nur von der Saat oder Pflanzung, sondern auch von
der natürlichen ^'erjüngung, durch welche ein ^'orzug einzelnen Individuen a priori
allgemein nicht eingeräumt worden ist.) Die Zahl der Individuen war bei der Bestan-
desbegründung im allgemeinen so bemessen worden, daß früher oder später Bestandes-
1) cfr. L o r e y, ,, Durchforstung oder Lichtungshieb""? Allg. F.-u. J.-Z. von 1881, S. 406 ff.
2) Dieser Auffassung entspricht es freilich nicht mehr, wenn Oberforstrat Dr. von Fisch-
bach (Zentralblatt f. d. ges. Forstwesen, Juli 1885) empfiehlt, schon im Jungbestande, womög-
lich schon bei Vornahme der Kultur, diejenigen Individuen zu bezeichnen, welche später den
Haubarkeitsbestand zu bilden haben, und diesen dann, damit sie ihr Ziel erreichen, eine besonders
sorgfältige Pflege angedeihen zu lassen, alle übrigen Pflanzen aber, welche zur Deckung des Bodens
etc. von Anfang an notwendig sind, nur als Füllholz zu behandeln. Leitend ist bei diesem Vor-
schlag die Tatsache, daß im geschlossenen Bestand die stärkste Stammklasse andauernd (wie
insbes. auch Wag euer s. Z. nachgewiesen hat) weitaus am meisten produziert, daß man ferner
an Kulturkosten sparen müsse und nicht minder an Zeit, indem man jene für das .\btriebsalter
prädestinierten Individuen in allseits unbehinderter Entwickelung möglichst rasch einer den .An-
forderungen des Marktes entsprechenden Stärke und Höhe zuführt. Was starke Durchforstungen,
Freihauungen, Lichtungshiebe etc. sonst erst von einem späteren Stadium der Bestandesent-
wickelung an erstreben, soll hier schon von der ersten Jugend an durchgeführt werden. — Den
gleichen Gedanken verfolgt neuerdings M a y r (Waldbau, S. 426) in der von ihm empfohlenen
,,\ uswahlpflanznn g". Darnach sollen bei der Kulturausführung die besten, schönsten,
geradschafligsten und kräftigsten Pflanzen in einem Verband von 4 — 5 m ausgepflanzt werden.
In die Zwischenräume zwischen je 2 dieser Qualitätspflanzen sollen 2 mindergute derselben
Holzart zu stehen kommen. Es sei dann anzunelimen, daß die bestgeformten und schnellwüchsig-
sten Individuen die Führung im Bestände beibehalten und nach Unterdrückung des Zwischen-
bestandes den Hauptbestand bilden werden. Der späteren Bestandserziehung würde dadurch
ihre .\ufgabe wesentlich erleichtert. — Der Durchführung dieses Gedankens stehen erhebliche
Bedenken entgegen. Jedenfalls müßte angejichts der vielen Fährlichkeiten, mit denen der einzelne
Baum zu kämpfen hat, von vornherein eine die Zahl der Stämme des Altholzes beträchtlich
übersteigende Menge solcher Pfleglinge vorgesehen werden. Weiterhin liegt die sehr beachtliche
Gefahr vor, daß sich die schnellwüchsigeren Pflanzen unter .Ausnutzung des von ihren Nachbarn
nicht hinreichend umstrittenen Wachsraums zwar im Sinne der Steigerung des .Massenertrages,
aber durchaus nicht im Sinne der Erhöhung der Autzholzgüte entwickeln. — Bei unseren
Kulturen mit Exoten verfahren wir seit Jahren vielfach in dieser Weise, um an dem teuren Pflanz-
material zu sparen. — \'ergl. übrigens die gegenteilige Ansicht von Frey im forstw. Zentralbl.
von 1886, S. 242 ff.
166 VI. L 0 r e y , Waldbau.
Schluß eintrat. Mindestens von dem Augenblicke an, wo die einzelnen Individuen
bei ihrer Ausdehnung sich berühren, muß nun ein Kampf um die Herrschaft be-
ginnen, der, je nach Holzart, Bodenbeschaffenheit usw. mit verschiedener Heftigkeit ge-
führt wird und die bald mehr bald weniger deutlich zutage tretende Trennung in einen
dominierenden und einen unterdrückten Bestandesteil zur Folge hat. Meist sehr bald
werden bei diesem Prozeß der natürlichen Ausscheidung zunächst einzelne Indi-
viduen entschieden vorwüchsig, ebenso wie andererseits auch sehr bald eine Minder-
zahl unzweifelhaft derart zurückbleibt, daß an ihr normales Emporwachsen ohne das
Eintreten besonders begünstigender Umstände nicht mehr zu denken ist. Aber auch
bei der vorerst sich noch zwischen diesen Extremen haltenden Hauptmasse zeigt
sich doch sehr bald die Scheidung in mehrere Klassen, denen demnächst im Bestandes-
leben eine sehr verschiedene Rolle zufällt.
Die Ausscheidung vollzieht sich im allgemeinen früher, energischer und mit schärfer
markierten Unterschieden auf guten Standorten. Das gleiche gilt von Lichthölzern gegenüber
schattenertragenden, bei welchen wenigstens die zurückbleibenden Staramklassen sich meist
weniger deutlich in absolut leistungsunfähige umsetzen. Daß die von vornherein gewählte Be-
standesdichte hierbei von Einfluß ist, leuchtet ein.
Den schon ganz im Anfang alle Nachbarn überragenden Individuen gesellen sich
aus der Zahl der übrigen so viele bei, als neben ihnen genügenden Entwickelungsraum
finden. Aber sie erringen sich ihren Platz stets nur durch Kampf mit den Stämmen
ihrer Umgebung, die zunächst das gleiche Recht beanspruchen.
Welche Bäume vorwüchsig werden, läßt sich schwer vorausbestimmen. Es gibt in jeder
Kultur stets einzelne Exemplare, die sich von vornherein durch besonders kräftigen Habitus
auszeichnen, und die Annahme liegt nahe, daß sich diese unter sonst gleichen Umständen
dauernd zu Führern im Bestand aufschwingen werden. Solche Individuen sind entweder von
Haus aus besser veranlagt '), oder sie kommen — und dieses Moment ist jedenfalls das weitaus
wichtigere — unter günstigeren äußeren Umständen wie die übrigen zur Entwickelung. .Sen-
dern sich die Bedingungen ihres Daseins zu ihren Ungunsten, so kann ein Umsetzen stattfinden,
d. h. sie können in die Klasse der zurückbleibenden Stämme verschoben werden, während um-
gekehrt andere voranstreben. Doch wird dies Ueberholtwerden seltener bei den schon in der
ersten Jugend entschieden vorwachsenden als bei Exemplaren der demnächst nachschiebenden
großen Masse anfänglich noch mitherrschender Stämmchen eintreten. Auch läßt das Umsetzen
schon gegen das Stangenholzalter hin, wenn es nicht durch die Wirtschaftsführung (.\ushieb
dominierender Exemplare usw.) beeinflußt wird, bedeutend nach und findet, nachdem sich
einmal ein kräftiger herrschender Bestand ausgeschieden hat bezw. durch Hilfe der Axt zum
Ausscheiden gebracht worden ist, überhaupt nur noch ganz ausnahmsweise statt -). Jeden-
falls ist der .\usscheidungsprozeß, so lange der Bestand in ungestörter Entwickelung sich selbst
überlassen bleibt, ein ohne Sprünge stetig fortdauernder, bis schließlich im höheren (das wirt-
schaftlich zulässige Maß meist überschreitenden) .-Mter nur noch so viele Stämme übrig sind,
als, ohne sich wechselweise zu beeinträchtigen, auf der Fläche Raum haben.
1) Es ist trotz der gegenteiligen Ausführungen B o r g g r e v e's — cfr. u. a. dessen Holz-
zucht 2. .\ufl. S. 293 flgde. — zunächst an der ,\nsicht festzuhalten, daß doch eine den Existenz-
kampf der Individuen untereinander beeinflussende verschiedene Veranlagung angenommen und
daß die tatsächlich verschiedene Entwicklung der einzelnen Pflanzen nicht nur auf Rechnung
der in verschiedenstem Maße günstigen oder ungünstigen äußeren Umstände (Feuchtigkeit,
Lockerheit des Bodens, Beschädigungen mannigfachster .\rt etc.), unter denen die Pflanzen wach-
sen, gesetzt werden darf. Selbst die allersorgfältigst, durchweg gleichmäßig (z. B. mit Hilfe von
Rasenasche u. dergl.) zubereiteten Saatbeete lassen alsbald an den erwachsenen Pflänzlingen oft
recht merkliche Unterschiede hervortreten; warum sollten diese nicht wenigstens zum Teil auf
das Samenkorn, bezw. die dem Individuum in verschiedenem Maße innewohnende Kraft zurück-
geführt werden dürfen? Die Analogie im Tierreich liegt docli zu nahe. Daß dieser Grund nicht der
wichtigste ist, daß er nicht bis ins höhere .iMter fortwirkt, sofern jene Schwächlinge von Haus aus
die zuerst unterliegenden sind, daß vielmehr, sobald der Bestandesschluß erfolgt ist und die ersten
Ausscheidungen sich vollzogen haben, in der Hauptsache äußere Umstände die Verschiedenheit
in der Entwickelung der Individuen bedingen, ist einleuchtend, wird auch kaum anders ange-
sehen.
2) Wichtig für das Prinzip der Weiserverfahren bei Aufstellung von Ertragstafeln: es ge-
nügt vollständig, wenn etwa vom mittleren Bcstandesalter an die höchsten und stärksten Stämme
auch die vorwachsenden bleiben. Zu vergl. B ü h 1 e r, Dr., Untersuchungen in einem Fichten-
bestande etc. AUg. F.- u. J.-Z. 1886 S. 1 ff.
Die Bestandeserziehung. § 76. 167
Der \'oi'gan£r ist ein durcliaus naturgemäßer, der sie!» in jedem Bestände, von
dem die wirtschaftende Hand des Mensclien fern bleibt, zwar in vielfach modifizierter
Weise, im ganzen aber doch luater den gleichen charakteristischen Erscheinungen ab-
spielt. Hinter den zur Herrschaft gelangenden Stämmen bleiben die anderen mehr
und mehr zurück, bis sie als völlig unterdrückte nur noch kümmerlich ihr Dasein
fristen, um endlich ganz abzusterben. Inzwischen ist unter den herrschenden Indivi-
duen der Kampf fortgesetzt worden. Das Zurückdrängen bislang dominierender
Stämme in die geringeren Stammklassen erreicht innerhalb der allgemein üblichen
Umtriebszeiten ein Ende ohne Zutun der Wirtschaft überhaupt niciit. Die jeweils
dominierenden bezw. am Kronenschluß noch teilnehmenden Stämme bilden den
Hauptbestand, die übrigen den Nebenbestand. Daß trotz dieses an-
dauernden Kampfes massenreiche, hochwertige Bestände erwachsen, ist zweifellos.
Ebenso unzweifelhaft ist es aber, daß — wie die Wirtschaft überhaupt sich mit der
Leistung der Natur nicht begnügen kann, sondern sich deren Wirken dienstbar ma-
chen muß, indem sie die Produktionskraft, soweit tunlich, in bestimmte Bahnen
leitet — gerade jener Kampf um die Herrschaft im Leben des Bestandes für zielbe-
■^^^.lßtes Eingreifen des Wirtschafters eine der am meisten Erfolg versprechenden Ge-
legenheiten darbietet. Es gilt, dadurch, daß man den Streit der Stämme abkürzt, ihm
womöglich vorbeugt, einen nutzlosen Kräfteverbrauch hintanzuhalten und eine be-
stinunte Qualität des Bestandes möglichst rasch zu erreichen. Dazu dienen vornehm-
lich die Durchforstungen, deren Zweck es also sein muß, fortgesetzt in angemessenen
Zwischenräumen dem Bestand so viel Stämme zu entnehmen, daß den übrigen da-
durch in möglichst kurzer Frist eine normale Ausbildung ermöglicht wird.
Die Wirtschaft hat diejenigen Stämme zu bestimmen, welche weiter wachsen sollen.
Unter welchen Umständen letzteres geschehen soll, ob die gegenseitige Spannung zwischen den
Nachbarstämmen zeitweise oder dauernd ganz aufgehoben oder nur verringert werden soll, be-
züglich bis zu welchem Grade, welche Stammklassen dem Aushieb vorzugsweise zum Opfer
fallen sollen, welche Modifikationen je nach den besonderen Umständen des einzelnen Falles
angebracht erscheinen, alles dies sind Spezialfragen der Ausführung. Jedenfalls ist eine Durch-
forstung, welche sich — wie früher vielfach und hier und da auch jetzt noch — nur auf die
Entfernung abgestorbenen oder völlig unterdrückten Holzes erstreckt, als eine die Entwicke-
lung des Bestandes fördernde Maßregel nicht anzusehen. Solches Material, das von den Nach-
barn bereits vollständig überwachsen ist, kann diesen nicht mehr wesentlich schaden, wenn
auch ab und zu ein solcher Stamm mit seiner Beastung noch die seitliche Ausbreitung eines
nebenstehenden hindert. Hiernach sollte die nur auf völlig unterdrücktes Holz gerichtete
Durchforstung mindestens dann, wenn einem stärkeren Eingriff keine Bedenken bezüglich der
Bodenpflege oder der Ausbildung der Stämme im stehenbleibenden Bestandesteil im Wege
stehen, ein überwundener Standpunkt sein. Ein zu starker .Aushieb kann unzweifelhaft die
fernere Entwickelung des Bestandes schädigen; aber ein Gewinn für den Bestand kann durch
die Durchforstung doch nur dann erzielt werden, wenn sie als vorbeugende Maßregel erscheint
oder mindestens den zum Fortwachsen bestimmten Stämmen während ihres Ringens mit
den Nachbarn tätige Hilfe bringt, nicht aber dann, wenn sie stets nachhinkt, indem sie nur
die bereits Unterlegenen beseitigt ^).
Ist aber auch die Durchforstung in erster Linie als eine der Bestandeserziehung,
der Massen- und Wertssteigerung dienende Wirtschaftsoperation zu betrachten, so
ist sie doch zugleich auch zu anderen Zwecken bestimmt, indem sie
a) eine oft sehr bedeutende Holznutzung gewährt,
b) die Bestände gegen eine Reihe von Gefahren sicher zu stellen sucht und
c) die Bodentätigkeit in günstigster Weise beeinflußt.
Zu a) Die Ergebnisse der Durchforstungen stellen Vor(= Zwischen)nutzungen
1) Von dieser .\uffassung ausgehend konnte man bei den vom Verein deutsclier forstlicher
Versuchsanstalten eingeleiteten Durchtorstungs-Versuchen die schwächste (A-)Durchforstung des
Arbeitsplanes (Beseitigung nur der absterbenden und abgestorbenen Stämme) füglich ganz bei-
seite lassen, wie dies z. B. seitens der Württenibergischen Versuchsstation tatsächlich fast überall
geschehen ist.
168 VI. Lorcy, Waldbau.
dar, deren rechnerische Behandlung (Bedeutung für die Rentabilität des Betriebs)
in der Wakhvertrechnung nachzuweisen ist. An dieser Stelle sei nur ganz im allge-
meinen darauf hingedeutet, daß sie in ihren Nachwerten die Erträge steigern und den
Produktionsfonds entlasten, und daß in diesem Einfluß jedenfalls unter Umständen
ein vollwertiges Motiv zugunsten stärkerer Vornahme der Durchforstungen erblickt
werden muß. Wie groß, absolut genommen, die bei den Durchforstungen eingehenden
Werte sind, läßt sich, ganz abgesehen von dem nach Standort, Holzart usw. abweichen-
den Verhalten der Bestände, angesichts der bei ihrer wirtschaftlichen Behandlung
herrschenden Verschiedenheit, sowie der unendlich wechselnden Absatzgelegenheiten
auch nicht in Gestalt von durchschnittlichen Beträgen mit annähernder Sicherheit an-
geben. Im einzelnen finden sich zahlreiche Mitteilungen in unserer forstlichen Literatur^),
welche aber aus den angedeuteten Gründen nur mit Vorsicht von einem Fall auf einen
anderen übertragen werden dürfen. Nicht einmal hinsichtlich der anfallenden Massen
lassen sich allgemein brauchbare Angaben machen. Je nach Gütegrad des Bestandes
und Standortes und Durchforstungsstärke schwanken die Vorerträge zwischen 25
und 50% des Gesamtertrages. Das neuere, auf stärkere Eingriffe während der zwei-
ten Umtriebshälfte zukommende Durchforstungsverfahren ergibt im allgemeinen
zwischen 35 bis 50 °ö des Gesamtertrages liegende Vorerträge und steigert diese in
einzelnen Fällen bis 60 °o der Gesamtmasse.
Um die Verschiedenheil im Werte des Durchforstungsmaterials an einzelnen Beispielen
zu zeigen, braucht man nur an die auch für die geringsten Sortimente in großen Städten gebo-
tene Vcrkaufsgelegenheit gegenüber der oft absoluten Unvcrwendbarkeit derselben im Inneren
großer, wenig aufgeschlossener Waldungen oder an die Bedeutung des Handels mit Hopfenstan-
gen in hopfenbautreibenden Gegenden zu erinnern im Gegensatze zu solchen Gebieten, denen
diese Absatzquelle fehlt usw.
Zu b) Zu den Gefahren, gegen welche die Durchforstungen einen Schutz ge-
währen bezw. gewähren können, gehören u. a. Feuer, Insektenbeschädigungen, Wind,
Schnee. Wie hoch im einzelnen dieser Vorteil anzuschlagen ist, bleibt der Beurtei-
lung des ,, Forstschutzes" überlassen. Daß aber überhaupt durch Entfernung abge-
storbenen und unterdrückten Holzes die Feuersgefahr verringert, sowie manchen In-
sektenbeschädigungen vorgebeugt wird, liegt auf der Hand; nicht minder, daß durch
fleißigen Aushieb der mit fruktifizierenden Hexenbesen behafteten Bäume in Tannen-
beständen der Verbreitung der Krebsbildung entgegengewirkt wird. Von allgemei-
nerer und größerer Bedeutung ist, daß durch zweckentsprechende rechtzeitige und
öfter wiederkehrende Durchforstungen die Widerstandsfähigkeit der Bestände gegen
Sturm und Schneeschaden-) gefördert wird.
1) Siehe z. B. Vorertragstafeln von Danckelmann für Kiefern-, Fichten- und Rot-
buchen-Hochwald (Zeitschrift für Forst- u. Jagdwesen 1887 S. 73 ff.). Daselbst sind angegeben
als Durchschnitts-Massenertrag der sämtlichen \'ornutzungen in Prozenten des Haubarkeits-
ertrags für Kiefer und Fichte ca. 40 mit geringer Schwankung in den verschiedenen Güte-
klassen, für Buche ca. 35. — Vergl. ferner K u n z e, „Ueber den Einfluß verschiedener Durchfor-
stungsgrade auf den Wachstumsgang der Rotbuche" (Tharandtcr Jahrbuch 1884 S. 37 ff.). Da-
selbst werden die Ergebnisse eines 21 Jahre lang fortgesetzten \'ersuchs mitgeteilt. — Ferner:
Die neueren und neuesten Ertragstafeln für Ficlite (Baur 1877, Kunze 1877, Scliwappach 1890
und 1902, Schiffel 1904, Flury 1907), Kiefer (Weise 1880, Kunze 1884, Schwappach 1889 und 1908,
Vorkampff-Laue 1904, Wimmenauer 1908), Buche (Baur 1881, Schuberg 1894, Schwappach 1893
und 1911, Wimmenauer 1893 und 1911, Grundner 1904, Flury 1907).
2) Bedeutende Schneebrüche des Winters 1885/86 und noch weit umfassendere des Win-
ters 1886/87 (z. B. in den Waldungen — bes. ca. 25jährigen Nadelholzhegen — des Schönbuchs
nördlich von Tübingen, worüber A. F.-u. J.-Z. 1887 S. 286 zu vergleichen) konnten freilich an der
günstigen Wirkung der Durchforstungen in dieser Richtung Zweifel aufkommen lassen, da durch-
forstete und nicht durchforstete Orte in gleicher Weise verwüstet worden sind. Aber es waren
meist kurz vorher durcldiauene Bestände, welche neben den unberührten gelitten haben; wahr-
scheinlich, daß sich, wenn allgemein schon in früherem Alter in Absicht auf die Schneegefahr
eine durchgreifende Reinigung vorgenommen worden wäre, die Beschädigungen weniger intensiv
Die Beslandeserzieliung. § 7 7. 169
Zu c) Von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit ist der schon S. 16 erwähnte
Einfluß, den der mit der Durchforstung verbundene vermehrte Wärme- und Luftzu-
tritt zum Boden auf die Zersetzung der Streu ausübt. Je mehr Standort, Holzart und
Bestaadesverfassung die Ansammlung von Trockentorfmassen wahrscheinlich ma-
ciien, um so mehr muß durch rechtzeitige und genügende Schlußunterbrechung den
atmosphärischen Venvesungsfaktoren Zutritt zum Boden verschafft werden. Die
mit der normalen Streuzersetzung verbundene Kohlensäurebildung dient der Er-
schließung der Bodennährstoffe in gleichem Maße N\ie die durch \'erwesung der Wur-
zeln herbeigeführte Bodenlockerung und Bodendurchlüftung.
§ 77. III. Grundsätze bei der Ausführung der D u r c h f o r-
s t u n g e n: Für den Durchforstungsbetrieb sind drei Fragen zu beantworten, näm-
lich: 1. wann soll man mit den betreffenden Aushieben beginnen? 2. wie stark soll
man sie greifen? und 3. wie oft soll man sie wiederholen? Die von Karl Heyer
in dieser Hinsicht gegebene Regel lautet: früh, mäßig und oft! Georg Ludwig
H a r t i g war für stete Erhaltung des Schlusses, C o 1 1 a hingegen im Interesse der
Zuwachsförderung für eine Unterbrechung desselben.
.\. Beginn der D u r c h f o r s t u n g e n : Bei der Entscheidung über den
richtigen Zeitpunkt des Durchforstungsbeginns muß man, da die Durchforstungen in
erster Linie wegen ihrer günstigen Einwirkung auf die Entwickelung des Hauptbestan-
des vorzimehmen sind, zunächst immer die für letzteren zu erwartenden \'orteile ins
Auge fassen und darf nötigenfalls selbst eine Zubuße an x\rbeitsaufwand nicht scheuen,
wenn sich der Ausfall durch raschere Erstarkung des verbleibenden Bestandteiles be-
zahlt macht. Ueberhaupt darf man die Bilanz nicht jedesmal für die einzelnen
Durchforstungen ziehen, sondern muß deren Erträge und Kosten für die ganze Le-
bensdauer des Bestandes zusaimiienrechnen und erst die Sunuuen vergleichen^).
Hierbei hat eine Vernachwertung der Erträge mit Zinseszinsen stattzufinden und zu
dieser Summe ist der Abtriebsertrag zu addieren. Unter sonst gleichen Umständen ist
derjenige Durchforstungsbetrieb der beste, welcher zu einem Maximum der Gesamt-
leistung führt.
Es ist allerdings angenehm, -wenn sich solche Wirtscliaflsoperationen wie die Durch-
forstungen gewisscrniaI3en aus sich selbst heraus bezahlt machen, aber ein Hindernis für früh-
zeitigen Beginn darf im Kostenpunkt nur in beschränl<tem Maße gefunden werden. Anderer-
seits kann sehr wohl der gänzliche Mangel an Absatz für das zu gewinnende schwache Material,
sowie das Fehlen der nötigen Arbeitskräfte da und dort der \'ornahme einer Durchforstung
erheblich im ^^"ege stehen.
Berücksichtigt man die Gefahren, welchen gerade die dichtgeschlossenen Jung-
wüchse ganz besonders ausgesetzt sind (Feuer, Schneedruck), so muß man im allge-
meinen einem möglichst frühzeitigen Anfang des Durchforstungsbetriebs das Wort
reden. Einen absolut geeignetsten Zeitpunkt kann man aber dafür weder ganz allge-
mein angeben, noch auch nur für einzelne Holzarten oder Standortskategorien be-
stimmt bezeichnen. Das entscheidende Wort hat das Aussehen des einzelnen Be-
gezeigt hätten. Hinsichtlich der Schneebruchgefahr in ihren Beziehungen zur Durchforstung ist
eine sehr beachtenswerte Studie von Professor Dr. B ü h 1 e r erschienen (Forstwiss. Zentralblatt,
Sept.-Oktbr. von 1886 S. 485 ff.), worin aus mechanisclien Gründen iiauptsächlich die Gefährlich-
keit unsymmetrisch entwickelter Kronen (einseilige Belastung durch Schnee) betont wird. Eine
dem Schneebrucli entgegenwirkende Durchforstung hat vorzugsweise die Schaffung gleichmäßig
ausgebildeter Kronen ins .\uge zu fassen. B ü h 1 e r sieht in der Durchforstung entschieden ein
Mittel gegen Schneebruchschäden, eine Ansicht, die durch die Erfalirungen der Praxis als riclitig
sich erwiesen hat und nur dann widerlegt erscheint, wenn plötzlich und sprungweis stark durch-
forstet wird und die so behandelten Bestände bald nach Ausführung der Durchforstung von
größerem Schneefall betroffen werden.
2) Man vergleiche F i s c h b a c h im forstw. Zentralbl. von 1885 S. öö3.
170 VI. Lorey, Waldbau.
Standes zu sprechen. Modifiziert wird aber das in ihm hegende Gebot jederzeit durch
die Möghchkeit der Ausführung, für welche die oben angedeuteten Gesichtspunkte
{Arbeitskräfte, Absatz etc.) maßgebend werden.
Tatsächlich wird, nach Beendigung der Reinigungshiebe, im großen Betrieb mit den
Durchforstungen auch bei Lichtholzarten Icaum vor dem 15. — 20. Lebensjahre begonnen, wäh-
rend bei Schattenhölzern, Buche, Fichte und insbesondere Tanne, oft bis ins 25., 30. Lebensjahr,
ja nocli länger zugewartet wird, obwohl es keinem Zweifel unterliegt, daß auch (und vielleicht
in hervorragendem Maße) diese Holzarten für recht frühzeitiges Eingreifen sehr dankbar sind.
§78. B. Stärke des Eingriffs und Wiederholung: Die Ant-
worten auf die beiden bezüglichen Fragen sind insofern von einander abhängig, als
es die häufigere Wiederkehr in den nämlichen Bestand gestattet, mit dem einzelnen
Hieb weniger kräftig vorzugehen, ohne daß der mehrfach betonte Hauptzweck der
Durchforstungen, die Vermeidung zu gedrängten Schlusses, vereitelt wird. .Ja, wenn
man erwägt, daß zur normalen Ausbildung des Einzelbaumes immer nur ein gewisses
Maß an Standraum erforderlich ist, während eine weitergehende Unterbrechung des
Kronenschlusses je nach Umständen für den Boden bedenkliche Folgen haben kann,
so muß man einräumen, daß es am rationellsten ist, die Durchforstungen zwar recht
oft, aber jedesmal nur in solchem Umfange vorzunehmen, wie es die vollkräftige Ent-
wickelung des Hauptbestandes gerade erheischt. Jedesmal, wann wieder Kronen-
spannung eintritt, sollte von neuem eingegriffen werden.
Meist gestaltet sich die Praxis des Durchforstungsbetriebes so, daß man in Zwischen-
räumen von 5 — 10 Jahren, manchmal noch seltener in die Bestände wiederkehrt. Zeit- und
Arbeitsaufwand, Uebersichtlichkeil der Wirtschaft, zeitweise Ruhe in den Beständen usw. sind
die Gründe gegen kürzere Perioden. Es ist naheliegend, daß man den Unzuträglichkeiten,
die mit zeitlich weiter auseinander liegenden Durchforstungen im Hinblick auf den Erziehungs-
zweck verbunden sind, zu begegnen suclit, indem man im einzelnen Falle stärker durchforstet.
Mit jener Regel bezüglich der Wiederholung und den sie begründenden Er\vä-
gungen ist aber keineswegs auch schon die Frage nach der zweclunäßigsten Stärke
des einzelnen Aushiebs beantwortet. Die Aufgabe der Durchforstung ist eine zwei-
fache: einerseits ist der jetzt envachsende Bestand zur höchstmöglichen Vollkommen-
heit herauszuarbeiten und zweitens ist die Bodenkraft ungesclmiälert, tunlichst sogar
noch erhöht an die nachfolgende Umtriebszeit zu überliefern. Beide Aufgaben stehen
sich in ihren Zielpunkten keineswegs gegenüber, sondern gehen hierin Hand in Hand,
denn eine sorgsame Schonung des Bodens kommt auch dem jetzt lebenden Bestände
zu gute. Wohl aber sind die Mittel, mit denen hinsichtlich der beiden Zwecke gear-
beitet wird, verschieden. Der Bodenschutz verlangt im allgemeinen (d. h. von den
Fällen zu großer Nässe und zu mächtiger Trockentorfanhäufung abgesehen) dichteren
Bestandesschluß, während sich die möglichst rasche Erstarkung der Bäume nur bei
Gewährung entsprechenden Wachsraumes, also nach Aufhebung stärkerer Kronen-
spannung vollziehen kann. Fraglich ist, inwieweit auf gegebener Fläche die quanti-
und qualitative Zuwachsleistung einer geringeren Anzahl mehr räumlich stehender
Bäume, deren jeder dann mit vermehrter Energie arbeitet, durch die Massen- und
Wertsmehrung i) einer größeren Anzahl gedrängter stehender, im einzelnen geringerer
Stämme aufgewogen werden kann. Alle theoretische Erörterung kann sich nur um
diese Frage drehen, da man sich für dasjenige Verfahren zu entscheiden hat, welches
unter voller Berücksichtigung des Gesamtaufwandes — Bodenkraft, Arbeit, Zeit,
Holzvorratskapital — die höchsten Werte erwirtschaftet. Hiernach also ist die Stärke
des jeweiligen Eingriffes zu bemessen.
1) Es wird unterstellt, daß der beim Verkauf erzielte Preis der äußere Ausdruck für Wert
und Gebrauchsfähigkeit der erzeugten Ware ist; wenigstens hat die Wirtschaft für die Beurtei-
lung ihrer Maßnahmen zunächst keinen anderen brauchbaren Maßstab als den im Erlös beim Pro-
duktenverkauf erreichten tatsächlichen Geldertrag.
Die Bestandeserziehung. § 78. 171
Der Wirtscliaft im ^^'alde ist mit diesen allgemeinen Erwägungen jedoch nieiit
gedient; sie fordert greifbare Anhaltspunkte.
Um solche zu gewinnen, hat man mehrfach versucht, die verschiedenen in einem Bestände
vorkommenden StammUlassen genau zu definieren. Derartige Klassifizierungen sind schon
frühzeitig unternommen worden. So oft man für die Durchforstungen gewisse Regeln begrün-
den wollte, nmßte man von einer bezüglichen Untersclieidung ausgehen. So spricht z. B. C o t t a
(Waldbau, 9. Aufl. S. 91) von abgestorbenen, absterbenden, unterdrückten, beherrschten und
herrschenden Stämmen. — Die zur Klärung aller einschlagenden \'erhältnisse von dem Verein
deutscher forstlicher Versuchsanstalten beabsichtigten Durchforstungsversuche beruhen auf
einem Arbeitsplane, welcher 1902 beschlossen wurde und in der Zeitschr. f. F.- u. J. -Wesen
1902, S. 668 abgedruckt ist. Er führt folgende Klassen auf:
I. Herrschende Stämme, welche an dem oberen Kronenschirm teilnehmen und zwar
1. Stämme mit normaler Kronenentwickclung und guter Stammform, 2. Stämme mit abnormer
Kronenentwickelung oder schlechter Stammform, a) eingeklemmte Stämme (kl), b) schlecht-
geformte N'orwüchse (vo), c) sonstige Stämme mit fehlerhafter Stammausformung, insbesondere
Zwiesel (zw), d) sogenannte Peitscher (pt), e) kranke Stämme (kr).
II. Beherrschte Stämme 3. zurückbleibende, 4. unterdrückte, 5. absterbende und
abgestorbene.
Die Durchforstungen entfernen die Stammklassen 5 — 2 zum Teil oder ganz, Stämme
der Kl. 1 nur ausnahmsweise, sow-eit dies zur Auflösung von Gruppen notwendig erscheint.
Nach Art und Grad der Durchforstungen werden unterschieden:
I. Niederdurchtors tung. 1. Schwache Durchforstung (A-Grad): ent-
fernt nur die abgestorbenen und absterbenden Stämme, sowie die niedergebogenen Stangen.
2. M ä ß i g e Durchforstung (B-Grad): entfernt die Klassen 5, i und einen Teil von 2.
3. Starke Durchforstung (C-Grad): entfernt alle Stämme mit Ausnahme der Klasse 1.
II. H o c h d u r c h f 0 r s t u n g. 1. Schwach (D-Grad): beschränkt sich auf den
Aushieb der abgestorbenen und absterbenden, niedergebogenen, ferner der schlechtgeformten
und kranken Stämme, der Zwiesel, Sperrwüchse, Peitscher, sowie derjenigen Stämme, die zur
Auflösung von Gruppen gleichwertiger Stämme entfernt werden müssen (Kl. 5, ein großer Teil
von KI. 2 und einzelne Stämme von Kl. 1). 2. Starke (E-Grad): erstrebt unmittelbar die
Pflege einer verschieden bemessenen Anzahl von Zukunftsstämmen und entfernt neben der
Klasse 5 und den kranken Stämmen alles, was die gute Kronenentwickelung der Zukunfts-
stämme behindert (Kl. 5 und Stämme der Kl. 1 und 2).
Eine andere Ausscheidung vollzog Kraft in seinen oben angeführten ,, Beiträgen zur
Lehre von den Durchforstungen", indem er nicht die Verschiedenheit des Höhenwuchses, son-
dern die Qualität der Krone als das durchschlagende Kriterium ansah. Hiernach ergeben sich
folgende Kategorien: 1. vorherrschende Stämme (mit ausnahmsweise kräftig entwickelten
Kronen); 2. herrschende (in der Regel den Hauplbestand bildende St. mit verhältnismäßig
gut entwickelten Kronen); 3. gering mitherrschende St. (Krone zwar noch ziemlich normal
geformt, aber verhältnismäßig schwach entwickelt und eingeengt, oft mit schon beginnender
Degeneration — untere Grenze des herrschenden Bestandes); 4. beherrschte Stämme (Krone
mehr oder weniger verkümmert, entweder von allen Seiten oder nur von zwei Seiten zusanmien-
gedrückt oder einseitig entwickelt), hierunter a) zwischenständige, b) teilweise unterständige
Kronen; 5. ganz unterständige Stämme, a) mit lebensfähigen Kronen, b) mit absterbenden und
abgestorbenen Kronen. — Hienach kann bestimmt angegeben werden, welche der angeführten
Klassen bei der Durchforstung der Nutzung anheimfallen sollen.
Nach allen bisherigen Auseinandersetzungen können nur in bezug auf diejenigen
Stämme Zweifel bestehen, welche sich am Kronenschliiß im Bestände noch aktiv be-
teiligen, indem sie über sich noch einen mehr oder minder großen freien Luftraum
haben oder sich wenigstens mit ihren Aesten noch in die oberen Partien der Nachbar-
kronen eindrängen, so daß letztere dadurch in ihrer seitlichen Ausbildung behindert
sind. Was an Bäumen bereits vollständig unterdrückt ist, darf — unter Nichtbeach-
tung des geringen Nährstoffverbrauchs, welcher für den unbedeutenden Zuwachs er-
forderlich ist — als für die Bestandeserziehung gleichgültig betrachtet werden. Die
Zuwachsleistung der mehr oder weniger unterständigen Stämme ist eine äußerst
geringfügige; 80 — 90 Prozent der Gesamtzuwachsleistung entfallen auf den Haupt-
bestand.
Die Ansichten darüber, wie weit man den Kronenschirm lockern soll, gehen sehr
auseinander. Wer für Unterlassen jeder Durchforstung oder für nur ganz schwaches
Eingreifen eintritt und damit sich weigert, den Kronenschluß überhaupt irgendwie
]72 "^'1- Lorey, Waldbau.
zu unterbrechen, kann sich nur auf möglichst weitgehende Sorge für den Boden-
schutz, sowie für Ausbildung glattschaftiger, astreiner, schlanker Nutzholzstännne
berufen. Bei räumlicherer Stellung produzieren die einzelnen Stämme in den heranwach-
senden Beständen, ausweislich aller neueren Untersuchungen, mehr Masse als in den
nicht oder nur ganz schwach durchforsteten Beständen. Andererseits beruht aber der
Wert stärkerer Durchforstungen, wie die Ergebnisse aller Versuchsflächen bestätigen,
nicht in einer Steigerung der Gesamtmassenproduktion, sondern lediglich in einer
Wertsmehrung. Die Gesamtmassenleistung der Bestände bleibt dieselbe, gleichviel
ob mehr oder weniger stark durchforstet bezw. gelichtet wird. Wir erzeugen nicht
mehr Masse ^), wenn wir die besten Stämme frühzeitig und nachhaltig umlichten,
der Gesamtzuwachs wird aber auch nicht kleiner, solange bei der Lichtung nicht
unter die zulässige Grenze der Stammzahl herabgegangen worden ist. Der Wert
stärkerer Durchforstungen beruht in der Konzentrierung des Zuwachses auf eine ge-
ringere Stammzahl. Das ist gleichbedeutend mit rascherer Stärken- und Wertszu-
nahme dieser Stämme und umschließt Erhöhung der Rentabilität, wenn sonst die
technische A'erwendbarkeit des in der größeren Freistellung erwachsenen Holzes nicht
gehtten hat. Die Zukunft des Waldes aber liegt, wie Heck (Freie Durchforstung 1904,
S. 63) sagt, nicht in der Massen-, sondern in der Wertwirtschaft. Dieses auch
im Worte ,, Nutzholzerziehung" ausgedrückte Leitmotiv des neuzeitlichen Wirt-
schaftswaldes führte die Durchforstungstechnik von selbst auf die schwei-wiegenden
Unterschiede, die in der Behandlung der verschiedenen Holzarten infolge ihrer aus-
einander gehenden physiologischen und biologischen Eigenschaften zu beachten sind.
Unter Berücksichtigung dieser Verschiedenheiten ■wurden vielfach für die verschie-
denen Altersstufen des Bestandes verschiedene Durchforstungsnormen aufgestellt.
Im allgemeinen gilt jetzt der Grundsatz, den Bestand bis zur Vollendung seines Haupt-
längenwachstums -) in Schluß zu halten und erst späterhin mit stärkeren Eingriffen
zu beginnen. Der Bestand soll dadurch veranlaßt werden, in der ersten Periode seines
Lebens Stämme auszubilden, die bis zu einer gewissen Höhe über dem Boden astrein ^)
sind. Der vorangehenden Pflege der Schaftform, d. h. der Ausbildung von Astreinheit,
Geradschäftigkeit und Vollholzigkeit, folgt dann die Pflege der Stärkenzunahme
durch Vergrößerung des Wachs- und Kronenraumes. Unleugbar hat dieses Verfahren
vollste Berechtigung bei allen jenen Holzarten, die nicht, wie Lärche, Fichte und
Tanne, über ein bis in hohe Alter anhaltendes Schaftlängenwachstum verfügen, son-
dern, wie unsere wirtschaftlich beachtenswertesten Laubhölzer und Kiefer, zur Ver-
ästelung des Schaftes, Kronenausbreitung und Kurzschaftigkeit hinneigen, sobald
sie von Jugend auf freien Wachsraum haben. Hier bewirkt die Erziehung im Schluß
bis zur Vollendung des Hauptlängenwachstums ein Hinausschieben der Krone, ein
1) Nur bei der Rotbuche fand S c h w a p p a c h (d. Rotbuche 1911, S. 171) auf den nach
den Grundsätzen der schwachen Hochdurchforstung behandelten Flächen der 3 ersten Standorts-
klassen gegenüber den im gewöhnlichen Schluß gehaltenen Flächen eine absolute Mehrproduktion
an Derbholz bei lOOjähr. Umtriebe von durchschnittlich 15%, bei laojähr. Umtriebe sogar von 19%.
2) Der laufend jährliche Hühenzuwachs kulminiert nach den neueren Ertragstafeln für
die Fichte durchschnittlich mit 40 — 50, die Buche mit 30 — 35, Kiefer 15 — 20, Tanne 50 — 70 Jah-
ren, der durchschnittliclie Höhenzuwachs bezüglich im Alter von 60 — 80, iO — 50, 30 und 70 — 100
Jahren.
3) Die einzelnen Holzarten verhalten sich in dieser Hinsicht sehr verschieden. Die unteren
Zweige sollen absterben, bevor sie zu stark geworden sind, um demnächst noch abgestoßen zu
werden; sie sollen keine Hornäste im Holz zurücklassen. Bei Lichthölzern erfolgt das .\bsterben
naturgemäß rascher; Laubhölzer stoßen die starken Aeste meist leichter und vollständiger ab als
Nadelhölzer, unter welchen namentlich die Fichte sich nur bei dichtem Schluß entsprechend
schnell und vollständig reinigt.
Die Bestandeserziehung. § 78. 173
Strecken des ganzen Baumes und ist das einzige Mittel, um das Laubholz und die
Kiefer zur Ausbildung nutzholztüchtiger Schaftformen zu zwingen.
Anders liegen die Verhältnisse bei Lärche, Fichte und Tanne. Bei ihnen wirkt
eine größere Lichtstellung in der Jugend nicht verzögernd, sondern anregend und
fördernd auf den HöhenwTichs ein. Hierzu gesellt sich eine Förderung des Stärken-
zuwachses, weil mit dem größeren Wachsraum die Ausbildung einer größeren Krone
in Verbindung steht. Umgekehrt werden die genannten Nadelhölzer bei Schluß-
erziehung an der Ausbildung und Erhaltung einer für ihre spätere Erstarkung not-
wendigen Krone gehindert. Da den Nadelhölzern größere Mengen entwickelungs-
fähiger Adventivknosjien nicht zur Verfügung stehen, ist es ihnen nicht möglich, eine
infolge dichten .Jugendschlusses verloren gegangene Krone im späteren freieren Stande
so zu ersetzen, daß der für eine nennenswerte Stärkenzunahme notwendige Assimi-
lationsapparat vorhanden ist. Es ist daher verständlich, wenn S c h i f f e 1 ^) in An-
lehnung an die vom Forstmeister B o h d a n e c k y auf der Herrschaft ^^'orlik in
Böhmen schon länger geübte Praxis für die Erziehung von Fichte, Tanne und Lärche
gerade die entgegengesetzten Regeln aufstellt wie für die Erziehung der Laubhölzer
und der Kiefer. Die letzteren sind dicht in der Jugend, licht im Alter, Fichte, Tanne
und Lärche aber licht in der Jugend und dichter im Alter zu erziehen. Neben sehr
weitständiger Bestandesbegründung verlangen S c h i f f e 1 für Fichte und M e r ^)
für Tanne starke Schlußunterbrechungen in der Jugend. Der Bestandesschluß und
damit der Beginn der Reinigung soll bei der Fichte bei 5 m, auf den besseren Stand-
orten erst bei 8 m Mittelhöhe eintreten. Die mit dem Schließen der Kultur infolge
der Reinigung einsetzende Kronenverkürzung soll dann durch rechtzeitig eingelegte
und öftere Durchforstungen so verzögert werden, daß die Stämme des Hauptbestandes
im Haubarkeitsalter noch zuwachskräftige, 3 bis 4 Zehntel der Schaftlänge einneh-
mende Kronen aufweisen. Die von Schiffel empfohlene freiwüchsige Jugenderziehung
ist natürlich nur dann zulässig, wenn Gefährdung der Bodenkraft ebenso wie
Grobästigkeit, Weitringigkeit und Schwammigkeit, also allgemein gesagt, Qualitäts-
minderung des Holzes nicht zur Gefolgschaft der genannten Erziehungsmethode ge-
hören. Sie ist weiter an die ^'oraussetzung gebunden, daß die gesteigerte ^lassen-
leistung, das entsprechend niedrige Abtriebsalter und der höhere Prozentsatz Stark-
holz der freiwüchsig erzogenen Bestände tatsächlich den Mehraufwand an Arbeit
und Geld ersetzen, der durch die frühzeitigen und öfter wiederholten, doch nur gering-
wertiges Material abwerfenden Durchreiserungen und Durchsclmeidungen und durch
Verringerung der besser absetzbaren Durchforstungswerte verursacht wird. Eine so
intensive Bestandspflege, wie zur Erreichung der Vorteile der freiwüchsigen Jugend-
erziehung nötig ist, ist an günstige Arbeiter- und Absatzverhällnisse gebunden.
Außerdem kommt hinzu, daß die Vornutzungen bei der Schiffel'schen Methode nach
Masse und Wert fühlbar sinken. Wie weit sich speziell dieses Moment in der Ren-
tabilität bemerkbar macht, darüber entscheiden die jeweils vorliegenden volkswirt-
schafthchen ^'erhältnisse. Es ist sicher, daß die hervorgehobenen Voraussetzungen
für erfolgreiche Anwendung der freiwüchsigen Jugenderziehung keineswegs überall
vorhanden sind, und es ist zu erwarten, daß die forstliche Praxis im großen und ganzen
1) A. Schiffel, Wuchsgesetze normaler Fichtenbestände. Heft 29 der ,, .Mitteilungen
a. d. forstl. Versuchswesen Oesterreichs". — D e r s. über Bestandserziehung, Zbl. f. d. ges. Forst-
wesen 1906, 333, 405. — S c h w a p p a c h, Wie sind junge Fichtenbestände zu durcliforsten,
Ztschr. f. Forst- u. Jagdw. 1905, S. 11. — R e b e 1, Die Worliker Bestandserzieluing, Forstwiss.
Zbl. 1905, 239.
2) M e r, Moyens d'accroitre la production de bois d'oeuvre. Revue des eaux et forets
1905, 513.
174 ^ I- L o r e y , Waldbau.
auch bei der Pflege der Fichten-, Tannen- und Lärchenbestände an dem Grundsatz
festhalten wird, dem Durchforstungsbetriebe nicht vor, sondern erst nach der Periode
des Hauptlängenwachstums größere Freiheit zu gewähren. Damit soll der absoluten
Schonung des Hauptbestandes während der Jugendperiode des Bestandes aber keines-
wegs das Wort geredet sein. Das bei der Bestandeserziehung mehr und mehr in den
Vordergrund tretende Prinzip der Schaftpflege verlangt vielmehr eine möglichst früh-
zeitige Beseitigung aller jener Glieder des Hauptbestandes, die mit irgend einer un-
erwünschten Eigenschaft behaftet sind. Zu diesen gehören nicht nur die kranken und
schlechtformigen Stämme, sondern unter Umständen auch ein Teil der vorwüchsigsten
und damit meist auch stärksten Stämme. Der Tatsache, daß solche Vorwüchse sehr
oft nicht über die besten Schaftformen verfügen, namentlich nicht bei Buche und
Kiefer, tritt noch der weitere Nachteil zur Seite, daß durch sie oft eine mehr oder
minder große Anzahl von entwicklungsfähigen, zuwachstüchtigen Nachbarn zurück-
gehalten wird. Die rechtzeitige Entfernung dieser Vorwüchse (,, Protzen" im Sinne
Borggreves) bedeutet für den Bestand trotz der Entnahme eines Teiles der zuwachs-
kräftigsten Individuen keine Einbuße, sondern Gewinn an Zuwachs, einen Gewinn,
der sowohl in der Massenleistung wie auch in der Nutzholz-, also Wertsmehrung zum
Ausdruck kommt, wenn, wie wohl selbstverständlich, in erster Linie den schlecht-
formigen Vorwüchsen zu Leibe gegangen wird. Der Wert dieses von Borggreve in
seiner Plenterdurchforstung (s. dort) vertretenen Gedankens der Entnahme vorwüch-
siger Stämme zu gunsten besserer, entwickelungsfähiger Nachbarn tritt umsomehr
hervor, je jünger die Bestände sind, in denen er bei der Bestandspflege zur Richtschnur
genommen wird. Er findet neuerdings Beachtung in der Hochdurchforstung und hat
sich nach Ausweis der jüngeren Ertragstafeln von Schwappach (s. Fußnote 1 S. 168)
namentlich bei der Erziehung jener Holzarten bewährt, bei denen Sperrwüchse und
schlechte Stammformen häufiger sind, d. s. Buche, Eiche und Kiefer.
Wägt man die außerordentlich zahlreichen Erfahrungen, die mit den verschie-
denen Graden der Durchforstung gemacht worden sind und die ein reiches Für und
Wider umschließen, sorgfältig ab, so kommt man zu dem Schluß, daß im allgemei-
nen ein kräftiges Eingreifen in Form der starken Niederdurchforstung, vielfach besser
noch in Form der schwachen Hoclidurcliforstung, also ein Eingreifen, das eine zeit-
weise Unterbrechung des Kronenschlusses nicht scheut, die Regel zu bilden
hat, wenn für die Pflege des Abtriebsbestandes und dessen Entwickelung wirklich
etwas geleistet werden soll, während die auf die unterdrückten Stämme sich beschrän-
kendemäßigeodergardie schwache, nur die abgestorbenen und absterbenden begreifende
Durchforstung als Ausnahmen zu betrachten sind, für deren Berechtigung im einzelnen
Falle bestimmter Nachweis verlangt werden muß. Dies gilt, wenn nicht schon für die
allerersten Durchforstungen, so mindestens vom angehenden Stangenholzalter ab.
Abweichungen bleiben vorbehalten, und es wird niemand darüber zweifelhaft sein,
daß solche gerade in jüngeren Beständen häufig geboten sind. Wie weit übrigens die
einzelne Durchforstung mit der Lockerung im Ivronendach gehen soll, ist, wie schon
oben angedeutet wurde, wesentlich von der Häufigkeit der Wiederholung abhängig.
Die Durchforstung soll nicht den Charakter eines Lichtungshiebes annehmen; aber es
ist zu beachten, daß ein solcher noch lange nicht vorliegt, wenn vorübergehend die
Sonne da und dort im Bestände zum Boden dringen kann, während nach wenigen
Jahren schon wieder volle Kronenspannung zu ei-warten steht. Mehr als zwei Zehntel
der Bestandesmasse wird man, Kronenschluß ohne Ueberfüllung, d. h. ohne merkliche
gegenseitige Beengung, vorausgesetzt, auch bei starken Eingriffen kaum auf einmal
entfernen, hiermit aber auch meist schon einen Zustand erzielen, bei dem sich der
Die Bestandeserziehung. § 78. 175
bleibende Bestandesteil einer normalen Entwickelung erfreut. Das riclitige Maß würde
erreicht sein, wenn bis zur nächsten Durcliforstung jene mäßige Spannung, bei welcher
die Bäume mit möglichst allseits gut gebildeten Kronen sich berühren oder doch
höchstens mit den Astspitzen ineinandergreifen, wieder hergestellt wäre. Jedem
weitergehenden gegenseitigen Beengen sollte sofort durch eine neue Durchforstung
abgeholfen werden.
Anstatt den Aushieb nach S t a m m k 1 a s s e n zu regeln, ist mehrfach vor-
geschlagen worden, eine Festsetzung der zu beseitigenden Individuen nach der
S t a m m z a h 1 für 1 ha, unter Berücksichtigung der B r u s t h ö h e n d u r c h-
m e s s e r vorzunehmen, so von H a u g und K o z e s n i k (Literatur in Amn. 2 S. 164).
Hiermit in Einklang steht der schon vor langer Zeit von Oberforstrat K ö n i g in seiner
Forstmathematik gemachte Vorschlag einer Regelung des Aushiebs nach der Ab-
standszahl ( a = -T 1 d. h. dem Verhältnis der Standraumseite zum Durchmesser. M a r-
t i n 1) wünscht, daß die Kreisflächensumme [= Stammgrund-
fläche (g)] in der Durchforstungs- und Lichtungspraxis als Maßstab Anwendung
finde. Klein beginnend und bis zum mittleren Stangenholzalter stark zunehmend,
soll sie, sobald gute Schaftform der Stämme hergestellt ist, eine bestimmte,
nach Standortsgüte und Holzart verschiedene Höhe nicht mehr überschreiten,
sondern gleich bleiben wie der relative Wachsraum, d. h. wie das Verhältnis der
Krone zur Stammgrundfläche in Brusthöhe. Aller Zuwachs, welcher der Kreis-
fläche dann zugeführt wird, muß periodisch im Wege der Durchforstung entfernt
werden.
Welche Stammzahl oder welche Stammgrundfläche den größten Zuwachs
sichern, darüber fehlen noch positive Zahlen. Nur für die Buche hat Schwappach-)
neuerdings die besten Leistungen bei einer vom 60. Jahre aufwärts zwischen 20 und 25
Quadratmeter schwankenden Stammgrundfläche ermittelt. Die Abhängigkeit solcher
Zahlen von Holzart, Bonität, Alter, Wirtschaftsziel usf. läßt aber vermuten, daß das
subjektive Ermessen und der fachmännische Blick des Wirtschafters beim prak-
tischen Durchforstungsbetriebe durch solche nur mit Zeitaufwand zu benutzende
Zahlenwerte nicht verdrängt werden. Schon König sprach es aus, daß man über dem
Durchforsten selbst am besten beurteilen könne, was abkömmlich sei. Einen besser
und leichter anwendbaren Maßstab zur Bemessung der richtigen Bestandesdichte
bildet die Höhe des Kronenansatzes an den herrschenden Stämmen.
Auf Grund eingehender Untersuchungen ist die Forderung einer 30 bis 40 % der Total-
höhe einnehmenden grünen tätigen Krone vom mittleren Lebensalter des Bestan-
des bis zur Hiebsreife von verschiedenen Seiten (Martin, Schwappach, Schiffel)
aufgestellt worden.
Verschiedenheiten der Ausführung ergeben sich im einzelnen in Menge. Namentlich ist
für die erste Durchforstung im Jungbeslande die Art der Bestandesbegründung bezw. die ur-
sprüngliche Bestandesdichle maßgebend und zwar nicht nur direkt wegen des dadurch beding-
ten stärkeren oder minder starken Drängens und Ringens der einzelnen Stänimclien neben-
einander, sondern hauptsächlich mittelbar wegen ihrer Beschaffenheit. Man muß nicht seilen
eine erste Durchl'orslung schwächer führen, weil die einzelnen Stämmchen so schlank erwachsen
sind, daß jeder plölzliche stärkere Eingriff ein Umlegen derselben zur Folge haben würde.
Ebenso isl, wenn nicht freierer Stand von der ersten Jugend an widerstandsfähigere Bestände
1) Martin, Kritische \'ergleichung der wichtigsten forsttechnischen und forstpolitischen
Maßnahmen deutscher und außerdeutscher Forstverwaltungen. Ztschr. f. Forst- u. Jagdw.
1902, 635. — D e r s., Die forstliche Statik, 2. Bd. 124. — D e r s., Rückblicke a. d. \'erhandlgn.
d. 8. internal, landw. Kongreß in Wien. Tharandl. Jhrb. 1909, 133.
2) Die Rotbuche. 1911.
J76 ^'I- Lorey, Waldbau.
erzeugt hat, die SchneedrucUgefahr in dem Ivritisclien Gertenliolzalter selir zu l:ieacliten. Es ist ein
Untersctiied, ob man an steilen südlichen Hängen oder auf mäßig geneigten, frischen Nordhängen
operiert. Im allgemeinen wird man in schlechteren Lagen vorsichtiger zu Werk gehen müssen,
hauptsächlich um die Bodenlcraft zu bewahren. Man darf aber dabei auch nicht übersehen, daß
gerade schlechtere Bestände auf Standorten mit geringer Bodentätigkeit oft für die ihnen durch
wirtschaftlichen Eingriff gewährte Beihilfe besonders dankbar sind. Ebenso wird man zum
Schulz gegen das Eintreten des Windes in die Bestände {Windmäntel !) die Bestandesränder
oft weniger stark angreifen, als das Bestandesinnere '). Selbst unterdrückte Stämme sind dann
zu schonen, wenn ihr .\ushieb Lücken im Bestände verursachen würde, welche als Windfänge
oder durch Bodenaushagerung bedenklicli werden könnten. Alles in allem braucht man in vor-
geschrittenerem Bestandesalter weniger ängstlich zu sein. Dadurch, daß eine zu schwache
Durchforslung die Enlwickelung des Hauptbestandes ungebührlich zurückhält, wird meist viel
größerer Schaden angerichtet, als durch die wenigen Fälle, in welchen vielleicht durch einen zu
starken Eingriff in irgend welcher Richtung einmal ein Nachteil erfolgt.
Einen besonders starken Grad der Durchforstung erheischen W e i ß t a n n e n b e-
stände, in denen K r e b s t a n n e n vorkommen, deren Aushieb als Mittel gegen die Ver-
breitung der Krebskranklieit anzusehen ist -). Hier sind schon vom jugendlichen Alter ab die
mit Krebs behafteten Stämme aufzusuchen und zu entfernen. Ein solches N'orgehen bietet zu
keinen Bedenken Anlaß. Im Jungbestand, in welchem der Kampf gegen das Uebel zu beginnen
hat, sind die entstehenden Lücken an sich nicht bedeutend und werden durch einwachsende
Individuen bald ausgefüllt. In älteren Beständen wird durch den .\ushieb der Krebstannen,
wenn dadurch Lücken entstehen, die \'erjüngung eingeleitet, bezw. da. wo man eine femel-
schlagartige Bewirtschaftung der Weißtanne erstrebt, diese in der einfachsten Weise begonnen.
In g e m i s c h t e n Beständen^) handeil es sich immer um die Begünstigung der
wertvollen Holzart vor der minder wertvollen, durch Gewähr einer freien, die Enlwickelung
begünstigenden Stellung behufs Steigerung des Zuwachses und der Nutzholzausformung. So
z. B. ist dem Freihieb der Eiche im Buchenbestande besondere Aufmerksamkeit zu schenken,
ebenso demjenigen von Esche, Ulme, .\horn, Linde, Tanne, Lärche, sofern sie .Anwartschaft
auf Erlangung von Nutzholzqualität haben.
In jüngeren Wüchsen ist öfters, wenn schlank aufgeschossene Exemplare zu schützen
sind, die sich noch nicht zu tragen vermögen, kein vollständiges .\ushauen, sondern nur das
Einstutzen (Köpfen) der bedrängenden Stämme angezeigt. Für höhere Stangen, die nicht ge-
köpft werden können, deren Beseitigung durch Heraushacken aber auch nicht erwünscht ist,
empfiehlt May r (Waldbau, 516) Wurzelstümmelung, d. h. Durchhacken einer oder mehrerer
kräftiger Seitenwurzeln. Die dadurch herbeigeführte Verlangsamung des Wachstums erleich-
tert es dem wertvolleren Nachbarn, den notwendigen Norsprung im Höhenwuchs zu erreichen.
§79. C. Besondere Arten der Durchforslung: Der Durch-
forstungsbetrieb steht in engem Zusammenhang mit der Art des Wirtschaftsbetriebs
überhaupt. Ein allen Rücksichten im einzelnen gerecht werdender intensiver Durch-
forstungsbetrieb ist am leichtesten möglich in nicht zu ausgedehnten Revieren, deren
Verwalter die Befolgung ihrer Intentionen überall und jederzeit gehörig überwachen
können, in denen es auch weder an Absatz noch an Arbeitskräften fehlt. Die ökono-
mischen ^'erhältnisse eines Gebietes sind meist bestimmend für die Technik des Durch-
forstungsbetriebes. Dieses Moment betont L a s c h k e in seiner Schrift ,,Oekonomik
des Durchforstungsbetriebes" 1901. Die verschiedenen Durchforstungen sind, je nach
den wirtschaftlichen Zuständen der in Betracht kommenden Gegenden, berechtigt.
Je weniger der Markt schwache Sortimente verlangt, sondern auf starkes Schnittholz
gerichtet ist, um so stärkere Eingriffe sind nach der Jugendperiode angezeigt, während
andererseits guter Schleifholz- und Grubenholzabsatz die Bevorzugung schwächerer
Durchforstungen nai^elegt.
Die großen Verschiedenheiten, die allein hierdurch, weiterhin durch den
Wechsel der Holzarten und Standortsverhältnisse in die Durchforstungspraxis hin-
1) Andererseils kann stärkere Durchhauung des Beslandesrandes bei solchen Beständen,
welche für .Anwendung eines Loshiebes gegen Windwurf schon zu all sind, geradezu angezeigt
sein, um die Randslämine rascher erstarken und durch Kronen- und Wurzelausbreitung wider-
standsfähiger zu raaclien.
2) \'ergl. u. a. die \'erhandlungen des badischen Forstvereins zu Wolfach von 1884.
3) cfr. z. B. G a y e r, ..Waldbau" 4. Aufl. S. 594 ff.; N e y, „Waldbau" S. 295.
Die Bestandeserziehung. § 79. I77
eingetragen werden, machen die teilweis sehr auseinander gehenden Durchforstungs-
ansichten und die zaldreichen Reformidecn verständhch, die im Laufe der Zeit ge-
äußert worden sind. Einige der markantesten Reformvorschläge seien nachstehend
liervorgelioben :
1 . Heck hat das Prinzip der „freien D u r c h f o r s t u n g" aufgestellt ^).
Die Durchforstung soll eine von allen starren Regeln unabhängige, freie sein. Ein
teihvcises Eingreifen in den Hauptbestand unter Schonung des Nebenbestandes ist
nötig, besonders ist die Herausbildung, Begünstigung und Pflege des voraussicht-
lichen Haubarkeitsbestandes in möglichst vielen und tunlichst hochwertigen Nutz-
holzstämmen zu erstreben. Dieser Durchforstungsmethode entspricht ohne Zweifel
der E-Grad des neuesten Arbeitsplanes der forstlichen Versuchsanstalten. Offenbar
gebührt Heck die Priorität.
2. Die d ä n i s c h e D u r c h f o r s t u n g in Buchen. Auf diese hat in
Deutschland Metzger aufmerksam gemacht ^). Er bemerkt, daß der Unterschied
zwischen den deutschen und den dänischen Durchforstungen hauptsächlich darin be-
stehe, daß erstere Nutzung s-, letztere E r z i e h u n g s - Durchforstungen seien.
In Dänemark unterscheide man die Stammklassen folgendermaßen:
a) H a u p t s t ä m m e , welche wegen ihrer Geradschaftigkeit und gleich-
mäßigen Krone zu begünstigen sind und dereinst den Abtriebsbestand zu bilden haben.
b) Schädliche Nebenstämme, welche die zu erhaltenden und fort-
zubildenden Teile der Kronen der Hauptstämme schädigen und deshalb zu ent-
fernen sind.
c) N ü t z 1 i e h e N e b e n s t ä m m e , welche die Astreinheit der Haupt-
stämme fördern und (deshalb zu erhalten sind.
d) Indifferente Stämme, welche weder schaden noch nützen.
Hiernach sind die Klassen a und c zu schonen, die Klasse b ist zu beseitigen
Klasse d ist zu nutzen, soweit Absatz vorhanden ist.
Die Durchforstungen beginnen frühzeitig und mäßig; sie sollen sich in so viel
Jahren wiederholen, als das Bestandesalter Dezennien zählt. Zwischen dem 60. und
70. Lebensjahr wird alle 6 Jahre, vom 100. bis 110. Lebensjahr alle 10 Jahre durch-
forstet. Die späteren, nach Erreichung astfreier Schaftstücken von 15 m Länge statt-
findenden Durchforstungen stellen die ■'/jq der Schaftlänge einnehmenden Kronen der
Hauptstämme zum Zwecke der Herbeiführung eines beträchtlichen Lichtungszu-
wachses frei und nähern sich den Durchlichtungen. — Ein so intensiver Betrieb wie
der dänische Buchendurchforstungs- und Verjüngungsbetrieb ist in einem waldarmen
Lande wie Dänemark möglich und zweckmäßig, anderwärts steht mangelnde Ren-
tabihtät seiner Durchführung entgegen.
3. Die H o c h d u r c h f 0 r s t u n g (eclaircie par le haut) wurde in Frank-
reich nach Maßgabe der dortigen Verhältnisse, insbesondere unter dem Vorherrschen
der Eiche und der Mittelwaldbestände ausgebildet ^). Ihr Wesen besteht in dem Ein-
griff in den herrschenden Bestand unter Schonung der beherrschten Stämme. Den
Gegensatz dazu bildet die Entfernung der unterdrückten Stämme, welche eclaircie
1) Heck, „Freie Durchforstung". Mündener forstl. Hefte XIII, S. 18. — D e r s., ,,Zur
freien Durchforstung" (A. F.- u. J.-Z. 1902, S. 298). — D e r s., Die freie Durchforstung 1904.
2) Metzger, ,, Dänische Reisebilder". Mund, forstl. H. IX, S. 81. ■ — Derselbe,
„Zur Beurteilung der dänischen Forstwirtschaft". A. F.- u. J.-Z. 1898, S. 34e. — Derselbe,
Referat auf der deutschen Forstversamnilung in Schwerin 1899, „Ist die in Dänemark gebräuch-
liche .-^rt der Buchenbestandespflege bisher in Deutschland schon zur .Anwendung gelangt und
unter welchen Umständen etwa würde sich ihre Einführung in deutschen Waldungen L>ewähren?"
(s. Versammlungsbericht).
3) Empfohlen in B o p p e, ,,Trait6 de sylviculture".
Handb. d. Forstwiss. 3. Aufl. II. 12
178 VI.
par le bas genannt wird. Aehnlich der eclaircie par le haut ist die P o s t e 1 e r Durch-
forstung, durch V. Sahsch auf Postel in Schlesien gehandhabt, welche den Kronen
der herrschenden Stämme frühzeitig durch Aushieb der zurückbleibenden und mit-
herrschenden Stämme Luft schaffen will. Die unterdrückten Stämme bleiben stehen.
Das Ziel ist die Heranbildung eines hochwertigen Haubarkeitsbestandes unter Ge-
winnung tunlichst hoher Vorerträge bei vollständiger Erhaltung der Bodenkraft *).
Auch die ästhetische Wirkung dieser Durchforstungsart wird betont, indem die
Bestände nicht so leicht „durchsichtig" werden (v. S a 1 i s c h , ,, Forstästhetik",
3. Aufl. S.273). Ebenso hat sie Bedeutung zur Gewinnung von Schutz für das Wild.
4. Die Kulissendurch forstung empfahl U r i c h -) für Buche als
Lichtwuchskulissenbetrieb, d. h. kräftige Lichtungen vom 30. Jahre ab auf 15 — 20 ra
breiten Kulissen zwischen dunkel belassenen 40 — 60 m breiten Streifen. Letztere
sollen den Boden gegen Aushagerung, Laubverwehung und Vergrasung sicherstellen.
Die Lichtwuchskulissen verlaufen senkrecht zur herrschenden Windrichtung. Vom
70. Jahr an sollen die dunklen Zwischenstreifen ebenfalls stark angegriffen werden,
so daß mit 90 Jaliren der Bestand ziemlich gleichmäßig gestellt ist und zur Verjüngung
kommt. Borgmann 3) empfahl für Fichte und Tanne hörst- und g r u p p e n-
w e i s e L i c h t w u c h s d u r c h f o r s t u n g , ebenfalls zur Mehrung von Masse
und Wert. Er will die Lichtungshiebe seiner etwa 10 a großen Lichtungshorste all-
mählich ringförmig vorschreiten und an Intensität der Kronenfreihiebe abnehmen
lassen. Seine Lichtungen sollen erst mit 50 Jahren beginnen.
R e u ß *) empfahl Kulissendurch forstung, indem in streifen-
weisem Wechsel starke, mäßige und schwache Durchforstungen ausgeführt werden
sollen, um diejenigen Gefahren starker Durchforstungen zu vermeiden, welche zu er-
warten sind, wenn der ganze Bestand stark durchforstet wird.
5. Borggreve's Plenterdurchforstung^). Durch diese wird der
früher als Ausnahme betrachtete .\ushieb herrschender Stämme vom reiferen Stangen--
alter, spätestens vom ersten Beginn der Mannbarkeit ab, geradezu als das normale
Vorgehen gefordert. Prinzip dabei ist, daß durch den Aushieb dominierender Stämme
regelmäßig einer größeren oder geringeren Anzahl beherrschter (immerhin noch ent-
wickelungsfähiger) Stämme Luft gemacht wird, sodaß sie sich demnächst zu brauch-
baren Nutzstämmen herausarbeiten, während sie sonst, d. h. unter dauernder Be-
drückung seitens der bisher dominierenden Exemplare lediglich die Rolle des Füll-
holzes weiter gespielt und früher oder später ganz abständig geworden wären. Allmäh-
lich wird auf diese Weise eine möglichst große Anzahl der im Bestände überhaupt
vorhandenen Stämme einer vollgültigen Entwickelung entgegengeführt, bis bei ge-
nügend langer Umtriebszeit (140 — 160 Jahre) und fortdauernder Wiederholung (alle
10 Jahre Aushieb von 0,1 — 0,2 der Bestandesmasse, welche sich durch Zuwachssteige-
rung entsprechend wieder ergänzt) das brauchbare Material aufgezehrt ist. Inzwi-
schen hat der Bestand das denkbar mögliche Maximum an guten Nutzholzstämmen
geliefert. Die jeweils ausgeforsteten dominierenden Stämme ergeben relativ früh-
zeitig bedeutende Gelderträge ; mithin ist diese Art der Wirtschaft eine in hohem Grade
rentable. Bedingung für die Durchführbarkeit ist die Entwickelungsfähigkeit der
durch die Durchforstung freigestellten, bisher beherrschten Stämme. Ist diese ge-
sichert, so läßt sich im übrigen das Verfahren zweifelsohne durchführen; es fragt sich
1) A. F.- u. J.-Z. 1892, S. 226.
2) Forstwiss. Zbl. 1888, 16; Ztschr. f. F.- u. J.A\. 1894, S. 591.
3) Das. 1893, 689; 1895, S. 630. — W. Borgmann, A. F.- u. J.-Z. 1897, S. 225, 273.
4) Oe. F.Ztg. 1896, S. 73.
5) B o r g g r e V e, „Holzzucht". 2. Aufl. S. 302 ff., sowie ForsU. Blätter von 1887, S. 225 ff.
Die Bestandeserziehung. § 79. 179
dann nur, ob es auch genügend gut bezw. besser rentiert, als jede andere Art der
Duichforstung.
Die Möglichkeit der noch leidlich guten Entwickelung einer Mehrzahl jener
Individuen ist zuzugeben, falls die Bedrückung seither keine zu weitgehende war und
ihnen entsprechend rechtzeitig beigesprungen wird. Immerhin darf man Bedenken
tragen, die Erholungsfähigkeit so weit und so allgemein vorauszusetzen, als Borg-
greve *). Aber hiervon abgesehen darf die höhere Rentabilität der Plenterdurch-
forstung bezweifelt werden. Von den herrschenden Stämmen, falls sie allseits genü-
genden Wachsraum erhalten, ist eine Zuwachsleistung zu erwarten, welche sie befähigt,
in kürzester Zeit den Markt mit den geforderten Sortimenten zu befriedigen.
Der im 60. Jahre als prädominierend ausgehauene Stamm kann in dieser Hinsicht
doch nicht gleiches leisten wie der nämliche Stamm, falls er noch 20 oder 40 Jahre
zugewachsen wäre. Der höhere Umtrieb liefert bei der Plenterdurchforstung, da eine
Mehrheit stärkster Stämme jeweils herausgehauen wird, doch immer wieder nur
Stämme mittlerer Dimensionen. Wenn aber solche für die Befriedigung des
Marktes genügen, so ist gar nicht abzusehen, weshalb man diese Stämme nicht auf
größeren Einzelflächen mit niedrigerem Umtrieb erziehen soll, wobei auch noch alle
geringeren Sortimente, die doch ebenfalls gute marktfähige Ware darstellen, in ge-
nügender Menge anfallen. Die Plenterdurchforstung verzichtet eigentlich grundsätz-
lich auf die Nutzung der geringeren Stammklassen, da sie deren Individuen möglichst
alle noch in höhere Klassen aufrücken lassen will. Wäre dies ohne beträchtlichen Zeit-
aufwand möglich, so könnte nichts dagegen eingewendet werden. Daß die stets domi-
nierend gewesenen Stämme meist ungünstigere Stammformen haben, ist an sich wohl
richtig, wird aber durch die stärkeren Dimensionen vielfach reichlich aufgewogen (ent-
scheidend ist die Zopfstärke bei bestimmter Länge). Ebenso ist der ungünstige Einfluß
der Fruktifikation nicht in dem Maße zu fürchten, wie es Borggreve tut. Borggreve
hat vorzugsweise schlecht oder gar nicht gepflegte Bestände im Auge, in welchen eine
verhältnismäßig kleine Anzahl von Jugend auf entschieden vorwüchsiger Individuen
Luft- und Bodenraum im Bestände in übermäßiger Weise in Anspruch genommen hat,
so daß unter und neben ihnen keine auch nur annähernd gleichwertige Stämme vor-
handen sind. Solche Bestände bilden freilich nie das Ideal der Wirtschaft. In normal
bestockten und ebenso durchforsteten Beständen findet sich eine so weit gehende
Abformigkeit der herrschenden Stämme, wie die Plenterdurchforstung annimmt,
nicht. Weiterhin darf an der Plenterdurchforstung die Möglichkeit der Nachhaltig-
keit ebenso stark bezweifelt, wie der Eintritt von Bodenverhagerung und Verunkrau-
tung, von Sturmschaden (bei flachwurzelnden Holzarten) und von Wasserreiserbil-
dung (bei Eiche) als sicher angenommen werden.
Was die ,, Plenterdurchforstung" Neues darstellt, ist — dies muß scharf betont werden
— nur der als Regel hingestellte Grundsatz, auch gesunde, normal gebildete, vollkommen
nutzholztaugliche dominierende Stämme vor der Hiebsreife des Gesamtbestandes, also
gelegentlich der Zwischennutzungen lediglich deshalb herauszuhauen, weil dadurch einigen
bisher unterdrückten Individuen die Möglichkeit gewährt wird, auch noch wenigstens Mittel-
ware zu werden, während sie sonst als nur gering zuw'achsende Stämme einem einzelnen, aller-
dings besonders hochwertigen Stamme zugesellt blieben, bis sie bei einer Durchforstung als
minderwertiges Material gehauen werden. Die ganze Frage ist einfach eine solche der stati-
schen Rechnung. Und gerade die höhere Rentabilität der Plenterdurchforstung ist, ohne die
1) Es ist hier natürlich nicht der Ort, ins einzelne auf einie Diskussion der hochinteressanten
Frage einzugehen. Nur die Notiz sei angefügt, daß auch die Wirtschaft bei der Weißtanne im
Schwarzwald und in den ^"ogesen, also bei der wohl unzweifelhaft zählebigsten Schattenholzart,
zwischen den noch entwicklungsfähigen unterdrückten Tannen und denen, von welchen wegen zu
starker und zu lang andauernder seitheriger Bedrängung eine Erholung und Erstarkung nicht mehr
zu hoffen ist, sorgfältigst unterscheidet.
12*
JgO VI. L 0 r e y , Waldbau.
Anwendbarkeit der letzteren in einzelnen Fällen zu bestreiten, allgemein zunächst nicht zuzu-
geben. Insoweit die Plenterdurchforstung solche dominierende Stämme nutzt, welche aus
irgend einem Grunde (Holzart, Stammform, Kronenentwickelung usw.) nicht Träger der Nutz-
holzerzeugung im Bestände sind, fordert sie nichts anderes, als das, was bei jeder richtigen Durch-
forstung schon längst Regel war.
Die Plenterdurchforstung ist in größerem Maßstab in dem liessischen Hinter-
land des Reg.-Bez. Wiesbaden eingeführt. Eine bei Gelegenheit der Tagung des Deut-
schen Forstvereins in Wiesbaden 1900 unter Leitung Borggreves dahin unternommene
Exkursion hat eine Erörterung in der Literatur hervorgerufen, deren Ergebnis nicht
als durchgehende Anerkennung der Richtigkeit des Prinzips anzusehen ist (Bericht
über die 1. Hauptversammlung des Deutschen Forstvereins S. 200 ff., ferner Fw. Zbl.
1900, S. 589 Fürst, ,,Eine Exkursion ins Gebiet der Plenterdurchforstung" ; 1901,
S. 118, Berichtigung von Borggreve und Entgegnung von Fürst, ferner
Borggrevein Ztschr. f. F.- u. J.-W. 1901, S. 385). Es ist abschließend zu bemer-
ken, daß die Borggrevesche Plenterdurchforstung keine Zwischen nutzung, sondern
Haupt nutzung darstellt. Sie hat in ungleichwüchsigen Beständen, z. B. in Buchen-
beständen, die aus fortgewachsenem Mittelwald oder Femelwald hervorgegangen
sind, ebenso in ungleichalterigen Weißtannenbeständen, ohne Zweifel ihre volle Be-
rechtigung, und es ist ein Verdienst Borggreves, auf die Notwendigkeit bezw. Zweck-
mäßigkeit einer Beseitigung der sog. ,, Protzen" aufmerksam gemacht zu haben. Eine
Verallgemeinerung des Prinzips und die Anwendung desselben auf gleichmäßig er-
wachsene Bestände ist zu beanstanden.
§ 80. IV. D u r c h f ü h r u n g i m W aide.
a) V e r a n s c h 1 a g u n g. Für die planmäßige Durchführung eines systemati-
schen Durchforstungsbetriebes ist die Veranschlagung nach der Fläche ein wich-
tiges Erfordernis, derart, daß der Wirtschafter gebunden ist, jährlich eine gewisse
Fläche gründüch vorzunehmen, so daß die Wiederkehr in einer, im voraus zu bestim-
menden angemessenen Umlaufszeit gesichert ist. Dazu hat die Forsteinrichtung die
nötigen Bestimmungen zu treffen.
b) Holzauszeichnung. Sorgfältige Leitung des Durchforstungsbetriebs
ist eine der wichtigsten Obliegenheiten des Wirtschaftsbeamten. Ist letzterer auch in
einem größeren Reviere nicht imstande, jedes einzelne auszuforstende Exemplar in
Jungwüchsen selbst zu bezeichnen, so muß er sich doch durch entsprechend umfäng-
liche Probeauszeichnung überzeugt haben, daß seine Absichten von dem untergebenen
Personal nach allen Seiten hin vollständig verstanden sind. Auch hat er sich durch
häufig wiederholten Besuch der Durchforstungen von dem sachgemäßen Vollzug
seiner Anordnungen zu überzeugen. Zweifelsfälle sind seiner Entscheidung vorzu-
behalten. Daß siel) die Ausführung in Brennholzbeständen meist sehr viel einfacher
gestaltet, als in einer Nutzholzwirtschaft, im reinen Bestände einfacher als im gemisch-
ten, liegt auf der Hand. Im frühesten Alter des Bestandes genügt auch eine Probe-
durchforstung unter den Augen des Wirtschafters. Bei geringeren Stangen erfolgt
Auszeichnung mit dem Risser, bei stärkeren und bei Stämmen mit dem Waldhammer.
Die spezielle Auszeichnung der späteren Durchforstungen, darf, wenn diese wirkHch
alles Wünschenswerte leisten sollen, dem Wirtschaftsführer nicht erspart bleiben.
Die richtige Schlagstellung ist sofort, d. h. durch einmalige Auszeichnung anzustreben.
Laubholz ist womöglich vor Laubabfall auszuzeichnen i).
1) Die Regel, den Hieb erst schwach zu greifen, und dann eine Nachauszeichnung vorzu-
nehmen, führt keineswegs immer zu dem gewünschten Ziel einer gleichmäßigen Durehlichlung
des Bestandes. Ist eine solche bei dem ersten .Xushieb erreicht, so werden durch die Nachfällung
vielfach Ungleichförmigkeilen entstehen, zumal man mit dem Nachhieb in der Regel in stärkere
Stammklassen kommt. — In noch belaubtem Bestände bietet dichter Kronensdiluß manchmal
Die Bestandeserziehung. § 82. 181
c) H i e b s f ü h r u n g: In jüngeren Beständen kommen als Werkzeuge event.
besondere Durchforstungsmesscr, ferner die Durcbforstungsschere und die Heppe in
Betracht; demnächst haben Axt und Säge einzutreten. Durchforstungen in Jung-
wiichsen, wo nicht jedes Exemplar besonders ausgezeichnet ist, werden meist besser
ina Tagelohn ausgeführt. Die Zeit der Vornahme ist in der Regel von der Ausführung
der Hauptfällungen abhängig, indem die Durchforstungen mit diesen in passender
Weise kombiniert \\'erden müssen. Meistens führt man die Durehforstungen nach Be-
endigung der Hauplhauungen aus. Sie geben öfters neben den Ausläuterungen eine
passende Sommerarbeit für ständige Holzhauer.
Viertes Kapitel.
Unterbau und Lieht ungsbetrieb.
§ 81. Vorbemerkungen: Unter Unterbau versteht man das Einbringen
eines Unterholzes in einen vorhandenen Bestand, unter Lichtungsbetrieb einen so
kräftigen Eingriff in einen Bestand, daß die einzelnen Bäume in eine räumigere
Stellung gelangen, als sie durch den natürlichen Auslichtungsprozeß und die regel-
mäßigen Durchforstungen komnien würden. Beide, Unterbau und Lichtungsbetrieb,
bezwecken eine Steigerung des Zuwachses, der erstere hauptsächlich durch Erhaltung
bezw. Verbesserung der Bodenkraft, der letztere durch Gewährung eines vergrößerten
AA'achsraumes für Wurzeln und Krone. Im Vergleich zum nicht imterbauten ge-
schlossenen Hochwaldbestande, welcher in bestimmter Zeit Stämme von gewissen
mittleren Dimensionen erzeugt, soll durch die Lichtung entweder in der gleichen Zeit
stärkeres und damit wertvolleres Holz oder es soll gleich starkes (gleichwertiges) Holz
in kürzerer Zeit erzielt werden. In beiden Fällen hat man einen wirtschaftlichen Ge-
winn, so lange nicht die Zuwachsmehrung mit einem zu hohem Kostenaufwand ver-
bunden ist. Unterbau und Lichtungsbetrieb sind an sich verschiedene Maßregeln,
gehen aber insofern Hand in Hand, als eine gewisse Bestandeslichtung Bedingung für
gedeihlichen Unterbau ist und umgekehrt ein über das Maß einer kräftigen Durch-
forstung hinausgebender stärkerer Aushieb im Bestände öfters den Unterbau als Er-
gänzung fordert, wenn nicht eine Bodenverschlechterung eintreten soll.
I. Unterbau insbesondere i).
A. Allgemeine Gesichtspunkte.
§ 82. Der Unterbau ist in erster Linie eine Maßregel der Bodenpflege. Man
unterscheidet den zu unterbauenden Bestand und die einzubringende Holzart. Es ist
Tatsache, daß sich in allen anfänglich geschlossenen Beständen früher (bei Lichthöl-
zern) oder später (bei Schattenhölzern) von selbst eine Auslichtung vollzieht, indem
allmähüch eine immer größere Anzahl von Stämmen infolge der Bedrängung durch
Schwierigkeiten bei der Beurteilung des Werts einzelner Stämme. Immerhin aber dürfen diese we-
niger hoch veranschlagt werden, als die nach Laubabfall häufig eintretenden Zweifel bezüglich
der relativen Bedeutung von Nachbarstämmen. Es kommt hinzu, daß der Nachsommer meist
die ,,arbeits freie" Zeit des Revierverwalters ist, so daß er dann das Geschäft des Auszeichnens
ohne Kollision mit andern Arbeiten vornehmen kann.
1) Zu vergleichen u. a.: Arbeitsplan betr. Versuche über Unterbau- und Lichlungsbelrieb
im Hochwald, aufgestellt von dem ^■erein deutscher forstlicher Versuchsanstalten (siehe Jahrbuch
der preuß. Forst- u. Jagdgesetzgebung und Verwaltung XIX. Bd., 1. Heft, S. 12). — U r i c h,
„Unterbau von Lichtholzarten" (Forstw. Zentralbl. 1884, S. 472). • — Borggreve, „Lich-
tungshieb mit Unterbau" (Forstl. Blätter 1883, S. 41). — Schottvon Scholtenstein
in d. Forstl. Blättern Mai 1883, S. 145 ff.: eine Entgegnung auf den vorzitierten Artikel B o r g-
greves. — Landolt, Schweiz. Zeitschrift 1883, S. 172. — Käst, Der Unterbau und seine
wirtschaftliche Bedeutung (Z. f. d. g. F. 1889, S. 51. 102. 150). — B i e h 1 e r, Einfluß des Unter-
baues auf das Wachstum der Bäume. 1903.
182 VI.
die Nachbarn oder aus anderen Gründen abständig wird. Die hiermit gegebene Unter-
brechung des Kronenschlusses gewährt der Sonne und dem Wind Zutritt zum Boden,
welchem dadurch seine Feuchtigkeit entzogen, dann aber auch durch beschleunigte
Zersetzung der Streudecke geschadet wird. Die Humusbildung erfolgt nicht mehr im
bisherigen Verlauf. Die Ueberkleidung des Bodens mit spontan auftretenden Stand-
ortsgewächsen bietet meist kein genügendes Gegenmittel, sondern beschleunigt oft
die Aushagerung des Bodens, weil viele jener Gewächse (meist Lichtpflanzen) dem
Boden Wasser entziehen, ohne durch intensive Beschirmung und ausgiebigen Laub-
abfall, also durch Vermittelung reichlicher Humusbildung für Erhaltung, bezw. Ver-
mehrung der Boden tätigkeit zu sorgen.
Die Fälle, in welchen sich blattreiche, dichtgeschlossene Forstunkräuter so massenhaft
einstellen, daß sie Funktionen des künstlich einsrebrachten Unterholzes übernehmen könnten,
bilden nicht die Regel, zumal nicht auf mittleren Standorten, für welche der Unterbau sehr
häufig in Betracht kommt. Beste Böden (z. B. Auwaldungen) bedürfen des Unterbaues oft
nicht, weil sich Unterholz hier meist von selbst einstellt.
In ähnlicher Weise, wie durch die natürliche Auslichtung, wird die Unterbre-
chung des Kronenschlusses durch Beschädigungen, welche von außen an den Bestand
herantreten (Insekten, Sturm, Schnee), sowie durch wirtschaftliche Eingriffe herbei-
geführt. Wird nun ein solcher Bestand unterbaut, so will man durch diese Maßregel
die Leistungsfähigkeit des Bodens erhalten, wenn möglich sogar steigern oder, wäre
sie schon gesunken, den früheren Zustand wieder herstellen, von der Ueberzeugung
ausgehend, daß nur eine dauernd vollständige Bedeckung der Bodenoberfläche hierzu
geeignet ist.
Ob der erwartete Erfolg wirklich eintritt, muß demnächst die Beschaffenheit des unter-
: bauten Bestandes dartun. Der überzeugende Beweis kann nur durch den komparativen Versuch
erbracht werden, indem man von zwei im übrigen ganz gleichen Beständen (bezw. Bestandes-
teilen) den einen unterbaut, den anderen ohne Unterbau weiter behandelt, so daß die Verschie-
denheit des schließlichen Holzanfalls als eine Folge des ausgeführten oder unterlassenen Unter-
baues angesehen werden kann. Von vielen Seilen werden günstige Erfolge des Unterbaues ge-
meldet; aber es darf nicht übersehen werden, daß häufig der zu vergleichende nicht unterbaute
Bestand fehlt. Nach den Untersuchungen von Käst ist eine direkte Steigerung des Zuwachses
als Folge des Unterbaus nicht nachzuweisen, jedoch eine Mehrung der Sommerholzbildung
und eine günstige Wirkung auf den Boden. .Auch die von B i e h 1 e r näher untersuchten unter-
bauten Eichenflächen der hessischen und braunschweigischen forstlichen ^■ersuchsanstalt zeig-
ten nicht in allen Fällen einen positiven. Einfluß des Unterbaus auf das Wachstum des Ober-
holzes. Der Buchenunterbau zeigte sich hier namentlich auf den schlechten Böden wertvoll
und um so wirksamer für den Oberstand, je jünger dieser war. Gruppen- und horstweiser Un-
terbau ist weniger am Platze als voller. Wenn geltend gemacht wird '), durch den Unterbau
schaffe man für den Oberstand eine am Nährstoffkapital des Bodens mitzehrende gefährliche
Konkurrenz, so ist dies nur insoweit zuzugeben, als Teile des Unterwuchses als Treibholz mit
in die Höhe gehen und zur Nutzung herangezogen worden. Dies ist aber in erheblicherem Um-
fang meist nur dann der Fall, wenn der Oberstand bereits so stark durchlichtet ist, daß durch
ihn allein keine vollständige Auswirkung der Bodenkräfte mehr stattfindet. Aber selbst wenn
eine etwas gesteigerte Mineralstotfentnahme einträte, dürfte sie durch den günstigen Einfluß
des Unterbaues auf die physikalischen Bodeneigenschaften reichlich paralysiert werden. Da-
gegen kann allerdings der sehr dichte Unterwuchs einen Wasserentzug im Boden herbeiführen,
welcher für den Oberbestand nachteilig wird. Eine derartige bodenaustrocknende und dadurch
den Zuwachs mindernde Wirkung des Fichtenunterwuchses unter Kiefern ist durch Untersuchun-
gen von Geh. Oberforstrat Zetzsche in Meiningen nachgewiesen worden -). Zu dem glei-
chen Ergebnis führten die Untersuchungen B i e h I e r s (a. a. O.) über den Einfluß des Fichlen-
unterbaues in Kiefer. Bekannt ist die meist ungünstige Einwirkung eines Fichtenunterstandes
in Eichenbeständen. Der Meinung, daß die Fichte der „Wolf" des Laubholzes ist wie Burck-
hardt sagt, stimmen die Ermittlungen Biehlers, der in den mit Fichte unterbauten und teilweis
zopfdürr werdenden Eichenbeständen ein Sinken des Zuwachses um 3 bis 4 Zehntel beobachtete,
1) Borggreve, Holzzucht, 2. Aufl. 347 flgde.
2) A. F.- u. J.-Z. 1890 S. 269, 305. Schmidt, Bodenschutzholz und Unkrautdecke in
ihren Beziehungen zu Bodenfeuchtigkeit und Bestandeszuwachs.
Die Bestandeserziehung. § 83. 183
ebenso zu wie die Feststellung K u n z e s •), daß in einem rd. 60 jälir. Eichenbestande durch
Entnahme des Fichlenunterslandes eine auf 0,45% sich belaufende Steigerung des Flächen-
zuwachsprozeiites herbeigeführt wurde.
B. Bedingende Momente.
§ 83. Beim Unterbau kommt in Betracht: die zu unterbauende Holzart, die
einzubringende Holzart, die spezielle Aufgabe des Unterwuchses, der Boden, die Zeit
des Unterbaues, die Art der Ausführung.
1. Die zu unterbauende Holzart: Im allgemeinen werden nur
solche Holzarten unterbaut, welche für sich allein dem Boden nicht dauernd die nötige
Beschirmung gewährer, also vorab Lichthölzer. Namentlich ist Unterbau dort un-
erläßlich, wo man Starkhölzer erziehen will und hierzu Umtriebszeiten benötigt, die
jenseits des Zeitpunktes der beginnenden, energischen, natürlichen Bestandesauslich-
tung liegen-). Der Unterbau findet seine Stelle hiernach zumeist in Beständen der
Eiche, Kiefer und Lärche.
2. Die einzubringende H o 1 z a r t: Sie muß, der Natur der Sache
nach, eine schattenertragende sein, damit sie unter dem Drucke der Oberholzkronen
wuchskräftig bleibt, um die erwarteten günstigen Wirkungen auf den Boden zu ge-
währleisten. Somit kommen zunächst in Betracht Buche, Tanne und Hainbuche,
sodann Fichte, Weymouthskiefer, Linde, \\'eißerle, event. auch (für besonders nasse
Böden) Schwarzerle.
Entscheidend für die Wahl der einzubringenden Holzart ist vorab der Standort, daneben
aber der Zweck des Unterbaues. Die B u c h e ist diejenige Holzart, welche, sofern der reine
Schutzzweck in Betracht kommt, zunächst in Wahl steht, da sie durch ihren Laubabfall am
günstigsten auf den Boden wirkt. Sie taugt aber nicht in kalte, nasse Lagen. Hier wird sie
meist sehr zweckmäßig durch die Hainbuche ersetzt. Guten Erfolg verspricht auch die
Linde (selbst auf minderkräftigem Boden), doch wird man sie meist nicht eigens anbauen,
wohl aber ihr, wo sie vorhanden ist, den Platz gönnen. R o t e r 1 e kann nur ausnahmsweise
auf nassen Stellen angewendet w^erdcn, wogegen W e i ß e r 1 e auf trockenem Standorte, z. B.
auf Kalkböden in Betracht kommt. Alle diese Laubhölzer liefern, auch bei lichterer Stellung
des Oberstandes, vorwiegend nur Brennholz. Sobald von dem Unterstand auch Nutzholzpro-
duktion verlangt wird, muß man zur Tanne oder Fichte greifen. Vornehmlich eignet sich Tanne.
Sie ist nicht nur sehr zählebig unter stärkerem Schirmdruck, sowie demnächst raschwüchsig,
sobald sie freigestellt wird, sondern bleibt auch mit ihrer Wurzel nicht in der Bodenoberfläche,
diese verfUzend, und verschließt, trotz reichlicher Benadelung, den Boden nicht zu sehr. Bei
der Fichte liegt immer die Gefahr eines zu intensiven .\bschlusses des Bodens von Luft und
Niederschlägen (durch Wurzelgeflecht und Krone) vor. Jedenfalls sollte die Fichte nicht zu
engständig eingebracht werden. Ueberdies ist zu beachten, daß Nadelhölzer, wie Tanne und
Fichte, in den ersten Jahren nach dem Einbringen dem Boden nichts zurückgeben, da sie ihre
Nadeln während einer Reihe von Jahren behalten. Eine unter passenden \'crhältnissen sehr
brauchbare Unterholzart scheint nach den vorliegenden, allerdings nur spärlichen Erfahrungen ')
die Weymouthskiefer zu sein. Schattenerträgnis und Anspruchlosigkeit weisen auf
Verwendungsfähigkeit auf den ärmeren Bodenklassen hin, um so mehr ihr Nadelabfall in bezug
auf Bodenverbesserung Zufriedenstellendes leistet.
3. Die spezielle Aufgabe des Unterstandes: Der Unterbau
soll entweder nur den Boden bedecken (reines Bodenschutzholz) oder soll neben dem
Oberstand noch eine mehr oder minder beträchtliche Nutzung ergeben. Sobald der
Unterstand mit heranwächst, kommt ihm meist auch für die Formausbildung, nament-
lich für die Astreinheit und Langschäftigkeit des Oberholzes eine mehr oder minder
große Bedeutung zu. Handelt es sich lediglich um Bodenschutzholz, so genügt eine
1) Kunze, Ueber die Einwirkung eines Fichten-Unterstandes auf einen Eichen-Ober-
stand. Thar. Jhrb. 1905, 67.
2) Für ausnahmsweise, z. B. im kleinen Privatbesitz vorkommende Umtriebszeiten von
50 bis 60 Jahren, bei welchen nur Brennholz und geringe Nutzhölzer erzeugt werden sollen, kann
der Unterbau wohl meist entbehrt werden.
3) W e d d i n g. Der Unterbau der Eiche mit Weymouthskiefer. AUg. F.- u. J.-Z. 1901,
153. — B i e hl e r a. a. O.
184 VI. Lorey, Waldbau.
Unterbrechung des Kronenschlusscs im Oberstand so weit, daß die eingebaute Holzart
sich gerade lebenskräftig im Schluß erhalten kann, ohne aber zu irgend lebhafterer
Entwickelung angeregt zu sein. Im zweiten Falle muß man ihr durch weitergehende
Eingriffe in den Oberstand lebhafteres Wachstum gestatten. Es ergeben sich dann,
je nach den verschieden weitgehenden Ansprüchen, die man an beide Bestandesteile
(Oberstand und Unterwuchs) macht, zahlreiche Modifikationen in der Durchführung,
die sich, wenn auch nicht schon alle als eigentliche Lichtungsbetriebe, so doch als
Uebergänge zu diesem charakterisieren lassen.
4. Der Boden, oder allgemeiner der Standort überhaupt, wirkt einmal
auf die Beschaffenheit des zu unterbauenden Bestandes, sodann auf das Gedeihen der
Unterbauholzart. Da sich auf besseren Standorten die natürliche Ausscheidung
am greifbarsten vollzieht, hier auch Verunkrautung, schnelle Humusaufzehrung und
Rückgang der Bodenkraft am meisten zu fürchten sind und — was die Hauptsache
ist — da auf solchen Böden der Unterbau auch wirklich wächst, so kommen solche
Orte für den Unterbau zunächst in Betracht. Wie weit man mit Unterbau auch auf
geringem Standorte vorgehen soll, läßt sich nicht allgemein angeben, sondern muß
erst durch direkten ^^ersuch festgestellt werden. Die Erfahrung lehrt aber, daß der
Erfolg der Maßregel auf schlechten Böden fast stets ein zweifelhafter ist. Sicherheit
des Gedeihens der eingebrachten Holzarten und damit auch Wahrscheinlichkeit einer
günstigen Einwirkung auf Boden und Oberholzbestand sind hier bei gleichem, ja
vielfach bedeutendem Kostenaufwand sehr gering.
5. Die Zeit des Unterbaues: Nach der Art der für den Unterbau
gestellten Aufgaben ist der richtige Zeitpunkt für seine Vornahme von der Beschaffen-
heit des zu unterbauenden Bestandes abhängig. Frühzeitiger Unterbau gewährt dem
Boden am meisten Schutz; doch muß die Entwickelung der eingebrachten Holzart
durch entsprechende (natürliche oder künstliche) Lockerung des Kronenschlusses im
Oberstand sicher gestellt sein. Die Ausbildung guter Stammformen verlangt aber
zunächst Erhaltung des Vollschlusses. Dabei ist die verschiedene Wirkung eines
höheren oder tieferen Kronenansatzes zu beachten. In einem schon etwas älteren,
bezw. höheren Bestände kann das Schirmdach in sich ein etwas dichteres sein. Man
wird im allgemeinen kaum vor dem 30. Jahre unterbauen, andererseits aber meist
auch nicht länger als bis zum 60. oder 70. Jahre mit der Einbringung des Unterholzes
warten dürfen, wenn nicht inzwischen schon eine nachteilige Veränderung der Boden-
beschaffenheit hervortreten soll. Mitbestimmend ist natürlich auch das Abtriebsalter
des Oberstandef . Der Unterbau kann sich nur dann empfehlen, wenn das Unterholz
noch genügend Zeit hat, auf den Boden zu wirken. Unter dieser Voraussetzung können
auch noch ältere als 70jährige Bestände oft mit Vorteil unterbaut werden (z. B. 80-
bis 100jährige Eiche bei HOjährigem Umtrieb).
6. Ausführung: Allgemein, ganz besonders aber da, wo von dem Unter-
holz keine Nutzung erwartet wird, ist auf möglichste Reduktion der Kosten des Ver-
fahrens zu achten. Je nachdem das Kulturmaterial verfügbar ist, wählt man Saat
oder Pflanzung. Als Saatmethode findet man breitwürfiges Einbringen ebenso wie
Riefen- und Plätzesaat in Anwendung. Mastjahre der Buche und Tanne sind möglichst
auszunutzen. Wird Pflanzung vorgezogen, so bedient man sich eines einfachen Ver-
fahrens mit geringen Pflänzlingen (zweijährige Buchen und Hainbuchen, 2 — 3jährige
und ältere Tannen). Die Anzucht der Pflanzen erfolgt zweckmäßig auf Wandersaat-
beeten unter Schutzbestand *). Der zu unterbauende Bestand ist vorher, falls die
1) In der Großh. hess. Oberförsterei Viernheim werden z. B. massenhaft Buchenpflanzen
in lichten Kiefernbeständen auf oberflächlich vorbereiteten Beeten erzogen. — Der Unterbau
Die Bestandeserziehung. § 85. 185
nalürliclie Auslichtung einer Ergänzung bedarf, zu durchforsten, wobei namentlich
die zu Nutzholz nicht tauglichen Stämme (Zwieselbildungen, Drehwuchs etc.) heraus-
zunehmen sind. Die Schirmstellung ist in der Regel so zu wählen, daß nicht gleich in
den ersten Jahren nach dem Einbringen des Unterholzes eine Nachlichtung nötig
wird. Jedenfalls aber ist in allen Fällen mindestens derjenige Grad der Durchlich-
tung herzustellen, wie er einer entschieden starken Durchforstung entspricht.
C. Besondere Fälle des Unterbaues.
§ 84. 1. Unterbau der Eiche: Als Unterbauholzart empfiehlt sich
zunächst ein Laubholz, in erster Linie die Buche. Namentlich wenn jüngere (40- bis
50jährige) Eichenbestände unterbaut werden sollen, ist das Einbringen von Nadel-
holz — abgesehen von den schon angedeuteten besonderen Bedenken gegen die Fichte
— deshalb gefährlich, weil das Nadelholz, sobald es durch weiter vorschreitende Lich-
tung im Oberstande zu kräftiger Entwickelung angeregt wird, oft zu rasch in die Krone
der Eichen nachdrängt und letztere, auch ohne daß vollständiges Uebervvachsen statt-
fände, durch seitliches Beengen schädigt. Behufs möglichster Vermeidung der Wasser-
reiserbildung ist beim Unterbau in Eichenbeständen stets vorsichtige, langsam ge-
steigerte Auslichtung des Oberholzes geboten. Zu dem Ende darf man auch mit dem
Aushieb der nutzholzuntauglichen Eichen nicht auf einmal zu radikal vorgehen.
2. Unterbau der Kiefer: Die vorangedeuteten Gründe gegen Fichte und
Tanne treten hier zurück. Unterbau mit Buche oder Tanne ist besonders empfehlens-
wert, sofern der Standort kein Hindernis bietet. Die Entwickelung der mit Nadelholz
unterbauten Bestände gestaltet sich oft so, daß man vom waldbaulichen Standpunkte
aus bei der weiteren Behandlung sowohl die Kiefer als die Tanne oder Fichte begün-
stigen und die Entscheidung gänzlich dem lokalen Wertsverhältnis der beteiligten
Holzarten überlassen kann. — Vergl. auch Danckelmann ,, Kiefern-Unterbaubetrieb"
(Zeitschr. f. F.- u. J. 1881, S. 1), desgleichen W e i n k a u f f , Ueber den Unterbau
der Kiefern mit Buchen im Pfälzer Wald (Fw. Zbl. 1896, S. 442). Auch Weymouths-
kiefer kann als Füllholz zur Erziehung von Kiefernstarkholz auf Buntsandstein mit
gewählt werden. 3. Unterbau der Lärche: Hier konmit zunächst wiederum
die Buche als einzubringende Holzart in Frage, doch kann meist ebensogut ein Nadel-
holz, vorab die Tanne gewählt werden.
IL Lichtungsbetrieb insbesondere i).
A. Allgemeine Gesichtspunkte.
§ 85. Die Wirkung des Lichtes ^) ist unter den bei der Entwickelung der Pflanzen
wirksamen Faktoren mit in erster Linie beteiligt. Vermehrter Lichtgenuß steigert den
Zuwachs, sofern die sonstigen Wachstumsbedingurgen, insbesondere die Feuchtig-
keitsverhältnisse und das Nährstoffkapital des Bodens günstig sind. Als direkte Folge
des erhöhten Lichteinflusses auf die Baumkrone ist immer ein gesteigerter Zuwachs
am einzelnen Baum zu konstatieren, wenn er sich öfters auch nur zunächst im größeren
Wachstum der Krone und der Wurzeln ausdrückt'). Diese Zuwachsvermehrung
mit stärl<eren Pflanzen kann nur in sehr verlicliteten Beständen zur Bewältigung des Unkrauts
in Frage kommen, ist aber wegen der hohen Kosten bedenklich. — Bereits vorhandene Boden-
sträucher können je nach ihrer .\rt (Rhamnus, \iburnum, Lonicera etc.) unter Umständen be-
lassen bezw. in den Unterbau einbezogen werden (nötigenfalls nach vorherigem .■\ufdenstock-
setzen), immer jedoch so, daß die einzubringende Schattenholzart nicht notleidet, sondern herr-
schend wird.
1) Vergl. Burckhardt, „Lichtungsbetrieb der Buche und Eiche" in .\us dem Walde
VIII, S. 88 ff.
2) Vergl. C i e s 1 a r, Einiges über die Rolle des Lichtes im Walde. Miltlgn. a. d. forstl.
Versuchswesen Oesterreichs. 30. Hfl. 1904. — W i e s n e r, Der Lichtgenuß der Pflanzen, 1907.
— Beck, Das Licht als Produktionsfaktor in der Forstwirtschaft. Thar. Jhrb. 1912, S. 4.
3) Graßmann, „Beitrag zur Lehre vom Lichtungszuwachs etc." {A. F.- u.J.-Z. 1900, S.45.)
186 ^ I- L 0 r e y , Waldbau.
findet aber ihre Grenze. Sie geht beim Einzelbaume und entsprechend auch beim Be-
stände nicht über ein bestimmtes Maß hinaus, weil die überhaupt mögliche Arbeits-
leistung des Baumes eine beschränkte ist, bedingt durch die größte Zahl dabei tätiger
Organe (Wurzeln, Blätter), die er überhaupt auszubilden vermag, bezw. bis zu einem
bestinmiten Zeitpunkte ausgebildet hat. Der einzelne Baum kann nicht mehr als
einen beschränkten Standraum ausnutzen. Das mögliche Maximum der Leistung des
Einzelbaumes ist zu kombinieren mit der auf der Flächeneinheit vorhandenen Anzahl
der Individuen. Ueberdies ist die durch Freistellung veränderte Zuwachsverteilung am
JBaume (veränderte Form, verhältnismäßig starke \'erdickung des unteren Schaft-
teiles), sowie die durch Zuwachssteigerung etwa herbeigeführte Aenderung der tech-
nischen Eigenschaften (breite, enge Jahresringe etc.) zu beachten. Diese stärkere Zu-
nahme des unteren Schaftteiles ist nach Metzger ') bedingt durch das größere An-
drängen des Windes bei Freistand, das ein Tieferrücken des Schwerpunktes erheischt,
wie solches durch Verstärkung des Dickenwachstums im unteren Teile des Schaftes
erfolgt. Ausschlaggebend für den Wirtschaftserfolg ist schließlich der Preis der ins-
gesamt auf der Flächeneinheit in gegebener Zeit erzielten Produkte.
Der Lichtungsbetrieb schließt sich unmittelbar an die starke Durchforstung an.
Die Grenze zwischen beiden dürfte, wenn eine durchschnittliche Zahl angegeben
werden soll, vielleicht bei einer Entnahme von 0,2 der Masse des normal entwickelten
Vollbestandes zu finden sein ^). Ein dieses Maß übersteigender Aushieb unterbricht
den Kronenschluß in der Regel schon so weit, daß am stehengebliebenen Bestandesteil
ein eigentlicher Lichtungszuwachs zur Auswirkung kommt. Ob aber ein solcher
immerhin noch geringer Eingriff genügt, um die höchste Leistung herbeizuführen,
ist erst durch zahlreiche komparative Versuche noch weiter zu erforschen ^).
Mit dem Namen ,, Lichtungsbetrieb" wird nicht gerade eine besondere Grundform forstli-
cher Betriebssysteme bezeichnet, sondern man meint damit gewöhnlich nur gewisse Formen
des schlagweisen Hochwaldes, welche sich als Modifikationen des nach der Schablone herauf-
wachsenden mehr oder minder gleichalterigen SchlutSbestandes charakterisieren. Dagegen ist
der durch neuere Untersuchungen wiederholt nachgewiesene bedeutende Lichtungszuwachs
im Plenterwald nicht das Produkt eines besonderen Lichtungsbetriebs, sondern mit dem normal
geleiteten Plenlerbetrieb durch dessen grundsätzliche Eigentümlichkeiten jederzeit verknüpft.
Ebenso gehört der Lichtungszuwachs an Ueberhältern für den zweiten Umtrieb nicht unter
die Rubrik ,, Lichtungsbetrieb".
B. Bedingende Momente.
§ 86. Auch hier kommen, analog wie beim Unterbau, eine Reihe einzelner Um-
stände in Betracht, nämlich: der zu lichtende Bestand, der besondere Zweck des Lich-
tungshiebs, die Zeit des Beginnes, das Maß der Lichtung, die Art und Häufigkeit
wiederholter Lichtungen, der mit der Lichtung etwa verbundene Unterbau.
L Der Bestand: Beim Licbtungsbetrieb handelt es sich keineswegs nur
um die Erzielung hervorragenden Nutzholzes, sondern um Zuwachssteigerung über-
haupt, so daß er auch für Brennholzorte oft mit Vorteil eingeführt werden kann. Nur
ist in solchen wegen der verhältnismäßig geringeren Wertsmehrung der Kostenauf-
1) Metzger, ,, Studien über den Aufbau der Bäume und Bestände nach statischen Ge-
setzen" (Mund, forstl. Hefte V und VI).
2) cfr. den S. 181, Anm. 1 erwähnten .\rbeitsplan der Versuchsanstalten, woselbst der
geringste Lichtungsgrad auf Aushieb von 20% der Holzmasse normiert ist; jede geringere Ent-
nahme würde noch als Durchforstung zu bezeichnen sein.
3) B 0 r g g r e V e ist der Ansicht, daß eine Verminderung der Masse um 0,2 als Regel
genüge, um vollen Lichtungszuwachs zu gewähren. Bei diesem Eingriff sei ein Unterbau keinen-
falls nötig, weil die Kronenlockerung noch eine sehr mäßige sei. Ueberdies will B. hauptsächlich
den Lichtungszuwachs der späteren Lebensperioden eines Bestandes nutzbar machen, während
andere, wie z. B. W a g e n e r davon ausgehen, daß der Lichtungszuwachs vornehmlich bis zum
etwa 80jährigen Aller Großes leiste.
Die Bestandeserziehung. § 86. 187
wand für künstliche Einbringung eines Unterstandes vorixer noch sorgHcher zu er-
wägen, als bei dem mit hohem Qualitätszmvachsprozent arbeitenden Nutzholzbe-
stande. Bildet sich dagegen Untenvuchs durch vorzeitige, infolge der Lichtung be-
schleunigte natürliche Besamung, so daß der Boden gedeckt ist, so kann auch für
Brennholzwirtschaften (Buche) die stärkere Durchlichtung infolge der Zuwachsstei-
gerung bei gleichzeitiger Abminderung des Materialvorrates von hoher Bedeutung
werden. Immerhin besteht der Hauptzweck des Lichtungsbetriebes in möglichst
kurzfristiger Anzucht hochwertigen Nutzholzes, weshalb neben der Eiche namentlich
wieder unsere Nadelhölzer: Kiefer, Lärche, Tanne (Fichte) in Betracht kommen.
Aber nur Bestände auf besten und besseren Standorten lohnen die auf die Durchfüh-
rung des Lichtungsbetriebes verwendete Mühe entsprechend.
1^ 2. Der besondere W i r t s c h a f t s z w e c k : Daß lediglich wuchs-
fähigen Stämmen im Lichtbestand die gewünschte Zuwachssteigerung zugemutet
wird, ist selbstverständlich. Wo Nutzholz erzogen wird, sind im allgemeinen alle
Stämme von zweifelhafter Nutzholzqualität in solchem Umfange zu entfernen, daß
nicht dadurch eine augenblicklich oder für die Dauer zu weitgehende Bestandeslich-
tung herbeigeführt wird. Man kann in der Folge (durch nur mäßige Lichtung) eine
Mehrzahl annähernd gleichgearteter mittelstarker Stänome erziehen oder
durch stärkeres Freihauen einzelner Individuen eine kleinere Zahl von Stämmen
besonders begünstigen. Außerdem ist darüber zu entscheiden, ob man vorzugsweise
die Mittelklassen fördern oder die Individuen der stärksten Klasse zur Ausbildung
hervorragender Dimensionen bringen möchte; ferner, ob man den Zweck durch
gleichmäßige oder mehr gruppenweise Verteilung der zu belassenden Stämme er-
reichen Avill.
Gleichmäßige Verteilung wird beim eigentlichen Lichtungsbetrieb immerhin die Regel
bilden. Man muß dabei auf den Einzelstamm eingehen. Möglichst viele, allseitig normal ent-
wickelte Individuen sollen im Bestände vorhanden sein, für deren jeden ein bestimmter Anteil
am Boden- und Luttraum verfügbar ist. Die Anordnung in Gruppen ist gleichbedeutend mit
dem üebergang zur Fenielschlagforn"', welche hier nicht beabsichtigt wird. Ob mehr die stärk-
sten oder mehr die mittelstarken Stämme bei der Schlagslellung zu berücksichtigen sind, hängt
zunächst von der Verteilung der Gesamtstammzahl auf die einzelnen Durchiresserslufen, sowie
von der räumlichen \erteilung der einzelnen Stärkeklassen im Bestände ab. Daneben ent-
scheidet das Werlsverhältnis der verschiedenen Sortimente.
3. Beginn: Der Arbeitsplan des Vereins deutscher forstücher Versuchsan-
stalten setzt als Zeit für Einleitung von Versuchen über Lichtungsbetrieb das Alter
der Bestände von 30 — 70 Jahren fest. Hiermit ist alles ausgedrückt, was als allge-
meine Regel ausgesprochen werden kann. Man will früh beginnen, um dem Bestände
durch einen möglichst langen Zeitraum seiner Gesamtentwicklung die \'orteile der
Lichtung zu sichern, doch aber nicht so früh, daß nicht der Bestand vorher, mehr oder
minder geschlossen, eine gehörige Mittelhöhe erreicht und sich dabei von überflüs-
sigen Aesten genügend gereinigt hat. Man will und kann keinen bestimmten
Zeitpunkt angeben, in welchem die erste Durchlichtung behufs Herbeiführung
des größten Erfolgs stattzufinden hat, sondern macht alles von der jeweiligen Be-
schaffenheit des Bestandes abhängig, der doch mindestens schon als angehendes
Stangenholz angesprochen werden soll. Mit jener Umgrenzung soll auch nicht er-
klärt werden, daß jeder später als im 70. Jahre beginnende Lichtungsbetrieb wertlos
sei; diese Zahl gilt vielmehr ledigüch für die besonderen Zwecke der einzuleitenden
Versuche. In vielen Fällen wird auch eine später erfolgende Lichtung noch guten
Erfolg haben.
Holzart, Bestandesbegründung, bisherige Behandlung, Standort, auch in beschränktem
Maße die Absatzverhältnisse beeinflussen im konkreten Falle die Entscheidung in ähnlicher
Weise, wie dies in § 83 bezüglich des Unterbaues angedeutet worden ist. Ueberdies kann ja
188 ^I- Lorey, Waldbau.
über die einschlägigen Fragen erst in Zukunft durcli komparative Versuche endgültige Aufklä-
rung gewonnen werden. Im allgemeinen aber dürfte möglichst frühzeitiger Beginn am erfolg-
reichsten sein.
4. Das Maß der Lichtung: Ein auch nur in den meisten Fällen ab-
sohit bestes Maß der Lichtung kann nicht angegeben werden. Abgesehen davon, daß
auch in dieser Richtung sichere Anhaltspunkte für jede allgemeinere Beurteilung
noch fehlen, erfordern vielmehr die besonderen Umstände des einzelnen Falles je eine
besondere Begutachtung. Auf mehr als 50 Prozent des Vollbestandes (bezogen auf
die Stammgrundfläche) wird man den Aushieb nur selten ausdehnen, ja in den weitaus
meisten Fällen nicht an diese Grenze herangehen, wenigstens sicherlich nicht, wenn
nur die Entwickelung des Oberstandes ins Auge gefaßt wird. Anderenfalls erhalten
die Einzelstämme schon einen über das Maximum ihrer Ausnutzungsfähigkeit hinaus-
gehenden Standraum. Jedenfalls kann ein 20% der Masse des regelmäßig durch-
forsteten Vollbestandes übersteigender Eingriff kaum ohne gleichzeitigen Unterbau
stattfinden. Wohl aber können im Einzelfalle Ftücksichten auf die Erziehung eines
wertvollen Zwischenbestandes, event. auch Fehlen einer genügenden Anzahl Nutz-
holz versprechender Oberholzstämme einen weitergehenden Eingriff begründen.
Doch steht man dann vor einer waldbaulichen Aufgabe, die korrekterweise nicht
eigentlich mehr als Erzielung möglichst wertvollen Lichtungszuwachses bezeichnet
werden kann. Jedenfalls muß man bei der Herstellung stärkerer Lichtungsgrade,
mit Rücksicht auf Schaftlodenbildung (Eiche), Sturmgefahr, Duftbruch usw., vor-
sichtig sein. Die allmähliche Ueberleitung ') verdient in solchen Fällen vor plötz-
lichem Uebergang den Vorzug.
5. Wiederholte Lichtung: So oft der Charakter des erstmals ein-
geführten, bezw. dauernd beabsichtigten Lichtstandes durch erfolgte Kronenverbrei-
terung verloren gegangen ist, muß eine Nachlichtung eintreten. Da eine beschleu-
nigte Neubildung in der Krone des gesunden, wuchskräftigen Baumes die naturge-
mäße Folge der Lichtung ist und dadurch der Bestand seinen Lichtungsgrad alsbald
zu verringern beginnt, so kann nur durch andauernden Aushieb von Stämmen, bis
zu gewissem Grade auch durch Aufastung, ein bestimmter durchschnittlicher Lich-
tungsgrad erhalten bleiben. In der Praxis ist dies auf größeren Flächen imausführbar.
Vielmehr wird, von ganz besonderen Ausnahmefällen feinerer Bestandespflege ab-
gesehen, in bestimmten (5 — 10jährigen) Perioden die Durchlichtung wiederholt, in
derselben Weise, wie auch bei den Durchforstungen meist nur periodische Wiederkehr
des Hiebs in die einzelnen Waldorte möglicli ist. Sorgfältige Begutachtung der ein-
zelnen Stämme bei der Auszeichnung ist hierbei dringend anzuraten.
6. Unterbau: Er bildet beim Lichtungsbetrieb immer dann die Regel,
wenn sich nicht durch natürhche Besamung (Schattenhölzer wie Buche, Tanne,
Fichte) oder durch Stockausschlag (z. B. von Linde, Buche, Hainbuche, Eiche, selbst
von Strauchhölzern) oder durch Vermittelung von Vögeln ein den Boden schützender
Untei-wuchs einstellt. Bloßes Ueberkleiden des Bodens mit Forstunkräutern etc.
wird aus den in § 82 angegebenen Gründen nicht für genügend erachtet. Alle für den
Unterbau maßgebenden Gesichtspunkte kommen in Betracht.
C. Spezielle Fälle des Lichtungsbetriebes.
§ 87. Die in § 84 (besondere Fälle des Unterbaus) gegebenen Direktiven gelten
auch hier, sofern es sich um Lichtung in Eichen-, Kiefern- und Lärchenbeständen
handelt. Bei den Schattenhölzern Buche, Tanne und Fichte ist ein Lichtungsbetrieb
ziemlich gleichbedeutend mit frühzeitiger Einleitung der natürlichen Verjüngung
1) Vergl. die sog. „Vorlichtung" Krafts in Burckhardts ,,Aus dem ■\\'alde" IX. S. 71.
Die Bestandeserziehung. § 87. 189
und langem Verjüngungszeitraum. Ein künstlicher Unterbau fällt bei diesen Holz-
arten meist weg, vorausgesetzt, daü man einen stärkeren Eingriff in den Bestand erst
im Alter der angehenden Mannbarkeit (nach Standort, Bestandesbehandlung etc.
wechselnd) vornimmt. Bei der weiteren Behandlung ergeben sich zahlreiche Modifi-
kationen, je nachdem, ob man die erstmals eingetretene Besamung alsbald zur Er-
ziehung eines Jungbestandes benutzt und durch allmählichen Nachhieb dem Auf-
schlag (durch den ganzen Ort gleichmäßig oder unter besonderer Berücksichtigung
von Gruppen und Horsten) den für seine Entwickelung nötigen Raum schafft oder
ob man einen sich einstellenden .Iung\vuchs unter dem Druck eines allmählich wieder
mehr oder minder dicht sich schließenden Kronendaches nicht aus der Rolle eines
bloßen Bodenschutzholzes herauskommen, ja demnächst vielleicht wieder ganz ver-
schwinden läßt (Buche und Fichte), um erst einem späteren Mastjahr die Begründung
eines neuen Bestandes zu übertragen.
Von den zahlreichen, da und dort herausgebildeten, bezw. in der Literatur für
bestimmte Verhältnisse empfohlenen, besonders charakterisierten Formen mögen
hier nur folgende hervorgehoben werden:
1. Der zweialterige Hochwald Burckhardts^): Eine ge-
legentlich für die Buche empfohlene Bestandesform, welche dadurch bezeichnet ist,
daß im Moment der Hiebsreife des Oberstandes ein Unterwuchs vom halben Um-
triebsalter vorhanden ist, wobei u = 140 — 160 Jahre. Vom Unterwuchs bleiben
beim Hieb ca. 50 bis 60 Standbäume pro ha stehen, welche beim nächsten Hieb,
also nach 70 — 80 Jahren den Oberstand bilden. Verjüngung durch natürliclie Be-
samung, selbst unter Benutzung von Stockausschlag, sowie in Nötfällen unter künst-
licher Beiiiilfe. Charakteristisch ist der große Standraum der einzelnen Oberbäume
und die dadurch bedingte Entwickelung des Unterwucb.ses zu einem ertragsreichen
Zwischenbestand.
2. Der modifizierte B u c h e n h o c h w a 1 d b e t r i e b von v. See-
bach ^). Ein durch die Durchforstung gehörig vorbereiteter 70 — SOjähriger Buchen-
ort wird unter Benutzung eines Mastjahres verjüngt. Im Oberstand werden so viele
Stämme beibehalten (ca. 300 Stämme = etwa 0,4 der Masse), daß deren Kronen nach
30 — 40 Jahren (also im normalen Umtriebsalter von 100 — 120 Jahren) wieder voll
geschlossen sind. Der Untenvuchs wird nur als Bodenschutzholz betrachtet, das mit
vorschreitender Kronenannäherung des Oberstandes mehr und mehr zurückgeht.
Im normalen Hiebsalter erfolgt dann eine regelrechte natürliche Buchenhochwald-
Verjüngung. Inzwischen sind die Stämme unter dem Einflüsse der vor 30 — 10 Jahren
eingetretenen Lichtung zu besonders starken Hölzern erwachsen.
Angewendet zuerst von Oberforslmeister von Seebach (etwa 1835) im liannöverschen
Sollinpr, zunächst als Notbehelf beim Mangel genügender Mengen haiibaren Holzes. Inzwischen
mehrfach benutzt (z. B. versuchsweise in einigen württembergischen Revieren), um ohne Er-
höliung der Umtriebszeit stärliere Buchenhölzer zu erziehen.
3. Die Homburgsche Nutzholz Wirtschaft'): Die ihrem
Wesen nach eigentlich als ein Ueberhaltbetrieb zu charakterisierende Wirtschaft
1) cfr. Burckhardt, ,,Säen und Pflanzen", 6. .\ufl. S. 139. — B e 1 i n g, ,,Der Stangen-
holzbetrieb" in den Forstl. Blättern von 1874, S. 148.
2) cfr. V. Seebach, Krit. Bl. 21. Bd. 1. Heft S. 147 (1845). Kraft in ,,.Vus dem Walde"
VII, S. 40. Burckhardt, „Säen und Pflanzen". 6. Aufl. S. 113.
3) G. Th. H o m b u r g. Die Nutzholzwirtschaft im geregelten Hochwald-Ueberhaltbetrieb,
1878, 2. Aufl. 1890. — ^Derselbe, ,,Ein Beitrag zur Nutzholzwirtschaft im geregelten Hochwald-
Ueberhallsbetrieb" {A. F.- u. J.-Z. von 1879, S. 275 ff.^. — Derselbe, „Ein weiterer Bei-
trag . ." (.\. F.- u. J.-Z. 1881. S. 365). — D e r s., „Ein weiterer Beitrag . .' (Forstw. Zentralbl.
V. 1884, S. 209).
120 VI. Lorey, Waldbau.
darf gleichwohl insofern hier mit aufgeführt werden, als bei ihr durch Freihauen die
später den Oberstand bildenden Nutzholzexemplare von Anfang herein auf diese
Funktion vorbereitet werden. In der Regel bildet die Buche den Grundbestand.
Beigemischt sind ihr, einzeln oder in Horsten, vorzugsweise die Eiche, nach Umstän-
den aber auch Esche, Ulme, Ahorn, sowie Nadelhölzer verschiedenster Art. Durch-
schnittlich im 70jähngen Alter des Buchengrundbestandes erfolgt dessen natürliche
Verjüngung, welche durch (^/s — ^/i des Vollbestandes umfassend) energische, die
Plege der demnächstigen Oberständer besonders berücksichtigende Vorhiebe bezw.
Lichtungshiebe, eingeleitet wird. Gleichzeitig mit der Verjüngimg der Buche werden
die übrigen Holzarten, welche für den nächstfolgenden Umtrieb (neben einer Anzahl
von Buchenüberhältern) die Oberbäume werden sollen, durch Saat oder Pflanzung
oder durch Vorverjüngung (unter Benutzung der Stocklöcher usw.) und zwar mög-
lichst horstweise eingebracht. Außer der Eiche werden hauptsächlich Tanne, Esche,
Ahorn, Ulme, Fichte, Lärche und Weymouthskiefer empfohlen. In welcher Zahl
diese vorhanden sein können, hängt wesentlich auch von den Bedürfnissen des neu
erwachsenden Bestandes ab. Da dieser die Nachhaltigkeit der Wirtschaft vermittelt,
darf er selbst in seinen Schattenholzpartien nicht dauernd in starkem Schirmdruck
erhalten werden. Die deshalb erforderlichen Nachhiebe bringen zugleich den verblei-
benden Oberständern freieren Wachsraum und damit kräftigere Ausbildung.
4. W a g e n e r's Lichtwuchsbetrieb^): Eigenartig ist der Grad
der Lichtstellung und die Zeit des Beginnes. Wagener geht davon aus, daß eine mög-
lichst frühzeitige Ausnutzung des Lichtungszuwachses die besten Erfolge zeitigt. Be-
reits im Alter von 25 — 40 Jahren werden die künftigen Haubarkeitsstämme ausge-
sucht und umlichtet.
Der Kronenfreihieb wird natürlich nur Ivräfligen, nutzholztauglichen Stämmen zuerkannt.
Unter Voraussetzung der Wiederholung des Freihiebes in 10 jährigen Perioden würde ein freier
Gürtel um die Einzelkrone von ca. 60 cm Breite genügen. Die Erziehung von mindestens 30 — 35
cm in Brusthöhe starken Stämmen in etwa 80 jährigem Umtrieb ist das Ziel der Wirtschaft
— ein Ergebnis, welches bei der gewöhnlichen Erziehung im Schlußbestand nicht innerhalb
der üblichen Umtriebszeiten erreicht werden kann. Zeitpunkt für die Vornahme des ersten
Kronenfreihiebs ist jenes Stadium der Bestandesentwicklung, wo die Stämme durchschnittlich
bis auf eine Höhe von 10 — 12 Meter vom Boden nur noch dürre oder nicht mehr beachtenswert
fortwachsende Aeste besitzen. Bis dahin (d. h. auf Mittelboden etwa bis zum 30 — 40 jährigen
Alter) ist dichter Kronenschluß zu erhalten. Von trockenen, flachgründigen, heidewüchsigen
Böden soll der Betrieb fern bleiben. Etwa 500 Stämme pro Hektar bilden schließlich den nor-
malen Bestand. Vom ersten Kronenfreihieb werden deshalb mindestens Stämme in je 4 — 5 Meter
Abstand (auf ca. 20 Quadratmeter Fläche ein Stamm) betroffen, natürlich ohne daß eine regel-
mäßige Stellung Bedingung ist; man ist bei der Auszeichnung von der zufälligen Gruppierung
der stärksten Stämme abhängig. Im Zwisehenstand bleibt der Kronenschluß erhallen. Sind
die freigehauenen Stämme Lichthölzer, so ist unter ihnen baldigst ein Unterbau vorzunehmen.
Vorsicht beim Kronenfreihieb (Umbiegen in Gerlenhölzern etc.) ist geboten. — Auf den Vorteil
der raschen Erstarkung wird namentlich auch für Buchenbestände hingewiesen. — Das Höhen-
wachstum leidet nach W a g e n e r durch die frühe Freistellung nicht. Die Abformigkeil des
ganzen Schaftes wird durch den stärkeren unteren Schaftteil, sowie durch besseres Holz ausge-
glichen. — Wiederholte Lichtung nach Bedarf (abhängig hauptsächlich von den Absatzver-
hältnissen). — Der Lichtwuchsbetrieb ist, soweit bekannt, bis jetzt erst auf kleinen Flächen durch-
geführt. Was er leistet, ist zunächst noch durch eine größere Anzahl komparativer Versuche
festzustellen. Die Anwendung im großen würde jedenfalls (bei der Auszeichnung, Hiebsfüh-
rung etc.) größte Aufmerksamkeit des Wirtschafters erfordern.
5. May r's Kleinbestands wald mit Erziehungsverjün-
gung. Um der modernen Forstwirtschaft aus dem Dilemma sich wderstreitender
waldbaulicher und ökonomischer Gesichtspunkte und Aufgaben herauszuhelfen,
1) Zu vergleichen: W a g e n e r, ,,AValdbau", insbes. S. 246 ff., ferner D a n c k e 1 m a n n,
,, Waldbauliche Theorien und Reform-Bestrebungen von Gustav Wagener" (Zeitschr. f. Forst-
u. Jagdwesen 1887, S. 329 ff.) ; ferner G. W a g e n e r, „Die Fortbildung des Waldbaues", A. F.-
u. J.-Z. von 1887 S. 7 ff., 145 ff., 257 ff.
Die Bestandeserziehung. § 8S. 191
empfiehlt. Prof. Mayr in seinem „Waldbau auf naturgesetzlicher Grundlage", den Wald
nur aus kleinen, 0,3 bis 3,0 ha großen reinen Beständen zusammenzusetzen. Diese
von der jeweils standortsgemäßen Holzart gebildeten Kleinbestände sollen bis zum
30. oder 40. Jahre nur von den untauglichen Individuen gesäubert, sonst aber zum
Zwecke der Reinigung geschlossen gehalten werden. Den vom 30. bezw. 40. Jahre
einsetzenden Durchforstungen folgen vom 50. Jahre an Durchlichtungen unter prin-
zipieller Beseitigung alles Unterdrückten, damit die Kronen der Hauptstämme sich
nicht mehr schließen können. Diese Durchlichtungen sind vom 50. bis 80. Jahre
aller 5, später aller 10 Jahre zu wiederholen. Bei Beginn der Durchlichtungen erfolgt
Unterbau mit einer Laubholzschattenart (Buche, Hornbaum, Weißerle), event. unter
gleichzeitiger Düngung geringer Böden. Nach Erreichung des Haubarkeitsalters
Naturverjüngung unter Schirm mit voller oder teilweiser Beseitigung des Unterbaues
im Samenjahr. — Der Mayr'sche Betrieb steht und fällt mit dem Unterbau. Wo
dieser nicht gelingt, wie auf vielen mittleren und auf allen geringeren Böden zu er-
warten ist, wird der Schlußeffekt der Erziehungsverjüngung, wie bei anderen an
falscher Stelle angewendeten Licht\\aichsbetrieben, in Laubverwehung, Verunkrau-
tung und \'erwilderung des ganzen Bestandes bestehen.
6. Vogl's Lichtwuchsbetrieb^): 50 — 70jährige, vorher in zuneh-
mender Stärke durchforstete Bestände (meist Fichte, Tanne) werden allmählich,
zunächst durch \\egnahme der zurückgebliebenen Stämme gelichtet. Die Stamm-
zahl geht bei periodischer Nutzung von 15- — 20% der vorhandenen Masse nach und
nach von 300 bis 400 im 60. bis 70. Jahre, auf 200 bis 250 im 100. Jahre zurück.
Unterbau findet nur bei ausbleibender Naturverjüngung statt. Durch die frühzeitig
eintretende ^'erjüngung, wie durch die nur allmählich erfolgende Lichtung soll der
Boden vor A'erwilderung bewahrt bleiben. Die hiebsreifen Stämme sollen im Durch-
schnitt 3 fm enthalten, so daß der Endhieb 600 — 750 fm Masse ergibt.
Großen Werl legt Vogl auf Erhaltung der ^"orwüchse und sorgfältige Pflege derselben
durch Aufastung. Die frühzeitige natürliche \'erjüngung und das Streben, den Jungwuchs
zur Bildung des neuen Bestandes zu erhalten und heranzuziehen, lassen sich mit dem Verlangen
nach langandauernder .\usnutzung des Lichtungszuwachses der Mutterbäume jedoch nicht
immer in gewünschter Weise vereinbaren. Die gegensätzlichen Interessen von Jung- und .-Mt-
besland müssen vielmehr zu ^■ernachlässigungen des Jungbestandes und zu weitergehenden
Fällungs- und Räumungsschäden führen. Sturm-, Schnee- und Eisschäden sollen in den ge-
lichteten Beständen wenig oder gar nicht schaden. Ebenso wird von Vogl eine Gefährdung
bezw. Verschlechterung der Waldbodenkraft und zwar auch auf den Südseiten in Abrede ge-
stellt. Endres {Bericht d. Deutsch. Forstvereins 1910, S. 88) bezeichnet den Boden im Gegen-
satz hierzu als ,,zum großen Teil verwildert". Ganz hervorragend aber sind die von Vogl erzielten
Ergebnisse hinsichtlich der Steigerung der Stärlcen- und Wertszunahme der Lichtwuchsstämme.
D. Würdigung der L i c h t u n g s b e t r i e b e ^).
§ 88. Trotzdem der Gedanke, den zuwachsfördernden Einfluß früherer oder
späterer Umlichtung ausgesuchten Wertsstämmen zukommen zu lassen, schon alt
ist und trotzdem die Lichtungsbetriebe teilweis ganz erstaunliche Beweise für die
wertvolle Hilfe des Lichtes bei der Starkholzerziehung beigebracht haben, begegnet
die forstliche Praxis der in den Lichtwuchsbetrieben gehandhabten Ausnutzung des
Lichtungszuwachses nur vorsichtig und zurückhaltend. Die Gründe hierfür sind teils
bodenpfleglicher Natur, teils darin zu erblicken, daß den zahlenmäßigen Nachweisen
für die höhere Rentabilität der Lichbvuchsbetriebe allgemeine Bedeutung nicht bei-
1) Vgl. Vogl, Aus der Praxis 25jähr. Forstfinanzwirtschaft. Oesterr. Vierteljsclir. 1887,
315. — D e r s., Die Forste der Heri-schaft Kogl, das. 1889, 303. — D e r s., Zum Lichtwuchsbe-
trieb, A. F.- u. J.-Z. 1902, 270. 309. — Martin, Kritische Vergleichung der wichtigsten forst-
techn. und forstpolitischen Maßnahmen deutscher und außerdeutscher Forstverwaltungen. Ztschr.
f. Forst- u. Jagdw. 1901. 511.
2) Vgl. Bericht üb. d. XI. \ers. d. Deutsch. Forstvereins 1910, S. 34.
iQO VI. Lorey, Waldbau.
gemessen werden darf. Die von Vertretern dieser Betriebe angegebenen Zahlen über
Massen- und Wertszuwachs gelichteter Bestände stellen fest, daß der Lichtwuchs-
betrieb unter zusagenden Standorts- und Bodenverhältnissen eine sehr beachtens-
werte Betriebsform zur Erhöhung der Rentabilität der Wirtschaft ist. Es kann jedoch
bei zu weitgehender Lichtstellung der begünstigten Stämme trotz ihrer großen Massen-
leistungen leicht vorkommen, daß das Produktionskapital unzureichend verzinst
wird und der Lichtungsbetrieb demnach vom Standpunkt der Rentabilität nicht ge-
rechtfertigt ist.
In seiner reinen Form mit der Tendenz der stammweisen Ausnutzung des Lich-
tungszuwachses eignet sich der Lichtungsbetrieb zunächst nur für solche Holzarten,
deren langanhaltender Lichtungszuwachs einen bedeutenden Wertszuwachs in sich
schließt. Zu diesen Holzarten gehören vor allem die Eiche, nach iiu' Kiefer und
Lärche.
Voraussetzung für einen ansehnlichen und nachhaltigen Lichtungszuwachs ist
ferner nicht allein ein verstärkter Lichtgenuß, sondern in gleichem Maße das Vor-
handensein eines kräftigen, nährstoffreichen und frischen Bodens. Wo dieser fehlt,
ist der Lichtungszuwachs zumeist nur eine vorübergehende Erscheinung und der
Lichtungsbetrieb um so weniger am Platze, weil auch die conditio sine qua non des
Lichtungsbetriebes, der Unterbau, auf solchen Böden versagt. Es ist selbstverständ-
lich, daß die Lichtungsbetriebe umsomehr auf Bodendeckung bedacht sein müssen,
je früher und je stärker sie den Kronenschluß durchbrechen, je weniger ein boden-
schützender Unterstand sich von selbst einstellt und je länger die Umtriebszeit be-
messen wird. Die in bezug auf Gefährdung der Bodenkraft laut gewordenen Bedenken
gegen die Lichtungsbetriebe sind nicht unberechtigt und stehen, wie schon erwähnt,
der zweifellos wünschenswerten Verallgemeinerung des Lichtwuchsprinzipes hindernd
im Wege. Das ist zu bedauern; denn die Mehrzahl der Untersuchungen über die Ren-
tabilität der lichtwuchsfreundlichen Bestandeserziehung spricht entschieden zugun-
sten eines sachgemäß geleiteten Lichtungsbetriebes. ,, Sachgemäß" heißt: Beschrän-
kung auf die passenden Standorte und Holzarten und Vermeidung aller Extreme
und aller Spekulationsideen. Eine so frühzeitige Freistellung der zu begünstigenden
Stämme, wie sie Wagener vorschlägt, ist nichts anderes als der Versuch, mit dem
Lichte Spekulationsgeschäfte zu machen. Wir haben bei so frühzeitigen Umlichtungen
nicht die Gewißheit, ob der einzelne Baum die Freistellung in gewünschter Weise
ausnützen wird. Weiterhin fehlt uns andererseits die Sicherheit, ob wir bei sehr
extremen Lichtstellungen im höheren Alter in den Massen- und Wertsleistungen der
wenigen Lichtstämme und in den höheren Vorerträgen einen hinreichenden Ersatz
erhalten für den Ausfall an Gesamtleistung der vollbestockten Fläche, für die mit
dem Unterbau verbundenen Kosten, wie auch für einen möglicherweise in Rechnung
zu stellenden Rückgang der Bodenkraft. Alle diese Erwägungen lassen den ge-
mäßigten Lichtungsbetrieb richtig erscheinen, d. h. einen Lichtungsbeliieb, der
erst nach Abschluß des Hauptlängenwachstums in die Bestände eingreift und sich
dann von zu starken und unvermittelt vorgenommenen Umlichtungen der brauchbar
erscheinenden herrschenden Stämme ebenso frei hält, wie von zu weit gehenden
Lichtstellungen überhaupt. Diesem aus der allmählich verstärkten Durchforstung
ohne scharfen Uebergang herauswaclisenden Lichtungsbetrieb ist zum Zwecke der
Starkholzerziehung mehr Beachtung zu wünschen, als er bisher in der großen Praxis
gefunden hat.
Die Bestandeserziehung. § 39. I93
Fünftes Kapitel.
Die A u fast un gen ')•
§ 89. Unter Aufastungen oder Entasluugen verstellt man die Wegnahme von
Aesten an stehenden Stämmen. Je nachdem diese Aeste schon abgestorben oder noch
lebend sind, unterscheidet man Trocken- und Grünastung^).
I. Zweck: Die Aufastuiig kann in dreifacher Beziehung von Bedeutung
werden, nämlich 1. für die Entwickelung der aufgeasteten Stämme selbst; 2. für die
Entwickelung des Unterwuchses; 3. durch die dabei gewonnene Holzmasse. Bald
veranlaßt uns die eine, bald die andere der genannten Absichten zur Ausführung
einer Astung. In den meisten Fällen wird die Astung aber behufs
a) Erziehung guter N u t z s t ä m m e vorgenommen. Dabei kommt
in Betracht die etwaige Wirkung der Aufastung a) auf die innere Gesundheit des
Stammes, ß) auf die inneren Strukturverhältnisse, y) auf die Wachstumsverhältnisse
(Formentwickelung etc.). In jedem Falle steht der Gebrauchswert des Stammes in
Frage.
Ob und inwieweit die Aestung günstig wirkt, ist nocli niclit endgültig und insbesondere
noch nicht durch die erforderliche Reihe exalcter komparativer Versuche genügend festgestellt.
Je nach den vorliegenden Bedingungen wird der Erfolg ein sehr verschiedener sein. Die ange-
strebten Vorteile sind: Erzeugung astfreier Holzlagen, verbesserte Schaftform, Anregung des
Waclistums überhaupt und insbes. des Höhenwachstums, Erhöhung der Widerstandsfähigkeit
gegen Stürme und sonstige Witterungsübel. Es fragt sieh nur, ob diese Vorteile erreicht werden
können, ohne daß gleichzeitig Nachteile eintreten, und ob weiterhin der Erfolg derart ist, daß
sich der durch die Aufastung bedingte Kostenaufwand lolint.
Solange es sich nur um Entnahme trockener Aeste (event. Aststummel) handelt,
wie sie sich namentlich infolge mangelnder Lichtwirkung fast immer mehr oder weniger
reichlich vorfinden, kann der Baum, entsprechend vorsichtige Ausführung voraus-
gesetzt, nur Vorteil von der Astung haben, indem dadurch eine Arbeit vollzogen
wird, die er anderenfalls entweder durch allmähliches Abstoßen des toten Organs selbst
vornehmen müßte, oder deren Unterlassung bei der Unmöglichkeit des Abstoßens
stärkerer Aeste insofern nachteilig wirkt, als der tote Teil einwächst, zu Fehlstellen
(Hornästen) Anlaß gibt und die Nutzfähigkeit des Stammes vermindert. Erhebliche
Zweifel bestehen aber hinsichtlich der Grünastung: Die Ansichten über ihren Wert
gehen sehr auseinander. Im allgemeinen aber steht fest, daß man selbst bei Bäumen
von hoher Reproduktionskraft nicht über ein gewisses Maß (Zahl der zu entfernenden
Aeste, Größe der Wundfläche) hinausgehen darf, wenn nicht die Nachteile (Minderung
der Organe, mangelhafte Ueberwallung etc.) überwiegen sollen. Zweck der Grün-
astung ist meist Steigerung des Nutzwertes des aufgeasteten Stammes. Schaftreinheit,
Vollholzigkeit und Langschaftigkeit sollen durch die Entnahme grüner Aeste ver-
1) Zu vergleichen: Allgemeiner Arbeitsplan für forstliche Aestungsversuche. Aufgestellt
von dem Verein deutscher forstlicher Versuchsanstalten 1886, abgedruckt im Jahrbuch der preuß.
Forst- und Jagdgesetzgebung und Verwaltung, 18. Bd. i. Heft, S. 26-t ff. Hier sind sämtliche bei
der Aestung irgend in Betracht kommende allgemeine Gesichtspunkte aufs vollständigste zu-
sammengestellt. Zugleich ist daraus zu ersehen, nach welchen Richtungen hin die ganze Frage der
Klärung noch bedarf. — Vergl. auch K i e n i t z, „Ueber die Aufastung der Waldbäume", Suppl.
zur A. F.- u. J.-Z. X. Bd. 2. Heft, 1878. M a y, „Geschichte der .\ufastungstechnik und Auf-
astungslehre", F. Ztbl. 1889, 1890 u. 1891. Ferner „Instruktion für Aufastungen" (im Großh.
Hessen) F. Ztbl. 1899, S. 317. H e m p e 1, Die Aestung des Laubholzes, insbes. der Eiche. Jlitlign.
a. d. forstl. Versuchsw. Oesterreichs. 18. Hft. 1895. — Zederbauer, Untersuchungen über
d. Aufastung der Waldbäume. Zbl. f. d. ges. Forstw. 1909, 413.
2) Gelegentlich (z. B. in dem vorgenannten .\rbeitsplan) wird auch noch die sog. Welk-
^stung unterschieden, worunter die Wegnahme natürlicli oder künstlieh (durch Einstutzen oder
Ringelung) gewelkter Aeste verstanden wird.
Haudb. d. Forslwiss. 3. Aufl. II. 13
194 VI. Lorey, Waldbau.
bessert werden. Daß größere Astreinheit herbeigeführt ist, bedarf keines Beweises.
Auch die Erziehung vollholzigerer Schäfte wird durch das mit der Wegnahme der
unteren Aeste verbundene Hinausschieben der Krone unterstützt. Das Verhältnis
der Jahresringbreiten im oberen und unteren Schaftteile verändert sich durch die
Aufastung zugunsten der oberen Jahresringe, insofern diese breiter bezw. die unteren
schmäler werden. Der dadurch herbeigeführten Förderung der Walzenform steht
allerdings bei stärkerer Aufastung eine Verminderung des Gesamtzuwachses gegen-
über. Hingegen lassen sich für die Richtigkeit der Annahme, daß durch Aufastung
der Höhenwuchs befördert werden könnte, weder aus den vorliegenden Untersuchun-
gen, noch von physiologischen Erwägungen aus einwandfreie Beweise erbringen.
Man muß im Gegenteil annehmen, daß die mit jeder stärkeren Astung verbundene
Verringerung der Assimilationsfläche einen Rückgang des Höhenwuchses zur Folge hat.
Die Umstände, welche den Erfolg der Astung beeinflussen, sind nach Art und Um-
fang noch durch Versuche festzustellen. Im einzelnen sind dabei hinsichtlich der
Objekte, an welchen die Astung vollzogen wird, zu beachten: die Holzart, die Stand-
ortsverhältnisse, die Bestandesverhältnisse im ganzen und der aufzuastenden Stämme
im besonderen. Naturgemäß stehen betreffs der Holzart für den hier in Rede
stehenden Zweck nur Nutzholzarten in Frage und zwar dürften in erster Linie die
Eiche, sowie unsere Nadelhölzer ins Auge zu fassen sein. Hinsichtlich des Stand-
orts kommen alle seine einzelnen Faktoren in Betracht, da sie in ihrer Verschieden-
heit unzweifelhaft auch auf den Effekt der Astung modifizierend wirken. Auch das
Alter der zu astenden Bäume ist zu beachten. Einem jungen bis mittelalten voll-
kräftigen Individuum kann man mehr zumuten als einem alten Stamme.
b) Förderung des Unterwuchses. Hierbei kommt namentlich
der Mittelwald, sowie der Hochwald mit natürlicher Verjüngung in Betracht. Im
Mittelwald ist die Bedeutung des Unterholzes bisweilen eine sehr erhebliche, weil
viele Besitzer, von jeder einseitigen Steigerung der Oberholzproduktion absehend,
auf die im Unterholz zu gewinnende Brennholzmenge besonderen Wert legen. Allzu
reichliche Beschattung seitens der Oberständer behindert die freudige Entwickelung
des Unterwuchses, so daß durch Entnahme eines Teils der Aeste an jenen, mit mög-
lichster Berücksichtigung der unter a angedeuteten Gesichtspunkte, nachgeholfen
werden muß. Nicht minder können unter Umständen die Jungwüchse des Plenter-
waldes und des schlagweisen Hochwaldbetriebes eine Lockerung des Kronenschirmes
durch Entastung (Wegnahme der unteren Aeste) fordern. Dadurch wird zugleich
das spätere Ausbringen der Mutterbäume mit geringerer Scliädigung des Unter-
wuchses möglich 1). Immerhin darf man die nachteilige Wirkung einer nur zeitweise
stärkeren Ueberschirmung des Jungwuchses nicht überschätzen, damit nicht für
Aufastungen ohne Not zu große Kosten aufgewendet und nicht Stämme, welche noch
längere Zeit stehen sollen, durch die Astung zugunsten des Unterstandes unverhält-
nismäßig geschädigt werden.
c) M a t e r i a 1 a n f a 1 1: Die Aufastung liefert nicht nur eine je nach Um-
ständen mehr oder minder schätzbare Holzmasse, sondern wird vielfach auch zur
Gewinnung von Streu (Reisstreu im Gebirg) und Futterlaub (z. B. von Eschen) regel-
mäßig vorgenommen. Namentlich letztere beide, dem Gebiete des Nebennutzungs-
1) z. B. Aufastungen im Schwtirzwald. Die allmähliche Entaslung, hauptsächlich zugunsten
der Entwickelung des Unlerwuchses, ist von der oft vollständigen Entastung unmittelbar vor der
Fällung, behufs geringerer Beschädigung der Jungwüchse durch den fallenden Stamm, zu unter-
scheiden. \on letzterer ist man vielfach abgekommen, weil infolge des nunmehr ganz unvermittel-
ten Aufschiagens der Stämme auf den Boden (Steinräuhen!) zu viele, insbes. Tannen-Stämme
zerbrechen.
Die Bestandeserziehung. § 89. J95
betriebs zugeUörendcn Zwecke sind oft \'eranlassung einer sonstige Rücksichten
vernachlässigenden Ausdehnung der Maßregel (Schneitelbetrieb).
d) In einzelnen Fällen veranlassen noch andere Beweggründe zur Aufastung.
Die häufigsten ^'orkonlnulisse dieser Art sind Aufastungen an Wegen behufs Trocken-
legung, an Bestandsrändern, um der Sturmgefahr vorzubeugen, an Eisenbahnen und
Verkehrsstraßen, um feuerfangendes Dürrholz zu entfernen.
II. Erfolg der Astung: Außer den unten Ja bereits angegebenen
bedingenden Momenten sind von Einfluß die Ausführung der Entastung, die Zeit
ihrer Vornahme, ihr Umfang (.\nzahl und Stärke der weggenommenen Aeste)
und die aufgewendeten Kosten.
A. Art der A u s f ü h r u n g und zwar
1 . Ort der Abtrennung der Aeste: Man unterscheidet Astung
scharf am Stamme, Astung in geringem Abstände vom Stanmie (sog. Stummeln),
Einstutzen der Aeste in gi-ößerer Entfernung vom Stamme zum Behufe der vorläu-
figen Verhinderung ihrer Stärkezunahme oder des allmählichen Abwelkens und spä-
teren Nachschneidens am Stamme.
Beim .\esten scharf am Stamm tcann tler Schnitt parallel zur Baumaclise oder senkrecht
zur Astachse geführt werden. Im ersteren Falle ist die Wundfläche etwas größer, die Ueberwal-
liMig aber geht schneller vor sich, weil die Wundfläche in gleiche Ebene mit den Leitungsbah-
nen kommt; der Einfluß der Operation ist ein günstigerer, weil der beim Schnitt senkrecht zur
.\stachse verbleibende kleine Astwidst fehlt. — Das Belassen kurzer Stummel ist wegen Ver-
langsamung des Ueberwallungsprozesses und wegen Einfaulens der Stummel verwerflich, wo-
gegen das Belassen längerer Astreste mit einigen noch grünen Zweigen sich dann empfehlen
kann, wenn man starke Aeste an bald zu fällenden Stämmen nicht ganz zu entfernen wagt,
inzwischen jedoch die Beschattung des Unterwuchses vermindern möchte.
2. Instrumente: Ein glatter Schnitt ist bei der Astung zur Erzielung
möglichst rascher guter Ueberwallung unbedingt erforderlich; alles Splittern, Ein-
reißen in Holz und Rinde, Loslösen der Rinde vom Holzkörper ist zu vermeiden. Nur
für schwache Aeste, welche mit einem Hieb vom Stamm getrennt werden können,
sind Beil oder Heppe, event. auch ein (von unten zu führendes) Stoßeisen statthaft.
Im übrigen ist die Astung mit der Säge (Hand- oder Stangensäge) vorzunehmen,
da es allein mit diesem Werkzeug möglich ist, glatte Schnitte auszuführen, ohne die
Rinde aufzureißen. Besondere Aufastungssägen mit kleinen Zähnen und verstell-
baren Blättern, wie z. B. diejenigen von Alers'), Nördlinger-), sowie Müller-Dörmer^).
3. Ausführung, Behandlung der W u n d f 1 ä c h e : Zur Ver-
meidung des Einreißens in den Stamm ist bei Entnahme aller stärkeren Aeste von
unten her zunächst an der Schnittstelle einzukerben ; schwere Aeste werden überdies
am besten stückweise entfernt. — Kleine Sciuiittflächen w-erden bei Nadelhölzern,
bei welchen öfters Verschluß durch Harzaustritt erfolgt, einer besonderen Behand-
lung nicht unterzogen. Dagegen empfiehlt es sich, — ganz besonders bei der Herbst-
astung — , alle größeren Wundflächen bei Nadel- und Laubhölzern mit Teer zu über-
streichen, um das Eindringen von Pilzkeimen zu verhindern. — Organisation
der Arbeit: Nur durchaus zuverlässigen, geübten Arbeitern darf die Astung
übertragen werden. Bis zu einer gewissen Höhe vom Boden (ca. 6 Meter, ja mit An-
1) Die sog. „Flogelsäge" von Forstmeister .Alers in Helmstedt ist beschrieben in Alers
„Ueber .\ufästen der Waldbäume" etc. 2. Aufl. 1874. Leber ihre Leistung zu vergleichen u. a.
Heß, „Aufastung von Eichen" (Zentralbl. f. d. ges. Forstwesen 1879, S. 353). Derselbe,
-Mlg. F. u. J.-Z. 1874, S. 37 ff. — Derselbe, „Astungen in Fichtenstangenhölzern" (Zentralbl.
f. d. ges. Forstw. 1882, S. 452). — Zum Festhalten schwanker Aeste behufs des .\bsägens hat
Alers eine auf einer Stange befestigte ,,Baumi;aber' konstruiert; cfr. Allg. F.- u. J.-Z. v. 1886,
S. 395.
2) cfr. Kritische Blätter, LI. Bd., 1. Heft, S. 220 ff.
3) A. F.- u. J.-Z. 1893, S. 200.
13*
jgg \'I. L o r e y , Waldbau.
satzgestänge bis zu ca. 10 — 12 Meter) kann die Stangensäge angewendet werden;
weiter hinauf wird die Astung durch Besteigen der Bäume vorgenommen. Zum Be-
steigen der Bäume sind besondere Steigapparate erfunden worden, so von Z e h n -
pfund der sog. Steigrahmen i). Verbesserungen desselben wurden vorgeschlagen
von H e f e 1 e ^) und anderen. Die Anwendung der Alers'schen Baumgabel erfordert
einen zweiten Arbeiter, der dann auch das Teeren der Wundstellen mit be-
sorgen kann.
B. Zeit der A u f a s t u n g ^) : Als geeignetste Zeit der Aufastung wird allge-
mein die Zeit der Vegetationsruhe (Herbst und Winter) angenommen. Am günstigsten
hielt man zeither schon immer den Nachwinter und den ersten Frühling, weil dann
durch atmosphärische Einflüsse (Frost, Hitze) keine ungünstige Einwirkung auf die
Wundtläche stattfinden und auch bei der Ausführung der .\stung infolge Festsitzens
der Rinde Loslösungen usw. nicht vorkommen könnten. Die neuerdings veröffent-
lichten Untersuchungen Zederbauers weisen darauf hin. daß Herbstastung nur
bei Anwendung des Teeranstriches zulässig und daß das Frühjahr, März oder .\pril,
wegen der sofort eintretenden Ueberwallung die beste Zeit für die Aufastung ist.
Bei der Herbstastung entsteht rings um die Wunde Bräunung der Rinde und da-
durch Vergrößerung der Wunde, ein Vorgang, der namentlich bei Buche und Eiche
die Verlegung der Aufastung in das Frühjahr angezeigt erscheinen läßt, während
Nadelhölzer (Douglasie und Fichte) ohne große Schädigung auch im Winter oder
Herbst aufgeastet werden können.
C. Ausdehnung der A s t u n g: In Frage steht die Stärke der zu ent-
nehmenden .\este, deren Anzahl und Stellung am Stamm, im konkreten Falle beein-
flußt durch Höhe des Kronenansatzes, Kronenlänge, Kronendurchmesser, Kronen-
dichte etc. des zu entastenden Stammes.
Welche Größe die einzelne Wundtläche je nach Alter, Stärke und Wüchsigkeit des Stam-
mes ohne Gefahr liaben darf; in welchem Maße durch geringen vertikalen und seitlichen .ab-
stand mehrerer Wundflächen voneinander, namentlich bei stärkeren .\esten der Ueberwallungs-
prozeß erschwert und die Gefahr einer von den Wunden ausgehenden Verderbnis erhöht wird;
welche relative Gesamtausdehnung der Wundflächen eines Stammes man nicht ohne Nachteile,
auch für die physiologischen Funktionen und die Zuwachsverhällnisse, übersehreiten darf,
sind Fragen, deren zuverlässige Beantwortung nach dem jetzigen Stand unserer Kenntnis noch
nicht möglich ist. (Weißtanne und Fichte sollen, nach D e n g 1 e r, bis zu 0,6 — 0,7, Kiefer
und Lärche bis zu 0,8 der Baumhöhe entastet werden dürfen. T r a m n i t z hält die Entnahme
von 20 — 33°o der grünen Krone für zulässig, fordert alier für die Eiche, daß die Wunden [höch-
stens 4 cm Durchmesser!] in 3 — i Jahren überwallen.) Im allgemeinen ist vor Beseitigung
starker Aesle zu warnen, wogegen schwächere .\este an schönen Stämmen zu beseitigen sind.
Zeder bauer fordert, daß die Größe der .\stwunden je nach Wüchsigkeit des Baumes und
der damit zusammenhängenden Schnelligkeit der Ueberwallung nicht über 3 bis 6 cm im Durch-
messer betragen soll.
D. Kosten: Die Aufastung ist als eine viel Sorgfalt erfordernde Manipu-
lation verhältnismäßig teuer. Selbst wenn die hinsichtlich des .\stung6verfahrens
(Instrumente, Arbeitsorganisation etc.) günstigen Bedingungen ausfindig gemacht
sind, ist zu erwägen, ob und inwieweit — nach Abzug des Wertes der anfallenden
Astmasse — der Aufwand durch die erwarteten Vorteile gedeckt wird. Für sicheres
ziffermäßiges Bemessen fehlen bislang die nötigen Anhaltspunkte.
Angesichts der zahlreichen bedingenden Faktoren ist die .\ufastungsfrage eine
überaus komplizierte, zu deren allseitiger Lösung sich Pflanzenphysiologen und Forst-
leute veibinden müssen, ^'orläufig scheint bezüglich der Grünästung große Vorsicht
1) Zbl. f. d. ges. Fw. 1892, S. 465.
2) Fw. Ztbl. 1894, S. 299.
3) \ergl. K i e n i t z a. a. O. S. 68, 72, 75, 78, 80. Z e d e r b a u e r a. a. O.
Die Bestandeserziehung. § 90. I97
geboten zu sein, mindestens insoweit es sich um Stämme handelt, welche noch längere
Zeit wachsen sollen. Jedenfalls wird man gut tun, die Aestung vorerst nur als eine
Ausnahmemaßregel zu betrachten.
Sechstes Kapitel.
Die Bodenpflege.
§ 90. Da die Bewahrung der Bodenkraft für die Nachhaltigkeit der forstlichen
Erträge von höchster Bedeutung ist, gehört die Bodenpflege als untrennbarer Be-
standteil zur Bestandespflege. Für den Waldboden sind die auf Erhaltung bezw.
Besserung der die Bodengüte bedingenden physikalischen und chemischen Faktoren
— namentlich der Bodenfrische und des Nälu-stoffkapitales — gerichteten Maßnah-
men sogar von besonderer Bedeutung, weil die von der Landwirtschaft zur Hebung
erschöpfter Böden benutzten Mittel: Bodenbearbeitung und Düngung im forstlichen
Betriebe der Kosten wegen nur in sehr beschränktem Maße zur Anwendung gelangen
können. Eine pflegliche Waldwirtschaft muß bemüht sein, zunächst durch waldbau-
liche Maßnahmen die Notwendigkeit künstlicher Düngung und der S. 88 ff. genannten,
bei der Herstellung eines kulturfälugen Bodens vielfach unumgänglichen Meliorations-
arbeiten vom Waldboden fern zu halten. Hierauf hat sie umsomehr bedacht zu sein,
je mehr der Boden von selbst zur Preisgabe seiner Produktionskraft hinneigt.
Die schon in früheren Abschnitten wiederholt genannten und nach ihrer prak-
tischen Verwirklichung mehr oder weniger erörterten Gesichtspunkte der Bodenpflege
im Walde umfassen die Erlialtung des Bodens, seiner Lockerheit und Frische, sowie
seines Humusvorrates und Nährstoffgehaltes.
a) Erhaltung des Bodens. Sache des Waldbaues ist es, durch Wahl
geeigneter Holz- und Betriebsarten die Erhaltung einer dauernden Bestoekung dort
zu sichern, wo die Gefahr der Bodenabschwenmiung oder Flugsandbildung besteht.
Die in solchen Verhältnissen mit Recht auf Schutzwaldbildung gerichteten forst-
politischen Maßnahmen zeichnen auch dem Forstschutz und der Forstbenutzung
die ^^'ege vor, die sie im Interesse des gemeinsamen Zieles zu gehen haben (Verbot
der Streunutzung, Waldweide, Unterlassung der Stockrodung usf.).
b) Erhaltung der B 0 d e n 1 o c k e r h e i t. Im allgemeinen ist es dem
forstlichen Großbetrieb nicht möglich, durch periodische Bearbeitung des Wald-
bodens mit Hand- oder Zugwerkzeugen (Hacken, Grubbern) für einen namentlich
auf bindigen Böden ^^-ünschenswerten Lockerheitsgrad zu sorgen. Auch das in frühe-
ren Zeiten in Betracht kommende \'erfahren, durch Schweineeintrieb einen wohl-
tätigen Umbruch der oberen Streu- und Bodenschicht herbeizuführen, hat heute an
Bedeutung verloren. Umsomehr ist den unter d genannten, auf Erhaltung der nor-
malen Streudecke, Streumischung und Streuzersetzung hinauslaufenden bestandes-
pfleglichen Maßnahmen Beachtung zu schenken, damit der Wald selbst die ihm zu-
fallende Aufgabe, den normalen Lockerungsgrad des Bodens zu erhalten, zu lösen
imstande ist. Unter Umständen vermag der Wirtschafter durch Düngung mit lockern-
den bezw. bindenden Materialien, vor allem durch Kalkung (bei Trockentorfbildung)
für eine Besserung der Bodenlockerheit Sorge zu tragen.
c) Erhaltung der B o d e n f r i s c h e bezw. Herstellung
eines normalen Feuchtigkeitszustandes. Da ohne Vorhanden-
sein einer hinreichenden und gleichmäßigen Bodenfrische alle sonstigen Maßnalunen
der Boden- und Bestandespflege nur wenig nützen, stellt die Regelung der Wasser-
frage eine der wichtigsten Aufgaben der Waldwirtschaft dar. Zunehmende Trocken-
198 VI. Lorey, Waldbau.
heit und ständiges Sinken des Grundwasserspiegels bringen es mit sich, daß die
Forstwirtschaft an Stelle der ehedem auf Verbesserung des Waldzustandes abzielen-
den Entwässerungen jetzt vielfach auf die gegenteilige Maßnahme der Wasserzufüii-
rung hingewiesen wird.
1. Bewässerung. Angesichts der zumeist vorliegenden Unmöglichkeit
direkter Wasserzuführung sind an trockenen Partien, soweit es ohne größere Kosten
möglich ist, \'orrichtungen zu treffen, die schnelles Abfließen des atmosphärischen
Wassers verhindern, das Wasser aufhalten und langsam versickern lassen. Als solche
Vorrichtungen sind die besonders an trockenen Hängen mit Vorteil anzubringenden
Horizontal- oder Sickergräben') zu nennen.
Man versteht darunter 20 — 30 cm tiefe und ebenso weite, in einem Vertikalabstand von
2 bis 3 m, auf sanft geneigtem Gelände auch bis 5 m von einander entfernte, mit möglichst
senkrechten Wänden ausgehobene, 4 bis 6 m lange Stückgräben. Ihr Wert beruht darin, daß
sie sowohl das oberflächlich abfließende Wasser, wie auch das abgewehte Laub und den abge-
schwemmten Boden zurückhalten. .Sie erleichtern die Wasserverteilung und die anhaltendere
Befeuchtung der unter ihnen liegenden Partien und sind auf trocknen, steileren Hängen ein vor-
zügliches Regenerationsmittel für rückgängige Waldungen. Sie bedürfen allerdings, wenn sie
nachhaltig wirken sollen, öfterer Räumung.
Seitlich der Wegegräben angelegte quadratische oder rechtwinkliche Löcher (Sicker-
dohlen), in welche das in den Gräben abfließende Wasser geleitet wird, Wasserausgüsse,
die an trocknen Stellen in die Bestände führen, an bedürftigen Partien zweckmäßig angebrachte
Wegedurchlässe mit Stauvorrichtungen in den Gräben, um das Wasser zum .abfließen zu brin-
gen, sind anderweitig vielfach ohne erheblichen Kostenaufwand mögliche Maßregeln, welche
die Wasserentführung aus dem Walde erschweren und damit der l'roduktionssteigerung des
Waldbodens Dienste leisten.
Planmäßige Grabenanlagen zur direkten Bewässerung günstig gelegener be-
dürftiger Bestände sind infolge zu hoher Kosten meist undurchführbar. Die in dieser
Richtung laut gewordenen Vorschläge Anderlinds^) sind utopisch. Infolge-
dessen fehlen auch, von kleinen Ausnahmen ^) abgesehen, zahlenmäßige Beweise für
den Wert direkter Bewässerung. Hinsichtlich der praktischen Durchführbarkeit der
Waldbewässerung trifft IM a y r jedenfalls für die meisten Verhältnisse das Richtige,
wenn er (Waldbau S. 523) als beste Bewässerung für bewaldete Gebiete — die Unter-
lassung der Entwässerung bezeichnet.
2. Entwässerung. Die Entwässerung hat sich, wie schon aus den letzten
Worten hervorgeht, auf das Notwendigste zu beschränken. Es ist im allgemeinen
fehlerhaft, gegen jede im Frühjahr oder auf Blößen sich zeigende nasse Stelle mit
Entwässerungsgräben vorzugehen. Der Fehler wird um so größer, wenn das Wasser
dem Walde nicht an anderer Stelle wieder zugeführt werden kann. In vielen Fällen
genügt eine zeitweise und nur vorübergehende Entwässerung, um einen der Bestandes-
begründung unzuträglichen Ueberschuß von Wasser zu beseitigen. Der heranwach-
sende Bestand zehrt den Ueberschuß auf und bedarf der Entwässerungsgräben nicht
mehr. Auf mit älterem Holze bestockten Flächen hat die Entwässerung möglichst zu
unterbleiben. Sie wird hier leicht zu einem störenden Eingriff in den Wasserhaushalt
des Bestandes und zieht möglicherweise Zuwachsrückgang, Zopfdürre und Absterben
des Holzes nach sich. Mit Rücksicht auf solche Vorkommnisse bedarf auch der Wasser-
entzug aus dem Walde zugunsten der Wasserversorgung von Gemeinwesen sorg-
fältiger Prüfung und gegebenen Falles vorsichtiger Einschränkung.
1) Haag, Ueber horizontale Schutz- oder Sickergräben. Forstwiss. Zbl. 1881, 208. —
Müller, Horizontale Schutz-, Sicker- und Regenerationsgräben, ebend. 1904, 659.
2) A n d e r 1 i n d, Beschreibung der Bewässerung der Waldungen der Ebene mittels Fächer
oder Hälter. A. F.- u. J.-Z. 1903, 447. — D e r s., Streifenbewässerung, das. 1904, 257.
3) B ö h m e r 1 e und C i e s I a r, Bewässerungsversuclie im Walde. Zbl. f. d. ges. Forstw.
1905, 145 u. 195.
Die Beslandeserziehung. § 90. I99
d) E r li a 1 1 u n g b e z w. \' e r b e s s e r u n g des H u lu u s v o r r a t e s
und des Nährstoffgehaltes. In bezug auf die Humusfiage sind vor
allem die der \'erhagerung leicht ausgesetzten flachgründigen Böden zweckmäßig zu
behandeln. Erhaltung der lebenden und toten Bodendecke und eines mäßigen Be-
standesschlusses, Schonung des Untervvuchses sind hier unbedingte Erfordernisse,
während andererseits Unterlassung gänzlicher Entblößung des Bodens durch Kahl-
hieb und Begünstigiuig der natürlichen \'erjüngLmg als wirksame Vorbeugungs-
maßnahmen gegen Bodenverschlechtemng und Raubwirtschaft Beachtung ver-
dienen.
Abgesehen von den besonders gefährdeten armen Böden sind Mischung der
Holzarten, namentlich der Licht- und Schattenhölzer, Einbringen der Buche in Nadel-
holzbestände, Unterhau in natürlich oder künstlich gelichteten Orten, Belassung bezw.
Anzucht von Schutz- und ^^'aldmänteln an den Bestandsgrenzen, schnelle Wieder-
aufforstung der Kahlschläge und Anwendung geeigneter, baldige Deckung des Bodens
herbeiführender Kulturmethoden Mittel, die im Interesse der Erhaltung normaler
Humus-, Lockerheit*- und Feuchtigkeitsverhältnisse des Bodens überall, hier mehr,
dort weniger dringend, Anspruch auf Berücksichtigung erheben.
Waldmäntel empfehlen sich namentlich am Rande exponierter Laubholzbe-
stände, um der hier bei ständiger Windeinwirkung leicht vorkommenden Laubver-
wehung und Aushagerung der Randpartien vorzubeugen. Der notwendige Schutz
kann durch Anlage eines Niederwaldstreifens an der gefährdeten Seite, meist besser
aber durch L'msäumung des Laubholzes mit einem Nadelholzbande, oder auch durch
Unterbau des Randstreifens mit Tanne oder Fichte hergestellt werden. Auch in Nadel-
holzbeständen ist ein sorgfältig erzogener Waldmantel ein nicht zu vernachlässigendes
Hilfsmittel gegen Stumischaden und gegen die mit dem Eindringen von Wind und
Sonne dem Boden drohenden Gefahren.
Ueber die zweckmäßigste Art und ^\'eise der Erziehung der ^\'aldmäntel gehen
die Ansichten aber auseinander. Während die einen den dichtgefügten, aus eng ge-
stellten Bäumen gebildeten und bei den Durchforstungen unberührt gelassenen \\'ald-
mantel für den wirksameren halten, plaidiert man auf der anderen Seite für den weit-
ständigen, aus frei erzogenen und dementsprechend tiefbeasteten Bäumen zusammen-
gesetzten. Wo neben Bodenschutz auch Sturmschutz Aufgabe des Waldmantels ist,
dürfte der weitständig erzogene, aus standfesten Bäumen gebildete seinen Zweck
besser erfüllen.
Die oben zum Zwecke der Herbeiführung eines günstigen Humuszustandes
geforderte Erhaltung des Bestandesschlusses darf, wie schon in früheren Abschnitten
mehrfach hervorgehoben wurde, in reinen Fichten-, Buchen- und Tannenbeständen
nicht zur Anhäufung von Trockentorfmassen führen. Auf Böden und in Lagen, wo
dieses zu befürchten ist, hat entsprechende Schlußunterbrechung an Stelle der Schluß-
erhaltung zu treten, damit durch hinreichende Wärme- und Luftzuführung die Streu-
zersetzung gefördert wird.
Forstdüngung. Die Frage der Oedlandaufforstung, wie der Umstand,
daß die Forstwirtschaft auf großen Flächen nur sehr spärliche Erträge infolge Armut
des Bodens an Pflanzennährstoffen zu erzielen imstande ist. haben in neuerer Zeit zu
ausgedelmten \"ersuchen über die Möglichkeit der Erhöhung des vorhandenen Nähr-
gehaltes des Bodens durch Zuführung natürlicher und künstlicher Düngemittel ge-
führt. Man nennt die forstliche Freilanddüngung, um sie von der längst üblichen
und erfolgreichen Düngung der Saat- und Pflanzgärten zu unterscheiden, kurz Forst-
düngung.
200 ^''- L 0 r e y , Waldbau.
Neben den ausgedehnten ^■ersucllen, die seit rund 2 Jahrzehnten zuerst in Belgien und
Holland^) mit künstlicher Düngung bei der Aufforstung von Ocdländereien durchgeführt worden
sind, verdienen die von der hannoverschen Provinzialforstverwallung, dem Heidekultur-\'erein
der Prov. Schleswig-Holstein, dem jütländischen Heidekultur-\erein, ferner die von den deut-
schen forstlichen \'ersuchsanstalten ausgeführten bezw. in Angriff genommenen Arbeiten Er-
wähnung. Besondere Anerkennung und Dank gebührt namentlich auch der Deutschen Land-
wirtschaftsgesellschaft, die durch Schaffung eines Sonderausschusses für Forstdüngungsversuche
und durch Bereitstellung reicher Mittel eine wenigstens teilweise Lösung der praktisch wichti-
gen Forstdüngungsfrage in erreichbare Nähe gerückt hat.
Aus der großen Zahl der bisherigen erfolgreichen bezw. ergebnislosen Forst-
düngungsversuche lassen sich folgende Erfahrungen ableiten: die Forstdüngung hat
nur Zweck auf den ärmsten und armen Böden, d. h. hauptsächlich auf unseren san-
digen Kiefern- und Fichtenhöden. Hier löst die Düngung die Aufgabe, die Bestandes-
begründung zu erleichtern und der jungen Kultur über die ersten Jahre hinwegzu-
helfen. Im mittleren und höheren Alter der Bestände ist die Düngung so gut wie
wirkungslos. Wohl aber kann hier, sofern Trockentorfschichten ^) vorhanden sind,
durch Zuführung von Kalk und durch Bodenbearbeitung zur rascheren Zersetzung
der Streu und dadurch zur Stickstoffanreicherung des Bodens beigetragen werden.
Auf allen mittleren und besseren Standorten unserer Waldungen ist Düngung
nicht nötig. Sichtbare Erfolge zeitigt sie auf solchen Standorten nur dann, wenn der
Boden in seinen oberen Teilen durch unzweckmäßige Behandlung gelitten hat.
Da die geringeren Waldböden nach den vorliegenden Nährstoffmangelver-
suchen ziemlich überwiegend Mangel an Stickstoff haben, heißt das Problem der
Forstdüngung Stickstoffzufuhr. Diese kann mit Hilfe der künstlichen Stickstoff-
dünger (Salpeter, schwefelsaures Ammoniak) oder durch Auf- bezw. Einbringen vege-
tabiler Reste (Gründüngung, Waldstreu, Humus, Moorerde, Stroh, Kartoffelkraut)
und endlich durch Vor- oder Zwischenbau von Leguminosen und Stickstoff bindenden
Holzarten, der Robinie und der Weißerle, geschehen.
Die Anwendung der künstlichen Stickstoffdünger scheitert am Kostenpunkt;
ihre Wirkung ist, verglichen mit dem Aufwand, zu kurz und zu gering.
Im forstlichen Betriebe kommen deshalb nur jene Stickstoff([uellen in Betracht,
die den Stickstoff zwar weniger intensiv wie Kunstdünger, dafür aber nachhaltiger
zuführen. Das sind die genannten organischen Dungstoffe und Vor- bezw. Zwischen-
bau der sog. Stickstoffsammler ^). Von letzteren leisten die Lupinen vielfach recht
gute Dienste. Ihr Anbau setzt jedoch hin und wieder eine vorhergehende Düngung
des Bodens mit Thomasmehl und Kainit voraus. Der geringeren Kosten wegen ist
1) Vgl. V e r s t a p p e n, la culture des lupines et la restauration en Campine du sol 6puis§
des piniferes. 1896. — R a m m, Ueber die Frage der Anwendbarkeit der Düngung im forstlichen
Betriebe. 1893. — G i e r s b e r g, Künstl. Düngung im forstl. Betriebe. 2. Aufl. 1903. — Jentsc h,
Bestandesdüngungen in den Niederlanden und in Belgien. Forstw. Zbl. 1901, 225. — H e n z e,
Die Entwicklung der Forstdüngungsfrage. Tharandt. Jhrb. 1904, S. 149. — Vater, Anleitung
zur Beschreibung von Versuclien zur Düngung von Freikulturen, das. 1904, 81. — D e r s., Die
Tharandter Forstdüngungsversuche, das. 1910, 111. — S c h w a p p a c h, Versuche über Forst-
düngung und Bodenpflege. Ztschr. f. Forst- und Jagdw. 1907, 141. — Hornberger, Einige
Bemerkungen über Düngung im Walde, das. 1908, 230. — Düngungs-Versuche im Walde. Forst-
wiss. Zbl. 1902, 284. — S c h w a p p a c h, Die Düngung im forstl. Großbetriebe. Deutsche
Forst-Ztg. 1910, 925.
2) P. E. M ü 1 1 e r u. W e i s, Ueber d. Einwirkung des Kalkes auf Buchenrohhumus. Na-
turw. Ztschr. f. Land- u. Forstw. 1907, 52 flgde. — H e 1 b i g, Kalkdüngung in Buchensamen-
schlägen, Forstwiss. Zbl. 1902, 120.
3) K o c h, Düngung durch lebende Papilionaceen. A. F.- u. J.-Z. 1902, 11. — Engler u.
G 1 u t z, Gründüngungsversuche in Pflanzschulen, Mittlgn. d. Schweiz. Zentralanstall f. d. forstl.
Versuchsw. VII. Bd. 319. — Reuß, Die Besenpfrienie als Amme der Fichte. Weißkirchn.
forstl. Blätter, 1903. — M a t t h e s, Mittlgn. über Bau und Leben der Fichtenwurzeln und Un-
tersuchung über die Beeinflussung des Wurzehvachstums durch wirtschaftliche Einwirkungen.
A. F.- u. J.-Z. 1911, 1.
Die Bestandeserziehung. § 90. 201
der Zwischenbau mit blauer Dauerlupine zu empfehlen. Außerdem kommt der Mit-
und Zwischenbau der stickstoffsammelnden Holzpflanzen, der Robinie auf Sandboden,
der Weißerle auf kalkhaltigem Boden, vielleicht auch der Besenpfrieme in Betracht,
um auf geringen Böden die Bestandesbegründung zu erleichtern. Daß auch durch
Zwischenbau von andern, durch reiche Streuproduktion sich auszeichnenden Holz-
arten im Pflanzenabfall dem Boden Stoffe zugeführt werden können, die in physi-
kalischer wie chemischer Hinsicht wertvoll sind, ist eine von der forstliclien Praxis
längst benutzte Tatsache (Treibholz). Auf Kiefernböden scheinen sich Berg- und
Pechkiefer in dieser Richtung zu bewähren. Zweifellos liegen derartige Hilfsmittel
zur Besserung des Nährgehaltes des Bodens der Forstwirtschaft auch nahe, da die
düngende Wirkung der Streu durch künstliche Düngung nur schwer ersetzt werden
kann. Geringe Böden, auf denen ohne künstliche Düngung aber nichts wächst,
machen freilich bei der ersten Inbestandbringung die Zuhilfenahme organischer oder
Mineral-Dünger erforderlich.
Leider hat sich bei den Forstdüngungen, namentlich bei denen mit künstlichen
Düngemitteln jedoch bis jetzt gezeigt, daß man im allgemeinen keine den Kosten
der Düngung nur einigermaßen entsprechende Mehrleistung der gedüngten Kulturen
und Bestände erzielt. Es wäre aber falsch, mit diesem bisherigen Ergebnis über die
Forstdüngungen den Stab brechen zu wollen. Einmal bedarf es, um in der Forst-
düngungsfrage zu einem abschließenden Urteil zu gelangen, längerer Erfahrung, als
zur Zeit zur Verfügung steht und weiterhin scheint es nicht richtig, die durch die
Düngimg gebotene Möglichkeit, arme ertragslose Böden einer wenn auch zunächst
nur bescheidenen Ertragsfähigkeit zuzuführen, lediglich nach der Rentabilität zu
beurteilen.
202
VII.
Forstschutz.
Von
Hermann Fürst.
Mit zwei farbigen Tafeln.
Heß, Der Forstschulz 3. Aufl. 1898. Nördlinger, Lehrbuch des Forstschutzes 1884.
G r e b e, Waldschutz und Waldptlege 1875 3. Aufl. von Koni g's Waldpflege. Fürst (K a u-
s c h i n g e r), Lehre vom Waldschutz 7. Aufl. 1912. Guse, Aus dem Forstschutz 1876.
Einleitung.
§ 1 . Begriff. Die Lehre vom Forstsc hu tz soll uns in den Stand
setzen, die mannigfachen Gefahren, welche dem Walde drohen, möglichst erfolg-
reich von diesem abzuwenden, insoweit die Mittel dazu in der Hand
des Waldeigentümers selbst liegen. Nicht selten aber reichen
diese Mittel nicht aus, der Staat muß im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Wohl-
fahrt eingreifen und den Waldbesitzer in seinen Bestrebungen unterstützen; die
desfallsigen Maßregeln gehören jedoch nicht in das Gebiet des Forstschutzes, sondern
in jenes der Forstpolizei und Forstgesetzgebung, und liegen daher
außerhalb des Rahmens unserer gegenwärtigen Aufgabe.
Um aber alle Gefahren von unserem Walde möglichst abzuwenden, müssen
wir zunächst diese Gefahren selbst, die Ursachen ihrer Entstehung, die Art und Weise
ihres Auftretens kenne n, wir müssen wissen, ihnen möglichst vorzubeugen,
endlich bei trotzdem eingetretenen Beschädigungen verstehen, diese tunlichst zu
beschränken und ihre nachteiligen Folgen für den Wald wie für die Kasse
des Waldbesitzers nach Kräften abzumindern.
§ 2. Begrenzung. Keine unserer forstlichen Disziplinen ist wohl schwerer
zu begrenzen, als die Lehre vom Forstschutz. Außerordentlich mannigfaltig sind
die Gefahren, die dem Walde von Seite der belebten wie der unbelebten Natur
drohen; wir bedürfen der gesamten Naturkunde, der Zoologie und Botanik, der
Klimatologie und Bodenkunde, um die nötige Kenntnis dieser Gefahren und dadurch
die Möglichkeit der Abwehr zu erlangen. Die Mittel der Abwehr und insbesondere
jene der Vorbeugung hegen aber auch zum nicht geringen Teil auf dem Gebiete
der Lehre vom Waldbau, von der Forstbenutzung und Forsteinrichtung — und dies
Verhältnis hat sogar dazu geführt, daß man der Lehre vom Forstschutz das Recht,
als eigene Disziplin aufzutreten, bestritt, ihre Lehren teilweise der Forst-Zoologie
Einleitung. § i. 203
und Botanik, teilweise den oben genannten forstlichen Disziplinen zuweisen \sollte. Wir
glauben: mit Unrecht, glauben, daß eine vollständige und übersichtliche Zusammen-
fassung der Lehre vom Forstschutz unbedingt nötig und deren Unterbringung in den
andern forstliclien Fachern in auch nur einigermaßen vollständiger Weise ohne Zwang
nicht möglich sei, und möchten daher das Recht des Forstschutzes, als eigene Disziplin
aufzutreten, entschieden wahren ^).
Die oben berührte Schwierigkeit der sachgemäßen Begrenzung unserer Dis-
ziplin tritt aber auch zu Tage, wenn wir deren Hand- und Lehrbücher vergleichen.
In dem einen finden wir der Botanik, im andern der Zoologie eine verhältnismäßig
weite Ausdehnung gegeben; die älteren Werke ziehen das Gebiet der Forstbenutzung
herein oder lassen insbesondere die scharfe Trennung von Forstschutz und Forst-
polizei vermissen. Auch die Frage, in wieweit die Lehre von den Servituten und deren
Nachteilen für den ^^'ald in das Gebiet des ersteren gehöre, hat verschiedene Beant-
wortung gefunden. — Unsere Aufgabe wird hier sein, das Gebiet des Forstschutzes
möglichst scharf zu umgrenzen und aus allen den obengenannten Disziplinen nur
das unumgänglich Nötige beizuziehen.
§ 3. Einleitung. Die Gliederung unserer Disziplin erfolgt naturgemäß
nach den Ursachen der Gefahren und Beschädigungen, die unsern Waldungen drohen,
und es erscheinen als solche Ursachen :
L Menschliche Handlungen, als Eingriffe in das Eigentum des
Waldbesitzers, als fahrlässige oder absichtliche Beschädigungen des Waldes
und seiner Produkte.
n. Einwirkungen der organischen Natur, als hemmende, beschädi-
gende oder zerstörende Tätigkeit
1. der Tierwelt,
2. der Pflanzenwelt.
HL Beschädigungen durch Erscheinungen der anorganischen Natur;
solche Erscheinungen sind:
1. Niedere oder hohe Temperatur: Frost und Hitze.
2. Atmosphärische Niederschläge: Regen, Schnee, Duft, Eis, Hagel.
3. Blitzschlag.
4. Heftige Luftströmungen: Winde und Stürme.
5. Ungünstige Bodenbeschaffenheit: Nässe, Flugsand.
l\. Krankheiten der Holzgewächse.
I. Gefährdangeii durch menschliche Handlungeu.
1. Nähere Bezeichnung.
§ 4. Ein BHck auf die zahlreichen devastierten oder doch in ihrem Ertrags-
vermögen weit heruntergebrachten Waldungen in unserem engeren Vaterland wie in
noch viel höherem Grad in der Mehrzahl unserer Nachbarländer sagt uns, daß der
Mensch zu den gefährlichsten Feinden des Waldes gehöre. Habgier und Unverstand
der Waldbesitzer selbst. Ein- und Uebergriffe der Forstberechtigten sind im Verein
mit Entwendungen und Beschädigungen seitens fremder Personen vonviegend die
Ursachen jener traurigen Waldzustände.
Gegen die nachteiligen Eingriffe des eigenen Besitzers vermag der
Forstschutz nicht zu helfen, und nur Belehrung und die allmählich steigende Einsicht
einerseits, wie eine energisch gehandhabte Forstpolizei anderseits — insoferne dieser
1) Vergl. \. F.- u. J.-Z. 1S81. S. 305.
204 MI. Fürst, Forstschutz.
eine entsprechende Forstgesetzgebung zur Seite steht — vemaögen hier einiger-
maßen Besserung zu schaffen. Nur gegen fremde Eingriffe lehrt uns der Forst-
schutz unsere Waldungen schützen, gegen Gefährdungen, die sich entweder auf die
eigentliche Substanz des Waldes, dessen Grenzen, oder auf dessen verschieden-
artige Produkte beziehen. Auch die Gefahr des Waldbrandes wird wohl
zweckmäßiger hier als bei Abschnitt III eingereiht, da es fast stets die fahrlässige
oder frevelhafte Hand des Menschen und nur sehr selten die Natur (durch Blitzschlag)
ist, die diese Gefahr her\-orruft. — Als eine neue hierher zu rechnende Schädigung
der Waldungen ist seit einigen Jahrzehnten in mit dem Wachstum der Industrie
stets steigendem Maße jene durch den industriellen Werken entweichende Gase
aufgetreten; man bezeichnet sie als R a u c h s c h ä d e n.
2. Sicherung der Waldgrenzen.
§ 5. G r e n z z e i c h e n. Von dem Augenblick an, da Grund und Boden
aus dem gemeinsamen Besitz in Sondereigentum überging, war eine Bezeichnung
der Grenzen zur Sicherung des letzteren geboten, und es dienten hiezu in erster Linie
die sog. natürlichen Grenzzeichen: Wasserläufe, Bergrücken und Talsohlen,
Wege, Felsen, Bäume; die beiden letztgenannten wurden hierbei meist durch einge-
hauene Zeichen besonders kenntlich gemacht. Nicht immer aber reichten diese
natürlichen Grenzzeichen aus, zumal mit fortschreitender Parzellierung des Grund-
besitzes, mit seinem steigenden Wert, der eine genaue und sichere Bezeichnung
der Grenzen notwendig machte; man griff daher zu künstlichen Grenzzeichen:
Steinhaufen, Hügeln, Winkelgräben, Pfählen und eingesetzten Steinen, bisweilen
selbst zur Bezeichnung ganzer Grenzlinien durch Gräben, Hecken, Aufhiebe. Gegen-
wärtig finden wir etwa mit Ausnahme des Hochgebirges, in welchem die natürlichen
Grenzzeichen noch eine Rolle spielen, als Grenzzeichen fast allenthalben die Grenz-
steine als dauerhaftestes und sicherstes Material in Anwendung.
Diese Grenzsteine werden bisweilen in rauher, besser aber in behauener Gestalt,
durch welche jeder Irrtum ausgeschlossen ist, aus möglichst dauerhaftem Material
(Basalt, Dolomit, Granit, harte Sandsteine) hergestellt und meist mit bestimmten,
den Waldeigentümer kennzeichnenden Buchstaben, sowie um jede Waldparzelle
fortlaufenden Nummern bezeichnet — es gilt dies wenigstens für Staats- und Ge-
meindewaldungen als Regel — , nicht selten auch auf dem Kopf mit Visierlinien,
welche nach den Nachbarsteinen weisen, versehen.
§ 6. Herstellung der ^^ e r m a r k u n g. Unter V er markung
versteht man die Bezeichnung einer Grenze mit festen Grenzzeichen, und gilt eine
solche in allen Kulturstaaten als Regel. Das bürgerliche Gesetzbuch für das Deutsche
Reich bestimmt (§ 919) ausdrücklich, daß der Eigentümer eines Grundstückes von
dem Angrenzer die Mitwirkung zur Errichtung fester Grenzzeichen in landesgesetz-
licher oder ortsüblicher Weise, sowie zur Wiederherstellung schadhaft gewordener
Grenzzeichen fordern kann, wobei die Kosten zu gleichen Teilen zu tragen sind.
— Der Vermarkung hat stets die Regulierung etwa strittiger Grenzen in gütlichem
Einvernehmen oder auf dem Rechtsweg vorauszugehen.
Bei der Vermarkung wird nun in erster Linie jeder Winkelpimkt mit einem
Grenzzeichen bezw. Grenzstein versehen; ist die Entfernung von einem Grenzstein
zum andern eine sehr große, so werden je nach Bedürfnis ein oder einige Zwischen-
steine, sog. L a u f e r, auf die Grenzlinie in der Weise gesetzt, daß man stets bequem
von einem Grenzstein zum andern sehen kann. — Das Setzen der Grenzsteine erfolgte
Unterhaltung der \'ermarkung. § 7. 205
früher in einfacher Weise gemeinsam durch die beiden Angrenzer, pflegt aber seit
längerer Zeit gesetzlich allenthalben durch die s. g. Feldgeschworenen oder Siebener
stattzufinden, die in jeder Gemeinde aus der Zahl der unbescholtenen Männer (meist
in der Siebenzahl) gewählt werden. Dieselben nehmen in Gegenwart der vorge-
ladenen Angrenzer das Einsetzen der Grenzsteine vor, wobei jedoch kein Zweifel
über die Richtigkeit des Grenzjnmktes bestehen darf; bestehen solche Zweifel oder
handelt es sich (bei Grundabtretung, Teilung etc.) um Feststellung neuer Grenz-
punkte, so hat stets die Bezeichnung der Grenzpunkte durcli den verpflichteten
Geometer vorauszugehen. Nur hiedurch ist es auch möglich, eine richtige Landes-
vermessung aufrecht und die Katasterpläne auf dem Stand der Gegenwart zu
erhalten.
Um über den Standort eines irgendwie zu Verlust gehenden Steines möglichst
sicheren Anhalt zu geben, legen die Feldgeschworenen vielenorts unter die zu setzen-
den Steine Unterlagen von unverweslichen Materialien, wie gebrannte Steine oder
Zeichen, Porzellan- oder Glasscherben, Kohlenstücke; diese geben insbesondere
auch in jenen Fällen, in welchen zur Vermarkung keine regelmäßig behauenen Steine
verwendet werden, darüber Aufschluß, ob man es mit einem Grenzstein oder einem
beliebigen andern Stein zu tun hat. Diese Zeichen werden bisweilen in bestimmter,
nur den vereidigten Feldgeschworenen bekannter Weise gelegt und von diesen als
Geheimnis behandelt.
§ 7. Unterhaltung der \' e r m a r k u n g. Angesichts der Wichtig-
keit, welche die genaue und dauernde Feststellung einer Waldgrenze hat, wie der
Kosten, welche die Herstellung einer \'ermarkung für einen größern Waldkomplex
verursacht, ist es Aufgabe der einschlägigen Beamten, für eine entsprechende I n-
standhaltung der Grenzzeichen Sorge zu tragen. Diese letztem sind in mannig-
facher ^^'eise bedroht: sie werden an Wegen nicht selten umgefahren und zerbrochen,
sind an Gräben, Gehängen, in weichem Boden dem Umsinken oder Abrutschen
ausgesetzt, weichere Steine werden durch Verwitterung und Zerfrieren zerstört,
und nur eine stete Aufsicht vermag die Grenzen in stets gutem Stand zu erhalten.
Eine solche ist daher auch Pflicht der Forstbeamten, und es erscheint deshalb
nötig, daß das Forstschutzpersonal alljährlich, der einschlägige Vervvaltungsbeamte
wenigstens in nicht zu langen Zwischenräumen die Grenze \'on Stein zu Stein begehe,
das \'orhandensein jeden Steines und dessen normalen Zustand konstatiere und allen-
fallsige Gebrechen notiere; die Hebung letzterer erfolgt sodann auf Anrufen durch
die Feldgeschworenen unter Beiziehung der Angrenzer.
Das Geschäft des Grenzbeganges wird erklärlichenveise in hohem Grad erleich-
tert, allen Irrungen bei Holzfällungen, Streunutzung usw. in sicherster Weise vor-
gebeugt, wenn die Grenzlinien offen gehalten, von Holz^vuchs, Gestrüpp, über-
hängenden Aesten stets gereinigt werden; nur hiedurch ist die Möglichkeit, von einem
Stein zum andern zu sehen, die Grenze sofort mit Bestimmtheit zu erkennen, gegeben,
während ver\vachsene Grenzlinien zu den mannigfachsten Irrungen und Streitig-
keiten Veranlassung geben können. Man pflegt daher die Grenzlinien im Benehmen
mit den Angrenzern auf mäßige Breite, etwa meterbreit, durchzufluchten und diese
Grenzhnien stets von allem Holz- und Unkrautwuchs tunlichst rein zu halten.
Der Gefahr einer Beschädigung sind am meisten jene Grenzsteine ausgesetzt,
welche unmittelbar an den häufig längs der Grenzen verlaufenden Weger stehend
durch Anfahren mit Fuhrwerken bedroht sind. Man sucht diese Steine dadurch zu
schützen, daß man sie tief in den Boden setzt oder ihnen durch Abweissteine, einge-
schlagene Pfähle u. dgl. den nötigen Schulz gibt; ist der Weg etwa gemeinsames
206 V. F ü r s t , Forstschutz.
Eigentum der beiden Besitzer, so setzt man die Grenzsteine meist abwechselnd
rechts und hnks des Weges.
Besondere Aufmerksamkeit bedarf die Waldgrenze auch dort, wo sie längs des
Feldes verläuft, indem hier Uebergriffe durch Ueberackern, Ablagern zusammen-
gelesener Steine aus den Feldern u. dgl. nicht selten zu sein pflegen. Den sichersten
Schutz gewährt in solchen Fällen ein Grenzgraben von entsprechenden Dimensionen.
Das oben bereits erwähnte, mit dem 1. Januar 1900 in Kraft getretene Bürger-
liche Gesetzbuch für das Deutsche Reich trifft in den §§ 903 u. ff. eine Reihe bezüg-
lich der Grenzen und des s. g. Nachbarrechtes wichtiger Bestinmiungen. Es setzt
fest, daß das Recht des Grundeigentümers sich auch auf den Raum über und auf
den Erdkörper unter der Oberfläche erstrecke; demgemäß hat ersterer das Recht,
über die Grenze in sein Grundstück gewachsene Wurzeln abzuschneiden und zu be-
halten, ebenso herüberhängende Zweige, wenn deren Beseitigimg durch den Besitzer
des Nachbargrundstückes nicht innerhalb angemessener Frist erfolgt — voraus-
gesetzt, daß Wurzeln und Zweige die Benutzung des Grundstückes beeinträchtigen.
Auf ein Nachbargrundstück fallende Früchte eines Baumes gelten als Früchte dieses
Grundstückes, ein auf der Grenze stehender Baum gehört den Nachbarn zu gleichen
Teilen.
3. Schutz der Waldprodukte.
§8. Forstfrevel durch Entwendung. Kein Vergehen gegen
das Eigentum pflegt bekanntlich häufiger zu sein, als die Entwendung von Forst-
produkten, und die Statistik weist in manchen Gegenden hierüber geradezu er-
schreckende Zahlen auf. Die Gründe dieser Erscheinung sind mannigfache: sie sind
zu suchen zunächst in der verhältnismäßig schwierigen Beschützung der Waldpro-
dukte, insbesondere bei großen Aufsichtsbezirken, parzellierter Lage der Waldungen,
dem Vorhandensein bevölkerter oder armer Ortschaften in der Nähe und selbst
inmitten der Waldungen. Im Weiteren sind viele Produkte des \\'aldes dem ^Menschen
teils für sich, teils für seine Haustiere geradezu unentbehrhch : so das Holz zumal
im strengen Winter, das Gras und die Streu in Jahren des Futter- und Strolmiangcls,
— und werden nach dem alten Sprücliwort, daß Not kein Gebot kenne, trotz guter
Aufsicht aus dem Walde entwendet; oder es dienen diese Produkte Industriezweigen
(Anfertigung von Reclien, Besen, Körben u. dgl. m.), die von der ärmeren Bevöl-
kerung betrieben werden, welch' letztere sich auf möglichst billige Weise, d. h. also
im Weg des Diebstahls, in den Besitz des Rohmaterials zu setzen sucht.
Niclit wenig trägt aber die aus früheren Zeiten stammende und im Volk noch
sehr allgemein verbreitete, durch die Gesetzgebung selbst der neuesten Zeit unter-
stützte Anschauung von der geringen Verwerflichkeit und Strafbarkeit der Ent-
wendung von Forstprodukten zur \'ermehrung der Zahl der letztern bei. Schon
die an den meisten Orten übliche Bezeichnung ..Forstfrevel" an Stelle des korrekteren
Wortes ,, Forstdiebstahl", ferner die Behandlung dieser Gesetzesverletzung als einer
Uebertretung und nicht als eines Vergehens gleich jedem andern Diebstahl, die
Bestrafung mit Geld, subsidiär mit Haft an Stelle der schimpflicheren Gefängnis-
strafe — alle diese Momente zusammen sind sicher mit daran Schuld, wenn wir
die Zahl der Forstfrevel vielfach eine so hohe werden sehen. Als deutlichster Beweis
dafür, welchen Einfluß die Art der Bestrafung hier ausübt, dient die Wahrnehmung,
daß die als Diebstahl bestrafte Entwendung bereits aufgearbeiteten Holzes
verhältnismäßig selten vorzukommen pflegt!
Verhütung von Forstfreveln. S 10.
207
Erfreulichcnveise zeigt jedoch die Statistik fast aller Länder eine ganz wesent-
liche Abnahme der Zahl der Forstfrevel, die mit der besseren Lebenshaltung der är-
meren Volksschichten in engem Zusammenhang steht.
Die Nachteile, welclie dem Wald durch Entwendungen zugehen, sind teils
geringer, teils schwererer Art. Manche Entwendungen, wie Dürrholz, Gras von Gedun-
gen, Streu aus Gräben und ^^'egen, schädigen den W a 1 d direkt gar nicht, sondern
nur etwa die Kasse des ^^'aldbesitzers, während durch Grünliolzfrevel der Schluß
unterbrochen werden kann, Astholzfrevel die Bäume schädigen, Grasfrevel die Kul-
turen gefährden, wederholte Streuentwendungen zur ^■ermagerung des Bodens
führen. In der Nähe von Ortschaften werden durch die genannten Frevel bisweilen
ganze Bestände geradezu devastiert.
§9. Forstfrevel durch Beschädigung. Unverstand und Un-
vorsichtigkeit, Gewinnsucht, Mutwillen, Bosheit sind die Motive, aus denen Beschädi-
gungen der ^^"aldungen hervorgehen.
Durch Unvorsichtigkeit und Ungeschicklichkeit ergeben
sich insbesondere Beschädigungen des stehenden älteren Holzes und des jungen
Nachwuchses in natürlichen \'erjüngungen wie anstoßenden Beständen bei der Fäl-
lung, Aufarbeitung und Abfuhr des Holzes, nicht selten also durch unsere eigenen
Arbeiter.
Beschädigungen aus Gewinnsucht stehen in engem Zusanmienhang
mit Entwendungen, wobei nicht selten der Schaden den Wert des entwendeten
Objektes übersteigt. Hierher würde beispielsweise zu rechnen sein : das .Anreißen von
Nadelholzstämmen zum Zweck späterer Harzgewinnung, das Ausscharren alter
Harzrisse, das Kienholzhauen, Zapfenbrechen u. s. f. Auch die oft so maßlos und de-
vastierend im Weg des Frevels geübte Waldweide wäre hierher zu zählen, da der
von dem ^'ieh durch A'erbeißen der Holzpflanzen verursachte Schaden den Wert
des verzehrten Grases weit übersteigt.
Nicht selten sind leider auch jene Beschädigungen, welche aus Mutwillen
oder Bosheit und Rachsucht dem Walde zugefügt werden : das Abbrechen
oder Entrinden junger Stämme seitens mutwilliger Bursche, die absichtliche Brand-
stiftung seitens bestrafter Holz- und Wildfrevler mögen hier genannt sein.
§ 10. Verhütung von F o r s t f r e v e 1 n. Das Hauptmittel, um
Forstfreveln jeder Art vorzubeugen, ist ein energisch gehandliabter Forstschutz,
die Aufstellung eines ausreichenden und eifrigen Schutzpersonales, das seitens der
Vervvaltungs- und Inspektionsbeamten genügend überwacht sein muß. Allerdings
muß dessen Tätigkeit auch durch ein hinreichend strenges Foi-stgesetz unterstützt
werden, da zu milde Strafen nicht die nötige abschreckende Wirkung üben; der Er-
laß eines solchen liegt jedoch nicht in der Hand der Waldbesitzer und Forstbehörden,
sondern in jener der Gesetzgebungsfaktoren eines Landes.
Durch zweckmäßige Dienstesinstruktionen muß die Tätigkeit des Schutzperso-
nales geregelt sein, eine gute Holzhauerinstruktion in Verbindung mit entsprechender
Ueberwachung der Holzhauer wird den oben erwähnten Beschädigungen bei Fällung
und Aufarbeitung des Holzes tunliclist vorbeugen. — Aber auch den Freveln durch
Entwendung wird der größere \\'aldbesitzer einigermaßen vorbeugen können : durch
Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse der ärmeren Anwohner des Waldes, der kleinen
Landwirte und Gewerbetreibenden, und tunlichste Befriedigung dieser Bedürfnisse —
so durch Gestattung der Leseholznutzung, Abgabe von Waldgras und Streu in
Notjahren, von Streusurrogaten jeder Art, von Besenreis, Rechenstielen und dergl.
um billige Taxe.
208 ^ • Fürst, Forstschutz.
4. Schutz gegen Waldbrände.
§ 11. Entstehung. In den weitaus meisten Fällen ist es direkt oder
indirekt der Mensch, durch welchen Waldbrände entstehen, und hiedurch recht-
fertigt sicli wohl auch ihre Besprechung in diesem Abschnitt; nur ausnahmsweise
ist es der Blitz, der alte trockenfaule Stämme entzündet, die Zahl der Fälle, in welchen
dies konstatiert wurde, ist jedoch eine geringe.
Die überwiegende Mehrzahl von Waldbränden entsteht durch Ü n v o r s i c h-
t i g k e i t und Fahrlässigkeit, nicht selten unserer eigenen Waldarbeiter : so
durch Anzünden von Feuer an gefährdeten Stellen, Unterlassen entspreclienden Aus-
löschens beim Verlassen; Mangel an Vorsicht bei dem Brennen von Rasenasche,
dem Verbrennen von Rinde und Reisig behufs Vertilgung schädlicher Insekten,
dem Ueberlandbrennen im Hackwald u. dgl. Im weiteren entstehen nicht selten
Waldbrände durch weggeworfene glimmende Zündhölzchen und Zigarrenstummel,
glühende Pfeifenasche u. ä., wie dies namentlich das häufigere Vorkommen von Wald-
bränden in der Nähe größerer Städte, betretener Wege, an Sonn- und Feiertagen
beweist.
Als eine nicht seltene Ursache von Waldbränden erscheinen in den von Eisen-
bahnen durchschnittenen Waldungen, insbesondere den trockenen Kiefernheiden, die
ausfliegenden L o k o m o t i v f u n k e n (oder richtiger: glühende Kohlenstückclien).
Endlich aber sind Mutwillen und Bosheit leider auch in gar manchen Fällen
die Entstehungsgründe ^).
§ 12. Art des Auftretens. Man unterscheidet nach der Art des Auf-
tretens Boden- oder Lauffeuer, Gipfel- oder Kronenfeuer, Stammfeuer und Erdfeuer.
Am häufigsten tritt das Feuer auf in Gestalt des Boden- oder Lauffeuers,
entstehend durch die Entzündung des trockenen Bodenüberzuges, namentlich dürren
Grases, trockener Heide, weniger des Mooses oder Laubes, welch' letzteres dicht ge-
schichtet liegend nur schwer weiter brennt. Es sind demgemäß vor allem die jungen
noch nicht geschlossenen Schläge, in denen das Lauffeuer zu fürchten ist, dann ältere
lichter stehende Bestände mit trockenem Bodenüberzug.
Schließen sich an den brennenden Schlag Dickungen namentlich der leiclit
brennbaren Föhre, so ergreift das fortschreitende Feuer die Aeste und Wipfel zuerst
der jüngeren, dann wohl auch der älteren Bestände und aus dem Bodenfeuer wird
das verheerende Gipfel- oder K r o n e n f e u e r.
S t a m m f e u e r, die Entzündung eines einzelnen Stammes, kommt nur an
alten, schadhaften, trockenfaulen Stämmen vor — als Folge des Blitzschlages, oder
verursacht durch Ausräuchern eines Marders oder wilden Bienenstockes, durch
mutwilliges Anschüren von Feuer im hohlen Stamm, und tritt natürlich nur selten
auf; noch seltener wohl das E r d f e u e r, die Entzündung torfigen Bodens bei
großer Trocknis durch irgend welche Unvorsichtigkeit^).
1) Eine Statistik für die bayr. Staatswaldungen für die Jalire 1882 — 1899 inkl. weist 1755
Waldbrände nach, von welchen entstanden sind nachweislich mutmaßlich
durcli Blitzschlag 1 "
„ Lokomotivfunken 73 34
Fahrlässigkeit 165 1105
Brandstiftung 39 260
jeder Anhalt fehlend bei 65 Fällen.
2) Die oben erwähnte Statistik für die bayr. Staatswaldungen weist unter 1755 Fällen nach
Bodenteuer 137 7 mal
„ in Verbindung mit Gipfelfeuer . 250 „
,, ,, „ Stammfeuer 69 „
Reines Stammfeuer 33 „
Erdfeuer 26 „
Vorbeugungs-Maßregeln. § lö. 209
§ 13. Zeit und Ort des Auftretens. Die meisten Waldbrände
entstehen nicht, wie man wohl anzunehmen geneigt ist, im heißen Sommer, sondern
viel häufiger im trockenen Frühjahr in den Monaten März, April, Mai. Die große
Zahl der zu jener Zeit im Wald beschäftigten Menschen — Holzarbeiter, Fuhrleute,
Kulturarbeiter — , der vorhandene trockene Bodenüberzug von abgestorbenen
Gräsern und Unkräutern, zwischen denen noch die schützende grüne Bodendecke
nicht hervorgewachsen ist, erklärt wohl diese Tatsache zur Genüge ^).
Was die Oertlichkeiten betrifft, in denen Waldbrände besonders zu fürchten
sind, so sind es vor allem die Schläge mit trockenem Bodenüberzug, in denen das
Lauffeuer reichlich Nahrung findet, geringe Standorte mit ihrer leichter brennbaren
Bodendecke vcn Angergräsern und Heide, ihrer überhaupt in höherem Grad als das
Laubholz gefährüeten Nadelholzbestockung. Die Föhrenwaldungen auf armem Sand-
boden stehen bezüglich ihrer Gefährdung obenan und nirgends treten \\'aldbrände
in Deutschland häufiger und in größerer Ausdehnung auf, als in den ausgedehnten
Kiefernheiden Norddeutschlands.
§ 14. Folgen der Waldbrände. Als unmittelbare Folge eines Wald-
brandes erscheint die Zerstörung der betroffenen Bestände. Die Pflanzen, welche in
den Schlägen vom Bodenüberzug umgeben standen, verbrennen entweder direkt
(Nadelhölzer) oder sterben infolge der erlittenen Beschädigungen unfehlbar ab;
ebenso jene Nadelholzbestände, in welchen ein Gipfelfeuer gewütet hat, das die Benade-
lung und die schwächern Aeste verzehrt, die Stämme aber natürlich zurückläßt.
— In älteren Beständen dagegen und bei Holzarten mit dickborkiger Rinde (Föhre)
bleiben Lauffeuer namentlich bei nur schwächerem Bodenüberzug nicht selten
ohne nachteilige Folgen, in andern Fällen dagegen kränkelt der betroffene Bestand
und muß zum Hieb gezogen werden.
Zu dem direkten Verlust gesellen sich insbesondere bei größeren Brandflächen
— und solche haben sich in einzelnen Fällen schon über Hunderte von Hektaren
erstreckt '^) — , deren sofortige Aufforstung nicht bewerkstelligt werden kann, noch
eine Reihe andenveiter Nachteile: ^'erwilderung des Bodens durch in Menge auftre-
tende Forstunkräuter, Vermagerung des etwa an sich geringen Bodens infolge der
Freilegung, Entstehen von Sandschollen auf zum Flüchtigwerden geneigtem Standort.
Auch schädliche Forstinsekten stellen sich ein: Wurzelbrüter in den absterbenden
Wurzeln und Stöcken, Borkenkäfer in dem kränkelnden Stammholz, und bedrohen,
sich massenhaft verbreitend, die Nachbarbestände.
§ 15. V o r b e u g u n g s - M a ß r e g e 1 n. Von ganz besonderer Wichtigkeit
sind jene Maßregeln, welche dem Entstehen von ^^'aldbränden wie deren
größerer Ausdehnung vorbeugen ; als solche erscheinen ^) :
Beobachtung der nötigen Vorsicht bei Vornahme aller mit dem Anzünden
von Feuer imWald verbundenen Arbeiten, wie solche in § II näher bezeichnet wurden;
Erlaß strenger Vorschriften über das Anzünden von Feuer im ^^'alde überhaupt,
wie durch die eigenen Arbeiter; Verbot des Rauchens im Wald zu gefährlicher .Jahres-
zeit; Entfernen brennbarer Bodenüberzüge in besonders gefährdeten Oertlichkeiten,
an viel betretenen Wegen, namentlich in der Nähe größerer Städte. Belassen brei-
ter Schutzstreifen bei großen zusammenhängenden Aufforstungen, insbesondere
1) Von den 1755 Brandfällen treffen
1156 auf die Monate März, April, Mai
■168 „ ,, ,, Juni, Juli, .\ugusl
131 „ ,, „ September bis Februar.
2) \ergl. die Waldbrandchronik in Heß, Forstscluitz (.3. Aufl.) Bd. 2, S. 520.
3) Vergl. Kienitz, Maßregeln gegen Waldbrände, Forsstw. Z.-Bl. 1903, S. 399.
Handb. d. Forstwiss. 3. Aufl. II. 14
210 VII. Fürst, Forstschutz.
im Heidegebiet; Errichtung von Wachttürmen in großem gefährdetem (Kiefern-)
Gebiet, ev. mit Signalvorrichtung (System S e i t z), Deponierung von Löschgeräter^.
in Forsthäusern; erhöhter Schutzdienst zu gefährlicher Zeit, bei großer Trockne,
an Sonn- und Feiertagen.
Besondere Vorsiclitsmaßregeln sind längs der Bahnlinien namentlich
dort nötig, wo sie die trocknen Kiefernwaldungen der Ebene durchschneiden. Eine
dauernde Freihaltung der s. g. Bahnlichtungen von Holz ist nach K i e n i t z 's
Beobachtungen in keiner Weise nötig, denn nie entzünden die glühenden Kohlen-
stückchen einen Baum, sondern stets nur den Bodenüberzug. \'on brennbarem
Ueberzug sind daher die 12—15 m breiten Streifen längs der Bahn frei zu halten,
durch meterbreite Wundstreifen zu isolieren, die Bestockung auf denselben von
den untern Aesten zu befreien; eine Bestockung verhindert den weiteren Flug der
Funken, die unschädlich in den Schutzstreifen niederfallen.
Aufgabe der Forstpolizei wird es sein, durch die nötigen gesetzlichen
Vorschriften über das Anmachen von Feuer im Wald überhaupt, den Gebrauch von
Fackeln, das Rauchen im Walde, die Reinhaltung von Eisenbahnlichtungen usw.
die Bemühungen des Waldbesitzers zu unterstützen.
In jenen Oertlichkeiten, in welchen die Gefahr der Waldbrände eine besonders
große ist — also besonders in ausgedehnten Föhrenbeständen mit trocknem Stand-
ort — sucht man durch die Anlage von Brandschneißen oder Feuerbahnen, dann von
Sicherheitsstreifen oder Feuermänteln wenigstens die Ausdehnung des Feuers zu
beschränken, die Bekämpfung zu erleichtern. Durch ein entsprechendes Netz sich
rechtwinklig kreuzender Schneißen wird der Wald in mäßig große Abteilungen
zerlegt, man gibt diesen zugleich als Wege dienenden Schneißen keine zu geringe
Breite und hält sie stets rein von Unkraut; die senkrecht zur herrschenden Windrich-
tung verlaufenden Schneißen aber werden mit einem 5 — 10 m breiten Streifen Laub-
holzes bepflanzt, das als Schutz gegen Boden- wie Gipfelfeuer gute Dienste zu leisten
vermag, und bezeichnet man diese Laubholzstreifen als ,, Feuermäntel".
§16. Löschung von Waldbränden. Ein erst im Entstehen
begriffener Waldbrand kann oft von einem oder einigen Menschen gelöscht werden,
während derselbe, zu größerer Ausdehnung gelangt, nicht selten jeder Anstrengung
spottet *). Rasches und energisches Eingreifen ist deshalb von größter Bedeutung,
die Herbeischaffung der nötigen Arbeitskräfte, ihre sachgemäße Venvendung und
Leitung die Aufgabe des einschlägigen Forstpersonales.
Bodenfeuer wird am zweckmäßigsten durch Ausschlagen, oder besser ge-
sagt durch Ausfegen oder Ausdrücken mit belaubten Zweigen gedämpft,
und in vielen Fällen reicht man damit aus ; man rückt dem Feuer von den Seiten her
zu Leibe, da Hitze und Rauch den Angriff von der Stirne oft unmöglich machen,
und engt es hiedurch mehr und mehr ein bis zum völligen Erlöschen. Das Abräumen
des Bodenüberzuges ist meist zu zeitraubend, bei schon größerer Ausdehnung des
Feuers, stärkerem Luftzug und dadurch erschwertem Löschen aber in der Weise
anwendbar, daß man in der Windrichtung in hinreichender Entfernung von der
Brandstätte einen genügend breiten Streifen möglichst von allem brennbaren Ma-
terial reinigt, damit das Feuer hier aus ^Mangel an Nahrung erlischt; die Benutzung von
Schneißen und alten Wegen erleichtert diese Arbeit wesentlich, und es erweisen
sich auch hier die stets rein gehaltenen Brandschneißen als sehr förderhch.
1) In der bekannten Tuchler Heide brannte im Jahr 1863 binnen 3 Tagen eine Fläche von
1276 ha ab, in der Gegend von Aaclien im Jahr 1900 eine solche von 900 ha. Einer der gewaltig-
sten AValdbrSnde war wohl jener im Jahre 1905 auf der Herrschaft Primkenau in Preußen, der
sich über nahezu 5000 ha erstreckte!
Schutz gegen Rauchschäden. § 17. 211
Schwieriger ist die Bekämpfung eines Waldbrandes, wenn aus dem Bodenfeuer
bereits Gipfelfeuer geworden, und nicht selten macht dann das entfesselte
Element, durch stärkeren Wind unterstützt, jede menschliche .\nstrengung vergeb-
lich, erst dann erlöschend, wenn ihm ein breiter Kahlschlag oder die erreichte Wald-
grenze Halt gebieten. Unterbrechung des Schlusses ist hier das einzige Hilfsmittel ;
man sucht diese durch rasches Breiterhauen vorhandener A\'ege und Sclineißen, unter
Benutzung etwaiger Brandschneißen und Feuermäntel, zu erreichen und beginnt
auch hier, wie bei dem oben erwähnten Reinigen von Bodenstreifen, in genügender
Entfernung von der Brandstelle, um nicht während der Arbeit vom Feuer überrascht
zu werden.
Als ein zwar etwas bedenkliches und darum nur bei großer Gefahr anzuwenden-
des Mittel, das aber in manchen Fällen gute Dienste geleistet, dient bei Bodenfeuer
wie bei Gipfelfeuer das sog. G e g e n f e u e r: das Anzünden des brennenden Schla-
ges, der brennenden Dickung an der dem heranziehenden Feuer entgegengesetzten
Seite, damit das letztere, einen bereits abgebrannten Streifen vorfindend, hier erlösche.
Es erfordert die .\nwendung dieses gefährlichen Mittels große Vorsicht, damit nicht
im Gegenteil der Brand in die anstoßenden unter Wind liegenden Bestände getragen
werde, und es muß die Linie, längs welcher das Gegenfeuer angezündet werden soll,
gut mit Arbeitern besetzt sein; der Luftzug, welcher nach einer größeren Brandfläche
zu von allen Seiten her zu entstehen pflegt, hat die günstige Wirkung, daß das Gegen-
feuer bei Herannahen des Feuers direkt gegen den herrschenden \^'ind, also nach der
Brandstätte zu brennt.
S t a m m f e u e r wird durch Verstopfen der Oeffnungen hohler Stämme
vor oder nach dem Fällen derselben gelöscht, bei E r d f e u e r n ist die Isolie-
rung der glimmenden Erdschichte durch genügend tiefe Gräben nötig.
.Jede Brandstätte ist nach geschehenem Löschen so lange zu bewachen, bis
jede Gefahr eines ^^'iedererwachens des Feuers vorüber ist; glimmende Stöcke wer-
den mit Erde überworfen und dadurch abgelöscht. Tunlichst rasche Wiederauf-
forstung der rasch verunkrautenden oder vermagernden Brandflächen ist die weitere
Aufgabe des Forstwirtes.
5. Schutz gegen Rauehsehäden ').
§ 17. Auftreten und L' r s a c h e n. Als eine Schädigung der Wal-
dungen, die erst in den letzten Jahrzehnten infolge der hochgesteigerten Industrie
in größerem Maßstabe aufgetreten ist und stellenweise geradezu zerstörend auf den
Wald einwirkt, erscheinen die s. g. Rauchschäden.
\\"ir sehen in der Nähe industrieller Werke mit starkem Steinkohlenverbrauch,
aber auch von Hüttenwerken, Zinkhütten, Sodafabriken und ähnlichen Etablisse-
ments die nahe liegenden Waldungen, insbesondere die in der Richtung des herr-
schenden Windes gelegenen, in einen kränkelnden Zustand geraten, die Nadeln zuerst
rot- oder gelbspitzig werden und allmählich absterben, das Laub in eigentümlicher
Weise mißfarbig gerändert, fleckig und vor der Zeit absterbend. Allmählich fangen
die Kronen der Bäume an, licht zu werden, Gipfel und Aeste werden dürrspitzig
und es gehen zuerst einzelne Individuen, zuletzt ganze Bestände ein — es entsteht
1) Literatur: Dr. Schröder und Reuß, Die Beschädigung der Vegetation durcli
Rauch 1883. Borggreve, Waldschäden im Oberschlesischen Industriebezirive nach ihrer
Entstehung durch Hüttenraucli etc. 1895. Reuß, Rauctibeschädigungen in dem Gräfl. Tiele-
Winklerschen Revier Myslowitz-Kattowilz 1893. W i s 1 i c e n u 5 , Sammlung von .\bhandlun-
gen über .\bgase und Rauchschäden 1908 u. ff.
1-t*
212 ^'I'- Fürst, Forstschutz.
die Rauchblöße; bei von der Rauchquelle entfernter gelegenen Beständen kommt es
nicht so weit, aber sie zeigen in sichtlichem Naclilassen des Zuwachses wie in der mangel-
haften und beschädigten Belaubung ebenfalls die Folgen des Rauches.
Als die Ursache dieser Erscheinung ist nach eingehenden Untersuchungen in
erster Linie und den weitaus meisten Fällen die schweflige Säure zu betrachten,
welche durch Verbrennung des in den Steinkohlen und insbesondere auch in den
Braunkohlen enthaltenen Schwefels, dann bei dem s. g. Rösten der Erze in ganz
außerordentlichen Mengen in die Luft geht. Seltener sind es andere Gase, wie Chlor-
gas, Salzsäure, salpetrige Säure, Zinkdämpfe, welche als Ursache der Beschädigung
zu betrachten sind.
§ 18. Größe der Beschädigung. Abwehr. Die Größe der
Beschädigung ist — abgesehen natürlich von der Menge der ausströmenden schädlichen
Gase — vor allem abhängig von der Holzart.
Die Nadelhölzer mit ihrer zu mehrjähriger Funktion bestimmten Belaubung
sind empfindlicher, als die Laubhölzer, und zwar steht ihre Empfindlichkeit in direk-
tem Verhältnis mit der Dauer der Nadeln, so daß also die Tanne am empfindlichsten
ist, an sie schließt sich sofort die Fichte, dann folgen erst Kiefer und Lärche. — Die
Laubhölzer sind dank ihrem alljährlichen Blattwechsel widerstandsfähiger; für sie
besteht nach Schröder etwa folgende Skala von der empfindlichsten zur \ffider-
standsfähigsten Holzart: Bergahorn, Linde, Esche, Buche, Erle, Birke, Eiche, Rot-
eiche, doch spielen bezüglich dieser Reihenfolge auch Standort und Holzalter eine
Rolle.
Die Größe und Intensität der Beschädigung ist dann weiter abhängig von der
Nähe der Rauchquelle — je näher, um so größer der Schaden. Doch macht sich
letzterer auch noch auf größere Entfernung, bis zu 4 und 5 Kilometer weit, bemerk-
lich und spielt hiebei die Lage der Rauchquelle gegenüber den örtlich herrschenden
Winden eine sehr bedeutende Rolle. Endlich ist auch das örtliche Klima von Einfluß;
durch feuchte, nebelreiche Luft und häufige Niederschläge wird der Schaden ge-
steigert.
Die Bekämpfung des Schadens, der an vielen Orten, so vor allem in dem
industriereichen Sachsen, ein sehr bedeutender ist, stößt auf große Schwierigkeiten.
Die industriellen Werke, welche für den angerichteten — nach seiner Größe
allerdings sehr schwierig zu bemessenden — Schaden haftbar erscheinen, haben sich
erklärhcherweise bemüht, ihn tunlichst zu mildern: durch Auffangen der entwei-
chenden schwefligen Säure und deren Ueberführung in Schwefelsäure, durch Auf-
führen hoher Essen, durch welche der Rauch bezw. die entweichenden Gase in höhere
Luftschichten geführt werden sollten — beides mit nur geringem Erfolg.
Aufgabe der Forstwirtschaft wird es sein, durch Nachzucht minder empfind-
licher Laubhölzer an Stelle der Nadelhölzer, Erhaltung von Waldmänteln, plenter-
weisen Betrieb den Schaden wenigstens zu mindern. Die vollständige Rauchblöße
dagegen trotzt allen Kultun^ersuchen.
II. Gefährdungen durch die organische Natur.
L Gefährdung durch Tiere ').
§ 19. Bezeichnung der w a 1 d s c h ä d 1 i c h e n Tiere. Die Zahl
der Tiere, welche im Wald sich aufhalten, ist eine außerordentlich große, viel größer,
1) Literatur: Die gesamte torstschädliche Tierwelt umfassen folgende Werke: A 1 t u m ,
Forstzoologie 1882. D ö b n e r , Handbucli der Zoologie mit besonderer Berücksichtigung jener
Tiere, welche in bezug auf Forst- und Landwirtschaft wichtig sind, 1862. R a t z e b u rg , Die
Beschädigungen durch Weidetiere § 21. 213
als sie dem flüchtigen Beobachter wohl erscheinen mag, da deren versteckte, teil-
weise auch nächtliche Lebensweise sie vielfach dem Auge entzieht. Ebenso mannig-
faltig ist diese Tierwelt auch nacli ihrer Art, vom stolzen Hirsch herunter bis zur
unscheinbaren Larve im Holz, der Made im Innern der Raupe, und mannigfach sind
dementsprechend auch ihre Beziehungen zum Wald, der ihnen Obdach und Nahrung
gibt, letztere entweder direkt durch seine Produkte, oder indirekt durch die von ihm
ernährten Tiere.
Ein großer Teil der Tiere des Waldes muß nun infolge seiner Ernährung durch
dessen Produkte und bezw. durch Teile der von uns erzogenen und gepflegten Holz-
gewächse direkt als schädlich bezeichnet werden; so das eßbare Haanvild, die
Mäuse, die eigentlichen Forstinsekten, während andere infolge des Umstandes, daß
sie waldschädliche Tiere verzehren, als u n b e d i n g t nützlich für den Wald
bezeichnet werden müssen: so die insektenfressenden Vögel, die Raubinsekten und
Ichneumonen. Eine dritte Gruppe wird nur als b e d i n g t nützlich oder schäd-
lich erklärt werden können, so z. B. die Finken, die neben Insekten auch Holz-
samen, die Marder und Wiesel, die neben Mäusen auch nützliche Vögel verzehren.
Eine vierte Gruppe endlich : mancherlei Insekten, die auf Unkräutern, von humosen und
faulenden Stoffen leben, wird als indifferent für den Waid zu bezeichnen sein.
Unsere Aufgabe ist nun, sowohl die dem Wald nützlichen und darum in
jeder \A'eise zu begünstigenden, als auch speziell die dort schädlichen Tiere
nach ihrer Lebensweise und iiirem durch letztere bedingten Schaden kennen zu
lernen und die Mittel zur tunlichsten Vorbeugung, zur mehr oder minder erfolgreichen
Bekämpfung aufzusuchen. Es gehören diese Tiere aber 3 großen Gruppen an: den
Säugetieren, Vögeln und Insekten.
1. Schädliclie Säugetiere.
§ 20. Einteilung. Die dem Wald schädhchen Säugetiere lassen sich in
3 Gruppen bringen, welche sich insbesondere auch durch den Einfluß, den der Mensch
auf die Beschützung des Waldes gegen jede dieser Gruppen zu üben vermag, unter-
scheiden. Es sind die Haustiere: Pferde, Rinder, Ziegen, Schafe, Schweine,
welche zum Zweck ihrer Ernährung in den Wald getrieben werden, gegen die der
Mensch den letztern vollständig zu schützen imstande ist, insofern die Ueberwachung
des Eintriebs oder selbst das gänzliche Fernehalten in seiner Hand liegt. Es sind die
jagdbaren Säugetiere — Rot-, Dam-, Reh-, Schwarzwild, Hasen — , die der
Mensch bez. ihrer Zahl fast beliebig zu reduzieren, die größeren Arten selbst ganz
auszurotten vermag, so daß die Reduktion des Schadens ihm anheimgegeben ist;
es sind endlich die kleinen Nagetiere des Waldes — Mäuse, Eichhörnclien,
Schläfer — , deren .auftreten ein viel wechselnderes, von äußeren Einflüßen abhängiges,
deren Bekämpfung eine viel schwierigere ist, als jene der vorher genannten Gruppe.
Das in manchen Ländern jagdbare, vielenorts sehr schädliche Kaninchen
schließt sich mehr dieser letzteren, als der zweiten Gruppe sowohl bezüglich seiner
Schädlichkeit, als seiner schwierigeren Bekämpfung an.
A. Die Haustiere.
§ 21. Beschädigungen d u r c h W e i d e t i e r e. Die Waldweide war
früher bekanntlich von größerer Bedeutung für die Landwirtschaft und wurde in
ausgedehntester Weise ausgeübt, vielfach bis zum direkten Ruin des Waldes — es
AValdverderber und ihre Feinde (7. .Aufl. bearbeitet von Judeich, 1876). Ratzeburg,
Die Waldverderbnis 1868. A 1 1 u m, Waldbeschädigung durch Tiere 1889. Eckstein, Forstliche
Zoolosie 1897.
914 ^''' Fürst, Forstschutz.
möge nur an die namentlich durch die Ziegenweide kahl gewordenen Berge Griechen-
lands, Istriens, Tirols erinnert sein! Sie hat jedoch mit dem Uebergang zu einer
rationellen und intensiven Landwirtschaft ihre Bedeutung vielenorts ganz verloren
und besitzt eine solche in Deutschland fast nur noch in den Gebirgswaldungen.
Der Schaden durch die Weidetiere — Pferde, Rinder, Ziegen und Schafe —
kann nun bestehen in dem Verbeißen und Abäsen der Knospen und jungen Triebe,
im Benagen der Rinde, dem Zertreten oder gewaltsamen Umbiegen jüngerer Pflanzen,
dem Lostreten der Erde an steileren Gehängen, dem Festtreten schweren und Auf-
lockern leichten, losen Bodens, endlich dem Beschädigen der Entwässerungs- und
Hegegräben durch den Tritt.
Es ist dieser Schaden aber zunächst ein sehr verschiedener je nach der einge-
triebenen Tiergattung. Während das Rindvieh und die Pferde das Gras den
Holzpflanzen vorziehen, die letzteren erst beim Mangel an schon vorhandenem oder
oder an noch genießbarem Gras anzugreifen pflegen, sind im Gegenteil die Ziegen
von Natur mehr auf den Genuß von Laub und Knospen holziger Gewächse angewiesen,
ziehen diese Nahrung dem Gras entschieden vor. Die Schafe nehmen zwar das
Gras gerne an, doch zeigen sie in der Liebhaberei. Holzgewächse zu benagen und zu
verbeißen, eine entschiedene Verwandtschaft mit den Ziegen; diese sind als das dem
Wald schädlichste Weidetier zu betrachten und von demselben möglichst fern zu
halten !
Dagegen ist der Schaden durch den Tritt bei den seh w e r e n Weidetieren, bei
Pferd und Rindvieh, entschieden größer, bei ersterem verstärkt durch den eisenbe-
schlagenen Huf, durch welchen die Pflanzen empfindlicher beschädigt werden, bei
letzterem durch das häufige Ausrutschen an steilerem Gehänge bei feuchtem Wetter,
wodurch die Erde und mit derselben die Pflanzen losgetreten werden. Junge Pferde
beschädigen durch Benagen der Rinde, das Hornvieh durch das gern geübte Reiben
nicht selten jüngere Stangen oder stärkere Pflanzen (Heister auf Hutängern).
§22. Bedingungen für die Größe des Schadens. Außer
durch die Viehgattung ist die Größe des durch die Waldweide hervorgerufenen
Schadens auch durch die Art und Weise, wie der Vieheintrieb nach Zahl, Zeit,
Aufsicht erfolgt, bedingt, nicht minder aber auch durch die Beschaffen-
heit der Bestände, welche behütet werden, nach Holz- und Betriebsart, nach
Alter und Standortsverhältnissen.
Wird das Vieh in z u großer Z a h 1 in den Wald getrieben, so daß Gras-
und Kräuterwuchs zu dessen Ernährung nicht ausreichen; beginnt der ^'ieheintrieb
im Frühjahr zu bald und ehe genügend Gras gewachsen ist, wie dies namentlich
nach futterarmen Jahren gerne geschieht, oder wird er zu lange in den Herbst hinein
fortgesetzt, nachdem das Gras schon dürr und ungenießbar geworden; fehlt es end-
lich an genügender Aufsicht durch eine der Zahl des ^'iehes entsprechende Anzahl
von Hütern, so muß der Schaden natürlich ein viel größerer sein als im entgegen-
gesetzten Falle.
Was die verschiedenen Holzarten anbelangt, so ist es eine Anzahl von Laub-
hölzern, die in erster Linie gerne vom A^ieh angenommen werden: Rot- und Weiß-
buche, Esche, Eiche, Ahorn, — während die Weichhölzer dessen Angriff viel weniger
ausgesetzt sind, ja zum Teil (Erle, Birke) nur ausnahmsweise verbissen werden.
— Die Nadelhölzer sind im allgemeinen im minderen Maß dem Verbeißen durch Weide-
vieh ausgesetzt, als das Laubholz, dagegen wird ihnen dasselbe bei ihrer geringeren
Reproduktionskraft verderblicher. Wo andere Nahrung fehlt, da sehen wir übrigens
auch die Knospen und jungen Triebe fast sämtlicher Nadelhölzer von dem hung-
Schutzniaßregeln bei Ausübung ck-i' Wt-ide. § 23. 215
rigen Vidi verbissen; die ein geringes Ausheilungsvermögen besitzende Fölire wird
hiedurch rascli zum Krüppel, Tanne und Firhte dagegen vermögen sicii eher wieder
zu erholen.
Schläge und Junghölzer leiden aus naheliegendem Grund mehr als
ältere Bestände, in welch' letztern die Weide naliezu unschädlich sein kann. Auf
gutem, frischen B o d e n ist dem Vieh reichlichere Bodennahrung geboten,
der Holzwuchs bleibt infolge dessen mehr verschont, auch vermögen beschädigte
Pflanzen sich leichter zu erholen und den erlittenen Verlust zu ersetzen, als auf
trocknem, mageren Boden. Endlich wird sich im s c h 1 a g w e i s e bewirtschafteten
Hochwald der Schaden durch Versperren der jungen Bestände auf ein Minimum be-
schränken lassen, während im P 1 e n t e r w a I d mit seinem liunten Wechsel alten und
jungen Holzes ein solcher Schutz des letztern nicht möglich ist, der Schaden sonach
ein größerer sein muß. Nieder Waldungen entwachsen durch den raschen
Wuchs der Stockausschläge bald dem Maule des Viehes, auch ist der Schaden infolge
der bedeutenden Reproduktionskraft der Ausschläge ein geringerer.
§23. Schutzmaßregeln bei Ausübung der Weide. Aus
dem im vorigen Abschnitt Gesagten ergeben sich der Hauptsache nach die Maßregeln
von selbst, durch welche bei Ausübung der Waldweide der Schaden möglichst ver-
mindert werden kann. Als solche erscheinen:
Zulassung der Weide nur unter Aufsicht verlässiger Hirten, deren Zahl
sich nach der Größe der Herde zu richten hat; Verbot der N a c h t h u t, bei welcher
jede Aufsicht unmöglich ist; Behängen des Viehes mit Glocken, um fehlende
Stücke, die sich von der Herde weg in die grasreicheren Schläge geschlichen haben,
leichter zu entdecken.
Beschränkung der Weide auf jene Bestände, welche bereits dem Maule des
Viehes entwachsen sind ;Bezeichnung der von der Hut ausgeschlossenen Schläge
oder in Verjüngung stehenden älteren Bestände durch Warnungszeichen für die
Hirten (Stroliwische, Tafeln mit entsprechender Aufschrift). Schutz der Schläge
gegen das in angrenzenden Beständen weidende Vieh durch Einzäunung oder
durch Schonungsgräben. Herstellung genügend breiter T r i f t w e g e zum
Durchtrieb des Viehes zwischen den der Hut versperrten Beständen, um das Drängen
des Viehes und dessen seitliches Ausweichen in die Schläge zu verhindern.
Vermeiden eines zu frühen Beginns der Waldweide und zu langen
Fortsetzens in den Herbst hinein ; Einhaltung entsprechenden Wechsels in
den Weideplätzen, damit das Gras wieder genügend nachwachsen kann.
Schutz der Pflanzheister auf Hutungen durch U m d o r n e n oder um die
Heister geschlagene starke Pfähle zum Schutz gegen Benagen und Reiben des Viehes.
Unterlassen des Vieheintriebes an steilen Gehängen bei f e u c h. t e m W^etter, wenn
durch das Abrutschen des Viehes das Lostreten des vom Regen durchweichten Bodens
zu fürchten ist.
Die Waldweide, früher in ausgedehntestem IMaße und zum schweren Schaden
des \A'aldes allenthalben ausgeübt, hat insbesondere in Deutschland zur Zeit an Be-
deutung sehr verloren und ist an vielen Orten nahezu erloschen. Intensiverer Betrieb
der Landwirtschaft mit Futterbau und Stallfütterung einerseits, die derzeitige Forst-
wirtschaft mit ihrer schlagweisen \'erjüngung, iiiren gleichaltrigen geschlossenen Be-
ständen anderseits haben ihr den Boden entzogen, und nur die Gebirge pflegen es zu
sein, wo sie noch in ausgedehntem Maßstabe stattfindet, aber auch noch berechtigt
erscheint. Dort stehen vielfach selbst die Schläge dem Weidevieh offen, ohne bei dem
reichen Graswuchs allzusehr durch den \'erbiß zu leiden. — Am mißlichsten er-
216 VII. Fürst, Forstschutz.
weist sich auch hier die namenUich in südüchen Gegenden zaWreicher vorkom-
mende Ziege.
§24. Beschädigungen durch Schweineeintrieb. Aehnlich
wie die Waldweide hat auch der früher in ausgedehntem JNIaß ausgeübte Schweine-
eintrieb in die Waldungen seine Bedeutung verloren: das Verschwinden zahlreicher
Eichen- und Buchenwaldungen, der Anbau der als Mastfutter dienenden, alljährlich
geratenden Kartoffel sind wohl als Ursachen hievon zu betrachten, und die Mast-
nutzung durch Schweineeintrieb findet wenigstens in den deutschen Waldungen nur
noch in beschränktem Maße statt.
Die Schweine können nun im Walde schädlich werden direkt durch ihre N a h-
r u n g, das Aufzehren von Eicheln und Buchein, die sie auch nach erfolgter Keimung
noch gierig annehmen, indirekt dadurch, daß sie bei dem Wühlen im Boden nach
anderweiter Nahrung, wie Insekten, Schwämmen u. dgl. — der sog. Erdmast — die
Holzpflanzen beschädigen, oft gänzlich herauswühlen, auch die Wurzeln älterer
Stämme verletzen. Auf Hutungen werden sie in äluilicher Weise wie das Rindvieh
durch das Reiben an Heistern und die damit verbundene Rindenverletzung und Wur-
zellockerung schädlich.
Man wird dem Schaden vorbeugen, ja ihn unter Umständen sogar in sein Gegenteil
verwandeln können, wenn man den Eintrieb nur unter guter Aufsicht gestattet,
jüngere Bestände ausschließt, die durch natürliche Besamung zu verjüngenden Be-
stände in Mastjahren aber entweder nur bis zum Abfall der Mast behütet, oder in
reichen Mastjahren die Schweineherde erst nach vorheriger Sättigung in andern Be-
ständen durch erstere treibt: die Schweine wühlen dann vorzugsweise nach sog. Erd-
mast, bringen hiebei den Samen gut in den Boden, lockern diesen letzteren, und reich-
liche, kräftige Besamung pflegt zu erfolgen. — Daß der Eintrieb von Schweineherden
zur Vertilgung schädlicher im Boden liegender Insekten — so der Puppen der Fohren-
eule, des Fohrenspanners — bisweilen mit gutem Erfolg Anwendung findet, wird
später noch zu erwähnen sein.
Gegen das Reiben auf Hutungen schützen die im vorigen § angegebenen Mittel.
B. Das jagdbare Wild.
§ 25. Schaden durch das Rotwild. Das Rot- oder Edelwild kann
in unsern Waldungen unter Umständen und bei stärkerer Anzahl sehr schädlicii wer-
den, so daß beispielsweise in reich besetztem Wildpark eine Nachzucht entsprechen-
der Bestände nur bei Anwendung intensiver Schutzmaßregeln mögüch ist.
Diese Beschädigungen bestehen zunächst im Abäsen der Knospen und
eben entwickelten Triebe der meisten Holzarten, so von Laubhölzern insbesondere
der Eiche, Buche, Esche, Ahorn, von den Nadelhölzern vor allem der Tanne, dann
aber auch der Fichte und Föhre ; dagegen werden Birken, Erlen, Weiden fast nie an-
gegangen. Schwächere Pflanzen gehen hiebei selbst ganz zugrunde, stärkere suchen
wohl die verlorenen Teile zu ersetzen, verkrüppeln jedoch bei wiederholter Beschädi-
gung nicht selten vollständig.
Es sind ferner die Früchte der Eiche, Buche, Edelkastanie, die das Wild be-
gierig aufsucht und nicht nur in den natürlichen Verjüngungen in nachteihger Menge
verzehrt, sondern auch in Saatkulturen mit großer Sicherheit zu finden weiß, Herbst-
saaten hiedurch oft vollständig zerstörend ; auch die Kotyledonen der Buche sind ihm
eine erwünschte Aesung.
Eine der mißlichsten Untugenden des Rotwildes aber ist das sog. Schälen,
Schutzmittel gegen Wild. § 26. 217
das Abnagen oder Abreißen der Rinde verschiedener und zwar gerade forstlich
wichtiger Holzarten^). Dieses Schälen, nach Nördlingers Angabe schon seit Anfang
des 18. Jahrhunderts in Thüringen zu Hause, hat entsciiieden an Verbreitung zuge-
nommen, namentlich bei starken \\"ildständcn und knapper Ernährung, und wird
für viele hoffnungsvolle Fichtenstangenhölzer geradezu zum Ruin. In A\'ildparks mit
ihren meist übergroßen Wildständen und der dadurch bedingten ausgiebigen Fütte-
rung, bei welcher das trockene Heufutter eine hervorragende Rolle zu spielen pflegt,
gehört das Schälen des Rotwildes zu den ständigen Erscheinungen.
Das Wild benagt nun hiebei entweder im Winter die Rinde g 1 a 1 1 r i n d i g e r
jüngerer Pflanzen und Stangen (beginnende Borkebildung setzt demselben sofort ein
Ende) zum Zweck seiner Sättigung, die Spuren der Zähne sind bei dieser Winter-
s c h ä 1 u n g an den Stangen deutlich sichtbar; oder es reißt zur Saftzeit ganze Rin-
denlappen los, oft weit hinauf am Baume schlitzend und durch diese S o m m e r-
s c h ä 1 u n g die Bäume schwer schädigend. Beide Arten des Schälens sind hienach
leicht zu unterscheiden.
Als Ursache des Schälens erscheint nun einerseits Nahrungsmangel, ander-
seits aber auch unnatürliche, den Bedürfnissen des Wildes an Wasser und manchen
Nährstoffen nicht zusagende Ernährung, wie solche insbesondere durch die oben
schon er%vähnte Heufütterung stattfindet. Der Umstand, daß Rotwild in freier Wild-
bahn und dort, wo ihm in Schlägen und Feldern eine reichliche und naturgemäße Er-
nährung geboten ist, nicht oder doch in minderem ^laße schält, dürfte für die Rich-
tigkeit dieser Anschauung sprechen. Die Sommerschälung scheint außerdem auch
noch auf Naschhaftigkeit, Spielerei, übler Angewöhnung zu beruhen.
Die Holzarten, die namentlich geschält werden, sind Ficlite, Buche, Eiche,
Esche, W'eymouthskiefer, Tanne, in minderem Maß Föhre, Lärche ; namentlich wird
die Föhre durch die zeitig eintretende Borkebildung geschützt, während die glatt-
rindige Buche noch als 60 — 70jähriger Stamm geschält wird. Die eigentlichen Weich-
hölzer, auch die Birke, bleiben meist ganz verschont.
Als Folgen dieser Beschädigungen aber treten geringer Wuchs der verletzten
Stangen, unregelmäßige Stammbildung, Angriffe schädlicher Forstinsekten, Fäulnis
der Schälstelle ein; bei Wind- oder Schneebruchbeschädigungen kann man beob-
achten, daß der Bruch vielfach an der Schälstelle erfolgt. Der untere wertvollste
Stanmiteil geschälter Stämme ist zu Nutzholz unbrauchbar.
Endlich wäre noch die Beschädigung stärkerer Pflanzen und schwächerer
Stangen durch das Fegen der Geweihe und das Schlagen zur Brunftzeit zu
nennen, wodurch die betroffenen Stammindividuen meist zugrunde gehen.
§ 26. Schutzmittel. Einem größern Wildschaden wird zunächst v o r-
gebeugt werden durch Reduzierung starker Wildstände und durch Sorge für ge-
nügende und naturgemäße Ernährung des Wildes durch Fütterung im Winter, Anlage
guter Wiesen, Anpflanzung masttragender Bäume (im Wildpark). Bezüglich der
Fütterung sei speziell hervorgehoben, daß eine reichliche Beigabe von Eicheln, Kar-
toffeln, Mais, Rüben zu dem Heufutter sich als vorteilhaft erweist. Die Anlage reich-
licher Salzlecken soll dem Schälen (wohl der Sommerschälung) einigermaßen vor-
beugen, ja in der Beigabe des sog. Holfeldschen Wildfutterpulvers ^) (das namentlich
Galläpfel, Eichenrinde, Anis und zweifach basisch phosphorsauren Kalk enthält)
1) Vergl. R e u ß , Die Sctiälbeschädigung durch Hochwild, speziell in Fichtenbeständen
1888. K ä rn e r , Das Schälen des Rotwildes. Thar. Jahrb. 30. S. 39. S e i b t , Das Schälen des
Rotwildes 1911.
2) H 0 1 f e 1 d , K., Die Bedeutung des phosphors. Kalkes, des Kochsalzes und einiger Pflan-
zenstoffe für Ernährung und Gedeihen des Hoch- und Rehwildes 1893.
218 '^'11- Fürst, Forstschutz.
ZU den Salzlecken will man ein nahezu vollständiges Schutzmittel gegen das lästige
Schälen gefunden haben.
In der Vermeidung der (auch durch andere Feinde gefährdeten) Herbstsaaten
von Eicheln und Buchein, der Anwendung stärkerer Pflanzen, dann der Büschel-
pflanzung, bei welcher doch eher auf die Verschonung einzelner Pflanzen zu hoffen
ist, liegen weitere Vorbeugungsmittel.
Als direktes Schutzmittel aber erscheint das Einfriedigen der
Kulturflächen oder Schläge, was bei starkem Wildstand bezw. im Wildpark kaum zu
umgehen ist, und wozu man in neuerer Zeit vielfach Drahtzäune verwendet hat. In
ausgedehntem Maße findet ferner das Bestreichen der Gipfeltriebe mit dem Wilde
widerlichen, den Pflanzen aber unschädlichen Substanzen, das Teeren oder Lei-
men als Schutz gegen das Verbeißen statt. An Stelle des zuerst verwendeten, für die
Knospen aber schädlichen (ätzend wirkenden) Steinkohlenteers wird vielfach die
sog. Schuber tsche Mischung aus Vs Teer mit ^j Kuh.dünger, welche sich als ganz
unschädlich erweist, in der Neuzeit aber entsäuerter Steinkohlenteer benützt, welch
letztere Substanz mit guter Wirkung und vollständiger Unschädlichkeit den Vorzug
größerer Appetitlichkeit gegenüber obiger Mischung verbindet. Hyloservin von
Ermisch, Schwefelcalcium, Pomolin sind weitere Mittel, die auf Grund angestellter
\^ersuche empfohlen werden ^).
Das Bestreichen der Knospen geschieht entweder mit der handschuhbewaffne-
ten Hand, mit einfachen Bürsten und Pinseln oder mit eigens hiezu konstruierten
Bürstenapparaten, so mit der sehr praktischen B ü 1 1 n e r sehen Doppelbürste ^).
— Bei zweckmäßiger Ausführung zeigt das Teeren (Leimen) sehr befriedigenden Erfolg.
Auch das Bespritzen der Gipfel mit Kalk, sowie das ,, Verkaufen", bei welchem
auf die Gipfeltriebe eine kleine Partie trockenen Hanfwerges gelegt wird, hat mit
Erfolg Anwendung gefunden. — Als neueres Mittel seien die von dem württem-
bergischen Oberförster L a n z erfundenen und empfohlenen B 1 e c h k r o n e n
genannt, 5 cm lange und 4 cm hohe, auf einer Seite 3 cm tief ausgezackte Stückchen
Weiß- oder Schwarzblech, welche so um die zu schützende Gipfelknospe herum-
gelegt werden, daß diese durch die scharfen Spitzen geschützt ist. Die Befestigung
geschieht durch einfaches Andrücken.
Schwieriger als das ^'erbeißen ist das S c h ä 1 e n zu bekämpfen, das in fast
allen Wildparken zu Hause ist, doch auch in freier Jagd vorkommt und die Waldun-
gen schwer schädigt. Man schützt jüngere Fichten und Tannen durch Umbinden des
Schaftes mit den noch grünen, hinauf- oder heruntergebogenen Aesten, in Fichten-
stangenhölzem die dominierenden Stämme durch Umbinden des Stammes mit dem
Astholz der bei der Durchforstung anfallenden Stangen mittelst Draht; Solitärbäume
umgibt man mit weitmaschigem Drahtgitter. Mit dem F 1 a m m i g e r sehen Schutz-
kratzer 3) verletzt man die Rinde der dominierenden Fichtenstangen leicht und er-
zeugt dadurch einen schützenden Harzausfluß, ebenso mit dem M ü n s t sehen
Punktierrad oder dem Lanzschen Harzhobel. Bei Laubhölzern — Buche, Esche.
Eiche — erzeugt der L a n z sehe Rindenstriegel *) seichte Kratzwunden auf der
glatten Rinde und dadurch die Bildung von Wundkork, der die Rinde rauh und dem
Wild minder angenehm macht.
1) Vergl. Eckstein in Zeitschr. f. F.- u. J.-W. 1902, S. öiO; ferner „Anteeren als Mittel
gegen Wildverbiß", Forstw. Z.-Bl. 1900, S. 21.
2) Forstw. Z.-Bl. 1900 S. 21.
3) Forstw. Z.-Bl. 1907 S. 606.
4) Hofjagdinspektor Lanz in „Wild und Hund", 1908.
Schaden durcli Hasen und Kaninchen. § 29. 219
§ 27. S c h a d e n d ii r c h D a ni- u n d R e h w i 1 d. Die Nahrung des D a m-
wildes gleiclit jener des Rotwildes und der Schaden ist daher der Hauptsache nach
der gleiche; doch schält es nur ausnahmsweise da und dort im stark besetzten Wild-
park, so daß wenigstens diese sehr lästige Beschädigung entfällt.
Auch das Rehwild verbeißt die Knospen und jungen Triebe vieler Holz-
arten und kann hiedurch bei stärkerem Stand seiir lästig und schädlich werden, ver-
zehrt Eicheln und Buchein, schält jedoch nie. Der Schaden, den die Rehböcke durch
das Fegen ihrer Gehörne anrichten, kann ein fühlbarer dadurch werden, daß dies
Fegen mit besonderer Vorliebe an seltener vorkommenden, in die Schläge einge-
pflanzten Holzarten (Lärchen, Weymouthskiefern, Douglasien) geschieht. Speziell
die in unsere Waldungen in den letzten Jahrzehnten neu eingebrachten Fremdhölzer
haben darunter zu leiden.
Gegen das Verbeißen durch Dam- und Rehwild bringt man die schon im vori-
gen § besprochenen Maßregeln zur Anwendung, gegen das lästige Fegen der Rehböcke
schützt man etwa die eingepflanzten Holzarten (wenn deren Zahl keine zu große)
durch sperrige Aeste, welche man neben den betr. Pflanzen in die Erde stößt oder mit
einer Wiede an diese bindet, oder durch angebundene Streifen weißen Papiers als
Scheuchen. Auch stärkere, 5 — 6zackige Lanzsche Kronen (s. § 26) werden zum
Schutz um die Stämmchen gelegt und deren Spitzen nach auswärts gebogen.
§ 28. S c h a d e n d u r c h S c h w a r z w i 1 d. Gleich dem zahmen Schwein
geht auch das Wildschwein den Eicheln und Buchein. sowie den eben aufgekeimten
Sämlingen gierig nach, zerstört dadurch insbesondere Saatkulturen, beschädigt aber
auch durch sein ^^'ühlen nach Insekten, Wurzeln und Schwämmen viele Pflanzen in
den Schlägen. Im Laubholzwald wird das Schwarzwild viel lästiger als im Nadel-
wald, in welchem es durch Vertilgung zahlreicher schädlicher Insekten nützlich zu
werden, dem aufmerksamen Forstmann auch die Anwesenheit solcher Feinde durch
sein \^"ühlen in den befallenen Beständen zu verraten vermag.
Wo Wildschweine in auch nur geringer Zahl vorhanden sind, wird man Saat-
kulturen mit Eicheln und Buchein unterlassen und zur Pflanzung greifen müssen.
Saatkämpe jeder Art bedürfen stets fester Einfriedigung, da der lockere Boden die
Sauen zum Brechen lockt.
§ 29. Schaden durch Hasen und Kaninchen. Der Schaden
durch H a s e n ist ein mäßiger und nur im strengen Winter, wenn die Saatfelder durch
Schneedecke minder zugänglich sind, ein fühlbarer; er besteht im Abäsen der
Knospen, namentlich der Laubhölzer (Rot- und Weißbuchen, Ulmen, Ahorne,
Eschen), dann im Benagen der Rind e, wobei der Hase neben Obstbäumen vor
allem die Akazien, die ihm besonders zusagen, heimsucht. In Forstgärten kann er sehr
lästig werden und bedürfen solche für Laubhölzer (mit Ausnahme etwa der ihm weni-
ger zusagenden Eiche) eine hinreichend dichte Einfriedigung; Obstbäume werden
durch Umbinden mit Domen, Stroh, Nadelreisig geschützt.
Viel lästiger als der Hase wird in Feld und \^'ald das in manchen Gegenden in
großer Zahl vorkommende Kaninchen. Dieses verzehrt die Knospen nahezu
aller Holzarten, verbeißt selbst Föhrenpflanzen vollständig, benagt die Rinde nament-
lich der Rot- und \^'eißbuche, Akazie, Lärche sehr intensiv, und es konzentriert sich
der Schaden hiebei durch seinen steten Aufenthalt in größerer Zahl am gleichen Ort
— in der Nähe seiner Baue — in viel höherem Grad, als bei dem Hasen, In der Nähe
von Kaninclienbauen ist oft kaum ein Holzwuchs aufzubringen und bleiben öfters
lästige Lücken in den Kulturen.
Abhilfe ist nur durch tunlichst starken Abschuß (Frettieren), Zerstören der
220 ^'I- Fürst, Forstschutz.
Baue, Verwendung starker durch Benagen und Verbeißen minder gefährdeter Pflan-
zen möglich fSaatbeete bedürfen sehr dichter Einfriedigung, ja man hat sich sogar
schon genötigt gesehen, ganze Kulturflächen nach vorheriger Säuberung von Kanin-
chen mit engmaschigem Drahtgeflecht einzufriedigen (so in der Rheinebene). \'iel-
fach ist man geradezu zu einem Vertilgungskrieg gegen die schädlichen Nager genö-
tigt, fängt sie in kleinen vor die Röhren gelegten Tellereisen oder tötet sie in den Bauen
mit Hilfe des giftigen Sclnvefelkohlenstoff-Gases.
C. Die kleinen Nagetiere.
§ 30. Schaden durch M ä u s e i). Zwei Gattungen von Mäusen halten
sich oft als lästige Gäste in unseren Waldungen auf; die Gattung Mus, echte Maus,
durch spitzen Kopf, große Ohren und körperlangen Schwanz gekennzeichnet, und
vorwiegend durch die Wald- oder Springmaus, Mus sylvaticus, vertreten; dann die
Gattung Arvicola, Wühlmaus mit dickerem Kopf, kleineren Ohren und kurzem
Schwanz, durch drei Arten repräsentiert: durch die eigentliche Feldmaus, A. arvalis,
die sich namentlich im Herbst vom Feld in den Wald zurückzieht, durch die Rötel-
maus, A. glareolus, und durch die Wasserratte oder Mollmaus, A. amphibius.
Der Schaden, der den Waldungen durch die Mäuse zugehen kann, ist nament-
lich in Laubholzwaldungen ein oft sehr bedeutender: durch das Aufzehren der
Sämereien, der Eicheln, Buchein, Kastanien, in Saatbeeten auch jener von
Linden- und Weißbuchen-, in minderem IMaß der Nadelholzsämereien; ferner durch
das Benagen der noch zarten Rinde jüngerer Holzpflanzen während des Winters,
namentlich der \A'eiß- und Rotbuche, auch Eiche und Esche, im Notfalle aber nahezu
sämtlicher Holz- und Straucharten, auch der Nadelhölzer, teils unmittelbar am Bo-
den, teils bis zur Höhe von einigen Metern, wobei ihnen, namentlich der Rötelmaus,
die Gewandtheit im Ivlettern zustatten kommt. Dieses Benagen geht oft bis zum
völligen Abschneiden schwächerer Pflanzen, und zarte Nadelholzpflanzen werden
unter der die !\Iäuse schützenden Schneedecke oft reihenweise abgeschoren. Die
Mollmaus nagt unterirdisch selbst starke Wurzeln vollständig durch.
Jederzeit in geringerer Zahl im Wald vorhanden, vermehren sich die Mäuse unter
dem Einflüsse warmer, trockner Frühjahre und Sommer, sowie milder Winter oft
außerordentlich, sich dabei im Herbst durch Zuzug vom Felde her verstärkend.
Geschützte Oertlichkeiten, wie starker Grasüberzug des Bodens, Gestrüppe, dichte
natürliche Verjüngungen, starke Laubdecken ziehen sie einerseits besonders stark an,
begünstigen anderseits ihre Vermehrung; dagegen werden sie durch heftige Regen-
güsse, trockenen Frost ohne Schneedecke, Nässe mit nachfolgendem Frost oft in
kürzester Zeit bis auf geringe Reste vernichtet. Großen Abbruch tun ihnen die zahl-
reichen Feinde: alle Raubtiere unseres Waldes vom Fuchs bis zum Wiesel und Igel,
die Raubvögel, obenan Eulen und Bussarde, dann Krähen; auch wilde und zahme
Schweine verzehren die Mäuse begierig, und unter gewöhnlichen Verhältnissen wird
ihre Zahl durch diese Feinde im Zaum gehalten, deren Schonung daher, soferne ihr
anderweiter Schaden kein überwiegender, als Vorbeugungs mittel zu emp-
fehlen sein.
Zerstörung der Brutstätten durch Entfernung des Grasfilzes und
Gestrüppes aus den gefährdeten Oertlichkeiten ; Vermeidung von Herbstsaaten
mit den oben bezeichneten Sämereien in Mäusejahren; Schutz der Saatbeete durch
Umfassungsgräben mit steil abgestochenen Wänden und in der Sohle ein-
1) Vergl. A 1 1 u m , Unsere Mäuse etc. 1880.
Schaden durch Eichhörnchen und Schläfer. § 31. 221
gesetzten Töpfen; endlich selbst unschädliche Fütterung der Mäuse, indem man
iii den gefährdeten Buchenschlägen Stockausschläge und ^^'eichhölzer fällt und gleich
dem Reisig des etwaigen Nachhiebsmaterials über \A'inter liegen läßt, damit die Mäuse,
sich an den Knospen und Rinden dieser Hölzer sättigend, die Pflanzen verschonen
— sind als weitere \^ o r b e u g u n g s m i 1 1 e 1 zu nennen. Alsbaldiges Abschneiden
ringsum benagter Laubholzpflanzen im Frühjahr mindert durch den sofort erschei-
nenden Stockaussciilag den Schaden.
Die Vertilgung der in Ueberzahl vorhandenen Mäuse wird mit einigem Er-
folg nur in Saatbeeten, in denen allerdings schon eine kleinere Zahl lästig werden
kann, durch Vergiftung und ausnahmsweise mit Fallen platzgreifen können.
Die Vergiftung erfolgt mit Weizenkörnern oder aus Mehl gefertigten Pillen, welche
mit Phosphor, Arsenik oder Strychnin vergiftet und entweder direkt mit Hilfe von
Blechröhren in die ^lauslöcher geworfen oder in Drainröhren von geringem Durch-
messer ausgelegt werden; Arsen- Weizen hat sich nach neueren Versuchen am besten
bewährt. — Der Landwirt macht von dem Mittel der Vergiftung viel ausgedehnteren
Gebrauch als der Forstmann, wendet bei größerem Mäusefraß auch den Löfflerschen
Typhus-Bazillus an, der nach Dr. G e h r h a r d t s Mitteilung ^) auch im Wald er-
folgreiche Anwendung fand.
§ 3L S c h a d e n d u r c h E i c h h ö r n c h e n u n d Schläfer. Die Be-
schädigimgen des ^^'aldes durch Eichhörnchen können namentlich in .Jahren,
in welchen ihnen die beliebteste Winternahrung, die Eicheln, Buchein und Nadelholz-
sämereien fehlen, oft sehr empfindliche sein.
Sie beißen dann zu ihrer Ernährung die Knospen, namentlich auch die kräftigen
Terminalknospen der Nadelhölzer ab; minder nachteilig ist das Abbeißen der klei-
nem Seitentriebe der Fichte, deren Blatt- und Blütenknospen dann ausgefressen
werden — die abgebissenen etwa fingerlangen Triebe, unrichtig als ,, Absprünge" be-
zeichnet, liegen oft massenhaft unter den älteren Fichten.
Großen Schaden ^) richten die Eichhörnchen bisweilen im Frühjahr in Nadel-
holzbeständen durch das bald völlige, bald platzweise oder ringförmige Entrinden der
Gipfel an, wobei sie die zarte Rinde verzehren, die Saftschichte ablecken; bisweilen
liegt auch die abgeschälte Rinde in Fetzen am Boden und ^\^^rde sonach nur die
Basthaut, das Kambium, verzehrt.
Auch ihre Liebhaberei für die oben genannten Holzsämereien vermag sehr
lästig zu werden, namentlich in Saatbeeten; sie holen Eicheln, Buchein, Edelkasta-
nien aus dem Boden, die Eicheln auch nach schon erfolgter Keimung, verzehren die
saftigen Kotyledonen der Buchen und können dadurch empfindlich schaden. — Den
Nadelholzsamen erlangen die Eichhörnchen durch Entschuppen der halbreifen und
reifen Zapfen, und insbesondere unter Fichten liegen die Spindeln und Schuppen der
zernagten Zapfen oft in großen Mengen.
Das einzige Gegenmittel gegen den Schaden durch die Eichhörnchen — die auch
als Nesträuber durch ^'e^nichten nützlicher Sing\'ögel schaden — ist entsprechende
Verringerung durch Abschuß, der ohne große Schwierigkeit durch das Schutzpersonal
ausgeführt werden kann.
Die sog. Schläfer oder Haselmäuse (Myoxus) kommen in ganz Deutsch-
land vor, fallen aber als kleine, nächtliche Tiere nicht ins Auge und sind hier wohl
1) A. F.- u. J.-Z. 1911, S. 37.
2) Aus der Schweiz ist ein Fall konstatiert, in welchem ein 13 ha erroßer 15 — 40-jähri2rer
Bestand von Fichten, Föhren und Lärchen auf solche Weise fast völlig ruiniert wurde. (Scliw.
Z. 1883, S. 192).
222 V'I- Fürst, Forstschutz.
nirgends so zahlreich, daß der durch sie verursachte Schaden — ringweises Benagen
der Rinde, naraentlicli der Rotbuche, Weißbuche, sowie auffallenderweise der Erle
und Birke, dann Verzehren der Eicheln, Buchein — ein größerer wäre und zur Ab-
wehr nötigte. In größerer Zahl kommen sie dagegen in Krain, Kärnten, Tirol vor und
haben dort durch Entrinden junger Nadelholzstämme schon sehr namhaften Schaden
verursacht. Die Bekämpfung ist infolge der nächtlichen Lebensweise dieser Tierchen
sehr schwierig und kann nur durch Wegfangen der Haselmäuse in Fallen geschehen*).
2. Schädliche Vögel.
§ 32. Die Nachteile, welche durch die V o g e 1 w e 1 1 unseren Waldungen zu-
gehen können, sind verhältnismäßig geringe und örtlich begrenzte; ein Teil der hier zu
nennenden Vögel macht sich gleichzeitig durch Insektenvertilgung wieder mehr oder
weniger nützlich, andere sind jagdlich geschätzte Tiere, und wir werden daher, von
Vertilgungsmaßregeln absehend, uns auf Angabe einiger Schutzmittel zu be-
schränken haben.
Das Auergeflügel, im Winter vorzugsweise auf die Ernährung durch Holz-
knospen angewiesen, kann sehr lästig werden, wenn es diese seine Nahrung an den
Pflanzen unserer Saatkulturen oder Forstgärten sucht; ein paar Stücke, den einmal
angenommenen Aesungsplatz einhaltend, entwipteln dann oft Hunderte von Fichten,
Föhren und Tannen, zumal bei Schnee jeder herausragenden Pflanze den Gipfel ab-
äsend. — Ueberdecken der Beete mit Schutzgittern, der Beete oder wenigstens Beet-
wege mit sperrigem Reisig oder Dornen gibt in Saatbeeten den nötigen Schutz;
auch Anteeren der Knospen (s. § 26) und Ueberspannen der Saatbeete mit Draht hat
man mit Erfolg angewendet, ^'iel geringer ist der Schaden durch B i r k w i 1 d
und H a s e 1 w i 1 d.
Die Wildtauben verzehren sowohl Buchein und Eicheln wie Nadelholz-
sämereien und werden durch letztere Liebhaberei insbesondere auf Freisaaten im
Frühjahr bisweilen schädlich, weniger in Saatbeeten, da sie nicht scharren, nur obenauf
liegenden Samen verzehren. Durch öfteres Schießen an den bedrohten Plätzen sind
sie leicht fern zu halten.
Der Nuß- oder Eichelhäher — nützlich als Insektenvertilger, schädlich
als Nesträuber — kann durch seine Liebhaberei für Eicheln, Buchein, Edelkastanien
und durch die Sicherheit, mit welcher er diese Früchte selbst bei guter Bedeckung mit
Erde zu finden weiß, in Saatkulturen und Saatbeeten oft sehr lästig werden, die Saa-
ten stark dezimieren. Bewachen der Saatplätze, \^'egschießen der Häher, Decken der
Saatbeete mit Dornen, sperrigen Aesten oder Schutzgittern sind die anzuwendenden
Schutzmittel.
Die Finken arten werden in Freisaaten wie Saatbeeten durch das .\ufzelu-en
der Föhren-, Fichten-, Lärchensamen, das Abbeißen der eben aufgekeimten, noch die
Samenhülle tragenden Pflänzchen der genannten Holzarten oft sehr nachteilig. .\uch
Buchein und deren Kotyledonen werden von den Bergfinken und Buchfinken ver-
zehrt.
Freisaaten müssen zur Strichzeit gegen die oft starken Flüge der Bergfinken
bewacht werden, Saatbeete' schützt man durch die bekannten Saatgitter. Als ein mit
gutem Erfolg zum Schutz der Nadelholzsaatbeete angewendetes Büttel ist das Ver-
giften des Samens mit roter Bleimennige (Bleioxyd) zu nennen. Ein geringes Ouan-
1) H e ß (Forstschulz (Bd. I S. 156) teilt mit, daß in Krain in Buchenmastjahren bis 800 000
solcher Haselmäuse (Billiche) gefangen, verspeist und deren Felle verkauft werden.
Die Forslinsekten im allgemeinen. § 33. 223
tum des sehr billigen und überall zu habenden Mittels reicht hin, um jedem Korn
des etwas angefeuchteten Samens einen leichten Ueberzug jenes Schutzmittels zu
geben*) und sowohl das Korn in ungekeimtem Zustand, als den noch die Samenhülle
tragenden Keimling zu schützen. Ein Töten der Vögel findet dabei erfreulicherweise
nicht statt, doch meiden diese den vergifteten Samen.
3. Schädliclie Insekten-).
§ 33. Die F o r s t i n s c k t e n im allgemeinen. Die gefährlichsten
Feinde des Waldes aus der Tierwelt sind entschieden die Insekten; ihre rasche Ver-
mehrung und ihr dadurch ermöglichtes Erscheinen in oft kolossaler Zahl, ihre meist
geringe Größe und hiedurch bedingte schwierige Bekämpfung und Vertilgung sind es,
die sie zu solch gefährlichen Feinden machen.
Nicht jedes Insekt, welches auf unsern Waldbäumen lebend sich von einzelnen
Teilen derselben nährt, bezeichnen wir als schädliches F o r s t i n s e k t, sondern
belegen mit diesem Namen nur jene, welcb.e — sei es nun öfter oder seltener — in
größerer Anzahl auftretend nicht nur den einzelnen Baum, sondern den Bestand oder
gar den Wahl mehr oder weniger gefährden.
Jederzeit, wenn auch in geringer Zahl im Walde vorhanden, und durch
geringe Größe, un.scheinbare Färbung und verborgene Lebensweise sich dem Auge
leicht entziehend, vermag sich eine Anzahl jener Insekten bei ihrer Fortpflanzung
gebotenen günstigen Bedingungen außerordentlich rasch zu vermehren. Es läßt sich
dabei nicht in Abrede stellen, daß unsere gegenwärtige Wirtschaftsweise mit ihren
großen Schlägen, ihren ausgedehnten gleichalten und gleichartigen Beständen der
Vermehrung mancher Insekten, insbesondere jener aus der Klasse der Kulturverder-
ber, entschieden günstig ist, und daß eine Anzahl früher viel weniger bekannter und
gefürchteter Insekten unseren Waldungen in den letzten Jahrzeh.nten großen Schaden
zugefügt hat.
Dieser Schaden tritt nun in sehr verschiedener Weise hervor: In den Kulturen
werden die Pflanzen durch den Fraß der Insekten im Wuchs gestört, zum Kränkeln
und Absterben gebracht, selbst ganze Kulturen vernichtet, die dann unter großen
Kosten und mit Zuwachsverlust erneuert werden müssen. Aeltere Bestände werden
im Wuchs beeinträchtigt, durch das Absterben befallener Stämme durchlöchert, ja
oft in großer Ausdehnung getötet und müssen vorzeitig abgetrieben werden; infolge
der bedeutenden Holzraassen, die zu Markt gebracht werden müssen, sinken die
Holzpreise, geringe Sortimente wie Reisig und Stockholz werden oft geradezu unver-
wertbar. Die Hiebsordnung, im Laufe oft langer .Jahre mit Opfern hergestellt, wird
zerstört, die gesamte Forsteinrichtung durch eine größere Insektenkalamität über
den Haufen geworfen. Die Kasse des Waldbesitzers endlich wird durch die anzuwen-
denden A'erhütungs- und ^'ertilgungsmaßregeln, die Nachbesserung und Erneuerung
der Kulturen, die steigenden Arbeitslöhne u. ä. oft in sehr harter Weise betroffen.
Angesichts dieser Beschädigungen und der stets drohenden Gefahr ist es Auf-
gabe jedes Forstmannes, sich mit den wichtigsten Forstinsekten, deren Lebensweise
und den auf diese gegründeten \'erluitungs- und Verlilgungsmaßregeln bekannt zu
1) Vergl. Fürst, Pflanzenziiclit 4. .\ul'l. S. 157.
2) Literatur: H e n s c h e 1 , Leitfaden zur Bestimmung der schädlichen Forst- und Obst-
bauminsekten, 1876. Ratzeburg, Die Forstinsekten, 3 feile, 1837 — 1844. J u d e i c h und
N i t z s c h e , Lehrbuch der mitteleuropäischen Forslinsektenkunde, 1885. Taschenberg,
Forstwirtsch. Insektenkunde, 1874. — Dr. N ü 13 1 i n , Leitfaden der Forstinsektenkunde 1905.
Vergl. auch die Lit.-.-\ngabe bei S 19,
224 VII. Fürst", Forstschutz.
machen, und es bilden diese letzteren einen wichtigen Teil der Lehre vom Forst-
schutz.
§ 34. Lebens weiseder Forstinsekten. Strenge genommen gehört
nur der letzterwähnte Teil der Insektenkunde : die Lebensweise der Forstinsekten, in-
soferne durch sie die Maßregeln der Verhütung und Vertilgung bedingt sind, in das
Gebiet des Forstschutzes, während die Insektenkunde im allgemeinen, die Organo-
graphie, Physiologie, Systematik in das Gebiet der Zoologie zu vei-weisen sind. Zum
leichteren Verständnis des Nachfolgenden, wie verschiedener wiederholt gebrauchter
technischer Ausdrücke, mögen jedoch gleichwohl einige kurze Erörterungen über die
Lebensweise der Insekten im allgemeinen hier folgen.
Die überwiegende Mehrzahl der Insekten durchläuft vier von einander grund-
verschiedene Entwicklungsstadien und damit eine vollkommene Metamor-
phose: Ei, Larve, Puppe und fertiges Insekt (Imago) : nur eine kleine Zahl hat eine
unvollkommene Metamorphose, bei welcher sich das Puppenstadium von
jenem des fertigen Insektes nicht oder nur wenig unterscheidet, eine Puppen ruhe
nicht besteht.
Von dem Imago werden die E i e r bald einzeln, bald in großer Zahl zusammen
abgelegt; je nach der Jahreszeit, in welcher diese Eiablage erfolgt, schlüpfen aus den
Eiern schon nach wenig Wochen oder erst nach vorheriger Ueberwinterung die
Larven.
Letztere werden nun Maden genannt, wenn sie wie bei den Fliegen fußlos
sind; die Larven der Käfer zeigen hornigen Kopf und 3 lange Beinpaare (Enger-
linge) oder nur Fußstummel, die Raupen der Schmetterlinge haben 5 oder 8 Bein-
paare (erstere geringere Zahl die sog. Spannerraupen), und endlich die sog. After-
raupen der Blattwespen besitzen (mit Ausnahme der Gespinst-Blattwespen)
9 — 11 Beinpaare.
Ist die Larve ausgewachsen, so verpuppt sie sich, und zeigt als P u p p e ent-
weder schon alle Teile des fertigen Imago, sich von diesem nur durch andere Färbung
und ihren Ruhezustand unterscheidend — gemeißelte Puppe — , oder sie ist
mit einer diese Teile verhüllenden Haut umgeben — maskierte Puppe. Diese
liegt entweder nackt in der Erde oder, durch einige Gespinstfäden befestigt, in einer
Rindenritze, zwischen Nadeln etc., oder sie ist mit einem schützenden dichten Ge-
spinst, dem K o k o n, umgeben. Besteht die die Puppe umgebende Hülle aus der
nicht abgestreiften Larvenhaut, so wird sie Tonne, Tönnchen genannt. Als Bei-
spiele seien für gemeißelte Puppen jene der Käfer, für maskierte jene der Schmetter-
linge genannt ; nackt liegen die Puppen des Föhrenspanners unter dem Moos, in großen
Kokons die Puppen des Kiefernspinners, in Tönnchen jene der Blattwespen.
Der Verpuppung folgt eine bald nur wenige Wochen dauernde, bald aber —
bei Ueberwinterung im Puppenzustand — über 6 — 8 Monate sich erstreckende Pup-
penruhe, und dieser die Entwicklung des fertigen Insekts (Imago), des Käfers, Schmet-
terlings usf.; bei Insekten mit unvollkommener Entwicklung fehlt diese Puppen-
ruhe. Dem Ausschlüpfen des Imago folgt in den meisten Fällen alsbald die Paarzeit,
Flug- oder S c h w ä r m z e i t genannt, bei einigen Insekten jedoch auch erst nach
vorheriger Ueberwinterung. In den meisten Fällen folgt der Paarzeit ziemlich rasch
das Absterben der fast durchaus kurzlebigen Imagines, des Männchens nach der Be-
gattung, des Weibchens nach der Eierablage; doch hat man bei einzelnen Insekten,
namentlich Käfern, auch eine verhältnismäßig lange Lebensdauer beobachtet.
Auf die Größe der Vermehrung ist neben der Zahl der abgelegten Eier auch die
sog. Gener ationsdau er von Einfluß, die Zeit, welche vom Zeitpunkt der
Handb.AForsiwiss. SAufl. II.
Reichhnid Belang. Lith.Kunstanstall, ö.m.b. H. Münch(
H.Loupp'sche Budihandlung mTubingen.
Verbreitung und \crniehrung der Forstinsekten. § 35. 225
Eicrablage bis zur Sclnvärmzeit der diesen Eiern entsprossenen Insekten verstreicht;
sie ist außerordentlich verschieden, umfaßt bei manchen Arten nur wenige Wochen,
bei andern selbst mehrere Jahre, und man nennt die Generation
einfach, wenn sich alljährlich eine Generation entwickelt, wie bei den meisten
Schmetterlingen,
doppelt, wenn deren zwei in einem .Jahre zur Entwicklung gelangen (Borken-
käfer, Blattwespe),
mehrfach, bei sehr kurzer, innerhalb Jahresfrist sich öfter wiederholender Ent-
wicklung (Ichneumonen, Blattläuse),
zweijährig, wenn das Insekt zwei volle Jahre zu seiner Entwicklung bedarf
(Holzwespe, Bockkäfer, Harzgallenwickler), endlich
mehr j ä h r i g, wenn hiezu 3 und selbst 4 Jahre nötig sind (Maikäfer).
Die Insekten werden entweder nur im Larvenzustand schädlich (so die Schmet-
terlinge), oder als Imagines, wie bei einem Teil der Käfer (großer Rüsselkäfer, spanische
Fliege), oder endlich in b e i d e n eben genannten Entwicklungsstadien (so Maikäfer,
Waldgärtner).
§ 35. V e r b r e i t u n g u n d ^' e r m e h r u n g. Die Verbreitung der Forst-
insekten ist in horizontaler wie vertikaler Richtung eine sehr bedeutende, doch nimmt
aus naheliegenden Gründen zunächst die Zahl der Arten, dann auch jene der Indivi-
duen wie gegen Norden, so auch mit der Meereshöhe ab, und im eigentlichen Hoch-
gebirge treten nennenswerte Insektenbeschädigungen nur seltener auf.
Was die gefährdeten Holzarten betrifft, so lebt zwar auf manchen Laubhölzem,
so z. B. der Eiche, eine große Zahl von Insekten, aber nur wenige Laubholzinsekten
treten in geradezu bedrohlicher Menge auf, und die den Laubhölzern innewohnende
größere Reproduktionskraft vermag die erlittene Beschädigung auch leichter wieder
auszuheilen. Von den Nadelhölzern beherbergen Tanne und Lärche nur wenige
schädliche Insekten, dagegen sind es zwei unserer verbreitetsten, in reinen Beständen
auf ausgedehnten Flächen vorkommende Holzarten: Fichte und Föhre, welche
am häufigsten und schwersten unter Insektenbeschädigungen zu leiden h.aben. Auf
ilinen findet sich auch eine Anzahl streng monophag lebender Insekten, während eine
große Zahl der auf Laubholz vorkommenden polyphag ist, die verschiedensten Holz-
arten angeht.
Die \'ermehrung der schädlichen Forstinsekten ist, wie schon oben erwähnt,
einigermaßen bedingt durch die Generationsdauer; im weitem sind es äußere Ein-
flüsse, durch welche die \'ermehrung der Insekten begünstigt wird: heiße Sommer,
trockene Witterung zur Zeit der Häutung der Larven, des Schwärmens, vor allem
aber reichlich dargebotene Brutstätten. Dies letztere gilt insbesondere für eine Reihe
von Nadelholzinsekten, die zur Ablage ihrer Brut vor allem Holz mit stockendem oder
doch geschwächtem Saftfluß aufsuchen, erst bei großer Verneinung auch notgedrun-
gen an gesunde Stämme gehen; ihnen bieten Wind- und Schneebruchmaterial, frisch
gefälltes, im W'ald liegendes Holz, frische Stöcke, durch vorherigen Raupenfraß küm-
mernde Stämme und Bestände diese Brutstätten in reichem Maß, und alle Ereignisse,
durch welche solche Brutstätten in großer Menge geschaffen werden, führen gleich-
zeitig die Insektengefahr herbei. Oertlichkeiten, von welchen die letztere hienach aus-
geht, nennen wir Insekten h erde.
Dagegen treten ungünstige Witterung, heftige Regengüsse, naßkaltes Wetter
der Vermehrung mancher Insekten, so namentlich der nackten Raupen hemmend
entgegen; Krankheiten, sowie Pilzbildungen, welche an den Raupen und Puppen im
Winterlager sich zeigen, vernichten oft die Mehrzahl in kurzer Zeit; endlich aber ist
Handb. d, Porstwiss. 3. Aufl. II. 15
226 ^"- Fürst, Forslschulz.
es eine Reihe von Tieren, welche uns im Kampf gegen die Forstinsekten unterstützen.
Als solche erscheinen die insektenfressenden Vögel: Stare, Krähen, Baumläufer,
Spechte, Meisen, Drosseln, die meisten der kleinen Singvögel, Kuckuck, Häher, kleinere
Raubvögel, Eulen; ferner eine Anzahl Säugetiere: Mauhvau-f, Spitzmaus, Igel, Eich-
horn, Wiesel, Iltis, Marder, Dachs, Fuchs, Fledermäuse, zahme und wilde Schweine;
endlich
§ 36. D i e n ü t z 1 i c h e n F o r s t i n s e k t e n. .Mit diesem Namen bezeich-
nen wir jene Insekten, welche uns entweder durch Verzehren der Eier, Larven,
Puppen oder Imagines schädlicher Insekten nützlich werden — wir nennen sie Räu-
ber oder Raubinsekten — oder welche ihre Eier in die Larven, seltener Eier oder
Puppen, anderer Insekten absetzen und durch das Schmarotzen ihrer ausschlüpfenden
Larven töten — Schmarotzer oder Parasiten.
Als die wichtigsten Arten aus beiden Gruppen seien genannt:
1. Als Räuber: Hier steht obenan die an Arten wie Individuen sehr zahl-
reiche Gruppe der Laufkäfer (Carabus), die sowohl als Larven wie als Käfer
andere Insekten verzehren. Von besonderer Bedeutung sind die sog. Kletterlauf-
käfer, welche ihrer Nahrung nicht nur am Boden, sondern auch auf den Bäumen
nachgehen, im Laubholz der kleinere Galosoma Inquisitor, in Nadelholzbeständen der
große Galosoma sycophanta (s. Taf. I Fig. 5).
Weiter sind zu nennen die in sandigen Gegenden häufigen und in mehreren
Arten auftretenden Sandkäfer (Cicindela), die M o d e r k ä f e r (Staphylinus),
der Bunt- oder Ameisenkäfer (Clerus formicarius) (s. Taf. I Fig. 4), dessen
rötliche Larve unter der Rinde den Borkenkäferlarven nachgeht, die S t e c h w e s-
p e n (Vespa), Wolfsfliegen (Asilus), die Schmetterlinge fangenden L i-
bellen (Libellula), die allbekannten Marienkäferchen (Coccinella) als Ver-
tilger der lästigen Blattläuse, endlich die Ameisen (Formica).
2. Als Schmarotzer: Die Raupenfliegen (Tachina) und die außer-
ordentlich zahlreiche und mannigfaltige Familie der Schlupfwespen (Ichneu-
mon) 1). Diese beiden Insektengruppen sind für die Vertilgung schädhcher Insekten
von großer Bedeutung und seien deshalb hier etwas eingehender besprochen.
Die Raupenfliegen oder Tachinen (s. Taf. I Fig. 1), zur Ordnung der
Zweiflügler gehörend und Stubenfliegen ähnelnd, jedoch an dem stark behaarten
Hinterleib leicht kenntlich, kleben ihre Eier äußerlich an die Raupe und zwar meist
wohl nur e i n Ei, doch finden sich bei großer Vermehrung der Tachinen deren auch
mehrere an einer Raupe. Die ausschlüpfenden Läi'vchen bohren sich nun ins Innere
der Raupe, von deren Säften lebend; doch gehen die Raupen nicht alsbald zu Grunde,
zeigen große Freßlust und gelangen vielfach sogar zur Verpuppung. Die ausgewach-
sene Tachinenlarve bohrt sich durch die Haut ihres Wirtes, der Raupe oder Puppe,
die nun zu Grunde gehen, heraus, läßt sich zur Erde fallen und verpuppt sich in einem
Lraunen oder schwarzen, geringelten Tönnchen, aus welchem nach kurzer Puppen-
ruhe, teilweise auch nach Ueberwinterung die Fliege erscheint. — Im Walde jeder-
zeit vorhanden, vermehren sich die Raupenfliegen bei Vorhandensein zahlreicher
Raupen und dadurch gebotener reicher Gelegenheit zur Eiablage sehr rasch und
leisten bei Bekämpfung von Raupenkalamitäten — so der Nonne, der Eule — eine
sehr bedeutende Hilfe.
Bei den zu den Aderflüglern gehörigen Schlupfwespen oder Ichneumo-
nen (s. Taf. I Fig. 2 u. 3) legt das Weibchen je nach der sehr wechselnden Größe der
1) Vergl. Ratzeburg, Die Ichneumonen der Forstinsekten. 3 T. 1844 — 1852.
Mittel der Abwehr. § 37. 227
betr. .^rt nur ein oder einige Eier, bei kleineren Arten aber deren oft eine sehr bedeu-
tende Zalil mit Hilfe eines Legebohrers i n die Larven, seltener in die Eier und Pup-
pen, von Schmetterlingen, Käfern und Blattwespen ab. Aehnlich den Tachinen
leben die ausschlüpfenden Läi-vchen von den Säften des befallenen Tieres (des Wirtes)
und bohren sich in der Regel nach vollendetem Wachstum aus dem Ei bezw. der nun
zugrunde gehenden Lars'e heraus, um sich in einem Kokon, der meist auf dem Fraß-
objekt klebt, zu verpuppen. Die Raupenkadaver sind oft geradezu mit solchen klei-
nen Kokons bedeckt — so beispielsweise jene des großen Kiefernspinners mit den
zahlreichen weißen Kokons des kleinen Microgaster globatus. Aus den letztern schlüpfen
nach kurzer Puppenruhe dielmagines, und da die ganze Entwicklung nur wenige Wochen
in Anspruch nimmt — es sei denn, daß sie in den Raupen überwintern — , so ist die
Vermehrung bei Vorhandensein reicher Gelegenheit zur Eiablage eine sehr bedeutende.
Ob Raupen angestochen sind, läßt sich bei nackten und hellfarbigen Raupen
an den dunkeln Stichflecken erkennen, außerdem durch Sektion unschwer fest-
stellen. Angestochene Raupen fressen noch mit großer Gier fort, kommen selbst
noch zur Verpuppung (bei schwacher und erst spät erfolgter Besetzung), nie aber zur
Entwicklung als Imago.
Die Bedeutung der Ichneumonen ist teils überschätzt worden, indem man
glaubte, ihnen allein die Bekämpfung eines Raupenfraßes überlassen zu dürfen, teils
unterschätzt, indem man darauf hinwies, daß sie in größter Zahl sich erst dann ein-
stellten, wenn jene Kalamität ihrem naturgemäßen Ende nahe sei. Das Richtige
dürfte in der Mitte liegen!
Ichneumonen wie Tachinen, jederzeit im Walde vorhanden, werden unter n o r-
malen Verhältnissen durch ihre Lebensweise der Vermehrung der Raupen hindernd
entgegentreten. Treten jedoch Verhältnisse ein, welche diese letztere besonders be-
günstigen (s. § 35), so werden die genannten Insekten die Vermehrung nicht hindern
können, da ihre eigene Vermehrung eben erst durch das Vorhandensein einer größern
Zahl von Raupen, die ihnen als Wirte, als Brutstätten dienen, bedingt ist; aber sie
werden in solchem Fall dazu beitragen, die Zahl der Raupen rasch zu mindern und
hiedurch die Kalamität abzukürzen. —
§ 37. Mittel der Abwehr. Die Mittel zur Abwehr schädlicher Insekten
sind zu unterscheiden als Mittel der Vorbeugung und als solche der eigentlichen
Vertilgung. Angesichts des Umstandes, daß die letztere bei bereits vorhandenen
großen Insektenmengen schwierig, selbst geradezu unmöglich ist, wird es vor allem Auf-
gabe des Forstmannes sein, der Vermehrung der im Walde stets vorhandenen schäd-
lichen Insekten nach Kräften vorzubeugen, mit den Mitteln der Vertil-
gung sofort in den ersten Stadien der Vermehrung zu beginnen.
Zu diesem Zweck ist in erster Linie nötig die rechtzeitige Entdeckung einer
drohenden Insektengefahr, wie sie durch aufmerksame und fleißige Revision der Wal-
dungen ermöglicht wird. Kenntnis der in den betreffenden Waldungen vorzugsweise
zu fürchtenden Insekten, ihrer Lebensweise, der Oertlichkeiten, wo sie vor allem zu
erwarten sind — der Insektenherde — wird hienach selbst dem einfachsten Schutz-
bediensteten nötig sein. Im Walde liegende Windbrüche, Schläge mit frischen Stöcken,
frisch gefälltem Holz (Nadelholz), trockene Sandliügel mit geringen Beständen,
kränkelnde Kulturen sind vor allem im Auge zu behalten; Bohrlöcher und Bohrmehl,
Raupenkot, abgebissene Nadeln, rasch absterbende Stämme und Pflanzen, die Tätig-
keit insektenfressender Vögel (Kuckucke. Krähen) und anderer Tiere (Wildschweine)
verraten dem aufmerksamen Forstmann die sich mehrenden Feinde und lassen ihn
zu rascher Abwehr schreiten.
15*
228 ^ "• Fürst, Forstschutz.
Wir haben oben gesagt, daß eine Anzahl von Nadelholzinsekten (die Borken-,
Bast- und Rüsselkäfer) ihre Brutstätten zunächst in Holz mit stockendem Saftfluß
sucht, in frisch gefällten, gebrochenen oder sonst stark beschädigten Stämmen, fri-
schen Stöcken u. dgl. Alle Mittel, durch welche wir den Insekten solche Brutstätten
entziehen, werden daher als Vorbeugungsmittel zu betrachten sein : Rechtzeitige Auf-
arbeitung und Abfuhr oder Entrindung des Holzes, Rodung der Stöcke, Verbrennen
des etwa wertlosen Astholzes einerseits, aber auch richtige Hiebsführung zur A'ermei-
dung des Windbruches, rechtzeitige Durchforstungen als Mittel gegen Schneeschaden,
Unterlassen der Führung großer Kahlschläge und ähnliche Mittel waldbaulicher Art
anderseits.
Tritt aber trotz solcher Vorsichtsmaßregeln eine größere Insektenkalamität ein,
wie dies namentlich nach bedeutenderen Beschädigungen des Waldes durch Sturm,
Schnee, Brand auch ohne unsere Schuld der Fall sein kann, dann sind die Mittel der
Vernichtung in Anwendung zu bringen. Auch sie schließen sich eng an die
Lebensweise der einzelnen Insekten an, werden in jenem Stadium der Entwicklung
vorzunehmen sein, in welchem eine möglichst massenhafte und vollständige Ver-
tilgung am ersten tunlich; sie sind hienach bei den verschiedenen Insekten natür-
lich sehr verschieden und werden bei deren Besprechung näher bezeichnet werden.
§ 38. Größeund Beurteilung des Schadens. Der Nachteil, der
durch die Insekten den Bäumen und Beständen zugeht, ist ein sehr verschiedener,
kann sich auf einigen Zuwachsverlust und Störung freudiger und normaler Entwick-
lung beschränken, aber auch das Absterben der beschädigten Pflanzen und Stämme
nach sich ziehen. Bei Laubhölzern tritt dies letztere nur selten und dann an Pflanzen
oder schwächern Stämmen ein, dagegen sehen wir bei Nadelhölzern die stärksten
Stämme und ausgedehnte Bestände in oft kurzer Zeit vernichtet.
Am gefährlichsten erweist sich stets die Zerstörung der S a f t h a u t oder der
Wurzel n, während eine Zerstörung der Blätter und Nadeln von den reproduktions-
kräftigen Laubhölzern überwunden wird, von den Nadelhölzern aber wenigstens dann
überwunden werden kann, wenn die Knospen für das nächste Frühjahr schon aus-
gebildet waren; ist dies nicht der Fall, so wird ein Kaiilfraß stets das Absterben nach
sich ziehen, während die Laubhölzer sich mit Hilfe der .Johannitriebe neu begrünen.
— Auf frischem, kräftigem Boden ist die Erholungsfähigkeit beschädigter Kulturen
und Bestände stets größer, als auf geringem, trockenem Standort, ebenso in feuch-
tem, regenreichem Sommer gegenüber anhaltender Trockenheit.
War die Insektenbeschädigung eine lokal eng begrenzte, so wird man sich
nicht scheuen, stärker beschädigte Bestände abzutreiben ; bei großer Ausdehnung des
Fraßes ist es aber von Wichtigkeit, zu entscheiden, welche Bestände t ö 1 1 i c h be-
schädigt seien, welche dagegen die Hoffnung auf Erhaltung und Erholung geben,
damit man den Markt nicht unnötig überfülle, aber auch durch verzögerte Aufarbei-
tung nicht die Qualität des Holzes, die durch Stocken, Blau-Werden etc. rasch eine
geringere wird, beeinträchtige.
Schlaffe Knospen, bräunhche Flecken auf Bast und Splint, allerlei Insekten
unter der Rinde sind schlechte Zeichen, kräftige Knospen, gesunde Safthaut lassen,
zumal auf besserem Boden und bei jüngeren Beständen, Erholung hoffen; bei letzte-
ren wird man überhaupt mit dem Einschlag länger zögern, als bei einem an sich hau-
baren Bestand. — Rasche Aufarbeitung des abgestorbenen Holzes, Entrindung, Auf-
spalten, Aufstapeln auf trockenen luftigen Lagerplätzen beugt der Qualitätsminde-
rung möglichst vor.
§ 39. E i n t e i 1 u n g d e r s c h ä d 1 i c h e n F o r s t i n s e k t e n. Die Ein-
Die Borkenkäfer im allgemeinen. § 40. 229
teilung und Gruppierung der scliädlichen Forstinsekten kann in mannigfacher Weise
erfolgen; man kann sie gruppieren nacii ihrer systematischen Einteiluag als
Käfer, Schmetterlinge, Netzflügler usw.; nacii der beschädigten Holzart als Laub-
und Nadelholzinsckten, nach dem Alter der gefährdeten Bestände als Bestandsver-
derber und Kultul•^•erderber, nach den beschädigten Stammteilen als Holzverderber,
Blattverderber, Wurzelverderber usw., als technisch oder physiologisch schädliche
Insekten, endlich als sehr schädliche, merklich schädliche und wenig schädliche. Wir
halten es für das zwecltmäßigste und übersichtlichste, diese Einteilung nach den
zwei großen und der Hauptsache nach geschiedenen Gruppen der Nadelholz-
und L a u b h o I z- Insekten vorzunehmen und innerhalb jeder dieser Gruppen zu-
nächst die Käfer, dann die Schmetterlinge und anschließend die wenigen den übri-
gen Insektenklassen angehörigen Insekten zu besprechen, welche sich als forst-
schädlich erweisen.
Dem Zweck und begrenzten Umfang vorliegender Abhandlung entsprechend
müssen wir uns auf eine kurze Besprechung der schädlichsten und am häufigsten auf-
tretenden Forstinsekten beschränken, glauben aber doch auch jene anführen zu sol-
len, welche, wie z. B. Harzgallenwickler und Deformitäten-Erzeuger verschiedener
.\rt, zwar meist keinen wesentlichen Schaden verursachen, jedoch durch die auf-
fallende Art ihrer Beschädigung die Aufmerksamkeit im Walde auf sich ziehen.
A. Nadelholz-Insekten.
I. Käfer.
§ 40. Die Borkenkäfer im a 1 1 g e m e i n e n i). Die Borkenkäfer
(Scolytidae) gehören zu den gefährlichsten Feinden des Nadelholzes, indem sie, in der
Regel die Safthaut zerstörend, die stärker befallenen Stämme rasch zum Absterben
bringen; auch auf Laubholz kommt eine Anzahl vor (s. § 66), lebt aber vorzugsweise
im S p 1 i n t und gefährdet die Bäume dadurch in minderem Grad. Zur Vermeidung
von Wiederholungen erscheint es zweckmäßig, die Lebensweise der Borkenkäfer und
die auf diese gegründeten Verhütungs- und Vertilgungsmaßregeln zuerst im allgemei-
nen zu besprechen.
Die erstmalige Schwärmzeit der Borkenkäfer ist im Frühjahr, bei einigen Arten
schon sehr zeitig, an den ersten warmen und sonnigen Tagen des März (Frühschwär-
mer), bei andern erst im April und selbst Mai (Spätschwärmer). Stets erfolgt das
Schwärmen nur bei günstiger Witterung, und möglichst rasch bohren sich die Käfer
meist paarweise in die als Brutstätten ausgewählten Stämme bezw. Pflanzen ein. Als
solche Brutstätten suchen sie nun vor allem kränkelndes Material mit etwas stocken-
dem Saftfluß, und vermeiden bereits zu trocken gewordenes Holz, in welchem die
Brut aus Nahrungsmangel zugrunde gehen müßte, ebenso wie gesunde Stämme, in
welchen der starke Harzfluß die alten Käfer töten würde. Frisch gefällte Stämme,
Windbrüche, durch Schnee und Sturm beschädigte, entwipfelte, gehobene Stämme,
frisches Stock- und Reisigholz sind solche ihnen vor allem zusagende Brutstätten, die
sie durch den Harzgeruch gelockt auf weithin zu finden wissen; fehlen ihnen bei
großer Vermelirung solche Brutstätten, so gehen sie notgedrungen an grüne Stämme,
in denen allerdings anfänglich eine große Zahl durch den Harzfluß zugrunde gehen
mag, bis schließlich der durch Tausende kleiner \^'unden verletzte Stamm in krän-
kelnden Zustand gerät und nun die gewünschte Brutstätte bietet. Hierin, in dem Be-
1) Eichhoff, Die europäischen Borkenkäfer 1881. B a r b e y , Die Bostrichiden von.
Zentral-Europa 1901.
230 ^'II- Fürst, Forstschutz.
fallen gesunden Holzes bei großer Vermehrung, ist dann auch der oft außerordentliche
Schaden begründet, den einzelne Arten anzurichten vermögen.
Die Begattung findet teils vor, teils während des Einbohrens statt, teils erst im
Stamm, und in letzterem Fall wird hiezu eine größere Höhlung in die Safthaut zu-
nächst dem Eingang eingebissen und bei der Paarung als sog. Rammelkammer be-
nützt, von welcher dann der für die Borkenkäfer charakteristische gleichbreite
Muttergang (bisweilen auch deren mehrere) ausgeht, in welchem die Eiablage
erfolgt. Die Breite dieser Muttergänge ist durch die Größe der alten Käfer bedingt;
sie verlaufen teils in und unter der Rinde, zumeist in den kambialen Schichten
und den Splint nur berührend (R i n d e n b r ü t e r), teils in dem Holzkörper selbst
(H o 1 z b r ü t e r), und werden in ersterem Fall als Rindengänge, im zweiten als
Holzgänge bezeichnet, und dies sowohl, wie die Art und Weise des Verlaufes ist für
die einzelnen Arten verschieden, für ihre Bestimmung von wesentlicher Bedeutung.
Man unterscheidet:
Lotgänge oder Längsgänge, in der Längsrichtung des Stammes verlaufend.
Wagegänge oder Quergänge, in peripherischer Richtung angelegt.
S t e r n g ä n g e, strahlenförmig von der gemeinsamen Rammelkammer aus-
gehend.
Die sog. Familien- und Leitergänge (s. unten) sind keine Muttergänge.
In den sehr verschieden langen Muttergängen erfolgt nun die Eiablage, meist
einzeln in links und rechts eingebissene kleine Vertiefungen, bisweilen partienweise
am Ende eines kurzen Mutterganges; die Zahl der Eier, deren Ablage binnen 3—4
Wochen erfolgt, ist oft eine sehr große, steigt bis auf 100 Stück an. — Aus den Eiern
entwickeln sich nach etwa 14 Tagen die fußlosen, sclunutzigweißen Larven mit brau-
nem Kopf und beginnen nun ihren Fraß in der Safthaut; die anfänglich sehr schmalen,
mit dem Wachstum der Larve stets breiter werdenden Larvengänge
stehen anfänglich ziemlich rechtwinklig zu dem Muttergang, werden beim Breiter-
werden stets weiter auseinander gedrängt, da die Larven das Berühren von Nachbar-
gängen sorgfältig vermeiden, und der Verlauf wird hiedurch, wie durch die Nähe eines
andern Mutterganges und daraus hervorgegangener Larvengänge ein oft außerordent-
lich unregelmäßiger und damit auch die außerdem meist sehr charakteristische Fraß-
figur, welche im Zusammenhalt mit der Größe der Bohrlöcher und der Breite der
Muttergänge die Erkennung der Art, welche den Schaden verübt hat, ermöglicht,
auch wenn der Käfer nicht mehr zu finden ist. Sind die Eier partienweise abgelegt
worden und fressen die daraus entstandenen Larven gemeinsam, so entstehen sog.
Familiengänge; Leitergänge sind kurze, zapfenartig rechtwinklig zum
Muttergang stehende und nur zur Verpuppung dienende Larvengänge, und finden
sich solche nur bei einer im H o 1 z lebenden Art (s. § 48).
In der Regel aber erfolgt diese Verpuppung nach 8— lOwöchentlicher Dauer,
bezüglich deren Länge die Witterung bezw. die Wärme eine große Rolle spielt, von
der Eiablage an gerechnet, am Ende der Larvengänge in eingebissenen muldenförmi-
gen Vertiefungen, den Wiegen; die Puppen sind gemeißelt, zeigen alle Teile des
fertigen Insekts, sind aber weiß und weich. .-Mlmählich dunkler, gelb bis schwarz-
braun werdend, entwickeln sie sich binnen etwa 8 Tagen zum Imago, das bei schlech-
ter Witterung noch einige Tage in der Safthaut frißt, bei wärmerem trockenem
Wetter aber sich durch die Rinde nach außen bohrt, Fluglöcher hinterlassend,
um bei vielen Arten sofort zu s c h w ä r m e n und eine neue Generation abzusetzen,
die in den meisten Fällen noch im gleichen Jahr zur Entwicklung kommt und unter
besonders günstigen Verhältnissen sogar noch schwärmt, während in den übrigen Fällen
Vorbeugun<ir und Vertilgung. § 41. 231
die Käfer unter der Ftinde, an Stöcken, Wurzeln und sonst geschützten Orten über-
winternd erst im folgenden Frühjahr schwärmen. Die Generationsfrage hat im letzten
Jahrzehnt zu lebliaften Debatten') geführt; als deren Resultat dürfte festgestellt sein,
daß einige Borkenkäferarten infolge rascher Reifung der Geschlechtsorgane nur we-
nige Tage als Imago in der Puppenwiege verweilen und sofort nach dem Ausfliegen
zu einer neuen Brut schreiten — so die Eccoptogaster-(Scolytus-)Arten. Bei einer
viel größeren Gruppe ist zu jener Reifung eine längere Zeit nötig, was bei einem Teil
— den Hylesinen — zu e i n f a c h e r Generation führt, während bei einem andern,
den Tomicus-(Bostrichus-)Arten, diese Zeit der Reifung nicht lange genug ist, um eine
doppelte Generation zu verhindern. Diese doppelte Generation in Verbindung
mit der großen Zahl der abgelegten Eier erklärt die große und rasche Vermehrung der
Borkenkäfer.
Auch die Feststellung, daß die Mutterkäfer längere Lebensdauer besitzen, zu
wiederholter Eiablage befähigt sind, verdient Erwähnung.
§41. Vorbeug ungund Vertilgung. Wie bei allen Insekten, so ist
auch bei den Borkenkäfern die Vorbeugung, die Verhütung einer größern Vermeh-
rung der jederzeit in beschränkter Zahl im Wald vorhandenen Individuen von beson-
derer Wichtigkeit. Als Mittel hiezu dient in erster Linie die möglichste Entziehung
der Brutstätten, also rechtzeitige Entfernung (oder Entrindung) des im Walde liegen-
den Holzes, der Windbrüciie, kränkelnder Stämme, frischen Stock- und Reisigholzes;
alle Wirtschaftsmaßregeln, durch welche wir schädlichen Naturereignissen, Sturm-
schäden, Schnee- und Duftbrüchen u. dgl. vorbeugen, sind zugleich Vorbeugungs-
mittel gegen die Borkenkäfer, denen durch solche Naturereignisse reichliche Brut-
stätten geboten werden, und alle größeren durch diese Insekten verursachten Wald-
beschädigur^en der Neuzeit sind Folgen von Wind- und Schnee-Beschädigungen ge-
wesen.
Das Vorhandensein der Borkenkäfer im Walde aber erkennen wir bei liegenden
Stämmen an dem hellen Bohrmehl, welches die Käfer bei Anfertigung ihrer Mutter-
gänge durch das Eingangsloch sowie durch die im Muttergang in kleinen Abständen
angebrachten Luftlöcher herausschaffen und das in kleinern oder größern Häufchen
zwischen den Rindenschuppen liegt ; am stehenden Stamm finden wir dies Bohrmehl
etwa an Spinnweben hängend am untern Teil des Baumes, sehen auch die ausgetrete-
nen weißen Harztröpfchen. Zahlreiche unregelmäßig beisammen stehende Fluglöcher
sagen uns, daß die Käfer bereits ausgeflogen seien.
Als Mittel, um uns von der Zahl der vorhandenen Individuen zu überzeugen,
der stärkern Vermehrung vorzubeugen, und eventuell als Vertilgungsmittel im großen
dienen uns nun die sog. F a n g b ä u m e^). Man versteht darunter Stämme, welche
man in allen Oertlichkeiten, in denen man die Gegenwart von Käfern vermutet,
wirft, um letztere zur Absetzung ihrer Brut in den Stämmen, Stöcken, Aesten
zu veranlassen und sich hiedurch einen Anhalt über deren größere oder geringere
Zahl und eventuell durch Darbietung weiteren und zahlreicheren derartigen Brut-
materiales die Möglichkeit tunlichster Vertilgung zu verschaffen. Diese Fangbäume
müssen zeitig und vor Eintritt der Schwärmzeit gefällt werden; im Frühjahr dient
häufig das noch allenthalben unabgefahren im Wald befindliche Holz aus der Winter-
fällung zu diesem Zweck. Da aber die meisten Borkenkäfer eine doppelte Generation
1) Vergl. Dr. K n o c h e im Forstw. Z.-Bl. 1900, 1904, 1908), der insbesondere auf den großen
Einfluß der jeweiligen Temperatur auf die Entwicklung der Käfer und damit auf die einmalige
oder doppelte Generation hinweist.
2) Vergl. über Fangbäume die Kontroversen von E i c h li o 1 1 und A 1 t u m in Z. f. F. u. J.
1882 und 188.S.
239 VII. Fürst, Forstschulz.
haben, so ist es nötig, auch im Sommer frische Fangbäume den Käfern zur geeigneten
Zeit darzubieten, wobei zu beachten ist, daß die Käfer entsprechend der wochenlang
dauernden Eiablage im Sommer nicht so gleichzeitig schwärmen, wie dies im Früh-
jahr der Fall zu sein pflegt, und daß zur heißen Zeit die Fangbäume verhältnismäßig
rasch austrocknen und nicht mehr angegangen werden. In Nadelholzrevieren, in de-
nen die verschiedensten Borkenkäfer, Früh- und Spätschwärmer, vorzukommen
pflegen, wird man deshalb gut tun, nach Abfuhr des von den Winterfällungen stam-
menden Holzes wiederholt in kürzeren Intervallen solche Fangbäume zu werfen.
Diese sind nun fleißig zu revidieren, im Falle sie sich rasch stark besetzt zeigen
sollten, zu vermehren und r e c h t z e i t i g zu entrinden. Dies Entrinden soll nicht
zu bald geschehen, damit die darin befindlichen oder noch neu anfliegenden Käfer
zur vollständigen Eiablage gelangen ; sind die ältesten Larven nahezu ausgewachsen,
dann entrindet man und verbrennt die Rinde, welch' letztere Maßregel namentlich
dann notwendig wird, wenn größere Mengen solcher Rinden an einem Platz anfallen,
die betr. Lai-ven schon weit in der Entwicklung vorgeschritten sind, vielleicht schon
im Stadium der Verpuppung sich befinden und tiefer in der Rinde liegen. Entgegen-
gesetzten Falles genügt auch das Legen der abgesch.älten Rindenstücke in die Sonne,
die Safthaut nach oben — in kurzer Zeit sind die noch schwachen Larven abgestor-
ben. Befallenes Reisig wird man verbrennen, Stockholz verkohlen.
§42. E i n t e i 1 u n g d e r B o r k e n k ä f e r. Man teilt die Borkenkäfer in
drei Hauptgruppen:
1. Splintkäfer Scolytus (Eccoptogaster), mit schief abgestutztem Hinter-
leib, nur im Laubholz, und forstlich von geringerer Bedeutung.
2. Bastkäfer, Hylesinus, die Flügeldecken über den Absturz des Hinter-
leibes herabgehend, vorwiegend in Nadelhölzern und zwar stets im Bast oder flach
im Splint, nie im Holz lebend, vielfach in Wurzeln brütend.
3. Eigentliche Borkenkäfer, Tomicus (Bostrichus), die Flügel-
decken am Absturz oft eingedrückt und gezähnt, der Mehrzahl nach im Nadelholz, in
geringerer Zahl im Laubholz lebend, teils unter der Rinde, teils tief im Holz die Brut
absetzend, nie aber in den Wurzeln brütend^).
Von der großen Menge verschiedener Borkenkäfer, welche sich in unsern Nadel-
holzwaldungen finden, ist es immerhin nur eine kleine Zahl von eigentlichen Borken-
käfern und Bastkäfern, die zu den in h ö h e r e m G r a d schädlichen zu rechnen ist
und nachstehend spezielle Besprechung finden soll.
§43. DerFichten- oder achtzähnige Borkenkäfer, Tomicus
typographus (s. Taf. 1 Fig. 12). Dieser Borkenkäfer, einer der größten und wohl der
verbreitetste und schädlichste, ist 4 — 6 mm lang, schwarz mit bräunlichgelber Be-
haarung und mit rötlichgelben Fühlern und Beinen; die Flügeldecken zeigen ver-
tiefte Kerbstreifen und an der schräg abgestutzten Spitze jederseits vier gleichweit
entfernte Zähne, von denen der dritte der größte ist.
Er ist vorzugsweise im Bergland zu Hause und ist in den Mittelgebirgen unter
seine Vermehrung begünstigenden Umständen schon wiederholt außerordentlich ver-
derblich aufgetreten, während seine Vermehrung in den eigentlichen Hochlagen eine
begrenzte ist. Er gehört zu den Spätschwärmern, je nach der Höhenlage im April bis
Ende Mai schwärmend, und lebt fast ausschheßlich in Fichten, wird nur ausnahms-
weise auch in Föhren und Lärchen gefunden ; stets befällt er ältere Bestände und auch
in diesen wieder die stärkeren, bereits rauhborkig gewordenen untern Stammteile,
1) Die einzige Ausnahme bezüglich des Brütens in Wurzeln dürfte Tomicus aulographus
sein. S. J u d e i c h und N i t s c h e Bd. 1 S. 454.
Der Fichten- oder achlzähnige Borkenkäfer. § 43. 233
nur im Notfall, bei übermäßiger Vermehrung und mangelndem Brutmaterial auch
die oberen, dünnberindeten. Wie alle Borkenkäfer bevorzugt auch er Holz mit
stockenden Säften, frisch gefällte, vom Sturm geworfene oder geschobene, vom Schnee
entwipfelte oder sonst beschädigte Stämme, schon zu trockenes Material ebenso
meidend wie ganz gesunde Stämme, welch' letztere er erst dann anfällt, wenn das
vorhandene kränkelnde Material zum Absatz der Brut nicht ausreicht.
Die Käfer bohren sich zwischen Rindenritzen ein, hiebei größere Mengen brau-
nen Bohrmehls auswerfend, fertigen zunächst unter der Rinde die sog. Ranomelkam-
mer, in welcher die Begattung vor sich geht, und nun frißt das Weibchen, von dieser
ausgehend, den Mutter- oder Brutgang, einen bis 15 cm langen nach oben oder unten,
auch, wenn 2 Weibchen vorhanden, nach beiden Seiten gehenden Lotgang, der
von Zeit zu Zeit ein nach außen gehendes Bohrloch — Luftloch — zeigt. In rechts
und links eingebissene kleine Vertiefungen legt nun das Weibchen innerhalb einiger
Wochen bis gegen 100 Eier ab, aus denen etwa 14 Tage nach der Ablage die weißen
Lan'en kriechen, die seitwärts geschlängelte, stets breiter werdende, bis 10 cm lange
Gänge in der Safthaut fressen und sich an deren Ende in einer in die Rinde eingenagten
Wiege verpuppen. Sind die Stämme stark befallen, verlaufen zahlreiche Muttergänge
nahe beieinander, so geht ein großer Teil der Lai'\en wegen Mangel an Raum für ihre
Gänge zugrunde, verkümmert, ebenso vertrocknen sie, wenn die Brut in rasch aus-
trocknendes Material abgesetzt oder letzteres zu raschem Trocknen durch Aufspalten,
Lagern in der Sonne gebracht wurde. — Aus der anfänglich weißen gemeißelten Puppe
entwickelt sich binnen 8 Tagen der zuerst hellgelbe, allmählich nachdunkelnde Käfer,
der bei ungünstiger Witterung noch einige Tage um die Wiege herum in der Safthaut
frißt, bei günstiger sich alsbald durch ein kreisrundes Flugloch herausbohrt; die ganze
Entwicklung vom Ei bis zum Imago mag durchschnittlich 8, unter ungünstigen Ver-
hältnissen bis 12 Wochen dauern.
Die erste Generation, je nach Scliwärmezeit und Entwicklungsdauer im Juni
bis Juli fertig geworden, setzt nun nach einem 14 Tage bis 4 \\'ochen dauernden Er-
nährungsfraß der Jungkäfer eine zweite Brut ab, die bis zum Herbst fertig wird und
dann in Gestalt unbegatteter Käfer zu überwintern und im nächsten Frühjahr
zu schwärmen pflegt; doppelte Generation ist als Regel zu betrachten. Eichhoff be-
hauptete sogar unter günstigen L^mständen eine dreifache, während im eigentlichen
Hochgebirge die Generation infolge späten Schwärmens und langsamer Entwicklung
meist eine einfache bleiben wird.
Die große Zahl der Eier, die doppelte Generation erklären die rasche Vermeh-
rung dieses Insektes, wenn ihm durch schädliche Naturereignisse — Wind- und
Schneebruch — Brutstätten in reicher Menge geboten werden, und der durch diese
Ereignisse verursachte Schaden ist nicht selten durch die nachfolgenden Insekten-
verheerungen noch wesentlich gesteigert worden. Alle von dem Käfer nur einiger-
maßen stärker befallenen Stämme sterben infolge der Zerstörung der Safthaut ver-
hältnismäßig rasch ab, doch findet man die abgestorbenen Stämme stets
schon von den Käfeni verlassen.
Alle gegen die Borkenkäfer überhaupt anzuwendenden Vorbeugungs- und Ver-
tilgungsmittel, wie sie oben (§ 41) erwähnt wurden, finden dem Fichtenborkenkäfer
gegenüber Anwendung, und ist besonders darauf Bedacht zu nehmen, daß auch die
zweite Generation eine genügende Anzahl hinreichend frischer Fangbäume vorfindet.
Als eine der großartigsten, vorwiegend durch T. typographus verursachten
Käferbeschädigungen ist der Borkenkäferfraß im böhmischen und anstoßenden
bayrischen Wald in den Jahren 1871 — 1875 zu erwähnen, woselbst nach vorher-
234 VII. Fürst, Forstschutz.
gegangenen schweren Sturmbeschädigungen noch Millionen von Festmetern vom
Käfer getötetes Holz eingeschlagen werden mußten ').
§ 44. Der große Kiefernborkenkäfer, Tomicus stenographus
(sexdentatus). Der größte bei uns vorkommende Borken käfer, 6 — 8 mm lang, schwarz
mit bräunlichgelber Behaarung, nach hinten etwas schmäler werdend, mit tief ge-
kerbten punktierten Flügeldecken, am Absturz tief und scharfrandig eingedrückt und
jederseits sechszähnig. Seine Größe schützt ihn vor Verwechslung mit anderen Bor-
kenkäfern.
Er kommt auf den verschiedenen Pinus-Arten vor, ist jedoch viel seltener als
B. typographus und fehlt in manchen Föhrengebieten gänzlich. Ein Spätschwärmer,
fällt er am liebsten stärkere liegende Föhrenstämme an, bohrt sich jederzeit in den
dickborkigen Teil ein und fertigt hier 20 — 30 cm lange, verhältnismäßig breite Mutter-
gänge, welche zwar als Lotgänge bezeichnet werden müssen, doch auch seitlich ab-
weichen und sich selbst gabeln. Im übrigen gleicht seine Lebensweise jener des Fich-
tenborkenkäfers, auch bez. der früher mehrfach bezweifelten doppelten Generation.
Da er nur ausnahmsweise stehende Stämme anfällt, so sind besondere Vor-
beugungsmaßregeln gegen ihn kaum nötig und genügt das Entrinden der von ihm
im Frühjahr befallenen Fangbäume bez. des von den Fällungen her noch im Walde
befindlichen Holzes wohl stets, um seine Vermehrung zu hindern.
§ 45. DersechszähnigeFichtenborkenkäfer, Tomicus chalco-
graphus. Dieser kleine Borkenkäfer ist nur ca. 2 mm lang, unbehaart, fettglänzend
mit dunklem Halsschild und rötlichbraunen fein streifig punktierten, gegen die Spitze
zu glatten Flügeldecken, an dem eingedrückten .\bsturz mit je drei Zähnen beiderseits.
Er gehört zu den häufig auftretenden Borkenkäfern und kommt nicht selten
gleichzeitig mit T. typographus am selben Stamm vor, wobei er dann stets die obern,
dünnberindeten Stammteile bewohnt; auch an schwächerem Stangenholz findet er
sich häufig. Seine Brutgänge sind sehr charakteristisch, indem sie, der geringen
Größe des Käfers entsprechend, als sehr schmale Sterngänge in der Basthaut von
einer mehr in der äußern Splintschichte liegenden Rammelkammer ausgehend ver-
laufen. Er schwärmt etwas früher als T. typographus, hat gleich diesem eine doppelte
Generation und befällt, wie schon erwähnt, an starkem Stämmen vorwiegend die
obern Stammteile, hiedurch wohl häufig die befallenen Individuen in kränkelnden
Zustand versetzend und zu geeigneten Objekten für die Angriffe des erstgenannten
Käfers machend; der Harzfluß scheint ilim minder gefährlich zu sein, als diesem
letztem.
Die Verhütungs- und Vertilgungsmaßregeln sind die schon genannten, doch
dürfte zu erstem auch die Entfemung alles unterdrückten, kümmernden Materiales
durch fleißige Durchforstung der Fichtenstangenhölzer zu rechnen sein.
§ 46. Der krumm zahnige Tannenborkenkäfer, Tomicus
curvidens. Der 2,5 — 3 mm lange Käfer ist schwarz, bräunlichgelb behaart, das Weib-
chen mit gelbem Haarschopf auf der Stirne; die Flügeldecken haben tiefe Kerb-
streifen, sind feinreihig punktiert, die Seitenreihen des steilen Absturzes beim Männ-
chen jederseits mit 5 — 7 Zähnen besetzt, wovon der 1., 2. und 5. hackenförmig ge-
krümmt, während das Weibchen auf jeder Seite nur 3 — 4 stumpfe Zähne zeigt.
Der Käfer bewohnt fast nur die Tanne, als seltene Ausnahme andere Nadel-
hölzer, befällt in erster Linie einzeln stehende stärkere Bäume, Randstämmc und
diese meist zunächst in den obern Stammteilen. Ein Frühschwärmer, hat er jeden-
1) Vergl. A I t u m , Forstzoologie III. 1. S. 295. (1881).
Der Nutzholz-Borkenkäfer. Xyloterus lineatus. § 48. 235
falls eine doppelte Generation, die Muttergänge sind oft sehr ausgeprägte, doppel-
arniige \A'agegänge, weichen aber niclit selten von dieser Gestalt in mannigfachster
Weise durch schrägen, geknickten, zackigen Verlauf ab, werden aber nie zu Lot-
gängen; sowohl die Mutter- wie die Larvengänge greifen etwas in den Splint ein, so
daß sowohl die Bastseite der Rinde, wie die äußere Splintschichte die Fraßfigur zeigt;
die Puppenwiegen aber liegen zum größern Teil in der Splintschichte.
Bei einigermaßen aufmerksamer Wirtschaft wird man den T. cur\4dens meist
auf das Maß der Unschädlichkeit beschränken können, in manchen Fällen hat er sich
in Weißtannenbeständen als ein sehr lästiger Feind erwiesen. Befallene Bäume sind
stets rechtzeitig und vor der Verpuppung zu schälen, da, wenn letztere schon ein-
getreten, ein großer Teil der im Splint liegenden Puppen bei der Entrindung nicht mit
vernichtet wird. In einem stets aufmerksamen Auge auf den Wald, in rechtzeitiger
Entdeckung und Entfernung der meist vereinzelt befallenen Stämme liegt bei diesem
Borkenkäfer der Schwerpunkt der Vorbeugung, da Fangbäume wenig Erfolg haben.
Ein zweiter, in Tannen vorkommender Borkenkäfer ist der sehr kleine T. piceae,
welcher stellenweise auch schon sehr lästig geworden ist.
§ 47. Der zweizahnige(zw ei hakige) Kiefernborkenkäfer,
Tomicus bidens (bidentatus). Ein kleiner nur 2 — 2,3 mm langer Borkenkäfer, schwarz,
glänzend, fein behaart, die Flügeldecken meist pechbraun mit feinen Punktstreifen;
das Männchen am Flügeldecken-Absturz mit breitem, flachem und glattem Eindruck,
der jederseits am obern Rand, einen großen hakenförmig nach unten gekrümmten
Zahn trägt.
Der Käfer pflegt sich in allen größeren Kiefernwaldungen zu finden, geht neben
der Kiefer auch alle übrigen Pinus-Arten an, und befällt ausnahmsweise und wohl
nur bei Mangel anderen passenden Brutmateriales auch Fichten. Stets sind es die
dünnrindigen Stammteile: die Aeste und Zweige, die oberen glattrindigen Teile der
Stämme und Stangen, die er befällt, mit besonderer Vorliebe aber geht er an jüngere,
bis zu 6 und 10 .Jahre alte Kulturen, und hat in solchen schon sehr bedeutende Ver-
heerungen angerichtet.
Er ist ein Spätschwärmer, und oft verschiebt sich die Schwärmperiode bis in
den Juni. Von der meist ziemlich geräumigen Rammelkammer gehen 3 — 7 Mutter-
gänge sternförmig aus, durch eine eigentümlich geschwungene Gestalt und das Be-
streben, sie in der Längsrichtung des Stammes anzulegen, charakterisiert. Die ge-
schlängelten Larvengänge greifen etwas, die Wiegen ziemlich stark in den Splint
ein. Die Generation ist eine doppelte; Regel ist wohl das Ueberwintern der 2. Gene-
ration als fertige Käfer. Reine Wirtschaft im Walde: Entsprechende Entfernung
kümmernder Stangen im Durchforstungsweg, rechtzeitige Abfuhr des Reisigholzes,
ist neben der Darbietung entsprechenden Brutmateriales in Gestalt frischen Reisigs
namentlich auch in der Sommer-Schwärmperiode das Mittel der Vorbeugung gegen
den oft sehr schädlichen Käfer; das Reisig der für andere Föhrenborkenkäfer gefäll-
ten Fangbäume dient als Brutmaterial für T. bidens und wird, wenn mit Brut be-
setzt, verbrannt. Nimmt man wahr, d^ß Kulturen von ihm befallen sind, so ist das
Ausreißen oder Abhauen und Verbrennen der kränkelnden Pflanzen als Vertilgungs-
mittel anzuwenden.
§ 48. Der X u t z h o 1 z - B o r k e n k ä f e r , Xyloterus (Trypodendron)
lineatus. Der 2,8 — 1 mm lange schwarze Käfer hat trüb gelblichbraune Flügel-
decken, ebensolche Füliler und Beine, und auf den Flügeldecken drei dunkle Längs-
streifen — Naht, Seitenrand und Mittelstreifen — denen er seinen Namen ,, lineatus"
verdankt; die Flügeldecken sind ohne Eindruck, Einkerbung oder Zähne.
236 Wi. Fürst, Forstschutz.
Er kommt nur in Nadelholz, jedoch in allen Arten vor und scheint insbesondere
das Holz der Weißtanne zu bevorzugen; er befällt fast nur liegendes, frisch gefälltes
Holz und dessen zurückgebliebene Stöcke, selten noch stehendes, wenn auch kümmern-
des Holz. Im Innern des Holzes seine Brut absetzend, gehört er zu den technisch
schädlichen Insekten und zeigt in seiner Lebensweise sehr wesentliche Abweichungen
von jener der übrigen Borkenkäfer.
Sehr frühzeitig, im März oder Anfang April schwärmend, befällt er sofort das
zu jener Zeit von den Winterfällungen her wohl allenthalben noch in größerer Menge
im Wald befindliche gefällte Stamm- und Schichtholz, und bohrt das begattete Weib-
chen sich 4 — 5 cm tief senkrecht zur Stammachse in das Holz ein, von hier aus seit-
wärts senkrecht zur Eingangsröhre imd meist dem Verlauf eines Jahresringes folgend
einen Muttergang fressend, in welchem die Eier in kleinen Partien abgelegt werden.
Die ausschlüpfenden Larven leben im Muttergang vorwiegend wohl von den aus den
Wänden desselben schwitzenden Säften, fertigen keine Larvengänge ; zur Verpuppung
reif, fressen sie sich eine kurze, nur 5 mm lange und senkrecht nach oben oder unten
zum Muttergang stehende Puppenwiege, und diese Puppenwiegen bilden im Verein
mit dem Muttergang den sog. Leitergang. Nach der Entwicklung zum Image
verlassen sie ihren Aufenthaltsort durch den Muttergang und fressen sich also nicht,
wie die übrigen Borkenkäfer, eigene Fluglöcher. • — Die Generation ist eine
doppelte.
Am Schichtholz unschädlich kann der Nutzholzborkenkäfer am Stamm- und
insbesondere an dem Blochholz sehr schädlich werden, indem er, dasselbe durch-
löchernd, dessen Nutzholzwert wesentlich herunterdrückt, den Holzhändlem Veran-
lassung gibt, die Qualität des Holzes und dessen Wert tiefer herabzusetzen, als fak-
tisch der Fall ist; denn da die Gänge nicht tief ins Holz gehen, so sind es nur die
äußern, an sich minderwertigen Splintholzschichten, welche beschädigt werden.
Immerhin kann der finanzielle Nachteil für den Waldbesitzer ein sehr bedeutender sein.
Als Mittel gegen diese Beschädigungen und gegen die Vermehrung des Käfers
erscheinen: rechtzeitige Abfuhr des wertvolleren Nutzholzes vor der ersten Schwärm-
periode und bezw. rechtzeitige Fällung und Verwertung; Entrinden des Stamm-
holzes, wenn dessen Abfuhr nicht rechtzeitig erfolgen kann, damit es in den äußern
Schichten rasch abtrockne, da es dann vom Käfer minder gern angegangen wird.
Befallenes Schichtholz wird zum Zweck des raschen Austrocknens aufgespalten —
die darin befindliche Brut geht dann zugrunde — , oder gleich dem etwa zur zweiten
Schwärmperiode geworfenen Brutmaterial, geringwertigem Stammholz, verkohlt.
§49. Der große Kiefernmarkkäfer, Waldgärtner, Hy-
lurgus (Myelophilus) piniperda (Taf. I, Fig. 11). Der 4 — 4,5 mm lange Käfer ist läng-
lich, fast walzenförmig, schwarz und glänzend, dünn behaart mit hellbraunen Füh-
lern und Tarsen; die mit Ouerrunzeln verselienen Flügeldecken sind mit groben
Punktreihen und zwischen diesen mit kurz behaarten Höckerchen versehen; an
dem gerundeten, weder eingedrückten noch gezähnten Absturz hört die zweite
Höckerreihe, von der Naht gerechnet, plötzlich auf, so daß dieser zweite Zwischen-
streif hier vertieft erscheint.
Der Markkäfer lebt vorzugsweise auf der Föhre, befällt jedoch auch alle deren
Verwandte aus der Gattung Pinus, insbesondere auch die Weymouthskiefer. Er ge-
hört zu den Frühschwärmern, fliegt in den ersten schönen Tagen des März, bisweilen
noch früher, und bohrt sich dann möglichst rasch in die dickborkigen unteren Stanam-
teile des frisch gefällten Holzes, hoher Stöcke, eventuell kränkelnder Stänune ein,
hiezu stets Rindenritzen wählend, da ihm dies Einbohren hiedurch erleichtert wird;
Der große Kicrerniuarkkäfer, \\aldgärtner. Hylurgus pinipcrda. § 49. 237
starke Bohnnehlhäiifchen zwischen den Rindenschuppen verraten die Anwesenheit
des Insekts.
Das Weibchen fertigt nun einen vom Eingangsloch aus mit charakteristisch
gebogenem Anfang (Krücke) versehenen, in der Längsrichtung des Stammes ver-
laufenden einarmigen Muttergang (Lotgang) von 8 — 10 cm Länge und legt, gleich-
zeitig mit Herstellung dieses Ganges, in links imd rechts eingebissene Einkerbungen
seine zahlreichen Eier innerhalb 3 — 4 Wochen ab; man hat deren bis zu hundert in
einem Muttergang gezählt. Das Eingangslocii ist häufig durcii einen sehr ins Auge
fallenden ,, Harztrichter" gekennzeichnet. Der Muttergang führt am stehenden
Stamm stets von dem Eingangsloch aufwärts. Die nach etwa 14 Tagen ausschlüpfen-
den Larven fressen seitwärts geschlängelte, bis 7 cm lange Gänge in Bast und Rinde,
den Splint nur berührend, verpuppen sich an deren Ende in Rindenwiegen und nach
etwa 10 — 12 Wochen vom Beginn des ersten Schwärmens an, also meist im Monat
Juni, fliegen die ersten Käfer aus, während die später abgesetzte Brut, sowie jene in
rauhen Lagen, in schattig gelagertem Material erst im Juli zur Entwicklung gelangt.
Die Frage, ob der Markkäfer eine einfache oder doppelte Generation habe,
ist durch Dr. Knoche s Forschungen i) wohl dahin entschieden, daß die Generation
infolge der langsamen Geschlechtsausreifung der Jungkäfer wenigstens in Deutsch-
land eine überwiegend einfache ist, neuer Befall im Sommer von Altkäfern herrührt,
die zum zweiten Mal eine Brut absetzen. Die im Juni und Juli erscheinenden Jung-
käfer beginnen eine andere verderbliche Tätigkeit.
Diese besteht nun darin, daß sich die Käfer in die jüngsten — heurigen und
auch vorjährigen — Triebe älterer Föhren einbohren und nun zu ihrer Ernährung
die Markröhre durch einen walzenförmigen Gang ausfressen; das Eingangsloch ist
hiebei häufig durch einen wallartigen Harztrichter charakterisiert. Den ausgefresse-
nen Trieb verläßt der Käfer entweder sich rückwärts schiebend durch das Eingangs-
loch oder durch eine durchgebissene Oeffnung am Ende der Triebe; letztere sterben
ab und bedecken, vom Wind an der Eingangsstelle des Käfers abgebrochen, im
Herbst oft in großer Zahl den Boden der befallenen Bestände.
Die Käfer, teilweise noch in den vom Wind heruntergeworfenen Triebspitzen
steckend, überwintern in Rinderitzen, unter ^loos und in der dicken Borke der untern
Stammteile, in welche sie sich zu ihrem Schutz einbohren.
Der Schaden, den der Markkäfer durcli seine Brut verursacht, ist nur ein ge-
ringer, da er hiezu vorwiegend das gefällte Holz, stärkere Stöcke und kränkelnde
Stämme wählt und nui- im Notfall an gesunde Stämme geht; dagegen kann der Scha-
den, den er als Käfer durch das Ausfressen der Triebe verursacht, unter Umständen
ein sehr bedeutender sein. Die Wipfel der wiederholt befressenen Stangen und Stämme
zeigen die merkwürdigsten Formen und Verunstaltungen, sind licht und lückig,
sehen aus wie künstlicii zugeschnitten (Waldgärtner!), der Wuchs der befressenen
Stämme wird ein kümmerlicher und ganze Bestände — so in der Nähe von Holz-
lagerplätzen, Schneidemühlen etc. — verkrüppeln zuletzt; namentlich sind es die
Randstämme, welche von diesem Insekt heimgesucht werden, und für jüngere Be-
stände muß erklärlicherweise eine derartige fortdauernde Beschädigung besonders
empfindlich sein.
Als Gegenmittel erscheint nun auch hier wieder die schon mehrfach betonte
,, reinliche" Wirtschaft, die rechtzeitige Entfernung kränkelnden Holzes, die Abfuhr
<ies gefällten Materiales spätestens bis Mitte Mai, damit die abgesetzte Brut mit aus
1) Vergl. Forstw. Z.-Bl. 1908 S. 201.
238 ^"- Fürst, Forslscliulz.
dem Wald komme, andernfalls die rechtzeitige Entrindung und Verbrennung der
Rinde, welch letztere Mittel auch dann anzuwenden sind, wenn etwa das Holz in
der Nähe des Waldes auf Holzstellplätzen, in Schneidemühlen etc. aufgegantert wird.
— Außerdem aber sind rechtzeitig und in entsprechender Anzahl geworfene Fang-
bäume das wichtigste Mittel zur Bekämpfung dieses Feindes, während das ebenfalls
schon empfohlene Zusammenkehren und Verbrennen der im Herbst abgefallenen
ausgefressenen Zweigspitzen um deswillen nur wenig hilft, weil die Mehrzahl schon
vom Käfer verlassen ist.
Als besonderer Feind des Markkäfers wäre der Buntkäfer (Clerus formicarius)
zu nennen, dessen gelbrötliche Larve, unter der Rinde der mit Brut besetzten Föhren
lebend, die Larven des Markkäfers verzehrt und ganze Brüten vernichtet.
§50. Der kleine Kiefernmarkkäfer, Hylurgus (Myelophilus)
minor. Er ist dem großen Markkäfer sehr ähnlich, auch in der Größe nur wenig
unterschieden, nach Binzer's Angabe durch den glänzenden Halsschild und mehr
bräunliche Färbung charakterisiert; als sicherstes Kennzeichen aber ist zu betrach-
ten, daß die bei Hyl. piniperda angegebene Unterbrechung der Höckerpunkte auf
den Flügeldecken am Absturz nicht vorhanden ist, diese sich vielmehr auch bei der
zweiten Reihe bis zum Spitzenrand fortsetzen.
Wesentlich verschieden ist er dagegen durch seine Lebensweise, indem er vor-
wiegend, wenn auch nicht ausschließlich, die dünn berindeten Stammteile der Föhre
befällt und als Muttergänge zweiarmige Waggänge anfertigt, so daß eine Ver-
wechslung mit dem großen Markkäfer ausgeschlossen erscheint; seine Larvengänge
schneiden tief in den Splint ein. — Er setzt ferner seine Brut lieber in noch stehendem,
wenn auch aus irgend welchem Grunde kränkelndem Material ab, da an gefälltem
Holz jene dünnberindeten Stammteile zu rasch austrocknen, wodurch die Brut zu-
grunde geht, und nicht selten ist er der Vorläufer von Hyl. piniperda, mit dem er
sich auch am gleichen Stamme findet, ersterer in den unteren, letzterer in den oberen
Stammteilen hausend.
In seiner Lebensweise gleicht er im übrigen seinem Gattungsverwandten und
beschädigt als Käfer Stangen und Stämme in gleicher Weise durch das Ausfressen
der Triebspitzen. Dagegen scheint er seltener zu sein und fehlt an manchem Ort,
wo der große Markkäfer häufig auftritt, fast gänzlich, während das Umgekehrte
nicht leicht der Fall sein wird.
Auch die Mittel der Vorbeugung und Vertilgung sind die gleichen, docli wird
man als Fangniaterial mehr schwächeres, dünn berindetes Holz fällen und Sorge
tragen müssen, daß dasselbe nicht zu rasch austrockne, da es dann vom Käfer nicht
mehr angenommen wird.
N i t s c h e empfiehlt stehende Fangbäume, welche geköpft werden und von
beiden Markkäferarten angenommen würden. Bei etwas späterer Entrindung der
Fangbäume ist zu beachten, daß die Puppen des Hyl. minor im Splint liegen, also
durch flaches Entrinden nicht vernichtet werden.
§51. Sonstige Bastkäfer, Hylesini. Von deren ziemlich großen
Zahl mögen noch folgende, welche an manchen Orten schon größeren Schaden ver-
ursacht haben, Erwähnung finden:
Der schwarze Kiefernbastkäfer (Hylastes ater) und der
schwarze F i c h. t e n b a s t k ä f e r (Hylastes cunicularius) sind beide Kultur-
verderber und beide nur als Käfer schädlich. Sie setzen ihre Brut an die Wurzeln
der frischen Nadelholzstöcke auf den Schlägen im Frühjahr nach der Fällung ab, die
sich dort in unschädlicher Weise unter der Rinde und in den äußern Holzlagen ent-
Der große braune Rüsselkäfer, Hylobius ahietis. § j2. 239
wickelt. Die Muttergiinge sind Längsgäuge mit seitlichen Eigrübchen und seitlich
abgehenden Larvengängen, die aber erklärlicherweise alsbald in die Längsrichtung
der Wurzeln übergehen und die gesamte Safthaut in braunes Wunmnehl verwandeln.
Die Käfer dagegen befallen die jungen Föhren- und bezw. Fichtenschläge, befressen
die zarte Rinde und die unter ihr liegende Basthaut, hicdurch die Pflanzen zum Krän-
keln und vielfach selbst zu raschem Absterben bringend.
Als Vorbeugungsmittel ersch.eint das möglichst sorgfältige Roden der Stöcke
samt den Wurzeln, das Legen von Fangkloben als Brutmaterial, insbesondere auch
für die zweite im Sommer schwärmende Generation, das Vermeiden des sofortigen
Anbaues der frischen Schlagflächen, da die gesetzten Pflanzen durch die auskommen-
den Käfer in hohem Grad gefährdet wären. Als Mittel der Vertilgung ist neben den
als solches zu betrachtenden Fangkloben, die nach erfolgtem Absatz der Brut ent-
rindet oder noch besser verbrannt oder verkohlt werden, das Ausziehen und Ver-
brennen der kränkelnden mit Käfern besetzten Pflanzen zu betrachten.
Der große oder Riesen-Fichtenbastkäfer, Dendroctonus mi-
cans, ist der größte bei uns vorkommende Bastkäfer, 8 — 9 mm lang, schwarz mit
grüngelber Behaarung, und gehört zu den stellenweise sehr schädüch auftretenden
Insekten. Der Käfer, von dem ein eigentliches Schwärmen noch nicht beobachtet
wurde, legt seine Eier von Mai bis August ab und bohrt sich das Weibchen meist tief
unten am Stamm — bis Meterhöhe — und zwar mit Vorliebe an et\\a vorliandenen
Wundstellen bis zur Safthaut ein, macht einen kurzen, unregelmäßigen, oft knie-
förmig gebogenen Muttergang und legt seine Eier in einem oder mehreren Haufen
zu 50 bis 100 Stück daselbst ab. Auch bei diesem Käfer wurde lange Lebensdauer der
Käfer und Eiablage wälirend melirerer Monate (durch Eckstein) festgestellt. AlsBrut-
objekt dient fast nur die Fichte, in seltenen Fällen die Kiefer, und zwar werden mit Vor-
liebe Stangen von 25 — 50 Jahren, doch auch stärkere Stämme gewählt und vielfach voll-
ständig gesunde, unbeschädigte Individuen befallen. Die ausschlüpfenden Larven
fressen dicht gedrängt neben einander unter der Rinde einen größern Hohlraum, der
auch als Familiengang bezeichnet wird, und überwintern teilweise als Larven,
teilweise nach vorheriger Verpuppung in einzelnen, im Fraßraum liegenden Wiegen
als Käfer. — Die Anwesenheit des Käfers in einem Stamme ist an dem reichlich aus
dem großen Eingangsloch ausfließenden und zu weißen Klumpen erhärtenden Harz
zu erkennen.
Stärker befallene Stangen und Stämme kränkeln und sterben ab, und es werden
die Bestände dadurch in bedauerlicher Weise durchlöchert. Als Mittel der Vorbeugung
erscheint die tunlichste Vermeidung aller Beschädigungen der Stämme bei Fällung
und Abfuhr, Beseitigung beschädigter, geschälter etc. Stangen; als Mittel der Ver-
tilgung lediglich die Fällung und Entrindung der befallenen und an dem oben berühr-
ten Harzausfluß kenntlichen Stämme.
Der Schaden, den der Käfer manchen Orts (Harz, Thüringen) angerichtet hat,
war bisweilen schon ein bedeutender, zumal der Käfer vollkommen gesunde Stämme
anfällt und durch den starken Harzfluß nicht in seiner Entwicklung gehemmt erscheint.
§52. Der große braune Rüsselkäfer, Hylobius abietis (s. Taf. I
Fig. 7). Dieser 8 — 12 mm lange und 4 — 6 mm breite Käfer mit mäßig langem starkem
Rüssel ist dunkel- bis rotbraun, mit gelben Zeichnungen zwischen den Augen, an den
Seiten des Halsschildes und Hinterleibes, dann auf den Flügeldecken, welche Zeich-
nungen durch zu Flecken zusammentretende gelbe Haarschüppchen entstehen, auf
den Flügeldecken als Ouerbinden erscheinen und am frischen Käfer lebhaft hervor-
treten, allmählich aber sich abreiben.
240 V- Fürst, Forstschutz.
lieber die Lebensweise dieses ebenso schädlichen wie zahheich auftretenden
Käfers — er wird da und dort nach Miüionen gesammelt! — bestand nun merkwür-
digerweise lange eine große Unklarheit und bezw. Verschiedenheit der Ansichten
unter selbst bewährten Forschern, so zwischen A 1 1 u m und E i c h h o f f i), von
denen der erstere eine zweijährige Generation auf Gmnd seiner Beobachtungen
behauptete, während letzterer eine solche entschieden bestritt und selbst eine d o p-
p e 1 1 e Generation für wahrscheinlich erklärte. Der Umstand, daß man zu gleicher
Zeit frische und (den abgeriebenen Flügeldecken nach) schon länger lebende Käfer,
dann Lai'ven in jedem Stadium der Entwicklung antraf, führte den einen zu dieser,
den andern zu jener Erklärung. Eine Reihe von Beobachtungen, die Oberförster
von Oppen^) in sehr exakter Weise mit möglichst naturgemäß eingezwingerten
Käfern angestellt hat, führte zu höchst interessanten Resultaten und scheint in die
Generationsverhältnisse des Rüsselkäfers Licht gebracht zu haben.
Nach v. Oppens Beobachtungen ist die Lebensdauer des Käfers eine sehr lange,
bis zu zwei Jab.ren; die je nach der Oertlichkeit und der Früb.jahrstemperatur im
April oder Mai aus dem Winterschlaf erwachenden oder auskriechenden Käfer be-
gatten sich alsbald und setzen ihre Brut an den frischen Stöcken und Wurzeln
der im Winter abgetriebenen Nadelholzstämme ab, wiederholen aber Begat-
tung und Eiablage während des ganzen Jahres, so daß man in den
befallenen Stöcken und Wurzeln die gelbüchweißen Larven mit großem braunem
Kopf, welche zuerst zwischen Holz und Rinde fressen, allmählich aber tief in den
Splint eingreifen, im Sommer und Herbst in dem verschiedensten Stadium der Ent-
wicklung finden kann. Die abwärts gehenden geschlängelten Larvengänge sind mit
Wurmmehl gefüllt, und an deren Ende verpuppen sich die aus den zuerst abgelegten
Eiern entstandenen Larven, die eine Größe bis zu 18 mm erlangen, in einer Wiege,
überwintern als Puppen oder Käfer, während die später erschienenen Larven als
solche überwintern. Im Frühjahr erscheinen nun die jungen und mit ihnen auch ein
Teil überwinterter alter Käfer, während des ganzen Sommers fort kommen auch neue
Käfer aus der im ^'orjahr später — im Juni. Juli, August — abgesetzten Brut zum
Vorschein, so daß sich hiedurch jederzeit Käfer des verschiedensten Alters vorfinden.
Als Generations-Dauer haben v. Oppens Versuche, in rauhem Klima angestellt,
durchschnittlich 15 Monate ergeben, für eine Anzahl Individuen auch nur 12 Monate.
Doch schreiten die erst im Spätsommer sich entwickelnden Käfer wohl in diesem
Jahre nicht mehr zur Fortpflanzung. — Eine bestimmte Schwärmzeit würde
es nach diesen Versuchen gleichfalls niclit geben. Ausschlüpfen und Paarung der
Käfer vielmehr während des ganzen Sommers erfolgen; dagegen wird erklärlicher-
weise im Frühjahr und Frühsommer die Zahl der Käfer eine besonders große sein,
da hier die überwinterten alten und die neu ausschlüpfenden jungen Käfer zusammen-
treffen, und erscheint daher das Frühjahr (Mai, Juni) als die Zeit des massenhaften
Auftretens und größten Schadens.
So unschädlich nun die Brut des Käfers ist, so schädlich wird letzterer selbst
durch seinen Fraß an jungen Pflanzen. Er benagt plalzweise die zarte Rinde an Stamm
und Aesten schwacher Föhren- und Fichtenpflanzen, während er schon härter ge-
wordene Rinde meidet, geht jedoch auch die Pflanzen der übrigen Nadelhölzer, ja
im Notfall selbst Laubhölzer an. Die befressenen bezw. benagten Plätze erstrecken
sich bei schwachen Pflanzen oft auf den ganzen Umfang des Stämmchens und haben
1) Z. f. F. u. J. 188i. S. 140 und S. 173.
2 Z. !. F. u. J. 1885. S. 81 und 141, dann 1887 S. 344.
M
V '•«
'■■'//If;f|f|'iiv1'fli*|\l'>l4'^ ^'
Der große braune Rüsselkäfer, Hylobius abielis. § 52. 241
dann, oder wenn sie in größerer Zaiil an einer Pflanze vorhanden, ein oft rasches
Absterben, bei minderer Ausdehnung der Beschädigung ein Kränkeln und Kümmern
der Pflanzen zur Folge.
Ueber die Lebensweise des Käfers sei noch bemerkt, daß er nach dem Aus-
schlüpfen und erfolgter Paarung zum Absetzen seiner Brut den frischen, durch den
Harzgeruch ihn von weither anlockenden Schlagflächen zustrebt, meist laufend, doch
auch fliegend, dort seine Brut an die zutage tretenden oder flach unter der Erde liegen-
denWurzeln absetzt und sich gleichzeitig von der zartenRinde vorhandenen Anfluges, fri-
schen Reisigs etc. nährt. Besonders günstig wird es für ihn sein, wenn solche frische
Schlagflächen sofort ausgepflanzt wurden, da ihm dann Brut- und Fraßmaterial zu-
gleich geboten sind. Fehlt ihm letzteres, so begibt er sich laufend nach den anstoßen-
den Kulturen, dort die Pflanzen befressend und in dem vorhandenen Bodenüberzug
später sein Winterlager suchend.
In den Nadelholzwaldungen ist er wohl jederzeit in beschränkter Zahl vorhanden,
seine Menge kann, wenn ihm durch die Art und Weise der Bewirtschaftung (Kahlhieb
ohne Stock- und Wurzelrodung) oder durch Elementarereignisse (Sturm, Schnee-
bruch) Brutstätten in frischen Stöcken und Wurzeln reichlich dargeboten werden,
in kurzer Zeit ins Ungeheure anwachsen ^) und der durch ihn angerichtete Schaden
in Kulturen ein sehr bedeutender werden; angesichts dessen ist es nächste Aufgabe
des Forstmannes, dieser Vermehrung vorzubeugen.
Das sicherste Vorbeugungsmittel aber ist das vollständige Roden
der Fichten- und Föhrenstöcke samt Wurzeln, wo immer dies die Standorts-
und .\bsatzverhältnisse gestatten, und zwar am zweckmäßigsten im Spätsommer
des ersten Jahres, zu welcher Zeit ein großer Teil der Brut abgesetzt ist und mit dem
Stockholz aus dem Wald geschafft wird. Die bloße Baumrodung, bei welcher
eine große Menge von Wurzeln oberflächhch abgehauen im Boden verbleibt, genügt
nicht.
Man wird ferner vermeiden, durch sofortigen Anbau der im Winter gehauenen
Kahlschläge — zumal wenn keine gründliche Stock- und Wurzelrodung stattfinden
konnte, — dem Käfer Brut- und Fraßmaterial auf derselben Fläche zu bieten, sondern
wird die Schläge e i n und besser noch zwei Jahre liegen lassen, um die Gefahr der Be-
schädigung der Pflanzen durch die auf der Kulturfläche ausschlüpfenden Käfer ab-
zuwenden.
Von ganz besonderer Bedeutung ist ein entsprechender H i e b s w e c h s e 1
in der Weise, daß der Hieb womöglich nur alle 5 — 6 Jahre in derselben Abteilung
fortgesetzt wird. W'o sicli, wie manchen Orts üblicli, die Hiebsflächen in Nadelholz-
beständen Jahr für Jahr aneinanderreihen, ist dem Käfer Brutstätte und Fraßmaterial
stets unmittelbar beisammen geboten. — Die Käfer aber sucht man teils auf den
Stätten ihrer Entstehung, teils auf jenen ihres Fraßes möglichst abzufangen und zu
vernichten. Dies geschieht zunächst durch Fanggräben, etwa 30 cm breite
und ebenso tiefe Gräben mit möglichst glatt und steil abgestochenen Wänden, und
umzieht man, wo Boden und Terrain dies gestatten, zunächst die frischen Hiebs-
flächen mit solchen; auf der Sohle erhalten sie alle 2 — 3 m ein tiefes Falloch einge-
stoßen. In diese Gräben fallen die Käfer, wenn sie, durch den Harzgeruch angelockt,
nach den Hiebsflächen laufen, um dort ihre Brut abzusetzen, und können leicht ge-
1) Im sog. Reichswald bei Nürnberg konnte man, dank intensiver Stock- und Wurzelrodung,
vor dem Jahr 1868 nur mit Mühe einzelne Küfer finden; nach dem Schneebruch vom Jahr 18G8,
dem Sturmschaden vom Jalir 1870, durcli welche jene Rodung unmöglich gemacht wurde, konnten
die Rüsselkäfer nach wenig Jahren in Millionen gesammelt werden!
Handb. d. Forstwiss. 3. AuB. II. 16
242 "VII. Fürst, Forstschutz.
sammelt werden. Da aber ein Teil der Käfer jene Flächen fliegend erreicht, so
dienen die Gräben im nächsten Jahr als Mittel zum Fang der nun nach Fraß statten
— Kulturen — wandernden Käfer.
Auf den Hiebsflächen, welche nicht durch Gräben geschützt werden konnten,
und in befallenen Kulturen sucht man nun die Käfer zu fangen: durch F a n g r i n d e,
frisch geschälte Fichten- und Föhren-Rindenstücke, die man mit der Safthaut nach
unten auf den Boden legt, und Fangkloben, meterlange Trumme frisch ge-
fällter Fichten- und Föhrenstangen, an denen man einen etwa 5 cm breiten Rinden-
streifen der Länge nach abgeschält hat. Die Käfer werden durch den Harzgeruch
angelockt und sitzen fressend sehr fest an der Safthaut. Auch Fangbüschel —
kleine Bunde frischen Nadelholzreisigs, an dessen Rinde die Käfer ebenfalls fressen,
finden als Anlockungsmittel An\\endung. Allmorgentlich während der Hauptflug-
zeit — Mai und Juni — sammelt man die Käfer von den Fangrinden und -kloben
durch Ablesen, von den Fangbüscheln durch Abklopfen auf ein Tuch und tötet die
Käfer durch Ueberbrühen mit kochendem Wasser.
Sehr häufig kommt neben dem großen braunen Rüsselkäfer in den Kulturen
der große graue Rüsselkäfer Cleonus turbatus vor, ein schöner, weiß und
grau gezeichneter Käfer, dem aber bisher eine Beschädigung von Kulturen nicht nach-
gewiesen werden konnte.
Bemerkt möge endlich noch sein, daß durch die Kahlschlagwirtschaft die Ver-
mehrung der Rüsselkäfer entschieden begünstigt wird, während bei natürlicher Ver-
jüngung, wie sie in Fichtenbeständen und insbesondere in aus Laub- und Nadelholz
gemischten Beständen vielfach stattfindet, der Käfer nur in beschränktem Maße
auftritt.
§ 53. Der kleine braune Rüsselkäfer, Weißpunktrüssel-
käfer, Pissodes notatus (s. Taf. I Fig. 8). Der Käfer ist 6 — 8 mm lang, dunkel-
rotbraun mit hellen Haarschüppchen unregelmäßig bepudert, auf dem Halsschild
mit einer Anzahl deutlicher weißer Punkte; auf den Flügeldecken zwei rostfarbene
weiß und gelb beschuppte Querbinden, deren vordere an der Naht unterbrochen ist;
der Rüssel ist ziemlich lang und fein.
Der Käfer schwärmt im Mai, und legt dann das Weibchen seine Eier in kleinen
Partien vorzugsweise unter die Quirltriebe junger 5 — lOjähriger Föhrenpflanzen —
auch an andere Pinus-Arten, nie aber an Fichten oder Tannen — sowie, wenn auch
seltener, an kränkelnde Stangen in feine, mit dem Rüssel eingebohrte Löcher.
Die nach kurzer Zeit ausschlüpfenden Lai-ven, gelbweiß mit braunem Kopf, fressen in
der Basthaut meist abwärts, doch auch aufwärts geschlängelte, allmählich breiter
werdende Gänge, an deren Ende sie sich in einer im Holz liegenden, niit Fraßspänen
ausgepolsterten und bedeckten Splintwiege im Laufe des Monat Juli verpuppen.
Im August verläßt der Käfer durch ein rundes, die Rinde durchbrechendes Flugloch
die Wiege und überwintert unter Moos, in Rinderitzen; Eichhoff behauptete eine
doppelte Generation auch dieses Käfers, was aber nach unsern eigenen Beobachtungen
nicht der Fall zu sein scheint. Wohl aber haben neuere Untersuchungen i) auch für
diesen Käfer eine längere Lebensdauer, wiederholte Begattung und Eierablage er-
geben; auch für die im nächsten § besprochenen Pissodes-Arten wurden gleiche Be-
obachtungen gemacht.
Der fertige Käfer befrißt nicht, wie der große Rüsselkäfer, die Rinde, sondern
sticht dieselbe lediglich mit seinem Rüssel zum Zweck des Saftsaugens an und die
1) Eckstein in Z. f. F.- u. J.-W. 1909 S. 209.
Sonstige Rasselkäfer. § 54. 243
Pflanzen zeigen oft eine große Zahl solcher feiner, durch einen Harztropfen kennt-
licher Stichpunkte. Viel schädlicher aber werden die L a r v e n , die durch das Zer-
stören der Safthaut das Kränkeln und sehr vielfach das .\bsterben der Pflanzen ver-
ursachen, bei zaldreichem Erscheinen die Kulturen stark durchlicl\ten, so daß der aller-
dings seltener als Hyl. abietis auftretende kleine Rüsselkäfer an vielen Orten zu den
sehr schädlichen Kulturverderbern zu zählen ist.
Als sicherstes Gegenmittel ist das Vernichten der Brut durch .Ausreißen und
Verbrennen der mit LaI•^'en besetzten Pflanzen zu betrachten; letztere sind Ende
Juni, Anfang .Juli an den welk werdenden und sich senkenden jungen Trieben leicht
zu erkennen und \\erden von den die Kulturen wiederholt durchgehenden Arbeitern
ausgerissen. Bei Anwendung dieses Mittels mehrere Jahre nach einander wird es
stets gelingen, des Käfers Herr zu werden.
§54. Sonstige Rüsselkäfer. Aus der großen Zahl der Rüsselkäfer
wären hier noch folgende, stellenweise oft ziemlich schädliche Nadelholz-Rüssler zu
nennen.
Der Kiefernstangen-Rüsselkäfer, Pissodes piniphilus. Dieser
kleine Käfer, braun mit je einem charakteristischen größern rostgelben Flecken auf
den Flügeln, lebt in den dünnrindigen oberen Stammteilen der Föhrenstangen, aber
auch der älteren Stämme; dort legt das Weibchen einzeln in eingebissene Löcher
seine Eier ab, und die auskommenden Larven zerfressen in geschlängelten, breiter
werdenden Gängen die Safthaut, sich zuletzt im Splinte in kleinen Splintwiegen ver-
puppend. Die Schwärmzeit ist im Juni, die Generation nach Nitsches Angabe *)
zweijährig, während Dougall auf Grund neuerer Forschungen -) eine einjährige Gene-
ration mit längerer Lebensdauer und wiederholter Copula feststellen zu können glaubt.
Die von dem bisher weniger beachteten, aber doch verhältnismäßig häufig auftreten-
den Insekt befallenen Stangen und Stämme fangen bei einigermaßen stärkerer Be-
setzung an zu kränkeln und gehen schließlich in oft nicht geringer Zahl ein, so daß
die Bestände sich lichten und der Schaden ein bedeutender werden kann. Als Gegen-
mittel wurde ^) mit Erfolg das Fällen der befallenen Stangen und Stämme, kenntlich
an den austretenden weißen Harztropfen, die namentlich an sonnigen Tagen gut
wahrzunehmen sind, angewendet; ein tiefgreifendes Entrinden ist dann nötig, wenn
etwa schon teilweise Verpuppung eingetreten ist.
Der Harzrüsselkäfer, Pissodes harcyniae, etwa 6 mm lang, schmal,
fast schwarz mit zwei feinen weißgelben Binden über die Flügeldecken, ist im Harz
und Erzgebirg schon sehr schädlich aufgetreten, befällt nur Fichten und zwar vor-
wiegend in älteren 60 — lOOj. Beständen, wobei das Weibchen nach der Schwärm-
periode im Mai und Juni seine Eier unter die Rindenschuppen kränkelnder, aber auch
gesunder Stämme ablegt; die Lar\'e frißt in geschlängeltem Gang in der Safthaut,
sich schließlich in einer im Splint liegenden, mit Spänen gepolsterten Wiege ver-
puppend und zwar nach Altums Angabe erst im Sommer des folgenden Jahres, so
daß hienach die Generation als eine zweijährige erscheint. Stärker befallene Stämme
kränkeln und sterben sch.ließlich ab, iii den kränkelnden Stämmen finden jedoch auch
andere schädliche Insekten, Borkenkäfer obenan, willkommene Brutstätten. Die
austretenden weißen Harztröpfchen verraten dem geübten Auge die befallenen
Stänune, und wo der Käfer in größerer Zahl auftritt, läßt man die Bestände von
1) Lehrbuch der niilteleurop. Insektenkunde I S. 380.
2) Forsll. naturw. Zeitschr. 1898 S. 201.
3) Forstw. Z. Bl. 1885 S. 144.
16
244 ^"- Fürst, Forstschutz.
darauf eingeübten Arbeitern wiederholt durchgehen, die Käferbäume bezeichnen,
sowie alsbald fällen und entrinden.
In ähnlicher Weise beschädigt der Tannenrüsselkäfer, Pissodes piceae
ältere Tannen, der Kiefernbestands-Rüsselkäfer P. pini (s. Taf. I,
Fig. 9) ältere Föhren ; beide treten jedoch minder häufig und darum minder schäd-
lich auf.
§ 55. Der große, schwarze Fichtenrüsselkäfer, Otiorhyn-
chus ater (niger), ein 8 — 12 mm langer, glänzend schwarzer Käfer mit kurzem breiten
Rüssel, eiförmigen Körper, stark gewölbten Flügeldecken, aber olme häutige Flügel,
mit roten Beinen und schwarzen Knien und Füßen, wird als Käfer und Larve
insbesondere in Gebirgsgegenden nicht selten schädlich. Der Käfer benagt die zarte
Rinde von Fichtenpflanzen, auch deren Knospen, die schmutzig weiße, im Boden
liegende Larve deren Wurzeln, stärkere Wurzeln völlig entrindend, schwächere ab-
beißend und hiedurch die Pflanzen tötend. Die Schwärmzeit ist im Mai, die Eierablage
erfolgt in bloßliegendem und lockerem Boden insbesondere in Saatbeeten und Saat-
kulturen, der Larvenfraß wird im Juni und .Juli bemerklich. Ende Juli tritt die Ver-
puppung ein, Ende August erscheinen die Käfer, die als solche überwintern ; die Gene-
ration ist demnach eine einjährige; bei größerer Vermehrung treten jedoch mannig-
fache Verschiebungen im Erscheinen der einzelnen Entwicklungsstadien ein.
Man sucht dem Schaden vorzubeugen durch Ausführung von Kulturen unter
geringer Bodenverwundung. Vertilgungsmittel gegen Larven sind kaum anwendbar,
die Käfer sucht man durch Ablesen von den Pflanzen, Sammeln unter Moosplaggen,
welche in die Kulturen und Saatbeete gelegt werden, und mitFanggräben zu vertilgen.
§ 56. DerMaikäfer, Melolontha vulgaris (s. Taf. I Fig. 19). Dieses Insekt
beschädigt als Käfer zwar vorwiegend nur Laubhölzer, dagegen wird die Larve vor
allem den Nadelholzkulturen durch ihre Wurzelzerstörungen lästig, und hiedurch
erscheint die Besprechung unter den Nadelholzinsekten gerechtfertigt.
Die Gestalt des Käfers ist eine allbekannte und eine Beschreibung wohl über-
flüssig; die Gesch.lechter sind an den Fühlern leicht zu unterscheiden, welche beim
Männchen schön gekämmt, beim Weibchen fadenförmig sind. Die Larve, Engerling
genannt, ist in ausgewachsenem Zustand 4 — 5 cm lang, mit dickem gelbbraunen Kopf,
sechs langen Brustfüßen, der Körper bauchwärts gekrümmt, gelblichweiß, mit dickem,
infolge des durchschimmernden Kotes bläulich gefärbtem After, die Puppe ist bräun-
lichgelb mit zweispitzigem After, die Eier sind eiförmig, gelblichweiß und etwa hanf-
korngroß.
Was nun die Lebensweise des Maikäfers betrifft, so schwärmt er je nach klima-
tischen Verhältnissen bald früher, bald später im Monat Mai, in rauhen Lagen selbst
bis Anfang Juni. Das Weibchen sucht sich nach der Begattung zur Ablage seiner
Eier möglichst freie Flächen mit lockerem, unbewachsenen Boden, der ihm das Ein-
dringen behufs Eierablage erleichtert, wühlt sich in diesen 5 — 10 cm tief ein und legt
eine Anzahl Eier, bis zu 30 Stück an einer Stelle, ab, wiederholt diese Eierablage
mehrmals und ist die Zahl der von einem Wöibchen abgelegten Eier eine ziemlich
große, bis zu 60 Stück. Bald nach der Begattung und bezw. Eiablage erfolgt das
Absterben der Käfer.
Die Larven — Engerlinge — schlüpfen nach etwa 4 Wochen aus den Eiern,
entfernen sich im ersten Jahr nicht weit von der Stelle, wo sie auskamen, und ver-
ursachen, sich anscheinend nur von im Boden befindlichen Humusteilchen nährend,
noch keinen Schaden. Mit herannahendem Winter wühlen sie sich, um dem Frost
auszuweichen, tiefer in den Boden, arbeiten sich im Frühjahr wieder herauf und be-
Der Maikäfer. § 56. 245
ginnen nun ihren allmälilicli fülilbar werdenden Fraß an Pflanzenwurzeln jeder Art,
ihn nach nochmahger Ueberwinterung und allmähhch zu bedeutender Größe heran-
gewachsen in noch stärkerem Maß wiederholend; auch Kartoffeln, Rüben und derlei
Gewächse werden oft stark beschädigt. Nach abermaliger Ueberwinterung arbeiten
sich die tief in den Boden gegangenen Engerlinge nochmals herauf und fressen noch
einige Wochen, gehen aber Ende Juni und sonach drei Jahre nach ihrem Ausschlüpfen
aus dem Ei zum Zweck der Verpuppung tief in den Boden; letztere erfolgt in einer
geglätteten Höhle, und nach einigen Monaten, also schon im Spätherbst, entwickelt
sich aus der Puppe der anfänglich weiße, weiche Käfer, der, allmähhch erhärtend, im
Frühjahr zur oben angegebenen Schwärmzeit die Erde verläßt, hiebei ein seiner Größe
entsprechendes Loch zurücklassend. — Die ganze Entwicklungsdauer ist sonach eine
vierjährige, für das wärmere Süddeutschland aber nur eine dreijährige, in Nordost-
deutschland selbst 5jährige, und in diesen Intervallen kann man durch besonders
zahlreiches Auftreten der Käfer auffallende Flugjahre konstatieren, während sich in
den zwischenliegenden Jahren Maikäfer stets nur in begrenzter Zahl zeigen.
Was nun die Schädlichkeit des Maikäfers anbelangt, so ist sie eine doppelte;
er betätigt sie als Engerling und als Imago.
Als Engerling verzehrt er, vom zweiten Lebensjahr beginnend, die zarten Wur-
zeln von Gewächsen jeder Art, namentlich die reservestoffreichen Wurzeln von peren-
nierenden Kräutern und Gräsern, so auch die Wurzeln unserer Holzptlanzen ; und da
auf den Kahlschlägen mit ihrem meist durch Stockrodung wunden Boden vorwiegend
Nadelholz und zwar mittelst schwächerer Pflanzen angebaut wird, nebenbei die
Nadelholzpflanzen gegen Wurzelbeschädigungen sehr empfindlich sind, so sind es die
Nadelholzschläge und vor allem die großen Kiefernkahlschläge der Ebene mit ihrem
lockern Sandboden, auf welchen durch die Engerlinge schon großartige Beschädi-
gungen angerichtet wurden, so daß der Maikäfer zu den schädlichsten Kulturver-
derbern gerechnet werden muß. Auch in Saatbeeten, die ihm einerseits wunden
Boden zur Eierablage und anderseits nur Wurzeln von Holzpflanzen als Nahrung
bieten, richten die Engerlinge großen Schaden an — weniger zu fürchten sind sie da-
gegen in natürlichen Verjüngungen, in Mittel- und Niederwaldschlägen. In vom Mai-
käfer stark heimgesuchten Gebieten werden aber selbst geschlossene 30 — 80jährige
Laubholzbestände durch Engerlinge stark geschädigt, zum Kümmern und selbst Ab-
sterben gebracht ^).
Wesentlich geringer ist der Schaden, den der fertige Käfer verursacht. Dieser
frißt das Laub der meisten Laubhölzer, insbesondere der Eichen, Buchen, Ahorne,
auch Roßkastanien, Pappeln, während von den Nadelhölzern nur die weichen Nadeln
der Lärche und die Blüten der Föliren angegangen werden. In Flugjahren ist der
Fraß oft so bedeutend, daß man ganze Laubholzbestände, insbesondere auch die
Oberholz-Eichen des Mittelwaldes kahlgefressen sehen kann, doch begrünen sie sich
mit Hilfe der Johannitriebe wieder, wenn auch nur dünn, und der Schaden besteht
in einigem Zuwachsverlust-) und etwa der Zerstörung der Blüten bezw. der Mast.
Die Vorbeugimg und Bekämpfung ist nun eine schwierige. Man sucht es zu
vermeiden, dem Käfer in F 1 u g j a h r e n die von ihm bevorzugten größeren Kahl-
flächen mit wundem Boden darzubieten, vermeidet Bodenver\\undungen und Saaten
in solchen Jahren, wendet Klemmpflanzung an; man hat in den besonders heimge-
1) Puster, Ein Jahrzehnt im Kampf mit dem Maikäfer. Forslw. Z.-Bl. 1910 S. 633.
2) Nach Nördlingers Angabe (Forstschutz S. 152) lassen sich in Schwaben die alle
drei Jahre eintretenden Flugjahre an den jedesmaligen schmäleren Jahrringen von Alteichen
nachweisen.
246 ^'I"- Fürst, Forstschutz.
suchten Waldungen der norddeutschen Sandebene versucht, den üblichen Kahlschlag
zu verlassen und zur Verjüngung unter Schirmstand zurückzukehren — nur mit ge-
ringem Erfolg. Bei Anlagen von Saatkämpen vermeidet man tunlichst die Nähe von
Eichenstockschlägen, von denen aus der Anflug besonders reich erfolgt, sucht bei
dem Umgraben die Engerlinge möglichst zu beseitigen, durch Umfassungsgräben
deren seitliches Eindringen zu hindern, durch Deckgitter die Saatbeete gegen die Ei-
ablage zu schützen; selbst Starenkästen, in größerer Zahl um die Saatkämpe ange-
bracht, um dadurch die den Maikäfern sehr stark nachgehenden Stare beizuziehen,
haben sich als nützlich erwiesen.
Zahlreiche Feinde unterstützen uns in der Vernichtung der Käfer: die am Boden
befindlichen werden von Igel, Dachs, Marder, Fuchs, Schwein verzehrt, Fledermäuse,
Stare, Krähen, Dohlen, kleine Raubvögel und andere Vögel vernichten große Mengen.
Die im Boden liegenden Engerlinge haben leider wenig Feinde : den Maulwurf, dann
die Schweine, denen man allerdings gerade dort, wo sie die meisten Engerlinge finden
würden, den Zugang nicht gestatten kann; die beim Pflügen an die Oberfläche ge-
brachten werden von Krähen und Staren begierig verzehrt.
Als wichtigstes Mittel der Vertilgung erscheint das Sammeln der Käfer —
Abschütteln von Obstbäumen, Randstämmen, Stockausschlägen in den frühen Morgen-
stunden, in welchen die Käfer nur lose sitzen, auf untergehaltene Tücher — , doch hat
dies Mittel natürlich nur dann Erfolg, wenn es, ev. unter Mitwirkung der ja ebenfalls
interessierten Landwirte, in möglichster Ausdehnung stattfindet. Die abge-
schüttelten Käfer werden in Eimer und aus diesen in Säcke gesammelt, die Säcke
schließlich in bereitgehaltene Fässer geleert und die Käfer mittelst Schwefelkohlen-
stoff rasch getötet. Die Masse kann in Mischung mit Kalk und Torfmulle vorteilhaft
zu Kompost verarbeitet werden ^).
Das Sammeln der Engerlinge, Vertilgen in Saatbeeten mit Benzin oder
Schwefelkohlenstoff hat sich nicht von Erfolg gezeigt — am ersten gewährt, wie
erwälint, das Decken der Beete mit Gittern Schutz gegen die Eiablage. Stark ge-
fährdete Saatbeete verlasse man.
Neben dem gemeinen Maikäfer kommt bisweilen in ziemlicher Zahl der etwas
kleinere Roßkastanien- Käfer (Mel. hippocastani) sowie, wenn auch seltener
und nur in sandigen Gegenden, der große Walker (Polyphylla fullo) mit schön
weiß und braun marmorierten Flügeldecken vor, beide in gleicher Weise schadend.
II. Schmetterlinge.
§ 57. D e r K i e f e r n s p i n n e r , Gastropacha pini (s. Taf. II Fig. 1). Der
Falter dieses größten unserer forstschädlichen Schmetterlinge hat 6 — 8 cm Flügel-
spannung, und bezeichnet ersteres etwa die normale Größe des Männchens, letzteres
jene des Weibchens. Der Leib ist dick, der Kopf klein und unter dem Halsschild
versteckt, die Augen sind groß, die Fühler beim Männchen schön lang doppelt ge-
kämmt, beim Weibchen ganz kurz gekämmt; die Basis der Flügel, die Beine und der
Hinterleib sind stark behaart. Die großen Vorderflügel sind braungrau bis weiß-
grau, mit einer beim Männchen grauen, beim Weibchen rotbraunen Querbinde,
welche die Flügel in zwei Hälften scheidet; auf der dem Leib zunächst liegenden
Hälfte findet sich ein weißer, halbmondförmiger Fleck auf dunklerem Grund. Hinter-
1) Vergl. die interessante Schildcriiug von P u s t er, Forstw. Z.-B1.1910 S.633 und 1911 .S, 511,
der im Jahr 1907 mit einem Aufwand von 16 800 Mk. etwa lö Mill. Käfer, im Jalir 1911 rund 22 ilill.
vernichtete.
Der Kiefernspinner, Gastropacha pini. § 57. 247
flügel und Hinterleib braun und graubraun, die Unterseite einfarbig hell graubraun;
Farbenvarietäten bald mehr ins Braune, bald ins Graue gehend sind sehr häufig.
Befindet sich der Schmetterling in der Ruhe, so liegen die Flügel dachziegelförmig
übereinander.
Die Raupe, ausgewachsen über 7 cm lang, zeigt in den verschiedenen Stufen
der Entwicklung, wie auch in ausgewachsenem Zustand sehr mannigfache Färbungen,
aschgraue bis rötlichbraune Grundfarbe mit hellen Längsstreifen an der Oberseite
und weißen Flecken an der Seite, dunkeln Flecken und Zeichnungen auf dem Rücken
und starker büschelförmiger Beliaarung. Charakteristisch sind die dunkelblauen
Haarbüschel in den Einschnitten des zweiten und dritten Leibesringes, die sich im
Nacken als blaue Ouerstreifen darstellen, sodann die schwarzblauen Haarbüschel-
chen zwischen den übrigen Haaren und ein besonders starker solcher Haarbüschel
auf dem 11. Leibesring.
Die Puppe, vorn dunkel, hinten heller braun, schwach behaart, liegt in einem
großen, elliptischen, schmutzig weiß-grauen Kokon; die Eier etwa halb so groß wie
Hanfkömer, rundlich elliptisch und an den Seiten etwas eingedrückt, sind frisch
bläulichgrau, später perlgrau.
Die Schwärmzeit des Falters fällt etwa Mitte Juli, die Schmetterlinge, unter
Tag ruhig an den Bäumen sitzend, fliegen gegen Abend, und die Begattung erfolgt
meist tief unten am Stanun, wobei sie mit dem .\fter gegen einander sitzen. Das
Weibchen legt sodann seine zahlreichen (bis 200) Eier in Gruppen von 30 — 50 Stück
an die Rinde des Stammes, auch an Aeste und Zweige ab, und nach etwa 3 Wochen,
also beiläufig Glitte .\ugust, schlüpfen die kleinen Räupchen aus, verzehren zunächst
die EihüUen und beginnen sodann die Wanderung in die Krone, dort zuerst die Na-
deln nur benagend, später ganz verzehrend .Mit eintretendemFrost steigen die noch nicht
halbwüchsigen Raupen vom Baum herab, um zusammengerollt unter Moos und Nadeln
meist noch innerhalb der Schirmfläche des bisher bewohnten Baumes zu überwintern.
Die beginnende Bodenwärme im Frühjahr (nach Altums Beobachtungen etwa + b°R.)
Ende März, Anfang April erweckt sie aus diesem \A'interschlaf, sie besteigen sofort
die Bäume und setzen ihren Fraß, der nun mit zunehmender Größe der Raupen
erst recht ins Auge fällt, bis gegen Ende Juni fort. Die Raupen, deren Nah-
rungsbedarf ein sehr bedeutender ist, verzehren die ganzen Nadeln bis zur Scheide,
bei Kahlfraß selbst Scheide und Knospen, in welchem Fall natürlich der befressene
Stamm oder Bestand zugrunde gehen muß, und verpuppen sich dann in einem Kokon,
am liebsten in den starken Borkenschuppen des Stammes, doch auch zwischen Nadeln,
an den Aesten, um nach dreiwöchentlicher Puppenruhe auszuschlüpfen.
Der Kiefemspinner lebt nur auf Kiefern, und stets sind es in erster Linie die
alten Bestände, die er befällt; trockener sandiger Standort der Bestände scheint ihm,
weil die Ueberwinterung der Raupen durch trockenes Winterlager begünstigend, be-
sonders zuzusagen. Bei großer Vermehrung aber werden auch die Stangenhölzer, ja
zuletzt selbst die Schläge befallen. Der Kiefernspinner gehört zu den scb.ädlichsten
Forstinsekten, da er nicht selten und dann in oft ungeheurer Menge auftritt; er hat
in den großen zusammenhängenden Kiefernwaldungen der norddeutsclien Ebene,
ebenso aber auch in einzelnen Föhrenkomplexen Süddeutschlands schon außerordent-
liche Verheerungen angerichtet, ausgedehnte Bestände zum Kümmern und Absterben
gebracht und fordert daher in den bedrohten Oertlichkeiten die Aufmerksamkeit des
Forstmanns in vollem Maß heraus.
Die Zahl der Feinde, durch welche die Natur uns in der Vertilgung des so schäd-
lichen Insekts unterstützt, ist infolge der starken Behaarung der Raupe, des Schutzes
248 ^11- Fürst, Forslschutz.
der Puppe durch den Kokon nur eine beschränkte. Die Meisen vertilgen zahlreiche
Eier; der Kuckuck ist einer der wenigen Vögel, welche der Raupe trotz der Behaarung
gierig nachgehen. Dagegen verschmähen zahme und wilde Schweine die im Winter-
lager befindliche Raupe. Viel mehr Abbruch geschieht dem Spinner jedoch durch
Insekten, insbesondere durch Raupenfliegen und Schlupfwespen, und letztere be-
fallen denselben in jedem Stadium, vom Ei beginnend; auch parasitische Pilze töten
oft eine große Menge von Raupen im Winterlager, namentlich in feuchtem, humosen
Boden, die gegen Nässe und Kälte minder empfindlich sind.
Eigentliche Vorbeugungs mittel stehen nun dem Forstmann nicht zu Ge-
bote — seine Aufgabe ist zunächst, durch fleißige Revision der Waldungen rechtzeitig
eine bedenkliche Vermehrung zu konstatieren, um dann sofort energische Vertilgungs-
mittel in Anwendung bringen zu können. Zur Schwärmzeit sieht man wohl die sitzen-
den oder des Abends fliegenden Falter, im Frühjahr baumende Raupen, fallenden Kot
derselben namentlich auf Wegen, in Fahrgeleisen; außerdem aber nimmt man in Be-
ständen, in denen man den Spinner vermutet, im Spätherbst, sobald die Raupen ihr
Winterlager bezogen haben, Probesuchungen unter der Schirmfläche der Stämme
oder streifenweise durch die Bestände vor, indem man vorsichtig das Moos aufheben
und nach den Raupen sorgfältig suchen läßt. Findet man deren eine größere Zahl —
und man wird immer nur einen Teil, vielleicht Vs, der wirklich vorhandenen ent-
decken — so hat man ihre Vertilgung ins Auge zu fassen.
Man hat früher vielfach das Sammeln der Raupen im Winterlager angewendet,
allein der Erfolg wird nie ein vollständiger sein, stets ein großer Teil der Raupen
unter Moos und Erde zurückbleiben ; ebensowenig hat das Sammeln der Eier, Puppen
oder der tief am Stamm sitzenden Schmetterlinge wesentlichen Erfolg.
Durchschlagenden Erfolg hat jedoch ein Mittel, das man früher wohl versuchte,
aber nicht im Großen anwendbar erachtete : die Anwendung der sog. Leimringe;
seit es gelungen ist, einen Raupenleim herzustellen, der längere Zeit klebrig, fängisch
bleibt, wendet man diese Leimringe in den bedrohten Kiefernforsten in geradezu groß-
artigem Maßstab und mit bestem Erfolg gegen die Kiefernspinner an ^).
Um nämlich den überwinternden Raupen das Besteigen der Bäume unmöglich zu
machen, erhält jeder Baum in dem gefährdeten Bestand einen mit dem Klebestoff
beschmierten Ring; dem Anstreichen mit Raupenleim muß das sog. Anröten des
Baumes, die Entfernung der rauhen Borke auf einem 6 — 8 cm breiten Ring in
Brusthöhe mittelst Schnitzmesser vorausgehen, wodurch das Leimen sehr erleichtert
und wesentlich an Leim gespart wird. Dieses Anröten erfolgt, wenn man sich von der
Notwendigkeit des Leimens überzeugt hat, so zeitig im Frühjahr, daß schon vor Be-
ginn des Raupensteigens mit dem Anstrich begonnen werden kann; der Klebestoff
— als solcher dient der Raupenleim von Ermisch, Mützel, Hut, der viele Wochen lang
klebrig bleibt, so daß einmaliger Anstrich für die ganze Periode des Raupensteigens
ausreicht, — wird mit einfachen hölzernen Spateln, die sich besser bewährt haben,
als die mancherlei anderweitigen Leimapparate, in 3 — 4 cm breiten und etwa 3 mm
dicken Ringen autgetragen, und sind hiezu 40 — 70 kg Leim, je nach der Stammzahl
und Stärke der Bestände, nötig. Die aufsteigenden Raupen versuchen entweder das
Ueberkriechen des Ringes und bleiben auf diesem hängen, meist aber verhungern sie
1) Man wendete zuerst Steinkohlcnteer an, und sprach deshalb von T e e r ringen, von
Anteeren; die in neuerer Zeit angewendeten Klebemittel, deren Zusammensetzung von den
Fabriken als Geheimnis behandelt wird, haben mit Teer nichts zu tun und werden als Raupen-
leime bezeichnet. Ueber die Ausführung des Leimens s. Eckslein, Die Technik des Forst-
schutzes gegen Tiere. 1904.
Die Nonne, Liparis monacha. § 58. 249
unterhalb desselben; einzelne etwa hinübergelangende besudeln sich Füße und Freß-
werkzeuge derart, daß sie doch eingehen.
Auch Raupengräben werden angewendet, wenn stai'ker Fraß und bezvv.
Kahlfraß auf kleinerer, begrenzter Fläche stattfindet; man isoliert den befallenen
VValdteil durch scharf abgestochene, etwa 1/2 ni tiefe Gräben (Isolierungsgräben), um
die Raupen bei der Wanderung nach den Nachbarbeständen abzufangen, durch-
schneidet größere Flächen etwa auch noch mit Fanggräben und tötet die Raupen,
welche in Fallöcher auf der Sohle der Gräben gestürzt sind, durch Zerquetschen und
Uebererden. Man wird solche Gräben namentlich zum Schutz von Kulturen, die an
kahlgefressene Bestände anstoßen, anwenden.
§58. Die Nonne, Liparis (Lymantria) monacha (s. Taf. II Fig. 2). Das
Männchen hat 4 — 5, das Weibchen 5 — 6 cm Flügelspannung, die Färbung beider ist
jedoch eine sehr gleiche: Vorderflügel und Vorderleib sind bei beiden Geschlechtern
weiß, mit zahlreichen braunschwarzen, tiefgekerbten Zickzackstreifen, die Hinterflügel
bräunlichgrau mit hellen, schwarz getupften Rändern, der Hinterleib meist schön
rosenrot mit schwarzen Ouerbinden. Dunkle Varietäten, bei welchen der Hinterleib
statt rot schwärzlich gefärbt ist (var. eremita), kommen nicht selten vor.
Die Raupe, ausgewachsen bis 5 cm lang, ist weißlich, gelblich- oder rötlich-grau,
auf der Unterseite schmutzig grün; über den Rücken zieht ein grauer Streifen, der
auf dem zweiten Ring mit einem herzförmigen schwarzen Fleck beginnt, sich dann
verschmälert und dann wieder zu breitem hellem Sattelfleck verbreitert. Auf dem
sonst unbehaarten Körper stehen 6 Längsreihen von Knopfwarzen mit ziemlich langer
blaugrauer Behaarung, von denen die beiden ersten des vordem Ringes stark hervor-
ragen und für die in der Farbe vielfach wechselnde Raupe charakteristisch sind.
Die Puppe, anfangs grünlich, dann braun mit Bronzeschimmer und mit starken,
hellen Haaren besetzt, liegt in einem aus einzelnen Fäden bestehenden Gespinst
zwischen Rinderitzen am untern rauhrindigern Stammteil oder in den Nadeln der
Aeste und des Unterwuchses. Die Eier sind brotförmig, anfänglich rosenrot schim-
mernd, später bräunlich.
Die Schwärmzeit der Falter beginnt etwa Mitte Juli und dauert bis Mitte Au-
gust; bei Tage, namentlich bei trübem Wetter, sitzen sie meist tief unten am Stamm
auf der gegen Regen und Wind geschützten Seite, während heller Sonnenschein die
Männchen zu taumelndem Flug reizt. In der Dämmerung aber ist die eigentliche
Flugzeit, die Falter laufen am Stamm suchend auf und ab und begatten sich anein-
ander sitzend. Wenige Tage später legt das Weibchen seine Eier möglichst geschützt
in kleinern oder größern Partien zwischen die Schuppen der Rinde, hiezu die älteren
Bestände und die stärker berindeten untern Stammteile wählend; bisweilen liegen
sämtliche Eier, 200 und mehr, auf einem Häufchen, bisweilen sind es deren nur 20
bis 50.
Die Eier überwintern als solche — deshalb ihre möglichst geschützte Lage —
und erst im kommenden Frühjahr im April und selbst erst Anfang Mai schlüpfen die
langbehaarten Räupchen aus, bleiben mehrere Tage in einem je nach der Zahl taler-
bis handtellergroßen, durch die dunkle Farbe der Räupchen schwarz erscheinenden
Fleck — dem Spiegel ^ beisammen sitzen und ersteigen dann allmäiilich den
Baum, diesen von unten nach oben befressend. Der Fraß ist ein ganz eigentümlicher:
zuerst ein Benagen der Knospen und Nadeln, während später von der stärkeren Raupe
die Nadeln der Fichte ganz verzehrt, jene der Föhre in der Mitte durchbissen und nur
der Stumpf verspeist, Laubholzblätter zunächst des Blattstieles in der Weise befressen
werden, daß die größere Blatthälfte herabfällt, so daß bei einem Fraß der Nonne der
250 ^'H- Fürst, Forstschutz.
Boden sich mit Blatt- und Nadelresten bedeckt zeigt. Bis zur Halbwüchsigkeit
spinnen die Raupen, lassen sich bei stärkerem Wind sofort an einem Faden herab
und werden dann oft weit verweht oder in Masse an den Boden geworfen, woselbst
dann eine nicht geringe Zahl zu gründe geht. Der Fraß dauert bis in die erste Hälfte
des Juli, die Raupe sucht sich zur Verpuppung gern einen geschützten Platz zwischen
Rindeschuppen, am Unter-wuchs, und nach 2 bis 3 Wochen schlüpft der Falter aus.
Die Nonne ist außerordentlich polyphag, denn außer Föhre und Fichte befrißt
sie verschiedene Laubhölzer — Eichen, Buchen, Birken, in der Not auch fast alle
übrigen Holzarten; die beiden erstgenannten dagegen sind ihre eigentlichen Nähr-
pflanzen, und sie hat in Fichten- und Föhrenwaldungen schon außerordentliche Ver-
heerungen angerichtet, ausgedehnte Waldflächen zum Absterben gebracht und ist
deshalb zu den sehr schädlichen Insekten zu rechnen. Sie gehört zu den
Bestands verderbem — stets fällt sie zunächst die älteren Bestände an, und ist
die Fichte durch sie in höherem Grade gefährdet, als die Föhre. — Welche Ur-
sachen es sind, welche die oft jahrelang nur in sehr geringer Zahl vorhandene Nonne
sich in wenig .Jahren zu ungeheuren Massen vermehren läßt, ist noch unerklärt.
Gleich dem Kiefernspinner hat auch die Nonne nur eine beschränkte Zahl von
Feinden. Die Eier werden während des Winters allerdings durch Vögel (Meisen)
etwas dezimiert, die behaarten Raupen aber von letzteren verschmäht, jedoch von
Schmarotzern und insbesondere Tachinen stark befallen; gegen Witterungseinflüsse
sind sie wenig empfindlich. Dagegen ist bei starkem Raupenfraß wiederholt eine merk-
würdige Erkrankung der Raupen, das sog. Wipfeln aufgetreten, welche sämtliche
Raupen in kürzester Zeit vernichtet und dadurch der Kalamität ein Ende macht;
die absterbenden Raupen sammeln sich in großer Zahl in den Astwinkeln und nament-
lich an den Wipfeln der befallenen Stämme. Man schreibt diese Erkrankung einem
Spaltpilz, der sich in den kranken Raupen in großer Zahl findet, zu, hat auch versucht,
denselben durch Impfung gesunder Raupen in noch nicht verseuchte Gebiete zu über-
tragen, doch ohne Erfolg ^).
Durchschlagende Mittel der Vorbeugung und Vertilgung stehen dem
Forstmann der Nonne gegenüber nicht zu Gebot. Bei aufmerksamem Auge wird der-
selbe die beginnende Vermehrung der Nonne in seinem Wald durch die am Boden
liegenden Nadel- und Blattreste, die umherfliegenden oder an den Stämmen sitzenden
hellgefärbten Schmetterlinge rechtzeitig erkennen und derselben mit allen Mitteln
Einhalt tun.
Als solche Mittel wendet man an: das Sammeln und Vernichten der in über-
wiegender Menge an den untern Stammteilen abgesetzten Eihäufchen, von denen
freilich viele den Augen des Sammlers entgehen; ferner das Zerdrücken der in ,, Spie-
geln" sitzenden frisch ausgeschlüpften Räupchen, bezüglich deren das Gleiche gilt.
Durch Zerquetschen der unter tags meist ruhig an den Stämmen sitzenden Schmetter-
linge — es sind die fester sitzenden zudem meist Weibchen — können ebenfalls größere
Massen vernichtet werden, doch sind die genannten Mittel nur bei erst beginnender
Vermehrung anwendbar und von einigem Erfolg.
Bei dem in den Jahren 1889 bis 1892 in Süddeutschland und Oesterreich statt-
gehabten großen Nonnenfraß hat man in ausgedehntem Maß das (in § 57 besprochene)
Leimen der befallenen Bestände angewendet, gestützt auf die Wahrnehmung, daß
1) An Lösung der Frage nach dem Grunde der oft so raschen Vermehrung der Nonne, der
plötzlichen Erkrankung (Polyederkrankheit), der Möglichkeit, letztere hervorzurufen oder doch
zu begünstigen, arbeiten zur Zeit zahlreiche Forscher. Der Raum verbietet, auf diese Verhältnisse
hier einzugehen.
Die Föhrencule, Trachea piniperda. § 59. 251
außerordentlich zahlreiche Nonnenräupchen in den ersten Wochen ihres Lebens durch
Abspinnen an den Boden kommen; durch Leimringe verlegt man denselben den Rück-
weg in die Kronen. Es kann dies Leimen nicht den vollen Erfolg haben, wie bei dem
Kiefernspinner, da eben nicht alle Räupchen an den Boden kommen, unter allen
Umständen wird aber eine große Entlastung der befallenen Bäume erzielt und hat
sich das Leimen erfolgreich insbesondere in Beständen erwiesen, die noch nicht all-
zustark befallen waren, sowie zur Herstellung von Isolierstreifen zwischen befallenen
und noch raupenfreien Beständen. In Sachsen hat man in den .Jahren 1909 — 1911
das Leimen in ausgedehntem Maß angewendet und schreibt ihm die erfolgreiche Be-
kämpfung der Nonne zu ; in Preußen hat man sich bei dem zu jener Zeit in Ostpreußen
herrschenden Nonnenfraß dem Leimen gegenüber vollständig ablehnend verhalten.
— Auch \'ersuche mit dem Hochleimen hat man gemacht, indem man Leimringe
oder geleimte Stricke in größerer Höhe — bis 7 und 8 m — um die Stämme legte,
um hiedurch neben den abspinnenden auch alle unterhalb dieser Ringe ausgeschlüpf-
ten Räupchen abzufangen; die Arbeit ist nur zu schwierig und zu teuer! —
Jederzeit ist die Nonnengefahr für Fichtenwaldungen größer als für Föhren-
waldungen, und während schon mehrfach die Ansicht ausgesprochen wurde, man
könne für letztere die Bekämpfung eines Nonnenfraßes der Natur allein überlassen,
wird man in Fichtengebieten doch stets mit allen zu Gebote stehenden Mitteln einem
solchen entgegentreten.
§ 59. Die Föhreneule, Trachea (Panolis) piniperda (s. Taf. II Fig. 5).
Männchen und Weibchen der Föhreneule sind gleich groß mit etwa 3,2 — 3,5 cm
Flügelspannung und ziemlich überein gezeichnet, so daß nur die gewimperten Fühler
und der schlankere Leib das Männchen von dem Weibchen, dessen Fühler fadenförmig
sind, unterscheiden. Vorderflügel und Vorderleib sind braunrot, weißgelb gefleckt
und gestrichelt mit je einem größern halbmondförmigen hellen Fleck, Hinterflügel
und Hinterleib braungrau, erstere mit etwas hellerem Saum. Unterseite bläulichrot.
auf den \"orderflügeIn gegen die Basis schwarzgrau, auf den Hinterflügeln ein schwarz-
grauer Punkt; Farbenvarietäten kommen nicht selten vor.
Die ausgewachsene Raupe wird bis zu 4 cm lang, ist gelbgrün mit weißen Längs-
streifen und einem unter den Luftlöchern beiderseits stehenden gelben bis orange-
farbigen Streifen, mit dunklem Kopf, sehr schwach behaart; die ersten beiden Bauch-
fußpaare sind in den ersten Entwicklungsstadien etwas verkürzt, und die Raupe geht
dann spannerartig, spinnt in der Jugend auch Fäden.
Die Puppe, 1.6 cm lang mit zweidornigem After, ist anfangs mehr grünlich,
später dunkelbraun gefärbt.
Der Schmetterling schwärmt sehr frühzeitig, Ende März oder Anfang April;
das Weibchen legt seine Eier reihenweise zu 4 — 8 an die Nadeln in den Kronen ab,
und die im Mai erscheinenden Räupchen beginnen sofort ihren Fraß, benagen zuerst
die Nadeln, sie später bis zur Scheide verzehrend, und steigen bereits Ende Juli aus-
gewachsen vom Baum, sich unter der Bodendecke und, wo solche fehlt, in der Erde
verpuppend und liegen hiebei auf der ganzen Bestandsfläche zerstreut. Die Zeit der
Puppenruhe ist sonach eine sehr lange, umfaßt 8 Monate und darüber.
Die Föhreneule lebt nur auf Föhren und befällt zunächst Stangenhölzer; bei
trockener warmer Witterung während ihrer Raupenzeit vermehrt sie sich bisweilen
sehr bedeutend und hat wiederholt ausgedehnte Bestände in dem Maß beschädigt,
daß sie zu den schädlicheren Forstinsekten zu zählen ist.
Glücklicherweise stehen mancherlei natürliche Hemmnisse der Vermehrung der
Föhreneule im Weg; die fast nackte Raupe, die acht Monate lang am Boden liegende
252 - ^"- Fürst, Forstschutz.
Puppe haben eine Menge von Feinden jeder Art: Vögel, Raubkäfer, Ichneunaonen
und Tachinen, dann Schweine, Igel, Spitzmäuse; die Raupen sind namentlich zur
Zeit der Häutung gegen naßkaltes Wetter empfindlich, und nicht selten geht durch
solches ein großer Teil der Raupen rasch zugrunde. Insbesondere aber ist es Er-
krankung infolge eines Pilzes (Entomophtora aulicae), durch welche wiederholt schon
einem größern Fraß der Eule ein plötzliches Ende bereitet wurde — sämtliche Raupen
des Fraßgebietes sterben in kürzester Zeit ab.
Es ist diese natürliche Hilfe um so höher anzuschlagen, als man vorbeugende
Mittel gar nicht, solche der Vertilgung nur in beschränktem Maße anwenden kann.
Am wirksamsten erweist sich der Eintrieb von Seh weine h erden in die be-
fallenen Bestände nach erfolgter Verpuppung, da die Schweine den Puppen gierig
nachgehen. — Auch das Anprallen hat man in den Stangenhölzern angewendet,
indem ein Arbeiter mit der Axt oder einer hölzernen Keule einige kräftige Schläge
gegen die Stange ■ — zur Vermeidung von Quetschwunden auf einen Aststummel —
führt, während Kinder oder Weiber die herabfallenden Raupen von untergelegten
Tüchern auflesen. Der Erfolg der immerhin kostspieligen Maßregel ist jedoch nur
ein beschränkter. Auch die Entfernung der Streu nach stattgehabter Ver-
puppung erweist sich günstig (s. § 60).
§60. Der Föhrenspanner, Fidonia (Bupalus) piniaria (s. Taf. II
Fig. 4). Das Männchen, ebenso groß wie das Weibchen, mit 3,2 cm Flügelspannung,
ist durch die Färbung deutlich von letzterem unterschieden: gelb, mit breitem dunkel-
braunem Rand und Querstreif, die Fransen der Flügel braun und gelb gefleckt; bei
dem Weibchen dagegen ist die Grundfarbe der Flügel rotbraun, der Rand und die
Querbinden auf den Flügeln ebenfalls dunkelbraun, die Flügelfransen hell und dunkel-
braun gefleckt. Die Unterseite dagegen ist bei beiden Geschlechtem gleich, bräunlich
mit dunkeln Querlinien, einem breiten, gelbweißen Längsstreif und zahlreichen brau-
nen und weißen Fleckchen.
Die im ausgewachsenen Zustand 3,5 cm lange Raupe ist gelblichgrün mit weißen
Längsstreifen, die sich auch über den Kopf fortsetzen; dicht unter den Luftlöchern
beiderseits eine gelbe Seitenlinie, auf dem Bauch drei gelbe Längsstreifen.
Die Puppe ist 1,2 cm lang, jener der Eule sehr ähnhch, aber etwas kleiner und
durch die einfache Hinterleibsspitze leicht zu unterscheiden.
Der Schmetterling schwärmt von Ende Mai bis Ende Juni, und sieht man das
Männchen auch am Tag in unruhigem Flug am Bestandsrande. Das Weibchen legt
nach der Begattung die hellgrünen Eier reihenweise an die Nadeln der Föhre in den
Kronen ab, und es erscheinen anfangs .Juli die kleinen Räupchen, welche zuerst die
Nadeln nur benagen, später sägezähnig befressen, wobei die rasch braun werdende
Mittelrippe stehen bleibt; die Baumkronen, in welchen der Fraß stets beginnt und von
denen er abwärts rückt, erhalten hiedurch einen braunen mißfarbigen Ton. Die her-
angewachsenen Raupen fressen zuletzt auch die ganzen Nadeln, lassen die Spitzen
aber vielfach herabfallen. Die Raupen spinnen, lassen sich auch zur Verpuppung
nicht selten an einem Faden herab. Letztere erfolgt im Herbst, September und
Oktober, in ähnlicher Weise wie bei der Eule unter dem Moos, den Nadeln oder bei
deren Fehlen flach im Boden, wobei die Puppen gleichfalls zerstreut im ganzen Be-
stand umherliegen.
Der Spanner lebt nur auf der Föhre und befällt, auch in dieser Richtung der
Eule ähnlich, in erster Linie die Stangenhölzer. Er ist stellenweise schon in sehr großer
Masse aufgetreten, so 1893 bis 1895 in Bayern, und hat ausgedehnte Bestände stark
durchfressen, selbst kahl gefressen und vernichtet; seine Schädlichkeit wird durch
Der Kieferntriebwickler, Retinia buoliana. § Bl. 253
seinen späten Fraß vermindert, da dann die Knospen fürs näcliste Jalir bereits aus-
gebildet sind, so daß die Bestände sich wieder zu begrünen vermögen. Folgt aber in
solchen schwach benadelten Beständen nochmals Kahlfraß, so gehen sie wohl stets
zugrunde. Als Herde, von denen der Fraß ausgeht, erscheinen auch bei ihm nament-
lich trockene Sandriicken, die offenbar für die Ueberwinterung der Puppe die gün-
stigsten Verhältnisse bieten.
Raupe und Puppe des Föhrenspanners haben die gleichen zahlreichen Feinde,
wie jene der Eule, die nackten Raupen werden von Schmarotzern stark heimgesucht,
sind gegen Witterungseinflüsse empfindlich und durch Krankheiten und Schma-
rotzerpilze wird die ganze vorhandene Raupen- und Puppenmenge oft rasch getötet.
Als Mittel der Vertilgung ist S c h w e i n e e i n t r i e b zu empfehlen; bez. des
auch schon angewendeten Raupensammelns durch Anprallen gilt das bei der Eule
Gesagte. Auch Entfernen der Streu im Spätherbst wird empfohlen, und da
nach Untersuchungen gelegentlich des letzten großen Spannerfraßes in Bayern 35%
der Puppen in der Moos- und Nadeldecke, 60% in der Humusschichte und nur 5°o
im Mineralboden lagen, so werden mit der Streu einerseits sehr viele Puppen besei-
tigt, die übrigen aber bloßgelegt und dadurch ihren mannigfachen Feinden zugäng-
licher gemacht.
§ 61 . D e r K i e f e r n t r i e b w i c k 1 e r , Retinia buoHana (s. Taf. I Fig. 20).
Bei diesem kleinen, bisweilen jedoch in ziemlicher Zahl auftretenden und dann für
Föhrenschläge sehr schädlichen Insekt hat der Falter nur etwa 2 cm Flügelspannung;
die schmalen Vorderflügel und der Vorderleib sind gelbrot mit silberweißen in der
Mitte blauschillernden geschlängelten Ouerbinden und grauweißen Fransen, die
Unterseite ist dunkelgrau, seideartig glänzend, an den Vorderrändern gelbrot und
weiß gefleckt. Die Raupe ist ausgewachsen 1,4 cm lang, hellbraun mit kleinem glän-
zend schwarzem Kopf- und Nackenschild ; die Puppe, schmutzig gelbbraun, ist etwa
8 mm lang.
Der Falter schwärmt Anfang Juli in den Abendstunden, und das Weibchen legt
seine Eier einzeln an die Knospen der jungen Triebe und zwar nur jüngerer, 5 — 12-
jähriger Kiefern, in welche sich das nach wenig Wochen erscheinende Räupchen ein-
bohrt; doch wird bei der sehr geringen Größe des Räupchens der Fraß im Herbst
kaum noch bemerkbar. Die noch schwach beschädigte Knospe — und zwar ist es in
der Regel die am stärksten entwickelte Terminalknospe, welche befallen wird — be-
ginnt im Frühjahr zu schieben, gleichzeitig wird aber der Fraß im Innern des Trie-
bes mit zunehmendem Wachstum des Räupchens intensiver, und meist stirbt der
handhoch gewordene Trieb ab, worauf dann der Fraß an den Seitenknospen und
bezw. Trieben fortgesetzt wird, bis sich im .Juni die Raupe im Innern eines von ihr
ausgefressenen Triebes und zwar an dessen Basis verpuppt. Ein etwa unbeschädigt
gebliebener Seitentrieb erhebt sich zum Haupttrieb, nicht selten aber senkt sich ein
solcher nur mäßig beschädigter Trieb zuerst abwärts, sich dann wieder hebend und
die Verwundung verheilend, wobei jedoch die bescliädigte Stelle noch in höherem
Alter durch eine eigenartige, oft sehr starke Krümmung erkenntlich ist. — Bisweilen
finden sich in Kulturen die Pflanzen in solchem Maß befallen, daß kaum eine der-
selben normale Gipfelentwicklung zeigt und bei wiederholter Beschädigung werden
-die gegen Verletzungen an sich empfindlichen Föhren geradezu krüppelige, strauch-
artige Büsche.
Hält man in solchem Falle ein Eingreifen für angezeigt, so kann eine Vertilgung
bezw. sehr starke \'erminderung des Insekts durch Ausbrechen der absterbenden Triebe
und Zerdrücken der Raupen und Puppen — Ende Mai und im Juni — erreicht werden.
254 ^ I'- Fürst, Forstschutz.
In ähnlicher Weise schädigt der minder häufig auftretende Kiefernknos-
pe n \v i c k 1 e r (Retinia turionana), dem Triebwickler auch äußerlich ähnlich und
gleich ihm nur jüngere Föhren befallend, die betroffenen Individuen durch Ausfressen
der Knospen, die dann meist schon als solche zugrunde gehen, sich überhaupt nicht
mehr entwickeln.
§ 62. Der Harzgallen wickler, Retinia resinella. Der Falter dieses
Insektes, das wir mehr wegen seines allenthalben, wenn auch in begrenzter Zahl er-
folgenden auffallenden Auftretens und seiner eigentümlichen Lebensweise, als um
des durch ihn verursachten Schadens willen aufführen, hat nur 1,6 cm Flügelspan-
nung; Kopf, Rumpf und Vorderflügel sind kupfrig glänzend, bräunlich schwarz, die
Flügel mit silbergrauen Ouerbinden und schwärzlichem Fransensaum, die Hinter-
flügel dunkelbraungrau mit hellgrauem Fransensaum; Unterseite dunkelbraungrau.
Die Raupe ist etwa 10 mm lang, gelbbraun, die Puppe 8 mm lang und dunkel,
fast schwärzlich.
Der Falter fliegt im Mai und legt seine Eier einzeln unterhalb der Quirlknospen
jüngerer Föhren und zwar vorwiegend der Seitentriebe des laufenden Jahres ab ; nach
einigen Wochen schlüpft das Räupchen aus und nagt sich durch die Rinde in den
jungen Trieb ein, wobei das aus der Wunde fließende Harz eine erbsengroße weiche
Galle bildet, in derem Innerem das Räupchen lebt. Im zweiten Jahr vergrößert sich
durch Fortsetzung des Fraßes diese Galle etwa bis zur Kirschengröße, jedoch in etwas
elliptischer Gestalt, und zeigt im Innern eine deutliche Scheidewand durch die Galle
des ersten Jahres; die Wandung der weißen und nun sehr ins Auge fallenden Galle
verdickt sich und wird härter, der Trieb selbst aber ist auf einer Seite im Innern der
Galle bis aufs Mark befressen und stirbt häufig ab. Erst im April des dritten Jahres
verpuppt sich die Raupe innerhalb der Galle, aus der sich die Puppe beim Ausschlüpfen
mit dem Vorderteil hervorschiebt; das Insekt bietet also das für Schmetterlinge
seltnere Beispiel einer zweijährigen Generationsdauer.
Der Schaden ist infolge des doch meist beschränkten Auftretens und des Um-
standes, daß vorwiegend die Seitentriebe befallen werden, ein geringer und nur stel-
lenweise bei großer \'ermehrung fühlbar. Durch einfaches Zerdrücken der großen
Gallen im Herbste kann eine Verminderung des Insekts erreicht werden.
§ 63. Der Fichtenrinden wickler, Grapholitha pactolana. Dieser
kleine Wickler mit braunen, glänzend weiß gezeichneten Vorderflügeln und grau-
braunen Hinterflügeln ist stellenweise schon sehr schädlich aufgetreten. Der Ende
Mai, Anfang Juni schwärmende Schmetterling legt seine Eier an die Rinde jüngerer
Fichten, insbesondere schwächerer Stangen und zwar an die Quirle ab; die Räup-
chen bohren sich durch die Rinde ein, fressen in der Safthaut kurze unregelmäßige
Gänge, wobei austretende Harztröpfeben und kleine Kothäufclien auf der Rinde ihre
Anwesenheit verraten, und überwintern als Raupen, um sich Anfang Mai zu ver-
puppen. Die beschädigten Pflanzen und Stangen kümmern und gehen bei stärkerem
Fraß auch ein. Als Gegenmittel empfiehlt sich das rechtzeitige Aushauen und ^'er-
brennen der stärker befallenen Individuen ; nach Altum kann bei noch beschränktem
Fraß das Bestreichen der befallenen Stellen mit Raupenleim angewendet werden,
wodurch die in der Rinde liegende Puppe sich nicht vorschieben, der Schmetterling
nicht ausschlüpfen kann. In den meisten Fällen wird man auf Gegenmittel verzichten
müssen.
§ 64. D e r F i c h t e n n e s t w i c k 1 e r , Grapholitha tedella. Derselbe ge-
hört zu den nur mäßig schädlichen, aber bisweilen in größerer Menge auftretenden
und durch die Art seines Fraßes auffallenden Insekten. Der kleine Schmetterling
Die gemeine Kioferiiblallnespo, Lophyrus piiii. § (3G. 2ü5
mit gelbbraunen silberweiß durchzogenen Vorderflügeln fliegt im Mai und Juni in
der Abenddänmierung, legt seine Eier an die Nadeln der Fichte und zwar vorzugs-
weise der äußern und untern Zweige sowohl von Pflanzen wie von älteren Stänmien.
Die Räupchen bohren sich in die Nadeln ein, diese ausfressend und verspinnen deren
mehrere zu einem kleinen mit Kot durchsetzten Nest; die Zweige sind oft dicht mit
solchen Nestern bedeckt. Ende Oktober, ja selbst erst im November lassen die Rau-
pen sich spinnend an den Boden herab, überwintern unter dem Bodenüberzug und
verpuppen sich erst im Frühjahr. Gegenmittel lassen sich mit Erfolg nicht anwenden.
§ 65. Die Lärchen motte, Coleophora laricinella. Der kleine grau-
schwarze Schmetterling schwärmt im Juni und legt seine Eier einzeln an die Nadeln
der Lärche; das nach kurzer Zeit ausschlüpfende Räupchen bohrt sich in die Nadel
ein, höhlt diese aus und bedient sich des leeren Spitzenteils als schützender Umhül-
lung, in der es an den Knospen und insbesondere den Zweigspitzen angeheftet über-
wintert und die es auch im Frühjahr, den Fraß an den erscheinenden Nadeln fort-
setzend und namentlich deren obere Hälfte äußerlich befressend, nicht verläßt. In
dem Sack verpuppt es sich dann auch Ende Mai, um nach ca. 3 Wochen sich zum
Falter zu entwickeln und sofort zu schwärmen.
Die befressenen und ausgehöhlten Nadeln werden gelb und welk und die Beschä-
digung ist eine oft so bedeutende, daß die befallenen Stangen und Stämme — an
Pflanzen tritt die Motte in viel minderem Maße auf — kaum eine gesunde Nadel mehr
zeigen, statt grün vollständig mißfarbig erscheinen; nicht selten wird diese Beschä-
digung (in \'erbindung mit jener durch Chermes laricis) von dem Unkundigen oder
nicht genauer Untersuchenden für Folge von Spätfrösten gehalten, von denen aber
erfahrungsgemäß die Lärche wenig leidet. Es ist erklärlich, daß die Zerstörung der
Nadeln den Baum beeinträchtigen, wiederholte Entnadelung selbst sein Eingehen
zur Folge haben kann, und Borggreve ^) hält den Fraß der Lärchenmotte für eine
Hauptursache der sog. Lärchenkrankheit. Man kann jedoch beobachten, daß die
stark befressenen Stämme aus dem Innern der Nadelbüschel frische Nadeln nach-
treiben und sich hiedurch, wie durch die Benadelung der Langtriebe, wieder leidlich
begrünen.
Gegenmittel irgend welcher Art sind nicht anwendbar; bisweilen hilft die Na-
tur durch Regenwetter zur Schwärmzeit, wobei viele der kleinen schwachen Falter
zugrunde gehen.
III. Sonstige schädliche Insekten.
§ 66. Die gemeine K i e f e r n b 1 a 1 1 w e s p e , Lophyrus pini (s. Taf. I
Fig. 17). Das ^^"eibchen hat 1,6 — 1,8 cm Flügelspannung, kurze scl'.wach gezähnte
Fühler, schwarzen Kopf, ist im übrigen blaßgelb mit drei schwarzen Flecken auf dem
Rücken und drei schwarzen neben einander liegenden Hinterleibsringeln ; das wesent-
lich kleinere Männchen mit schön doppelt gekänmiten Fühlern ist mehr schwärzlich
mit gelblichen Beinen und rötlicher Hinterleibsspitze. — Die Raupen des der Gattung
der Aderflügler (Hymenopteren) angehörigen Insekts sind Afterraupen mit 22 Beinen,
schmutzig gelbgrün mit braunem Kopf und schwarzer Zeichnung über den Bauch-
füßen; bei der Berülu'ung schnellen sie den Vorderleib in eigentümlicher Weise zu-
rück. — Die Puppe, welche schon die sämtlichen Teile der Blattwespe zeigt, liegt in
einem lederartigen dunkelbraunen Tönnchen, das entweder in den Rindenritzen der
untern Stammteile oder am Boden, unter dem Moos sich findet und von welchem
1) A. F.- u. J.-Z. 1871 S. 133.
256 'V'l- Fürst, Forstschutz.
die Wespe beim Ausschlüpfen einen kreisrunden Deckel abschneidet. (Nicht selten
zeigt das Tönnchen statt dessen ein seitliches kleines Loch — das Flugloch eines
Ichneumons.)
Die Generation der Kiefernblattwespe ist der Regel nach eine doppelte, doch
finden von dieser Regel nicht selten Abweichungen statt.
Das erstmalige Schwärmen findet Ende April, Anfang Mai statt, und das Weib-
chen legt seine Eier, 120 und mehr, partienweise an die Kanten der Nadeln, die es
mit seinem sägeförmigen Legebohrer aufschneidet, und verklebt die Einschnitte nach
Ablegung der Eier mit etwas schaumigem Schleim. Die nach einigen Wochen er-
scheinenden Räupchen fressen, so lange sie klein sind, zu zweien an einer Nadel, die
Mittelrippe stehen lassend, später aber die ganze Nadel unter Zurücklassung eines
Stumpfes und gehen nur im Notfalle an die jungen Triebe. Der partienweisen Eier-
ablage entsprechend hängen sie klumpenweise an den Zweigen und finden sich ins-
besondere an den Bestandsrändern, schlechtwüchsigem Kieferngestrüpp, bei größerer
Vermehrung aber allenthalben mit Verschonung der eigentlichen Schläge, stets nur
an der Föhre.
Etwa Anfang .Juli verpuppen sich die Larven, ihre Tönnchen a n d i e R i n d e,
auch Aeste und Nadeln klebend ; die meist nach wenig Wochen ausfliegenden Wespen
setzen eine zweite Brut ab, die bis zum Spätherbst fressend sodann am Baum herab-
kriecht, um sich möglichst geschützt unter dem Moos ihre Tönnchen zu fer-
tigen, in welchen die Lai-ven als solche bis zum Frühjahr liegen, erst dann sich eigent-
lich verpuppend. Bei starkem Frost liegen die Cocons oft in ganzen Klumpen
beisammen. Es finden jedoch von der eben geschilderten Entwicklung nicht
unwesentüche Abweichungen dadurch statt, daß bisweilen ein größerer oder kleinerer
Teil der Larven längere Zeit, selbst ein Jahr und darüber, aus unbekannten Gründen
ohne sich weiter zu entwickeln in den Tönnchen liegen bleibt.
Die Kiefernblattwespe, unter günstigen Umständen sich stark vermehrend, hat
stellenweise die Föhrenbestände schon stark beschädigt; der Schaden wird dadurch
geringer, daß die diesjährigen Triebe nur ausnahmsweise angegangen werden, hiedurch
einerseits also nur selten Kahlfraß eintritt, anderseits die Möglichkeit der Knospen-
ausbildung fürs nächste Jahr gegeben ist.
Zahlreiche natürliche Feinde der Blattwespe reduzieren glücklicherweise deren
Zahl; Wespen wie die nackten Afterraupen werden von insektenfressenden Vögeln
verzehrt, die Schweine fressen ebenfalls die zur Verpuppung herabkriechenden Rau-
pen, verschmähen aber die Kokons, aus welch letzteren sich dagegen Eichhörnchen
und Spitzmäuse gerne die Larven holen. Die Zahl der letzteren wiad auch noch durch
Insekten jeder Art, durch Tachinen und Ichneumonen vermindert, mehr aber unter
Umständen durch die Witterung, indem bei anhaltend naßkaltem Wetter oft ein
großer Teil zugrunde geht.
Es ist dies um so günstiger, als uns wirksame Verhütungs- und Vertilgungs-
mittel nur in geringem Maß zur Verfügung stehen; man hat ihre Zahl durch Sam-
meln oder durch Zerquetschen der klumpenweise beisammensitzenden Larven an
niedern Büschen und Bestandsrändern zu verringern gesucht, Schweine während der
kurzen Zeit des Absteigens der Larven von den Bäumen zum Zweck der Verpuppung
eingetrieben, zahlreiche mit Raupenleim bestrichene Pfähle zum Fangen der schwär-
menden Wespen aufgestellt — doch wird der Erfolg stets nur ein geringer sein und
in den meisten Fällen auf solche Hilfsmittel verzichtet werden müssen.
Neben der eben geschilderten fressen noch zahlreiche andere Blattwespen —
L. rufus, pallidus, similis — an den Kiefern. — Auch an Fichten und Lärchen
Die Maulwurfsgrille, Gryllotalpa vulgaris. § G8. 257
fressen einige Blattwespenarten (Nematus), ohne jedoch nennenswerten Schaden
anzurichten.
§67. Die G e s p i n s t b 1 a 1 1 w e s p e n , Lydae. Im allgemeinen wenig
schädlich, mögen sie doch um ihres auffallenderen Auftretens willen Erwähnung
finden. Sie unterscheiden sich von der eben besprochenen Kiefernblattwespe na-
mentlich dadurch, daß die Larven nur drei Paar BrusLfüße und ein Paar sog. Nach-
schieber haben, während die Bauchfüße verkümmert sind, und daß sie stets in einem
Gespinst leben, welches sich dem Zweig entlang zieht und teils durchsichtig ist,
meist aber durch Nadelreste und namentlich durch den Kot undurchsichtig, zu einem
sog. Kotsack wird. Die Verpuppung erfolgt in der Erde, zu der sie sich meist an einem
Faden herablassen, und überwintern die Larven als solche, sich erst im nächsten
Jahre verpuppend, häufig aber gleich der Kiefernblattwespe ein volles Jahr und
länger unverpuppt liegend. Als häufigere Arten seien erwähnt:
Die gelbe Kotsackblatt wespe, Lyda campestris, deren Larve ein-
zeln an den jungen Trieben 3 — 6jähriger Kiefern und Weymouthskiefern in einem
dichten Kotsack lebt. Tritt sie an letzterer Holzart in Forstgärten auf, so wird man
sie durch Abstreifen der Kotsäcke vernichten.
Die r o t k ö p f i g e K i e f e r n b 1 a 1 1 w e s p e , Lyda erythrocephala, lebt
zu 3 bis 4 Stücken in einem ebenfalls nrit Nadel- und Kotresten etwas verdichteten
Gespinst an jüngeren Föhren und Weymouthskiefern.
Die bunte K o t s a c k b 1 a 1 1 w e s p e Lyda pratensis, ist da und dort in
altern Föhrenbeständen in solcher Masse erschienen, daß Abfressen aller altern Na-
deln, selbst vollständiger Kahlfraß die Folge war.
Die Fi chtengespinstblatt wespe, Lyda hypotrophica, ist schon
wiederholt (zuletzt in den Jahren 1893 und 1894) in älteren Fichtenbeständen in
großer Zahl aufgetreten, die Bestände schwer schädigend und selbst zerstörend. Die
teils grünen, teils gelben Larven leben in zuletzt bis kindskopfgroßen Gespinsten
beisammen, bäumen im August und September ab und liegen unverpuppt bis 2I2
Jahre im Boden, sich endlich verpuppend ; im Mai schwärmen die Wespen, die schwer-
fälligen Weibchen fliegen die Bäume tief unten an, um dann die Baumkrone krie-
chend zu erreichen und dort ihre Eier an die Nadeln abzulegen. Durch in Brust-
höhe angebrachte Leimringe kann man einen großen Teil derselben abfangen, doch
macht die Natur durch Schmarotzer und Erkrankung der im Boden liegenden Larven
der Kalamität zumeist ein mehr oder minder rasches Ende.
§68. Die Maulwurfsgrille, Gryllotalpa vulgaris (s. Taf. I Fig. 13).
Dieses eigentümlich gestaltete, wohl allbekannte Tier, ausgezeichnet durch ein Paar
maulwurfsartige Grabfüße, denen es auch seinen Namen verdankt, lebt meist unter-
irdisch und zwar in überwiegendem Maße von animalischer Nahrung, wird aber durch
Zerstören der Pflanzenwurzeln beim Graben seiner Gänge in Saatbeeten oft sehr lästig.
Es gehört zur Klasse der Geradflügler und hat eine unvollkommene Verwandlung,
bei der also ein eigentlicher Puppenzustand fehlt.
Die Paarzeit ist im Mai und Juni, und locken sich die Geschlechter in den
Abendstunden durch ein eigentümliciies Schrillen. Die Ablage der Eier erfolgt in
einer Höhlung in einem bis faustgroßen, durch Schleim zusammengekitteten Ballen
etwa 8 bis 10 cm unter der Erde, imd ist die Zahl der Eier oft eine sehr große, bis
zu 200 Stück. Die Lai-ven, anfangs weiß, später bräunlich und schon bald dem Imago
ähnelnd, zerstreuen sich nach einiger Zeit, Nahrung suchend, im Boden und ent-
wickeln sich, nachdem sie unter der Erde überwintert, bis zur Paarzeit zum fertigen
Insekt, das also eine einjährige Generationsdauer hat.
Handb. d, Forstwias. 3. Aufl. H. 17
258 ^'I- Fürst, Forstschulz.
Zum Suchen ihrer Nahrung wühlt sic.li nun die Werre mit Hilfe ihrer Grabfüße
lange, flach verlaufende Gänge, welche in lockerem Boden durch leichtes Heben der
Erde an der Oberfläche sichtbar -werden, und zerstört hiebei durch Zerreißen mit
ihren Grabfüßen, wohl auch durch Abbeißen aller ihr im Weg befindlichen Pflanzen-
wurzeln (nach Nördlingers Angabe frißt sie diese auch) und wird hiedurch wie
auf Feldern, so namentlich in den Saatbeeten, insbesondere für unsere schwachen
Nadelholzkeimlinge oft lästig und schädlich, so daß man zu ihrer möglichsten
Vertilgung genötigt ist.
Diese letztere erfolgt nun nach unsern eigenen Erfahrungen am sichersten in
der Weise, daß man dem frisch entdeckten Werrengang mit dem eingeschobenen
Finger folgt, bis er sich zur Tiefe senkt; mit einem Reis sucht man dessen weitere
Richtung und legt den Gang mit dem Spaten bloß — an dessen Ende, oft schuhtief
im Boden, sitzt die Werre.
Man hat weiter das Aufsuchen der Nester, die sich durch Zusammenlaufen
mehrerer Röhren und absterbenden Pflanzenwuchs markieren sollen (aber doch nicht
leicht zu finden sind!), das Eingraben von Blumentöpfen oder Blechgefäßen, mit
dem obern Rand dem Boden gleich, zum Fang der namentlich zur Paarzeit des Nachts
oberirdisch herumlaufenden Werren, endlich auch das \'ernichten der zur Paarzeit
schrillenden Tiere, indem man sie mit einem Hackenschlag aus dem Boden wirft,
empfohlen. Auch das Eingießen eines Kaffeelöffels Oel oder Petroleum in die frischen,
nach Regenwetter leicht kenntlichen Gänge, und Nachgießen von Wasser so lange,
bis die letztern gefüllt erscheinen — die Werren erscheinen ölglänzend an der Erd-
oberfläche — soll sich als Vertilgungsmittel bewähren (Ney).
B. Laubholz-Insekten.
I. Käfer.
§ 69. Die L a u b h o 1 z b o r k e n k ä f e r überhaupt. Auch im Laub-
holz kommen eine Anzahl Borkenkäfer verschiedener Art vor, jedoch in viel min-
derer Zahl als in den Nadelhölzern und in viel minderer Schädlichkeit, indem einer-
seits die an sich reproduktionsfähigeren Laubhölzer erlittene Beschädigungen leichter
ausheilen, anderseits eine Anzahl der Laubholzborkenkäfer mehr im Holz als im Bast
lebt, hiedurch technisch, nicht aber physiologisch schädlich wird. Nebenbei sehen
wir sie wenigstens teilweise mehr in einzeln stehenden älteren, oft schon schadh.aften
Stämmen, in Alleen, Anlagen, als im geschlossenen Wald auftreten; die meisten sind
polyphag, finden sich bald an dieser, bald an jener Holzart. Wir beschränken uns auf
Anführung einiger der häufigeren und schädlicheren Arten:
Der bunte Eschenbastkäfer, Hylesinus fraxini, und der schwarze
Eschenbastkäfer, H. crenatus, leben beide vorvviegend in der Esche und
bringen durch den Fraß ihrer Larven in der Basthaut die befallenen Stangen und
Stänome bisweilen zu raschem Absterben; charakteristisch sind die Muttergänge,
bei beiden Wagegänge, von ersterem doppelarmig, von letzterem einarmig.
Der ungleiche Laubholzborkenkäfer, Xyleborus dispar, be-
fällt zwar in erster Linie schadhafte ältere Eichen und Buchen, sowie schadhafte
Stämme anderer Holzarten, in welchem Falle der durch ihn angerichtete Schaden
kein nennenswerter ist; dagegen hat er sich wiederholt schon sehr schädlich in Eichen-
heisterpflanzungen gezeigt, indem er die Stämmchen in großer Zahl befällt, sich in
deren Inneres einbohrt und sie behufs Absatz seiner Brut durchlöchernd hiedurch
Die Laubholzrüssclkäfer, Curculionidae. § 71. 259
zum Kränkeln und Absterben bringt. Ausreißen und Verbrennen der Heister würde
das hier anzuwendende Scluitzmittel gegen weiteren Schaden sein.
Vorwiegend in Ulmen und namenthcli ältere Alleebäume schädigend treten der
große und kleine Ulmensplintkäfer, Scolytus destructor und multi-
striatus auf, deren Lai-ven die Basthaut der befallenen Stämme zerstören; beide
Muttergänge sind Lotgänge.
§ 70. Die Bockkäfer, Cerambycidae. Die zahlreiche Familie der Bock-
käfer, wenn auch nur da und dort merklich schädlich, tritt doch im Walde so häufig
auf, ihre Larven und deren Fraß fallen so vielfach ins Auge, daß deren Erwähnung
wohl als zweckmäßig erscheint.
Sie gehören zu den technisch, sch.ädlichen Insekten. Die Käfer, teilweise durch
ansehnliche Größe, lange Beine und oft sehr lange Fühler ausgezeichnet, erscheinen
im Sommer und legen ihre Eier an oder in die Rinde ab. Die Larven, weiß oder
weißgelb, meist beinlos, mit kräftigen hornigen Oberkiefern, fressen anfänglich mehr
oberflächlich, später tiefer im Holz, die breiten und flachen Gänge sind voll Wurm-
mehl; die Verpuppung erfolgt nach zwei und selbst mehr Jahren in einer etwas mit
Spänen ausgepolsterten Wiege, das Ausfliegen des Käfers durch ein elliptisches, schief
stehendes Flugloch. Die Käfer selbst sind vollständig unschädlich.
\'ielfach sind es bereits schadhafte Stämme und zwar vorwiegend von Laub-
hölzern, welche vom Bockkäfer mit seiner Brut besetzt werden, und der Schaden ist
dadurch ein geringer, doch finden auch Ausnalunen durch Besetzen gesunder Stämme
mit Brut statt. Immerhin werden Maßregeln irgend welcher Art gegen Bockkäfer
nicht nötig werden.
Als häufigere und forstlich interessantere Arten seien genannt: Der große
Eichenbockkäfer, Cerambyx (Hanuuaticherus) heros, dessen kolossale, bis
7 cm lange, durch starke Rückenplatten ausgezeichnete Larven in alten Eichen und
zwar meist in gesundem Holz leben, das durch die zuletzt fingerdicken Larvengänge
natürlich zu jeder bessern Verwendung unbrauchbar wird; der Käfer ist 4 — 5 cm
lang, schwarz mit sehr langen Fühlern.
An den jüngeren Aspen fallen die knotigen Auftreibungen ins Auge, welche
durch den Fraß der in ihnen lebenden Larven des Aspenbockkäfers, Sa-
perda populnea erzeugt werden ; in dem Pappelholz leben die Larven des großen
Pappelbocks, Saperda carcharias (s. Taf. I Fig. 6), eines bis 3 cm langen
gelbbraunen Käfers mit schwarz pimktiertem Hals und Flügeldecken.
Als eine im Nadelholz lebende schädlichere Art sei hier noch der Fichten-
bockkäfer, Callidium luridum, genannt; die Larve frißt zuerst in der Safthaut
gesunder älterer Fichten, erst später tiefer ins Holz gehend, und bringt durcli erstere
Art des Fraßes, wenn in größerer Zahl an eineni Stamm, diesen rasch zum Kränkeln
und Absterben. Sofortige Fällung und Entfernung der befallenen Stämme — kennt-
lich durch Harzausfluß und Welken der Benadelimg — ist zu empfehlen.
Als eine ganz unschädliche, aber allenthalben vorkommende Art sei noch der
Zangenbock, Rhagium indagator, genannt, dessen große, gelbweiße Larven
mit breiten, wurmmehlgefüUten Gängen sich überall unter der Rinde bereits gefäll-
ter oder abgestorbener Nadelhölzer, namentlich Föhren, finden.
§ 71. Die Laubholzrüsselkäfer, Curculionidae. Von der sehr
zahlreichen Familie der Rüsselkäfer lebt nur eine kleinere Zahl auf Nadelhölzern,
hier allerdings bisweilen sehr schädlich werdend (vergl. § 52 — 55), eine viel größere
Zahl aber auf Blattgewächsen jeder Art, so auch auf unsem Laubhölzern. — Cha-
rakteristisch ist wenigstens für die Mehrzahl der Rüsselkäfer der in einen bald sehr
17*
260 '^ "• Fürst, Forstschutz.
langen und feinen, bald in einen kürzern und stumpfen Rüssel ausgezogene Kopf
des Käfers; letzterer wird durch Befressen von Pflanzenteilen bald mehr, bald weniger
schädlich, bei manchen Arten sind es auch die Larven, welche im Innern der Ge-
wächse zerstörend auftreten.
In Pflanzgärten, Kulturen und Schlägen richten eine Anzahl solcher Käfer,
nach ihrer Färbung als grüne oder graue Rüsselkäfer bezeichnet uad zu den
Gattungen Phyllobius, Polydrosus, Strophosomus u. a. gehörig, durch Benagen und
Zerstören der Knospen und Befressen der Blätter einen oft nicht unbedeutenden
Schaden an, ohne daß jedoch gegen die an sich wenig ins Auge fallenden Käfer,
welche sich bei der leisesten Berührung des Gewächses, auf dem sie sitzen, sofort
zur Erde fallen lassen, etwa durch Sammeln viel auszurichten wäre.
Als ein stellenweise in Buclienvvaldungen in großer Menge auftretender kleiner
Rüsselkäfer sei noch der winzige Buchenspringrüsselkäfer, Orchestes
fagi, genannt; die Larve beschädigt durch ganz eigentümliche Miniergänge die Bu-
chenblätter, deren befressenen Teil zum Absterben bringend, so daß die Schläge
wie vom Frost versengt aussehen; auch ältere Randstämme zeigen sich vielfach be-
schädigt. Der Käfer selbst benagt und durchlöchert die Blätter und Fruchtkapseln.
Zu nennen wäre hier auch noch der Eichenrüsselkäfer, Balaninus
glandium, dessen Larve in den Eicheln und Haselnüssen lebend diese Früchte zerstört.
§ 72. Die Prachtkäfer, Buprestidae. Diese bei uns meist nur in klei-
neren Arten vorkommenden Käfer, welche ihren Namen von der bei der Mehrzahl
schönen metallisch glänzenden Farbe haben, werden nur durch den Fraß ihrer Larven
schädlich. Diese Larven, welche weich, weiß und fußlos den Bockkäferlarven ähneln
und sich von diesen durch den stark verbreiterten ersten Leibesring und meist auch
durch zwei nach hinten gerichtete Hornspitzen am After unterscheiden, fressen
zwischen Holz und Rinde unregelmäßig geschlängelte, mit Bohrmehl fest ausge-
stopfte Gänge, an deren Ende sie sich in kleinen Splintwiegen verpuppen. Die Gene-
ration der Prachtkäfer ist mindestens 2jährig, vielleicht noch länger; der fertige
Käfer fliegt durch ein seitlich platt gedrücktes Flugloch aus.
Einzelne Arten der zahlreichen Famihe sind schon in empfindücher Weise schä-
digend aufgetreten:
Der Eichenprachtkäfer, Chrysobotris affinis, kupferbraun, 1 1 — 14 mm
lang, legt seine Eier vorzugsweise an schwächere Eichen, Stangen und Heister, und
hat durch den die Safthaut zerstörenden Fraß seiner Larven in Heisterpflanzungen
stellenweise schon erheblichen Schaden angerichtet. Seine Generation scheint min-
destens dreijährig zu sein. — Aehnlich schadet Agrilus tenuis.
Der grüne Buchenprachtkäfer, Agrilus viridis (s. Taf. I Fig. 15),
vorwiegend blau oder grün metaUisch glänzend, 5 — 8 mm lang, beschädigt in gleicher
Weise insbesondere Buchenheister, findet sich aber auch an stärkeren Stämmen und
anderen Holzarten.
Bei beiden Insekten wird Ausreißen und Verbrennen der kränkelnden Heister
wenigstens als Vorbeugungsmittel gegen weitern Schaden zu betrachten sein.
§73. DieBlattkäfer, Chrysomelidae. Die Käfer, meist von gedrunge-
nem, stark gewölbtem Körperbau, geringer Größe und bunter, vielfach metallisch
glänzender Farbe, kommen in unsern Waldungen auf einer Anzahl Holzgewächse
in oft sehr auffälliger Weise vor und mögen, wenn auch minder schädhch, daher hier
kurz erwähnt sein.
Sowohl Lai'ven wie Käfer benagen die Blätter, diese skelettisierend, indem sie
Rippen und Adern stehen lassen und nur das Parenchym dazwischen herausfressen,
Der Buchenspinner oder Rotschwanz, Orgyia pudibunda. §§ 75. 261
SO daß ihr Fraß nicht wohl mit jonem anderer Insekten verwechselt werden kann.
Von unsern Holzgewächsen sind es namentlich eine Anzahl minder wichtiger, ja selbst
stellenweise lästiger Weiclihölzer, die von Blattkäfern befresscn werden, so Aspen,
Pappeln, Salweiden, Erlen, so daß der Schaden nur ein geringer ist; schädlicher
werden einige vorwiegend auf Weiden lebende Arten in den Weidenhegern. Als
die häufigst vorkommenden mögen genannt sein:
Der blaue Erlenblattkäfer, Agelastica alni, von stahlblauer Farbe,
im Mai als Käfer, später als Larve die Erlenblätter benagend; in Erlensaatbeeten
kann er sehr lästig werden und hat, nach Kahlfraß älterer Pflanzen die Keimlinge
befressend, letztere da und dort zum Absterben gebracht. Sammeln der Käfer kann
in solchem Fall wohl in Anwendimg gebracht werden.
Sehr in die Augen fallend durch die rote bis braunrote Färbung der Flügel-
decken sind der rote Pappelblattkäfer, Lina populi (s. Taf. I Fig. 14),
und der Aspenblattkäfer, Lina trenuilae, auf Aspen und andern Pappel-
arten, auch Weiden lebend. In den Weidenhegern macht dieser Käfer, und ebenso
der gelbbraune Salweidenblattkäfer, Galeruca capreae, dann der kleine
erzgrüne W e i d e n b 1 a 1 1 k ä f e r , Ciirysomela vitellinae, oft bedeutenden Scha-
den und sucht man sie hier durch Abstreifen in Körbe oder Kari'en möglichst zu
sammeln und zu vernichten ^).
Endlich wäre der in Forstgärten oft sehr lästige E r d f 1 o h , Haltica erucae,
weil ebenfalls hieher gehörig, zu nennen, der durch Zerfressen der Kotyledonen auf-
gehende Saaten zerstören kann und den man durch Bestreuen der Beete mit AscJie
oder Kalk und durch Begießen derselben mit verdünnter Karbolsäure zu vertreiben
sucht.
§74. Die spanische Fliege, Lytta vesicatoria (s. Taf. I Fig. 16).
Ein Insekt, das nur seltener merklich schädlich auftritt, doch um seiner auffallenderen
Erscheinung willen Envähnung verdienen dürfte. Der 1,2 — 3 cm lange Käfer ist
schön smaragdgrün mit \\eichen Flügeldecken, fliegt im Juni und legt seine Eier
in die Erde, wo die Larven in den Nestern von Blumenbienen zu leben scheinen —
auffallender Weise ist ihre Entwicklung noch nicht genauer erforscht. — Die im Juni
oft in noch unerklärter Weise plötzlich in großer Menge erscheinenden, stark riechen-
den Käfer befallen insbesondere Eschen, sie bei großer Zahl oft völlig kahlfressend
und dadurch im Wuchs zurücksetzend; selbst vollständiges Absterben kann die
Folge sein. Auch verschiedene Sträucher, wie Liguster, Geisblatt, Spiräen dienen
eventuell zur Nahrung.
An Eschenkulturen und in Saatbeeten sucht man durch Abschütteln die Käfer
zu sammeln und zu vernichten, was ohne große ]\Iühe ausführbar ist; die gesammelten
Käfer können in Apotheken verkauft werden, woselbst sie infolge eines in ihnen ent-
haltenen Stoffes (Cantharidin) zu Blasenpflaster verwendet werden.
II. Schmetterlinge.
§ 75. Der Buchenspinner oder Rotschwanz, Orgyia pudi-
bunda (Taf. II Fig. 3). Das Männchen dieses Schmetterlings hat etwa 4,5 cm, das
Weibchen 5 bis 6 cm Flügelspannung; das erstereist noch insbesondere durch die ge-
kämmten gelbbraunen Fühler kenntlich, während die Färbung eine nahezu gleiche ist:
Vorderflügel rötlichweiß oder grauweiß mit zwei braungrauen schmalen Querlinien,
1) S. K r a h c , Lehrbuch der Korbweidenkultur.
262 '^'11- Fürst, Forstschutz.
Hinlerleib und Hinterflügel etwas heller mit verwaschenem Bindefleck, Unterseite
durchaus weiß mit einer die Flügel durchziehenden grauen Querlinie.
Die Raupe wird ausgewachsen etwa 4 cm lang, mit anfänglich grüngelber,
später mehr rötlicher Färbung, 4 starken gelbgrauen Haarbürsten auf dem 4ten bis
7ten Leibesring, starkem rotbraunem Haarbüschel auf dem vorletzten Ring (daher
der Name ,, Rotschwanz"), zwischen den mit Bürsten besetzten Leibesringen samt-
schwarzen, bei dem Zusammenrollen der Raupe stark hervortretenden Ligamenten.
— Die Puppe, dunkelbraun, mit graugelber Behaarung, liegt in einem mit Haaren
durchwebten losen Kokon.
Die Schwärmzeit ist Ende Mai, Anfang Juni, und legt das Weibchen die an-
fangs graugrünen, später braungrauen Eier in einer oder mehreren Partien und im
ganzen bis zu 300 Stück an die Rinde stärkerer Buchen meist in geringer Höhe über
dem Boden ab. Die nach etwa 3 Wochen erscheinenden behaarten Räupchen ver-
zehren zunächst ihre Eihüllen, hiebei ähnlich den Nonnenräupchen einige Tage bei-
sammen sitzend, und besteigen sodann den Baum, die Blätter zuerst nur benagend,
später stärker befressend und schließlich meist die stark befressenen Blätter am Stiel
abbeißend; sie setzen ihren Fraß etwa bis zum September fort und steigen dann in
der Regel vom Baum herab, um sich in einem Kokon in der Laubdecke, am Gestrüpp,
seltener an Zweigen zu verpuppen und so zu überwintern.
Der Rotschwanz kommt vor allem auf Buchen und zwar in den älteren Be-
ständen vor, im Notfall jedoch auch andere Laubhölzer befressend. Er tritt in Bu-
chenbeständen bisweilen in solchen Massen auf, daß die Bestände vollständig kahl
gefressen werden — der Umstand aber, daß seine Hauptfraßzeit in den Spätsommer
und Herbst fällt, in welchem die Knospen fürs kommende Jahr bereits vorgebildet
sind, vermindert den Schaden wesentlich, beschränkt ihn auf Zuwachsverlust, ev.
auf Beeinträchtigung einer etwa in Aussicht gewesenen Mast. Zudem hat man beob-
achtet, daß ein Raupenfraß fast stets im zweiten Jahr zu Ende geht und daß insbe-
sondere parasitische Pilze, in den Raupen auftretend, diese in kurzer Zeit fa^ völlig
verschwinden lassen.
An manchen Orten, wo der Rotschwanz wiederholt und in beunruhigender
Weise auftrat, hat man das Sammeln der zur Verpuppung herabsteigenden Raupen
und der Kokons versucht, jedoch mit geringem Erfolg; guten Erfolg dagegen hat
nach Altums Mitteilung der Versuch gehabt, die in geringer Höhe über dem Boden
abgesetzten und auf der glatten Buchenrinde leicht sichtbaren Eihäufchen mittelst
eines Pinsels mit Oel zu überstreichen, wodurch sämtliche Eier zugrunde gingen.
In der Regel wird man auf Mittel der Abwehr verzichten.
§ 76. Der Prozessionsspinner, Cnethocampa processionea. Größe
des Schmetterlings beim Männchen etwa 3,2, beim Weibchen bis 4 cm; die Vorder-
flügel bräunlich-grau mit zwei dunkleren Querbinden, die Hinterflügel gelblich-weiß
mit braun-grauer, etwas verwaschener Querbinde, wobei die Färbung des Männchens
meist etwas schärfer und lebhafter ist.
Die Raupe wird bis 3,5 cm lang, ist blaugrau oder rötlich-grau mit großen
braunen Samtflecken auf dem Rücken; sie zeigt auf jedem Ringel 10 rötliche Knopf-
wärzchen, die mit langen hellen Haaren besetzt sind. Die rotbraune, stumpf abge-
rundete Puppe liegt in einem tonnenförmigen Kokon in dem gemeinsamen großen
Gespinst.
Die Schwarmzeit des Schmetterlings ist im August und fliegt derselbe in den
späten Abendstunden. Das Weibchen legt nach der Begattung seine sehr zahlreichen
Eier, bis zu 200 Stück, meist in einer Partie an die Rinde älterer Eichen ab, sie
Sonstige Spinner auf Laubholz. § 77. 263
mit etwas Afterwolle überziehend; die Eier überwintern und etwa Anfang Mai schlüp-
fen die Räupchen aus. nun ihren eigentümlichen Fraß beginnend. Stets beisammen
bleibend sitzen sie unter Tags dicht gedrängt in einem gemeinsamen, an geschützter
Stelle, unter einem starken Ast oder sonst am Stamm hängenden, anfänglich kleinen,
allmählich größer werdenden Gespinst, das sie zum Zweck des Fraßes meist gegen
Abend verlassen. Zu diesem Fraß setzen sie sich in geschlossener Ordnung in Be-
wegung; der Zug pflegt mit einer Raupe zu beginnen, nach der Mitte zu breiter
zu werden und wieder mit einer einzelnen Raupe zu enden ; die Raupen marschieren
in steter Fühlung miteinander, suchen jede Unterbrechung ihres Zuges rasch wieder
auszugleichen und bezeichnen ilu'en Weg durch einzelne Gespinstfäden. Nach ge-
schehenem Fraß kehren sie wieder in ihr Gespinst zurück, in dem sie sich auch häuten,
und durch die zunehmende Größe der Raupen, die in dem Gespinst hängenden Rau-
penbälge und Kotreste erreicht letzteres zuletzt selbst Kindskopfgröße ; nicht selten
vereinigen sich auch mehrere Familien zu großen Gesellschaften. Im Juli findet die
Verpuppung in dem Gespinst statt, und nach 2 — 3 Wochen fliegt der Schmetterling aus.
Der Prozessionsspinner tritt in manchen Gegenden, so in Nordwestdeutsch-
land, ziemlich häufig und in entschieden waldschädigender Weise auf, letzteres zumal
dann, wenn sich der Fraß rasch wiederholt. Es ist fast nur die Eiche, die von ihm zu
leiden hat, und man hat beobachtet, daß es namentlich frei stehende Stämme, Ober-
holz im Mittelwald, Randbäume sind, die in erster Linie befallen werden. Stärkerer
Fraß wird stets Zuwachsverlust zur Folge haben, kann aber im Wiederholungsfall
zum Kränkeln und endlichen Absterben führen.
Die Vertilgung des Insekts, die bei großer Vennehrung wohl angezeigt sein
kann, wird durch das gesellige Zusammenleben, die in die Augen fallenden großen Ge-
spinste erleichtert und erfolgt durch Zerstörung der letztern, am besten wohl durch
Verbrennen mittelst eines an entsprechend langer Stange befestigten Büschels Werg,
der mit Petroleum befeuchtet ist; die Gespinste liegen in verschiedener Höhe am
Baum, viele tief unten, die meisten wohl nicht über 10 m hoch. Gegen hoch oben
befindliche Nester läßt sich (nach Altum) selbst ein Flintenschuß mit wenig Pulver
und starker Ladung Vogeldunst anwenden.
Bei der Vertilgung der Raupen, wie bezüglich der befallenen Distrikte über-
haupt ist aber besondere Vorsicht geboten: die Haare (und zwar nach Nitsches
Untersuchungen die mikroskopisch kleinen Härchen auf den Samtflecken des Rückens)
rufen auf der Haut entzündliche Erscheinungen hervor, können, in Nase oder Mund
von Menschen oder Weidetieren gelangend, sehr unangenehme Folgen haben. Die
mit dem Vertilgen betrauten Arbeiter haben sich dementsprechend durch Hand-
schuhe und vor Mund und Nase gebundenes Tuch zu schützen, auch den Luftzug zu be-
achten, durch den beim Abnehmen oder Verbrennen der Gespinste die Haarfrag-
mente wegwärts vom Arbeiter getrieben werden sollen. Für Nutzungen jeder Art:
Beeren, Gras, Weide — schließt man die betr. Distrikte.
Natürliche Feinde hat die stark behaarte Raupe außer Ichneumonen wenige;
während des Winters werden wohl durch Meisen eine nicht geringe Zahl von Eiern
vernichtet.
Erwähnung dürfte noch der im nordöstlichen Deutschland auftretende K i e-
fern-Prozessionsspinner, Cn. pinivora, verdienen.
§77. Sonstige Spinner auf Laub holz. Von Spinnern, welche
außer den eben genannten noch auf Laubholz bisweilen in großen Massen und dadurch
schädlich auftreten, die Aufmerksamkeit des Forstmannes in Anspruch nehmen,
dürften zu nennen sein:
264 \'ll. Fürst, Forstschulz.
Der S c h w a m m s p i nn e r , Liparis dispar (s. Taf. II Fig. 6), auffallend
durch den Größenunterschied der Geschlechter, indem das schmutzig gelb-weiße
mit dunklen Zickzackbinden gezeichnete Weibchen bis doppelt so groß ist, als das
graubraune, ähnlich gezeichnete Männchen. Ersteres legt zur Schwarmzeit (August,
September) seine 3 — 400 Eier an die Rinde, meist tief am Boden und überzieht sie
mit etwas graugelber Afterwolle, so daß das Ganze einem kleinen Baumschwamm
ähnlich sieht. Im Frühjahr schlüpfen die Räupchen aus und erwachsen zu großen,
starbkehaarten Raupen, die auf beiden Seiten einer gelblichen Rückenlinie auf den
5 vordem Leibesringen blaue, auf den 6 folgenden rote, große Knopfwarzen zeigen
und sich im .Juli und August in einem leichten Gespinst zwischen Rindenritzen oder
Blättern verpuppen. Die Puppe ist tief braun mit heller Behaarung.
Die außerordentlich polyphage Raupe findet sich besonders an Obstbäumen,
aber auch an Waldbäumen und Sträuchern jeder Art, insbesondere an Eiche n.
Buchen, Linden; im Notfall geht sie selbst an Nadelholz. Sie tritt bisweilen über-
raschend in großer Zahl auf, hat Kahlfraß an Eichenbeständen in großer Ausdehnung
verursacht, ausnahmsweise selbst Nadelholzkulturen zerstört; in Nordamerika ist
sie geradezu als Landplage aufgetreten.
Als Mittel der Abwehr hat man das Zerstören der leiclit sieht- und erreichbaren
Eierschwämme durch Abkratzen, Ueberstreichen mit Raupenleim und neuerdings
durch Tränken mit Petroleum mittelst eines einfachen Apparates ^) angewendet.
Zumeist hilft aber auch bei diesem Insekt die Natur rasch und der Fraß geht ohne
weitern Schaden als einigen Zuwachsverlust vorüber.
Ebenfalls zunächst an Obstbäumen, aber auch an Eichen, Ulmen, Weiß-
buchen, Pappeln findet sich der Ringelspinner, Gastropacha neustria, der,
im Juli schwärmend, seine Eier als ringförmiges Band um die schwachem Zweige legt.
Ihm ähnlich befällt auch der Goldafter, Porthesia chrysorhoea, vorzugsweise
Obstbäume, doch auch Eichen; seine in zusammengesponnenen Blättern überwin-
ternden Räupchen bilden die sog. Raupennester, deren Vernichtung an Obstbäumen
unschwer durchzuführen ist.
Der Bifken-Nestspinner, Gastropacha lanestris, befrißt die sonst
von Insekten wenig heimgesuchte Birke (auch Kirschbäume) und verdankt seinen
Namen dem geselligen Zusanxmenleben der Raupen in gemeinsamem Gespinst, wel-
ches zuletzt als langer Beutel von den Aesten herabhängt.
Der Forstmann wird nur ausnahmsweise in die Lage konamen, Mittel der Ab-
wehr gegen die drei letztgenannten Insekten anwenden zu müssen.
§ 78. Die Frostspanner. Die Frostspanner haben ihren Namen von
der spät im Herbst, ja selbst im Winter — bis Dezember — liegenden Flugzeit; als
besondere Merkwürdigkeit ist anzuführen, daß die Flügel der Weibchen stets ver-
kümmert sind, so daß diese nur kriechen, nicht fliegen können. Es sind namentlich
2 Arten, deren Fraß in den Waldungen ein oft sehr in die Augen fallender ist, nämlich :
Der kleine Frostspanner, Cheimatobia brumata (s. Taf. I Fig. 18);
das Männchen hat etwa 2,6 cm Flügelspannung, gelblichgraue Vorderflügel mit
feinen dunkeln Wellenlinien und hellgraue Hinterflügel mit undeutlicheren Streifen;
das Weibchen ist etwa 0,8 cm lang mit schwachen Flügelansätzen, der Körper grau-
braun mit weißen Schüppchen, langen Fühlern und Beinen. Die Raupe, anfänglich
grau, nach der ersten Häutung gelbgrün mit lichtem Rückenstreif, später grün mit
dunkler Rückenlinie, ist ausgewachsen etwa 2,6 cm lang; die Puppe hellbraun.
1) Band I, Heft 2 der Publikationen der biol. .-Anstalt des Reiclisgesundheitsamtes.
Die Deformitäten-Erzeuger. § 80. 265
Die Flugzeit ist im November und Dezember; das Weibchen legt, an den Bäu-
men hinauf laufend, seine Eier namentlich an die Knospen der Obstbäume, dann der
Weißbuclien, Eichen, Eschen, Linden, und die im Frühjahr ausschlüpfenden Räup-
chen benagen nun zuerst die Knospen, dann die sich entwickelnden Blätter, sie nach
allen Seiten durchlöchernd, dabei auch durch Gespinstfäden zusammenwickelnd.
Anfangs Juni etwa lassen sie sich von den Bäumen spinnend herab und verpuppen
sich im Boden.
Der Obstbaumzüciiter, dem der Frostspanner durch Zerstörung der Blüten-
knospen sehr schädUch werden kann, sucht sicli durch Teerringe — sog. Raupenleim
wird auf steifes Papier gestrichen und dieses zur Schwärmzeit um den Stamm fest-
gebunden, wodurch die Weibchen am Besteigen der Bäume geliindert werden bezw.
sich auf dem bestrichenen Papier fangen — mit Erfolg zu helfen; ini Wald wird man
auf Anwendung irgend welcher Mittel verzichten müssen.
Die oft selir bedeutende Zerstöiomg an Buchenaufschlag wird durch eine dem
kleinen Frostspanner nahe verwandte Art Cheimatobia boreata verursaclit.
Der großeFrostspanner, Hibernia defoliaria, — mit etwa 4 cm Flügel-
spannung, hellgelblichen Vorderflügeln mit gelbbrauner Zeichnung und dunklem
Punkt auf jedem Flügel, den etwas schwächer auch die helleren Hinterflügel auf-
weisen, das langbeinige Weibchen ganz flügellos; die Raupe gelb mit breitem, braun-
rotem Rückenstreif, der mit feiner dunkler Linie beiderseits gesäumt ist — , lebt in
ganz ähnlicher Weise, schwärmt etwas früher im Herbst; er ist seltener als der Ideine
Frostspanner, tritt jedoch bisweilen in sehr großer Zahl auf und befrißt neben Obst-
bäumen vor allem auch die Eichen i). Gegenmittel sind gleichfalls nicht anwendbar.
§79. Der Eichenwickler, Tortrix viridana. Der kleine Falter mit
etwa 2,2 cm Flügelspannung hat schön hellgrüne Vorderflügel mit gelbweißem Fran-
sensaum und hellgrauem Hinterflügel mit grauweißem Saum, ein dunkel-gelbgrünes
Räupchen mit schwarzem Kopf und schwarzen Wärzchen, \\elche feine Haare tragen,
fast schwarze Puppe.
Der Schmetterling schwärmt Ende Juni, und das Weibchen legt seine Eier
einzeln oder in kleinen Partien an die Knospen in den Kronen älterer Eichen;
die im Frühjahr erscheinenden Räupchen befressen zuerst die Knospen, dann Blätter
und Blüten, und verpuppen sich Anfang Juni in zusammengerollten Blättern, Rinden-
ritzen u. dergl. Sie treten bisweilen in ungeheurer Menge auf; der Fraß beginnt, ent-
sprechend der Eierablage, in den Kronen und wird bisweilen zu vollständigem Kahl-
fraß, doch begrünen sich die Bäume mit Hilfe der Johannitriebe wieder, und einiger
Zuwachsverlust ist wohl der ganze Schaden.
Gegenmittel sind nicht anwendbar, doch gehen durch Spätfröste, welche das
junge Laub zerstören, oft sämtliche Räupchen zugrunde und ebenso vermag naß-
kaltes Regenwetter der Kalamität nicht selten ein schnelles Ende zu bereiten.
III. Die Deformitäten-Erzeuger.
§ 80. Man versteht hierunter jene Insekten, welche durch ihren Stich und bezw.
Fraß an verschiedenen Teilen unserer Waldbäume eigentümliche Rollungen und
Kräuselungen oder oft sehr in die Augen fallende Wucherungen (Gallen) hervor-
rufen; der hiedurch verursachte Schaden ist zwar in den meisten Fällen ein nur ge-
ringer, kann aber bisweilen doch ein nennenswerter sein — jedenfalls soll der Forst-
1) Im Jahre 1883 fand im Spessart in Eichenbeständen auf größerer Fläche ein Kahlfraß
durch H. defoliara statt. Den Puppen gingen die Wildschweine begierig nach.
266 VII. F ü rst, Forstschutz.
mann die Ursache solcher auffallender Erscheinungen kennen, und wir führen des-
halb die häufigsten dieser Deformitäten-Erzeuger kurz an:
1. Auf Nadelholz.
Hier tritt uns durch auffallende Bildungen die Gattung der Rindenläuse,
Chermes, entgegen, merkwürdig durch ihre teils geschlechtliche, teils ungeschlecht-
liche Fortpflanzung, ihr Auftreten in geflügeltem und ungeflügeltem Zustand und
ihr Wandern in den verschiedenen Stadien der Entwicklung von einer Nadelholzart
auf die andere unter Erzeugung ganz verschiedener Erscheinungen an den Nadeln.
Diese erst in der Neuzeit klar gestellten Verhältnisse waren Ursache, daß die ver-
schiedenen Entwicklungsstadien als eigene Arten betrachtet wurden. Es seien hier
genannt: Die grüne F i c h t e n r i n d e n 1 a u s , Chermes viridis Ratz. ; sie ver-
ursacht die großen, grünen, rotgeränderten, zapfenartigen Gallen an der Basis der
Zweige meist jüngerer Fichten, diese halb umfassend und zu eigentümlicher Krüm-
mung veranlassend. Die Zwischenform findet sich auf der Lärche, an den Nadeln
saugend, wodurch sie an der Fraßstelle verblassen imd sich knieförmig biegen; w-eiße
Wollausscheidungen lassen das bisher als eigene Art — Chermes laricis — bezeichnete
Insekt leicht ins Auge fallen.
Die rote Fichtenrindenlaus, Chermes strobilobius Kaltenb., er-
zeugt ebenso wie eine zweite sehr ähnliche Art Ch. coccineus Ratz, kleine, zuerst
gelblichweiße, später braune Gallen an den Triebspitzen der Fichte, diese nicht selten
abschließend und die Spitzen zum Absterben bringend ; beide finden sich vorwiegend
an schon älteren und minder gutwüchsigen Fichten. Die Zwischenform der ersteren
Art lebt auf der Weißtanne, der letztern auf der Lärche.
In sehr in die Augen fallender Weise zeigt sich nicht selten die Rinde von
Weymouthskiefern und Tannen mit einem weißen, wachsfleckigen Ueberzug bedeckt,
herrührend von Ausscheidungen an der Rinde saugender Chermesarten, deren hier
tätige Generation früher ebenfalls als eigene Art (Ch. strobi, piceae) bezeichnet wurde.
2. Auf L a u b h o 1 z.
Die Gallwespen, Cynipidae, erzeugen durch die Ablage ihrer Eier an
Blätter, Zweige, Knospen, Blüten und durch den Reiz, welchen der Fraß der kleinen
Larve verursacht, eigentümliche Wucherungen, Gallen, verschiedenster Art und
Größe, die oft sehr ins Auge fallen. Namentlich ist es die Eiche, auf der eine Anzahl
solcher Gallwespen lebt: so die Eich engall wespe, Cynips quercus folii, die
bekannten großen rot und grünen sog. Galläpfel auf der Unterseite der Eichenblätter
erzeugend ; die Zapfengallwespe, C. fecundatrix, die Verursacherin der
hopfenartigen, anfänglich grünen, dann braunen Zäpfchen an der Spitze der Eichen-
zweige ; die Eichenrosengallwespe, C. terminalis, große, rosenfarbige
Schwammgallen an den Zweigspitzen der Eiche hervorrufend. Hierher gehören auch
jene im Süden vorkommenden Gallwespen, deren Stich die bekannten, als Gerbe-
mittel Verwendung findenden Knoppern erzeugt.
Die Buchengallmücke, Cecidomyia fagi, verursacht in ähnlicher Weise
die kegelförmig zugespitzten grün und roten Gallen, welche sich allenthalben und oft
in großer Menge auf den Buchenblättern finden.
In auffallend starker Weise wird die Ulme von einigen Blattlausarten heimge-
sucht. Die Blätter derselben zeigen sich auf der Oberseite oft ganz überdeckt mit
großen, grünen, später mißfarbigen Blasen, von der Blattaschen-Ulmen-
blattlaus, Tetraneura ulmi, herrührend ; an der Basis der Blätter jüngerer Ulmen
finden sich häufig die bis walnußgroßen blasigen Auftreibungen der Beutelgal-
len-Ulmenblattlaus, Schizoneura lanuginosa.
Nachteile durch Gewächse. § 82. 267
Die Rinde alter Buchen findet sich bisweilen dicht bedeckt mit den; weißen
Sekret der B u c h e n w o 1 1 a u s , Coccus fagi.
2. Gefährdung durch Gewächse.
I. Forstunkräuter.
§ 81. Begriff; Auftreten. So wenig wir jedes im Wald vorkommende
und von Baumteilen sich nährende Insekt sofort als „Forstinsekt" bezeichnen können,
ebensowenig werden wir jede im Wald auftretende Pflanze als „Forstunkraut" an-
sprechen. Mit diesem letztem Namen bezeichnen wir vielmehr nur jene Gewächse,
welche in g r ö ß e r e r Zahl und gemeinschaftlich auftretend imsern wald-
baulichen Bestrebungen in irgend welcher Weise hindernd entgegentreten, das Ge-
deihen unserer Holzgewächse beeinträchtigen.
Dieses Auftreten von Forstunkräutern und deren Art ist nun durch verschiedene
Faktoren bedingt : durch die mineralische Zusammensetzung des
Bodens, dessen großem oder geringem Gehalt an Feuchtigkeit, vor allem
aber auch durch die Einwirkung des Lichtes. Im dicht geschlossenen alten Bu-
chenbestand sehen wir keinen Grashalm, in der Kiefemdickung ist keine Spur des
Heidekrautes mehr vorhanden, das vorher die Schlagfläche dicht überzog, und das
alsbald wieder erscheint, wenn der ältere Föhrenbestand sich anfängt zu lichten,
ebenso wie der zum Zweck der Verjüngung gelichtete Buchenbestand alsbald eine
leichte Begrünung, die kahle Fläche des abgetriebenen Fichtenbestandes einen dichten
und mannigfaltigen Unkrautüberzug an Stelle der bisherigen Moosdecke zeigt.
Je frischer und kräftiger der Boden, je voller die Einwirkung des Lichtes, um
so mannigfaltiger und üppiger pflegt dieser Ueberzug zu sein, während auf ärmerem
Boden und bei gedämpfter Lichteinwirkung nur wenige Unkräuter — etwa Heide
im erstem, Heidelbeere im letztern Fall — oft weithin die Decke des Bodens bilden.
Die Ansprüche der verschiedenen Unkräuter an das Licht, wie an die Eigenschaften
des Bodens sind hiebei vielfach so charakteristisch, daß der Forstmann aus deren
Auftreten manche wichtige Schlüsse ziehen kann : eine leichte Begrünung
des Buchensamenschlages sagt ihm, daß genügend Licht für den aufkeimenden Nach-
wuchs vorhanden sei, im Eichenstangenholz gilt sie ihm als ein Zeichen, daß der
bodenschützende Unterbau nun bald am Platze ist; wo Heide woichert, wird er auf
die Nachzucht anspruchsvoller Holzarten verzichten, während ihm Himbeere und
Tollkirsche den Boden als noch frisch und kräftig bezeichnen, Binsen und Simsen
auf stagnierende Feuchtigkeit deuten i).
§82. Zu fürchtende Nachteile; Nutzen. Ein mehr oder we-
niger dichter Ueberzug von Forstunkräutern verschließt den Boden der natürlichen
Ansamung, bereitet aber auch der künstlichen Aufforstung, der Bearbeitung des
Bodens für die Saat, der Herstellung der Pflanzlöcher Schwierigkeiten und verur-
sacht hiedurch, wie durch die etwa gebotene Anwendung stärkeren Pflanzenmateriales
oft wesentlich höhere Aufforstungskosten. Die Forstunkräuter, meist raschwüchsig,
und, wenn auch bei der Kultur entfernt, rasch wieder erscheinend, überwachsen die
meist langsamer als die Unkräuter wachsenden Holzpflanzen, entziehen ihnen den
Licht- und Taugenuß, nehmen einen großen Teil der im Boden vorhandenen löslichen
Nährstoffe in Anspruch, halten namentlich die nur leichteren Regen ab, in den Boden
einzudringen, während sie selbst durch Verdunstung dem Boden viel Feuchtigkeit
') Vgl. A. K. Ca Jan der, Ueber Waldlypen. Forslw. (Blatt 1M12 S. 99).
268 ^'11- Fürst, Forstschulz.
entziehen; überlagern endlich, im Herbst und Winter absterbend, die Holzpflanzen
oft so vollständig, daß diese zugrunde gehen. Ebenso überwuchern einzelne Schling-
und Rankengewächse selbst stärkere Pflanzen vollständig, sie zu Boden drückend.
An den im Grase stehenden Pflanzen beobachten wir im Frühjahr häufig Frost-
beschädigungen als Folge starker Verdunstung, und Mäuse finden willkommenen
Schutz im dichten Gras- und Unkrautüberzug.
So sind die Forstunkräuter dem Forstmann eine meist unwillkommene Er-
scheinung, willkommen nur etwa zur Bindung allzu lockern Bodens oder als lichter
Schutzbestand in trockenen oder frostigen Lagen in Gestalt von Besenpfriemen und
Wachholder. Daß sie zur Fütterung des Viehes — durch Gras- oder Weidenutzung
— dann als Streumaterial — Heide, Besenpfriemen, Famkraut, dürres Gras — oft
ausgedehnte Verwendung finden, und ihre mannigfachen Beerenfrüchte — Heidel-,
Preißel-, Erd- und Himbeeren — , die teilweise geradezu Handelsartikel geworden
sind, eine allerdings mehr der armen Bevölkerung als dem Waldbesitzer zugute kom-
mende wertvolle Nebennutzung bieten, möge zugunsten der Forstunkräuter noch
iiervorgehoben sein.
§ 83. Bezeichnung der häufigsten Forstunkräuter. Die
Forstunkräuter sind bald krautartig und alljährlich absterbend, bald zwei- und mehr-
jährig, im letztern Falle teils am Boden hinkriechende kleinere Sträucher, wie die
Beerkräuter, die Heide, bald aber zu kräftig in die Höhe strebenden eigentlichen
Sträuchern sich entwickelnd, wie Schwarz- und Weißdom, Hollunder u. dgl. Für
das Auftreten der einen oder andern Art ist der Standort, insbesondere aber auch
der Feuchtigkeitsgrad des Bodens maßgebend, so daß wir sie nach diesem letztern
einigermaßen gruppieren können.
Auf nassem und t o r f i g e m Boden finden wir einige Beerkräuter : die
Moosbeere und Rauschbeere, ferner die Sumpfheide, den Sumpfporst, das Wollgras,
verschiedene sog. saure Gräser: Riedgras, Binsen und Simsen, dann das Sumpfmoos,
auch das sog. Bürstenmoos.
Mannigfaltig ist die Unkräutervegetation auf gutem, frischem Boden :
Fingerhut, Tollkirsche, Weidenröschen, Brennessel, Hanfnessel, Himbeeren, Brom-
beeren, Farnkräuter und breitblätterige Gräser verschiedenster Art bilden den dich-
ten Bodenüberzug im vollen Licht; im geschlossenen älteren Fichten- und Tannen-
bestand sind es Moose, meist zur Gattung Hypnum gehörig, die den Boden decken.
Auf kalkhaltigem Boden treten insbesondere auch noch Kleearten auf, wie auch
sonst die Flora desKalkbodens eine besonders reiche und charakteristische zu sein pflegt.
Auf trockenem, sandigem oder durch Freiliegen, Streunutzung etc.
heruntergekommenem Boden finden wir Heide, Heidelbeere, Preißelbeere, die Ginster-
arten, Besenpfrieme, Habichts- und Kreuzkraut, Wolfsmilch, Hauhechel, Wollblume,
dann die trockenen, schmalblätterigen Angergräser.
Die Sträucher, welche in unseren Waldungen auftreten, namentlich auf
gutem, frischem Boden ( Auwaldungen) üppig und lästig wuchernd, sind : Schlehdorn
(Schwarzdorn), Weißdorn, Hollunder, Faulbaum, Hartriegel, Beinweide, Spindel-
baum, Stechpalme, Geisblatt, auf trockenerem Boden Wachholder, Sanddorn.
§ 84. Mittel der Abwehr. Wie bei der schädlichen Tierwelt, so werden
wir auch hier dem massenhafteren Auftreten der Forstunkräuter in erster Linie vor-
zubeugen suchen, indem wir ihnen die Bedingungen freudigen Gedeihens tun-
lichst entziehen. Wir suchen den Bestandesschluß zu erhalten, stellen unsere Be-
samungsschläge dunkel, hauen so langsam nach, als dies die Holzart gestattet; suchen
dort, wo wir zum Kahlhieb genötigt sind, diesem mit der Aufforstung rasch zu folgen,
Gefährdungen liiircli die anorganische Natur. § 86. 269
wählen die Pflanzung ev. mit stärkeren, verschulten Pflanzen an Stelle der Saat oder
kleiner Pflänzlin2;e, da erstere weniger durch Unkrautwuclis leiden, den Schluß rasch
wieder herstellen.
Ist aber der Gras- und Unkraut\\aichs auf den von uns zu kultivierenden Flä-
chen schon vorhanden oder stellt er sich alsbald nach der Kultur in bedrohlicher Ent-
wicklung ein, so gilt es, ihn tunlichst zu zerstören. Starken Graswuchs hält
man mit der Sichel durch Abgabe des Grases als Viehfutter nieder, oder läßt in
Saaten das Gras durch Rupfen (wozu sich die Futterbedürftigen allerdings viel
weniger gern herbeilassen) entfernen; Heide, Besenpfrieme, Farnkräuter sind in den
meisten Gegenden als Streumaterial absetzbar und werden kostenlos entfernt. Wo
aber solche Abgaben lästiger Unkräuter als Futter und Streu nicht möglich, darf
man auch Kosten für das Ausschneiden derselben, das Niedertreten von Farn und
Brombeeren, das Heraushauen holziger Sträucher nicht scheuen ; selbst Eintrieb und
resp. Durchtrieb von Schafen und Rindvieh durch stark graswüchsige Fichtenkulturen
hat man schon nüt überwiegendem A'orteil angewendet.
Gegen den Wiederausschlag der Stöcke lästiger Sträucher und Weichhölzer
leistet das Uebererden der Stöcke, Zudecken derselben mit nicht zu kleinen Erd-
haufen und Plaggen gute Dienste. — Landwirtschaftlicher Zwischenbau, wie er in
der Rheinebene teilweise im Gebrauch, zerstört den Unkrautwuchs zwischen den
Pflanzenreihen vollkommen.
Sehr lästig kann der Unkrautwuchs in Forstgärten werden. Neben dem Aus-
jäten als Mittel der Zerstörung wären das Decken der Räume zwischen den
Pflanzenreihen mit Laub und Moos, Vorsicht bei Anwendung des sog. Kompost-
düngers, der viel Unkrautsamen enthalten kann, wie bei Auswahl des Platzes für
Saatbeet oder Forstgarten als Mittel der Vorbeugung zu nennen.
2. Schmarotzergewächse.
§ 85. Als solche erscheinen zunächst zwei Gewächse aus der Familie der M i s-
teln: die allenthalben verbreitete gewöhnliche Mistel (Viscum album) und die
Eichenmistel oder Riemenblume (Loranthus europaeus), welche mehr in südlichen
Ländern zu Hause ist. Erstere durchsetzt mit ihren Senkwurzeln das Holz insbeson-
dere von Tannen, Föhren, Linden, Schwarzpappeln, Akazien (nie von Eichen, Bu-
chen, Lärchen, höchst selten Fichten) und macht, wenn sie am Stamm auftritt, das
Holz zu Nutzholzzwecken unbrauchbar; letztere erzeugt namentlich an Eichen oft
kopfgroße Wucherungen, oberhalb deren der Stamm nicht selten abstirbt. Mittel
gegen beide Schmarotzer, die im großen anwendbar wären, gibt es nicht.
Im weitern sind es Pilze, welche, in das Innere der Gewächse oder einzelner
Teile derselben eindringend, diese mehr oder weniger zerstören, ihr langsameres oder
rascheres Absterben bewirken. Im engen Zusammenliang mit den Pflanzenkrank-
heiten stehend und vielfach deren Ursache mögen sie mit jenen Besprechung im
IV. Abschnitt finden.
III. (Jefährdiingeii durch die anorganische Xatiir.
1. Gefährdungen durch niedere oder hohe Temperatur (Frost und Hitze).
A. Frost.
§ 86. Je nach der Zeit des Auftretens unterscheiden wir den zur Zeit völliger
Vegetationsruhe auftretenden Winter frost, den spät im Frühjahr nach bereits
eingetretenem Erwachen der Vegetation sich einstellenden Frühjahr s- oder
270 VII. F ürst, Forstschutz.
Spät frost, endlich den Herbst- oder Früh frost, welcher, zeitig im Herbst ein-
tretend, die noch nicht vollständig abgeschlossene Vegetation beschädigt. Eine be-
sondere Art von Frosterscheinung ist endlich das sog. Auffrieren, der B a r-
frost, durch welchen lockerer, wasserhaltiger Boden und mit ihm die in dem-
selben wurzelnden schwächern Pflanzen gehoben werden.
§ 87. Der Winterfrost wird unsern Waldbäumen nur dann schädlich,
wenn er entweder besonders hohe Grade erreicht oder nur schwach verholzte Pflanzen-
teile trifft — andernfalls geht er ohne Beschädigung vorüber. Er kann physiologisch
schädlich werden, das Pflanzengewebe tötend oder doch schädigend, und mechanisch
schädlich, das Gewebe zerreißend, ohne weitere nachteilige Folgen für das Leben des
Baumes (Frostrisse).
Durch den Winterfrost leiden namentlich die nicht vollständig verholzten
Pflanzenteile, und wir sehen daher einerseits die sog. Johannitriebe häufig erfrieren,
dann aber auch die Triebe jener Holzgewächse, welche dank feuchtwarmer Herbst-
witterung, reichlicher Lockerung und Düngung des Bodens bis spät in den Herbst
hinein fortgewachsen sind; ebenso z. B. auch einjährige, infolge später Saat und
trockenen Frühjahrs erst spät aufgekeimte Eichenpflanzen. Bei hohen Kältegraden,
insbesondere wenn mit anhaltender starker Kälte des Nachts sonnige Wintertage
mit verhältnismäßig hoher Temperatur wechseln, leiden aber auch ältere Stämmchen
und Pflanzen an Stamm und Wurzeln Not, die Nadeln unserer Fichten und Tannen
röten sich; so starben im strengen Winter 1879/80 zahlreiche Eichenstangen ab,
Tannenpflanzen wurden getötet, die Sonnseiten der Nadelholzbestände gerötet. —
Auch plötzliche Freistellung von Pflanzen, die bisher sehr geschützt standen, läßt
bei nur etwas stärkerer Kälte Beschädigungen wahrnehmen, und ebenso scheint im
Frühjahr unmittelbar vor Laubausbruch bei manchen Holzarten — so Fichten und
Tannen — gesteigerte Empfindlichkeit gegen Frost zu bestehen. Schneeloser Winter
verhält sich ebenfalls ungünstiger, läßt die Jüngern Wurzelteile erfrieren, während
eine Schneedecke guten Schutz gewährt.
Mittel zum Schutz gegen diese Beschädigungen stehen uns, wie leicht einzu-
sehen, nur im geringsten Maß zu Gebote.
Als mechanisch schädliche Folge strengen Winterfrostes erscheinen die sog.
Frostrisse oder E i s k 1 ü f t e. Während R. Hartig ^) sie dadurch zu erklären
suchte, daß beim Gefrieren das Wasser aus der Holzwandung austrete, wodurch bei
stärkerem Frost Schwindrisse entstehen, ist H. Mayr ^) der Ansicht, daß das Auf-
reißen der Stämme bei sehr niederen Temperaturen Folge der Zusammenziehung
durch Abkühlung sei, wobei in den äußern am stärksten sich abkühlenden Holz-
schichten die Zusammenziehung am größten ist und schließlich die Trennung durch
einen zur Sehne senkrechten Riß erfolgt. Diese Frostspalten, welche sich beim Auf-
tauen wieder schließen, sucht der Baum durch gesteigerten Zuwachs an den Seiten
des Risses (infolge verminderten Rindendruckes) zu überwallen; hiedurch entsteht
eine anfänglich geringe, bei wiederholtem Aufreißen und Ueberwallen aber sich stei-
gernde Erhöhung längs des Stammes, welche als Frostleiste bezeichnet wird.
— Der Nachteil durch Frostrisse, welche man insbesondere an Eichen, Edelkastanien,
Nußbäumen, auch Eschen und Ulmen — und zwar auf deren Nord- und Ostseiten —
wahrnimmt, besteht darin, daß solche Stämme zu mancher technischen Verwendung
1) Lehrbuch der Baumkrankheiten. .-Vusführlich bespricht die verschiedenen bez. der Ent-
stehung der Forslrisse bestehenden Ansichten Nördlinger (Forstschutz S. 420 ff.).
2) S. Gayers Forstbenutzung, 10. .\ufl. S. 334.
Gefährdungen durch Frosl. § 89. 271
unbrauchbar werden; aucli beginnt von den Frostrissen aus nicht selten Fäulnis des
Stammes. — Schutzmittel stehen uns nicht zur Verfügung.
§ 88. Viel gefürchteter als der Winterfrost ist der Spät- oder Frühjahr s-
f ro s t; die durch diesen verursachten Beschädigungen sind um so größer, je später
im Frühjahr er sich einstellt, je weiter die Vegetation entwickelt ist. Er tötet die
zarten Bliittor und frischen Triebe, die Keimlinge und die Blüten vieler Holzarten
völlig, durch die Vernichtung der letzteren die Aussicht auf ein Samenjahr zerstö-
rend; stärkere Pflanzen werden zwar nicht getötet, können aber infolge wiederholter
Frostbeschädigung zuletzt vollständig verkrüppeln (so Fichten in sog. Frostlöchern).
Sehr verschieden ist nun das Verhalten der einzelnen Holzarten dem Spät-
frost gegenüber, und manche ertragen eine Temperatur bis zu — 5, ja — 7 Grad,
werden daher, da solch' bedeutende Temperaturerniedrigimg nach schon erwachter
Vegetation fast nie stattfindet, als frosthart bezeichnet, während jene, welche
schon bei viel geringeren Frostgraden erfrieren, empfindliche Holzarten ge-
nannt werden. Zu den ersteren gehören : Hainbuche, Birke, Erle, Ulme, Aspe, Weide,
Vogelbeere, dann Föhre, Schwarz- und Weymouthskiefer, zu den letzteren Esche,
Edelkastanie, Eiche, Buche, Akazie, Tanne; in der Mitte dürften etwa Ahorn, Linde,
Fichte und Lärche stehen.
Verschiedene Momente erhöhen die Schädlichkeit des Spätfrostes, die Gefahr
durch diesen. Die meisten Waldbäume ertragen einige Grade unter 0 bei trockenem
Frost, Reif bil düng dagegen und längere Dauer des Frostes erhöht dessen schädliche
^^'irkung; bewegte Luft wirkt günstig — wir sehen dort, wo der Luftzug fehlt, in
den sog. Frostlöchern, die Frostbeschädigung fast alljährlich auftreten,
ebenso dort, wo durch Wasser- und Wiesenflächen die Verdunstung eine besonders
starke ist; Pflanzen inmitten dichten Graswuchses erfrieren leichter als jene auf un-
benarbtem Boden. Die Frostbeschädigung macht sich vielfach nur bis zu einer ge-
wissen Höhe, der sog. F r o s t h ö h e bemerkbar, oberhalb deren die Pflanzen un-
beschädigt bleiben; es ist dies dadurch bedingt, daß nach oben die Luft bewegter
wird und die kalten Luftschichten, weil schwerer, mehr nahe dem Boden bleiben.
Aus gleichem Grunde sehen wir Frostbeschädigungen in Tälern und Einsenkungen
auftreten, während die höheren Lagen unbeschädigt bleiben.
Süd- und Südwestgehänge sind infolge der dort früher erwachenden Vegetation
gefährdeter, als Nordwest- und Nordgehänge; Ostgehänge leiden durch die kalten,
frostbringenden Ostwinde, ebenso aber auch durch die sofortige Erwärmung durch
die Sonne nach einer hellen Frostnacht, da rasches Auftauen der gefrorenen Pflanzen-
teile stets besonders nachteilig wirkt.
Die empfindliche Eiche und Akazie entgehen nicht selten durch ihr spätes
Ergrünen dem Spätfrost, ebenso der Gipfeltrieb der Tanne, der sich später ent-
wickelt, als die Seitentriebe ; die Lärche ist am empfindlichsten im Moment der
allerdings sehr früh eintretenden Knospenentfaltung, später weniger. — Die durch
Spätfröste entlaubten Laubhölzer begrünen sich innerhalb einiger Wochen mit Hilfe
von Adventivknospen zwar wieder, jedoch nur spärlich ; auch die Lärche treibt wieder
nach, dagegen ersetzen die wintergrünen Nadelhölzer die erfrorenen Triebe im selben
Jahr nicht wieder.
§ 89. Die Mittel, durch welche wir im größern Forstbetrieb den Wirkungen
des Spätfrostes einigermaßen vorbeugen können, liegen vorwiegend auf dem
Gebiet des Waldbaues. Gestützt auf die Wahrnehmung, daß unter dem Schirme
stärkerer Bäume infolge der gehemmten Wärmeausstrahlung Spätfrosterscheinungen
nicht oder doch nur in abgeschwächtem Maße auftreten, erziehen wir unsere empfind-
272 ^^^- Fürst, Forstschutz.
licheren Holzarten unter einem Mutter- oder Schutz- Bestand, lialten
diesen dunkel, hauen langsam und allmählich nach, jeden plötzlichen Uebergang
zur Freistellung tunlichst meidend. — Fehlt einer aufzuforstenden Fläche der Schutz-
bestand, so erziehen wir, wenn die Aufforstungen mit gegen Frost empfindlicheren
Holzarten zu erfolgen hat, uns nicht selten einen solchen durch vorausgehende Be-
pflanzung der Fläche mit raschwüchsigen und frostharten Holzarten — Föhre, Erle,
Birke — die nach genügender Erstarkung der zwischen den Pflanzenreihen eingebrach-
ten empfindlicheren Holzart (Fichte) allmählich und vorsichtig wieder entfernt wer-
den. Hochstengliche Forstunkräuter, wie Besenpfriemen, Wachholder, Sträucher ver-
schiedener Art bilden bisweilen einen natürlichen und gut zu benützenden Schutz-
bestand. — In Ermangelung des letztern wählen wir bei empfindlicheren Holzarten
zur Aufforstung stets stärkere Pflanzen, die vom Frost nur beschädigt, nicht aber
getötet werden, der Gefahr auch rascher entwachsen; Wildlinge, die bisher etwa
unter stärkerer Beschattung standen (Buclien, Tannen, Fichten), sind, weil gegen
Frost und Hitze gleich empfindlich, zu solchen Kulturen ins Freie verwerflich.
Von besonderer Bedeutung ist der Schutz unserer Saatkämpe und Forstgärten,
und stehen uns für diese neben den Vorbeugungs- auch direkte Schutzmittel zu Gebot.
Zu ersteren gehört die zweckmäßige Auswahl der Oertlichkeit: das \'ermeiden
von Frostlagen, das Vorhandensein von Seitenschutz durch umliegende Bestände;
ferner die Aussaat empfindlicher Holzarten (Eichen, Buchen) im Frühjahr statt im
Herbst, da hiedurch die Keimung wesentlich verzögert wird. Als direktes Schutz-
mittel ist das Bestecken der Pflanzenbeete mit Reisig, das Decken mit Schutz-
gittern zu betrachten, ja man ist da und dort so weit gegangen, dem ganzen Saatbeet
eine Hochdeckung zu geben. Das Ueberhalten einer Schutzbestockung auf einer
Saatbeetfläche führt so viele Nachteile mit sich, daß es nur ausnahmsweise anwend-
bar ist. P?J '
§ 90. Viel weniger Gefahr als die Spätfröste bringen die zeitig im Herbst ein-
tretenden Früh- oder Herbstfröste mit sich ; abgesehen davon, daß sie über-
haupt seltener eintreten, werden durch sie nur die noch unverholzten Pflanzenteile
betroffen, der Schaden ist liiedurch ein geringerer. Später Hieb in Ausschlagwal-
dungen (Schälwald), warmer und feuchter Herbst, der die Vegetation lange nicht
abschließen läßt, steigern die Gefahr; namentlich die Eiche mit ihren sog. Johanni-
trieben erscheint bedroht.
§ 91. Eine in Forstgärten und Saatkulturen gefürchtete Erscheinung ist jene
des Auffrierens des Bodens, des Ausfrierens der Pflanzen: die Erscheinung des sog.
Barfrostes. Der lockere, feuchte, einer festigenden Bodendecke bare Boden
wird durch das Gefrieren des Wassers gehoben, mit ihm die Pflanzen, und bei dem
mit eintretendem Auftauen stattfindenden Zurücksinken des Bodens bleiben diese
letztern obenauf liegen und gehen dann durch Vertrocknen meist zugrunde. Lockerer,
feuchter Boden und wechselndes Frost- und Tauwetter, wie wir solches insbesondere
an hellen Tagen im Februar und März wahrnehmen, sind sonach Bedingungen dieser
Erscheinung.
Durch den Barfrost leiden erklärlicherweise vorwiegend flachwurzelnde Holz-
arten, die Fichte, die Tanne mit ihrer langsamen Entwicklung, während die
tiefwurzelnde Eiche, Föhre, Edelkastanie wohl nur ausnahmsweise beschädigt werden.
Wir beugen der Gefahr des Ausfrierens vor durch Entwässerung feuchter Orte,
Anwendung der Pflanzung anstelle der Saat, der Ballenpflanzung an Stelle der Pflan-
zung mit nacktwurzeligen Pflanzen in gefährdeten Oertlichkeiten. Im Saatbeet
unterlassen wir ein Lockern und Ausgrasen der Beete im Herbst, decken die
Gefährdungen durch Hitze. § 93. 273
Zwischenräume zwischen den Pflanzen mit Laub oder Moos, häufeln die Pflanzen
an; drücken nach eingetretener Beschädigung die gehobenen Pflanzen wieder an oder
übersieben die bloßgelegten Wurzeln mit klarer Erde.
B. Hitze.
§ 92. Die Hitze — hohe, durch die Einwirkung der Sonne hervorgerufene
Wämie ■ — wird direkt nur durch den sog. Rindenbrand, indirekt aber durch das
Austrocknen des Bodens bei gleichzeitig gesteigerter Verdunstung der Blätter nach-
teilig, so daß die Pflanze ihren Wasserbedarf aus dem Boden nicht mehr zu decken
vermag. Trockene Ostwinde steigern diese nachteilige Wirkung.
Sie macht sich geltend in dem Kümmern und endlichen Absterben von Keim-
lingen und schwächern, ja selbst stärkern Pflanzen, im Vertrocknen keimender Sa-
men, im Welkwerden von Blättern und Blüten vieler Gewächse, dem Taubwerden
und Abfallen bereits angesetzter Früchte. Selbst an älteren Bäumen kann man ein
frühzeitiges Welkwerden und Vergelben der Blätter wahrnehmen, und heißen Som-
mern pflegt stets ein verhältnismäßig starker Anfall an Dürrholz zu folgen ''-).
Begünstigung der Vermehrung schädlicher Insekten, welchen trockenes Wetter
stets günstiger als naßkaltes ist und durch die kränkelnden Stämme vermehrte Brut-
stätten geboten sind, dann erhöhte Gefahr durch Waldbrände erscheinen als sekun-
däre Folgen der Trockenhitze.
Die nachteiligen Wirkungen der Hitze und bezw. des durch sie hervorgerufenen
Austrocknens des Bodens machen sich nun erklärlicherweise ganz besonders geltend :
auf an sich trockenerem oder flachgründigem Boden (Sand, Kalk), an den heißen
Süd- und Westgehängen, bei seicht wurzelnden Holzarten (Fichte, Tanne) bei
Saatkulturen und jungen Pflanzungen, namentlich bei erst frisch versetzten und noch
nicht genügend angewurzelten Pflanzen. Aus letzterem Grund ist auch Trockenhitze
und austrocknender Ostwind zur Kulturzeit und unmittelbar nachher besonders
verderblich.
Auch die Wirkung des Reflexes macht sich in der Nähe einzeln stehender Bäume
oder ganzer Schlagwände oft in unangenehmer Weise geltend; wir sehen dort den
Schnee zuerst schmelzen, den Boden früher ergrünen, aber auch im heißen Sommer
die Vegetation am ersten kümmern und selbst absterben.
§ 93. Wie bei dem Frost, so liegen auch bez. der Hitze die Mittel der Vor-
beugung auf waldbaulichem Gebiet: Verjüngung unter Mutter- oder Schutzbe-
stand, Erhaltung des Seitenschutzes gegen Süd und West dort, wo man Kahlhiebe
führen muß, und nur geringe Breite dieser Kahlhiebe; Erhaltung eines Waldmantels
zum Schutz gegen austrocknende Winde und ev. selbst Erziehung eines solchen;
richtige Wahl der Holzart, sowie der Pflanzung an Stelle der stets gefährdeteren Saat,
Verwendung stärkerer und reichbewurzelter Pflanzen an Stelle schwacher, unver-
schulter Pflänzlinge; tiefe Bodenlockerung und vertiefte Saatstreifen dann, wenn
irgend welche Gründe gleichwohl zur Saat nötigen — das sind etwa die wichtigsten
^'orbeugungsmitteI im Wald.
Im Forstgarten stehen uns solche Mittel zu Gebote zunächst wieder in der rich-
tigen Auswahl des Platzes, seitlich gegen Süd und West geschützter Oertlichkeiten;
in dem Decken der frisch angesäten Beete mit Reisig, Moos, Schutzgittern, dem Schutz
der Keimlinge und schwachen Pflanzen durch aufgesteckte Aeste und übergelegte
1) Der abnorm heiße und trocl\ene Sommer 1911 hat bekanntlieh ganz außerordentliche \'er-
heerungcn in den Waldungen angerichtet; schon geschlossene Fichten- und Föhrenkulturen,
ja selbst die Ränder von Fichtenstangenhölzern, vereinzelt auch ältere Stämme starben ab.
Handb. d. Forstwisa. 3. Aufl. II. 18
274 ^^I- Fürst, Forstschutz.
Gitter; in dem häufigen Lockern, Ausgrasen, Anhäufeln der Beete und resp. Pflanzen.
Auch zur Gieskanne greifen wir wohl im Notfall ; wo die Bewässerung der Saatbeete
ohne allzugroße Kosten möglich ist, wird sie sich stets vorteilhaft erweisen.
§ 94. Als eine Folge direkter Einwirkung der Sonne erscheint der sog. R i n-
denbrand, bei welchem an den der Sonne in hohem Grade ausgesetzten Süd-
und Südwestseiten der Stämme deren Rinde streifenweise trocken wird, aufreißt
und schließlich abfällt; das bloßgelegte Holz stirbt ab und verfällt der sich mehr und
mehr ins Stamminnere ziehenden Fäulnis. Es ist diese Erscheinung zu erklären als
Folge der außerordentlich hohen Temperatur, welche bei direkter Bestrahlung durch
die Sonne im Hochsommer zwischen Holz und Rinde entstehen kann, eine Tempe-
ratur, die zur Tötung des Cambiums ausreicht.
Nur unter bestimmten Verhältnissen seiien wir diese Erscheinung auftreten
bei glattrindigen Holzarten, obenan der Buche, dann Hainbuche, Esche,
Ahorn, auch jüngeren Fichten und Eichen, wenn sie, im Schluß bezw. Seiten-
schutz erwachsen, plötzlich gegen Süd oder Südwest bloßgestellt werden, wie dies
etwa bei neuen Weg- und Eisenbahnanlagen, durch starke Aufastungen am Feldrand
oder durch Abnützung eines gegen die Sonnseite vorliegenden Bestandes der Fall
ist. Namentlich zeigen auch übergehaltene Buchen diese Erscheinung, die dann
nahe dem Boden zu beginnen pflegt, und fordern in diesem Fall zu rascher Nutzung auf.
Im übrigen sucht man die Veranlassung zum Rindenbrand, die plötzliche und
unvermittelte Freistellung von Bestandsrändern, bei empfindlichen Holzarten mög-
lichst zu vermeiden; ist dies niclit möglich und zeigen sich die Randstämme schad-
haft, so wird man diese gleichwohl erhalten, um die hinter ihnen stehenden Stämme
vor gleicher Beschädigung zu schützen. Selbst die Heister empfindlicher Holzarten,
aus der Pflanzschule ins Freie gesetzt, zeigen Spuren des Rindenbrands, und wird
die Erhaltung einer rauhen Beastung, wenn diese fehlt das Umwinden mit Reisig,
als Schutzmittel zu betrachten sein. Auch bei älteren, plötzlich freigestellten Stäm-
men hat man solche schützende Mäntel von Reisig und Moos erfolgreich verwendet.
2. Gefährdungen durch atmosphäpisehe Niederschläge.
A. Fließendes und stagnierendes Wasser.
§ 95. So wohltätig im allgemeinen die Wirkungen des Regens für die Vege-
tation sind, so unentbehrlich er im heißen Sommer ist, so nachteilig können doch
auch heftige Regengüsse und die hiedurch gesteigerten Mengen fließenden
Wassers unsern Waldungen werden.
Durch starken und anhaltenden Regen, Platzregen, Wolkenbrüche wird die
bloßliegende Erdkrume an steilen, abgeholzten Gehängen, in Saatbeeten und auf
Kulturflächen mit gelockertem Boden abgeschwenmit und weggefülirt, mit ihr viel-
fach die Samen und selbst schwächere Pflanzen; Wege, Böschungen, Gräben werden
häufig zerrissen und beschädigt. Dieser durch die Gewalt des abfließenden Wassers
verursachte Schaden steigert sich im Gebirg, woselbst infolge der Terraingestaltung
oft sehr bedeutende Wassermassen in kürzester Zeit zusammenströmen, nicht selten
zu großartigen Kalamitäten, zu Uferabbrüchen, Ab- und Ueberschwemmungen und
zu Zerstörungen, die weit über den Wald hinausreichen ^).
1) In großartigem Maßstab haben solche Zerstörungen in Südfrankreich im Juragebiet
stattgefunden, in gleicliem Maßstab aber ist man dortselbst auch mit Mitteln der Abhilfe vorge-
gangen. Vergl. hierüber das Werk von D e m o n t z e y , Studien über die Wiederbewaldung
der Gebirge, übersetzt von Seckendorff 1880.
Fließendes und stagnierendes Wasser. § 96. 275
Sorgfältige Erhaltung des Waldes, seiner scliützenden Bestückung und Boden-
decke, M'o solche noch vorhanden, ev. Wiederbewaldung der kahlen Flächen; Ver-
meidung jeden größern Kahlhiebes an steilen Geliängen, der Stockrodung und Streu-
nutzung sind hier vorbeugende Mittel, um so wichtiger, je gefährdeter die Oertlich-
keit. Im eigentlichen Gebirg, zumal wenn dieses schon durch Entwaldung gelitten,
gesellen sich hiezu Schutzbauten verschiedenster Art, Uferbefestigungen, Talsperren
von oft so großartiger Konstruktion, daß die Mitwirkung des Bautechnikers geboten
erscheint.
An minder steilen und ausgedehnten Gehängen haben neuerdings die sog. Hori-
zontalgräben ziemliche Verbreitung gefunden, Stückgräben von etwa 30 cm
Tiefe und 3 — 5 m Länge, welche in Entfernungen von 5 — 10 m — je steiler, desto
enger — horizontal am Berg hinlaufend in der Weise hergestellt werden, daß immer
der Unterbrechung an einer Stelle ein Stückgraben der nächsten Horizontalen ent-
spricht. Sic fangen das Regenwasser auf, geben ihm Zeit, in den Boden einzusinken,
brechen beim Ueberfließen dessen Gewalt und erweisen sich hiedurch sehr nützlich.
An trockenen Gehängen werden sie aber aus naheliegendem Grunde auch der Be-
stockung wohltätig, beleben diese und haben deshalb in solchen Oertlichkeiten den
Namen ,,Regenerations- Gräben" erhalten ^).
Saatstreifen an Gehängen legt man stets horizontal; Forstgärten und Saat-
kämpe, wenn deren Anlage an stärker geneigten Gehängen nicht zu vermeiden ist,
terrassiert man zum Schutz gegen das Abschwemmen, und Verschwemmen des Sa-
mens angesäter Beete sucht man durch Deckung mit Reisig oder mit Schutzgittern
zu verhindern.
§ 96. Aber auch stagnierendes Wasser kann im Wald sehr lästig
und nachteilig werden; wir sehen dort, wo der Boden ein Uebermaß an Wasser ent-
hält, die Pflanzen unserer meisten Holzarten kümmern, ja bei längerem Unterwasser-
stehen sowohl jüngere Bestände wie selbst ältere Bäume auf ganzen Flächen abständig
werden^). Auf feuchtem Boden tritt an älteren Stämmen (so besonders der Fichte)
liäufig die Erscheinung der Stock- und Rotfäule auf, ältere Bestände in dem durch-
weichten Boden werden durch Windwurf heimgesucht. Die Frage nach Abhilfe tritt
an den Forstwirt heran, und Entfernung der überschüssigen Feuchtigkeit wird diese
Hilfe bieten.
In erster Linie werden wir die Ursache jenes Ueberschusses an Feuchtigkeit zu
erforschen haben. Undurchlassender Untergrund, eine Lettschichte in geringer Tiefe,
Quellen, welche keinen genügenden Ablauf haben, Grundwasser, welches von einer
nahe gelegenen Wasserfläche herdrängt, in Verbindung mit reichen atmosphärischen
Niederschlägen werden sich als Gründe ergeben; auch Ueberschwemmungen bei
mangelndem Wiederabfluß können die Veranlassung stagnierender Nässe oder völliger
A'ersumpfung sein.
Quellen sucht man zu fassen und das Wasser durch Gräben abzuleiten,
imd ebenso wird man bei un durch lassendem Untergrund sich mit-
telst Entwässerungsgräben zu helfen suchen, wobei allerdings ein entsprechendes
Gefäll nach einem natürlichen Wasserlauf oder Wasserbecken hin Bedingung ist.
Das Versenken des Wassers, indem man die undurchlassende Schichte an der tiefsten
Stelle zu durchbrechen sucht und den Schacht mit Steinen — zum Schutz gegen
1) Vergl. den Aufsatz von Haag, F. Z.-Bl. 1881. S. 208
2) Vergl. E ß 1 i n g e r s Mitteilung im Forstw. Z.-Bl. 1911. S. 394, nach welcher infolge der
dauernden Ucbcrschwemmung in den Rheinwaldungen der Pfalz 31 ha Laubholz, 17 ha Kiefern-
kultur und etwa 40 000 Laubholzheistcr eingingen.
18*
276 ^ "• Fürst, Forstschutz.
rasches Wiederverschlämmen — ausfüllt, wird nur ausnahmsweise Anwendung finden
können.
Gegen seitlich durchdrückendes Grundwasser gibt es kein Mittel der Abhilfe,
und auch die Vorsorge gegen Ueberschwemmungen geht meist über den Wirkungs-
kreis und die Mittel des Forstmannes hinaus.
Bei der Vornahme einer Entwässerungsarbeit wird nun in erster Linie zu be-
achten sein, daß nur das Uebermaß des Wassers entfernt werden soll, daß jede
zu weit getriebene Entwässemng für den Wald und namentlich auch für die Um-
gebung der entwässerten Oertlichkeiten geradezu nachteilig werden kann. Man hat
erkannt, daß es ein Fehler sei, Hochmoore zum Zweck von Kulturen zweifelhaften
Wertes zu entwässern und dadurch dem Wald das im Sommer so wichtige Wasser
jener Moore zu entziehen, oder kleinere nasse Stellen im Wald zum Nachteil der
ringsum gelegenen Bestände zu entwässern. Ja man ist an manchen Orten dahin
gekommen, daß man die in zu großer Zahl angelegten Entwässerungsgräben wieder
zugeworfen hat ^). Das durch Entwässerung einer höher gelegenen Fläche dem Wald
entzogene Wasser sucht man wo möglich durch Einleiten und Verteilung in trockene
Gehänge dem Wald zu erhalten und nutzbar zu machen -), ebenso das Wasser der
Wegegräben.
Stets soll die Entwässerung einer unbestockten Fläche ihrer Aufforstung einige
Zeit vorausgehen, damit der Boden sich genügend setzen kann; eine Entwässerung
schon bestockter Flächen muß mit großer Vorsicht geschehen, wird meist besser
unterlassen.
Größeren Entwässerungsarbeiten hat stets ein entsprechendes Nivelle-
ment und der Entwurf eines Grabennetzes vorauszugehen, kleinere können vielfach
nach dem Augenmaß ausgeführt werden. Die Herstellung der Gräben, welche meist
offene, seltener gedeckte (Reiserdrains oder Steindrains) sind, erfolgt zur trockensten
Jahreszeit, im Spätsommer oder Herbst, und beginnt an der tiefsten Stelle ; die Tiefe
und Weite des Hauptgrabens wie der Seiten- und Schlitzgräben richtet sich nach der
abzuführenden Wassermasse und den Bodenverhältnissen, durch welch letztere na-
mentlich auch die steilere oder flachere Böschung der Grabenwände bedingt ist.
Die ausgehobene Erde läßt man nicht am Grabenrande aufhäufen, sondern wirft sie,
um das Zurückschwemmen in den Graben bei Regen zu verhindern, entsprechend
auseinander.
So lange als nötig müssen die Gräben entsprechend unterhalten werden; viel-
fach läßt sich aber wahrnehmen, daß eine nasse Fläche dann, wenn der auf ihr be-
gründete Bestand in Schluß tritt, durch den starken Wassei-verbrauch des letztern
an sich trocken wird, und eine fernere Erhaltung der Gräben wird dann unnötig,
möglicherweise selbst nachteilig sein.
B. Schnee.
§ 97. Gerne sieht der Forstmann während der Wintermonate eine mäßige
Schneedecke im Wald: sie ist ihm ein Schutz für die jungen Pflanzen bei höhern
Frostgraden, bei den Fällungen in Nachhieben, erleichtert die Holzausbringung und
Abfuhr in hohem Grad und speist endlich, langsam schmelzend, den Boden mit Feuch-
tigkeit für die kommende trockene Jahreszeit.
Fein und trocken fallender Schnee bringt nun dem Wald keine Gefahr; anders,
wenn er naß und großflockig fallend sich an die Nadeln und Zweige oder, sehr zeitig
1) Vergl. R e u ß , Die Entwässerung der Gebirgswaldungen 1874.
2) Vergl. Kaiser, Beiträge zur Pflege der Bodenwirtschatt 1883.
Schncp. § 99. 277
im Herbst erscheinend, an die noch an den Lavibbäumen befindlichen grünen oder
dürren Blätter in Massen anhängt: Aeste und Gipfel, Stangen und Stämme ver-
mögen der übermäßigen Belastung nicht zu widerstehen und brechen ab — Schnee-
bruch — , Junghölzer, Dickungen werden durch diese Belastung zu Boden gedrückt,
ohne zu brechen, verlieren jedoch durch längeres Niederliegen die Fähigkeit, sich
wieder aufzurichten ^ S c h n e e d r u c k.
Außerordentlich groß sind die Beschädigungen, die unsem Waldungen in solcher
Weise zugehen können und schon zugegangen sind: ältere Bestände werden durch
Ast- und Gipfelbruch so durchlöchert, daß deren vorzeitiger Abtrieb erfolgen muß,
jüngere Bestände werden auf kleineren oder größeren Flächen durch Bruch und
Druck so vollständig zerstört, daß Abräumung imd Wiederaufforstung nötig wird.
Große Zuwachsverluste, bedeutende Kulturkosten, Störungen des Betriebsplanes
sind die nächsten Folgen; mit Mühe nur und zu gedrückten Preisen gelingt es, das
in großen Massen angefallene und vielfach geringwertige Material, das Ast- und
Gipfelholz, das geringe Gestänge zu verwerten, das Stockholz muß ungerodet im
Walde verbleiben — und neue Kalamitäten sind die Folge hievon, wie von verzögerter
Aufarbeitung und langsamem Absatz: Rüsselkäfer und Wurzelbrüter aller Art er-
scheinen, die Borkenkäfer mehren sich durch das reichlich dargebotene Brutmaterial,
und abermalige Waldbeschädigungen und finanzielle Verluste sind die weitere Folge.
§ 98. Nicht überall und namentlich nicht überall im gleichen Maß sehen wir
diese Beschädigungen durch Schnee auftreten. Wenn auch keine Standörtlichkeit
völlig verschont bleibt, so sind doch Vorberge und Mittelgebirge die eigentlichen
Schneebruchlagen, Avährend die Ebene durch geringern, das Hochgebirge durch
trockeneren Schneefall in minderem Maß leiden.
Was die Holzarten anbelangt, so ist es erklärlich, daß die wintergrünen
Nadelhölzer in viel höherem Grad zu leiden haben, als die Laubhölzer, und
letztere werden durch Schnee nur dann beschädigt, wenn zeitig eintretender Schnee-
fall noch viel dürres Laub als entsprechende Stützfläche an ihnen vorfindet, wie dies
insbesondere an Eichen- und Buchengertenhölzern der Fall. Die brüchige Föhre
hat mehr durch Schneebruch, die zähe F i c h t e in der Jugend sehr durch Schnee-
dnick zu leiden. Doch werden auch ältere Fichtenbestände durch Absprengen der
Gipfel, sowie der Stämme und Stangen häufig schwer heimgesucht, zumal wenn etwa
erstere mit Zapfen reich beladen, letztere durch alte Harzlachen oder Schälrisse
des \\'ildes von früheren Zeiten her beschädigt sind. Von den Laubhölzern sehen
wir die brüchige Akazie und Erle bisweilen durch Schneebruch geschädigt,
während die frisch übergehaltenen Eichenlaßr eiser des Mittelwaldes nicht
selten durch auflagernden Schnee zur Erde gebeugt und bei längerer Belastung für
ihren Zweck untauglich gemacht werden.
Auch die Beschaffenheit der Bestände ist nicht ohne Einfluß: aus Laub- und
Nadelholz gemischte Bestände leiden in geringerem Maß, als reine Nadel-
hölzer, und dicht geschlossene, durch Saat oder natürliche Verjüngung
entstandene Fichtenjunghölzer sind dem Schneedruck in viel höherem Grad ausge-
setzt, als rechtzeitig durchforstete oder durch weitständigere Pflanzung entstandene
derartige Bestände.
§ 99. Die Mittel, die dem Forstmann gegenüber den geschilderten Gefährdungen
zur ^'erfügung stehen, sind mehr Mittel der Vorbeugung als direkter Abwehr,
liegen auf dem Gebiete des Waldbaues und der Bestandspflege und können den Scha-
den nur mindern, nicht völlig verhindern.
Als solche Mittel erscheinen nun die Wahl der richtigen Holzarten, eine
278 VII- Fürst, Forstschutz.
zweckentsprechende Bestandesbegründung und Bestandespflege.
Man wird die brüchige Föhre nicht in höheren, durch Schneebruch erfahrungsgemäß
heimgesuchten Oertlichkeiten anbauen, wird eine entsprechende Bestandesmischung
anstreben, zur Bestandfsbegründung an Stelle der Saat oder engeren Pflanzung
die Pflanzung mit kräftigen, stufigen Einzelpflanzen in weiterem Verband wählen,
wird vor allem mit Durchforstungen frühzeitig beginnen, sie rechtzeitig
wiederholen und hiedurch die Stangen zu stufigerem Wuchs bringen, dem Schnee
das Durchfallen erleichtern. Besondere Vorsicht bez. der Durchforstungen ist in
jenen Beständen nötig, die lange in sehr dichtem Schluß standen, und dürfen hier
die ersten Durchforstungen nur sehr mäßig geführt werden.
Eine direkte Abwehr durch Abschütteln des Schnees ist nur in Park-
anlagen, kleinen, besonders wertvollen Junghölzern und etwa bei den niedergebogenen
Laßreisern des Mittelwaldes möglich; hier könnte allerdings ein einziger Mann bis-
weilen Hunderte von Stangen an einem Tag retten.
Eine Minderung des durch Schneedruck angerichteten Schadens in Laub-
hoIz-.Junghölzern kann in manchen Fällen durch Aufrichten niedergebogener Horste
und selbst Aufbinden der dominierenden Stangen mit Hilfe des Nebenbestandes ^)
erfolgen; auch Köpfen der niedergebogenen Stangen an der Biegungsstelle in der
Absicht, durch an der Abhiebsstelle erscheinende Ausschläge den Schluß herzustellen,
hat man in Buchengertenhölzern mit Erfolg angewendet. — Im Nadelholz müssen
die niedergedrückten Partien abgeräumt, die größern Lücken mit schnellwüchsigem
Holzarten, die kleinern im Interesse des Bodenschutzes mit Schattenhölzern ausge-
pflanzt werden: letztere wendet man auch zur Ausfüllung durchbrochener Föhren-
stangenhölzer, die erhalten bleiben sollen, an.
Aufgabe des Wirtschafters ist es aber auch, durch mögUchst rationelle und
rasche Aufarbeitung und Verwertung der Bruchhölzer den finanziellen Schaden
möglichst zu verringern, ebenso mit allen ihm zu Gebot stehenden Mitteln der in
Nadelholzwaldungen drohenden Insektengefahr entgegenzuarbeiten. Man wird zu-
nächst den Wald durch Räumung der Wege zugänglich machen, die Junghölzer und
Schläge von auflagerndem Bruchholz befreien, aus dem anfallenden Material mög-
lichst viel Nutzholz ausscheiden, das Holz an luftige Wege ausrücken, Nadelholz
entrinden, Prügelholz aufspalten, Stammholz auf Unterlagen bringen — letzteres
alles im Interesse besserer Konservierung des Holzes. Entrinden des Nadelholzes,
Verbrennen des Reisigs, tunlichste Rodung von Stöcken und Wurzeln, Beseitigung
kränkelnder Stämme sind die Vorbeugungsmittel gegen das Ueberhandnehmen schäd-
licher Insekten.
C. Duft, Eisanhang und Hagel.
§ 100. Mit dem Ausdruck ,,D u f t, Rauhreif, A n h a n g" bezeichnen wir
bekanntlich jene Erscheinung, bei welcher sich der Wasserdampf der Luft in Gestalt
von Eiskrystallen und langen Eisnadeln an den Zweigen, Nadeln, Blättern in oft
sehr bedeutenden Massen ansetzt, diese dadurch so belastend, daß sich Wipfel und
Aeste beugen und schließlich abbrechen. Unter dieser namentlich in höheren Lagen
auftretenden Erscheinung leiden wieder insbesondere die wintergrünen Nadelhölzer,
obenan die brüchige Föhre, die Laubhölzer aber nur dann, wenn sie noch dürres
Laub als Stützpunkt für den Rauhreif in größerer Menge tragen, so namentlich auch
die Eichenlaßreiser des Mittelwaldes. Es sind insbesondere Bestandsränder, dann
1) Dies Mittel wurde im Spessart mit Erfolg angewendet; vergl. die Mitteilung von Fürst
in A. F.- u. J.-Z. 1882. S. 325.
Blitzschlag. § 101. 279
Nord- und Ostgehänge, wo die oft sehr schädliche Erscheinung des Duftbruches
auftritt.
Eisbildung entsteht namentlich, wenn bei strenger Kälte plötzlich Tau-
wetter und Regen eintritt; die aufschlagenden Tropfen erstarren zu Eis und über-
ziehen Stamm und Aeste, Nadeln und dürre Blätter mit einer mehr oder weniger
starken Eiskruste. Gesellt sich bei wieder sinkender Temperatur hiezu noch Schnee-
fall, so wird die Belastung eine so bedeutende, daß Eisbruch in oft großartigem Maß-
stab eintritt. — Erklärlicherweise sind es auch hier wieder die brüchigen Holzarten :
Föhren, Erlen, Akazien, die zuerst Not leiden, aber auch Fichten- und Buchenbe-
stände wurden schon durch Eisbruch schwer geschädigt.
Durch die allbekannte, glücklicherweise nicht allzu häufig auftretende Erschei-
nung des Hagels werden auch die Waldungen oft sehr bedeutend beschädigt:
Pflanzen in Saatbeeten und Kulturen werden teils ganz vernichtet, teils bis zur Ver-
krüppelung beschädigt, älteren Bäumen die jungen Schosse, Blüten oder Früchte
abgeschlagen; zahlreiche Rindenverletzungen, oft nur langsam ausheilend, sind die
weitere Folge, ja diese Verletzungen sind oft so bedeutend, daß ganze Bestände ab-
getrieben werden müssen. In Weidenhegern sind die Folgen des Hagels besonders
verderblich, indem die Schosse beim Verarbeiten an der beschädigten Stelle ab-
brechen. — Sehr empfindlich zeigt sich die Föhre gegen Hagelbeschädigung, während
Fichte und Tanne durch ihre dichte Benadelung geschützter sind; auch die Lärche
leidet weniger.
Schutzmittel gegen die 3 eben erwähnten Naturerscheinungen stehen
uns nur in sehr beschränktem Maß zur Verfügung: gegen den Duftbruch etwa das
Vermeiden des Anbaues der brüchigen Föhre in der Duftregion, das Erhalten von
Waldmänteln an den gefährdeten Nord- und Osträndern; gegen Eisbruch und Hagel
aber fehlen selbst solche Mittel. Daß in einer entsprechenden Bewaldung insbesondere
der Höhenzüge ein wichtiges Schutzmittel gegen Hagelbildung gesucht wird, möge
hier nur nebenbei noch bemerkt sein *).
D. Blitzschlag.
§ 101. Der Blitz schlägt bekanntlich verhältnismäßig häufig in Bäume ein,
und zwar vorwiegend in solche, welche entweder allein stehen oder ihre Umgebung
mehr oder weniger überragen.
Die Folgen dieses Einschiagens sind nun sowohl nach der äußern Erscheinung,
wie nach dem Einfluß auf das Leben des Baumes sehr verschieden. In manchen
Fällen wird lediglich ein schmaler Rindenstreifen abgelöst, wir sehen den Baum
ohne sichtbare Störung fortwachsen, die entstandene ,, Blitzrinne" überwallend, so
namentlich bei Eichen, die nicht selten die Spuren alter Blitzverletzungen zeigen,
während in andern Fällen selbst bei solch geringeren Beschädigungen die betroffenen
Bäume mehr oder weniger rasch absterben, so namentlich die Nadelhölzer. Bisweilen
kommt breitstreifige, ja gänzliche Entrindung der getroffenen Stämme vor, und nicht
selten werden diese vollständig zerschmettert, gespalten oder in eine Menge weit
umher liegender Splitter aufgelöst. Merkwürdig erscheint femer das Ueberspringen
des Blitzes von einem Stamm auf einen zweiten und ebenso das allmähliche Ab-
sterben einer oft größeren Zahl von Stämmen in der Umgebung eines vom Blitz ge-
töteten Stammes, wie solches namentlicli in Föhrenwaldungen beobachtet wurde.
Dürre oder im Innern trockenfaule Stämme werden wohl auch durch den Blitz
1) Vergl. R i n i k e r , Die Hagelschläge im Kanton .\rgau 1881.
280 VII. Fürst, Forstschutz.
in Brand gesteckt, und kann sonach der Blitz, wenn auch selten, Ursache eines Wald-
brandes werden.
Was endlich die Holzarten anbelangt, die vom Blitzschaden heimgesucht wer-
den, so ist wohl keine gänzlich verschont, doch sehen wir allerdings die einen mehr,
die andern weniger betroffen. Am häufigsten wird wohl die Eiche, weil einzeln stehend,
oder als Ueberhälter ihre Umgebung weit überragend, vom Blitz getroffen, ebenso
die Pyramidenpappel; von den Nadelhölzern sehen wir Föhre und Fichte häufig ge-
schädigt — dagegen scheint die Rotbuche sehr selten heimgesucht, so daß sie in man-
chen Gegenden geradezu als blitzsicher gilt. ^)
3. Gefährdungen durch Winde und Stüpme.
§ 102. Luftbewegung von mäßiger Stärke und Schnelligkeit nennen wir Wind;
erreicht die Schnelligkeit 22 Meter in der Sekunde, so bezeichnen wir diese Bewegung
der Luft als Sturm, eine solche von 35 Meter und mehr als Orkan. Nicht nur
die beiden letztern, auch der erstere wird unter Umständen den Waldungen nach-
teilig, doch treten diese Nachteile hier erst nach längerer Einwirkung, bei den Stürmen
aber sofort zutage.
Durch die anhaltend oder doch oft aus der gleichen Richtung kommenden
Winde finden wir an Wald- und Bestandsrändern, auf Bergköpfen und freiliegen-
den Rücken das Laub weggeweht, wodurch also die wohltätige Humusbildung ver-
hindert, der Boden bloßgelegt, dem Vermagern imd Austrocknen preisgegeben wird.
Wir sehen hier jüngere Pflanzen kümmern, ältere Bäume im Wuchs nachlassen,
dürrwipfelig werden, sehen den Bestand verlichten, den Boden sich mit Heidelbeer-
kraut und Heide überziehen. In Eichen- und Buchenbeständen tritt dies in oft sehr
deutlicher Weise zutage, weniger in Nadelholzwaldungen, deren Decke dem Ver-
wehen weniger ausgesetzt ist; doch macht sich auch in ihnen die austrocknende
Wirkung des Windes bemerkbar. Letztere zeigt sich besonders deutlich bei den
trockenen Ostwinden und wird im Frühjahr, zur Kulturzeit und unmittelbar nach
derselben, zur besondem Gefahr für Saaten und Pflanzungen. — In hohen Frei-
lagen, namentlich aber auch in der Nähe des Meeres, macht sich der Einfluß der an-
haltend aus einer Richtung wehenden Winde (in Deutschland der West- und Nord-
westwinde) auch direkt auf die Vegetation geltend — in kümmerndem, krüppe-
ligem Wuchs, schiefer Stellung, einseitiger Beastung der Stämme, zerrissenen, un-
regelmäßigen Kronen.
Gegen diese letzteren Wirkungen steht uns nur das Schutzmittel einer sorg-
fältigen Erhaltung und möglichst plenterweise Behandlung des Be^^tandsrandcs an
der Windseite, der dann wenigstens die dahinter liegenden Bestände schützt, zu Ge-
bot. Das Verwehen des Laubes suchen wir durch Bestandsmäntel (Waldmäntel),
am besten aus einigen Reihen dichtbenadelter Fichten, besser noch aus dichten Laub-
holzhecken und Stockausschlägen bestehend, zu schützen, unterpflanzen den ganzen
Saum mit Schattenhölzern, soweit dies die Bodenverhältnisse gestatten ; auch grob-
scholliges Umhacken des verhärteten Bodens hat man angewendet, um das Laub
in den Vertiefungen festzuhalten, dem Regenwasser das Eindringen in den Boden zu
ermöglichen.
1) Vergl. die Mitteilungen von F e y e , Z. f. F. u. J. 1886. S.287, sowie dieMitt. von R.H artig
in s. „Pflanzenlirankheiten" (3. Aufl.) 1900. Ferner v. Tubeuf , ,, Gipfeldürre der Fichte" in
der Naturw. Zcitschr. für Forst- und Landwirtschaft 1903, 1904, wonach das von ihm beob-
achtete Absterben zahlreicher Fichtenwipfel auf der bayr. Hochebene dem Blitz zugeschrieben
wird.
Gefährdungen durch Wind und Stürme. § lOi. 281
Kultiviei't man während trockener Ostwinde, so ist auf das Feuchthalten der
Pflanzenwurzcln beim Ausheben, Transport und Einsetzen der Pflanzen jedmögliche
Sorgfalt zu verwenden und hat das Einpflanzen der Anfertigung der Pflanzlöcher
möglichst rasch zu folgen, damit die letztern und die Pflanzerde nicht zu stark aus-
trocknen.
§ 103. Größer und mehr ins Auge fallend sind jene Beschädigungen, welche
durch Stürme und Orkane den Waldungen zugehen. Einzelne Bäume, ja ganze
Bestände werden entweder mit den Wurzeln aus dem Boden gehoben und niedergc-
\\orfen — W i n d w ü r f e oder W i n d f ä 1 1 e — , oder sie werden in größerer oder
geringerer Höhe über dem Boden abgebrochen — Windbrüche; bald reißt
hiebei der Wind nur einzelne Stämme nieder, bald bricht er, meist bei einem starken
Stamm beginnend, Gassen und Streifen durch den Bestand, bald nur einzelne Löcher,
und heftige Orkane brechen und werfen ganze Bestände und Bergwände ausnahmslos
nieder ').
Eine lange Reihe von Nachteilen ist es, die dem Wald und dem Waldbesitzer
durch größere Sturmbeschädigungen zugehen: durch das Zerbrechen und
Zersplittern der Stämme geht eine Menge Nutzholz verloren, die massenhaften
Splitter und Brüche sind selbst als Brennholz nicht verwertbar; die Arbeits-
löhne steigen, die Holzpreise sinken, geringe Sortimente, wie Reisig- und
Stockholz, werden bisweilen ganz unvenvertbar. Die im Stadium des Besamungs- und
Nachhiebes stehenden Schläge werden durch die geworfenen Mutterbäume, die Jung-
hölzer durch die dies Schicksal teilenden Ueberhälter beschädigt; Bestände, die
noch im besten Zuwachs standen, müssen wegen Durchlöcherung abgetrieben werden,
andere, die erhalten bleiben, zeigen geringern Zuwachs,- Verwilde-
rung des Bodens, seinerzeit geringere Abtriebserträge und erschwerte na-
türliche Verjüngung. Endlich folgen den Sturmschäden, wie beim Schneebruch, nicht
selten schädliche Forstinsekten, denen in dem liegenden und hängenden
kränkelnden Holz, den zahllosen Stöcken reiche Brutstätten geboten sind.
§ 104. Mancherlei Umstände und Einflüsse bedingen die Größe der Sturmgefahr
und Sturmbeschädigungen.
Stürme treten vorzugsweise im Spätherbst und Frühjahr ein (Aequinoktial-
stürme); demgemäß sind es erklärlicherweise die auch zu dieser Zeit belaubten w i n-
ter grünen Nadelhölzer, die, dem Wind eine größere Angriffsfläche
bietend, vor allem gefährdet sind. Obenan steht hier die Fichte mit ihrer dichten
Benadelung, ihrem langen Schaft und ihrer flachen Bewiirzelung, durch letztere
namentlich dem Windw'urf ausgesetzt; etwas stum^fester ist bereits die tiefer wur-
zelnde Tanne, dann die lichtkronige und ebenfalls tiefwurzelnde Föhre, die
allerdings in dem leichten Sandboden, ihrem Hauptstandort, nur geringeren Halt
findet, auf flachgründigereni solchem Boden sogar sehr gefährdet ist. Die Lärche
und die Laubhölzer leiden nur wenig, von letzteren infolge ihrer flachern Bewurzelung
etwa Aspe, Birke, Hainbuche, die Rotbuche dagegen nur bei heftigen Stürmen und
in exponierten Lagen; am sturmfestesten erscheint die Eiche. Die selteneren Som-
merstürme, Zyklone, gefährden natürlich die Laubhölzer in gleichem Maße.
Mit dem Alter der Bestände und sonach aucli mit der U m t r i e b s z e i t
steigt die Sturmgefahr, die der Niederwald gar nicht, der Mittelwald nur in geringem
Maß kennt; der Plenters\'ald mit im freieren Stand erwachsenen Stämmen enveist
sich sturmfester als der gleichalterigc Hochwald. Zum Zweck der natürlichen Ver-
1) Vergl. „Forstliche Sturnibeobachtungen im Mittelgebirg" von Oberförster Eifert,
A. F.- u. J.-Z. 1903 und B a r g ni a n n , das. 1904.
282 VI'- Fürst, Forstschutz.
jüngung gelichtete Bestände sind stets gefährdeter, als noch geschlossene —
ein Grund für viele, von der natürlichen Verjüngung der Fichte abzusehen.
Auch der Standort spielt eine nicht geringe Rolle bei der Gefahr durch
Stürme: Südwest-, West- und Nordwestgehänge, Bergköpfe und Rücken sind in
höherem Grade exponiert, als mehr oder weniger gegen Nord und Ost geneigte Oert-
lichkeiten; vorliegende Berge schwächen die Gefahr ab; guter Boden mit sehr lang-
schaftigem Holzwuchs, dann flachgründiger, lockerer, mooriger und feuchter Boden
erhöht die Sturmgefahr, tiefgründiger, steiniger, bindender Boden verringert diese,
und. zwar gilt dies vor allem bez. der Wind würfe, die unter den ersteren Ver-
hältnissen häufiger eintreten, während in letzterem Falle der Wind b r u c h zu fürch-
ten ist. Sind, wie häufig, die Westwinde von Regen begleitet, so erhöht das Durch-
weichen des Bodens gleichfalls die Gefahr des Windwurfes; bei stark gefrorenem
Boden werden wir den Bruch der Stämme überwiegen sehen, ebenso bei kernfaulen
Stämmen, bei Stämmen mit schadhaften Stellen infolge früherer Verletzungen durch
Harzgewinnung oder Schälen des Wildes.
§ 105. Auf Grund der Beobachtungen über das Verhalten der einzelnen Holz-
arten und Standörtlichkeiten gegenüber den Stürmen, wie der allgemeinen und lo-
kalen Erfahrungen über die herrschende Windrichtung suchen wir nun den Beschä-
digungen durch Stürme möglichst vorzubeugen — gegen heftige Stürme oder
gar Orkane versagen allerdings diese Vorbeugungs-Maßregeln!
Von ganz hervorragender Bedeutung unter diesen letzteren ist insbesondere
für Nadelholzwaldungen die H i e b s f ü h r u n g , die richtige Aneinanderreihung
der Schläge. Gestützt auf die Wahrnehmung, daß plötzliche Freistellung bisher
geschützt gestandener Stämme besonders gefährlich ist, daß in stetem Kampf mit
dem Wind aufgewachsene Stämme und Bestandsränder besonders widerstandsfähig
sind, greifen wir die Bestände tunlichst auf der den herrschenden Stürmen entgegen-
gesetzten Seite an — sonach in Deutschland, woselbst die heftigsten Stürme aus
West, Süd- und Nordwest zu kommen pflegen, an der Ost-, Nord-, Nordost- oder
der Südostseite, unbeschadet natürlich lokaler Abweichungen von der herrschenden
Sturmrichtung, — und führen die Hiebe den Stürmen so entgegen, daß stets der
geschlossene Bestand nach der Sturmseite vorliegt, dessen sturmfester Westrand
bis zuletzt erhalten bleibt. Die Erlialtung eines solchen stin-mfesten, stark bewurzel-
ten und tief herab beasteten W a 1 d m a n t e 1 s ist von großer Bedeutung.
Ebenso ist die plötzliche Freistellung jüngerer, aber doch schon
sturmgefährdeter Bestände durch Abnutzung älterer, auf der Sturmseite vor-
liegender Bestände zu vermeiden, und es müssen einer zweckmäßigen Hiebs-
führung durch den spätem Abtrieb älterer und die frühere Nutzung jüngerer Bestände
nicht selten wesentliche Opfer an Zuwachs und Nutzwert gebracht werden. Durch
sog. Loshiebe, d. h. durch frühzeitigen Abtrieb eines 10 — 15 m breiten, alsbald
wieder anzupflanzenden Streifens des älteren Bestandes auf der Grenze der beiden
Bestände, tunlichst rechtwinklig zur Sturmrichtung, sucht man dem jungen Bestand
die Möglichkeit selbständiger Bemäntelung durch entsprechende seitliche Wurzel-
bildung und Beastung zu geben und hiedurch die seinerzeitige Wegnahme des alten
Bestandes ohne Gefährdung des jüngeren zu ermöglichen ').
Den Hieben zum Zweck der natürlichen Verjüngung in Fichten- und Tannen-
beständen wird man keine zu große Ausdehnung geben, da mit solcher die Sturm-
1) Ueber die im Prinzip riclitigen, gleichwolil außerlialb Tliüringen und Sachsen minder
verbreiteten Loshiebe hat H e ß in der allg. Forst- und Jagdzeitung 1862. S. 369 eingehend be-
richtet.
Krankheileii Jer Holzgowächse. § 106. 283
gefahr wäclist, sondern wird diese Hiebe in schmalen Streifen der Sturmrichtung
entgegen führen; dagegen wird man in gefährdeten Lagen auf die natiirhche Ver-
jüngung der Fichte, ebenso auf das Ueberlialten von Föhren in den zweiten Umtrieb
verzichten, wird den gefährdeten Holzarten sturmfestere beizumischen suchen —
so den Nadelhölzern in passenden Oertlichkeiten die Buche, der Fichte die Tanne
und Föhre; wird schon bei der Aufforstung holzleerer Flächen auf Anzucht eines
Waldmantels von sturmfesteren Holzarten Bedacht nehmen.
Es ist in erster Linie Aufgabe einer guten Forsteinrichtung, den
Sturmgefährdungen durch eine zweckmäßige Reihenfolge in der Abnutzung der Be-
stände, durch Bildung richtiger Hiebszüge, rechtzeitige Einlegung von Los-
hieben Rechnung zu tragen ; für reine Fichtenwaldungen ist dies von größter
Bedeutung.
Ist aber eine größere Windbruchkalamität über einen Waldkomplex herein-
gebrochen, dann gelten bez. der Aufarbeitung und Konservierung
des Holzes, der Vorsichtsmaßregeln gegen schädliche Insekten die gleichen
Grundsätze, wie sie oben bez. des Schneebruchholzes (s. § 99) angegeben wurden.
Der Umstand, daß man es vorwiegend mit stärkerem Holz zu tun hat, erleichtert
Aufarbeitung und Verwertung.
IV. Krankheiten der Holzgewächse.
Literatur: R. H a r t i g , Lehrbuch der Pflanzenkrankheiten, 3. Aufl. 1900. — Derselbe,
Die Zersetzungserscheinungen des Holzes der Nadelholzbäume und der Eiche. 1878. — -Der-
selbe, Untersuchungen aus dem forstbotanischen Institut in München 1880.
§ 106. Ueber kein Gebiet unserer Disziplin war man wohl länger im Unklaren,
als über jenes der sog. Pflanzenkrankheiten, über deren Ursachen und Folgen, und
in nicht wenig Fällen — so bei den Pilzen — hielt man das für die Folge, was eigent-
lich die Ursache war. Kein Gebiet bot aber wohl auch der Forschung größere Schwie-
rigkeiten, und insbesondere war dasselbe für den eigentlichen Forstmann schwer zu
betreten und mit Erfolg zu bebauen: der Botaniker, der mit allen Hilfsmitteln der
Wissenschaft ausgerüstete Forscher, mußte ihm zu Hilfe kommen, sollte ein ent-
sprechendes Resultat erzielt werden.
Neben andern Forschern war es vor allem RobertHartig, der sich dem
Studium der Pflanzenkrankheiten mit großem Erfolg gewidmet, der Licht in dies
bisher dunkle Gebiet gebracht und zahlreiche Rätsel gelöst hat, dabei auch gleich-
zeitig Fingerzeige gebend, wie so mancher unsern Holzgewächsen drohenden Gefahr
vorzubeugen sei. Diesem verdienten Forscher folgen wir denn auch in der nach-
stehenden kurzen Skizze über die Pflanzenkrankheiten vorzugsweise und verweisen
im übrigen auf dessen oben angegebene Werke behufs näherer Belehrung ^).
Pflanzenkrankheiten nennt man jene Störungen im Organismus,
durch welche die ganze Pflanze oder doch ein Teil derselben zu vorzeitigem Absterben
veranlaßt wird. Die Ursachen dieserStörungen aber können verschiedene sein, nämlich :
1. Aeußere Verwundungen und Verletzungen,
2. Ungünstige Einflüsse des Bodens,
3. Ungünstige atmosphärische Einflüsse, und
4. Phanerogame oder kryptogame Pflanzen.
1) Es möge jedoch hier nicht unerwähnt bleiben, daß einzelne Stimmen manchen der Hartig-
schen Forschungen geringere Bedeutung beimessen, — vergl. Nördlinger, Forstschutz
(Einleitung) und Borggrevein F.-Bl. 1886. S. 121 und 1887. S. 18, dann M ö 1 1 e r in F.-Bl.
1889. S. 134.
284 VII. Fürst, Forstschutz.
Nicht jederzeit aber sind die Pflanzen gegen diese äußern Einflüsse gleich emp-
fänglich, sondern gewisse Zeiten und Verhältnisse, vorübergehende, im übrigen
ganz normale Zustände lassen sie gegenüber solchen Einflüssen besonders empfindlich
erscheinen, prädisponieren sie zu Erkrankungen. So sehen wir manche Ge-
wächse nur im jugendlichen Alter für gewisse Krankheiten besonders empfänglich,
für andere dagegen erst in höherem Alter, sehen im Schutz und Schatten erwachsene
Pflanzen gegen die Einwirkung von Frost und Hitze empfindlicher als solche, die
im Freien erwuchsen, sehen in Glattrindigkeit und plötzlicher Freistellung eine Ver-
anlassung zur Erscheinung des Rindenbrandes, beobachten, daß Pilzkrankheiten bei
feuchtem Wetter in höherem Grad überhandnehmen u. dgl. mehr. Das Zusammen-
treffen besonderer Empfänglichkeit, begünstigender Umstände mit Krankheits-
ursachen wird die Erkrankung dann häufiger und intensiver auftreten, entgegen-
gesetzten Falles vielleicht spurlos vorübergehen lassen.
I. Krankheiten infolge von Verwundungen.
§ 107. Auf die mannigfachste Weise gehen den Pflanzen und Bäumen während
ihrer oft so langen Lebensdauer geringere oder größere Verletzungen zu : bei dem
Fällen und Ausbringen des Holzes erleiden Stämme und Wurzeln Quetschungen und
Rindeabschürfungen, Aeste werden abgerissen, brechen dürr werdend ab oder werden
durch Aufastung mittelst Axt und Säge entfernt; durch Harznutzung, Schälen oder
Fegen des Wildes, Benagen der Rinde durch Kaninchen, Mäuse, Eichhörnchen, endlich
durch Insekten verschiedener Art werden ebenfalls nicht wenige Verletzungen ver-
ursacht, die teils Veranlassung zur Infektion durch parasitäre Pilze und dadurch be-
dingter Zersetzung des Holzes, teils zur Zersetzung des Holzes durch saprophytische
Pilze unter Mitwirkung der Atmosphärilien geben — Hartig bezeichnet diese Form
der Zersetzung als W u n d f ä u 1 e.
Auf mancherlei Weise schützt sich der Stamm gegen die äußern Einflüsse bei
solchen Verletzungen; bei den Nadelhölzern insbesondere durch alsbaldigen Harz-
austritt und Ueberziehen der Wunde mit Harz, bei Laubhölzern durch Entstehung
sog. Schutzholzes, dann aber bei Laub- und Nadelholz durch die bekannte Erschei-
nung der Ueberwallung, die aber bei größeren Wundflächen nicht rasch genug ein-
tritt, um das Entstehen der W u n d f ä u 1 e zu hindern. Unter Zutritt von Regen-
wasser beginnen sich die bloßgelegten und abgestorbenen Zellen zu bräunen und zu
zersetzen ; das Holz färbt sich durch die dunkle Humuslösung schwarzbraun und erst
in höheren Zersetzungsstadien wieder heller. Schließt sich die Wunde durch Ueber-
wallung, den weitern Zutritt des Regenwassers hemmend, so wird das Weiterdringen
der Fäulnis sehr verlangsamt oder hört selbst ganz auf.
Um der Wundfäule, die das Holz zu technischer Verwendung unbrauchbar
macht, vorzubeugen, wird man Verletzungen der Stämme möglichst zu verhindern
suchen: durch Vorsicht beim Fällen und Rücken des Holzes, bei Ausastungen, die
immer möglichst nahe am Stamm, ohne weitere Rindenverletzungen, bei Laubhölzern
außer der Saftzeit geschehen und bez. starker Aeste tunlichst unterlassen werden
sollten. Man wird ferner die Wunden der Laubhölzer nach dem Entasten durch
Bestreichen mit Teer gegen die Feuchtigkeit zu schützen suchen, bei einzelnen wert-
volleren Stämmen (im Park) die Ueberwallung durch Entfernung toter und ge-
quetschter Rindenteile befördern, eventuell durch Umwicklung des Stammes mit
feuchter Leinwand oder Wachstuch das Vertrocknen des Cambiums verhindern.
Erkrankung:cn durch Einflüsse des Bodens. § 109. 285
2. Erkrankungen durch Einflüsse des Bodens.
§ 108. Die chemische Koiislitution des Bodens ist für Erkrankungen der
Bäume und Bestände ohne Bedeutung, dagegen können ungünstige physikalische
Eigenschaften desselben, namentlich Mangel oder Ueberfluß an Feuchtigkeit,
fehlender Luftwechsel im Boden, solche hervorrufen. Als solche Erkrankungen er-
scheinen nun:
G i p f e 1 d ü r r e oder Zopftrocknis: in höherem Alter der Bäume als
Beginn des Absterbens auftretend, sehen wir sie auch in jungem, noch zuwachsfähigen
Beständen als Folge von mangelnder Feuchtigkeit und damit zusammenliängend
von Nahrungsmangel; so werden Erlenbestände infolge von Entwässerung, Tiefer-
legung eines nahen Wasserspiegels wipfeldürr, ebenso Buchenbestände durch wieder-
holte Streunutzung insbesondere auf an sich trocknerem und ärmerem Boden, an
Süd- und Westgehängen, Eichen bei Lichtstellung der Bestände und Vermagerung
des Bodens, bei plötzlicher Freistellung und dadurch hervorgerufener Wasserreis-
Bildung.
Die Gegenmittel, auf dem Gebiet des Waldbaues liegend, ergeben sich aus den
Ursachen von selbst: Vorsicht bei jeglicher und Vermeidung zu starker Entwässerung,
möglichste Beschränkung der Streunutzung zumal bei empfindlichen Holzarten und
Oertlichkeiten, Deckung des Bodens in Eichenbeständen durch Unterbau, Unterlassen
des Einzelüberhaltes.
Wie aber hier vielfach der Wassermangel, so ist auch umgekehrt ein Ueberschuß
an Feuchtigkeit — wie schon früher hervorgehoben — der Vegetation nachteilig,
und wir sehen, wohl als Folge des durch Feuchtigkeit in Verbindung mit an sich
schwerem, dichten Boden gehemmten Luftwechsels im Boden nicht selten in Jüngern
20 — 30j. Föhrenbeständen die W u r z e 1 f ä u 1 e auftreten und derselben zahlreiche
Stämme erliegen. Infolge des mangelnden Sauerstoffzutritts fault die Pfahlwurzel,
die zwar in den bindenden Boden eindringen konnte, welcher aber bei eintretendem
Schluß und dichter Humusdecke der nötige Luftwechsel entzogen wurde, während
die flach laufenden Seitenwoirzeln gesund bleiben, und nach kurzem Kümmern
bricht der Stamm bei irgend welchem äußern Anlaß — Wind, Schneebelastung —
am Boden um ^).
Man wird dem Uebel, durch welches die Bestände in bedenklichem Grad ver-
lichten können, etwa dadurch vorzubeugen trachten, daß man durch baldige Durch-
forstung, Entfernung der luftabschließcnden Humusdecke die Bodendurchlüftung
fördert, wird eventuell bei der Wiederaufforstung zu andern, durch die Wurzelfäule
minder gefährdeten Holzarten — Fichte, Laubhölzer — greifen oder sie wenigstens
beimischen.
Aehnliche Verhältnisse ergeben sich bisweilen, wenn ältere Bäume infolge von
Erdarbeiten in der Nähe tief übererdet werden und führen zu deren Absterben.
3. Erkrankungen durch atmosphärische Einflüsse.
§ 109. Beschädigungen durch Frost und Hitze, insofern hiedurch Pflanzen
oder Pflanzenteile direkt getötet werden, können nicht wohl als Pflanzen k r a n k-
h e i t e n betrachtet werden, wiu-den doshalb auch in speziellen Abschnitten behan-
delt. Wohl aber könnte man hierher jene durch die eben genannten atmosphärischen
Einflüsse hervorgerufenen Beschädigungen rechnen, welche wir als F r o s t r i s s e
1) Nach Godbersen (Die Kiefer) tritt diese Krankheit insbes. auf bisherigem Feldboden
ein und steht in \'erbindung mit dem Kiefernwurzelpilz Polyporus annosus.
286 '^'11- Fürst, Forstschutz.
und Rindenbrand bereits (§ 87 und 94) kennen gelernt und um des bessern
Zusammenhanges willen in jenen Abschnitten mit besprochen haben, da durch beide
für die betroffenen Bäume der Grund zur Fäulnis gelegt wird (Rindenbrand) oder
doch gelegt werden kann (Frostriß). Auch krebsartige Krankheiten können nach
Hartig durch Frost hei-vorgerufen werden und würden als Frostkrebs hier zu
erwähnen sein.
Die in der Neuzeit so häufigen Waldbeschädigtmgen durch Steinkohlen-
oder Hüttenrauch wurden, weil Folgen menschlicher Tätigkeit, in Abschnitt I
§ 17 und 18 besprochen.
§ 110. Eine weitere Krankheitserscheinung möge hier besprochen sein und
den Uebergang zu den durch Pilze erregten Schäden bilden : es ist dies die unter dem
Namen der Schütte allbekannte Kinderkrankheit der Föhre, die von den einen
der Wirkung von Frühfrösten , von andern einem Vertrocknungs-
prozeß und endlich von dritten Pilzen zugeschrieben wurde, nach den neuerdings
geltend gewordenen Anschauungen aber wohl allgemein auf eine Pilzerkrankung
zurückgeführt wird.
Während Professor Ebermayer den Grund in einer Vertrocknung der
Nadeln suchte, welche im zeitigen Frühjahr bei Sonnenschein das durch Verdunstung
verlorene Wasser aus dem noch gefrorenen Boden nicht ersetzen konnten, hatten
schon vor 30 Jahren P r a n 1 1 und T u r s k y festgestellt, daß die Schütte durch
einen Pilz, den Kiefernritzenschort, Lophodermium (früher Mysterium)
pinastri, veranlaßt werde. Professor Dr. von Tubeuf kommt durch von ihm
ausgeführte Infektionsversuche zu dem Satz: ,,Daß der Schüttepilz an den Nadeln
junger Pflanzen parasitär auftritt, erscheint zweifellos i)", und Professor Dr. H.
M a y r , der solche Versuche ebenfalls angestellt hat, spricht auf Grund derselben
die Ueberzeugung aus ^), daß es weder eine Frost- noch Ueberverdunstungsschütte
gebe, sondern nur eine Pilzschütte, veranlaßt durch eine Infektion mit Sporen
des oben genannten Pilzes.
Diese Infektion erfolgt an einjährigen, wie älteren Pflanzen nur zur Zeit des
Wachstums der Nadeln, von Mai bis Juli; die Zunahme der Mißfarbigkeit und end-
liche Rötung der Nadeln im Herbst und Winter ist keine Ausbreitung der Krankheit
auf gesunde Gebiete, sondern nur fortschreitende Entwickelung des Schüttepilzes.
Die infizierenden Sporen haben nur geringe Flugfähigkeit, verbreiten sich aber aus-
fallend durch Wind auf ihre nächste Umgebung.
Stets sind es nur schwächere 1 — 5jährige Pflanzen, welche vollständig
von der Schütte befallen werden, während an älteren Pflanzen nur die untern Aeste
die Erkrankung zeigen. Schwächere Pflanzen, so namentlich jene in dichten Saat-
kulturen und Saatbeeten, sterben ab, kräftigere erholen sich wohl wieder, doch werden
die Saatbeetpflanzen wohl stets als verloren bezw. unbrauchbar zu betrachten sein;
zweijährige Föhren im Saatbeet schütten fast unausbleiblich. Für den Wirt-
schafter aber entstehen durch die bisweilen innerhalb weniger Tage sichtbar werdende
Erkrankung seiner Föhrensaatbeete oft große Verlegenheiten.
Als Mittel der Vorbeugung in Saatkämpen empfiehlt M a y r die Ansaat
vieler kleiner Kämpe oder die Trennung der Saatbeete im größern Kamj) durch iso-
lierende Hecken von Fichten, Thujen u. dgl., das Untergraben der getöteten oder
1) ,, Studien über die SciiüUekrankheit" 1901 in Arbeiten aus der biologisclien Abteilung
für Land- und Forstwirtschaft am Kaiser). Gesundheitsamte.
2) „Ist der Schüttepilz ein Parasit?" Forstw. Z.-Bl, 1902 S. 47,3 und 1903 S. 547.
Erkrankungen durch Pilze. § Hl. 287
stark erkrankten Pflanzen und Benutzung der Saatbeete zur Nachzucht anderer
Holzarten.
Zur Bekämpfung der Schütte in Saatkulturen hat die Neuzeit ein Mittel
durch Bespritzung mit Kupfersalzen gebracht ^). Zur Verwendung kommt insbe-
sondere die sog. Bordelaiser Brühe, hergestellt durch Lösung von 2 kg Kupfervitriol
in 100 1 Wasser unter Zusatz von 1 kg frisch gebranntem Kalk, dann eine Kupfer-
soda-Brühe — 1 kg Kupfersoda in 100 1 Wasser — , endlich auch Lösungen von Kupfer-
zuckerkalk und Kupferklebekalk. Mit diesen Brühen werden die im 2. Lebensjahr
stehenden Kiefernstreifensaaten im Sommer (Juni bis September) teils ein-, teils
mehrmals mit Hilfe einer Rebenspritze bespritzt und hiedurch in vielen — nicht
allen — Fällen gute Erfolge erzielt; in den Saatbeeten dagegen an den im ersten
Lebensjahr stehenden Pflanzen erweist sich das Bespritzen als erfolglos. — Eine
\Mederholung des Bespritzens der Kulturen im 3. und 4. Lebensjahr ist bisweilen
nötig. Die nicht geringen Kosten stehen der ausgedehnten Anwendung etwas im Weg.
4. Erkrankungen durch Pilze -).
gm. Wie insbesondere durch Robert H a r t i g nachgewiesen wurde, werden
eine nicht geringe Anzahl von Mißbildungen und Erkrankungen unserer Waldbäume
durch auf und in ihnen wuchernde parasitische Pilze hervorgerufen. Teils auf dem
^\"eg direkter Ansteckung, indem das sog. Mycelium des Pilzes unterirdisch (weil es
oberirdisch dem raschen Vertrocknen ausgesetzt sein würde), von der Wurzel einer
erkrankten Pflanze ausgehend, in jene der Nachbarpflanzc eindringt, teils durch die
Sporen, die in großer Masse erzeugten, sehr kleinen und daher durch Wind, durch
Tiere und Menschen leiclit zu verschleppenden Fortpflanzungsorgane, gelangen die
Pilze auf und in die Gewächse, wobei ihnen nicht selten Verwundungen irgend welcher
Art den Zugang öffnen. In verschiedenster Weise beeinträchtigen sie dann die Wirts-
pflanze, bald nur unwesentliche Mißbildungen hervorrufend, bald das Holz zer-
setzend, bald den Baum, die Pflanze mehr oder weniger rasch tötend.
Es ist jedenfalls Aufgabe des Forstmannes, sich auch mit diesen Feinden des
^^'aldes bekannt zu machen, umsomehr, als gar manchen durch vorbeugende Maß-
regeln entgegengearbeitet, die weitere Verbreitung oder Wiederholung des Schadens
vermieden werden kann. Als solche Maßregeln im allgemeinen bezeichnet Hartig
die Erziehung gemischter Bestände, wodurch jeder Baum gleichsam durch Nachbar-
bäume anderer Art isoliert, gegen direkte Ansteckung geschützt werde; Wechsel
der Holzarten auf Böden, die durch Wurzelparasiten infiziert sind; Ausreißen er-
krankter Pflanzen tunlichst mit den Wurzeln, Entfernung pilzkranker Stämme
(Schwammbäume etc.); Isolierung erkrankter Bestandspartien (bei Wurzelparasiten)
durch Stichgräben.
Dem knappen uns hier gestatteten Raum entsprechend führen wir nur jene
durch Pilze hervorgerufene Krankheiten an, welche einerseits durch häufiges Auf-
treten ins Auge fallen oder bez. deren uns Maßregeln des Schutzes zur Seite stehen.
Systematik und Lebe;risweise der Pilze gehören in das Gebiet der Forstbotanik.
a . Pilze auf B 1 ä 1 1 e r n u n d Nadeln.
§ 1 12. Der Buchenkeimlingspilz, Phytophtora omnivora (früher
fagi, weil zuerst an der Buche beobachtet), tritt vorwiegend auf den Keimpflanzen
1) Osterheld, Friedrich, Die erfolgreiche Bekämpfung der Kiefernschütte. Forslw.
Z.-Bl. 1898 S. 399.
2) Bezüglich der Besprechung der Pilze an dieser Stelle, statt bei dem Schaden durch Pflan-
zen, sei auf das in § 85 Gesagte verwiesen.
288 ^'I- Fürst, Forstschutz.
der Rotbuche auf, ebenso aber auch auf jenen des Ahorns und sämUicher Nadel-
hölzer, und äußert sich durch Schwarz- oder Schwarzfleckigwerden der Stengel,
Samenlappen und ersten Blätter. Die befallenen Pflanzen gehen rasch zugrunde,
die jungen Nadelholzkeimlinge sterben oft in großer Menge während des Aufgehens
oder unmittelbar nach demselben ab. Feuchtwarmes Wetter befördert die Verbrei-
tung sehr; die sich rasch entwickelnden Schwärmsporen gelangen teils direkt, teils
durch Verschleppung (im Pelz der Mäuse, Kleidern der Menschen) auf die Nachbarn
wie auf entferntere Pflanzen, auch diese infizierend und tötend.
Vorsichtiges Ausziehen erkrankter Pflanzen im Saatbeet oder Uebererden beim
Zusammenstehen vieler; Vermeiden der Wiederbenutzung eines infizierten Saat-
kampes zur Saat, da die Sporen mehrere Jahre keimfähig bleiben, werden als
Schutz- und Vorbeugimgsmittel zu betrachten sein.
Als eine vorher wenig beobachtete Erscheinung ist in den Jahren 1908 — 1911
der Eichenmehltau in ganz Deutschland wie den Nachbarländern epidemisch
aufgetreten, die Blätter und Triebe insbesondere von Eichen-StocTiausschlägen und
jüngeren Pflanzen mit weißem Mycel überziehend. Blätter und Triebspitzen bräunen
sich vielfach und werden trocken, insbesondere die Johannitriebe. Die Zugehörig-
keit des Pilzes (ob Microsphära quercina oder Erysiphe Quercus) konnte, da bisher
nur Konidien gefunden wurden, noch nicht festgestellt werden. Gegenmittel sind
nicht anwendbar ^).
Häufig treten auf den Nadeln unserer Nadelhölzer, wie auf den Blättern von
Laubhölzern Erscheinungen auf, die man nach ihrer Färbung als R o s t erscheinungen
bezeichnet hat. Als einer der verbreitetsten sei hier der Fichtennadelrost
(Chrysomyxa abietis) genannt, der auf den jungen Nadeln der Fichte, insbesondere in
Dickungen und Stangenhölzern, auftretend diese im infizierten Teil gelb färbt und
zum Vertrocknen und Abfallen bringt. Die Erscheinung tritt in manchen Jahren
in sehr bedeutendem Grad auf, in anderen nur sehr schwach — die Wittemngsver-
hältnisse zur Zeit des Ausfallens der Sporidien spielen hiebei offenbar eine sehr wesent-
liche Rolle; eine Gefahr, die zu Gegenmitteln aufforderte, bringt sie jedoch nicht
mit sich. Aehnliche Erscheinungen treten auf den Nadeln der Tanne und Lärche auf.
Auch der Kiefern ritzenschorf (Lophodermium Pinastri) gehört hier-
her; auf den natürlich absterbenden Kiefernnadeln allenthalben als Saprophyt auf-
tretend, finden wir ihn auch parasitisch auf den grünen Nadeln junger Pflanzen,
die.bekannte und schon oben besprochene Krankheit der Schütte erzeugend. (Vergl.
b. Pilze an den Wurzeln.
§ 113. Der Honigpilz oder Hallimasch (Agaricus melleus) ist ein
sehr verbreiteter Pilz, der teils saprophytisch an den abgestorbenen Stöcken und
Stämmen von Laub- und Nadelholz lebt, teils als echter Parasit insbesondere jüngere
Nadelholzpflanzen befällt und tötet, und als Kulturverderber schon sehr schädlich
aufgetreten ist. Die unterirdisch fortwachsenden schwarzen Mycelstränge des Pilzes
bohren sich in die Rinde der Wurzeln ein, auf die sie stoßen, und verbreiten sich dann
unter der Rinde emporwachsend als ein weißes hautartiges Gewebe, das Rindengewebe
tötend. Im Herbst entwickeln sich sowohl an infizierten Pflanzen und Stämmen,
wie an im Boden wachsenden Mycelsträngen (Rhizomorphen) vielfach die großen
1) Bericht der biol. Anstalt für Land- und Forstwirtschaft 1908. Forstl. naturw. Zeitschrift
1909. 1910.
Pilze am Stamm. § 114. 289
braungelben Schwämme, die Fnichtträger, deren S|X)ren durch Wind und Tiere
weiter verbreitet werden. Charakteristisch ist der starke Harzfluß, den die befallenen
Pflanzen unmittelbar an und ühor der Erde zeigen. — Auch ältere Stämme fallen
diesem Pilz zum Opfer.
In Nadelholzkulturcn macht sicii der Pilz durch das platzweise Erkranken und
Absterben von Pflanzen oft sehr lästig und veranlaßt wiederholte Nachbesserungen.
Man wird die erkrankten Partien zur ^'e^neidung weiterer unterirdischer Ansteckung
durch Stichgräben isolieren, die kranken Pflanzen ausreißen und verbrennen, die
Lücken wo m ö g 1 i c h mit Laubholz statt mit aufs neue bedrohten Nadelholz-
pflanzen ausfüllen.
Der \V u r z e 1 s c h w a m m (Trametcs radiciperda oder Polyporus annosus)
lebt ebenfalls saprophytisch wie als Parasit und ist als solcher ein gefährlicher Feind
der Fichten- und Föhrenbestände, in welchen er als Ursache der Rotfäule und des
Absterben« zahlreicher Individuen auftritt, die Bestände licht und lückig machend.
Die Ansteckung erfolgt in doppelter Weise, durch Sporen wie durch den Kontakt
der Wurzeln eines erkrankten mit jenen eines gesunden Stammes, wobei dann von
der infizierten Wurzel aus die Fäulnis bei der Fichte oft rasch im Stamm aufwärts
dringt, während bei der Föhre durch den starken Harzgehalt und das Ergießen des
Harzes aus den zersetzten in die unzersetzten Schichten der Wurzelstock verkient,
wodurch dem Aufsteigen der Fäulnis im Baum ein Hindernis entgegengesetzt wird,
der Stanmi aber rasch abstirbt. — Das Mycel des Pilze's dringt teils ins Holz, dieses
zersetzend, teils ins Bastgewebe, dasselbe tötend; die Fruchtträger des Pilzes er-
scheinen am Wurzelstock und den Seitenwurzeln, weiß, auf der sterilen Seite braun,
auch ringförmig in mannigfacher Weise gefärbt und von verschiedener Gestalt, und
vegetieren 4 — 5 Jahre fort.
Mittel gegen diesen Pilz stehen uns nicht zur Verfügung; vor den von H a r t i g
empfohlenen isolierenden Stichgräben wird von anderer Seite (Kienitz, Möller) ge-
radezu gewarnt, da sich in ihnen aus allen etwa durchstochenen erkrankten Wurzeln
üppige Fruchtkörper entwickeln, die der \'erbreitung des Pilzes durch Sporen \'or-
schub leisten.
In Eichensaatbeeten wurde der Eichen wurzeltöter (Rosellinia quer-
cina) vielfach beobachtet, ein Pilz, der mit seinen Strängen die Wurzeln 1 — 3jäiuiger
Eichen umspinnt und, in die jüngsten Wurzelteile eindringend, diese in kurzer Frist
tötet. Die Pflanzen veibleichen und vertrocknen, und insbesondere in feuchten Som-
mern nimmt die Krankheit oft größere Dimensionen an. — Auch hier werden, da die
Ansteckung nur unterirdisch durch Kontakt erfolgt, isolierende Stichgräben um be-
fallene Pflanzengruppen sowie Ausgraben und ^'erbrennen erkrankter Pflanzen als
Gegenmittel empfohlen.
c. Pilze am S t a m m.
§ 114. Allbekannt sind die L ö c h e r p i 1 z e oder B a j m s c h w ä m m e
•der Gattung Polyporus. die früher allgemein als ein Beweis für die Erkrankung eines
Baumes und für auf und in dem abgestorbenen Holz lebende Saprophyten gehalten
wurden, die aber zum Teil auch echte Parasiten sind, deren Mycel im Innern des
Stammes wuchert, das Holz zersetzend, während die verschieden gestalteten, häufig
konsolenförmigen Fruchtträger außen am Stamm sitzen. — Da die Ansteckung
durch die in großer Zahl erzeugten Sporen erfolgt, wenn diese eine passende Keim-
stätte in Astwunden, Schälrissen u. dgl. finden, so erscheint baldmöglichste Ent-
Handb. d. Forstwiss. 3. Aufl. II. 19
290 ^"- Fürst, Forstschutz.
femung der Schwammbäume umsomehr geboten, als der Zersetzungsprozeß in deren
Innerem raschen Fortgang zu nehmen pflegt. Es sind Laub- wie Nadelhölzer, welche
diese Erkrankung zeigen, und kommen einzelne Polyporus-Arten nur auf einer
Holzart, andere an den verschiedensten Laub- und Nadelhölzern vor.
Der Lärchenkrebspilz (Peziza Willkommii) erscheint als eine sehr
häufige Krankheit der Jüngern Lärchen, diese verunstaltend, zum Kümmern
und selbst Absterben bringend. Dringen die Sporen an irgend einer Wundstelle des
Stammes ein, so entwickelt sich das Mycel des Pilzes, wuchert unter der Rinde, deren
Gewebe tötend und selbst ins Holz eindringend; infolge der Bildung von Korkschicli-
ten wird die Rinde ausgedehnt, platzt auf und es entsteht eine sog. Krebsstelle, auf
der sich auch der Ausfluß von Terpentin zeigt und die sich alljährlich vergrößert,
zuletzt bisweilen den Stamm umfassend und ihn dann tötend. Auf der Krebsstelle
nimmt man die Fruchtträger des Pilzes, rote Schüsselfrüchte, wahr, aus kleinen
gelbweißen Pusteln sich entwickelnd, die bei Trocknis und Luftzug sehr leicht ver-
trocknen und absterben. Hartig glaubt in diesem leichten ^'ertrocknen den Grund
zu finden, weshalb die Lärchen in den lichten Beständen und luftigen Hochlagen
der Alpen von dem Pilz wenig zu leiden haben, während die Krankheit in allen feuch-
teren und dumpfigeren Lagen und in geschlossenen Beständen nicht selten in solcher
Ausdehnung auftritt, daß hiedurch die Erhaltung der Lärche direkt gefährdet er-
scheint. Vermeidung der eben bezeichneten Lagen und möglichst vorwüchsiger
Anbau der Lärclie im gemischten Bestand würden als Vorbeugungsmittel zu bezeich-
nen sein ').
Der T a n n e n p i 1 z (Aecidium elatinum) erzeugt zunächst, wenn seine Sporen
in eine Wundstelle eines Tannenastes eindringen, durch sein Mycel die bekannte
eigentümliche Erscheinung der sog. Hexenbesen, deren oft auf einer Pflanze, einem
Stämmchen eine größere Anzahl erscheint, beulenartige Auftreibung und Wucherung
an der befallenen Stelle hervorrufend und von dieser Stelle aus, vielleicht auch durch
direkte Infektion von WundsteUen an den Stamni gelangend. Hier erscheinen dann
die gleichen, den ganzen Stamm umfassenden Anscliwellungen, die später aufplatzend
die sog. Krebsbeulen erzeugen; der Stamm wird an der betr. Stelle schadhaft, das
Holz, durch Wundfäule oder eindringende andere Parasiten weiter zersetzt, ^u Nutz-
holz untauglich, und bei Sturm oder bei Schneebelastung sehen wir die Stämme
nicht selten an der befallenen Stelle abbrechen. Bei dem häufigen Auftreten des
Krebses in Weißtannenbeständen (Schwarzwald) kann der Schaden ein sehr bedeu-
tender werden; man sucht ihn durch sofortige Entfernung jeder krebskranken Tanne,
insbesondere bei Durchforstungen, sowie duicli tunlichste Beseitigung der Hexen-
besen im Walde zu mindern.
Der K i e f e r n b a u m s c h w a m m (Trametes pini), vorzugsweise in den
altern Kiefernbeständen Norddeutschlands auftretend, selten in Süddeutschland,
im übrigen auch an Fichten, Lärchen und Tannen beobachtet, erscheint als Ursache
der sog. Ring- oder Kernschäle, die fast immer von den Aesten, also der Krone der
Stämme, ausgeht. Seine Sporen, auf frische, durch Harzüberzug nicht geschützte
Astwunden gelangend, lassen den Keimschlauch ins Innere des Stammes eindringen,
und da sich das Mycel mit größerer Geschwindigkeit innerhalb des Jahresringes
als seitlich verbreitet und das Holz zersetzt, so entsteht hiedurch die Ringschäle.
Die nach reicher Wucherung des Mycels im Innern an jenen Stellen, wo tote Ast-
1) Borggreve tritt dieser Ansicht entgegen, hält vor allem die Lärchenmolle (s. § 60)
für die Ursache des schlechten Gedeihens so vieler Lärchen. Vergl. A. F.- u. J.-Z. 1871. S. 13ä
und F.-BI. 1875. S. 195. Nach G i e s 1 a r s Angabc erscheint der Pilz in den Alpen an den Lärchen
sehr häufig als unschädlicher Astkrebs an absterbenden Aesten.
Pilze am Stamm. § 114. 09J
»tuiamt'l die Splintschicht diirclisetzen. erscheinenden konsolenförmigen Fruolil-
träger fordern zu rascher Entfernung der infizieiten Stämme auf. Der Schaden ist
bei der großen \'erbreitung des Baiunscliwammes ein außerorfh'utlic.li großer, da die
befallenen Stämme ganz oder großenteils zu Nutzholz unbrauchbar sind; gibt doch
Möller den Anfall an Schwammholz in den preußischen Staatsforsten 1905 — 1908
auf rund 4 Millionen Festmeter an! Angesichts dessen hat die preuß. Regierung eine
intensive Bekäm|ifung durch Aushieb der befallenen Stämme und, wo dies nicht
tunlich, Beseitigung der Pilzkonsolen unter Bestreichung der Anlieftungsstellen mit
Raupenleim angeordnet *). Die abgestoßenen Konsolen sind zu verbrennen.
1) Möller, ,,Ueber die Nol\vcnilif;l<eit und Mögliclil<eil wirksamer Bekämpfung des Kie-
fernbaumscliwammes", Z. f. F.- u. .J.-W. Iitü4, und ,,Der Kampf gegen den Kiefernbaumscliwamm"
Z. f. F.- u. .J.-\V. 1910. S. 130.
19^
292
VIII.
Die W i 1 d b a c h - und L a \\' i n e n v e r b a u u n g.
Von
Ferdinand Wang.
§ 1. Einleitung. Die außerordentlichen Hochwasserverheerungen, welche
namentlich in den letzten Dezennien des verflossenen .Jaln-liundorts in rascher Folge
das europäische Festland heimgesucht haben, lenkten die Aufmerksamkeit auf eine
früher wenig geübte kulturelle Tätigkeit, auf die ^'erbauung der Wildbäche.
Seither vollzog sich auf dem in Rede stehenden Gebiete ein außerordentlicher
Umschwung, es entwickelten sich Theorie und Technik der Verbauung, und die ge-
machten reichen Erfahrungen erwiesen die Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit
rationeller Verbauungsmaßnahmen.
Die zunehmenden Lawinenschäden erfordern ein energisches Vorgehen auch
auf diesem Gebiete, welches sich gleichfalls einer steten technischen Entwicklung
erfreut.
Wenn Natur und Technik dieser beiden kulturellen Maßnahmen in dem vorliegen-
den Handbuch in Kürze erörtert werden sollen, so geschieht dies aus dem Grunde,
weil mit der Durchführung derselben in einzelnen Staaten, so insbesondere in Oester-
reich und Frankreich, teilweise auch in der Schweiz, der Forstmann betraut ist, der
übrigens auch allenthalben in die Lage versetzt werden kann, wenigstens kleine Uebel
rasch, billig und wirksam zu heilen und hiemit großen Katastrophen in manchmal
ganz unberechenbar günstiger Weise vorzubeugen.
Er soll deshalb zum mindesten im allgemeinen über die einscidägigen
Verhältnisse unterrichtet sein, und hiezu sollen ihm die folgenden, durch den vorge-
schriebenen Raum in enge Grenzen gezogenen Ausführungen dienen.
Dieselben bilden einen durch die Erfahrungen der letzten Jahre bereicherten
kurzen Auszug des bei S. Hirze! in Leipzig in den .Jahren 1902 und 1903 erschienenen
Werkes des Verfassers : ,,G r u n d r i ß d e r W i 1 d b a c h v e r b a u u n g" I. und
IL Teil.
A. Die Wildbachvcrbauung.
§ 2. Die Charakteristik und Einteilung d e r ^^■ i 1 d b ä c h e.
Aus naheliegenden Gründen ist es nicht leicht möglich, mit kurzen ^^'orten eine allge-
A. Die Wildbachverbaiiung. § 2. 293
mein preltencie, sich allen Wrhällnissen anschmiegende und erschöpfende Charakteri-
stik der \\"ildbäche aufzustellen. Zeigen schon die Bäche der Alpen je nach den geo-
gnostischen, oro- und hydrographischen Verhältnissen oft wesentlich von einander
verschiedene Eigenschaften, so nuiß selbstverständlich auch der Bach des Mittelge-
birges, der Bach der Niederung, wenn zum ^^'ildbach geworden, ganz besondere, unter-
scheidende Merkmale an sich tragen.
Immerhin drückt die Bezeichnung ,,W i 1 d b a c h" allen jenen Gewässern, welche
man mit Recht in diese Kategorie einreiht, einen gewissen Stempel auf, der sie viel-
leicht allgemein am besten, wenn auch nicht erschöpfend charakterisiert.
Ohne die speziellen Verhältnisse näher zu kennen, wird man unter der Bezeich-
nung ,,W i 1 d b a c h" ein Ge\\ässer vermuten, das nicht ununterbrochen, sondern
nur bei gewissen Anlässen verhältnismäßig rasch und mit ganz außerordentlicher
Kraftentwickelung die Wässer talabwärts führt und sich eben dadurch seiner Umge-
bung gefahrbringend zeigen muß. Dieses plötzliche oder doch sehr rasche Entfesseln
ist es, das so eigentlich dem Bache den Charakter des Wildbaches gibt und dem auch
die meisten und größten Verheerungen zugeschrieben werden müssen.
Bringt allein schon die plötzliche oder doch sehr rasche Zufuhr von großen
Wassermassen Unzukömmlichkeiten aller Art mit sich, wie furchtbar müssen diese
letzteren erst werden, wenn dem entfesselten Elemente noch Schotter, Schutt, Gerolle
usw., wie dies in der Regel der Fall ist, beigemengt sind ! Abgesehen von vielen schäd-
lichen Folgen, als \'erklausungen, zahlreichen Ufereinbrüchen usw., die eine solche
Beimengung haben kann, muß auch die Ablagerung dieser letzteren besonders
gefahrbringend seiil.
Einer jeden, wenn man so sagen darf, krankhaften, raschen Entfesselung des
^^'ildbaches muß auch verhältnismäßig rasch wieder ein — zumeist sehr teuer er-
kaufter — Zustand der Ruhe folgen. Aus verschiedenen Gründen bricht sich oft
schon während des \'erlaufes der Katastrophe die Kraft der Wässer des Wildbaches,
und gleichsam erschlaffend läßt letzterer die mitgeführte Last, unbekümmert um
die Oertlichkeit, sinken, ohne imstande zu sein, sie schadlos an andere Wässer abzu-
geben. Diese Ablagerung, Alluvion, macht nun aber die Wildbäche besonders be-
achtenswert und sie gehört zu den gefährlichsten Folgeerscheinungen ihrer Tätigkeit.
Aus dem Vorstehenden kann der Schluß gezogen werden, daß einerseits rasche Ent-
fesselung und Zufuhr von großen Wasser- und Geschiebemassen oder von beiden
zugleich, dann andererseits in der Regel gefahrvolle Ablagerung der letzteren als die
wesentlichsten Eigenschaften der Wildbäche anzusehen sind.
Diese sind wohl auch in größerem oder geringerem Maße den Flüssen
eigen 1). Es darf aber nicht außer acht gelassen werden, daß diese wildbachartigen
Flüsse ihren Charakter zumeist dem Charakter jener Wildbäche verdanken, aus welchen
sie sich zusammensetzen, und man muß sie umsomehr aus der Reihe der eigentlichen
Wildbäche ausscheiden, als sie sich von den letzteren in einer Richtung ganz wesent-
lich unterscheiden. Während die eigentlichen Wildbäche mit verhältnismäßig kurzem
Laufe und steilem Gefälle vorherrschend das Bestreben zeigen, ihre Sohle zu ver-
tiefen, sich also kolkend verhalten, zeigen die wildbachartigen Flüsse mit verhältnis-
mäßig längerem Laufe und geringerem Gefälle den Charakter des Flusses, d. h. sie
erhöhen vorherrschend ihr Bett und verhalten sich entweder gar nicht oder doch nur
in geringem Maße auf kurzen Strecken kolkend.
1) Prof. Dr. Breitenlohner, „Wie Murbrüclie entstehen", Wien 1883.
294 N'III. \V a n g , Die Wildbach- und Lawinenverbauung.
Diese wildbachartigen Flüsse haben schon Fahre i) und Surell -) von den eigent-
lichen Wildbächen geschieden. Ersterer nennt sie zum Unterschiede von torrents,
torrents-rivieres, letzterer rivieres torrentielles.
Die vorstehende allgemeine Charakteristik der Wildbäche erfährt eine wesent-
liche Ergänzung, wenn die von einigen Autoren getroffene Einteilung berücksich-
tigt wird.
Josef Duile^), der nur die Verhältnisse Tirols vor Augen hat, teilt die Wild-
bäche wie folgt ein:
1. In solche, welche ununterbrochen das ganze Jahr hindurch fließen; sie wer-
den entweder von immerwährend tätigen Quellen oder von Seen und Gletschern ge-
speist;
2. In solche, welche erst beim Eintreten der wärmeren Witterung auftreten
und mit der kälteren Witterung zu versiegen beginnen; ihnen gibt die Wärme, welche
den auf den Gebirgen angehäuften und teilweise in Eis übergegangenen Schnee auf-
löst, ihr Entstehen; ihre Wassermasse steht daher immer im Verhältnisse zu dem
Wärmegrade in den Sommermonaten und der den Winter hindurch gefallenen Masse
des Schnees auf den Gebirgen;
3. in solche, die erst bei länger andauerndem, warmen Winde, außerordentlich
warmen Regen, bei Hagel oder Wolkenbrüchen entstehen.
So sehr nützlich nach Anschauung Duile's die Wildbäche der beiden ersten
Arten unter gewöhnlichen Verhältnissen dem Menschen durch fruchtbare Bewässe-
rung der Fluren usw. werden können, so schädlich müssen sie, in tosende Wildbäche
umgewandelt, sich erweisen. Da die Ursachen des Entstehens der Wildbäche der
dritten Art zumeist nur in einzelnen Gegenden vorliegen, so sind die Verheerungen
auch in den meisten Fällen nur partiell. Selbstverständlich werden aber durch diese
Ursachen auch die Bäche der beiden ersten Arten in verheerende Wildwässer ver-
wandelt.
Von einem ganz anderen Gesichtspunkte geht Sureil ^) bei der Klassifikation aus.
Je nach der Lage des Aufnahmsbeckens unterscheidet er:
1. Wildbäche, die von einem Sattel ausgehen und in ein eigentliches Tal fUeßen;
2. solche, die von einem Gebirgskamm ausgehen und in der Linie des stärksten
Gefälles herabstürzen und
3. solche, deren Ursprung unterhalb des Gebirgskammes und auf den Abhängen
selbst gelegen ist.
Demontzey*), der einstige Leiter des Verbauungswesens in Frankreich, teilt
die Wildbäche in zwei große Kategorien ein.
Die erste umfaßt alle jene Wildbäche, deren Schuttmassen lediglich von der
Unterwühlung der Gebirgshänge herrühren. Er nennt sie die unterwühlenden Wild-
bäche, ,, torrents ä affouillements". Zur zweiten Kategorie zählt Demontzey jene
Wildbäche, die vorwiegend Verwitterungsprodukte führen, oder die von Gletschern
gespeist werden. Die ersteren nennt er ,, torrents ä casse", die Wildbäche der Schutt-
halden; die letzteren ,, torrents glaciaires", die Gletscherbäche.
Eine weitere Einteilung ist diejenige von Costa de Bastelica ^) in einfache Wild-
bäche, ,, torrents simples", mit nur einer Schlucht, und in zusammengesetzte Wild-
1) Fabre, ,, Essai siir la tli^orie des torrents et de riviferes". Paris 1797.
2) Ale.xandre Surell, ,, Etüde sur les torrents des Hautes-Alpes". Paris 1842.
3) Josef Duile, ,,Ueber Verbauung der Wikibäche in Gebirgsländern". Innsbruck 1826.
4) P. Demontzey, ,,Trait6 pralique du reboisement et du gazonnenient des niontagnes".
Paris 1878, In deutscher Uebersetzung von Dr. A. Freiherrn von .Seckendorft. Wien 1880.
5) Costa de Bastelica, ,,Les torrents, leurs lois et leurs effets". Paris 1874.
A. Die Wildbacliverbauun;;. § 2. 295
bäche, „torrents composös", mit zwei oder nieiireren Schluc.liteu. Demontzcy fügt
diesen beiden Arten noch eine dritte, den sogenannten musclielförniigen AusriO,
„la combe", bei.
Gestützt auf die Verhältnisse der österreichischen Monarchie liat Ministeriahat
Johann Salzer i) die Wildbäclie in zwei große Gruppen, und zwar in die Wildbäciie
des Hochgebirges und in jene der Berg- und Hügelländer — Böhmen, Mähren, Schle-
sien, Galizien, Bukowina — eingeteilt. Die ^^'ildbäche der ersten Gruppe werden von
ihm in vorwiegend unterwühlende und in vorwiegend Verwitterungsprodukte führende
geschieden. Zu den letzteren werden ausschließlich die Wildbäche der Kalkalpen
gerechnet.
Die Wildbäche des Berg- und Hügellandes mit vorwiegend mäßigem Gefälle
haben brüchige Stellen zumeist nur in den höheren Lagen, weisen im ITnterlaufe vor-
herrschend Ufereinbrüche im Diluvium auf und zeichnen sich besonders durch Zu-
fuhr von großen Wassermassen aus. Von den Wildbächen des Hochgebirges sind sie
zudem noch in der Regel dadurch unterschieden, daß bei ihnen die Gebiete der Erosion
und Alluvion nicht so scharf getrennt sind wie bei diesen.
Noch sei bemerkt, daß Professor A. Freiherr von Seckendorff ^) die sogenannten
Gießbäche von den Wildbächen trennt. Es sind dies seiner Ansicht nach Bäche, die
meist über festes Gestein herabstürzen, häufig Wasserfälle bilden und selten außer
Wasser- noch Erd- und Schuttmassen mit sich führen. Nach Seckendorff kann ein
Gießbach niemals zum Wildbachc werden. Die Gießbäche sind übrigens nichts
anderes als die sogenannten ,,ruisseaux" Surell's, der die Gewässer außer in die bereits
namhaft gemachten ,,rivieres torrentielles" und ,, torrents" noch in ,,rivieres", das
sind Flüsse und in ,,ruisseaux", das sind Bäche, unterteilt. Demontzey fügt allen
diesen noch die Runse, den Wasserriß, ,,ravin" hinzu.
Die vorstehend namhaft gemachte, allerdings nicht erschöpfende Einteilung
der Wildbäche hat mehr oder minder ihre Berechtigung. Die Einteilungen nach Surell,
Bastelica und selbst nach Duile sind von mehr untergeordneter Bedeutung, weil sie
den Charakter des Baches nicht genug klarstellen, wenigstens nicht so klarstellen,
daß nach ihm auf die allenfalls nötigen oder ratsamen Gegenmaßregeln geschlossen
werden könnte.
Es bilden diese Einteilungen überdies nichts Feststehendes und es kann ihre
Anwendung häufig auf Schwierigkeiten stoßen.
Einen wesentlich höheren Wert dagegen haben die Unterteilungen nach Demont-
zey und nach Salzer. Sie geben wenigstens in großen Zügen den Bachcharakter an
und lassen auf die entsprechenden Gegcnmaßregeln schließen.
Offenbar gebührt Demontzey das Verdienst, daß er der erste war, welcher die
eigentliche Tätigkeit des Wildbaches als für die Einteilung maßgebend erachtete.
Daß er die sogenannten Gletscherbäche zu den vorwiegend Verwitterungsprodukte
führenden Wildbächen zählt, ist nicht ganz gerechtfertigt, da Gletscherbäche sich
auch vorwiegend durch Unterwühhmg auszeichnen können und daher bei ihnen im
allgemeinen das anzuwendende System der Verbauung zweifelhaft erscheint.
Einen großen \'orzug hat die Einteilung nach Salzer, weil sie auch die Wildbäche
der Berg- und Hügelländer ins Auge faßt, was um so gerechtfertigter ist, als bei
diesen in der Regel das Svsteni der Verbauung mehr oder weniger abweichend ist von
1) Johann Salzer, ,,Ueber den Stand der Wildbachverbauungen in Oesterreicli". Vortrag,
gehallen im österreichischen Forstkongresse. Wien 1886.
2) A. Freiherr von Seckendorff, ,,\erbauung der Wildbäche, Aufforstung und Berasung
der Gebirgsgründe". Wien 1884.
296 VIII. Wang, Die Wildbacli und La\vinenverba\iung.
jenen Systemen, die bei der Verbauung der Wildbäche des Hochgebirges in Anwen-
dung zu kommen haben.
Wenn an dieser letzteren Einteilung festgehalten wird, so sollen doch bei den
Wildbächen des Hochgebirges die geognostischen Verhältnisse deshalb außer Betracht
bleiben, weil sich nicht allein die Wildbäche des Kalk-, sondern auch jene des kristal-
linischen oder des Schiefergebirges vorwiegend durch Führung von Verwitterungs-
produkten auszeichnen können.
Die von Surell und Seckendorff getroffene Einteilung in Gießbäche und Wild-
bäche, ,,ruisseaux" und ,,torrents", hat nur insofeme Berechtigung, als die ersteren aus
gewissen Gründen zeitweise den Charakter der letzteren tatsächlich nicht besitzen. Die
allgemeine Behauptung aber, daß Gießbäche niemals den Charakter der Wildbäche
annehmen können, erscheint zum mindesten sehr gewagt, denn so mancher der heute
wütenden Wildbäche war vielleicht vor nicht geraumer Zeit zu den Gießbächen zu
zählen.
§ 3. Die Einteilung des Bach Verlaufes. Duile (vergl. Anm. 3,
S. 294) unterscheidet innerhalb des Niederschlagsgebietes drei Sondergebiete, welche
von ihm im weiteren Verlaufe seiner interessanten Schrift als ,, Sammelbecken", weiters
als ,,Tobel" oder ,, Klamm" und schließlich als ,, Ablagerungsgebiet" oder ,, Ausguß-
bett" bezeichnet werden. Die Beschreibung lautet : ,,Man denke sich nur enge, auch bis
12 Stunden lange Täler, eingeschlossen von Höhen, steilen Gebirgen, deren Gipfel
vielfältig mit ewigem Eis bedeckt sind, und welche da, wo sich das Tal schließt, das
ist im Hintergrunde, öfters Trichter von ungeheurer Ausdehnung bilden und
nicht selten an Ferner grenzen; man denke sich weiters diese Gebirge vielfältig ver-
wittert, die Felsmassen, aus denen sie bestehen, noch locker, unzusammenhängend,
ihre jäh sich gegen das Tal abdachenden Flächen der sie schützenden Decke viel-
fältig beraubt, das Gefälle des Tales selbst bis zur Ausmündung äußerst groß: welche
Verwüstungen müssen dann wohl in solchen Tälern erfolgen, wenn Schnee und Eis,
in den Schluchten jahrelang verborgen liegend, auf einmal schmelzen; wenn bei
andauerndem, warmem Regen die große Wassermasse in die schon damit gesättigten
steilen Flächen nicht mehr eindringen kann, sondern mit Gewalt sich über dieselben
und über Felsen herabstürzt, Schotter, lockere Erde, entwurzelte Bäume, Felsstücke
und Steine in das tiefe Tal fortreißt; wenn hier dann das sich sammelnde Wasser
— durch des Tales Fallen an Geschwindigkeit immer zunehmend — diese schreck-
lichen Massen unter fürchterlichem Getöse mit sich fortwälzt, bis es dieselben da, wo
das Gefälle sich mindert, d a s T a 1 erweitert, daher das Wasser an Kraft ab-
nimmt, liegen läßt."
Vollkommen übereinstimmend mit der Anschauung Duiles ist jene Surells
(vergl. Anm. 2, S, 294). Er unterscheidet das Aufnahmsbecken, ,,bassin der recep-
tion", den Abflußkanal, ,,canal d'ecoulement", und das Ablagerungsgebiet, ,,lit de
dejection". Während im Aufnahmsbecken die Wässer vorwiegend unterwühlen, im
Ablagerungsgebiete, wie der Name sagt, vorwiegend ablagern, ist nach Surell im
mittleren Gebiete, im Abflußkanale, eine wesentliche Tätigkeit der Wildwässer
nicht zu konstatieren, das Gebiet also in gewissem Sinne neutral zu nennen. Dieser
Abflußkanal wird von Costa de Bastelica (vergl. Anm. 5, S. 294) als ,,Sclilucht",
,,gorge", von Culmann ') als Sammelkanal bezeichnet.
Demontzey (vergl. Anm. 4. S. 294), der für das Ablagerungsgebiet den Ausdruck
,,c6ne de dejection", Schuttkegel, gebraucht, akzeptiert die Bezeichnung ,,gorge",
1) Culmann, ,, Bericht an den schweizerischen Bundesrat über die Untersuchung der schwei-
zerischen Wildbäche, vorgenommen in den Jahren 1858, 1859, 1860 und 1863". Zürich 1864.
A. Die \\ ildbachverbauung. § 3. 297
Schlucht, nach Bastelica. welch letztere seiner Ansicht nach wenigstens rudimentär
bei jedem Wildbach vorkommt. Dagegen ist er mit der Surellschen Charakteri-
sierung des Abflußkanales insoferne nicht einverstanden, als sich seiner Erfahrung
nach, die man übrigens nicht selten selbst machen kann, die Ablagerung durch
einen Teil oder selbst durch die ganze Schlucht hindurch vollziehen kann.
Dr. Paul Lehmann *), der die Bezeichnungen „Schuttkegel", ,,Sammclgebiet"
und „Sammelkanal" gebraucht, scheint innerhalb der beiden letzteren Gebiete die
Neigung des Wassers zur Sohlenvertiefung, Kolkung, zu erkennen; die diesbezügliche
Stelle lautet:
,,Noch mannigfacher als bei den Schuttkegeln sind die Erscheinungen im
Sammelgebiete und im Sammelkanale der Wildbäche; doch treten uns überall, am
Gletscherbache, wie an der öden Rufe, die nur bei Regenwetter ,,geht", ein starkes
Gefälle, steile Ufer und infolgedessen die Neigung des Wassers zur Sohlenvertiefung,
Kolkung, als bezeichnende Merkmale entgegen".
Edniund Graf -) akzeptiert die Duilesche Einteilung, während Martin Ko-
watsch ') den Wildbach in drei Zonen scheidet und zwar:
1. Zone des absoluten Abtrages, den obersten Teil des \^'ildbach6s umfassend.
"2. Zone des absoluten Auftrages im untersten und
3. Zone der Nullarbeit im mittleren Laufe des Wildbaches.
Offenbar ist diese Einteilung in Uebereinstimmung mit jener von Surell.
Kowatsch bemerkt überdies, daß die 3. Zone, also jene der Nullarbeit, dann als
die für die Verbauung tauglichste angesehen werden müsse, wenn das Uebel nicht am
Ursprung behoben werden kann.
Während G. R. Förster ■*) nur oberflächlich vom Schuttkegel, Sammel- oder
Einzugs- und vom Durchflußgebiete spricht, äußert sich Elias Landolt ^) in einge-
hender Weise liinsichtlich des Bachverlaufes und unterscheidet an den größeren
Bächen des Hochgebirges in der Regel vier wesentlich von einander abweichende
Teile, und zwar:
L Das Sammel- oder Einzugsgebiet, gewöhnlich von einer großen Zahl von
Zweigen des Hauptbaches durchschnitten. Es fällt im Hochgebirge auf die als Weide
benutzte obere Ten-asse. beziehungsweise in die unwirtlichen Gegenden (Felspartien,
Gletscher und Schneefelder), in den \'orbergen in die obere Waldregion. Die einzelnen
Zweige der Bäche sind, wenn nicht von Quellen, Gletschern, Schneefeldem gespeist,
in der Regel wasserarm, oft sogar trocken, füllen sich aber bei Schneeschmelze, Ge-
wittern usw. rasch und führen dann den Runsen und Schluchten im Erosionsgebiete
große Wassermassen und Geschiebemengen zu. In der Regel liegen die sich oben
oder in der Schlucht zu einem Bach vereinigenden Gräben in einer weiten Mulde.
2. Das Erosions- oder Auswaschungsgebiet, in dem der Hauptbach nicht
selten auch noch Seitenbäche aufnimmt. Es befindet sich zum größten Teile in der
Waldregion, weil die steilsten Partien der Hänge dieser angehören. Hier fließt das
Wasser durch enge, tief eingeschnittene Runsen, deren Einhänge häufig ,, verrutscht"
und unproduktiv sind, und nimmt den größten Teil des Materiales auf, welches bis
ins Tal befördert wird und dort den Schuttkegel bildet.
1) Dr. Paul Lehmann, „Die Wildbäche der Alpen". Breslau 1879.
2) Edmund Graf, ,,Waldver\vOstung und .Murbrüche". Wien 1879.
3) Martin Kowatsch, „Das obere Fellagebicl im Kanaltale in Kärnten und die dortigen
Wasserbauten".
4) G. R. Förster, „Das forstliche Transportwesen". Wien 1885.
ö) Elias Landolt, „Die Bäclie, Schneelawinen und Steinschläge und die Mittel zur Ver-
minderung der Schädigung durch dieselben ". Zürich 1887.
298 VIII. W a n g , Die Wildbach- und Lawinenverbauung.
3. Den Scluittkegel, das Gebiet der Ablagerung, in dem das Baciibett iiäufig
höher liegt als das angrenzende Kulturland.
4. Die Bachstreoke im Tale, die je nach den Gefällsverhältnissen sehr ver-
schieden gestaltet ist, oft auch ganz fehlt und nicht selten zur Versumpfung Veranlas-
sung geben kann.
Eine ähnliche Einteilung in 4 Teile trifft aucii Thiery ^), doch scheidet er das
eigentliche Aufnahmsgebiet, ähnlich wie dies Scipion Gras ^) tat, nach vier charak-
teristischen Typen. Der ersten Type gehören jene Gebiete an, die von steilen, vielfach
durchfurchten, oft viele hundert Meter hohen Felsen umrahmt sind. Die Möglichkeit
des raschen Sammeins der Gewässer, wie nicht minder der sich stetig fortsetzende,
den Tälern Material in großen Mengen liefernde Verwitterungsprozeß, lassen der-
artige Wildbäche gefährlich erscheinen.
Die Aufnahmsgebiete der zweiten Type liegen in leicht verwitterbarem Boden,
zeigen immer die Form eines durch einen Hals geschlossenen Trichters und haben,
wenn kahl, stets das Bestreben, sich durch Einsturz der Wandungen zu vergrößern.
Die Aufnahmsgebiete der dritten Type vereinigen die Charaktere der beiden vorher-
gehenden. Sie bestehen aus nackten Felsen, an deren Fuß die Wässer in leicht ver-
witterbarem Gesteine eine Vertiefung, ähnlich dem Trichter der vorhergehenden
Type, ausgehöhlt haben. Auch Wildbäche dieser Type werden als sehr gefährlich
bezeichnet. Die Wildbäche der vierten Type zeigen ein hochgelegenes, im allgemeinen
von einem Gebirgspaß ausgehendes Tal, in welches sekundäre Wildwässer münden.
Jedes der letzteren hat ein verschiedenes, einer der vorhergehenden Typen
angehöriges Aufnahmsgebiet; alle sind untereinander durch einen gemeinsamen
Schlauch verbunden.
Wie zu entnehmen, ist die Frage der Einteilung des Wildbachverlaufes zwar
schon vielfach erörtert worden — des Raumes wegen muß manch andere Einteilung
übergangen werden — -doch bieten alle diese Einteilungen nichts Feststehendes, da die
obwaltenden Verhältnisse nicht nur teilweise, sondern auch gänzlich abändernd zu
wirken imstande sind. Im allgemeinen kann behauptet werden, daß die Verhältnisse
der Talbildung in der Kalkalpenwelt wesentlich verworrener sind, als jene in der
Urgebirgswelt, so z. B. innerhalb der Kette der Zentralalpen. Diese Verworrenheit
der Talbildung, welche in den höheren Gegenden in völlige Unbestimmtheit ausartet,
ist für sich ein charakteristischer Zug der Kalkalpenwelt.
Nichtsdestoweniger lassen sich unter allen Umständen, wenigstens bei den
Wildbächen des Hochgebirges, zwei scharf getrennte Gebiete unterscheiden und
zwar:
1. Das Gebiet der Materialbeschaffung. ,, Denudation", zumeist das ganze Nie-
derschlagsgebiet umfassend, und
2. das Gebiet der Materialablagerung, ,, Akkumulation", der Schuttkegel.
Bei den Bächen des Mittelgebirges sind beide Gebiete nicht so scharf getrennt
und bei jenen der Niederung vielleicht gar nicht zu unterscheiden.
Eine ähnliclie Einteilung hat auch Schindler ^) getroffen, der das erstere Ge-
biet als jenes der ,, Erosion" bezeichnet, was jedoch nicht immer zutreffend ist, da
sich dort mitunter auch andere Prozesse materialschaffend erweisen können.
1) E. Thiery. ,, Restauration des montagnes, correclion des torrents, reboisement". Paris 1891.
2) Scipion Gras, ,,Etudes siir les torrents des Hautes-Alpes". Annales des ponts et chaus-
s6es. Paris 1857.
.S) A. Schindler, ,,Die Wildbach- und Flußverbauung nach den Gesetzen der Natur". Zürich
1889.
A. Die WililliaclivtTliauung. § 4. 299
§ 4. Das Herkommen des Geschiebes. Von ganz besonderer
Bedeutung ersclieint die den Wildbächen zukommende Eigenschaft der starken und
unregelmäßigen Geschiebeführung, bei deren Beurteilung das Augenmerk in erster
Linie dem Herkommen der Geschiebemassen zugewendet werden muß.
Im großen und ganzen ist das in den Rinnsalen der Wildbäche angehäufte und
von diesen geführte Geschiebe als das Resultat, sei es der Verwitterung, sei
es der Erosion oder auch der U n t e r w ü h 1 u n g , beziehungsweise. Durchfeuch-
tung lockerer, hangender Schichten anzusehen.
Die Verwitterung liefert den Wildbächen bedeutende Geröllmassen. Ihr Fort-
schritt hängt nicht allein von der geognostischen Beschaffenheit des Grundgesteines,
sondern auch von dem Klima, der Höhenlage, der Exposition und insbesondere von
der Beschaffenheit der Bodendecke ab.
Was die geognostische Beschaffenheit des Grundgesteines anbelangt, so leisten
die kristallinischen Massengesteine, insbesondere der Granit, dem Verwitterungspro-
zesse im allgemeinen großen Widerstand. Ihnen zunächst die kristallinischen Schiefer
und unter diesen namentlich der Gneis. Verhältnismäßig geringen Widerstand
setzen der Verwitterung die Sedimente, so der Tonschiefer und die sandsteinartigen
Gesteine, in den einer Vegetationsdecke entbehrenden Hochlagen auch die Kalke
entgegen.
Die allgemeinen klimatischen Verhältnisse können selbstverständlich nicht
ohne Einfluß auf das Fortschreiten des Verwitterungsprozesses bleiben. Oertlich-
keiten mit häufigen und reichlichen Niederschlägen, Winden, Gewittern, Hagel und
insbesondere mit raschem Temperaturwechsel über und luiter dem Eispunkte und
daher sehr vermehrter Wirkung des in die Gesteinsritzen dringenden und dort frieren-
den Wassers, müssen als dem Fortschritte des Verwitterungsprozesses günstig be-
zeichnet werden.
Zum großen Teile hängt jedoch die Einwirkung der klimatischen Verhältnisse
von der Höhenlage und der Exposition ab.
Hinsichtlich der Höhenlage erscheint erwiesen, daß die Region unmittelbar
unter der Schneegrenze die größte Zertrümmerung erleidet. Hier mangelt es zumeist
an der schützenden Bekleidung des Bodens mit Vegetation oder mit Schnee und
hier ist der häufigste Wechsel der Temperatur ober und unter dem Nullpunkte zu
konstatieren. Das ist aber auch jene Region, in welcher in der Regel das eigentliche
Sammelgebiet der Wildbäche gelegen ist.
Was die Exposition anbelangt, so sind Südabhänge der Verwitterung mehr
ausgesetzt als die nördlichen. Der Gnmd hiefür ist namentlich darin zu suchen, daß
die Schneedecke schon im zeitlichen Frühjahre durch die mehr senkrecht auffallenden
Sonnenstrahlen inid den direkten Anprall des Südwindes entfernt und die Einwirkung
der schädlichen Nachtfröste begünstigt wird. Auch ist zu berücksichtigen, daß
die südlichen Hänge in der Regel in größerer Ausdehnung und oft bis in die höchsten
Lagen der Agrikultur gewidmet sind, was bei allzu intensiver Ausnützung des Bodens
häufig eine Verschlechterung der Standorte und ein Herabdrücken der Vegetations-
grenze mit sich bringt.
Einen wesentlichen Einfluß auf die Art, den Grad und Fortschritt der Verwitte-
rung übt die Beschaffenheit der Bodenoberfläche aus. Der natürlichen Kleidung
beraubt, ist der Boden in erhöhtem Maße und schutzlos der zerstörenden Einwirkung
der Atmosphärilien, der Einwirkung der Sonnenstrahlen preisgegeben, der Tempera-
turwechsel wird füldbarer und der F'rost vermag die Verwitterung wesentlich zu
fördern.
300 VIII.
Hieraus geht hervor, welch hochwichtige Aufgabe der Vegetationsdecke im
Wildbachgebiete hinsichtlich der Hintanhaltung der Geschiebebildung und hinsicht-
lich der Regelung der Geschiebeabfuhr zufällt, und wie sehr es nötig ist, die Besse-
rung der kulturellen Verhältnisse im Niederschlagsgebiete ins Auge zu fassen.
Es würde zu weit führen, wollte man an dieser Stelle die hydrologische Bedeutung
der Pflanzendecke und insbesondere jene des Waldes zu erörtern versuchen. Es
muß genügen, diesbezüglich auf das eingangs bezogene Werk des Verfassers ,, Grund-
riß der Wildbachverbauung" zu verweisen. In ganz ausgezeichneter und sehr wissen-
schaftlich gehaltener Art hat diesen Gegenstand jüngst Ney ^J behandelt. In beiden
bezogenen Arbeiten sind vielfach gleiche Anschauungen vertreten.
Die Verwitterungsprodukte können auf verschiedene Weise in die Rinnsale
der Bäche gelangen. Einerseits werden sie durch das von den Hängen herabfließende
und den Rinnsalen zueilende Wasser, sowie auch durch Lawinen und Gletscher
talwärts befördert, andererseits gelangen sie durch Steinschlag oder auch durch
Bergstürze in den eigentlichen Bereich des Wildwassers.
Ganz wesentlichen Anteil an der Beförderung der Verwitterungsprodukte bis
zu jenem Orte, wo dieselben der transportierenden Tätigkeit des Wassers unterwor-
fen sind, haben wohl die Gletscher und die Bergstürze. Leider sind es gerade sie, mit
denen im Naturhaushalte gerechnet werden muß, ohne ihrer Tätigkeit sehr wirksam
entgegentreten zu können.
Auf die Tätigkeit der Gletscher ist das reiche ^'orkommen des Glacialschuttes
in den Alpen zurückzuführen, eines Gebildes, welches ein außerordentlich günstiges
Feld für die erodierende Tätigkeit des Wassers bildet und auf dessen Bindung nicht
genug geachtet werden kann. Die Bergstürze schaffen außerordentlich große Material-
massen in die Schluchten und Täler und begründen hiemit auch eine wesentliche
Gefahr für das Unterland. Der Einfluß der Lawinenstürze und der Steinschläge auf
die Geschiebeführung ist in der Regel von geringerer Bedeutung, denn die Masse
des auf solche Weise in das Rinnsal gelangten Materiales ist in der Regel im Ver-
hältnisse zur tatsächlichen Geschiebeführung des Wildbaches doch nur eine relativ
geringe.
Ueberraschender in ihren Wirkungen gegenüber der Verwitterung ist die Ero-
sion. Sie äußert sich in den Wildbächen nicht allein in der Vertiefung der Rinnsale
und den hiemit häufig verbundenen Lehnenfußunterwaschungen und ihren Folgen,
sondern nicht selten auch in der Zerwühlung der Hänge, in der Schaffung von Runsen
und neuen, wenn so gesagt werden kann, zur Existenz nicht berechtigten Rinnsalen.
Naturgemäß wird die Erosion unter sonst gleichen Verhältnissen, also unter gleichen
geognostischen, gleichen Gefälls- und Verwitterungsverhältnissen umsomehr zur
Geltung kommen müssen, je rascher der Wasserabfluß ist, und es wird deshalb und
weil die Vegetationsdecke der erodierenden Kraft des Wassers mechanischen Wider-
stand entgegensetzt, die Erosion in einem kahlen Sammelgebiete mehr zur Geltung
kommen, als in einem mit Vegetation hinreichend bedeckten und geschützten Gebiete.
Daraus erhellt wieder deutlich die Aufgabe der Kultur im Niederschlagsgebiete,
gleichzeitig aber auch die Notwendigkeit der Durchführung solcher Maßnahmen, die
geeignet sind, dem schon entstandenen üebel Einhalt zu tun und die vorhandenen
Wunden zur Heilung zu bringen.
In ihrer Wirkung gleichfalls außerordentlich unregelmäßig und zumeist schaden-
bringend ist die Unterwühlung hangender Bodenschichten. Diese Erscheinung, die
1) Karl Eduard Ney, „Die Gesetze der Wasserbewegung im Gebirge". Neudamm 1911.
A. Die Wildbaclivorhaiuin!». § 5. 3()1
bekanntlich auf die Tätigkeit der Sicker- und Quellwässer zurückgeführt werden muß,
tritt unter sonst gleichen Wrhältnissen in der Regel um so rascher und in um so
größerem Umfange ein. je zusanunenhangloser, je nackter und verwitterter der Boden
ist. Ganz gewaltig sind oft die Materialmassen, die auf solche Weise in die Rinnsale
gelangen, und von großer Wichtigkeit ist es deshalb, diese Erscheinung in den ^^'ild-
bächen genauestens zu beobachten.
§ 5. Die Ursachen der W i 1 d b a c h v e r h e e r u n g e n : Als Ur-
sachen der Wildbachverheerungen sind anzusehen:
1. Außerordentliche meteorische Niederschläge, wie sie periodisch wieder-
kehren. Im Falle reichlicher fester Niederschläge im Winter oder im zeitigen Früh-
jahre ist es die rasche Schneeschmelze, welche die Führung großer Wassermassen mit
sich bringt. In Wildbächen sind es besonders die wolkenbruchartigen Regengüsse,
namentlich aber unter gewissen geotektonischen Verhältnissen, bei Vorhandensein
nackter, aus Schutt und leicht erodierbaren Gesteinsmassen zusammengesetzter
Gehänge die Hagelwetter, welche zur Entfesselung der Gewässer beitragen.
2. Die mangelhafte Wasserpolizei und im Zusammenhange damit der trostlose,
vernachlässigte Zustand der Gerinne. Hier ist zu erwähnen: das Vorhandensein
nicht widerstandsfähiger neuer, an und für sich nicht entsprechender Einbauten,
insbesondere Wehren, die oft ungenügenden Profile, die nicht hochwasserfreien
Brücken, die Ablagerung von Holz und dergl. in den Inundationsgebieten, die Be-
lassung von hochstämmigem Holze innerhalb derselben und besonders an den Ufern
der Gewässer sowie an den Fiändern der Bruchflächen, die Benützung der Rinnsale
als Wege, die Unterlassung der Reinigung der Gerinne von Wildholz, die oft irra-
tionelle Ausübung der Trift und Flößerei, dann im Falle der Auflassung des Holz-
transportes zu Wasser die nicht genügende Instandhaltung von Klausen, Rechen
und Uferschutzbauten, welche früher dem Transporte dienten, u. a. m.
3. \'ielfach fehlende oder unzureichende Flußregulierungen, insbesondere aber
Wildbachverbauungen, und alle jene Umstände legislativer, finanzieller, administra-
tiver und wohl auch mitunter partikularistischer Natur, welche der energischen und
ausreichenden Durchführung dieser im höchsten Interesse der Landeskultur gelegenen
Maßnahmen im Wege stehen.
4. Die gewiß auch noch unzureichende Forstgesetzgebung und ungenügende
staatliche Forstaufsicht. Trotz des unverkennbaren Fortschrittes bleibt in dieser
Richtung noch vieles zu tun. Die Güterschlächterei und das vielfach offenbar nur
auf schrankenlose Ausbeutung des Waldes gerichtete Bestreben nach Erriclitung von
holzverzehrenden Betriebsstätten, sind als weitere Ursachen zu nennen; die die
ordnungsmäßige Wirtschaft behindernde Streu- und Weideservituten, die nicht
selten praktizierten Waldtcihmgen im Gebirge können nicht unerwähnt bleiben.
5. Die zumeist mangelhafte Bewirtschaftung der Alpen und Gebirgsweideflä-
chen. Die Folge dieser mangelhaften Bewirtschaftung ist zunächst das Bedürfnis
nach Ausdehnung des Weideterrains, und diesem Bedürfnisse ist es wieder zuzu-
schreiben, daß so manche, vermöge ihrer konkreten Bodenbeschaffenheit dem\\'ald-
lande angehörige und als solche im Hinblick auf möglichste Retention zu erhaltende
Fläche der Waldkultur entzogen, selbst aber nach und nach infolge der mangelhaften
landwirtschaftlichen Benützung der Verödimg zugeführt wird.
Dieser mangelhaften, für das Regime der Wildwasser sehr bedeutungsvollen
Bewirtschaftung liegt wieder vielfach der Mangel an Alpenbewirtschaftungsgesetzen,
an nicht genügender Würdigung der Hebung des Futterbaues auf den Alpen
zugrunde.
302 VIII. Wang, Die Wildbach- und Lawinenverbauung.
6. Ist der Entwässerung des Waldlandes und der Gebirgsmoore und Filze zu
gedenken.
§ 6. Die Systeme d e r W i 1 d b a c h v e r b a u u n g. Den Wildbächen
des Hochgebirges ist im Gegensatze zu jenen der Berg- und Hügelländer, und an
dieser Einteilung soll bei den folgenden Ausführungen festgehalten werden, zumeist
eine ganz besondere, häufig mit den Wassermassen in gar keinem Verhältnisse
stehende Materialführung eigen. Man begegnet hier einer Erscheinung, dem Mur-
gange, die als eine Eigenheit des Hochgebirgswildbaches angesehen werden kann und
die bei den Bächen des Berg- und Hügellandes wenigstens nicht in so bestimmter
Weise zum Ausdrucke kommt.
Je nach dem Herkommen der Geschiebemassen hat man im Hochgebirge Wild-
bäche zu unterscheiden, welche vorherrschend Verwitterungsprodukte führen und
solche, welche das Geschiebe vorwiegend durch ihre erodierende oder unterwühlende
Tätigkeit in Bewegung setzen.
Wenn, wie hervorgehoben, bei derlei Bächen die Geschiebeführung vorherrscht,
so ist in der Regel bei den Wildbächen der Berg- und Hügelländer die Wasserführung
überwiegend ; doch kann auch hier die Materialführung als Folge von Uferbrüchen
und wegen des beständigen, unregelmäßigen Wühlens in alten Schotterdeponien,
mitunter eine ganz bedeutende, sowie in Anbetracht des sich meist auf wertvolle
Kulturgründe ausdehnenden Inundationsgebietes, auch eine sehr schädliche werden.
Die vorwiegend Verwitterungsprodukte führenden Wildbäche des Hochge-
birges, zu welchen in erster Linie die des Kalkgebirgfes zu zählen sind, bieten der
Verbauung im allgemeinen keine günstigen Operationsgebiete. Wie aus dem Vorher-
gehenden erhellt, muß es sich naturgemäß in solchen Fällen um die tunlichste Be-
kämpfung der Verwitterungserscheinung durch Schaffung womöglich besserer kultu-
reller Verhältnisse im Niederschlagsgebiete handeln. Wenn schon die Durchführung
der diesfalls nötigen Maßnahmen innerhalb des Vegetationsbereiches oft, und zwar
deshalb mit großen Schwierigkeiten verbunden ist, weil man nur allzuhäufig dem
Widerstände seitens der Bevölkerung begegnet, so ist leider mit der Vegetationsgrenze
der diesfälligen Tätigkeit überhaupt eine Schranke gesetzt.
Unter allen Umständen ist in solchen Fällen das Hauptaugenmerk auf die Er-
haltung oder Schaffung eines Waldgürtels an der Waldvegetationsgrenze zu legen,
weil nur auf diese Weise eine größere Gewähr für die Zurückhaltung des Geschiebes
über diese Grenze nach aufwärts geboten erscheint. Selbstverständlich ist auch der
Bewirtschaftung der ober der Waldgrenze gelegenen Alpsgründe besondere Sorgfalt
zuzuwenden und überhaupt zu trachten, der Vegetation soweit als möglich in den
höchsten Lagen Eingang zu verschaffen.
Die Besserung der Alpenwirtschaft ist eine auch wasserwirtschaftlich außer-
ordentlich wichtige Maßnahme, denn sie zielt in erster Linie auf die Verhinderung
der Bodendeteriorierung hin, die auch dem Regime der Hochwässer zugute kommt.
Andere und namentlich bauliche, in solchen Wildbächen auszuführende Arbei-
ten können in der Regel nur als Palliativmittel angesehen werden. Sie sind wohl ge-
eignet, die Gefahr momentan oder für längere Zeit zu bannen, nicht aber auch, sie
vollkommen zu beheben. Zu diesen Maßnahmen gehört die Herstellung größerer
Talsperren als Materialstauwerke, welche den Zweck haben, die Geschiebe-
führung durch eine gewisse Zeit hindurch auf ein vielleicht unschädliches Maß einzu-
schränken. Unter Umständen kann so Zeit gewonnen werden, die wirtschaftlichen
Verhältnisse im Niederschlagsgebiete in zufriedenstellender Weise zu bessern. Weiters
sind als im Innern solcher Gewässer eventuell noch durchzuführende Maßnahmen
A. Die W'iUlbaclivcrliauuiig. § 6. 303
die Vorkehrungen ge^en den Steinschlag und gegen den Abgang von Lawinen er-
wähnenswert.
Der leidigen Tatsache, daß derartige Wildbäche der Verbauung kein besonders
günstiges Operationsgebiet liefern, kann iininerhin der umstand entgegengehalten
werden, daU sie, weil in ihrer Tätigkeit und schädlichen Wirkinig eine gewisse Regel-
mäßigkeit zeigend, auch nicht zu den besonders gefürchteten Wildwässem gezählt
werden können. In den meisten Fällen nehmen die von ihnen herabgeführten ^'er-
witterungsprodukte am Talausgang für sich ein gewisses Gebiet in Anspruch, welches
die Bewohner der Umgebung im Hinblick auf die vorhandene, nahezu unabweisliche
Gefahr in der Regel auch nicht nutzbar zu machen bestrebt sind. In nicht seltenen
Fällen wird es deshalb bei solchen Bächen auch angezeigt sein, auf den Schuttfeldern
förmliche Materialablagerungsplätze zum sicheren Schutze des umliegenden Kultur-
landes zu schaffen, oder die Bildung solcher Materialdeponien auch schon im Talinnern
an geeigneten Stellen durch entsprechende \'orkehrungen zu begünstigen.
Selbstverständlich schließt es das bisher geschilderte Verfahren nicht aus, daß
die in solchen Wildbächen in größerem oder geringerem Maße durch andere Erschei-
nungen, z. B. durch Erosion und Unterwühlung verursachte Geschiebeführung auch
auf andere, diesen Erscheinungen entgegenwirkende, entsprechende Weise bekämpft
werden muß.
Ein bei weitem reichhaltigeres und dankbareres Feld für die Verbauungstätig-
keit liefern die vorherrschend erodierenden und unterwühlenden Wildbäche. Hier
bieten sich dem Fachmanne die mannigfachsten Aufgaben dar, deren richtige Lösung
nur an der Hand reichlicher praktischer Erfahrung gelingen kann. Als die haupt-
sächlichsten Aufgaben sind die V e r h i n d e r u n g der weiteren Sohlen-
erosion,dann häufig im Zusammenhang hie mit die Siche-
rung der anbrüchigen L e h n e nf ü ß e , die unschädliche Ab-
leitung der Ouell- und Sickerwässer, die eventuelle
Zurückhaltung der bereits angehäuften Erosions-, Un-
t e r w ü h 1 u n g s - oder teilweise auch V e r w i 1 1 e r u n g s p r o d u k t e,
die Konsolidierung der der Erosion und der Unterwüh-
lung unterworfenen Hänge der Nieder Schlagsgebiete
und endlich die Besserung der kulturellen und \\ i r t -
s c h a f 1 1 i c h e n Verhältnisse innerhalb der letzteren an-
zusehen.
Die Sohlenerosion ist das Resultat zweier, sich nicht im richtigen Verhältnisse
gegenüberstehender Faktoren, das ist der Gewalt des abfließenden Wassers einerseits
und der Widerstandskraft der Bachsohle andererseits. Die Mittel, die beiden genannten
Faktoren in das richtige Gleichgewicht zu setzen, müßten also in der Verminderung
der Wasserkraft, beziehungsweise in der Festigung der Bachsohle bestehen.
In ersterer Hinsicht kommen mehrere Momente in Betracht. Die Kraft des
abfließenden Wassers ist in einem gegebenen Querprofile bei gleicher Wassermenge,
bei gleichem Grade der Sättigung mit Geschiebe, von der Neigung des Wasserspiegels
beziehungsweise von der Sohlenneigung abhängig. Einer gewissen Wassermenge
und Geschiebeart, einem gewissen Sättigungsgrade und einem gewissen Ouerprofile
entspricht bei gegebener Sohlenbeschaffenheit ein Sohlengefälle, welches mit der
Wasserkraft im Gleichgewicht stehend, den Bestand der Sohle sichert. Es muß des-
halb zunächst Sache der Verbauung sein, in einer der Erosion unterworfenen Bach-
sohle dieses, den konkreten \'erhältnissen entsprechende, sogenannte ,, Ausgleichs-
gefälle" durch Einbau von Querwerken, Talsperren oder Grundschwellen zu schaffen,
304
VIII. Wan?, Die Wiklbach- und Lawinenverbauung.
oder, wenn dies nicht tunlich wäre, in anderer Weise auf die Erhöhung des Sohlen-
widerstandes hinzuwirken. (Abb. 1.)
Es darf aber hiebei nicht außeracht gelassen werden, daß mit der fortschreiten-
den Verbauung im Talinnem die auf Bildung des Ausgleichsgefälles Einfluß nehmen-
den Faktoren andere werden können. Insbesondere wird durch die ^'erminderung
Abbildung 1.
Solilenstaffclung mittelst Querwerken. Im Hinlergrunde Siclierung einer Bructifläche.
der Geschiebeführung bei sonst gleichbleibenden Verhältnissen die Geschwindigkeit
des abfließenden Wassers eine beträchtlichere und das Ausgleichsgefälle deshalb ein
geringeres, denn das seiner Größe und Beschaffenheit nach als gleichbleibend ange-
nommene Geschiebe vermag sich bei dieser erhöhten Geschwindigkeit auf einer
gleich steil geneigten Sohle nicht mehr zu halten. Die so mit der fortschreitenden
A. Die Wildbaclivcrbauung. § 6.
305
Verbauung verbundene stete Abnahme des Ausgleichsgefälles laßt es behufs Verhin-
derung der Gefährdung schon bestehender Objekte nötig erscheinen, durch Einschal-
tung weiterer, sogenannter sekundärer Werke ein der jeweiligen VVasscrtätigkeit ent-
sprechendes, geringeres Gefälle zu schaffen. So kann endlich ein den konkreten Ver-
hältnissen entsprechender und ein gewisses Gleichgewicht gewährleistender Zustand
Abbildung 2.
Ausschalung eines Bachgerinnes
geschaffen werden, bei dessen Eintritt das Ausgleichsgefälle die möglichst unterste
Grenze erreicht und sich zum sogenannten ,, Gleichgewichtsgefälle" entwickelt hat.
Aus dieser wohl nur ganz allgemein gehaltenen Auseinandersetzung, auf deren
theoretische Begründung hier nicht eingegangen werden kann, ist doch zu entnehmen,
daß einer derartigen Verbauung nicht nur eine ausgedehnte Beobachtung der Bach-
Handb. d. Foislwiss. 3. -\ufl. II. 20
306 VIII. \V a n g , Die Wildbach- iinil Lawincnverbauung.
Verhältnisse vorausgehen muß, sondern daß auch nach Vollzug derselben ihre stete
Ergänzung nötig wird. Die diesbezügliche theoretische Begründung findet sich in den
in den Anmerkungen 1, S. 298 und 1) dieser Seite angeführten Abhandlungen ').
Die Geschwindigkeit des Wassers kann auch durch Verbreiterung der Querprofile
oder durch Schaffung längerer und somit auch weniger steil geneigter Bachläufe,
durch Erhöhung der Rauhigkeiten vermindert werden. Es soll sonach Grundsatz
rationeller Verbauung sein, womöglich jede Konzentration der Wässer, jedwede
glatte Ausgestaltung der Gerinne zu vermeiden.
Anders ist es, wenn die Sohlenerosion durch direkte Hebung der Sohlenwider-
standskraft bekämpft werden soll. In solchen Fällen handelt es sich um die teilweise
oder vollkommene Sohlenfixierung durch Pflasterung oder auf ähnliche Weise. Diese
Verbauungsart, die in ihrer vollkommensten Ausführung zur Herstellung der Stein-
schalen oder Steinkunetten führt (Abb. 2) und zu der Sohlenstaffelung mittels Quer-
werken in einem gewissen Gegensatze steht, kann sich insbesondere dort empfehlen,
wo infolge des bestehenden größeren Gefälles die Entwickelung des wünschenswerten
Ausgleichs- beziehungsweise Gleichgewichtsgefälles nur durch Einbau einer unver-
hältnismäßig großen Zahl von Querwerken möglich wäre. Das ist namentlich in
den engen und sehr steil verlaufenden Runsen, Wasserrissen, der oberen Einzugsge-
biete der Wildbäche der Fall. Obwohl diese Methode den offenbaren Vorteil für
sich hat, daß dem Wasser keine Gelegenheit zum ,, Kolken" geboten wird, soll sie
doch unter allen Umständen nur dort tau- Anwendung kommen, wo die mit ihr ver-
bundene rasche Wasserabfuhr und Begünstigung des Materialtransportes den Effekt
der ganzen Verbauung nicht nachteilig beeinflussen oder einzelnen Verbauungspartien
zum Schaden gereichen könnte und wo durch Steinschlag oder Terrainbewegung
oder auch auf andere Weise der Bestand des Objektes, der Schale, nicht zu sehr
in Frage gestellt wäre.
Die seitliche Erosion, die Unterwaschung der Lehnenfüße, als Folge von Ver-
werfungen, oder als Folge des Wasseranpralles an stark konkav gekrümmte Ufer kann
durch Uferversicherungen entsprechend behoben und für die Zukunft durch Schaffung
möglichst geregelter Abflußverhältnisse verhindert werden.
Ein besonderer Anteil an ^ler Materialbeschaffung in den Wildbächen ist der
unterwühlenden Wasserwirkung zuzuschreiben.
Im allgemeinen hat man es mit zwei Bodenschichten, mit einer oberflächlich
lagernden, mehr oder minder wasserdurchlässigen, der sogenannten ,, hangenden",
und einer darunter befindlichen, mehr oder minder wasserundurchlässigen, der soge-
nannten ,, liegenden" Schichte zu tun. Letztere kann aus einem festen Grundgestein,
beispielsweise Schiefer, oder auch aus einem mehr weichen, tonigen Gebilde bestehen.
Es ist klar, daß bei geneigtem Terrain der Zusammenhalt der hangenden und liegenden
Bodenschichten von gewissen Bedingungen abhängig ist.
Das Lostrennen der oberen Schichten von der unteren ist selbstverständlich
schon bei einem gewissen Schichten-Neigungswinkel und unter einem bestimmten
Kohäsionsverhältnisse möglich, auch kann durch die Wirkung der oberflächlich
atifließenden Meteorwässer, also infolge von Erosion, oder selbst durch Hagel eine
Bodenabschwemmung verursacht oder gefördert werden. In ganz besonderem Maße
ist aber in den meisten Fällen das oberflächlich einsickernde Wasser bei Entstehung
von Terrainabsitzungen tätig. Es durchtränkt nicht nur die obere Bodenschichte,
vermindert zumeist die Kohäsion, vermehrt ihr Volumen und ihr Gewicht, sondern
1) Ferdinand Wang, „Die Gesetze der Bewegung dos Wassers und des Geschiebes, die
Berechnung der Wasserabflußmengen und der Durchflußprofile". Wien 1899.
A. Die Wildbachvcrbauung. § 6. 307
es beseitigt auch, auf der TrennuiiKsIläclie abwärts gleitend, gänzlich oder doch zum
Teile die Reibungswiderstände und führt schlieOlieh zur Absitzung der durchtränkten
und unterwühlten hangenden Bodenschichte. Bei weicheren liegenden Schichten
kann das eindringende Wasser selbst bei sehr geringem Schichten-Neigungswinkel
schon dann Absitzungen veranlassen, wenn es entweder, durch ein Hindernis ge-
hemmt, auf der Trennungsfläche zu stagnieren und die liegende Schichte selbst zu
durchweichen beginnt, oder aber wenn es durch Risse in dieselben einzudringen und
so von innen aus ihre Durchfeuchtung zu vollführen vermag. Unter allen Umständen
ist es nötig, solch schädliche, bereits eingesickerte Wässer abzuleiten und auch, wo
tunlich, in Hinkunft ihr Eindringen möglichst zu verhindern. In ersterer Richtung
wird man durch ausreichende Entwässerungsanlagen, in letzterer Richtung durch
tunlichste Ermöglichung und Erleichterung des oberirdischen, schadlosen Abflusses
der Meteorwässer das angestrebte Ziel erreichen.
Es möge noch bemerkt werden, daß bei schon unterwaschenen und mit Holz
bestockten Böden die Bewegimgstendenz durch die Schwere der oberirdischen, allen-
falls auch noch flach bewurzelten Holzmasse, insbesondere im Vereine mit starken
Luftströmungen gefördert werden kann. Das ist aber keineswegs ein Argument für eine
ungünstige \Mrkung der Bewaldung; in einem solchen Falle handelt es sich lediglich
um die richtige Wahl der Bestandesform, also um die Anzucht bodenbindender,
im Niederwalde zu bewirtschaftender Holzarten.
Bei Verbauung der in Rede stehenden Art der Wildbäche ist es selbstverständ-
lich nicht ausgeschlossen, daß es außerordentlich erwünscht oder notwendig sein kann,
das bereits in den Rinnsalen des Niederschlagsgebietes angehäufte Erosions- oder
Unterwühlungs-, eventuell auch teilweise Verwitterungsprodukt im Innern des Wild-
bachgebietes festzuhalten. Man hat dann in der Regel, ähnlich wie bei den vorwiegend
Verwitterungsprodukte führenden Wildbächen, durch die Herstellung von Talsperren
an geeigneten Stellen Materialdeponien zu schaffen, dabei aber insbesondere im Auge
zu behalten, daß es an gewissen Oertlichkeiten möglich sein kann, einer Talsperre
gleichzeitig die Wirkung eines Material-Stau- und eines Konsolidierungswerkes zu
geben.
Weitere wichtige Aufgaben bei Verbauung erodierender oder unterwühlender
Wildbäche sind die endgültige Konsolidierung der anbrüchigen Hänge durch Schaf-
fung der \'egetationsdecke auf denselben, sowie die Besserung der kulturellen und
der wirtschaftlichen Verhältnisse im Niederschlagsgebiete. Diese Aufgaben dürfen
nicht aus dem Auge gelassen werden, denn von ihrer zielbewußten und gelungenen
Ausführung hängt vielfach der volle Effekt der Verbauung des Wildbaches ab.
Die Wildbäche der Berg- und Hügelländer, in ihrem Charakter von jenen der
Alpen verschieden, erfordern auch im allgemeinen die Anwendung eines anderen Ver-
bauungssystemes. Bei vorherrschend geringem Gefälle in den tieferen Partien und
in der Regel einem bloß auf die höchsten Lagen beschränkten starken Gefälle, führen
diese Bäche größere Wassermassen und das aus dem Niederschlagsgebiete herab-
kommende Material den Talflüssen zu. Brüchige Stellen, , .Lehnenbrüche", finden
sich zumeist nur in den oberen Teilen der Niederschlagsgebiete; in den tieferen Lagen,
in welchen der Bach häufig schon beiderseits von älteren oder jüngeren Anschwem-
mungen eingerahmt ist, sind es die stetigen Uferbrüche, welche die Materialbewegung
verursachen. Das Augenmerk bei Verbauung solcher Bäche ist, was den Oberlauf an-
belangt, meist der Konsolidierung vorkommender Brüche, der Zurückhaltung des
im Bachbette schon vorhandenen Geschiebes und der möglichsten Hintanhaltung
des raschen Abflusses der Niederschlagswässer zuzuwenden. In den tieferen Lagen
20*
308 VIII. W a n g , Die Wildbach- und Lawinenverbauung.
finden sich in den verhältnismäßig breiten Bachbetten mit flachen Ufern, bei höchst
unregelmäßig im Wasserabflüsse große Schotterdeponien vor, und es erwächst hieraus
die Notwendigkeit, der Wandelbarkeit dieser Schottermassen durch entsprechende
Regulierungsarbeiten ein Ziel zu setzen. Die Hauptfrage ist und bleibt aber die tun-
lichste Verminderung des raschen Wasserabflusses im Niederschlagsgebiete, und diese
Aufgabe ist, da ausgiebige Wasserbehälter, Resei'voirs, oft nicht oder nur in beschränk-
ter Zahl oder Dimensionierung ausführbar sind, meist nur auf kulturellem Wege
zu erreichen.
Mit der Durchführung der vorbeschriebenen Maßnahmen zur Beruhigung der
Wildbäche, sei es nun jener im Hochgebirge oder jener im Berg- und Hügellande,
muß nötigenfalls die Herstellung von Schutzvorrichtungen am Schuttkegel Hand
in Hand gehen, wobei auf den richtigen Zusammenhang der Arbeiten im Innern
der Wildbäche und im Tallaufe großes Gewicht gelegt werden muß. Naturgemäß
erfordert die Verbauung der Wildbäche im Talinnern einen relativ größeren Zeit-
aufwand als jene am Schuttkegel, so daß es in vielen Fällen nicht zulässig wäre, den
Effekt der ^'erbauung im Talinnern abzuwarten und die Durchführung von nötigen
Schutzvorrichtungen am Schuttkegel oder im Tallaufe des Wildbaches außer acht
zu lassen. Doch muß darauf verwiesen werden, daß es mitunter ratsam ist, diese
letzteren, wenn tunlich, vorerst nur in einfacher Bauweise, also mehr provisorisch
herzustellen. Ein kostspieliges Definitivum wäre einerseits während der Verbau-
ungsperiode zu stark exponiert und könnte andererseits möglicherweise den nach der
Verbauung eintretenden Abflußverhältnissen nicht mehr entsprechen, denn die
Wirkungen eines verbauten Wildbaches sind naturgemäß ganz andere als die eines
unverbauten. — In manchen Fällen wird nach vollzogener Verbauung von der Her-
stellung eines Definitivums vielleicht überhaupt ganz abgesehen werden können,
jedenfalls ist aber anzunehmen, daß sich die Notwendigkeit der Durchführung be-
sonderer Vorkehrungen gegen Verschotterung im Tallauf mit dem Fortschritte der
Verbauung im Talinnern vermindert.
Als integrierender Teil eines jeden Verbauungssystems ist auch die Reinhaltung
der Bäche von Wildholz und die sorgfältige Beobachtung der Rinnsale, eventuell das
langsame und zweckmäßige Aussteinen derselben anzusehen. Dringend geboten ist es
selbstverständlich, daß das Gehänge der Wildbäche in keiner Weise, weder durch
irrationelle forst- noch landwirtschaftliche Maßregel, zu welch letzteren insbesondere
und unter gewissen Verhältnissen Bewässerungen und Wasserleitungen gezählt
werden müssen, beunruhigt werde.
Von ganz besonderer Wichtigkeit ist die Handhabung, strenger Wasserpolizei,
die sich auf entsprechende wasserrechtliche Bestimmungen zu stützen hat. Wenn
man sich bei NoveOierung der Wasserrechtsgesetzgebung mehr mit der Nutzung als
mit der Abwehr der Gewässer beschäftigt, so ist das bedauerlich, denn die erstere
ist wesentlich von der letzteren abhängig.
§ 7. Die allgemeinen Regeln für den Bau und die Er-
haltung der W i 1 d b a c h V e r b a u u n g e n. Für die Ausfüln-ung der Wild-
bachverbauungen muß als Grundsatz nicht nur das rechtzeitige, sondern auch das
ausreichende Eingreifen bezeichnet werden. Jedes Säumen ist von oft unberechen-
barem Schaden begleitet und jede Lücke im Verbauungswerke wird leicht zu dessen
Achillesferse. Auch ein allzu rasches, überstürztes Vorgehen empfiehlt sich nicht
und kann der Sache nur allzuleicht schädlich werden.
Einen maßgebenden Faktor der Ausführung bilden die Kosten, von deren
Höhe nicht selten die Durchführbarkeit einer bestimmten Verbauung abhängt.
A. Die Wildbachverbauung. § 7. 3Qg
Insofeme die Solidität der Ausfiilirung hiedurch nicht in Frage gestellt erscheint,
wird demnach vor allem zu erwägen sein, auf welche möglichst einfache ^^■eise und
mit welchen möglichst geringen Kosten die \'erbauung durchgeführt werden könnte.
Die Kosten der Bauausführung sind im allgemeinen zunächst abhängig von der
^^'ahl und Beschaffung der Baumaterialien, von der Art und \\'eise der Konstruktion
der einzelnen Werke und von den lokalen Arbeitsverhältnissen. Bei den in den
Wildbächen vorherrschend schwierigen Transportverhältnissen wird man sich selbst-
verständlich, wenn die Ausführung überhaupt eine Wahl zuläßt, jenes Materiales
bedienen müssen, welches ohne zu erhebliche Kosten zur Baustelle geschafft werden
kann. Wenn auch Steinbauten unter sonst gleichen Verhältnissen in der Regel teurer
als Holzbauten zu stehen kommen, so verdienen die ersteren in Anbetracht ihrer
Solidität und Dauerhaftigkeit im allgemeinen doch den Vorzug.
Unter der \'oraussetzung, daß gutes Bauholz an Ort und Stelle oder in der
Nähe zur Verfügung steht, kann sich dasselbe allerdings mitunter für eine billigere
Bauweise insbesondere deshalb empfehlen, weil die heimische Bevölkerung in der
Regel mit der Holzarbeit mehr vertraut ist und deshalb auch fremde, zumeist kost-
spieligere Arbeitskräfte nicht herangezogen w-erden müssen. Der Bestand der hölzer-
nen ^^'erke ist übrigens namentlich dort, wo dieselben beständig unter Wasser stehen,
oder vom Materiale verdeckt sind, oder wo mit Rücksicht auf die Bodenverhältnisse
eine baldige Begrünung des verbauten Baches zu erwarten steht, ein zumeist hin-
reichend dauerhafter. Ein wesentlicher \'orteil der Holzbauten ist darin zu suchen,
daß eingetretene lokale Beschädigungen in der Regel nicht so rasch zur Zerstörung
des ganzen Baues führen und daher öfter "rechtzeitig wieder gut gemacht werden
können. Es wäre deshalb gewiß einseitig, wollte man unter allen Umständen dem
Holzbaue aus dem \^'ege gehen, es ist vielmehr Sache des Projektanten, je nach den
örtlichen \'erhältnissen die richtige Wahl und das richtige Maß in der Verwendung
von Stein und Holz zu treffen. Unter allen Umständen sind zu den Steinbauten nur
gute und dauerhafte Steine von möglichst großen Dimensionen zu verwenden. Steine,
die in einem feuchten Grunde der Verwitterung stark unterliegen, wie z. B. alle
Schieferarten, Sandsteine usw., sind für Bauten im ^\'ildbachgebiete nicht gut ver-
wendbar. Der Betonbau konnte sich bisher im Wildbachverbauungsdienste nicht
recht einbürgern. Die Ursache ist die größere Gefährdung der oberirdischen Bauteile
durch Abschleifen und durch Frost. Für Fundierungen eignet sich Beton selbstver-
ständlich vorzüglich.
Zu den Holzbauten ist gesundes Lärchen-, Kiefern-, Tannen- und ausnahms-
weise auch Fichtenholz in genügender Stärke zu vei'wenden. Die Hölzer sind rund
zu belassen, zu entrinden und nach Erfordernis untereinander am besten mit Holz-
nägeln zu festigen. Zu den Faschinenbauten ist, wo immer möglich, ausschlagfähiges
Material zu verwenden, während sich dicht und stark beastete Tannen für Packwerke
am zweckmäßigsten erweisen. Der Kostenpunkt der Ausführung hängt auch von den
lokalen Arbeitsverhältnissen ab. Es soll als Grundsatz gelten, sich, wenn halbwegs
tunlich, eine ständige Arbeiterschaft zu bilden und nicht durch Zugeständaisse
einzelner hoher Löhne diese letzteren nach und nach auf eine den Verhältnissen nicht
entsprechende Höhe zu bringen. In dieser Hinsicht hat sich die Verwendung von
Sträflingen und Zwänglingen bestens bewährt.
Zur Sicherung einer entsprechenden Solidität des Verbauungswerkes, sowie
auch zur Erzielung einer möglichst billigen Ausführung, ist die stete Aufsicht durch
tüchtige, fachmännisch gebildete Organe erforderlich, welche vorgefundene Mängel
ohne Rücksicht sogleich abzustellen und die nötigen \\eisungen an Ort und Stelle
310 VIII. Wang, Die Wildbach- und Lawinenverbauung.
ZU erteilen haben. Nicht nur die Kosten der Ausführung, sondern auch die Kosten
der ferneren Erhaltung sollen einen hervorragenden Faktor bei Projektierung von
Verbauungen bilden. Die Erhaltung der Bauten ist von den verwendeten Materialien
und Arbeitskräften, von der Art der Ausführung, sowie selbstverständlich von der
Art und Weise der Durchführung der Erhaltung selbst abhängig. Wie bereits an frühe-
ren Stellen hervorgehoben, stellt sich die Erhaltung der Steinbauten, weil diese im
allgemeinen dauerhafter sind, unter sonst gleichen Verhältnissen billiger als jene der
Holzbauten. Kleinere Objekte, die überdies im allgemeinen leichter herzustellen
sind, erfordern weniger intensive Erhaltung als große, an deren Bestand sich auch
gleichzeitig und naturgemäß ein höheres Interesse knüpft. Die Kosten der Erhaltung
können übrigens durch intensive Beaufsichtigung wesentlich verringert werden.
Es erscheint deshalb unbedingt nötig, daß gleich nach Verlauf eines Elementarfalles
die Bauten einer eingehenden Untersuchung unterzogen und vorgefundene, noch so
geringfügige Mängel ohne Verzug behoben werden. An Bauten, bei welchen die hei-
mische Bevölkerung werktätig beteiligt war, werden derartige Schäden leichter be-
hoben werden können, weil in einem solchen Falle das Verständnis und das Interesse
in weit höherem Grade vorhanden sind, als umgekehrt. Schäden, welche nicht
mit Elementarfällen zusammenhängen, sondern dem natürlichen Zersetzungsprozesse
zugeschrieben werden müssen, sind gleichfalls tunlichst rasch zu beheben, und wird
diesbezüglich die Veranlassung periodischer Bachbegehungen von großem Vorteile
sein. Da die intensive und verständige Erhaltung der Bauten insbesondere in den
ersten Jahren von großer Bedeutung ist und mangelhafte Objekte dem Talgrunde
nur unberechenbaren Schaden bringen können, so soll und muß auf die Bildung eines
Erhaltungsfonds und insbesondere auch auf die Möglichkeit sorgfältiger Ueber-
wachung der Instandhaltung Bedacht genommen werden. Die Aufstellung von In-
standhaltungskatastem ist empfehlenswert.
Wenn es sich um die systematische Verbau ung eines Wildbaches handelt, so
muß vorerst eine gründliche Durchforschung des Gebietes in geologischer und geo-
gnostischer Beziehung vorgenommen werden, der sich auch noch die Ermittelung
jener Grundursachen anzuschließen hat, welche ausschließlich oder doch vorwiegend
zur Entstehung des nunmehr zu verbauenden Wildbaches die Veranlassung gegeben
haben. Erst auf Grundlage dieses möglichst sorgfältig erhobenen Materiales kann
an die Abfassung des eigentlichen Verbauungsprojektes geschritten werden. Dasselbe
hat im allgemeinen aus der Situation des Niederschlagsgebietes, den Längenprofilen
der zu verbauenden Bachstrecke, den nötigen Querprofilen und dem Kostenvoran-
schlage zu bestehen. In der Situation sind die vorhandenen Terrainbrüche und alle
sonstigen, für die Verbauung wichtigen materialschaffenden Oertlichkeiten kennt-
lich zu machen.
Der Motivenbericht enthält die Begründung der Verbauung und die der zeicli-
nerischen Darstellung nicht zu entnehmenden, jedoch zu berücksichtigenden Ver-
hältnisse.
In einigen Staaten sind für die finanzielle Sicherstellung und für die Durchfüh-
rung der Wildbachverbauungen eigene Gesetze geschaffen worden und es dient dann
das technische Elaborat als Grundlage für die im Sinne dieser Gesetze durchzufüh-
renden Verhandlungen und für die technische Ausführung selbst.
§8. Die technischen Mittel der Wildbach verbauung.
Die Mittel, um einen Wildbach zu beruhigen und ihn in normale Verhältnisse zurück-
zuführen, sind zweifacher Art. In erster Linie sind zu ihnen die technischen Ar-
beiten, d. h. die unterschiedlichen Schutz- und Festigungsbauten, und in zweiter
A. Die Wildbachverbauung. § 8. ^n
Linie die eigentliclien forstlichen Arbeiten, d. li. Bindung und Festigung der Terraiii-
brüche und des entwaldeten Sammelgebietes durch Berasung und Bewaldung, dann
sonstige kulturelle wirtschaftliche Maßnahmen zu zählen. Die letzteren Vorkeh-
rungen unterstützen nicht nur wesentlich die ersteren, es ist vielmehr in vielen Fällen
eine gelungene Wiederbewaldung für den Gesamterfolg der ^'erbauung ausschlag-
gebend.
Zu den technischen Mitteln der Verbauung sind zu zählen:
1. Die Quer bauten.
2. Die Parallelbauten.
3. Die Schalenbauten.
4. Die Entwässerungsanlagen.
5. Die Lehnenbindungen.
6. Die Schuttkegelversicherungen.
L Die Querbauten. Es sind das Werke, welche ähnlich wie ein Wehr
von einem Ufer zum anderen reichen, und zumeist senkrecht auf den Stromstrich zu
stehen kommen. Mit Hilfe solcher Bauten .wird die Bachsohle entweder in ihrem
konkreten Zustande erhalten oder aber gehoben, immer aber vor der weiteren Sohlen-
erosion geschützt. Bei Hebung der Bachsohle tritt in der Regel gleichzeitig eine Profil-
erweiterung ein und angebrochene Füße der seitlichen Hänge erhalten eine Stütze.
Ueberdies wird das wirksame Bachgefälle und hiemit die Schleppkraft des Wassers
vermindert.
Je nach der Höhe über der Bachsohle trennt man die Querwerke in Tal-
sperren und in G r u n d s c h w e 1 1 e n.
a) Die Talsperren. Man bezeichnet gemeiniglich solche Ouerbauten als
Talsperren, welche mindestens eine Höhe von "2 — 3 Meter über der Bachsohle haben.
Je nach der ihnen zufallenden Aufgabe werden Stauwerke und Konsoli-
dierungswerke unterschieden. Im ersteren Falle hat das Objekt die einzige
oder doch vornehmliche Aufgabe, Material zurückzuhalten, im zweiten Falle aber
fiie Bachsohle vor Erosion zu schützen oder anbrüchige Lehnenfüße durch die Ver-
landung zu decken. Nicht selten kann das Objekt durch günstige Wahl der Baustelle
beiden Aufgaben zugleich gerecht werden. Stauwerke finden insbesondere bei Ver-
bauung der Wildbäche, welche vorwiegend Verwitterungsprodukte führen, Anwen-
dung. Als Grundsatz für die Wahl der Baustelle solcher Objekte gilt die Ausnützung
felsiger Stellen innerhalb des Bachgerinnes, und dies in engen Ouerprofilen, oberhalb
welchen sich das Tal bei vorherrschend geringem Gefälle zu einem Becken erweitert.
Die Wahl der Baustelle für Konsolidierungszwecke soll zwar von ähnlichen
Grundsätzen geleitet sein, doch hängt sie zumeist von der Beschaffenheit der zu ver-
sichernden Bachstrecke ab. Immer sollen Konsolidierungswerke auf einer der Ero-
sion unterworfenen Bachstrecke derart systematisch im Zusammenhange stehen,
daß die unter dem Ausgleichsgefälle geneigten Linien ihrer \'erlandung
von der Krone des einen Objektes bis zum Fuße des nächst höheren reichen. Auch
soll es Grundsatz sein, wenn tunlich, an Stelle eines höheren Objektes mehrere niedrige
zu errichten, weil hiemit der Gefahr der Auskolkung des Sperrfußes, welche den
Bestand des Objektes am meisten gefährdet, wirksamer vorgebeugt wird.
Die Talsperre besteht aus dem Sperrkörper samt seinem Fundamente und der
seitlichen Einbindung, dann aus der Vorfeldversicherung, dem Fall- oder Sturzbett,
dessen Aufgabe es ist. den Sperrfuß zu sichern, d. h. ihn vor Kolkungen und Unter-
spülungen durch das herabfallende Geschiebe und abfließende Wasser zu bewahren.
Nachdem Talsperren in der Regel größere und bedeutungsvollere Objekte sind,
312 VIII. Wang, Die Wildbach- und Lawinenverbauung.
SO werden sie zumeist in Stein, oder, wenn schon aus Holz, so doch nur mit Zuhilfe-
nahme von Stammholz errichtet.
Talsperren aus Faschinen oder aus Packwerk gelangen selten zur Herstellung.
Der Körper einer Steinsperre wird zumeist in Form eines liegenden Ge-
wölbes mit dem Scheitel stromaufwärts erbaut. Der Vorteil der Bogenform, deren
Pfeilhöhe beiläufig dem Zehntel der Sehne, diese letztere also annähernd dem Bogen-
radius entsprechen soll, liegt in der größeren Widerstandsfähigkeit gegen den Stoß
und Druck der sich ansammelnden Wasser- und Geschiebemassen.
Bei geringer Spannweite und dort, wo starker Seitendruck zu erwarten ist,
werden die Talsperren gerne in Art freistehender Mauern geradlinig errichtet. Die
talwärts gekehrte oder talseitige Stirnwand einer Sperre ist vorteilhaft mit einem
Anzug von 20 — 25 "o cler Höhe, in seltenen Fällen vertikal herzustellen. Allerdings
wird mit der vertikalen Stellung die kolkende Einwirkung der überstürzenden Wasser-
massen auf den unmittelbaren Fuß der Sperre vermieden, auch wird die Abnützung
der talseitigen Stirnfläche auf die oberste Lage beschränkt. Dagegen ist die Stand-
festigkeit einer an der Talseite geböschten Sperre größer und die Inanspruchnahme
des Sturzbettes im allgemeinen geringer. Die bergwärts gekehrte sog. bergseitige
Stirnwand wird in der Regel vertikal gehalten.
Mit Rücksicht auf die Ausführung kann der Körper einer Steinsperre entweder
aus einer in hydraulischen Mörtel gelegten Bruchsteinmauer oder aus einem gemisch-
ten Mauerwerk, d. h. teilweise in Mörtel, teilweise trocken gemauert, oder endlich aus
einem reinen Trockenmauerwerk mit mehr oder minder gut behauenen Steinen be-
stehen. In neuerer Zeit werden auch Talsperren in Beton ausgeführt, wobei es sich
empfiehlt, die Krone mit gutem Stein in hydraulischem Zement abzudecken.
Bei den Wildbachverbauungen in Oesterreich und in der Schweiz werden die
Talsperren vielfach als Trockenmauem mit lagerhaft zugehauenen Steinen erbaut,
während in Frankreich zumeist Mörtelmauenmgen oder gemischte Mauerungen An-
wendung finden. Wo großer, schöner Stein vorhanden, kann die Trockenmauerung
in Art der Zyklopenmauerung immerhin Anwendung finden, es wäre denn, daß es
sich um die Herstellung sehr hoher und wichtiger Objekte handelt, in welchem Falle
unbedingt der Zementmauerung der Vorzug einzuräumen ist.
\A'ird der Körper einer Talsperre in hydraulischen Mörtel gelegt, so muß eine
größere Abflußöffnung, eine sog. Dohle oder mehrere kleine Mauerschlitze für den
Abfluß des Sickerwassers, letztere in ausreichender Anzahl und Verteilung, hergestellt
werden. Bei dem Aufbaue der Sperre sind für die Herstellung der talseitigen Stirn-
wand möglichst große und gute Steine bei entsprechender Ausarbeitung der Stoß-
und Lagerfugen zu benützen.
Die einzelnen Steine sollen mit ihrer längsten Dimension nach der Tiefe der
flauer gelegt werden; die Höhe der einzelnen Steinlagen entspricht der zweitgrößten
Dimension der ven\endeten Steine.
In jeder Steinlage (Gewölbering) sind womöglich gleich hohe Steine zu verwen-
den. Das selbständige, gewölbartige und tunlichst rasche Abschließen einer jeden
einzelnen Steinlage ist mit Hinblick auf die Möglichkeit großer Beschädigung im Falle
eines Hochwassers oder Murganges geboten. Höhe und Mauerstärke werden mit
Rücksicht auf die örtliche Beschaffenheit fallweise zu bestimmen sein.
Die Krone der Steinsperre wird mit besonders großen Steinen abgedeckt, und
erhält vielfach ein schalenförmiges Profil, d. h. es wird der Wasserüberfall gegen
die Mitte der Krone in eine sogenannte Abflußsektion verlegt. Ist die eine
Böschung felsig, die andere locker, so wird der Abfluß gegen die erstere gerichtet.
A. Die Wiklljaclnorhaiuing. § 8. 323
Die horizontale Krone ist dort zulässig, wo die Seitenhänge beiderseits aus
festem, felsigen Materiale zusammengesetzt sind. Es ist ihr im übrigen der
Vorteil der Vermeidung der Konzentration der Wässer zuzusprechen, welcher
Vorteil auch teilweise durch die Wahl eines trapezförmigen Profiles der Abflußsek-
tion, an Stelle des schalenförmigen, zu erreichen ist. Diese letztere wird nicht selten
der erhöhten Sicherheit wegen abgediolt, wobei die Bedielung als Schußtenne über
die talseitige Stirnwand hervorragt.
Die Widerlager einer Sperre werden durcli das möglichst tiefe Einbauen des
Sperrkörpers in die Seitenhänge des Wildbaches ersetzt und in den wenigsten Fällen
durch künstliche Anlagen geschaffen.
Ist das Gehänge locker, so erscheint es vorteilhaft, Böschungsversicherungen,
anlehnend an das Ufergelände, von den Sperrflügeln aus nach auf- besonders aber
nach abwärts möglichst weit zu führen und an den Enden in das natürliche Terrain
einzubinden.
Das Fundament einer Steinsperre ist um so sorgfältiger herzustellen, je höher
und massiver der Bau errichtet werden soll. Ist in der Bachbettsohle, und zwar in
mäßiger Tiefe fester, gewachsener Boden anzutreffen, so ist der Sperrkörper bis auf
den Felsen hinabzuführen; es muß also dieser bloßgelegt und die Fundamentmauer
unmittelbar darauf bezw. in den Fels entsprechend vertieft gesetzt werden. Dabei
ist die Oberfläche des Felsens vorerst, sei es stromaufwärts etwas geneigt, sei es in
Staffelform herzurichten. Ist ein felsiger Untergnmd nicht vorhanden oder doch
erst in bedeutender Tiefe anzutreffen, dann sollen nur Objekte von mäßiger Höhe
erbaut werden oder es müssen selbe auf eine solide Rostanlage gestellt werden.
Sind die beiderseitigen Anschlußlehnen felsig, die Sohle dagegen aus losem
Schotter zusammengesetzt, so kann es sich behufs Verhinderung der gefahrvollen
Auskolkung empfehlen, das Fundament des Objektes gewölbartig, mit dem Scheitel
nach aufwärts, auszubauen, wobei die beiderseitigen festen Anschlußlehnen dem
Fundamentgewölbe als Widerlager zu dienen haben.
Das Vorfeld der Talsperre ist jener Teil der Bachbettsohle, welcher unmittelbar
von den über die Sperre abstürzenden Wasser- oder Geschiebemassen ge-
troffen wird. Derselbe wird selbstredend, soll nicht eine Auskolkung und Unterspü-
lung der Sperre eintreten, deren Folgewirkung der Einsturz der gesamten Anlage wäre,
dieser erhöhten Kraftäußerung Widerstand leisten müssen. Eine feste und dauerhafte
Versicherung dieser Stelle ist somit die wichtigste Aufgabe des Gesamtbaues und
kann nur dann entfallen, wenn die besagte Stelle felsiger Beschaffenheit sein sollte.
Bei Steinsperren kommt zumeist die solide Abpflasterung des Vorfeldes als
Vorfeldversicherung in Anwendung. Hiebei ist darauf zu sehen, daß die Steine, die
vorteilhaft in Zement zu legen sind, auf die ,,hohe Kante" gesetzt werden und daß
die Vorfeldversicherung genügend weit nach abwärts reiche. Die doppelte Fallhöhe
des Objektes als Länge der Vorfeldversicherung wird unter allen Umständen genügen.
Vorteilhaft hat sich die Abdielung der Pflasterung mit Holz erwiesen. Je weiter die
Pflasterung gegen die Krone heraufgezogen wird, desto mehr wird die Fallhöhe ver-
ringert und desto mehr wird der Beschädigung des Vorfeldes vorgebeugt.
Das Vorfeld kann auch durch die Herstellung eines sekundären Vorbaues, einer
sog. Vorsperre oder Gegentalsperre geschützt werden, welchem Baue dann der Cha-
rakter einer Grundschwelle zukommt. Ihre Verlandung hat bis zum Fuße des Haupt-
objektes zu reichen. Oft wird zur erhöhten Sicherung das talseitige Ende der Vor-
feldversicherung durch eine Grundschwelle, eine Gegensperre, abgeschlossen,
Abb. 5.
314
VIII. W a n g , Die Wildbacli- und Lawinenverbauung.
Für die Ausführung gilt der allgemeine Grundsatz, vorerst jene Objekte zu
bauen, welche den anderen zum Schutze zu dienen haben. Es wird deshalb zunächst
Abbildung 3.
i
/j- ,v '
,. yk.^'^
Abbildung 4.
die Vorsperre, daran anschließend eventuell die Pflasterung des Vorfeldes und dann
erst die eigentliche Sperre zu errichten sein.
Es kann nicht unbemerkt bleiben, daß oft die stärksten Vorfeldversicherungen
der Kraft des abstürzenden Wassers nicht Widerstand zu leisten vermögen. Es hat
A. Die WiUlbaclivcrbauung. § 8.
315
sich daher als vorteilliaft erwiesen, bei geiuifjender Tiefe des Fundamentes der Sperre,
oder bei gewöibartigeiii Ausbaue derselben, den sich vor dem Objekte stets bildenden
Kolk selbst künstlich herzustellen und ihn mit großen Steinen auszufüllen und immer
wieder nachzufüllen, das gänzliche Abschwemmen dieses Steinvorgrundes aber durch
Herstellung einer Pilotenwand zu verhindern.
In den Abb. 3, 4 und 5 ist die Type einer Steinsperre in Trockenmauerung er-
sichtlich gemacht. Die Krone ist trapezförmig ausgestaltet, die Vorfeldversicherung
am talseitigen Ende verstärkt, d. h. in Art einer Grundschwelle hergestellt. Im Falle
der Verwendung von Mörtel würde sich die Form des Objektes nicht ändern, nur
müßte für die Freilassung einer Dohle oder von Sickerschlitzen Sorge getragen werden.
Talsperren aus Holz können ein- oder zweiwandig sein. Die ersteren
bezeichnet man als B 1 o c k w a n d - oder Balken sperren, die letzteren als
Abbildung 5.
Steinkastensperren. Der Körper der Balkensperren besteht aus einer
Anzahl von übereinandergelegten, runden Stammstücken von gehöriger Länge und
Stärke, die entweder unmittelbar aufeinanderliegen oder untereinander Zwischen-
räume von 15 — 20 cm Weite bilden. Im ersteren Falle wird die Sperrwand in der
Regel durch vorne eingerammte Piloten gehalten. Im zweiten Falle dienen zur Festi-
gung dieser Wand Zangenhölzer, welche in die Hinterfüllung möglichst weit hinein-
greifen. Nicht ohne Vorteil ist die Verwendung von ganzen Stämmen mit voller
Beastung als Zangenhölzer, in welchem Falle die in der Hinterfüllung fest eingeschlos-
sene Krone einen weit höheren Festigkeitsgrad gewährt. Es entsteht dann die im
Gebirge häufig angewendete R a u h b a u m s p e r r e , Abb. 6, 7 und 8. Die Stein-
kastensperre, Abb. 9, 10 und 11, besteht aus zwei Balkenwänden, die untereinander
mittels Querhölzern verbunden sind, während der Zwischenraum mit Geschiebe aus-
316
VIII. Wang, Die Wildbach- und Lawinenverbauung.
Abbildung 6.
Abbildung 7.
Abbildung 8.
A. Die Wildbachverbauung § 8.
317
gefüllt und an der Oberfläche überdielt oder abgepflastert wird. Ist die Profilweite
sehr beträchtlich, so wird der Holzbau aus zwei oder drei Teilen derart zusanunen-
gesetzt, daß zwei Teile bergwärts einen stumpfen Winkel bilden oder daß bei drei
Teilen der mittlere Teil senkrecht auf den Stromstrich und die Seitenteile schief und
talwärts geführt werden, so daß die Form einem mit dem Scheitel bergwärts liegenden
Gewölbe ähnlich wird. In der obersten Balkenlage wird durch Einschnitte und durch
Abbildung 9.
Abbildung 10.
■V-
Befestigung von kürzeren Seitenstücken eine Abflußrinne für die Wässer geschaffen
und damit auch der Stromstrich von den gefährdeten Uferpartien abgelenkt. Die
Versicherung des Vorfeldes bei hölzernen Talsperren erfolgt in ähnlicher Weise wie
bei den Steinsperren und ist den Abb. 7 — 11 zu entnehmen. Zu beachten ist, daß
Holzsperren im untersten Teile einen Holzboden, den sog. Schwerboden zu dem
Zwecke erhalten sollen, damit im Falle der Auskolkung die Füllung, wo eine solche vor-
handen, nicht nachsinken kann.
318
VIII. W a n g , Die Wildbacli- und Lawinenverbauung.
b) Die Grund seh wellen sind niedrige Querwerke, welche im allge-
meinen die Aufgabe haben, entweder, älmiich wie die Talsperren, im systematischen
Zusammenhange die Erosion zu verhindern, oder aber anderen Objekten, Parallel-
werken, Schalenbauten, auch den Talsperren als Vorsperren zur Stütze zu dienen.
Die Wahl der Baustelle hängt von der Aufgabe ab, welche das Objekt oder eine
ganze Reihe solcher Objekte zu erfüllen hat. Im allgemeinen gelten für die Wahl der
Baustelle die bei den Talsperren zu berücksichtigenden Grundsätze.
Grundschwellen können, ähnlich wie die Talsperren, in Stein und Holz bei ent-
sprechend geringerer Dimensionierung ausgeführt werden.
Abbildung 11.
■1«*'
Eine Stelngmndschwelle, welche einer sich anschließenden Sohlenpflasterung
zur Stütze dient, ist in den Abb. 12, 13 und 14 ersichtlich gemacht.
Hölzerne Grundschwellen bestehen aus einem, aus zwei oder mehreren Balken,
die senkrecht auf den Stromstrich in die Bachsohle eingelassen und beiderseits mit
den Hängen entsprechend verbunden werden.
Die geringere Dimensionierung der Grundschwellen und ihre Anwendung in
den kleinen Wasserrinnen, welche sich rasch begrünen sollen, lassen es oft wünschens-
wert erscheinen, ausschlagfähiges Material zu ihrer Herstellung als sog. lebende
Werke zu verwenden. Derartige Objekte sind dann als Querflechtwerke, Abb. 15, 16
und 17, oder als Faschinenquerwerke, Abb. 18, 19 und 20 bekannt.
A. Die Wildbacliveihaiiuiig. § 8.
319
Abbildung 12.
Abbildung 13.
Abbildung 14.
320
VIII. W a n g , Die Wildbacli- und Lawinenverbauung.
Die Art der einfach gehaltenen Vorfeldversicherung ist den bezogenen Abbil-
dungen zu entnehmen. Im Bedarfsfalle können die Konstruktionen entsprechend
verstärkt werden.
Steht ausschlagfähiges Material nicht zur Verfügung, so müssen derartige
Objekte aus sonstigem Astwerk, als sog. tote Werke errichtet werden.
Abbildung 15.
Abbildung 16.
Abbildung 17
■ %
Die lebenden Werke finden übrigens auch dort Anwendung, wo es sich darum
handelt, auf die Verlandung der Ouerwerke erster oder zweiter Ordnung schwächere
Objekte höherer Ordnung zum Schutze dieser Verlandung und zur Ermöglichung
ihrer raschen Begrünung aufzusetzen.
Die lebenden Werke, die mit Rücksicht auf ihre Widerstandskraft und längere
Dauer den toten Werken vorzuziehen sind und zu deren Ausführung ausschlagfähiges
A. Die Wildbachverbauun".
321
Material verwendet wird, sollen zu einer Zeit hergestellt werden, zu welcher auf das
Austreiben mit Bestiinintheit gerechnet werden kann. Das Material soll daiier frisch
gewonnen werden und speziell zur Herstellung von Faschinen aus möglichst langen
und nicht zu starken Weidenruten bestehen.
Abbildung 18.
Abbildung 19.
77z.
Abbildung 20.
Im Falle der Errichtung von Flechtwerken werden senkrecht auf den Strom-
strich Pfähle aus womöglich gleichfalls ausschlagfähigem Materiale in einer oder
in zwei Reihen geschlagen und mit ausschlagfähigen Weidenruten, deren unteres Ende
genügend tief in den Boden zu versenken ist, verflochten.
Die Faschinen werden durch Binden des Materiales mittelst Draht oder Wieden
ergänzt und sollen länger sein, als die Breite des damit zu verbauenden Rinnsales.
Wird die Faschine mit einem Schotterkem versehen, so entsteht die Senkfaschine,
Handb. d. Forstwig?.
.\ufl. II.
21
322
VIII. Wang, Die Wildbach- und Lawincnverbauung.
in größerer Dimensionierung auch Sinkwalze genannt, welche den Vorteil einer ge-
wissen Beweglichkeit insoferne besitzt, als sie im Falle der Auskolkung durch ihre
Schwere nachzusinken und den Kolk wenigstens teilweise auszufüllen vermag.
2. Die Parallelbauten. Es sind dies Objekte, welche nach der Längsrichtung
des Baches in der Regel zum Schutze von anbrüchigen Lehnen oder Ufern, oder auch
zur Schaffung geregelter Gerinne errichtet werden. Zu derlei Bauten gehören zunächst
die verschiedenen Arten des Uferschutzbaues, auf deren nähere Beschreibung wegen
Raummangel hier nicht eingegangen werden kann.
Abbildung 21.
Abbildung 22.
Die Wahl der Baustelle ist durch die örtlichen Verhältnisse gegeben; für die
Wahl des Baumateriales gelten die allgemeinen Grundsätze. Uferschutzbauten wer-
den in den Wildbächen nicht selten als Flechtwerke oder in Form von Streichwänden,
dann in Form einfacher oder doppelter Steinkästen, rohen oder geschlichteten Stein-
würfen u. dergl. m. errichtet. Flache Böschungen sind den steilen vorzuziehen. Gegen
die Gefahr der Auskolkung sowohl, als auch der der Ueberflutung muß entsprechend
vorgesorgt sein.
A. Die Wildbachverbauung. § 8.
323
Abbildung 23.
Abbildunor 24.
I 49 ■ .■ ( %a
< »e> ■*■ < 5tf
•W-'X":};.
Abbildunsr 25.
la
\ 1
I /
Abbildung 26.
wmw0m
^^m^ww^W-
21 *
324
VIII. Wang, Die Wildbach- und Lawinenverbauung.
Die Abb. 21 und 22 zeigen solche nicht selten in Anwendung kommende Ufer-
schutzbauten.
Wenn es sich um die Herstellung geschlossener Gerinne handelt, was insbesondere
in den ausgedehnten Talläufen der Wildbäche der Berg- und Hügelländer nötig fällt,
so kommen oft Flechtwerke, Faschinenwerke, Spreitlagen oder auch Sinkwalzen
in Anwendung. Wo Steine vorhanden, werden gemauerte Leitwerke oder Böschungs-
pflasterungen, Taludierungen, ausgeführt.
Zur Verhinderung der Unterwaschung sind nach Bedarf Grundschwellen einzu-
bauen. Die Abb. 23 — ^26 zeigen derartige Bachlaufkorrektionen, Abb. 27 überdies den
Sinkwalzenbau.
Die sehr veränderlichen Wasserstände der Wildbäche der Berg- und Hügel-
länder schließen die Wahl des einfachen, alle Wasserstände konsumierenden Ouer-
profiles aus, weshalb zumindest den extremen Hochwassern die Ueberflutung nicht
verwehrt wird. Aus diesem Grunde erscheint es aber umso mehr geboten, das Vor-
land durch Einziehen von Traversen aus Flechtwerk, oder in Art von Steinwürfen
auf Faschinenbettung, u. dergl. m. zu festigen.
In seltenen Fällen wird das Doppelprofil gewählt.
Abbildung 27.
"M
^
Strenge genommen zu den Paralleh\erken nicht zu zählen sind die Buhnen,
welche, mehr oder weniger weit und verschieden gestellt, in das Bachbett ragen. Sie
werden als Schutz-, Treib- und Verlandungsbuhnen errichtet, bilden aber in den
Wildbächen stärkeren Gefälles ein zweischneidiges Schwert in der Hand des Projek-
tanten, denn je offensiver ihr Charakter, desto größer wird die Gefahr von Bachver-
werfungen. In den Wildbächen der Berg- und Hügelländer können sie bei den dort
vielfach herrschenden geringeren Gefällswerten dazu benützt werden, um durch lang-
sames Vorschieben, bei gleichzeitiger Kultivierung des Vorlandes, die Entwickelung
des Normalprofiles zu fördern und dessen nachträgliche Stabilisierung zu erleichtern.
Ihre Herstellung erfolgt in Art des Uferschutzbaues. Besonderes Gewicht ist
auf die ausreichendste Versicherung des Buhnenkopfes zu legen.
3. Die Schalenbauten. Schalen oder Kunetten sind künstlich herge-
stellte Abflußkanäle mit am vorteilhaftesten segment- oder halbkreisförmigem Profile.
In der Regel kommt der Schalenbau zur Verhinderung der Sohlenerosion in den
obersten Runsen des Niederschlagsgebietes eines Wildbaches zur Anwendung, doch
setzt das voraus, daß die beiderseitigen Gehänge schon so weit abgebösclit sind, daß
durch ihren Einsturz oder selbst durch Herabfallen größerer Steine die Schale, die
in der Regel gepflastert ist, nicht Schaden leide. In größerer Form können Schalen
auch behufs Ableitung des Baches, sei es im Talinnern, sei es am Schuttkegel errichtet
werden. Unter gewissen Verhältnissen kann es genügen, an Stelle von Steinschalen
A. Die Wildbacliverbauung. § 8.
325
hölzerne, schalenförmige Gerinne oder selbst solche aus Rasen (Rasenkunetten) zu ähn-
lichen Zwecken herzustellen. \'orteilhat't sind gepflasterte Schalen in ^'e^bindung mit
Verpfählungen, die sog. Pfahlkunetten. Die Dimensionierung hängt in allen Fällen von
den zu erwartenden Abflußmengen ab. In steilem Gefälle \\ird die Unterstützung
durch Grundschwellen nottun. Die .A.bb. 28 — 31 zeigen eine durch Grundschwellen
Abbildung 28.
ll ' c j ■ 7 'j; t J ; ■■;i( i . f ■ • ( :, ' ,; ■ =• M ■ I -t; • -■» ' ' If 1 '
Abbildung 29.
Abbildung 30.
.■\bbildung 31.
gestützte steinschale. Heivorzu heben ist, daß derartige Objekte, wenn es besondere
Verhältnisse nicht anders erheischen sollten, von unten hinauf zu bauen sind, weil so
im Falle des Eintrittes eines Hochwassers während der Arbeit größeren Beschädi-
gungen besser vorgebeugt erscheint.
4. Die Entwässerungsanlagen. Dieselben bestehen in der Errichtung von
Entwässerungsgräben zum Zwecke der Ableitung der Quell- und Sickerwässer, welche
326
VIII. Wang, Die Wildbach- und Lawinenverbauung.
Abbildung 32.
o e.i
vornehmlich durch Unterwühlung schädlich wirken. Für die Anlage sind die lokalen,
oft sehr verschiedenen Verhältnisse derart maßgebend, daß sich in gedrängter Kürze
allgemeine Grundsätze für die technische Durchführung nicht aufstellen lassen. In
den Wildbächen ist es unbedingt notwendig, die auf die Unterwühlung der Gehänge
zurückzuführenden Terrainbrüche sorgfältig zu beobachten und eventuell vorerst
provisorisch zu entwässern, bevor zur Anlage definitiver derartiger, zumeist kost-
spieliger Anlagen geschritten wird.
Die Abb. 32 und 33
zeigen Querschnitte von
Entwässerungsgräben,
wie solche zumeist zur
Herstellung gelangen.
In Abb. 33 ist der Gra-
ben durch eine Schale
gedeckt, welche den
Zweck hat, das ober-
flächlich abfließende
Meteorwasser unschäd-
lich über den lockeren,
untei-wühlten Hang ab-
zuleiten.
Die Anlage, die wenn nötig, in anderen voranzugehenden baulichen Maßnahmen,
als Fußversicherungen, Sohlensicherungen u. dgl. m. ihre Stütze finden muß, soll
umsomehr die Eigenschaft der tunlichsten Bauökonomie aufweisen, als ihre Zweck-
mäßigkeit oft von vorneherein nicht hinreichend beurteilt werden kann. Zur Füllung
der Gräben ist deshalb
Abbildung 33. das in der Regel nicht
weit von der Baustelle
zu gewinnende Stein-,
Holz- oder auch Fa-
schinenmaterial zu ver-
wenden. Drainröhren
und ähnliche Leitungen
sind der Kostspieligkeit
und der in der Regel
hohen Transportkosten
halber selten, und wohl
nur an zugänglicheren
Orten im Gebrauch.
Der zu verwendende
anhaftenden Erde zu befreien und mit der breiten Fläche nach
Die größten Steine kommen zu unterst zu liegen. Um das
Verschlammen zu verhindern, ist eine Einlage von Moos oder Fichtennadeln vor-
teilhaft. Bruchstein in loser Schichtung ist, weil dem Wasser mehr Zwischen-
raum zum Abflüsse geboten wird, venvendbarer als Findlinge. Bei größerem Ge-
fälle ist die Sohle des Entwässerungsgrabens durch Pflasterung oder sonstwie
zu versichern. Die Anlage ist an geeigneten Stellen, so insbesondere am unteren
Ende durch Grundschwellen zu stützen; auch stützt sich nicht selten der Ent-
wässerungsgraben (Hauptgraben) in seinem untersten Teile an ein Parallelwerk,
Stein ist von der
abwärts zu legen.
A. Die Wildbaclivcrbauung. § 8. 327
welches der zu entwässernden Lehne als Fußversicherung dient, wobei naturgemäß
für den ungehinderten Abfluß der abgeleiteten Wässer Sorge getragen werden nuiß.
Offene Gräben kommen im Hinblick auf die Grefahr der Verschüttung oder Beschä-
digung seltener in Anwendung.
Eine besondere Art der Entwässerung können Horizontalgräben bilden, deren
Anlage oft empfohlen wird. Sie durchziehen die Lehne horizontal, ununterbrochen
zumeist, und sollen das Meteorwasser im Abflüsse über die Lehne aufhalten. Ihre
allgemeine Anwendung kann jedoch im Hinblick auf den Kostenpunkt und auf den
Umstand, daß das Wasser zum Stagnieren veranlaßt wird und so in etwa vorhan-
denen lockeren Boden einzudringen und dann vielleicht zu unterwühlen vermag,
nicht empfohlen werden.
Entwässerungen werden auch dann mitunter erforderlich, wenn es sich um
die Vermeidung der Gefahr von Bergstürzen oder größeren Steinschlägen handelt,
falls diese auf die Frostwirkung oder Unterwühlung des in das Gestein eindringenden
W'assers zurückzuführen sind. Mit ihnen Hand in Hand gehen dann nicht selten
Untermauerungen des zum Sturze bereit liegenden Gesteines.
5. Die L e h n e n b i n d u n g e n. Sind dieGrvmdursachen, welche die Terrain-
bewegung hervorrufen, als Erosion, Korrosion, Unterwühlung, durcli die vorange-
führten baulichen Maßnahmen behoben, so kann, wenn dies noch nötig fallen sollte,
zur oberflächlichen Bindung des Terrains geschritten werden. Es erfolgt dies durch
Verflechtung, Plaggadierung, in seltenen Fällen durch Abpflasterung, durch Her-
stellung von sog. Berauhwehren und auf mancherlei andere Weise.
Die Verflechtung ausgedehnter Flächen ist eine in der Regel ziemlich kost-
spielige Maßnahme und soll, wenn nicht unbedingt nötig, vermieden werden. Ihr,
sowie andern Bodenbindungsarten geht gewöhnlich das Planieren (Skarpieren) des
Bruchterrains voraus. In vielen Fällen wird man sich mit der Entfernung der größern
Steine aus der Bnichfläche, deren Wasserrisse auf tunlichst primitive Weise gegen
weitere Erosion versichert werden, begnügen können. Nach Herstellung möglichst
einfacher Terrassen wird das am vorteilhaftesten aus ausschlagfähigen Pflöcken
und Flechtmateriale zusammenzustellende einfache Flechtwerk in am besten hori-
zontal verlaufenden Reihen errichtet, wobei die Arbeit grundsätzlich von unten
nach oben hin fortzuschreiten hat. Der Zaun soll behufs Verhinderung seiner Be-
schädigung durch herabrollende Steine möglichst wenig aus dem Boden hervorragen,
oder doch an der Bergseite durch angelegtes Erdreich gedeckt werden.
Bei Anwendung von Rasenplaggen wird die Lehne entweder vollkommen mit
diesem Materiale bedeckt, oder es ist dasselbe schachbrettförmig angeordnet; die
so freibleibenden Stellen werden bepflanzt. Die Anwendbarkeit dieser Methode
ist eine beschränkte. Ebenso eignet sich volle Abpflasterung nur für kleine
Flächen von besonderer Wichtigkeit. Berauhwehren bestehen in dem Aushub von
horizontal verlaufenden kleinen Gräben, in welche ausschlagfähiges Material gesteckt
und an der Lehne befestigt wird.
Nach einem von Müller i) empfohlenen System werden Rasenplaggen ver-
einzelt auf der Lehne mit je einem Pflocke befestigt; die Zwischenräume sind zu
bepflanzen. Auch die dem Firmamente zugekehrte, gewöhnlich noch beraste Seite
der oft überhängenden Bruchwände wird nach Müller durch vereinzelt aufgelegte,
mit Pflöcken befestigte Plaggen versichert, verschlagen.
Die weitern Lehnenbindungsarbeiten, als Berasung und Aufforstung, zählen zu
den forestalen Maßnahmen, auf die an anderer Stelle zurückgekommen wird. Hervor-
1) F. Müller, „Die Gebirgsbäche und ihre \'erheerungen". Landslmt 1857.
328 VIII. Wang, Die Wildbach- und Lawinenverbauung.
gehoben sei, daß es stets geboten erscheint, das allenfalls innerhalb der Bruchfläche
und an deren Rändern stockende schwere Holz zu entfernen.
Wenn auch nicht als Lehnenbindung, so doch als ein Mittel, welches vor allen-
falls abgehenden Steinen, vor Steinschlag zu schützen hat, sind innerhalb der Lehne
zu errichtende höhere Flecht- oder auch Schwartling-Zäune anzusehen.
6. Die Schuttkegelsicherungen. Die diesbezüglichen Arbeiten
kommen vorwiegend bei den Wildbächen des Hochgebirges, woselbst die Schutt-
kegelbildung in der Regel eine ausgesprochene ist, in Anwendung. Im allgemeinen
kann die Versicherung des Schuttkegels auf zweifache Weise erfolgen, und zwar durch
Herstellung eines mehr oder minder festen, stabilen Gerinnes, oder aber durch Schaf-
fung eines Ablagerungsplatzes, in welch letzterem Falle strenge genommen weniger
der eigentliche Schuttkegel gesichert, als vielmehr das angrenzende Gelände vor der
Schuttkegelvergrößerung bewahrt wird.
Bei Schaffung eines Gerinnes am Schuttkegel sollen die folgenden wichtigsten
Gesichtspunkte nicht außer acht gelassen werden.
Das Gerinne soll ein Querprofil erhalten, welches genügend groß ist, um die
Wässer des höchsten Standes samt Geschiebe abzuführen. In den Hochgebirgs-
bächen wird das einfache schalen- oder das trapezförmige Profil gewählt, weil die in
der Regel größern Gefällswerte die Abfuhr des Hochwassers sowohl als auch des Nie-
derwassers in einem solchen Profile gestatten. Das Längenprofil des Gerinnes muß
ein Gefälle aufweisen, einerseits groß genug, eine ungehinderte Materialabfuhr zu
gewährleisten, anderseits nicht zu groß, um der Gefahr der Beschädigung des Baues,
namentlich der Sohle desselben, zu begegnen. Die lokalen Verhältnisse lassen bezüg-
lich der Wahl des Längenprofiles in der Regel nicht viel Spielraum. Längenprofil
und benetzte Querprofilfläche bedingen die Abflußgeschwindigkeit und die Masse
des ungehindert abzufließenden Wassers. Geschwindigkeitswerte von über 4 m
pro Sekunde gehören schon zu den bedeutenderen im Hinblick auf die Gefahr der
Erosion und Verletzung der Gerinnsohle bei größerer Geschiebeführung.
Die Mündung des Gerinnes in den Rezipienten soll die ungehinderte Abfuhr
des Wassers und des Geschiebes gestatten.
Die in der Regel durch ein festes Querwerk gestützte Einmündung soll deshalb
tunlichst spitzwinkelig erfolgen. Behufs Vermeidung jedes Rückstaues bezw. Schaf-
fung der nötigen Vorflut soll, was allerdings nicht immer tunlich ist, die Sohle des
Gerinnes höher liegen als der Hochwasserspiegel des Rezipienten.
Der Beginn des Gerinnes, dessen Trasse naturgemäß mit Rücksicht auf Ab-
wendung der Gefahr für Ortschaften, Kommunikationen gewählt sein soll, muß
gegen die Gefahr der Beschädigung, insbesondere Hinterspülung geschützt sein.
Endlich muß die ganze Anlage allen sonstigen technischen Anforderungen ent-
sprechen. Bei vorherrschenden großem Gefällswerten ist unter allen Umständen
die Pflasterung der Sohle in Zement, vielfach aber auch die Unterstützung des Sohlen-
pflasters durch Grundschwellen bei allenfalls staffeiförmiger Ausgestaltung des
Längenprofiles der Gerinnsohle geboten. Die beiderseitigen Böschungen sind der
größern Stabilität halber tunlichst flach zu halten. Die Ausführung erfolgt nach Art
des Schalenbaues und wie dort, von unten nach oben, nach vorhergegangener genauer
Trassierung imd Profilierung.
Was die Schaffung von Ablagerungsplätzen auf Schuttkegeln anbelangt, so be-
stehen dieselben aus der Errichtung von entsprechend hohen Fassungsmauern,
welche, von der Spitze des Schuttkegels ausgehend, sich an einer entsprechenden
Stelle an seinem unteren Ende wieder vereinigen. Diese Vereinigungsstelle ist zu-
A. Die Wilcibaclivcrbauung. § 10. 329
meist durch ein Quenverk, eine Talsperre oder Grundschwelle gestützt und von da
ab wird der vom Geschiebe entlastete Bach in einem in der Regel auf kurzer
Strecke talab gesicherten Gerinne geleitet. Ablagerungsplätze kommen im Hinblick
auf ihren denn doch nur problematischen ^^'ert und die Kosten ihrer Ausführung
selten zur Herstellung.
§ 9. Die Berasung und Aufforstung. Die erstere soll den Boden
oberflächlich binden und gegebenenfalls zur Aufforstung geeigneter machen.
Zur Berasung von Gebirgsböden eignet sich die Esparsette (Hedysarum ono-
brj'chis), welche vorteilhaft im Herbste mit Ueberfrüchten gesät wird. Weiters
sind zu nennen je nach Lage und Beschaffenheit der Oertlichkeit: die Luzerne, Medi-
cago sativa und media, die Carex-, Poa- und Luzulaarten, das riedgrasartige Rauh-
gras, Lasiagrostis calamagrostis u. dgl. m. In neuerer Zeit werden wegen ihrer
Pfahlwurzelbildung, bezw. besonderer Widerstandskraft gegen Temperaturwechsel
gerühmt: die veredelte Platterbse, Lathyrus silvestris und das Flohkraut der Insel
Sachalin, Polygonum sachalinense.
Speziell im Gebirge soll die Rutschfläche nur mit einer Handhaue stellenweise
aufgelockert werden, und es sind eventuell vorhandene einzelne Grasbüsche, besonders
von Alpenrispengras, stehen zu lassen. Vor allem ist es ratsam, den als erste Besied-
lungspflanze auf Rutschflächen charakteristischen Huflattich (Tussilago farfara), in
hohem Lagen den Alpenlattich (Adenostyles albifrons) wegen der bodenbefestigenden
unterirdischen Kriechtriebe möglichst zu schonen.
Was die Aufforstung anbelangt, so kann von diesbezüglichen Erläuterungen
hier wohl abgesehen werden, zumal ja jeder Forstmann mit den einschlägigen Arbeiten
betraut sein muß. Es wäre hervorzuheben, daß, insoweit es sich um Aufforstung von
entblößten und zur Rutschung geneigten Böden handelt, die Erziehung von Nieder-
waldbeständen ins Auge zu fassen ist, damit einerseits die Aufforstung rascher voll-
zogen werden könne und damit nicht späterhin durch die Schwere der oberirdischen
Hochwaldmasse die Bewegungstendenz des Bodens gefördert werde.
Bei Ergänzung der Aufforstung innerhalb des Niederschlagsgebietes des Wild-
baches ist insbesondere darauf zu achten, daß die geeigneten Oertlichkeiten, d. h.
die mehr oder minder steilen Einhänge, der Waldkultur zugeführt werden.
Es handelt sich im Wildbachgebiete mehr um die Oertlichkeit des Waldbe-
standes und um seine Beschaffenheit, denn um die Ausdehnung desselben.
§ 10. Die besonderen Verbauungssysteme. Als besondere
Verbauungssysteme, die hier des knappen Raumes wegen nur in Kürze berührt
werden können, sind zu nennen:
\. Das System nach Jenny. Dieses besteht in der schalenförmigen Auspfla-
sterung der Bachbettsohle. Vorerst wird jedoch die letztere, die mehr oder minder
tief eingeschnitten ist, entsprechend gehoben und erst dann gegen neuerliche Unter-
wühlung durch die Ausführung der Schale gefestigt. Das Profil der letzteren richtet
sich ausschließlich nach den zu erwartenden Hochwasser-Abflußmengen. Das Heben
der Bach- oder Runsensohle — zumeist kommt dieses System bei Verbauung von
Runsen in Anwendung — wird in einfacher Weise durch gewöhnliche Flechtzäune
derart erzielt, daß diese, von unten nach aufwärts fortschreitend, in passenden Ab-
ständen in einer von der Tiefe des Gerinnes und der Höhe der einzelnen Objekte
abhängigen Anzahl von Etagen errichtet werden. (Siehe des Verfassers ,, Grundriß
der Wildbachverbauung", IL Teil, pag. 110.)
2. Das System nach Schindler^). Das sogenannte natürliche Ver-
, Die Wildbach- u. Flußverbauuno: nach denGesetzen der Natur". Zürich 1889.
330 \"III. W a n g , Die Wildbach- und Lawinenverbauung.
bauungssystem nach Schindler ist für sich etwas originelles und beruht in
der Schaffung nach oben konvexer Gerinnsohlen, sowie in der fast ausschließlichen
Anwendung des gewöhnlichen Holzpfahles als Baumittel. Die Anwendung dieses
Systems, selbst in einfachster und auch etwas modifizierter Form, ist bisher eine
sehr beschränkte geblieben. (Siehe des Verfassers ,, Grundriß der VVildbachverbau-
ung", II. Teil, pag. 124).
3. Das Regulierungssystem nach \\o\i i). Es besteht in der Anwendung der
sog. schwimmenden Gehänge, hat sich jedoch in den Wildbächen, der dort vorherr-
schenden größeren Gefällswerte und besonderen Geschiebeführung halber, nicht be-
währt.
4. Das System nach Seeling. Dasselbe ist häufiger und vorteilhafter anzu-
wenden. Es besteht in der Verwendung von losem, nur mittelst Pflöcken und Draht
oder Wieden an den Ufern befestigten Faschinenmateriale. (Siehe des Verfassers
,, Grundriß der Wildbachverbauung", II. Teil, pag. 364.)
5. Das System nach Serrazanetti -). Es besteht in der Anwendung von Draht-
geflecht, zumeist zum Uferschutzbau (Drahtgeflechtsäcke, sogen. Tuben, mit Schotter
gefüllt). Genügende Erfahrungen konnten bisher in Oesterreich und soviel bekannt,
auch in Deutschland, mit diesem Systeme noch nicht gemacht werden. Der Kosten-
punkt fällt jedenfalls sehr in die Wagschale, In Italien ist die Anwendung häufiger.
§ 11. Die wirtschaftlichen Maßnahmen. Von der Berasung
und Aufforstung abgesehen, sind im Interesse der Regelung des Regimes der Wild-
bäche noch manch' andere wirtschaftliche Maßnahmen zu beachten.
Unter Hinweis auf die diesbezüglichen Auseinandersetzungen in des Verfassers
,, Grundriß der Wildbachverbauung", II. Teil, pag. 253 — 291, sollen hier nur hervor-
gehoben sein: die entsprechende Bewirtschaftung der Waldungen; die gefahrlose
Bringung und Lagerung der Forstprodukte; die stete Reinhaltung und Räumung
der Gerinne, sowie die rationelle Bewirtschaftung der Alpen und Weiden. In letzterer
Richtung möchte insbesondere angeraten sein : die Entwässerung nasser Böden ; die
Kultivierung öden Terrains ; die Vermeidung des Einsickerns des Wassers in zur
Absitzung geneigten Böden aus Brunnen, Zisternen, Bewässerungs- und Entwässe-
rungsanlagen, aus Nutzwasserleitungen u. dgl. m.
Als von ganz besonderer Wichtigkeit sind auch die ordnungsgemäße Instand-
haltung bestehender Wasserbauten, namentlich Wehren ; die Vermeidung der Profils-
verengimgen durch Einbauten jeder Art; die Einführung und Handhabung eines
organisierten Flußaufsichts- und Hochwassermeldedienstes; die Ausgestaltung des
hydrographischen Dienstes überhaupt u. dgl. m. anzusehen.
In jüngster Zeit ist speziell bezüglich der wasserwirtschaftlichen Nutzung des
Waldes manch wertvoller Ratschlag erteilt worden. Im allgemeinen wird vom
wasserwirtschaftlichen Standpunkt der Plenter- oder der Femelschlagbetrieb an
Stelle des Kahlschlagbetriebes empfohlen. Von besonderer Bedeutung sind der
rationelle Nebenmitzungsbetrieb, der Holztransport, die Entwässerung des Wald-
landes und der Gebirgsmoore, sowie manches andere mehr. Es ist im allgemeinen
nicht so sehr der \\'ald als solcher, sondern die in demselben vorhandene Bodendecke,
welche als das beste Mittel der Wasserregulierung im Walde, namentlich im Gebirgs-
1) ,, Mitteilungen über das Wesen und die Erfolge der vom Kgl. Bayrischen Bauamtmann
A. Wolf erfundenen Flußregulierungsmethode", von R. Iszkowski. Wochenschrift des österr.
Ingenieur- und .\rchitekten-Vereines. .Nr. 8 u. 9. 1888.
2) ,,Cenni Monografici sulla difesa dei funni, torrcnti, canali, secondo il sistema e coi nuovi
apparecchi ideati", von Giulio Serrazanetti. Bologna 1899.
B. Die Lawiiionvorbamiiig. § 12. 33J
walde anzusehen ist. Auf den Schutz der Bodendecke soll die Wirtschaft in erster
Linie hinzielen.
Der \\irtschaft im Wolilfaintswaidc sind im Hinblick auf dessen wassenvirt-
schaftliche Bedeutung gewisse Grenzen gezogen.
Sie einzuhalten, gehört nicht zu den letzten Aufgaben des Hochwasserschutzes.
B. Die Lawiiienverbauung.
§ 12. Die Ursachen und die Einteilung der Lawinen.
Verschiedene Einflüsse sind es, die den auf den Gehängen angehäuften Schnee in
Bewegung setzen und so das Entstehen der Lawinen verursachen. Auf schiefen Flä-
chen findet mitunter schon bei geringem Gefälle, den Gesetzen dai- Schwere folgend,
eine Bewegung des Schnees statt. Dieselbe hängt von der Neigung des Hanges,
von der Beschaffenheit und Masse des gefallenen Schnees, von den Witterungs-
verhältnissen, so namentlich Windströmungen, dann von der Konfiguration, Be-
schaffenheit der Bodendecke und mitunter auch von Zufälligkeiten ab.
Die Grundursache des Entstehens gibt den Lawinen in der Regel auch ihren
Charakter. So werden die Lawinen nach Coaz ^) in Staub-, Grund- und Oberlawinen
geteilt, zu welchen noch die Gletscherlawinen gezählt werden können. Staublawinen
entstehen, wenn es bei kalter \A'itterung stark schneit. Die große Masse des leicht-
flügigen Schnees gerät dann auf steilen waldlosen Hängen wie eine Schichte Sand
in Bewegung und reißt die übrige Schneemasse mit sich fort. Der feine Schnee wird
vom Winde getragen, der schwerere bewegt sich am Boden. Die Luft wird kompri-
miert und strömt als Orkan, dessen Wirkung zumeist eine größere ist als jene der
Lawine selbst, dieser voraus zu Tale. Solche Lawinen brechen gewöhnlich schon
während des Schneefalles ab, oder sie werden nachträglich durch Windströmungen
veranlaßt.
Der bei mäßiger Kälte gefallene Schnee ist naß, massig, schwer und hängt an
dem Boden ziemlich fest an. Größere ^Massen solch frisch gefallenen Schnees rutschen
viel eher ab oder sind bei mäßig warmer Temperatur noch zu locker, um nicht von
selbst in Bewegung zu geraten. Dieser Schnee bleibt aber mehr massig beisammen,
zerstiebt nicht, übt daher auch keinen so großen Druck auf die Luft aus wie derjenige
der Staublawine. Die Schnelligkeit der letzteren ist vermöge der Reibung, ver-
möge der Hindernisse an der Gleitfläche, eine verhältnismäßig geringe, ihre Wirkung
eine räumlich beschränkte. Solche Lawinen heißen Grundlawinen, Schlag-, Schlaß-
oder Schlessemlawinen.
Wenn auf die Fimkruste des gefrorenen alten Schnees frischer Schnee fällt, und
dieser dann auf der glatten Gleitfläche in Bewegung gerät, so wird von Oberlawinen
gesprochen.
Gletscherlawinen dagegen entstellen, wie schon der Name sagt, wenn sich am
Ende eines Gletschers bedeutende Eismassen loslösen, über steile Hänge stürzen,
dabei in kleine Eisteilchen zerstieben und in Form einer Staublawine insTal stürzen.
Abrutschende Schneemassen endlich oder Lawinen von kleinem Umfange werden als
Schneerutschen bezeichnet.
Um die Ursachen der Lawinenbildung kurz zu berühren, ist zunächst hervor-
zuheben, daß die Neigung des Hanges, wenn auch nicht immer als ausschlaggebend,
so doch als maßgebend angesehen werden muß.
Unregelmäßiges Gefälle ist der Lawinenbildung weniger günstig, als regelmäßiges.
1) S. Coaz, „Die Lawinen der Schweizer .\lpen". Bern 1888.
332 \III. Wang, Die Wildbach- und Lawinenverbauung.
Ein terrassierter Hang kann das Entstehen von größern Grundlawinen verliindern.
Das gleiche gilt von sanft verlaufenden Mulden, in welchen sich größere Schneemassen
anzusammeln vermögen. Muldenförmiges, abschüssiges Terrain dagegen ist der
Lawinenbildung förderlich, weil durch das sich am Muldengrunde ansammelnde
Schmelzwasser der Schnee leicht in Bewegung gerät.
Eine hervorragende Rolle spielen die Masse des gefallenen Schnees und die
herrschenden Witterungsverhältnisse. Während die Staublawinen zu Beginn und
während des Winters am häufigsten zu beobachten sind, gehen die Grundlawinen
zumeist zu Ende des Winters oder zu Beginn des Frühjahrs, zur Zeit der Schnee-
schmelze, und zwar gewöhnlich innerhalb eines Zeitraumes von 14 Tagen ab. Ein
zur Zeit der Schneeschmelze eintretender Regen befördert den Abgang von Grund-
lawinen ganz beson'ders. Oberlawinen bilden sich zumeist während der Monate Dezem-
ber, Januar und Februar. Bei ruhigem Wetter hält sich der Schnee bis zu einer
bedeutenden Schichte am Hange; bei stürmischer Witterung rutscht er schon bei
geringer Schichtenhöhe. Je bewegter die Luft, desto leichter entwickeln sich daher
die Lawinen, insbesondere die Staublawinen. Das Ueberspringen des Windes von
einer in eine andere Richtung soll das Anbrechen von Lawinen ganz besonders be-
günstigen.
Der Grad der Sonnenwärme zur Zeit der Schneeschmelze ist von hervorragen-
dem Einfluß auf den Abgang von Lawinen. Die Südabhänge mit direkt einfallenden
Sonnenstrahlen sind daher der Lawinenbildung günstiger als die Nordabhänge.
Wegen der sich auf der Sonnenseite des Gebirges leichter bildenden Fimkruste
treten dort Oberlawinen häufiger als auf der Schattenseite auf. Bei windstillem
Wetter und kräftigem Sonnenschein fällt die Zeit des Lawinensturzes nach Coaz
auf die ersten Nachmittagsstunden, je nachdem der Hang etwas früher oder später
von den Sonnenstrahlen getroffen wird. Bei Südwind, Scirocco, halten sich die La-
winen an keine Zeit mehr. Im Hochgebirge fallen übrigens Lawinen nicht selten bei
jedem neuen Schneefall, selbst mitten im Sommer. Es wird auch beobachtet, daß
Lawinen zumeist bei heiterer Witterung, seltener bei bewölktem Himmel abgehen,
weil bei heiterer Witterung, namentlich morgens, Kälte eintritt, der Schnee, d. h.
die Eisfäden, welche ihn an die Bergseite festhalten, sich zusammenziehen, brechen
und die Bewegung der Massen herbeiführen. Quell- und Sickerwässer, dann die
Schmelzwässer durchfeuchten die untere Bodenschichte bis zur Sättigung und ver-
mindern im Abwärtsgleiten auf der Trennungsfläche die Reibungswiderstände dort-
selbst. Sie sind sonach der Bildung von Grundlawinen förderlich.
Die geologischen Verhältnisse des Grundgesteines sind weiter sehr einfluß-
nehmend. Die kristallinischen Massengesteine sind bei gleicher Steilheit des Hanges
der Lawinenbildung weniger günstig als die kristallinischen Schiefergesteine, z. B.
Glimmerschiefer, Flysch usw. Stark in Verwitterung begriffenes Gestein ist der
Bildung von Gnmdlawinen förderlicher als festes, obzwar große Steine und Fels-
blöcke mitunter gute Hindernisse dem Lawinenabgang bieten. Gefährlich, und zwar
im Hinblick auf das Abgehen von Grundlawinen, sind steile, mit Quell- und Sicker-
wässern durchtränkte Schichtenseiten, auf welchen die Bodenschichte stets feucht
und im gefrorenen Zustand auch schlüpfrig bleibt. Die Seite der Schichtenköpfe
mit rauher Oberfläche ist der Lawinenbildung, wenn nicht besonders starkes Gefälle
vorhanden, weniger günstig.
\'on Einfluß auf die Lawinenbildung ist die Beschaffenheit der Vegetations-
decke. Geradstämmiger, dichter, nicht zu alter Wald bietet die meisten Hindernisse.
Weiden-, Krummholz, Erlen-, Jungbuchen- und Junglärchenbestände können infolge
B. Die Lawinenverbauung. § 14. 333
ihrer Elastizität die Bildung von Lawinen nicht immer un<l nicht überall vr rhindera.
Rasen ist dem Abgleiten des Schnees günstig. In den über der Waldvegetation
gelegenen sogenannten „Bergmähdcrn" mit oft 40 — 50 Grad Neigung sind Lawinen
am meisten zu beobachten. Insbesondere treten dieselben gerne im zweiten Winter
dort ein, wo die Ernte nur jedes zweite .Jahr erfolgt. Im ersten Winter nach der
Heuernte geben nämlich die steifen Grasstoppeln noch einigen und zwar mehr Halt,
als das lange und schlüpfrige Gras des zweiten Jahres.
Unter den Zufälligkeiten, welche die LawinenbiWung begünstigen können, ist
das Abfallen von Eiszapfen, Steinen, Aesten und namentlich von Schneeschildern
und Schneewächten, wde solche sich nicht selten an scharfen Gebirgsrücken, vorste-
henden Felspartien etc. bilden, zu nennen. Wird der Fuß einer Schneewand von
einem Bache unterwaschen, oder unterbricht eine Quelle oder sonst ein Umstand den
Zusammenhang der Schneemassen, so wird das Entstehen der Lawinen begünstigt.
Hinsichtlich zufälliger Erschütterung wird auch darauf verwiesen, daß die Land-
bevölkerung nicht selten sogar das Glockengeläute als Lawinen-Erreger fürchtet.
§ 13. Die Lawinenverbauung. Im Anbruchgebiete einer Lawine ist
die Gewalt der in Bewegung geratenen Schneemassen zumeist eine noch so geringe,
daß man gewöhnlich mit unbeträchtlichen Mitteln helfend eingreifen und die Ur-
sachen der Bildung, insbesondere von Grundlawinen, nicht selten durch zweckent-
sprechende Maßnahmen beheben kann.
Schwieriger ist es, Staublawinen und wohl auch Oberlawinen in ihrem Ent-
stehen und ihren Wirkungen zu bekämpfen. Im allgemeinen kann man Bauten
zur Festigung und Bindung der Lawinen in deren unmit-
telbarem Anbruchgebiete, dann Bauten, die eine Ablei-
tung der Lawinen bezwecken, und solche, die ausschließ-
lich zum Schutze einzelner Objekte errichtet werden,
unterscheiden. Nach Maßgabe des verfügbaren Materiales können die einzelnen
Werke ausschließlich aus Holz, aus Holz und Eisen oder aus Stein
hergestellt werden. Endlich können die Verbauungsanlagen noch in dauernde und
in vorübergehende unterteilt werden. Die ersteren, für welche der Steinbau zunächst
zu berücksichtigen kommt, sind in jenem Anbruchgebiete auszuführen, wo die Boden-
verhältnisse oder die Höhenlage eine Bewaldung ausschließen, während dort, wo eine
Aufforstung noch möglich ist und gleichzeitig auch veranlaßt wird, den Bauten der
Charakter provisorischer Anlagen zufällt, die nach einer bestimmten Zeit durch den
heranwachsenden widerstandsfähigen Holzbestand ersetzt werden sollen.
§ 14. M i 1 1 e 1 zum Abbaue der Lawinen im A n b r u c h g e -
bietei). 1. A 1 1 g e m e i n e s. Als Maßnahmen zum Abbaue der Lawinen im
Anbruchgebiete sind alle jene anzusehen, welche die Reibung zwischen Schnee und
Unterlage vergrößern, sowie ein Abtrennen oder Abrollen losen Schnees verhindern.
Als ein Lawinenbildung hinderndes Mittel gilt dichter, geradstämmiger, nicht
zu alter Wald, während, wie bereits an anderer Stelle hervorgehoben, steile Weide-
flächen, Wiesen, Felshänge, Mulden, Runsen und Tobel, sowie auch Krummholz-,
Erlen-, Jungbuchen- und Junglärchenbestände u. dgl. infolge ihrer Elastizität die
Bildung von Lawinen nicht immer und überall verhindern können.
Es ist ein naheliegendes Mittel, durch Aufforstung der Anbruchgebiete die
Bildung von Lawinen zu verhindern. Damit jedoch an solchen Stellen das Fort-
1) „lieber die Lawinen Oesterreichs und der Schweiz und deren Verbauungen"; dann
„Ueber den Schnee im Gebirge": von Vinzenz Pollak. Zeitschrirt des österr. Ingenieur- und
Architeklenvereins. Wien 1891.
334
VIII. Wang, Die Wildbacli- und Lawinenverbammg.
kommen von Kulturen überhaupt ermöglicht wird, sind bis zur Kräftigung derselben
weitere Mittel in Anwendung zu bringen. Sie dienen dazu, die Bewegung des Schnees
zu verhindern, welche einerseits den Anlaß zur Lawinenbildung gibt, andererseits
die zarten Pflanzen leicht entwurzelt. Diese Mittel sind : Verpfählungen,
Schneebrücken und Schneefänge.
2. Die Verpfählungen. Die Verpfählung glatter Flächen besteht darin,
daß Rund- und Spaltholzpflöcke in einer Länge von 1,6 — 2,0 m nach entsprechendem
Vorbohren etwa zur Hälfte in den Boden getrieben werden. Die Pfähle stehen meist
reihenartig mit einer Pfahldistanz von 0,6 m und einer Reihendistanz von einem
oder auch mehreren Metern. Diese Anlagen erfüllen den bescheidenen Zweck dem sie
dienen, bei nicht zu bedeutenden Schneehöhen und nicht zu trockenem körnigen
Schnee gut, doch ist das Ausrutschen von Schnee aus den Lücken oder oberhalb
der obersten Pfähle beobachtet worden.
Abbildung 34.
■■•ff, ■^' .- .' •/ ' - i
.•''-. •'>;.•..;'' f.
Abbildung 35.
f/v ^ ■ -r >■ ■^ -
^%\
Nicht zu hoch oberhalb der Pfähle abreißende Schneemassen gehen entweder
zerteilt zwischen den Pfählen durch oder rutschen, wenn die Pfähle im Schnee stecken,
darüber hinweg, dabei wohl auch Schäden verursachend.
Pfähle bis zu 0,3 m Entfernung geschlagen, kommen als geschlossene
P f a h 1 r e i h e n oder auch Pfahl wände hie und da zur Anwendung.
Bald nach dem ersten größeren Schneefall zeigen sich jene Stellen, wo die Pfähle
zu wenig Boden fassen konnten, indem sie durch den Schneedruck aus ihren Lagen
gebracht werden.
Im allgemeinen soll man solche Verpfählungen, sowie Holzwerke überhaupt, über
der Walflgrenze nur anwenden, wenn eine Aufforstung möglich ist und die ersteren
daher nach genügender Erstarkung letzterer nicht mehr erneuert zu werden brauchen,
was je nach Höhe und Lage 15—25 Jahre dauern kann. Während dieser Zeit sind
die Pfähle je nach Stärke und Güte 1— 3mal zu erneuern.
In minder steilen Lagen und bei geringer Bodentiefe lassen sich mit Vorteil
3seitige Pyramiden, welche aus Pfählen hergestellt sind, wobei die Pfähle am Kopfe
durch einen hölzernen oder eisernen Bolzen und Eisenring zusammengehalten werden,
B. Die I,a\viiicu\ iTliaiuiiig.
335
verwenden. Die Bockfüße können nocli überdies niitlelst Ouerbändern unterein-
ander verbunden und versteift worden. Alle einzuschlagenden Pfähle sind zuzuspitzen
und anzukohlen.
Eine zweite Art der Verbauung besteht darin, daß man die Pfahle in unter-
schiedlich langen Reihen aufstellt, beziehungsweise 30 — 60 cm tief in den Boden
einschlägt und dann mit alten Stangen, Ast- und Abraumliolz verflicht, Abb. 34
und 3o. Es genügt, wenn diese 4 — 10 m langen Pfahlreihen in Abständen von 6 — 15 m
in horizontalen Linien ober- und unterhalb der Anbruchstelle derart errichtet werden,
daß stets über einen Zwischenraum der untem Heihc ein Flechtwcrk in der obern
Reihe zu stehen kommt.
3. Die Schneebrücken und Schneefänge. Sind kleine Rinnen
oder Gräben zu verbauen, dann werden sog. Schneebrücken, Abb. 36, angebracht.
Abbildung 36.
Abbildung 37.
Sä.
V:t
■dM^
'^^f::^ a
Eine Schneebrücke besteht aus einem über den Graben gelegten Stammstück, ähn-
lich dem Tragholz einer Brücke, welches an den beiden Auflagern durcli vorgeschla-
gene Pfähle befestigt wird. In Abständen von 20 — 30 cm werden an dieses
Stammstück gegen den Hang gestellte Stangen befestigt. Bei großer Spannweite
wird dasselbe auch noch durch unterstellte Joche versteift.
Die Form eines einfachen Schneefanges ist in Abb. 37 dargestellt. Ein solcher
besteht aus Säulen und Querhölzern, die im Anbruchgebiet zur Aufstellung kommen.
Stärkere Schneefänge sind entweder aus Altschienenständern mit Altschwellen oder
Holzriegeln, dann in fester Holzkonstruktion oder aus Trockenmauerung hergestellt.
Diesfällige Anlagen sind in den Abb. 38 — 41 ersichtlich. Die in den Abb.
38 — 40 dargestellten sollen mit Rücksicht auf ihre in der Regel beträchtlichen Her-
stellungs- sowie Kosten der alljährlichen Erhaltung und Nachbefestigimg nur dort
Anwendung finden, wo andere Mittel nicht in Betracht kommen können. Schnee-
fänge in Trockenmauerung, bei geringer Stärke 0,6 — Im und Höhe von 1 — "2m,
Abb. 41, sind mit Erfolg zur Ausführung gebracht worden, ohne daß durch Schnee-
druck oder Lawinen nennenswerte Schäden an ihnen verursacht worden wären.
336
VIII. W a n g , Die Wildbach- und Lawinenverbauung;.
Dort, wo man auch Oberlawinen tunlichst vermeiden will, muß als nötige Maßnahme
die entsprechend vermehrte Höhe der Mauern und sonstigen Schneefangvorrichtungen
ins Auge gefaßt werden. Man hat
""° ■ denn auch in neuester Zeit die
Mauern bis zu 2 m hoch angelegt.
Die Mauer- und Schneefang-
höhe und der Höhenabstand der
Werke muß eine schädliche, also
rasche Bewegung der gefallenen oder
zusammengewehten Schneemassen
^< ^'1^ unmöglich machen. Der Abstand,
welchen man den zu erstellenden
Objekten zu geben hat, bildet so-
nach einen der wichtigsten Faktoren
bei Verbau des Anbruchgebietes
einer Lawine. Eine theoretische Un-
tersuchung des Gegenstandes ist mit
Rücksicht auf die vielfachen, un-
wägbaren Einflüsse nicht möglich.
Zu diesen letzteren sind die Be-
schaffenheit der Bodenoberfläche,
ihre Form und geologische Zusam-
mensetzung, dann der Feuchtig-
keitsgrad, die Höhenlage, die Exposition, Beschaffenheit des Schnees usw.
zu zählen.
Die Erfahrung gibt jedoch manchen Fingerzeig.
Abbildung 39.
Ein bekannter Fachmann, der eidgen. Forstinspektor Dr. F. Frankhauser i),
meint, es lasse sich die zurückhaltende Wirkung eines Einbaues durch dessen in
l)''„ZuT Bestimmung des Abstandes von Einbauten beim Lawinenverbau", von Dr. F.
Frankhauser. Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen, Nr. 1, 1912.
B. Die Lawincnvcrbauun". § 14.
337
vorhinein zu bestiniinemle, sogenannte luitzliclie Breite, a— c Abb. 41, ausdrücken,
d. i. die Länge der Horizontalen von der vorderen Oberkante bis zur Lehne gemessen.
Die durcli diese Linie gelegte Horizontalebene kann wenigstens annähernd als Basis
des vom Einbau gestützten Sclmeefekles betrachtet werden.
Sie wächst einerseits mit der Höhe des Bauwerkes, andererseits mit der Breite
der Terrasse, welche liintor jenem ausgehoben wird.
.\bbiIJung 40.
Die zurücklialtende \\irkung eines Bauwerkes von gegebener nützlicher Breite,
so meint Frankhauser weiter, wird sich am Hange verschieden hoch hinauf erstrecken,
je nachdem er mit stärkerem oder scliwächorem Gefälle ansteigt. Die durchschnitt-
liche Terrainneigung, bei welcher Grundlawinen abgehen, schwankt zwischen 80 bis
120%. Nach Professor Engler i) kann innerlialb dieser Gefällswerte ein Bauwerk
die Last der Schneedecke aufwärts annähernd bis zur nämlichen vertikalen Höhe
1) Ueber Verbau und Aufforstung von Lawinenzügen. Von Arnold Englcr, Professor am
ejdgen. Polytechnikum in Zürich. Zenlralblalt für das gesamte Forstwesen. 1907.
ilandb. d. Forstwiss. 3. Aufl. II. 22
338 VIII, Wang, Die Wildbach- und Lawinenverbauung.
tragen. Zur Bestiinnumg des zulässigen größten Abstandes zweier Bauten hätte
man somit deren Niveaudifferenz zur nützliclien Breite in Beziehung zu bringen unter
gleichzeitiger Berücksichtigung der maximalen Schneehöhe und eines die Reibung
der Schneeschicht an der Bodenoberfläche zum Ausdrucke bringenden Koeffizienten.
Dieser letztere schwankt jedoch innerhalb so weiter Grenzen, daß es ausgeschlossen
erscheint, ihn zahlenmäßig zu fixieren. Auf diesen Umstand weist auch Coaz i) hin.
Frankhauser gibt über das Verhältnis zwischen der Niveaudifferenz h und der nütz-
lichen Breite b, Abb. 40, welches Verhältnis .— er als den Vertikalabstandsfaktor
b
oder kurzweg Abstandsf aktor bezeichnet, Erfahrungszahlen an, die je nach Dimen-
sionierung der Anlagen, Neigung des Hanges usw. bei Trockenmauern zwischen
2,0 — 5,1, bei Bernien mit Pfahlreihen zwischen 3,3 — 3,6, bei Erdterrassen zwischen
2,7 — 7,1 schwanken.
Wie Frankhauser richtig bemerkt, lassen sich aus diesen Zahlen noch keinerlei
Schlüsse ziehen; immerhin wäre dies bei einer großen Zahlenreihe möglich, weshalb
einschlägige Erfahrungen zur Veröffentlichung gelangen sollten.
Die Frage, ob Mauern und ähnliche Objekte, die in der Regel in der Schichten-
linie, also, wenn in längerem Zusammenhange errichtet, wurmförmig verlaufen, frei-
stehend oder im hinterfüllten Zustande bessere Dienste leisten, ist dort, wo keine
größern Steinschläge drohen — in welch letzterem Falle Hinterfüllungen vorzuziehen
sein dürften, da sie die Mauer besser vor Deformationen schützen — , nach dem der-
maligen Stande dahin zu beantworten, daß die nicht hinterfüllten Mauern den Schnee
besser zurückhalten dürften. Die vollkommene Lösung muß von weitem Erfahrun-
gen abhängig gemacht werden. Wenn es sich darum handelt, das Entstehen von
Sclmeeschildern, Schneewächten, zu verhindern, — durch deren Abbruch wird nicht
selten das Abgehen von Lawinen veranlaßt — so kommen auf scharfen Rücken
oder an sonst geeigneten Stellen Schneefänge mit Vorteil in Anwendung.
4. Die Aufforstungen. Bei Lawinenverbauungen, bei welchen es sich
um die Instandhaltung umfangreicher Ausführungen handelt, sollen durch Aufforstung
mit einer dicht gesetzten , äußerst stämmigen, kräftigen, dem Schneedrucke widerstehen-
den Pflanzenart nicht nur die Erhaltungskosten wesentlich verringert, sondern es
soll außerdem noch eine erhöhte Sicherung erreicht werden, indem der zweckent-
sprechend dichte Wald das beste Mittel zur Verhinderung der Entstehung von La-
winen ist.
Soll der Wald diesen seinen Zweck erfüllen, so muß er gewisse Eigenschaften
besitzen, und zwar: Er darf nicht von offenen Streifen, Wiesen, Bächen, Runsen,
Erdriesen u. dgl. nach der Linie des größten Gefälles durchzogen werden, oder größere
Lücken aufweisen, auch sollen die einzelnen Stämme in ziemlich dichtem Schlüsse
stehen. Der Wald darf nicht zu alt werden, indem dann einerseits die Stämme zu
weit von einander zu stehen kommen und das Abgehen von Schnee zwischen den-
selben ermöglicht wird, und andererseits die einzelnen Stammindividuen durch
Ueberständigkeit und losen Stand leicht zu Fall kommen können.
Ueberständige, wurzelunsichere Stämme sollten überall entfernt und die ent-
stehenden Lücken nachgeforstet werden. Doch ist es nicht zu verwundern, wenn dort,
wo alte Wälder als Schutz gegen fallende Lawinen dienen, die Bedroiiten einem
massenhaften Entfernen der alten großen Bäume zum Zweck der Neuaufforstung
deshalb Widerstand entgegenstellen, weil sie dadurch auf längere Zeit ihres Schutzes
1) „Statistik und Verbau der Lawinen in den Schweizeralpen". Im Auftrage des eidgen.
Departements des Innern bearbeitet und veröffenilichl von Dr. J. Coaz, eidgen. OberforsI Inspektor,
Bern 1910.
B. Die Lawiiieiivorbauuns;. § 14.
339
beraubt werden. Hier kann wohl mir eine allmähliclie, partienweise, wenn auch
schwierige Verjüngung zum Ziele führen.
Wenn man unter natürlicher Waldgrenze jene höchsten Lagen im Gebirge ver-
steht, bis zu welcher Höhe unsere derzeitigen Wälder vordringen, so wird in der
.\bbildvins 42.
Lawinenverbauun? mit Trückenmauern.
Mehrzahl der Fälle die Meereshöhe von 1800 m gewöhnlich wenig überschritten. Daß
in vielen Gegenden des Hochgebirges, wo früher Wälder bestanden haben, jetzt
dieselben verschwunden sind oder deren obere Grenze herabgedrückt erscheint und
hauptsächlich den Weideflächen behufs Vergrößerung der Alpenwirtschaft Platz
machen nmßten, ist bekannt. Die iMöglichkeit der Wiederhebung der herabgedrückten
Waldgrenze unter Anwendung der richtigen Maßregeln muß jedoch zugegeben werden.
Wenn in dieser Richtung nur selten \'er?uche gemacht werden, so liegt nicht nur
22*
3^Q \'II1. W a n g , Die Wildbacli- und Lawinenverhaiiung.
passiver und aktiver Widerstand der um die Schmälening der Weidegründe be-
sorgten Besitzer vor, es befassen sich auch Forstleute nur ungeme mit einer so schwie-
rigen Arbeit in schneereichen unil iawinengefährdeten Lagen, wo von einem Er-
trägnisse keine Rede sein kann.
Bezüglich der zu Lawinenverbauungen geeigneten Holzarten möchte folgendes
erwähnt sein: Reine Lärchenbestände sind für Schneezurüc.khaltung trotz des raschen
Wachstumes gegenüber anderen Nadelhölzern viel zu nachgiebig und elastisch. Selbst
schon größere, mehrere Jahre alte Stämme leisten wenig Widerstand und biegen sich
unter einem dichten, reichlichen Schneefall oder dem langsam wirkenden Drucke
der anwachsenden Schneemassen. Kiefern leiden von Schneebruch viel, stellen
sich auch licht, und die Buchen bekommen an Lehnen den bekannten Säbel-
wuchs, der auf wenig Widerstand in ihrer Jugendperiode hinweist. Deshalb sind die
genannten Baumarten allein für die Aufforstung in den Lawinenverbauungen nicht
zu empfehlen, ja selbst nicht für Bepflanzung von Bahnböschungen, wo Schnee
zurückgehalten werden soll. Die Zirbe ist besonders für Hochlagen eine außerordent-
lich genügsame, kräftige Pflanze, die sehr leicht Wurzel faßt. Sie ist es insbesondere,
die zum Abbaue von Lawinen in den höchsten Lagen empfohlen werden kann. Ihr
zunächst reiht sich die geradstämmige Varietät der Legföhre, die Bergföhre.
Nach abwärts zu wäre diesen Holzarten Lärche und noch tiefer Fichte beizu-
mischen.
§ 15. Die Lawinenbauten, die eine Ableitung der La-
winen bezwecken, oder ausschließlich zum Schutze ein-
zelner Objekte errichtet werden. Zu derlei Maßnahmen, welche nur
als Palliativmittel anzusehen sind und weniger in das Gebiet der Forsttechnik
fallen, sind die Leitwerke, Schutzdämme, Schutzmauern und Ablenkungswerke zu
zählen. Um durch derlei Vorkehrungen einen größeren Schneestrom zurückhalten
zu können, müssen gewöhnlich bedeutende Mauer- oder Damnihöhen zur x\nwen-
dung gelangen, wobei außerdem der zur Ablagerung nötige Raum oberhalb und längs
des Baues vorhanden sein muß.
Leitwerke haben gewöhnlich den Zweck, die abgleitenden Schneemassen in
eine zweite Gleitrinne abzuleiten, wo sie allenfalls unschädlich nach der Tiefe stürzen.
Die Leitwerke können gleichfalls aus Holz oder Stein bestehen und bekommen die
Form einer schiefen Block- oder Balkenwand ; mitunter werden sie auch aus einer
hinreichend hohen Trockenmauer hergestellt, die sich in einer sanften Kurve längs
des Hanges bis zu jener Stelle hinzieht, wo die Einleitung der abstürzenden Schnee-
massen erfolgen soll. Das Leitwerk bildet mit dem aufwärts ansteigenden Terrain
die neue Gleitrinne, deshalb muß das Profil derselben dem Umfange der voraussicht-
lich zum Abstürze gelangenden Schneemassen entsprechen, aber auch den genügenden
Festigkeitsgrad besitzen, um dem Seitendruck der gleitenden Schneemassen wider-
stehen zu können. Die Leitwerke können sowohl innerhalb als auch am oberen
oder unteren Ende des Lawinenzuges erbaut werden.
Zum Schutze einzelner Objekte, z. B. Alpenhütten, Wolmhäusern usw., haben
sich auch entsprechend dimensionierte Steinpyramiden bewährt, deren eine scharfe
Kante gegen den Lawinenzug gerichtet ist. Nur dürfen die abstürzenden Schnee-
massen nicht übermäßig große sein. Dagegen haben sich Gräben oder Terrassen im
Anbnichsgebiete als erfolglos gezeigt. Im übrigen enthalten die in der Fußnote 1,
Seite 333 zitierten Abhandlungen Pollaks genauen Aufschluß über ausgeführte
derartige Bauten und die hiebei zu befolgenden Regeln.
In erster Linie sind die beschriebenen Verbauungen wohl nur als Schutz gegen
B. Die Lawinonvorbaming. § iti. 3-11
den Absturz von Gnindlawinon anzusehen; iianierliin scheint es als würde die
durch die Werke erzielte wellenförmige Oberfläche der Schneemassen auch das Ab-
gleiten der Oberlawinen verhiurlern, wenigstens sind erfahrungsgemäß in einem
verbauten Lawinenzuge nocli keine Oberlawinen abgegangen.
§ 16. Die L a w i n e n s t a t i s t i k. Das zielbewußte Vorgehen auf dem
Gebiete des Lawinenbaues, wie es sich in manchen Staaten bereits als nötig erweist,
erfordert die Schaltung einer sich auf gewisse Grundsätze aufbauenden Lawinen-
statistik. Die Schweiz besitzt schon seit langer Zeit eine derartige Statistik, und
nunmehr ist man auch daran, für sie in Oesterreich die Grundlage zu schaffen. Die
von den in Betracht komiiieuden Behörden zu sammelnden Daten sollen sich bezie-
hen auf:
Gebiet (Land, Flußgebiet, poiit. Bezirk),
Art der Lawine (Grund-, Staub-, Gletscherlawine),
Periodizität des Lawinensturzes (jährlich einmal, zweimal, mehrnial),
Zeitraum des Lawinenabganges (Herbst, Winter, Frühjahr),
Ursprung der Lawine (innerhalb oder oberhalb der Waldgrenze),
Höhe des Ursprunges über dem Meere (unter 1500 m, über 3000 m),
Geologische Beschaffenheit des Ursprungsgebietes,
Ausdehnung der Lawine,
Höhe und Beschaffenheit des Schnees,
Angerichteter Schaden,
Gefahrenbereich der Lawine,
Ausgeführte Verbauungen,
Aufforstungen und deren Effekt, sowie manches andere mehr.
Diese Statistik wird sicherlich auch imstande sein, die bis heute gesammelten
Erfahrungen über die Bewegung des Schnees, über die Wirkung der Verbauungen
zu ergänzen und wird so vielleicht auch der Entwickelung der Theorie des Lawinen-
verbaues zugute kommen.
M2
IX.
Die F'orstbenutzung.
A. Die technischen Eigenschaften der Hölzer
Von
Wilhelm Franz Exner.
Für die 3. Auflage bearbeitet von Gabriel J a n k a.
Einleitung. Allgemeine Gesichtspunlvte. — Geschichte der einschlägigen Forschung
und Literatur. — Einteilung des Stoffes.
§ 1. Die Fachleute stimmen nicht darin überein, welche Eigentümlichkeiten,
welche Erscheinungen, welche Verhältnisse im Holzkörper als ,,E i g e n s c h a f t e n"
aufzufassen und unter diesem Schlagwort abzuhandeln seien. Mancher Autor erörtert
als ,, Eigenschaft des Holzes" dessen ,, inneren Bau", ,, Gefüge", ,, Gewebe", ,, Struk-
tur", ,, Textur", während derselbe die ,, chemische Zusammensetzung" keiner näheren
Untersuchung wert hält, ein anderer Fachmann beschränkt sich auf ,, Elastizität
und Festigkeit", auf ,, Dichtigkeit und Feuchtigkeits- oder Wassergehalt" und läßt
die Spaltbarkeit, die Farbe, den Glanz, den Geruch ganz außer Betracht. Die Grenzen
des Stoffes, welchen man unter obigem Titel behandeln soll, sind aber auch in der
Tat sehr diskutierbar.
Wir sind der Ansicht, daß sich jene im Recht befinden, welche den ,,Bau des
Holzes" und die ,, Chemie des Holzes" als das unmittelbare Ergebnis des Lebens-
prozesses im Baume dem Pflanzen-Anatomen und -Physiologen zur Erforschung
und Erörterung überlassen, hingegen die Eigenschaften als auf der Zusammen-
setzung des Holzkörpers, mittelbar auf den Lebensumständen des Bau-
mes, beruhende Verhältnisse an und für sich ins Auge fassen.
Die Eigenschaften verhalten sich zur Konstruktion des Holzkörpers etwa wie
die Wirkung zur Ursache, wie die Folge zur Voraussetzung.
Die Beziehungen, welche zwischen den Graden der Eigenschaften einerseits
und den Modifikationen im räumlichen und stofflichen Aufbau des Holzes existieren,
haben sich aber bisher gar sehr unserer Erkenntnis entzogen, und nur äußerst wenig
ist in dieser Beziehung wissenschaftlich sichergestellt.
Auch über die Beziehungen der Eigenschaften des Holzes untereinander ist
Einleitung. § 2. 343
noch wenig bekannt; Vermutungen, mehr oiler minder plausible Annahmen über-
wiegen die positive, aus Tatsachen oder Versuciisorgobnissen hergeleitete Erkenntnis.
Noch dürftiger ist unser Wissen hinsiclitlich der Beziehungen zwischen den
Eigenschaften und den Methoden der Umgestaltung, Umformung, Bearbeitung des
Holzes, sowie der hiezu benützten Hilfsmittel. Sind die Lebensbedingungen für ein
Holzgewächs erfüllt, so entsteht die Pflanze und mit ihr der Holzkörper; dieser hat
bestimmte Eigentümlichkeiten (Merkmale seiner Gattung) und bestimmbare Eigen-
schaften (Eigenschaftsgrade). Auf diesen basiert die Verwendungsart und das Ver-
fahren zur Herstellung des Gebrauchsobjektes. Welch interessante Kette von Ver-
.hältnissen und Beziehungen, die mit der chemischen Zusammensetzung des Bodens,
der Luft und des Samens, Wärme- und Lichtzufuhr jetzt erst beginnt und mit dem
fertigen Dachstuhl, der Brücke, dem JMöbel oder der Heiligenfigur endet! In dieser
Kette sind uns die einzelnen Glieder meistens genau genug bekannt, nur das ist uns
ein bisher unerschlossenes Rätsel geblieben, wie sich die Ringe ineinander gelegt
und geschlossen haben.
Vorläufig arbeiten jene Wissenschaften ziemlich unabhängig voneinander, die
zur Erkenntnis von Tatsachen an einem bestimmten Punkte der Reihe führen.
Pflanzen-Physiologie, Biologie, Anatomie, mit ihren empirischen Schwestern
Agrikulturchemie, Standortslehre, Pflanzen- oder Waldbau stehen der H o 1 z p r o-
d u k t i 0 n zur Seite und gelangen auf analytischem oder induktivem Wege zu
Gesetzen, auf synthetischem oder spekulativem Wege zu Regeln für die Praxis.
Nun kommt die spezielle Xylotomie und lehrt uns die Kennzeichen der Holz-
arten, indem sie dieselben im Wege des Vergleiches der Produkte ermittelt.
Hierauf folgt die Erforschung der sogenannten ,, technischen", d. i. der für die
Verwendung des Holzes zur Befriedigung von Lebensbedürfnissen belangreichen
Eigenschaften. Diese wissenschaftliche Aufgabe hat keinen speziellen Namen, sie ist
nahe verwandt mit der Xylotomie und ergänzt sie.
Mit dieser wissenschaftlichen Aufgabe, welche N ö r d 1 i n g e r zur Disziplin
entwickelt hat, beschäftigten und beschäftigen sich Botaniker, Physiker, Mechaniker,
Forstleute und Vertreter der sog. Warenkunde, endlich Technologen, alle von ihrem
Standpunkte aus, mit dem ihnen zu Gebote stehenden wissenschaftlichen Apparate
und in Verfolgung ihrer spezifischen Zwecke und Aufgaben. Dabei wurde aber nur
ausnahmsweise mit Erfolg nach einer Beziehung zwischen der Eigen-
schaft und den Bedingungen der Entstehung des Holzes
gefragt, der naturgesetzliche Zusammenhang der Eigenschaften untereinander, der
Eigenschaften mit der Anatomie und Chemie des Holzes aufgedeckt. Der Forstmann
sowie der Physiker, der Technologe sowie der Ingenieur gehen jeder ihren eigenen
Weg, isoliert, und nur ihr Ziel vor Augen habend. Hier könnte nur durch die Ver-
einigung von Fachleuten Ersprießliches geleistet werden!
§ 2. Eine kurze Uebersicht der wichtigeren Arbeiten auf unserem Gebiete wird
das eben Gesagte bestätigen und die weiteren Darstellungen einleiten.
P a r e n t veröffentlichte in den Memoires de 1' Academie des Sciences in den Jah-
ren 1707 und 1708 Untersuchungen über die Festigkeit der Hölzer der Eiche und Tanne.
Welchen Grad von Genauigkeit man zu jener Zeit für ausreichend hielt, zeigt
das Resume der .\rbeit: daß die mittlere Festigkeit der Tanne sich zu jener der Eiche
verhält wie 358 zu 300 oder 119 zu 100. Von dem für die technische Verwendung
der Rohstoffe im Bauwesen viel wichtigeren Begriffe der Elastizität ist noch nicht
die Rede, wurde doch erst durch Young und Tredgold der Begriff des Elastizitäts-
Koeffizienten in die Wissenschaft eingeführt.
344 INA. E X n e r, Die teclinischen Eigenschaften der Hölzer.
Eine bemerkenswerte Arbeit rührt von Müsse henbroeck her (Introductio
ad philosophiam naturalem, Lugduni Batavorum 1762, I. Band S. 409). Dieser
Gelehrte glaubte behaupten zu dürfen:
,,Der Teil der Bäume, welcher gegen Norden gekehrt ist, wird in der Mehrzahl der Fälle
von schmäleren Jahrringen gebildet; die Kälte des Nordens hindert nämlich die Zunahme
und die Entwickelung der Vegetation; die dem Süden zugewendete Seite setzt sich dagegen
aus breiteren Jahrringen zusammen, — freilich findet zuweilen auch das entgegengesetzte
statt. . . ."
„Bei all' meinen Versuchen habe ich die folgenden Resultate gefunden: Die Festigkeit
des Kernes des Baumes ist die geringste. . . . \'om Kerne ausgehend ist, die Festigkeit im ganzen
gegen Norden zu gelegenen Teile geringer, als in dem gegen Süden exponierten; die Festigkeit
in dem westlichen Teile hat einen Mittelwert zwischen den beiden vorangeführten, die größte
Festigkeit findet sich aber in dem gegen Osten gelegenen Teile. Wenn man weiters das Holz
von der Axe bis zur Peripherie verfolgt in der Richtung der vier Weltgegenden, so findet man
das festeste Holz an einer mittleren Stelle, die zwischen Rinde und Mark liegt, und die dem Splint
zunächst gelegene Partie des Holzes übertrifft jenes bedeutend an Festigkeit, welches dem Kern
zumeist genähert ist".
„Die Festigkeit der höheren Teile des Stammes, wo sich die Aeste abzweigen, differiert
von jener der dem Boden benachbarten fast nicht, auch gibt es keine derartigen Unterschiede
zwischen dem Stamm und den Aesten. Ich weiß, daß mehrere Physiker entgegengesetzter An-
sicht sind; sie behaupten, der Kern des Holzes enthalte das härteste und festeste Holz und auf
gleiche Entfernung vom Ivern und um denselben sei es von gleicher aber schwächerer Kohäsion,
der Splint endlich sei die schwächste Partie; ich aber führe einfach das an, was mich die \er-
suche mit unseren Bäumen gelehrt haben."
,,Es gibt einen von der Natur des Bodens bedingten Unterschied. Die Bäume, welche
auf einem sandigen Boden erwachsen, sind gebrechlicher, während die auf einem thonigen
Grunde stehen, zäher sind. Das grüne, friscli gefällte ist fester als das gleiche Holz im getrock-
neten Zustande".
Die Arbeit Musschenbroecks basiert, obwohl sie, besonders was die Verschieden-
heiten der Festigkeit in einem und demselben Baume betrifft, eine der vollständigsten
in der ersten Periode der wissenschaftlichen Bestrebungen auf diesem Gebiete dar-
stellt, auf einer nicht so großen Zahl genügend überzeugender Versuche, um die oben
angeführten Folgerungen sicher zu stellen. Dies scheint der Autor auch gefühlt zu
haben, denn er sagt selbst in seinem Buche: , .Vielleicht habe ich nicht alle Umstände
beachtet, welche auf die Festigkeit der Hölzer Einfluß nehmen."
Der berühmte Naturforscher B u f f o n hat sich ebenfalls nnt den mechanischen
Eigenschaften des Holzes beschäftigt, doch ist wohl zu beachten, daß sich die Arbeit
Butfons, obwohl sie nach einem sehr großen Maßstabe durchgeführt wurde, nur auf
Eichenholz bezieht, was also ausschließt, die von Buffon gezogenen Schlüsse,
selbst wenn sie vollständig erwiesen wären, auf andere Holzarten anzuwenden.
In den Oeuvres de Buffon, tome I, finden sich folgende Behauptungen, die hier
ihren Platz finden sollen.
S. 10. „Das junge Holz ist weniger fest, als das ältere; ein dem Fuße des Baumes ent-
nommener Barren widersteht mehr als ein dem Gipfel desselben Baumes entnommener; ein
an dem Umfang des Baumes nahe dem Splint gewonnener Barren ist weniger fest, als ein gleiches
aus dem Mittelpunkte des Baumes herrührendes Stück. Ueberdies modifiziert der Grad der
Austrocknung sehr dessen Widerstandsfähigkeit; das grüne Holz bricht viel schwerer, als ein
trockenes."
S. 18. „Das Holz, welches auf einem gewissen Boden am schnellsten erwächst, ist das
festeste; jenes, welches langsam erwachsen ist und bei dem die Jahrringe sehr schmal sind, ist
schwächer als das erstere."
„Ich habe gefunden, daß die Festigkeit des Holzes seinem Gewicht proportional ist,
folglich daß ein Stück, welches gleiche Abmessungen wie ein anderes hat, aber schwerer ist,
auch beiläufig in demselben Verhältnisse fester sein wird."
S. 27. ,,Die Dichte des Holzes nimmt vom Zentrum gegen den äußersten Umfang des
Splintes hin nach einer arithmetischen Progression ab "
„Das Holz vom Fuße des Baumes wiegt mehr als jenes vom Stamm aus der Mitte seiner
Höhe, und dieses wieder wiegt mehr als jenes vom Gipfel, und zwar nahezu nach einer arithme-
tischen Progression, welche vom Wachstum des Baumes abhängt. Es gibt eine Zeit, zu welcher
das Holz in der Mitte und am Umfange des Kernes nahezu gleiches Gewicht haben, imd das ist
Einleitung. § 2. 345
jene Zeit, in wclflior das lliilz in seiner XoHeminn"- (Reife) ist (diese I-ieoljaclilnnfjen wurden an
Bäumen im Alter von 40 l)is 46 Jalirengemaclit); aber l)ei 100- bis llOjährifren Haunien war der
Kern nicht mehr der solideste Teil des Baumes; der Splint ist schwerer und fester in den alten
als in den jungen Bäumen."
Im Jahre 1870 erschien das oft zitierte Werk: Traite de la conservation et de
la force des bois von Duhamel du IMonceau. Demselben sind folgende
Thesen zu entnehmen:
S. 50. „Man soll trockene Hölzer anwenden. . . ."
S. .56. ,,,Das Holz bedarf jedoch einer l<leinen Menge Feuchtigkeit, damit es hart sei,
woraus ich schließe, daß zu trockene Hölzer nicht gute Dienste zu leisten vermögen."
S. 65. ,,Das Holz, das man dem Fuße des Baumes entnimmt, ist schwerer als jenes vom
Gipfel."
S. 71. .,Das grüne Holz muß ein Dritteil seines Totalgewichtes verlieren, um für so trocken
zu gelten, daß es sich so verhalte, wie ein Hygrometer."
S. 264. „Es scheint, daß die Extraktion des Saftes die Festigkeit des Holzes nicht ver-
mindert, nachdem der Saft die Festigkeit, welche von der .\nzahl und Stärke der Fasern abhängt,
auch nicht zu steigern vermag. Der Saft macht die Holzfaser geschmeidiger und geneigter,
zu brechen."
S. 378. ,,Es ist ferner eine erwiesene Tatsache, daß die Jahrringe von Mastbäumen aus-
gezeichneter Beschaffenheit, welche in einem sehr kalten Lande erwachsen sind, schmäler
und daher näher aneinander gerückt sind."
S. 411. ,,So lange die Bäume kräftig und in lebhaftem Waciistum begriffen sind, ist
das Kernholz das dichteste, und in den dicken Bäumen, welche anfangen in die Rückbildung
einzutreten, ist das Kornholz oft leichter als das Reifholz (la couronne, qui est entre le coeur et
la circonference) ; folglich gewinnt das Holz nach und nach seine Dichte und verliert an dersel-
ben, nachdem es das Maximum derselben erreicht hat."
S. 438. ,,Die Bodenarten, welche dii geeignetsten sind zur Bildung schöner Bäume, sind
nicht jene, welche das Holz bester Qualität hervorbringen."
S. 458. ,,In diesen starken Fichten (Pins du Nord von beiläufig 260 Jahren) ist das festeste
Holz jenes, welches sich in der fünften ringförmigen Zone befindet, vorausgesetzt, daß man die
Querschnittsfläohe einschließlich Splint in sechs glfich breite Ringe teilt; aber man begreift,
daß dies zufolge von Umständen Aenderungen unterliegt."
Die drei Autoren, welche wir nun zitiert haben, sind fast die einzigen, welche
sich mit den in ein und demselben Baume auftretenden Unterschieden von Dichte
und Festigkeit und mit dem Einflüsse der Bodenbeschaffenheit auf diese Eigen-
schaften befaßt haben. Die Widersprüche in ihren Ansichten ließen diese großen
Fragen als unentschieden bestehen. Die Divergenz der Auffassungen ist vielleicht
der geringen Gleichförmigkeit und Genauigkeit zuzuschreiben, welcher die Bruch-
versuche unterworfen waren.
Die Untersuchungen, welche Duhamel über den Einfluß der Spaltbarkeit und
des Verhältnisses zwischen der Zusammendrückung und Ausdehnung der Fasern auf
den Totalwiderstand von der Biegung unterworfenen Körpern angestellt hat, können
hier übergangen werden.
Erst die Autoren späterer Perioden haben sich dem Studium der Elastizi-
tät gewidmet.
Girard (Traite de la resistance des solides 1798, p. 183) schließt aus dem
Gange seiner Versuche, und zwar in Uebereinstimmung bezüglich dieses Punktes mit
Perronet (Oeuvres de Perronet, 1782, Tome I, Memoire sur les pieux et pilotis,
page 93), daß sich die Elastizität der Eiche verhält zu jener der Tanne wie 63 : 47,
und er sagt weiters (p. 159), daß die kontinuierliche gleiche Belastung die Pfeilhöhe
der Durchbiegungskurve vergrößere, was, nach seiner Ansicht, nicht der Fall sein
könnte, ohne daß die Elastizität sich ändern und in jedem Augenblick einen gewissen
Teil ihrer Energie einbüßen würde.
Schon im Jahre 1782 und am Beginne des vorigen Jahrhunderts haben einige
anerkannte ^länner der Wissenschaft auf experimentellem Wege für eine große Zahl
von Holz -Arten und -\' o r k o m m e n die Dichte, die Festigkeit und den Elasti-
346 IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
zitäts-Koeffizienten bestimmt. Es sind zu nennen : B e 1 i d o r ( Architecture hy-
draulique 1782), R o n d e 1 e t (Art de bätir), B a r 1 o w (Essay on the strength of
timber 1817), E b b e 1 s u. T r e d g o 1 d in verschiedenen Werken.
Charles Dupin hat im Journal de l'Ecole polytechnique, tome X, 1815
eine große Arbeit über die mechanischen Eigenschaften des Holzes veröffentlicht
(Experiences sur la flexibilite, la force et l'elasticite des bois). Dupin untersuchte die
Natur der elastischen Kurve, die Lage der neutralen Schichte (fibre invariable), er
berichtigte die Formeln, welche die Beziehungen der Abmessungen der Stücke und
der angewandten Belastungen zu den erzeugten Durchbiegungen ausdrücken.
Er bewies S. 142, daI3 ,,die Durchbiegungen der Hölzer, welche durch sehr kleine Gewichte
hervorgebracht werden, diesen Belastungen proportional sind", und S. 150 folgert er aus einem
die Versuche mit Eichen-, Zypressen-, Buchen- und Tannenholze enthaltenden Tableau, daß
,,die spezifischen Gewichte gleichzeitig, aber in viel geringerem Grade mit dem Widerstände
gegen Durchbiegung zunehmen."
S. 191 bemerkt Dupin, daß ,,die Kräfte, die man anwenden muß, um die Hölzer dem
Bruche zuzuführen, in keiner notwendigen Relation zu den Kräften stehen, welche die Durch-
biegung der Hölzer hervorrufen."
„So setzten einige Holzarten der Biegung einen sehr geringen, dem Bruche einen großen
\\iderstand entgegen; solche sind die Rotbuche, der Nußbaum, die tjlme, die Tanne etc. Einige
Arten widerstehen im Gegenteile sehr stark der Biegung und viel weniger dem Bruche, z. B.
die Zypresse, das Mahagoni etc. .\ndere endlich bieten gleichzeitig großen Widersland dem
Bruche und der Biegung dar, hieher gehören die korsische Föhre und die Eiche."
Diese Klassifikation führt Dupin dazu, die beste Anwendung dieser verschie-
denen Holzarten in der Praxis anzugeben.
B e V a n befaßte sich vornehmlich mit der Bestimmung des Elastizitäts-Moduls
im Wege der Torsion (Philosophical transactions, 1829).
S a v a r t bediente sich der durch Tonschwingungen auf Holzplatten hervorge-
rufenen Knotenlinien, um die Unterschiede der Elastizität und die Lage ihrer Achsen
zu ermitteln. Diese Platten waren aus einem Stücke Rotbuchenholz nach verschie-
denen Richtungen herausgeschnitten worden.
Er bemerkt S. 404 seiner in den Mimoires de TAcadfimie des Sciences 1830 publizierten
Arbeit, daß ,,die Hölzer, bei denen die Jahrringe nahezu zylindrisch und konzentrisch sind,
eine nach allen Radien in jedem zur Axe senkrechten Schnitt auffallend gleiche Elastizität
besitzen".
S. 417. ,, Jeder Stab kann bei derselben .\rt der Einteilung, je nachdem die Schwingungen
nach der Breite oder Dicke erfolgen, zwei Töne zum Vorschein bringen, aber man kann den
Unterschied zwischen diesen Tönen, als sehr geringfügig, vernachlässigen, wenn jene .Abmes-
sungen sehr klein sind."
Savart nimmt drei Achsen an : Die erste, parallel zu den Fasern, die zweite im
Sinne des Radius und die dritte tangential zu den Jahrringen. Er fand durch Ver-
suche, die er mit kleinen im Sinne dieser drei Achsen dem Stamme entnommenen Barren
angestellt hat, daß, wenn man den Widerstand gegen Biegung im Sinne der Tangente
als Einheit annimmt, jener im Sinne des Radius 2,25, jener im Sinne der Faserrich-
tung 16 beträgt.
Dieselbe Frage verfolgte W h e a t s t o n e , der sich hierüber in den Philo-
sophical transactions, 1833, S. 608 folgendermaßen äußert:
„Wenn man eine Platte so ausformt, daß die Fasern zu einer der Seitenkanten parallel
laufen, so sind die Axen der größten und kleinsten Elastizität rechtwinklig zu einander und
parallel gestellt zu den anliegenden Seiten''. . . .
,,Wenn die Platte die Form eines Rechteckes hat, dessen Seitenkanten sich umgekehrt
wie die Quadrate ihrer Widerstände gegen Biegungen verhalten, so werden die beiden ."^rten
der Schwingungen parallel zu den Seiten, wiewohl diese verschieden lang sind, isochronisch
sein, und ihre Koexistenz wird eine resultierende Figur liefern, deren Linien parallel zur Diagonale
verlaufen."
Man könnte demnach, indem man die diesen Seiten zu gebende relative Länge
Einleitung. § 2. 347
durch Versuche ermittelt, das Verhältnis der Elastizitäts-Koeffizienten in zwei auf
einander senkrechten Richtungen finden.
P o n c c I e t geht in seinem Werke Mecanique industrielle, 1839, S. 316 in sehr
genaue Details über die Elastizität der Hölzer und besonders über Dehnungsversuche
mit denselben ein. Er leitet aus den Versuchen von Minard und D^sorme und jenen
von Ardanl ab, daß für die ersten Belastungen die Verlängerungen den spannenden
Kräften ausgesprochen proportional sind und rechnet aus diesen Verlängerungen die
Elastizitäts-Koeffizientcn. Die Elastizitätsgrenze für die Eiche entspricht nach den
Versuchen von Minard und Desorme einer Belastung von 2,13 Kilogrammen per
Quadratmillimeter und einer Verlängerung von 0,0016 der ursprünglichen Länge.
Die analogen Zahlen sind nach Ardant für die Vogesen-Tanne 1,85 Kilogramm und
0,00117. Diese verschiedenen Daten verstehen sich für die Elastizität im Sinne des
Fasemlaufes. Poncelet urgiert weitere Versuche über die Elastizität im Sinne der
Tangente und der Normale zu den Jahrringen.
Nach Eaton Hodgkinson (Combes, Exploitation des mines, I. Band,
S. 550) alteriert eine Verkürzung um 0,0027 der ursprünglichen Länge eines nicht
gebogenen Prismas die Elastizität um ein Erhebliches.
Hagen hat die Elastizität mehrerer Holzarten durch Biegung von Stäben,
die im Sinne der Fasern und senkrecht auf dieselben genommen worden waren,
untersucht und hat keine große Differenz zwischen Kern- und Splintholz gefunden;
er hat indessen erkannt, daß der Elastizitäts-Koeffizient bedeutend abnimmt, wenn
das Holz sehr stark durchnäßt ist. (Poggendorff's Annalen, LVIIL Band, S. 125.)
Im Jahre 1845 debütierten zwei italienische Physiker, und zwar Paccinotti
und Peri (II Cimento, III. Jahrgang) mit einer äußerst präzisen und detaillierten
Untersuchung über die Elastizität der Hölzer, in welcher sie die verschiedenen Me-
thoden zur Bestimmung des Elastizitäts-Koeffizienten untereinander verglichen und
auf ihren Wert prüften. Sie operierten nach den drei Methoden auf Zug, Biegung und
Torsion mit quadratischen Stäben von 27 — 36 Millimeter Querschnitt-Seite. Bei den
Biegungsversuchen wendeten sie fünf verschiedene Arten der Befestigung beziehungs-
weise Unterstützung der Stäbe an. Diese Experimentatoren haben sowohl die elasti-
schen als auch die permanenten Verlängerungen, Torsionswinkel, und die verschie-
denen Punkten des Stabes entsprechenden Ordinalen des Stabes während dessen
Durchbiegung bei wachsender Belastung desselben gemessen. Im zweiten Teile ihrer
Arbeit vergleichen Paccinotti und Peri die ziffermäßigen Ergebnisse ihrer Versuche
mit jenen Ziffern, die sich unter Anwendung der bekamiten Formeln berechnen ließen,
und suchen für die von ihnen untersuchten Hölzer eine Relation zwischen der Dichte
und dem Elastizitäts-Koeffizienten aufzustellen.
Sie gelangten endlich zu folgenden Konklusionen :
1) ,,Die Elastizität ermöglicht in den verschiedenen Teilen des Holzes Veränderungen
der Dimensionen, w lohe nicht bloß den ersten Belastungen, sondern auch jenen, die der Bruch-
belastung nahe liegen, proportional sind, vorausgesetzt, daß man dafür Sorge trägt, von den
elastischen Veränderungen jene permanenten auszuscheiden, die entweder der Weichheil des
Materials oder der Kontinuität der Belastung zuzuschreiben sind".
2) „Die Durchbiegungskurven, welche die an einem Ende fest eingelassenen (einge-
klammerten) Hölzer annehmen, weichen unter sonst gleichen Umständen von jenen ab, welche
die gleichen Hölzer bilden, wenn sie an beiden Enden unterstützt sind, was man der Reaktion
der Fasern in den beiden entgegengesetzten Aesten zuschreiben muß. Indessen kann dieselbe
Theorie dazu dienen, um die beiden Arten von Kurven abzuleiten, vorausgesetzt, daß bei der
Integration der betreffenden Differentialgleichung auf die gehörige Bestimmung der Konstanten
Bedacht genommen werde (deren Größe von dem Grade der Unveränderlichkeit der Einfügung,
Einklemmung des Endes des Versuchsstückes abhängig ist)."
3) „Die unterschiede, die sich bei der Bestimmung des Elastizitäts-Koeffizientcn bei
demselben zeigen, verschwinden fast vollständig, wenn man mit diesem .■Vusdrucke den Quotien-
348 IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
TT
ten E' =— bezeichnet, wobei E den gewöhnlichen Begriff des Elastizitäts-Koeffizienten und
G
G das spezifische Gewicht bedeutet."
i) „Der Elastizitäts-Koeffizient E' ist, wiewohl es einige Unterschiede bei den diversen
Holzarten gibt, im allgemeinen = 2000 für den Quadratmillimeter Querschnitt."
5. ,,jfan kann den Elaslizitäts-Koeffizicnten nicht nur durch Zug, sondern auch durch
Biegung und Drehung ermitteln, aber man erliält mit diesen verschiedenen Methoden auch
verschiedene Werte und, um sie auf eine gleiche Ziffer zurückzuführen, wird man in jedem Falle
einen von der Art der Operation abhängigen konstanten Koeffizienten zu bestimmen haben."
6. „Die leichteste Methode zur Bestimmung des Elastizitäts-Koeffizienten besteht darin,
den Körper an beiden Enden zu unterstützen und in der Mitte des .\bstandes der Stützpunkte
zu belasten."
Die Beobachtungen Paccinottis und Paris sind so exakt, als sie es o h n e A n-
wendungdesKathetometers sein konnten. Auch das Gesetz, das unter 1
ausgesprochen ist, stimmt mit jenem überein, das man als für die Metalle gültig hin-
stellte. Aber es blieb einige Unsicherheit bezüglich der aus den Versuchen abgeleiteten
Koeffizienten und des Vergleiches der Methoden untereinander, denn diese Autoren
haben es vernachlässigt, den Teil des Baumes, dem die Versuchsstücke entnommen
sind, sowie den Feuchtigkeitsgrad der Versuchsstücke zur Zeit der Erprobung in
Rechnung zu ziehen. Bekanntlich ist aber die Elastizität nicht in allen Teilen des
Baumes dieselbe und sie verändert sich bemerkenswert mit dem Feuchtigkeitsgehalte,
und dieser ist in so kleinen Stäben, wie sie die Autoren benützt haben, besonders
variabel. Demnach sind die Ergebnisse der Beobachtungen Paccinottis und Peris,
welche unter verschiedenartigen Umständen an dem nämlichen Holze, und jene,
welche bei diversen Holzarten gewonnen wurden, denn doch nicht ganz vergleichbar
untereinander. Es ist ferner zu bemerken, daß nach den bekannten Formeln, welche
die Beziehung zwischen dem Elastizitäts-Koeffizienten und der Schallgeschwindigkeit
ausdrücken, der von Paccinotti und Peri eingeführte Begriff E' dem Quadrate der
Schallgeschwindigkeit proportional sein müßte, woraus folgt, daß, wenn E eine un-
veränderliche Größe darstellen würde, auch die Schallgeschwindigkeit für alle Arten
von Hölzern die gleiche zu sein hätte, was bekanntlich nicht der Fall ist, denn sie
schwankt nicht nur mit der Holzart, sondern auch in demselben Baume in den ver-
schiedenen Partien desselben, ja in demselben \''ersuchsstab mit dem Grade der
Trockenheit desselben. Nachdem E im allgemeinen mit dem Grade der Trockenheit
wächst, und G bei Feuchtigkeitsabnahme sich verringert, so muß in um so stärkerem
Maße E' bei steigender Trockenheit zunehmen.
§ 3. Ueberblickt man die auf unserem Arbeitsfelde bis gegen das Ende der
ersten Hälfte des vorigen .Jahrhunderts gewonnenen Forschungsergebnisse, so findet
man, daß die Methode und die Schärfe des Raisonnements zwar große Fortschritte
machte, — der wichtigste war jedenfalls die Aufnahme der Untersuchungen über die
Elastizität — , aber die R e s u 1 1 a t e der Untersuchungen widersprachen sich häufig
untereinander, die Fragestellung der Autoren ist häufig unsystematisch und ließ
empfindliche Lücken, die Einseitigkeit der Autoren ist vorherrschend. In voller
Erkenntnis dieser Verhältnisse unternahmen zwei französische Fachleute, ein Forst-
mann und ein Techniker, C h e v a n d i e r und W e r t h e i m , eine epochemachende
Arbeit. Die Versuchshölzer wurden einem Forstgebiete der westlichen Vogesen ent-
nommen, dessen lokale Verhältnisse den Forschem genau bekannt waren. In dem
4000 Hektar messenden Komplexe fanden sich genügend viele ^'arianten von
Wachstumsbedingungen und Holzarten. Der Auswahl, Beschreibung und Vorbe-
reitung der Versuchsstücke wan-de die gleiche weitgehende Sorgfalt zugewendet, wie
den Versuchen selbst, für welche alle nötigen Hilfsmittel in befriedigender Qualität
zur Verfügung standen. Chevandier und Wertheim publizierten ihre Arbeit, die Frucht
Einleitung. § 3. 349
niehrjäliriger Anstrengung, welche in einem bis daliin nicht eneicliten Grade von
Vollkommenheit durchgeführt wurde, im Jahre 1848 als Monographie: Memoire sur
les proprietcs mecaniques du Bois. nachdem die Ergebnisse sciion am 5. Oktober 1846
iler Akademie der Wissenschaften in Paris vorgelegt worden waren. Die beiden Au-
toren bewiesen zunächst im ersten, dem historischen Teile ihres Memoire, dem wir
liier bisher gefolgt waren, die Unentbehrlichkeit einer neuen Untersuchung, welche
sich mit der Feststellung der allgemeinen Gesetze, mit der Bewegung der mechani-
schen Eigenschaften in den Individuen und mit jenen Abweichungen derselben,
welche der Verschiedenheit der Art, des Alters, der Exposition und der Provenienz
zuzuschreiben sind, zu befassen hätte, wobei die theoretischen Untersuchungen unter
Rücksichtnahme auf die in der praktischen Verwendung des Holzes aidtretenden
Verhältnisse komplettiert werden sollten.
Chevandier und Wertheim legten sich folgende Fragen vor:
1. Welche Wirkung übt eine allmählich wachsende Belastung auf die Hölzer
aus, nach welchen Gesetzen vollziehen sich die dabei entstehenden Formveränderungen
und welche Methoden sind zur Bestimmung der mechanischen Eigenschaften der
Hölzer verwendbar?
2. Variieren die mechanischen Eigenschaften des Holzes
a) mit der Orientierung, d. h. nach der Lage im Baume in Beziehung auf die
Weltgegend ;
b) mit dem Feuchtigkeitsgehalte;
c) mit der Lage im Baume, bei gleicher Höhe über dem Erdboden, in Beziehung
auf die Entfernung vom Mittelpunkte gegen den Umfang hin;
d) mit der Lage im Baume nach der Höhe über dem Boden?
3. In welchem Verhältnis stehen die mechanischen Eigenschaften des Holzes
im Sinne der Fasernlänge und der auf dieser senkrechten Richtungen im Stamme
je nach der verschiedenen Höhe über dem Boden?
4. Welchen Einfluß übt das Alter der Bäume aus?
5. Welchen Einfluß zeigen die .Jahrringbreite, die Exposition und die Boden-
beschaffenheit?
6. Welche Beziehungen bestehen zwischen den mechanischen Eigenschaften
der Hölzer untereinander?
7. Welche Mittelzahlen kann man für die mechanischen Eigenschaften der
Hölzer als richtig annehmen und welche Folgerungen ergeben sich daraus für die
Praxis ?
Mit Beziehung auf diese Fragen stellten Chevandier und Wertheim die Er-
gebnisse der Arbeiten aller weiter oben zitierten Autoren zusammen und zeigten auf
diese Art die bestehenden Widersprüche, endlich stellten dieselben in einer Tabelle
die von den beachtenswerten Experimentatoren gefundenen Ziffern einander gegen-
über und fanden hierbei, daß die Resultate innerhalb sehr weit auseinander liegender
Grenzen schwankten.
nd man für
Elastizitäts-Koeffizient Festigkeit
500 bis 1600 ö bis 12
950 „ 1483 8 „ 12
611 „ 1615 5 „ 9
433 „ 1776 4 „ 8
Was immer die Ursache so großer Abweichungen sein mochte, die Tatsache stand
fest, daß von diesen Ziffern ein sicherer Gebrauch nicht gemacht werden konnte, und
Beispielsweise
fand man für
Dichte
Eiche
0,616 bis 0,993
Rotbuche
0,600 „ 0,811
Tanne
0,443 „ 0,703
Fichte
0,396 „ 0,753
350 IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
die Erneuerung der Anstrengungen seitens der fachmännischen Kreise, zu deren her-
vorragendsten Zierden Chevandier und Wertheim zählten, erscheint als vollkommen
gerechtfertigt.
Die Resultate, welche aus den Forschungen der letztgenannten Gelehrten ab-
zuleiten waren, gehören schon in jene Gruppe von Daten, mit denen wir heute noch
zu rechnen haben, und die sicher teilweise schon in die Darstellung des gegenwärtigen
Zustandes unserer Erkenntnis über den in Rede stehenden Stoff fallen, weshalb sie
an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden.
§ 4. Außer den mechanischen und physikalischen Eigenschaften — Elastizität
und Festigkeit, Dichte und Volumsveränderlichkeit — fanden manche andere Eigen-
schaften vorübergehend in der Fachliteratur, namentlich der Forstleute, Beachtung.
Auch hierin gab ja Duhamel du Monceau ein leider nur zu wenig nachge-
ahmtes rühmliches Beispiel. Alles zusammengenommen, was, abgesehen von dem
bereits hier Erwähnten in der Entwickelung unseres speziellen Stoffes, vor dem
Jahre 1850 erreicht wurde, verschwindet im Vergleiche zu der Bedeutung der Nörd-
lingerschen Leistung, weshalb wir gleich ohne weiteren Aufenthalt zu dieser über-
gehen.
Dr. H. Nördlinger, Professor der Forstwissenschaft und Oberförster zu
Hohenheim, der Sohn eines hochgebildeten Forstmannes (Julius Nördlinger), hatte
eine umfassende naturwissenschaftliche Grundlage für seinen Beruf erhalten und in
dieser selbst schon Bedeutendes geleistet, als er erkannte, welche enorme Wichtigkeit
eine genaue Kenntnis der Hölzer für den Forstmann und den holzverbrauchenden
Techniker habe und beklagte, daß ,, Forstleute selten erfahren, welche Eigenschaften
das von ihnen gelieferte Holz gezeigt habe, während Bauleute, Handwerker und
Fabrikanten andrerseits an Hölzern Erfahrungen sammeln, zu deren Begründung
ihnen der verbindende Faden, nämlich die Kenntnis der Herkunft der Bäume, abgehe.
Jeder verfolge seinen Weg ohne den anderen." Im Jahre 1847 bewilligten dem Pro-
fessor Nördlinger die Direktion der Hohenheimer Akademie und das Finanzmini-
sterium die Mittel zur Anstellung von Versuchen, welchen er sich mit bewunderungs-
würdigem Fleiße hingab. Prof. Dr. R e u s c h und der Assistent H ä b e r 1 e am
polytechnischen Institute zu Stuttgart sowie eine große Zahl seiner Schüler unter-
stützten den begeisterten Forscher. Als Frucht seiner Studien erschien im Jahre
1860 das tonangebend gewordene Werk :,,Die technischen Eigenschaf-
ten der Hölzer für Forst- und Baubeamte, Technologen
und Gewerbetreibende".
In Beziehung auf die mechanischen Eigenschaften stützte sich Nördlinger auf
die für sein Unternehmen rechtzeitig erschienene Monographie von Chevandier
und W e r t h e i m. Für alles andere war die gesamte Literatur weniger maßgebend,
und er selbst füllte mit wahrem Bienenfleiß die Lücken aus, die sich bei einer uni-
versellen Behandlung des Stoffes darboten.
Nördlinger bezog in sein Werk auch die Schilderung des ,,i n n e r e n B a u e s"
der Hölzer ein, da er hoffte, aus demselben manche Eigenschaft und ihre Schwankun-
gen ableiten oder erklären zu können. Außerdem behandelt Nördlinger Feinheit,
Farbe, Glanz und Durchscheinen, Geruch, Wärmeleitungsfähigkeit, Fähigkeit des
Holzes, zu dunsten und Wasser oder Dunst einzusaugen, spezifisches Gewicht, Härte,
Spaltbarkeit, Schwinden, Quellen, Sichwerfen, Federkraft, Biegsamkeit und Zähig-
keit, Festigkeit, chemische Zusammensetzung, Brennkraft, natürliche Dauer und
Fehler des Holzes. Diese Inhaltsangabe, ein reiches Durcheinander, zeigt, daß Nörd-
linger den Stoff weiter umfing als irgend einer seiner Vorfahren. Die Bearbeitung
Einloiluncr. § 5. 3;^,J
manchen Abschnittes ward durchaus originell ohne irgend eine Vorarbeit anderer
abgehandelt, z. B. die S p a 1 1 b a r k e i t. Ein unsäglicher Fleiß bekundete sich
in der Revision der von anderen Fachleuten gewonnenen Daten und in der Umrech-
nung auf ein einheitliches .Maß und Gewicht. Das Nördlingersehc Buch muß heute
noch, nach mehr als einem halben Jahrlnmdert, von jedem zu Rate gezogen werden,
der gewohnt ist, an der Quelle zu schöpfen. Von den seither erschienenen, mitunter
sehr hübsch angeordneten kompilatorischen Abhandlungen über die technischen
Eigenschaften der Hölzer fußt jede bis zu einem gewissen Grade auf Nördlinger,
keine brachte quantitativ mehr an ,, neuem Material".
Nördlinger hat auf dem Gebiete der Erforschung der technischen Eigenschaften
auch später noch weitere Studien gemacht, und besonderes Augenmerk den mecha-
nischen Eigenschaften der Hölzer zugewendet. Seine diesbezüglichen Resultate
publizierte er 1890 unter dem Titel ,,Die gewerblichen Eigenschaften der Hölzer".
Dieses Schriftchen enthält die Ergebnisse seiner Forschungen in gedrängter Kürze,
während die Versuchsresultate in den Jahrgängen 1888 und 1889 des ,,österr. Zen-
tralblattes für das gesamte Forstwesen" enthalten sind.
§ 5. Von den Publikationen des letzten halben .Jahrhunderts ist folgende kurz-
gefaßte Uebersicht zu geben.
Die Errichtung von mechanisch-technischen Laboratorien an technischen Lehr-
instituten bot Gelegenheit zu neuen Studien über die mechanischen Eigenschaften
der Hölzer. Die Resultate werden bei der später zu liefernden Darstellung der heu-
tigen Auffassung des Gegenstandes zu verwerten sein. An dieser Stelle sei nur er-
wähnt, wo und wie diese Arbeiten entstanden sind. Zuerst einige Worte von einem
Vorläufer.
Das Science and Art Departement of the Committee of Council on Education
in London ließ im Jahre 1867 ,,Tables ot the results of a series of experiments on the
strength of british colonial and other woods" drucken, deren Autor und Veranlasser
der Königliche Ingenieur-Kapitän Francis Fowke war. Dieser hatte schon
während der Pariser internationalen Ausstellung vom Jahre 1855 Versuche mit
Hölzern von den englischen Kolonialbesitzungen und anderer Provenienz durch-
geführt, um deren Eigenschaften zu demonstrieren. Nach der internationalen Aus-
stellung zu London 1862 ^^•urden die Versuche mit dem reichlich der Universal-Expo-
sition zugeströmten Materiale und in vergrößertem Maßstabe sowie mit vermehrter
Sorgfalt vorgenommen. Die von Hayward Tyler u. Co. zur Verfügung gestellte
hydraulische Presse war indessen nach unseren heutigen Vorstellungen ein sehr
primitiver, in Beziehung auf die Bedürfnisse der Beobachtung unzureichender Appa-
rat. In Intervallen von 1120 Pfund oder einer halben Tonne wurden die Formver-
änderungen an den Versuchshölzem in Tausendstel-ZoUen gemessen. Diese Ver-
suchshölzer waren 16 Zoll lang und maßen 2 Zoll engl, an der quadratischen Quer-
schnittseite, oder bildeten \\'ürfel von 1 Zoll Seite. Untersucht \nirde an beiläufig
3000 Versuchsstücken die relative und die rückwirkende Festigkeit, letztere im Sinne
der Faser oder senkrecht zu derselben, ermittelt die Einwirkung der Belastungen
auf die Form. Aus den Ergebnissen vergleichbarer ^'ersuche wurden Mittelwerte
gerechnet. Von den Hölzern waren meist nur der Vulgär- oder Lokalname, nur aus-
nahmsweise der botanische Name und die Provenienz bekannt. Folgerungen über
den gesetzmäßigen Zusammenhang von Eigenschaften zog der Autor nicht. DR-
Riesenarbeit hat der ^^■issenschaft geringe Dienste geleistet.
Eine ähnliche Veranlassung wie die Fowkesche Arbeit hatte die Arbeit des
Professors an der k. k. technischen Hochschule in Wien, Bergrat K a r 1 v. J e n n y,
352 IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
welcher über Antrag des Königl. Ungarischen Kommissärs für die forstliche Abteilung
auf der Wiener Weltausstellung, JosefWessely, dem bekannten Forstschrift-
steller, von der ungarischen Regierung für Untersuchungen von Hölzern aus den
Ländern der ungarischen Krone gewonnen worden war. Diese Untersuchungen
wurden nach einem weitausblickenden Programme begonnen, und ein Teil der Re-
sultate gelangte als selbständige Publikation (Untersuchungen über die Festigkeit
der Hölzer aus den Ländern der ungarischen Krone, verfügt vom Königl. Ungarischen
Finanzministerium, Budapest 1873, 1. H ef t) in die Oeffentlichkeit. .Jenny unter-
suchte die Druck-Elastizität und -Festigkeit, die Scherfestigkeit parallel zur Faser
und die Zug-Elastizität und -Festigkeit von Hölzern, bei denen bekannt war: Pro-
venienz, Bodenbeschaffenheit, Holzart und .Jahrringbreite. Der Mitteilung der Re-
sultate ist eine theoretische Betrachtung vorangestellt.
Infolge einer Anregung von selten der k. k. forstlichen Versuchsleitung (Regie-
rungsrat Prof. Dr. Arthur Frh. v. S e c k e n d o r f f) in Wien veranstaltete der
vormalige Assistent am deutschen Prager Polytechnikum Karl JMikolaschek
eine ansehnliche Reihe von Versuchen über die mechanische Beschaffenheit von in
Böhmen erwachsenen Hölzern mit Hilfe der Gollnerschen Probiermaschine bei
der Lehrkanzel für Maschinenbau an der k. k. deutschen technischen Hochschule in
Prag. Mikolaschek untersuchte vierzig Holzausschnitte, von denen meist 3 dem-
selben Baume, unmittelbar über dem Stocke, eine gemessene Höhe über dem Stocke
aus dem Stamme und einem Aste entnommen waren. Außer der Holzart, dem Alter
und dem Durchmesser des Baumteiles war die Lage und Beschaffenheit des Stand-
ortes bekannt; ermittelt wurde die Elastizität und Festigkeit auf Zug und Druck im
Sinne der Faserrichtung, Elastizität und Festigkeit bei Biegung und Torsion, endlich
die Abscherfestigkeit sowohl in der zur Faser parallelen als in einer darauf senkrech-
ten Richtung. Gesetzmäßige Folgerungen wurden aus den Versuchsergebnissen
nicht gezogen, die Resultate verdienen als zuverlässige Daten Beachtung. Die Ar-
beit ist im Heft 1 Band H der ,, Mitteilungen aus dem forstlichen Versuchswesen
Oesterreichs" und als Separatabdruck veröffentlicht im Jahre 1879.
Die Zahl der auf die mechanischen Eigenschaften der Hölzer Bezug habenden
Untersuchungen und Abhandlungen vermehrte sich nun in der periodischen Fach-
literatur von Tag zu Tag; es muß hier vorläufig darauf verzichtet werden, eine Ueber-
sicht zu geben, da es sich doch jetzt zunächst nur um die Feststellung jener Momente
handelt, welche für die Entwickelung des ganzen Faches eine weittragende Bedeutung
haben. Dazu gehören aber zunächst zwei größere Studien, welche beide in das Jahr
1883 fallen.
L Methoden und Resultate der Prüfung der Schweiz. Bauhölzer,
bearbeitet von L. Tetmajer, Ingenieur, Professor am Schweiz. Polytechnikum,
Zürich.
2. Untersuchungen über die Elastizität und Festigkeit von Fichten- und Kiefern-
Bauhölzern (Mitteilungen aus dem mechanisch-technischen Laboratorium der Königl.
Technischen Hochschule in München, IX. Heft) von J. Bauschinge r, ord.
Professor der technischen Mechanik und graphischen Statik, .München.
ad 1. Das eidgenössische Festigkeits-Institut hat für die Gruppe der , .Bau-
materialien" auf der Schweiz. Landesausstellung eine sehr umfangreiche Untersuchung
nach einem Programme durchgeführt, welches ein Kompromiß zwischen den bau-
technischen und forstwirtschaftlichen Interessen darstellt und die Prof. Tetmajer
und L a n d o 1 t zu Verfassern hat. Im ganzen waren 31 Bauholzstämme zur Er-
probung gelangt und zwar in der Weise, daß von jedem 22 Versuchsstücke vorgerichtet
Einleitung. § 6, 353
wxirden. Diese dienten zur Ermittlung der Diclite und des Feuchtigkeitsgehaltes, dann
der Elastizitäts- und Fe-stigkeits- Verhältnisse bei Zug, Druck, Knickung, Abscherung
und Biegung. Die Holzarten Tanne, Fichte, Föhre, Lärche, Eiche und Buche waren aus
verschiedenen Höhenlagen repräsentiert und für jedes Individuum war mit Sorgfalt
festgestellt: Geologie des Standortes, örtliche Lage und Höhe desselben über
dem Meeresspiegel, Alter und Beschreibung des Aussehens des Holzes.
Tetmajer hat eine sehr bemerkenswerte Methode der Qualitätsbestimmung des
Holzes in bautechnischer Richtung an der Hand der Arbeitskapazitätder
Biegungsfestigkeit in Vorschlag gebracht. Auch in Beziehung auf den
Wert der Ziffern, welche die umfangreiche Studie lieferte, nimmt dieselbe einen
ersten Rang ein.
ad. 2. Bauschinger beasichtigte, Aufschluß über den Einfluß des Stand-
ortes und der Fällzeit auf die Elastizität und Festigkeit der wichtigsten Nadel-
bauhölzer zu gewinnen. Dabei wurde überaus rationell vorgegangen. Von vier
Standorten wurden je vier Kiefern und Fichten im Alter von 90 bis 100 Jahren,
welche unter ähnlichen Standortsverhältnissen vollkommen gesund und fehlerfrei
erwachsen waren, ausgewählt und nach der ,, Anleitung zur Standorts- und Bestandes-
beschreibung beim forstlichen Versuchswesen" (abgedruckt und erläutert in Gang-
hofers forstlichem Versuchswesen, Band I, Heft 1) geschildert. Je zwei der Stämme
Avurden von jedem Standort im Sommer (.\ugust 1881) und je zwei im folgenden
Winter (Dezember und Januar) gefällt und unter bestimmten Modalitäten ans Mün-
chener Laboratorium gesandt. Bauschinger unterwarf die Balken, welche verhältnis-
mäßig große Abmessungen hatten, auf der Werderschen Maschine den Ver-
suchen auf Biegung (250 cm Spannweite), Zug, Druck, Abscherung. Außerdem
wurde an einem speziell zu diesem Zwecke hergestellten Stammstücke eine Unter-
suchung über die Beziehung zwischen den mechanischen Eigenschaften (Elastizität
und Festigkeit) und den physikalischen (Dichte und Feuchtigkeit) angestellt, um
die obigen Versuchsergebnisse untereinander vergleichbar zu machen. Hierauf
konnten die nötigen Korrektionen und Reduktionen vorgenommen und endlich die
Resultate verglichen und bestimmte Folgerungen gezogen werden.
Die neueren Forschungen und üntersuchungsresultate, welche sich durch ihren
wissenschaftlichen Wert ganz besonders auszeichnen, sind die Arbeiten von M. R u-
d e 1 o f f , Bericht über die im Auftrage des Herrn Ministers für Landwirtschaft,
Domänen und Forsten ausgeführten Holzuntersuchungen, Berlin 1889. — Dr. A.
S c h w a p p a c h , Untersuchungen über Raumgewicht und Druckfestigkeit des
Holzes wichtiger Waldbäume. I. Die Kiefer. Berlin 1897. — II. Fichte, Weißtanne
Weymouthskiefer und Rotbuche. Berlin 1898. — Anton Hadek und Gabriel
J a n k a , Untersuchungen über die Elastizität und Festigkeit der österr. Bauhölzer.
I. Fichte Südtirols. Wien 1900. — G. J a n k a , Untersuchungen über die Elastizität
und Festigkeit der österr. Bauhölzer. II. Fichte von Nordtirol, vom Wienerwalde
und Erzgebirge. Wien 1904, und III. Fichte aus den Karpathen, aus dem Böhmerwalde,
Temovanerwalde und den Zentralalpen. Technische Qualität des Fichtenholzes im
allgemeinen. Wien 1909.
§ 6. In Beziehung auf die m e c h a n i s c h e n (bei der Anwendung des Holzes
im Bau- und Konstruktions-, also allgemein im Ingenieur- Wesen ausschlaggebenden)
Eigenschaften liegt ein ungemein reiches, aber ebenso vielartiges und erst seit G h e-
V a n d i e r und W e r t h e i m heute noch berücksichtigungswertes Material an For-
schungsergebnissen vor. Hier sind aber trotzdem erst die Wege gefunden und einzelne
Beispiele gelungen, ein weites Feld ist der Forschung noch offen, — freilich erfordert
Handb. d. Forstwiss. 3. Aufl. II. 23
c>XA IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
sie bedeutenden Aufwand an physischen und pekuniären Kräften und sollte, statt
von den zufälligen Veranlassungen abhängig zu sein, durch ernste planmäßige An-
ordnungen geregelt werden. Die hiehergehörigen neuesten Arbeiten von M. Rudeloff,
Dr. Schwappach und A. Hadek und G. Janka haben bereits den gezeichneten Weg
eingehalten, und wäre es nur zu wünschen, daß solche Versuchsreihen auch ferner-
hin zur Ausführung gelangten. Ist doch unser technisches Versuchswesen heute
derart ausgebildet, daß die Lösung dieser wichtigen Aufgaben leicht zu erreichen
ist. Die Hilfsmittel hiezu sind allenthalben vorhanden, die präzisesten Apparate
stehen zur Verfügung, ein allgemeiner Arbeitsplan für Holzuntersuchungen ist aufge-
stellt, — nur die Aufbringung der finanziellen Mittel zur Durchführung solcher umfang-
reicher Arbeiten bereitet uns heute leider oft genug noch die größten Schwierigkeiten.
Die Entwickelung der Erkenntnis voia anderen Gruppen von Eigenschaften ist
zwar natürlich eine ähnliche, aber das heute Errungene steht in mancher Beziehung
von dem wünschenswerten Ziele noch weiter ab.
Schon im Jahre 1869 hat Wilh. Fr. Exner in seinen Vorträgen über das Holz als
Rohstoff für das Kunstgewerbe am österr. Museum für Kunst und Industrie die Unter-
suchung des Holzes sowohl nach der technischen als nach der kunstgewerblichen Seite
hin verlangt und dadurch tatsächlich die Holzuntersuchungen nach dieser Richtung
hin inauguriert.
Der berühmte Technologe K. K a r m a r s c h, welcher bekanntlich die ,, be-
schreibende Technologie" zum Range einer Wissenschaft erhob, legte mit seinem
epochemachenden Werke: ,, Handbuch der mechanischen Technologie" die Grundlage
für die Erörterung aller technischen Eigenschaften, die zur Verarbeitung und
Verwendung des Holzes in der Industrie in Relation stehen.
Dabei treten die Elastizität und selbst die Festigkeit in den Hintergrund, und Dichte,
Härte, Spaltbarkeit, namentlich aber die Volumsveränderlichkeit erhalten für die
Gestaltgebung und die Erhaltung des beabsichtigten Gefüges Belang. Karmarsch hat
selbst mancherlei Beobachtungen gemacht, sein Hauptverdienst besteht aber in der
zusammenfassenden Darstellung aller zuverlässigen älteren und neueren Daten, welche
ja nur für die mechanischen Eigenschaften von Chevandier und Wertheim gemacht
worden war, und in der Einbeziehung jener Erfahrungen, die man bei der mecha-
nischen, physikalischen und chemischen Behandlung d erHölzer auch in
bezug auf ihre Eigenschaften gewonnen hatte. Seine Nachfolger E. H o y e r (Lehr-
buch der vergleichenden mechanischen Technologie, Wiesbaden 1878), F. Stübchen-
Kirchner (Karmarsch-Heerens technisches Wörterbuch, 3. Auflage ergänzt und
bearbeitet von F. K i c k und Dr. W. G i n 1 1, IV. Band, Prag 1886), endlich Prof. A.
Ledebur (Die Verarbeitung des Holzes auf mechanischem Wege, Braunschweig
1881) und Prof. H. Fischer (Die Bearbeitung der Metalle, der Hölzer etc., Handbuch
der mechan. Technologie 1891) konnten wie Karmarsch in den späteren Auflagen seines
Werkes schon die Arbeiten der Forstleute und Botaniker N ö r d 1 i n g e r , Dr. J. W i e s-
ner, Dr. R. Hart ig , Th. H artig etc. mit in ihre Darstellung einbeziehen'). Eine
völlig moderne Auffassung der Rolle, welche die Eigenschaften in technologischer
Richtung spielen, bekundet aber erst der obengenannte Technologe (Ledebur),
indem er zwischen Arbeits- und Gew er bseigensc haften unterscheidet.
Nebst den Vertretern der mechanischen Technik, dem Forstmanne Nördlinger
und den Technologen ist aber weiters die Gruppe der Botaniker zu besprechen, welche
1) Eine gute kompilalorische Arbeit über die Eigenschaften des Holzes, welche in tech-
nischen Kreisen viel benützt wird, findet sich bei: Rudolph Gottgetreu, Physische
und chemische Beschaffenheit der Baumaterialien, 3. .\uflage, Berlin 1880, I. Band.
Einleitung. § 6. 355
sich speziell auf das Holz, dessen Anatomie, Physiologie, Histologie verlegten und
dem Mikroskop zu neuen Erfolgen verhalfen,
Hofrat Prof. Dr. Julius von W i e s n e r , welcher früher als Dozent für Warenkunde
an der Wiener k. k. technischen Hochschule wirkte, gab diesem Fach neue Gestalt
und neuen Inhalt auf naturwissenschaftlicher Grundlage. Seine beiden Hauptwerke
auf diesem Gebiete, ,, Einleitung in die technische Mikroskopie", Wien 1867, und ,,Die
Rohstoffe des Pflanzenreichs", Leipzig (H. Auflage 1900), behandeln das Holz vor-
nehmlich vom Standpunkte der Anatomie aus. In dem letztgenannten Werke werden
von Prof. Dr. K. Wilhelm- Wien, welchem W i e s n e r für die II. Autlage die
Bearbeitung des Abschnittes über die Hölzer übertragen hat, zum ersten Male in
umfassender Weise die Unterscheidungsmerkmale der Holzarten und deren physi-
kalische Eigenschaften sowie die Verwendung der Hölzer festgestellt und manche
landläufige Irrtümer aufgedeckt und bleibend beseitigt.
Dr. J. M 0 e 1 1 er hatte sich schon durch seine ausgezeichneten ,, Beiträge zur
vergleichenden Anatomie des Holzes" (Denkschriften der math.-naturwissenschaftl.
Klasse der Kais. Akademie der Wissenschaften, Band XXXVI) und andere einschlägige
Studien eine hervorragende Stellung als Fachmann erworben, bis er endlich die für
die Technologie höchst wertvolle Monographie: Die Rohstoffe des Tischler- und
Drechsler-Gewerbes, I. Teil, Das Holz, Kassel 1883, veröffentlichte, in welcher er
auch die dem Botaniker ferner liegenden Verhältnisse, insbesondere die technischen
Eigenschaften geschickt darstellte.
Es dürfte genügen, hier darauf hinzuweisen, daß Botaniker wie B ö h m , R. und
Th. Ha rtig. Höhne 1, Rein ke, Roß mann, Unger, Sani o, Schacht,
W' e i ß, W i 1 1 k o m m u. a. m. manchen Beitrag lieferten. Nördlinger be-
schenkte die Literatur auch nach dem Erscheinen seines Hauptwerkes mit mancher
Spezialstudie (z. B. Der Holzring als Grundlage des Baumkörpers, Stuttgart 1872);
R. H a r t i g untersuchte ,,das spez. Frisch- und Trockengewicht etc., den Wasser-
gehalt und das Schwinden des Kiefernholzes (Berlin 1874) und veröffentlichte 1885
(Berlin) die vortreffliche Monographie: ,,Das Holz der deutschen Nadelwaldbäume";
seine zahlreichen, auf die Qualität des Holzes bezugnehmenden Arbeiten hat R. H a r-
t i g schließlich zusammengefaßt in seinem Buche: ,, Holzuntersuchungen. Altes und
Neues" 1901. J. Sachs veröffentlichte eine beachtenswerte Untersuchung über
die ,, Porosität des Holzes", Würzburg 1877; in den ,, Studien über die Qualität
rasch erwachsenen Fichtenholzes" (Zentralbl. f. d. g. Forstw. 1902) haben Dr. G i e s-
1 a r und G. J a n k a auf Grund von anatomischen bezw. technologischen Unter-
suchungen auf die Nachteile einer zu weitständigen Begründung und Erziehung von
Fichtenbeständen bezüglich der Holzqualität aufmerksam gemacht, usw. usw.
Um einigermaßen vollständig zu sein, muß noch auf jene literarischen Produkte
hingewiesen werden, die entweder den Bedürfnissen der Praxis un-
mittelbar entspringend oder der Popularisierung der Wissenschaft dienend,
manches wertvolle Datum enthalten. Gerade nur um typische Beispiele anzuführen,
nennen wir folgende Werke und Schriften, chronologisch geordnet:
Instruction sur les bois de marine et leur application aux constructions navales.
Publice par Ordre de S. Exe. le ministre secretaire d'etat au departement de la ma-
rine. Paris.
Holzhandel und Holzindustrie der Ostseeländer von Dr. G. M a r c h e t und
W. F. E X n e r. Weimar 1885.
Studien über das Rotbuchenholz von W. F. E x n e r. Wien 1875.
Les bois indigenes et etrangers, Physiologie — Culture — Production — Qua-
■23*
3gg IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
lit,^ — Industrie — Commerce. Par Adolphe E. Dupont et Bouquet de
1 a G r y e. Paris 1875.
Untersuchungen über den Einfluß der Fällungszeit auf die Dauerhaftigkeit
des Fichtenholzes, ausgeführt an der Königl. Sachs, forstlichen Versuchs-
station zu Tharandt und am Königl. Sachs. Polytechnikum zu Dresden, mitgeteilt
von Dr. E. H a r t i g in Dresden, 1877.
Burkarts Sammlung der wichtigsten europäischen Nutzhölzer in charakte-
ristischen Schnitten, herausgegeben vom Technologischen Gewerbe-Museum in Wien.
Mit einem erläuternden Text. Brunn 1880.
Die Unterscheidungs-Merkmale der wichtigeren in Deutschland wachsenden
Hölzer (Spezielle Xylotomie) von Dr. R. H artig. München 1879.
Experimente über Gewichts- und Volumenenveiterung am Holze der jurassi-
schen Waldbäume vom grünen Zustande bis zur Verkohlung, ausgeführt 1877, er-
weitert und ergänzt 1883 zur Beschickung der schweizerischen Landesausstellung
von J. A. Frey. Münster im Jura 1883.
Die industrielle Verwertung des Rotbuchenholzes, eine Denkschrift, heraus-
gegeben von einer Kommission, welche von dem österr.-ungar. Verein der Holzprodu-
zenten, Holzhändler und Holzindustriellen und dem Technologischen Gewerbe-
Museum eingesetzt wurde. Wien 1884.
Versuche und Erfahrungen mit Rotbuchen-Nutzholz von P. von Alten.
Berlin 1895.
Die Buchenfrage in der österr. Forstwirtschaft von Leopold H u f n a g 1.
Wien 1899.
Ein vorzügliches, populär geschriebenes Büchlein über die technischen Eigen-
schaften des Holzes ist Sig. G a y e r s „Die Holzarten" (Bibliothek der gesamten
Technik). In jüngster Zeit ist erschienen: ,, Gewerbliche Materialkunde, Die Hölzer,
Stuttgart, Verlag K r a i s 1910, das vollständigste Werk, das bisher über diesen
Gegenstand veröffentlicht wurde.
§ 7. Mit dieser kurzen Uebersicht von Forschungen und Arbeiten, Darstellungen
und Anregungen mannigfaltigster Art und aus den verschiedensten Veranlassungen
entsprungen, ist wohl der Nachweis geliefert, daß auf unserem Gebiete mancherlei
erreicht, viele Anknüpfungspunkte für weitere Bestrebungen erlangt wurden, daß
wir uns aber doch erst am Anfange exakter Forschung befinden und daß namentlich
die breite Basis fehlt, welche d i e Großartigkeit des Baues erheischt, die unerläßlich
ist, um zur befriedigenden Höhe der Erkenntnis zu führen. Am wenigsten ist noch
in technologischer Hinsicht geschehen. Während Ernst Hartig in Dresden gelehrt
hat, die Maschinen zur Bearbeitung des Holzes auf ihre Leistung zu erproben, ihren
„Wirkungsgrad" zu ermitteln, hat es noch niemand versucht, die Arbeitseigenschaften
des Holzes in solcher Weise ziffermäßig festzustellen, daß sie zur Vorausbestimmung
des Arbeitsaufwandes dienen könnten.
Die vorliegende Abhandlung kann nun nicht den Zweck haben, die wissen-
schaftliche Bearbeitung des Stoffes selbst direkt zu fördern; es kann nur erwartet
werden, daß die bisher gewonnenen Resultate in neuer Form übersichtlich und brauch-
bar für den Fachmann zusammengestellt werden. Da eine Zusanunenstellung über-
haupt nicht existiert, welche nicht den Stempel der Einseitigkeit an der Stime tragen
würde, so ist die Aufgabe eine wichtige und dankenswerte.
§ 8. In Beziehung auf die Einteilung des Stoffes mögen folgende motivierende
Bemerkungen noch hier in der Einleitung ihren Platz finden.
Farbe des Holzes. § 9. 357
Die Erörterung des Baues des Holzkörpers, seiner Konstitution, seines Ge-
füges, seiner Struktur oder Textur, die chemische Zusanunensetzung und die im
Leben der Holzpflanze bedingenden Umstände etc., gelegenen Voraussetzungen
obiger Verhältnisse werden in der vorliegenden Abhandlung entfallen, da hiezu andere
Fachleute berufen sind.
Die technischen Eigenschaften, welche als die natürliche Konse-
quenz des Baues und der Chemie des Holzes aufgefaßt werden müssen, werden in
mechanische und physikalische (Chevaudier und Wertheim, Bauschinger u. a.) oder
in Arbeits- und Gewerbs-Eigenschaften (L e d e b u r u. a. m.) eingeteilt. Die letztere
Einteilung hat einen Nachteil für die Behandlung des Stoffes, indem manche Eigen-
schaft, wie die Härte, e i n m a 1 als Arbeits-Eigenschaft, d.i. eine auf die Formgebung
Einfluß nehmende Beschaffenheit, ein andermal als Gewerbs-Eigenschaft, d. i.
eine die Verwendbarkeit als Gewerbeprodukt bestimmende Beschaffenheit auftritt
und daher der Platz dieser Eigenschaft im Systeme nicht ein fixer ist. Es soll daher
von einer neuen Einteilung Gebrauch gemacht werden.
Die Eigenschaften zerfallen in drei Gruppen:
I. Aeußere Erscheinung. Eigenschaften, welche im unveränderten
oder veränderten Bestände durch den Gesichts-, Geruchs- und Tastsinn wahr-
nehmbar sind.
n. Materieller Zustand. Dichte, Feuchtigkeitsgehalt, Veränderlich-
keit desselben, Veränderlichkeit des Volumens, Folgen desselben.
III. Verhalten gegen von außen einwirkende Energien.
Gestaltsveränderung ohne Aufhebung des Zusammenhanges der
Substanz. Elastizität, Biegsamkeit, Zähigkeit.
Gestaltsveränderung mit Aufhebung des Zusammenhanges. Fe-
stigkeit, Spaltbarkeit, Härte.
I. Aeiissere Erscheinung.
Eigenschaften, welche im unveränderten oder ver-
änderten Bestände des Holzes durch den Gesichts-, Ge-
ruchs- und Tastsinn wahrnehmbar sind.
§9. 1. Farbe des Holzes. Wir verstehen unter Farbe des Holzes den
Farbton, sowohlseinerArtals seinerTiefe nach, wie sich derselbe
dem Auge darstellt, nachdem irgend eine Fläche am Holzkörper erzeugt worden ist.
Man hat von dieser jedem Holze zukommenden Eigenschaft wohl zu unterscheiden
den Fall, daß ein Farbstoff bei besonders reichem Vorkommen im Holze nicht
nur demselben eine auffällige Farbe verleiht, sondern auch aus diesem Holz auf ver-
schiedenem Wege gewonnen und zu Zwecken der Färberei benützt werden kann ^).
Die Farbe des Holzes stellt nicht nur eine wichtige Gewerbs-Eigen-
schaft dar, wenn das Holz ohne w-eitere künstliche Veränderung der Farbe in dem
Produkte zum Vorschein kommt, sondern die Farbe hat auch eine allerdings be-
schränkte symptomatische Bedeutung für die Qualität des Holzes nach bestimmten
Richtungen.
1) Solche an Farbstoffen sehr reiche Hölzer sind beispielsweise: Die Rothölzer (Fernam-
buk, Sappan, Brasilienholz), welche sämtlich von Cäsalpinia-Arten stammen; das Blau- oder
Campeche-Holz (Haematoxylon campechianum); das rote Sandel- oder Calialurholz (Ptero-
carpus sanlalinus); der Färbermaulbeerbaum (Jlaclura aurantiaca); der Perückenbaum (Rhus
colinus); das Wurzelholz des Sauerdorns (Bcrberis vulgaris) usw. Vergl. Dr. Josef Moeller,
„Die Rohstoffe des Tischler- und Drechsler-Gewerbes", I.Teil, Kassel 1883, und Dr. Gustav
Adolf Weiß, Allgemeine Botanik, I. Band, Wien 1878.
358 IX •'^- E X n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
In ersterer Hinsicht ist etwa folgendes zu bemerken: Das Holz hat sehr häufig
durch seine Farbe einen erhöhten Gebrauchswert, namentlich für jene Gewerbe, in
welchen nebst der Form des Produktes auch die Farbe der Oberfläche eine Wichtigkeit
hat, wie bei allen Kunstgewerben. In der Möbeltischlerei ist selbstverständlich
die beabsichtigte Farbe der Oberfläche mit entscheidend für die Wahl der zu ver-
wendenden Holzart. Das Mahagoniholz, das Ebenholz, das Nußholz, verschiedene
Obstbaumhölzer, wie Birne, Kirsche, Apfel, Pflaume usw. spielen in der Möbeler-
zeugung, abgesehen von anderen Eigenschaften, durch ihre Farbe eine hervorragende
Rolle. Von gewissen Artikeln verlangt man, daß sie ein möglichst helles Weiß zeigen
und bei der Verwendung beibehalten. Dies ist ein Grund der Bevorzugung des Ahom-
holzes bei verschiedenen Gegenständen des Kücheninventars.
Die Mosaik-Arbeit beruht bei allen Rohstoffen auf der Verschiedenheit
der Farbe der einzelnen Bestandteile, welche zu einem polychromen Bilde zusammen-
gesetzt werden. Die verschiedenfarbigen Hölzer bilden auf diese Art die Grundlage
eines speziellen Kunstgewerbes, der sogenannten ,, eingelegten Arbeit", der Intarsia.
Es ist daher die Farbe des Holzes die Vorbedingung für die kunstindustrielle Verwen-
dung des Holzes in der gedachten Richtung.
Die Zusammensetzung des Holzes mit anderen, durch eine gewisse Farbe oder
einen bestimmten Glanz ausgezeichneten Rohstoffen, wie z. B. Perlmutter, Schildkrot,
Elfenbein, Zinn und Zink, Messing etc., wie dies in der äußersten Kompliziertheit bei
der sogenannten ,,Boule"-Arbeit vorkommt, setzt für jene Hölzer, welche in diese
Verbindung eintreten, wieder bestimmte, namentlich dunkle Farbtöne voraus.
Da die Hölzer nicht immer von Natur aus in den gewünschten Farbtönen er-
scheinen, so werden häufig technische Verfahrungsweisen zu Hilfe genommen, um die
natürliche Farbenwirkung des Holzes zu erhöhen oder vollständig zu verändern, wie
dies durch das Beizen, Färben an der Oberfläche, durch Dämpfen und Imprägnieren,
durch Räuchern oder durch das neue Verfahren der Bodenverbräunung durch den
ganzen Bestand des Holzstückes hindurch erreicht wird.
In Beziehung auf die Bedeutung der Farbe als Kennzeichen für die Beschaffen-
heit des Holzes hat man zu unterscheiden: 1. die Farbe des frisch gefällten Holzes
von jener, welche etwas später erscheint, und von jener, welche sich schließlich am
vollständig trockenen Holze zeigt; 2. hat man zu beobachten den Unterschied zwi-
schen der Farbe des Splint- und Kernholzes an sich und in den sub 1 bezeichneten
Fällen.
Als Kennzeichen für die Holzart, also zur Entscheidung der Provenienz des
Holzes hat die Farbe fast gar keinen Wert ; so zeigt das Holz der Koniferen hinsicht-
lich der Farbe nur geringe Verschiedenheiten ; es ist weiß mit einem schwachen gelb-
lichen oder rötlichen Schimmer. Das hie und da sich bildende Kernholz ist braun bis
rotbraun gefärbt. Gerade bei den nahe verwandten Arten sind die Farben-Nuancen
diagnostisch nicht zu verwerten. Sie lassen häufig den geübtesten Praktiker im Stiche.
Wenn wir doch eine Uebersiclit der verschiedenen Farben der Hölzer im trockenen Zu-
stande hier geben, so will damit keineswegs ein besonders wertvolles Material geboten werden.
Weiß: Ahorn, Linde, Roßkastanie, Eschensplint, Weißbuche;
gelb: Fisettholz, Perückenstrauch, Sauerdorn, Zilronenholz, Satinholz, Buclis;
braun: Eiche, Nuß, Mandel, Tulpenbaum, Ulme, Vogelbeere;
graubraun: Trompetenbaum, Ailanlhus, Edelkastanie, Zürgel;
gelbbraun: Maulbeerbaum, Pappel, Hartriegel, Kirsche, Robinia, Olive;
rotbraun: Eibe, Lärche, Föhre, Pflaume, Mahagoni, Coruelkirsche, Apfel (hell),
Eisbeere, Kreuzdorn;.
schwarzbraun: Eisenholz von Casuarina, braunes Ebenholz, Palisander, Teak,
Grenadille, Cocoholz;
schwarz: Ebenholz;
Farbe des Holzes. § 9. 359
rot: Virginischer Wachholder, Padouk, Korallenholz, Rosenholz von IMiysocalyinna;
gelb rot: Fernambuk, Gleditschia, Gymnocladus, Gelbholz, Goldreijon;
ziegelrot: Sappan, Bniyfere (hell), Faulbaum:
blutrot: Sandelholz von Plcrocarpus;
rotviolett: Campecheholz, Amaranth, Königsholz:
grün: Guajak, grünes Ebenholz, Veilchenholz, Cocus').
Von verschiedenen mit der Farbe des Holzes zusammenhängenden Beobach-
tungen und Ansichten wollen wir hier Notiz nehmen, um die Bedeutung der Farbe als
technischer Eigenschaft zu markieren.
Nördlinger behauptet beiläufig folgendes: „Wenn die Witterung nach dem Holz-
schlage regnerisch, die Luft sehr feucht ist, wie in milden Wintern oder im Spätherbste, so be-
hält der Schrot der Bäume die natürliche Farbe des nassen Holzes oft längere Zeit. Ist dagegen
die Luft sehr trocken, wie gewöhnlich im Frühling, so nimmt das gehauene Holz in kurzer
Zeit die Trockenfarbe an und zwar Kern- und Reifholz früher als der seine Nässe immer noch
aus dem Stamme ziehende Splint. Je heller dieser anfänglich war, um so dunkler kann er in
der Folge werden, wenn er ohne oberflächliche rasche Austrocknung allmählich vielen Saft und
damit auch sich umsetzende Farbstoffe an die Oberfläche gefülirt hat.
Gesägte Holzflächen dagegen bekommen wegen ihres faserigen Ueberzuges schnell
ein sich nachher längere Zeit gleichbleibendes äußeres Aussehen.
Die eigentümliche Farbe des grünen Holzes bildet sich häufig erst an der Luft aus. So
die des Erlenholzes, das auf dem frischen Schrot nur fleischrot aussieht, nach Y^ Stunde aber
stark gelbrot wird, und das jüngere, saftreichere Holz mehr als das ältere. Gefrorene Erlen-
spachen fangen erst an rot zu werden, wenn sie auftauen und der Luft zugänglich werden.
Eschenholz nimmt auf der Hirnseite eine leicht violette, Zürgelbaum eine graue Färbung an.
Das grünliche Stechpalmenholz dagegen wird schön grünblau.
Mit dem Austrocknen des Holzes verbleicht häufig wieder ein Teil der Grünholzfarbe.
.An einem Würfel aus frischem Erlenholze entfärben sich daher zuerst die Kanten, an einem
Rundholze zuerst das weichere Frühlingsholz der Jahresringe. An einem dielförmigen Holzstücke,
an dessen euer Breitseite die .Mitte lag, verlor sich die Farbe früher auf der entgegen-
gesetzten Seite.
.\uf gutem, geeignetem Boden, im freien Stand kräftig erwachsenes Holz hat grün und
trocken frischere, lebhaftere Färbung, als im Schluß oder auf zu nassem Boden erwachsenes.
Die Tisciüer behaupten, die Färbung sei bei Kirschbäumen zur Zeit der Blüte am stärksten, was
dahin gestellt bleiben mag.
Besonders auch ist bei Eichenholz die Gleichförmigkeit der Farbe ein gutes Kennzeichen.
Nicht bloß die ganze Fläche des Kernholzes soll dieselbe Färbung haben, sondern auch die
einzelnen Jahresringe. Dies ist vorzugsweise der Fall, wenn der Porenring nur aus sparsamen,
zerstreuten Poren besteht. Ist er breit- und weit- und vielporig, so pflanzt sich die Porosität
noch über einen Teil des festen Ringes fort, wodurch, zumal infolge der beginnenden .Austrock-
nung, konzentrisch verschiedene Färbung, Ringstreifung entsteht".
Die Farbe hat einen wesentlichen Einfluß auf den Verwendungswert des Eichen-
holzes für die Marine und ist sogar in der offiziellen, von dem Staatssekretär des Ma-
rine-Departements in Frankreich herausgegebenen Verordnung: ,, Instruction sur les
bois de marine et leur application aux constructions navales" (Paris, Arthur Bertrand)
zum Ausdrucke gelangt. Man unterscheidet nämlich nach dieser Verordnung jenes
Eichenholz, welches auf der frischen Schnittfläche eine strohgelbe Farbe besitzt,
das bois maigre, von jenem Eichenholze, dessen Farbe blaß oder b r a u n bis r o t-
b r a u n ist und bois gras genannt wird. Von dem ersteren wird behauptet, daß es
erfahrungsgemäß viel mehr unter den atmosphärischen Einflüssen leidet, also in hohem
Grade geneigt ist, zu schwinden, zu quellen, sich zu werfen und zu reißen, daß es aber
trotzdem das geeignetste Holz für das gesamte Rippenwerk des Schiffes bilde, hin-
gegen zeige das bois gras bei großer Sprödigkeit eine höhere Widerstandsfähigkeit
gegen Temperatur- und Feuchtigkeits-.\enderungen und es ist daher dieses Holz für
Parkett-, Tischler-Arbeit und für die Schiffsverkleidung besser zu verwenden.
Die Grünholzfarbe des Eichenkemes soll nach den dänisch-preußischen Marine-
1) Vergl. Dr. J o s e p h M o e 1 1 e r, „Die Rohstoffe des Tischler- und Drechslergewerbes"
I. Teil, Kassel 1883, und Dr. G u s t a v A d o 1 f W e i ß a. a. O., ferner Dr. J. W i e s n e r, Die
Rohstoffe des Pflanzenreichs, Leipzig, II. Auflage 1900.
36Q IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
Satzungen (H ä r i n g , Zusammenstellung der Kennzeichen 1853) weißlichgelb, bräun-
lichgelb, rötlichgelb sein, alle drei häufig mit einem Stich ins Graue. Die weißlichgelbe
Farbe werde, sagt man, später mehr und mehr strohfarbig oder sandgrau, die bräunlich-
gelbe grünbraun, die rötlichgelbe schmutzig- oder staubiggelbbraun. Von entschieden
geringerer Qualität seien die Eichen von brauner Grünholz-Farbe, diese teils von
der wirklichen Färbung der Holzmasse, teils von den dunkel erscheinenden starken
Porenkreisen abzuleiten und verbunden mit sehr engen, porenreichen Jahresringen;
als häufigste Farbe die dritte, die schlechteste Beschaffenheit von Eichenholz bezeich-
nend. Auch eine bläulichrote (Lila-) Farbe kann vorkommen und ist in Verbindung
mit sehr breiten Jahresringen ein schlimmes, ,,Brauschheit" verratendes Zeichen, wofür
allerdings auch der Umstand spricht, daß dieses Holz nach Häring sehr wenig einge-
wachsene und abgestorbene Aeste zeigt. Bläulichrotes oder rotblaues Eichenholz mit
schmalen Jahresringen wäre das schlechteste, brüchigste Eichenholz. Nach demselben
würde die Lilafarbe am Längsholz öfters einen mehr bräunlichen, oft auch ganz hell-
gelben und weißen Ton annehmen.
Man sieht aus diesen sowohl in Frankreich als auch in Deutschland herrschenden
Ansichten über die Konnexität der Farbe mit der wahrscheinlichen Qualität des
Eichenholzes, welche Wichtigkeit die Farbe für den Verkaufswert des Holzes
besitzt.
Nördlinger macht weiters folgende beachtenswerte Bemerkungen:
,,Auch die Farbe des Eichenholzes wechselt stark beim Austrocknen. Die ringförmige
Streifung bei Hölzern von ungleichem Bau der Jahreslagen verschwindet. Braunes Eichen-
holz, vor Regen geschützt, wird heller und sieht sich vorteilhafter an, helles, wenn es Wind
>md Wetter ausgesetzt liegt, dunkler, zumal schwammiges, sehr poröses; der Splint oft ganz
schwarz. Geflößtes wird dunkler und unscheinbarer in der Farbe, auch gleichförmiger, und
sein Splint öfters braun wie junger Kern.
Es ist deshalb in bezug auf die Farbe immer von Wert, schon im Schlag oder kurz nach-
her die Hölzer zu untersuchen. Ist dies nicht möglich, so legt man allerdings noch nach Monaten,
zumal bei Stämmen in der Rinde, durch Absägen einer dicken Scheibe die ursprüngliche Farbe
wieder einigermaßen bloß. Es geschieht solches aber wegen des Holzverlustes nicht immer
gern und hilft bei Hölzern nichts, die schon jahrelang der Witterung ausgesetzt waren .
Aus den hier vorangestellten Mitteilungen erhellt, daß die Praktiker der Farbe
des Holzes im grünen und trockenen Zustande einen großen, vielleicht zu großen Wert
beilegen. Von technischer Wichtigkeit ist indessen sicherlich der schon früher erwähnte
LTnterschied in der Farbe von Kern und Splint des Holzes. Bei genauerer Untersu-
chung findet man nicht selten, daß das zwischen Splint und Kernholz liegende Reifholz
nicht erheblich dunkler als der Splint, aber fast so trocken als der Kern erscheint.
Mitunter verwandelt sich der Splint bloß in Reifholz, dieses aber nicht in Kernholz.
Da die Ausbildung dieser Schichten bekanntlich keineswegs zufällig, sondern für die
Holzart charakteristisch ist, so unterscheidet man ja Splintbäume, Reif holzbäume,
Kernbäume und Reifholzkernbäume. Diese Unterscheidung kann namentlich bei den
Kernbäumen durch die Differenz in der Farbe von Splint und Kern ein wichtiges Hilfs-
mittel für die Erkennung der Holzart sein und spielt sogar in der Industrie eine Rolle.
Eibe, Wachholder imd Zeder, die zu den Kenibäumei^ gehören, einen sehr lichten
Splint und einen an denselben unmittelbar angrenzenden, schön braunrot gefärbten
Kern besitzen, gestatten eine derartige Verarbeitung, daß an dem fertigen Objekte
hervorragende Partien dem lichten Splint, tiefer gelegene dem dunklen Kern ange-
hören; es ist dies das der Camde zugrunde liegende Prinzip. Ein Erzeugnis dieser Art,
welches sehr beliebt ist und vielfach angetroffen wird, bilden Eßbestecke — will sagen
Gabel und Löffel — mit reicher ornamentaler Verzierung des Handgriffs, wie solche
namentlich im Bemer Oberlande aus Eiben- und Wachholderholz erzeugt werden.
Manschetten- und Rockknöpfe, Eierbecher, Zahnstocher, Serviettenringe und ähnliche
Farbe des Holzes. § 9. 361
Gegenstände werden überaus häufig aus den genannten Holzarten initcr geschickter
Benutzung der Verschiedenfarbigkeit von Splint- und Kernholz erzeugt.
Hier muß auch des ganz speziellen und charakteristischen Falles gedacht werden,
der beim Zirbenholz vorkommt. Die kastanienbraunen, an den Schnittflächen wachs-
artig erglänzenden Astknoten, die bei dem Zirbenholze überaus häufig im Innern der
Stämme vorkommen, fallen aus den Brettern oder aus sonstigen Objekten nicht heraus,
wie dies bei den Hornästen anderer Nadelhölzer der Fall ist. Diese dunkelbraunen
Flecken treten häufig recht zahlreich auf, verteilen sich über die Oberfläche der Gegen-
stände mehr oder minder regelmäßig, verleihen dem Holze einen eigentümlichen
Reiz und dadurch auch einen erhöhten Wert.
Bei manchen Hölzern ist der Abstand zwischen der Farbe des Splint- und jener
des Kernholzes ein sehr großer und gleichzeitig auch die Verschiedenheit anderer
Eigenschaften eine sehr bedeutende; so z. B. beim Ebenholz und beim Guajakholz.
Bei diesen beiden Hölzern ist der Splint nahezu weiß, etwa von der Farbe des Elfen-
beins, der Kern hingegen bei ersterem schwarz, bei letzterem dunkelgrünlichbraun.
Der Splint dieser beiden Bäume hat für die technische Verwendung geringen Wert,
während das Kernholz sehr geschätzt wird. Da außerdem das Splintholz sich von dem
Kernholz leicht absplittert, muß bei technischen ^'erwendungen dieser Hölzer Sorge
getragen werden, daß der Splint vollständig beseitigt wird. Hier ist also die Farbe des
Holzes ein Wegweiser bei der technischen Verarbeitung desselben. Ein ganz eklatantes
Beispiel bietet in dieser Hinsicht die Verwendung des Guajakholzes zu Kegelkugeln.
Das Kernholz ist ungemein hart, widerstandsfähig gegen jede Art von Abnützung, von
dichter Struktur und hohem Gewichte. Diese Vorzüge werden zum Teil der im Kem-
holze enthaltenen, verhältnismäßig großen Menge des sogenannten Guajak-Harzes
zugeschrieben. Eine aus diesem Materiale hergestellte Kegelkugel darf keinerlei Splint
enthalten. Im entgegengesetzten Falle plattet sich die Splintstelle der Kugel rasch
ab, d. h. die Kugel wird unrund und schließlich unbrauchbar.
Im allgemeinen ist der Unterschied zwischen der Splint- und Kemholzfarbe bei
den Hölzern, die in heißen Klimaten heimisch sind, hervorstechender als bei den Holz-
gewächsen der gemäßigten Zone. Das Kernholz der Tropenhölzer zeigt oft eine warme,
satte, mitunter tiefdunkle Färbung.
Von der den Hölzern im gesunden Zustande eigentümlichen Farbe sind jene
Färbungen zu unterscheiden, welche die Hölzer infolge von Krankheitser-
scheinungen annehmen. So tritt bei manchen Hölzern in der Nähe des Markes
in kleinen Flecken, beim Ahomholze Strahlenrissen entlang, bei der Ulme gleichfalls
in Strahlenrissen oder an der Peripherie des Kernholzes, dann beim Pflaumenbaume
im Kerne ringförmig eine kupfergrüne, oft sehr dunkle Färbung ein, welche als die
Folge eines Zersetzungsprozesses zu betrachten ist. Von Wundstellen sickert mitunter
ein dunkel gefärbtes Zersetzungsprodukt am Baumstamme abwärts und erzeugt an
den tiefer gelegenen Stellen des Baumes eine dunklere Färbung, die sogenannte ,, falsche
Kembildung" (Rotbuche). Diese anormalen Färbungen müssen nicht mit einer Ver-
ringerung der Qualität des Holzes in sonstiger Beziehung Hand in Hand gehen.
Wir gelangen mit dieser Bemerkung zur Angelegenheit der F a r b e n - V e r ä n-
d e r u n g. Fast alle Hölzer dunkeln unter dem Einflüsse der Atmosphärilien und
des Sonnenlichtes nach. Auch nahezu weiße Koniferenhölzer nehmen, dem Lichte
ausgesetzt, eine stets satter werdende gelbe Färbung an, eine Erscheinung, welche
auch bei dem größere Mengen „Holzschliff" enthaltenden Papiere auftritt. Das
unmittelbar nach der Erzeugung im gebleichten Zustande völlig weiße Papier wird
mit der Zeit gelb bis lichtbraun. Aber auch warme Töne, welche das Kernholz ge-
362 I'^ A- E X n er, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
wisser Bäume zeigt, wie Lärche und Mahagoni, dunkeln bedeutend nach. Mahagoni-
holz, welches im frischgeschnittenen Zustande warm rot erscheint, wird mit der Zeit
kastanienbraun, manchmal düster schwarzbraun i).
Eine besonders auffällige Veränderung der Farbe unter dem Einflüsse von Licht
und Luft zeigt das Amarantholz, welches an frisch bloßgelegten Stellen graubraun mit
einem bläulichen Schimmer erscheint, aber, längere Zeit hindurch in lichten Räumen
aufbewahrt, dunkel blauviolett wird. Dieser Eigenschaft verdankt auch das Holz den
Namen L u f t h o 1 z.
Diese Erscheinungen der Farbenveränderung sind von den Pflanzen-Physiologen
noch nicht aufgeklärt worden; dagegen sind zwei technisch wohl weniger interessante,
aber doch sehr auffällige Erscheinungen in der Veränderung der Farbe durch eine
Untersuchung Wiesners in hinreichender Weise erörtert worden. Es sind dies:
Das Grauwerden der Dachschindeln und das Auftreten einer tief rotbraunen Färbung,
ähnlich der gebrannten Siena, bei dem Nadelholze an der Außenseite von Gebäuden in
solchen Gegenden, welche reich an Niederschlägen sind, so insbesondere in unseren
Alpenländem in der Nähe von Gebirgsseen usw. Dieses Braunwerden der Hölzer
gibt den Gebäuden ein überaus malerisches Aussehen, hat aber selbstverständlich keine
technische Wichtigkeit. Dagegen sind jene Farbenveränderungen, welche gleichzeitig
mit gewissen Krankheitserscheinungen auftreten, von großer Tragweite; so z. B. die
Weißfäule und die Rotfäule. Hieher gehört wohl auch die seltener beobachtete soge-
nannte Grünfäule, eine spangrüne Vermoderung, die bei Birken-, Ahorn-, Buchen-
und Eichenholz auftritt. Selbstverständlich ist derartig infolge eines Fäulnisprozesses
verändertes Holz von jeder technischen Verwendung ausgeschlossen. Solange ein
solcher Krankheitsprozeß nur an der Oberfläche des Holzes auftritt, bildet derselbe
für die gewerbliche Verwertung wohl kein Hindernis, doch kann er den Marktpreis
des Holzes stark beeinflussen. Auch das Blauwerden frischen Kiefernsplintholzes,
hervorgerufen durch den Blaufäulepilz Ceratostomella, beeinträchtigt noch nicht den
technischen Gebrauchswert des Holzes, gilt aber als Schönheitsfehler.
Bis nun haben wir nur von der n a t ü r 1 i c h e n Farbe des Holzes gesprochen.
Zufällige oder beabsichtigte Veränderungen der Farbe auf künstlichem Wege gehören
nicht in den Rahmen dieser Abhandlung; doch sollen ihnen einige Worte gewidmet
werden.
Gerbsäurehaltige Hölzer, im grünen Zustande mit Werkzeugen aus Schmiede-
eisen oder Stahl bearbeitet, zeigen dunkelbraune bis schwarze Streifen, wie dies z. B.
oft an den Schnittflächen der Eichenholz-Sortimente beobachtet wird. Eichenholz,
welches sehr lange auf der Sohle von fheßenden oder dem Grunde stehender Gewässer
gelegen ist, nimmt von selb.<t eine blauschwarze oder grauschwarze Färbung an und
bleibt dabei zü technischen Zwecken vorzüglich geeignet. Solches Eichenholz heißt
Wasser-Eichenholz und bildet ein vortreffliches Material für den Möbelbau.
Von besonderer Wichtigkeit ist die Methode der Behandlung des Rotbuchen-
holzes mit gewöhnlichem Dampfe. Das Dämpfen des Rotbuchenholzes bewirkt eine
auffallende Verringerung des Grades jener Eigenschaften, die der industriellen Ver-
wertung des Rotbuchenholzes in vielen Fällen hindernd im Wege gestanden. Gleich-
zeitig erhält aber das Rotbuchenholz durch das Dämpfen eine fleischrote bis rotbraune
Farbe, welche auffallend an die Farbe der verschiedenen Arten des Mahagoniholzes
erinnert. Diese durch das Dämpfen des Rotbuchenholzes herbeigeführte Farben-
veränderung ist die Folge einer Art Humifizierungszersetzung der gegen hohe Tempera-
1) Dinglers Polytechnisches Journal Band CII, Seite 198
Farbe des Holzes. § 9. 363
tur und gegen Alkali und Wasserdampf empfindlichen Ligninbestandteile (Zucker-
und Gummiarten, Gerbstoffe etc.) des Holzes.
Zur Erzeugung eines angenehmen Graubraun, das bei antiken Eichenholzgeräten
so hoch geschätzt ist, ist bei gerbstoffreichen Hölzern das Räuchern mit A m-
m o n i a k in Aufnahme gekommen. Es geschieht in der Weise, daß die fertig gearbeite-
ten Hölzer 1 — ^2 Tage lang in einem luftdicht verschließbaren Raum der Einwirkung
von Ammoniakdünsten und Luft ausgesetzt werden. Das Ammoniak erzeugt mit dem
Sauerstoff der Luft zusammen mehr oder weniger braune Farbtöne, die um so tiefer
ins Holz hinein reichen, je länger die Dämpfe einwirken.
Auch gerbstofffreie Holzarten können auf diese Weise durch Ammoniak dunkel
gefärbt werden, wenn man als Beize eine 5 — 10%ige wässerige Lösung der äußerst
leicht oxydierbaren Pyrogallussäure in heißem Zustande verwendet, die sich mit
Ammoniak und Luftsauerstoff dunkel färbt. Das von T h i m m angegebene Sal-
miak-Räucherverfahren besteht darin, daß in gerbstoff freie Hölzer
Lösungen von solchen Metallsalzen eingebracht werden, welche beim Räuchern mit
Ammoniak oder mit Schwefelwasserstoff verschieden gefärbte Metallverbindungen
in der Holzschicht bilden. Aber alle diese Räucherfarben dringen nicht tief ins Holz
ein; die Farben sind auch nicht wasserbeständig.
Dagegen entspricht das von Prof. Dr. W i s 1 i c e n u s - Tharandt erfundene
Grau holzverfahren vollkommen dem Grundsatze, die natürlichen Ver-
färbungsvorgänge des Holzes mit möglichst natürlichen Mitteln zu fördern. Es besteht
in der Behandlung von Holz mit Bodengasen, wodurch eine Bodenverbräunung
(echte Humifizierungsverfärbung) des Holzes herbeigeführt wird. Durch dieses paten-
tierte Verfahren, welches in den Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst geübt
wird, ist es gelungen, in einer vei^hältnismäßig kurzen Zeit matte, braungraue Alters-
farbtöne in jeder Holzart durch die ganze Masse selbst starker Hölzer hei-vorzurufen.
Es eigenen sich hiezu besonders Buche, Erle und Birke, dann von den Nadelhölzern
am besten die Lärche und die amerikanischen Koniferenhölzer, ja selbst Fichte und
Kiefer. Das Verfahren besteht darin, daß das zu Brettern oder Bohlen verschnittene
Holz in einen Boden eingebettet wird, der mit einem Ammoniakbildner gemischt ist.
Die Bodengase: Wasserdampf, Luft, Ammoniak und Kohlensäure, vielleicht auch
Wasserstoffsuperoxyd, vollbringen dann die gewniinschte, dem Altersgrau ähnliche
Bräunung der eingebetteten Hölzer. Die auf diese Art behandelten Hölzer gewinnen
aber infolge der Verwesung der leicht zersetzlichen Bestandteile bei der Bodenver-
bräunung noch weitere wertvolle Eigenschaften, vor allem eine gewisse Altersreife,
die man als ,, Bodengare" bezeichnen könnte ^).
Erzeugnisse aus weißem Holze, welche besonders auffällig aussehen sollen, wer-
den mitunter gebleicht oder mit weißen pulverigen Substanzen (auch Schwefel) ge-
schüttelt, wie z. B. die aus Ahorn- oder Birkenholz hergestellten Schuhstifte. Dabei
handelt es sich nur um eine vorübergehende Verstärkung des Effektes der natürlichen
Farbe.
Ganz etwas anderes ist das künstliche Färben des Holzes, welches entweder bloß
von der Oberfläche her auf eine verhältnismäßig geringe Tiefe eindringend oder die
ganze Masse des Holzes durchsetzend bewerkstelligt wird. Ueber das oberflächliche
Färben oder Beizen, wozu man häufig die aus anderen Hölzern gewonnenen Farbstoffe
verwendet, wollen wir uns hier nicht weiter verbreiten. Es muß jedoch erwähnt wer-
den, daß die anatomische Beschaffenheit und die chemische Zusammensetzung der
1) „Behandlung des Holzes' mit Gasen und Dämpfen". \'on Hans Wislicenus. In Krais
„Gewerbliche Materialkunde. Die Hölzer". Stuttgart 1910.
ocA IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschatten der Hölzer.
Hölzer die Eignung derselben so sehr beeinflussen wie ihre natürliche, man könnte
sagen die Grundfarbe. So ist es kein Zufall, daß sich zum Schwarzbeizen ganz beson-
ders gut das Birnholz eignet, welches sich schwarz gebeizt sowohl massiv als auch
insbesondere in der Form von Fournieren zum Ersätze von Ebenholz eignet. Zur
Erzielung von matten und zarten Farbtönen durch Beizen qualifizieren sich am besten
Ahorn, Erle, Weißbuche und Linde.
Für die Kenntnis der Natur des Holzes in anatomischer und physiologischer
Beziehung interessanter sind jene Verfahren, durch welche dem Holze seiner ganzen
Masse nach eine fremde Farbe aufgenötigt wird. Hieher gehören die Verfahren von
Augustin Delmas in Bordeaux i), das Holzimprägnierungs-Verfahren von
J. B. B 1 y t h e in Bordeaux und Wien ^), dann das Verfahren von G. A. 0 n k e n
in Hamburg ^), und von Pfister-Breunerin Wien.
Von besonderem Interesse ist die Arbeit von FriedrichGoppelsroeder
(Basel 1901), ,,die Kapillaranalyse beruhend auf Kapillaritäts- und Absorptionserschei-
nungen" mit dem Schlußkapitel: Das Emporsteigen der Farbstoffe in den Pflanzen.
Weiter oben wtirde erwähnt, daß zur künstlichen Färbung des Holzes auch die
aus den eigentlichen Farbhölzem gewonnenen Farbstoffe benutzt ^\•erden. Es sei hier
noch die Ergänzung gestattet, daß auch Dekokte oder die beim Dämpfen verschiedener
Hölzer sich bildenden Jauchen eine Verwertung zum Färben des Holzes zulassen.
Ein solcher Rückstand bei der Behandlung der sogenannten Zedemhölzer wird dazu
benützt, um ordinäre inländische Weichhölzer, die zum Fassen der Bleistifte dienen,
wie z. B. das Erlenholz, der Farbe und dem Gerüche nach dem Zedemholze ähnlicher
zu machen.
Wir entnehmen dem ,, Zentralblatte für das gesamte Forstwesen", VI. Jahrg.,
1880 (S. 327), die Notiz, daß man aus dem Pappelholze oder aus dem Stamme der
Erica (Besenhaide, Calluna vulgaris) durch Erhitzen mit einer Alaunlösung eine schöne,
hellgelbe Flüssigkeit erhält, die durch weitere Filtration etc. eine prächtige goldgelbe
Färbung annimmt. Die neue Farbe heißt Ericine. Durch Behandeln mit Eichenrinde
wird diese Farbe chamois oder nußbraun und soll sich als Holzbeize gut verwenden
lassen.
Damit haben wir uns aber schon sehr dem Gebiete der Holzfärberei genähert,
welches uns doch hier zu fern abliegt, da es schon der Technologie im engeren Sinne
des Wortes angehört.
§10. 2. GlanzdesHolzes. Wie jede mehr oder minder glatte Fläche
das auffallende Licht reflektiert und dadurch jene Erscheinung zeigt, welche man
gemeinhin den Glanz oder das Spiegeln nennt, so erscheint auch bei Hölzern
der Glanz oder das Spiegeln, wenn man Flächen, seien sie nun eben oder gekrümmt,
durch eine entsprechende Bearbeitung möglichst glättet. Nicht zu verwechseln damit
sind jene Erscheinungen, welche man durch das Ueberziehen der Holzfläche mit
einer glänzenden, wenn auch noch so dünnen Schicht, z. B. mit Politur, hervorrufen
kann. Wenn man aber vom Glänze des Holzes spricht, so meint man damit gewöhn-
lich nicht jene optische Wirkung, die erst durch eine vorangehende mehr oder minder
sorgfältige Bearbeitung erzielt werden kann, sondern man versteht unter dem Glänze
oder dem Spiegeln des Holzes gewöhnlich die auf den Spaltflächen, selbst
wenn sie durchaus nicht vollkommen eben sind, hervortretendenReflex-Erscheinungen.
1) „Die mechanische Holzbearbeitung, deren Hilfsmittel und Erzeugnisse", Bericht von
W. F. E X n e r und G. Lauboeck über die Welt-Ausstellung in Paris 1878; Wien 1879, 2. Heft,
S. 57.
2) W. F. Exner und G. Lauboeclv, Pariser Ausstellungsbericht a. a. O, S. 59.
3) „Zentralblatt für das gesamte Forstwesen", V. Jahrg. 1879 S. 613.
Feinheit des Holzes. § 1 1. 355
Namentlich ist es die radiale Spaltfläche, auf welcher die Markstrahlen oder Spiegel
ihrer Längenausdehnung nach zum Vorscheine kommen, die bei manchen Holzarten
einen hohen Glanz zeigen ; man nennt deshalb diese Flächen auch Spiegelflä-
chen, das nach Spiegelflächen ausgeformte Holz Spaltholz, Spiegelholz. (Die
französische Bezeichnung der Markstrahlen, Spiegel: ,,miroir" stammt offenbar davon
her, daß die vertikale Wandfläche der Markstrahlen eben den Glanz der Holzfläche
erhöht. Auch der Ausdruck Mark strahlen rührt vielleicht nebst der strahlen-
förmigen Richtung, in der sie vom Mittelpunkte des Stammes aus verlaufen, von
dieser Eigentümlichkeit her^). — Bekanntlich zeichnen sich die Spaltflächen des
Ahomholzes durch hohen Glanz aus ; ebenso die Radialschnitte des Holunders, '^der
auf der Hirnseite mattbraun erscheint.
Die Markstrahlen machen ihrem Namen wenig Ehre, ja sie verleugnen sogar
die Herkunft der Bezeichnung Spiegel in manchen Fällen, indem sie zuweilen den
dem Holze an sich zukommenden Glanz vermindern oder ermäßigen, wie bei der
Aspe und einigen Pappeln, verschiedenen Pyrus-Arten usw.
Wenn die Markstrahlen als verhältnismäßig große Körper auf der Spaltfläche
des Holzes erscheinen, so glänzen sie für sich, und es ist dann nicht die ganze Spalt-
fläche, welche spiegelartig das Licht reflektiert, es sind vielmehr dem freien Auge
sehr auffällig nur die platten Seiten der Markstrahlen, welche spiegeln oder glänzen.
Ein prägnantes Beispiel hiefür bildet die Rotbuche, auf deren radialen Spaltflächen
die Spiegel als braune Streifen erscheinen, die bei unter einem gewissen Winkel ein-
fallendem Lichte hohen Glanz zeigen, eine Erscheinung, welche sogar als ein Kenn-
zeichen des Rotbuchenholzes aufgefaßt werden kann.
Bei gewissen Hölzern bietet der Glanz der Spiegelfasern ein Moment, welches
für die Wertschätzung des Holzes ausschlaggebend ist; so brilliert der Ahornmaser
und das sogenannte ungarische Eschenholz an den geebneten Flächen durch den
Glanz der zutage tretenden Spiegelfasem in so hohem Maße, wie bei gewissen Seiden-
stoffen, dem Moiree. Wenn auch die Spiegelfasern in der ganzen Angelegenheit eine
entscheidende Rolle spielen, so sind sie es doch nicht allein, welche die Gesamtwirkung
herbeiführen, und es ist manchesmal ein kompliziertes Zusammenwirken von Licht-
reflex-Erscheinungen, welches gewissen Holzarten ein eigentümliches Gepräge ver-
leiht. So spricht man von einem Silber- oder Metallglanze beim Holze des Götter-
baumes, des Ahornbaumes, der Platane, Esche, Robinie usw. Diese Wirkung wird,
es kann das nicht überraschen, durch gesteigerte, auf künstlichem Wege erzielte
Glättung sehr erhöht. Dies ist z. B. beim Sapeh-Mahagoni-, Atlasholz usw. zu
beobachten.
§ IL 3. F e i n h e i t. Farbe und Glanz des Holzes gehören zu den Gewerbe-
eigenschaften, d. h. sie nehmen keinen unmittelbaren Einfluß auf die Bearbeitungs-
fähigkeit des Holzes, aber sie wirken mitbestimmend auf die Wahl und auf den Wert
desselben für das künftige Produkt. Die Feinheit des Holzes ist hingegen eine Eigen-
schaft, welche nicht bloß das Aussehen der Oberfläche mitbestimmt, sondern auch
die Methoden der Bearbeitung des Holzes ebensosehr wie den künftigen Gebrauchs-
wert des fertigen Produktes bedingt.
Nach dem Sprachgebrauche versteht man unter feinen Hölzern solche, welche
mit freiem Auge keinerlei Einzelheiten des Baues oder diese nur höchst unvollkommen
erkennen lassen. Bei diesen Hölzern sind im Querschnitte die Jahrringe und im
1) Ueber die Natur der Markstrahlen vergl. Dr. Theodor H artig, Anatomie und
Physiologie der Holzpflanzen, Berlin 1878 (S. les u. ff.) und Dr. J. Reinke, Lehrbuch der
allgemeinen Botanik mit Einschluß der Pflanzen-Physiologie, Berlin 1880 (S. 268 u. ft.).
366 IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
Längsschnitte das Spätholz vom Frühjahrsholze kaum zu unterscheiden. In einem
solchen Holze sind die Größenunterschiede sowohl zwischen den verschiedenen Zellen-
arten sehr gering, als auch zwischen gleichnamigen Zellen an verschiedenen Orten,
in verschiedenen Jahrringen, in altem und in jungem Holze. Die absolute Größe der
Zellen ist dabei weniger entscheidend. Ein Holz kann großzellig, demnach weich,
aber dennoch sehr fein sein (Lindenholz); freilich wird ein ähnlich zusammenge-
setztes, aber aus kleinen und zarten Elementen aufgebautes Holz in noch höherem
Grade als fein angesprochen (Buchsholz). Je geringer der Unterschied in den Di-
mensionen der einzelnen Elemente des Holzes, wozu auch die Dicke der Zellwände
gehört, ist, desto weniger wird durch eine Häufung gleichartiger Zellen die Feinheit
des Holzes beeinträchtigt und umgekehrt. Von diesem Gesichtspunkte aus ist auch
die Ausgeglichenheit der Jahrringe zu betrachten, worauf nicht nur die Organisation der
Holzart, sondern auch die klimatischen Verhältnisse Einfluß nehmen, unter denen das
Holz erwachsen ist. Endlich sind in feinen Hölzern die Holzstränge einander so stark
genähert, daß die Markstrahlen auf dem Querschnitte unkenntlich sind ; auch müssen
die Markstrahlenzellen den Dimensionen nach sich den Holzparenchymzellen nähern,
die Markstrahlen von geringer Höhe daher mit den Strängen enge verflochten sein.
Die Feinheit des Holzes ist im allgemeinen, wie aus dem Gesagten hervorgeht, für
eine gegebene Holzart eine gegebene, kann aber bei jeder Holzart durch die Wachs-
tumsverhältnisse in ihrem Grade modifiziert erscheinen. Aus dem Vorangehenden
leitet sich von selbst die Vorstellung von dem ,, groben" Holze ab, indem dies die
eben für das feine Holz angeführten Kennzeichen nicht besitzt, welches also makro-
skopisch die Gefäßporen zeigt, welches auffällig gezeichnet ist durch die gruppenweise
Anordnung der Elemente, durch die scharfe Ausprägung und ungleiche Beschaffenheit
der Vegetationsperioden, welches endlich auffallend breite oder hohe Markstrahlen
besitzt. Typische Beispiele groben Holzes sind Eiche, Zürgelbaum (Celtis), Nuß,
Ulme usw.
Es wäre ein großer Irrtum, wollte man annehmen, daß die nach der voran-
gehenden Erklärung als grob anzusprechenden Hölzer für gewerbliche Vollendungs-
arbeiten wenig geeignet seien. Grobe Hölzer, die sich dem Auge sofort als solche
darstellen und sich auf den Hobel-, Drechsel- oder Fräsflächen rauh anfühlen, lassen
sich mitunter sehr gut polieren, indem das Poliermittel auf der Oberfläche des groben
Holzes in den Poren in größerer Menge zurückgehalten wird, als dies bei den feinen
Hölzern, an denen es weniger haftet, der Fall ist^).
§ 12. 4. T e X t u r, Z e i c h n u n g, F 1 a d e r, M a s e r. Der Ausdruck Tex-
tur des Holzes ist synonym mit Struktur oder bedeutet beiläufig das anato-
mische Gefüge des Holzes. Die Gewerbetreibenden jedoch, welche Holz ver-
arbeiten, gebrauchen den Ausdruck Textur häufig für die aus dem inneren Baue
des Holzes hervorgehende äußere Erscheinung auf den angearbeiteten Flächen. Man
verwechselt also dabei die Ursache mit der Wirkung, indem tatsächlich die Zeichnung
auf der Holzfläche das in die Erscheinung tretende Bild des Gefüges des Körpers ist.
Je gröber das Holz nach der weiter oben gegebenen Definition, desto deutlicher die
Zeichnung oder nach dem Sprachgebrauche die Textur. Der buchstäbliche Sinn des
Wortes Textur: Gewebe, also hier Holzgewebe, deckt sich nicht einmal vollständig
mit der Ursache der Erscheinung, daß auf den Holzflächen dem unbewaffneten
Auge eine Zeichnung erscheint, denn in der Zeichnung drücken sich mehr oder minder
deutlich die Unterschiede zwischen Herbst- und Frühjahrsschicht im Jahrringe, die
1) Vergl. bei Dr. J o s e f M 0 e 11 e r a. a. O., 1. Teil (S. li u. ff.;
Textur, Zeichnung, Flader, Maser. § 12. 307
Poren und die Markstrahlen je nach den Dimensionen und dem Grade der Fär-
bung aus.
Die Zeichnung des Holzes ist demnach bei regelmäßig erwachsenen Bäumen
eine andere im Querschnitte, eine andere im radialen Längsschnitte und wieder eine
andere im tangentialen oder Sehnen-Längsschnitte. (Es sei hier ein- für allemal be-
merkt, daß wir in dieser Abhandlung nur von den dikotyledonen Bäumen sprechen,
da das Holz der Palmen nur eine sehr untergeordnete, man könnte sagen aus-
nahmsweise Verwendung in der europäischen Technik findet.^ Demnach ist das
charakteristische Merkmal der Zeichnung des Hirnschnittes der R i n g b a u , das
der beiden Längsschnitte die parallele Streifung, welche beim radialen
Längsschnitte vollkommener als beim Sehnen-Längsschnitte auftritt.
Ohne uns weiter in die Details zu verlieren, sei hier nur hervorgehoben, daß in
der Holzindustrie die Zeichnung des Hirnschnittes verhältnismäßig selten auftritt;
wohl kommt der Hirnschnitt des Holzes bei Eckverbindungen zum Vorscheine, auch
bei Holzskulpturen und bei den diese vertretenden Holzpressungen, beim Stiften-
mosaik, dem Holzstöckelpflaster, dann bei einer in neuester Zeit aufgetauchten Art
von Parquetten. In weit überwiegendem Maße jedoch ist es die Zeichnung, welche
auf tangentialen oder richtiger Sehnen-Längsschnitt-Flächen des Holzes zum Vor-
schein kommt, die unser Interesse erregt und verdient. Pfosten oder Dielen, Staffel-
holz und Bretter, Tavoletti und Foumiere zeigen auf ihren Oberflächen die Zeichnung
des Sehnenlängsschnittes der Holzstämme. Bei den foumierten Möbeln wird das ganze
blinde Holzgerüste und somit auch bei den Holzverbindungen die hie, und da auf-
tretende Himfläche mit Längsholz bedeckt.
Ist das Holz normal erwachsen oder ,, schlicht", so heißt die Zeichnung des
Holzes, oder soll wenigstens ausnahmslos so genannt werden, der Flader.
An der Gabelung des Baumstammes, d. i. an der Stelle, wo die Kronenbildung
beginnt, femer überall dort, wo ein Ast aus dem Stamme abzweigt, hören die dunkel
gefärbten Grenzen der .Jahrringe (die Herbstholzschichten) auf, geradlinig zu ver-
laufen. Die Zeichnung von aus diesen Teilen des Baumes entnommenen Holzsorti-
menten wird in ge\vissen Fällen besonders geschätzt, so z. B. bezahlt man die Four-
niere aus dem Gabelungsteile des Mahagonistammes mit bedeutend höheren Preisen
als die schlichten, in der Zeichnung reizlosen Stücke aus dem geradwüchsigen Stamme;
man nennt diese Art von Mahagoni-Fournieren Blumen- oder Pyramiden-Mahagoni ^).
Bei unregelmäßigem Wachstume, möge es veranlaßt sein durch natürliche Hin-
dernisse, wie Aeste, schlafende Augen, oder durch Verwundungen aller Art, werden
die Jahrringe in ihrer Entwicklung in mannigfacher und mitunter in höchst aben-
teuerlicher Weise verändert. Die durch unregelmäßiges Wachstum entstehenden
Holzbildungen nennt man w i m m e r i g oder maserig und die durch dasselbe
bedingte Zeichnung der Schnittflächen : Maser.
Der wimmerige Wuchs ist strenge genommen ein Fehler des Holzes und gilt
auch als solcher bei Bauholz und bei Schnittware. Vielfach, namentlich für Zwecke
der Kunsttischlerei und Drechslerei, ist jedoch der Maser ein geschätztes Vorkommen
und zwar umsomehr, je stärker er entwickelt ist 2). Für foumierte Möbel bildet
die abwechselnde Verwendung von schlichten und Maserfournieren, so z. B. die ersteren
bei Friesen, die letzteren bei Füllungen, ein oft verwendetes, wirkungsvolles Motiv.
Der Wert von Maserfournieren kann durch die phantastische Zeichnung ein sehr
1) Vergl. G. M a r c h e t und W. F. E x n e r, Die Holzindustrie der Ostseeiänder. Kapitel
Hamburg. Weimar 1864.
2) Vergl. N ö r d 1 i n g e r a. a. O. (S. 498 u. ff.).
358 IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
hoher werden und namentlich ist es das Emporium der Foumier-Erzeugung, Paris,
welches vor noch kurzer Zi.it mitunter enorme Summen für knorrige Stammaus-
wüchse (loupes) bezahlte. Wäre die Zeitdauer, welche zur Entstehung von Maser-
wüchsen notwendig ist, nicht eine so enorm lange, daß während derselben der Ge-
schmack der Konsumenten öfter \\echselt. so \A-ürde man wohl die künstliche, richtiger
absichtlich her\'orgerufene Bildung von Maserwüchsen ernstlich ins Auge ge-
faßt haben.
Ein interessanter Fall des wimmerigen Wuchses, der ein bestimmtes Holzvor-
kommen betrifft, ist unter der Bezeichnung ,, ungarisches Eschenholz" in der Industrie
bekannt. Dasselbe ^\^rd zu Foumieren für die Kunsttischlerei verarbeitet und über-
trifft an Schönheit der Zeichnung, erhöht durch prächtigen Seidenglanz regelmäßig
verteilter Partien, das Atlasholz (salin wood). Andere besonders schöne !Maserbil-
dungen, die in der Technik von Wert sind, findet man an der Wurzel von Buchs
(Tabaksdosen), an Stöcken und dem Wurzelhals von Erlen, an Kopfholzstämmen
von Ulmen, Erlen (auserlesene Foumiere) etc., am Stanune von Birken (Birkenmaser,
Pfeifenköpfe), von Nußbäumen und Ahomen (der hochgeschätzte \"ogelaugenmaser
von dem amerikanischen Zuckerahorn), am Stamme mehrerer Pterocarpus-Arten
(P. indicus, P. saxatilis u. a.), welche unter dem Namen Amboina-Maser oder Am-
boene aus Indien und den ostasiatischen Inseln nach Europa, besonders nach Frank-
reich eingeführt werden. Der Rohstoff einer bekannten französischen Spezial-Indu-
strie, welche übrigens auch in Belgien und Wien eine Zeitlang blühte, ist das soge-
nannte Bruvere-Holz. Dieses Holz stammt von der maserwüchsigen Wurzel der
Erica arborea (Baumheide). Dieses Wurzelholz von fleisch- oder ziegelroter Farbe,
welches aus Spanien, dem südlichen Frankreich und aus Korsika in den Handel
kommt, bildet ein vorzüghches Material für Pfeifen, indem einerseits der hochgradige
Maserwuchs das Springen der Pfeife während der großen Erhitzung verhindert,
andererseits der bedeutende Ivieselsäuregehalt eine schwere Verbrennbarkeit be-
gründet 1).
Wimmeriger Wuchs oder Maserwuchs und sonstige physiologisch nicht aufge-
klärte Abnormitäten im Wachstume, in der Verteilung von Farbstoffen, Harzen
u. dgl. führen zu verschiedenen Erscheinungen in der Zeichnung, welche vorüber-
gehend eine gewisse Bedeutung erlangen, wobei natürlich die Mode ein ausschlag-
gebendes Moment bildet. Der wellenförmige Verlauf der Holzringe (auf dem Quer-
schnitte sichtbar) und das dadurch verursachte flammige Aussehen auf den radialen
Spaltflächen sucht N ö r d 1 i n g e r in einer Abhandlung über den ,, Rindedruck"
im Oktoberheft 1880 des „Zentralblatt f. d. ges. Forstwesen" zu erklären. Später
(1882) hat Krabbe in der Königl. Preußischen Akademie der^^'issenschaften eine
Untersuchung über die Rindenspammng und deren Beziehungen zur Jahrringbildung
veröffenthcht, welche Nördlingers Auffassung teilweise in Frage stellt.
Von dem hochgeschätzten Mahagoni-Holze kommen im Handel, ganz besonders
von Paris aus, Mahagoni-Sorten vor, die ihren Namen nicht von der Provenienz
erhielten, wie Kuba-, Jamaika-, Haiti-, Yucatan-, Tabasco-, Laguna-, St. Domingo-,
Porto Plata-, Honduras-Mahagoni etc., sondern von ihrer Zeichnung. So z. B.:
Acajou mouchete, Acajou rongeux, A. branche, A. conde. Solche auffällige Zeich-
nungen verschaffen gewissen Gattungen eine vorübergehend gesteigerte ^'er^\■endung,
eine Art Blüteperiode. Häufig verschwinden solche Industriehölzer aber wieder so
rasch aus dem Verkehre, daß man kaum die Zeit findet, ihre botanische oder geo-
]) Vergl. Dr. J 0 s e p h M o e 11 e r a. a. O. (S. 164 u. ff.).
Geruch des Holzes. § 13. 369
graphische Herkunft zu eruieren. Hölzer dieser Kategorie sind das Ziricota-Holz,
das geperlte Holz, das grüne Havanna- oder Haiti-Holz, das Tiger-Holz, das Par-
tridge-Holz usw.
§ 13. 5. G e r u c li d e s H 0 1 z e s. Im grünen frischen Zustande hat jedes
Holz einen eigentümlichen Geruch, der mitunter sehr kräftig und für das Holz cha-
rakteristisch ist. Bei vielen Hölzern verliert sich dieser Geruch mit der Austrocknung
derselben und nur wenige unter jenen Hölzern, die auch im trockenen Zustande
wohlriechend sind, verdanken dieser Gewerbseigenschaft einen erhöhten technischen
Wert.
Die ätherischen Oele, welche die Ursache des Wohlgeruches einer Reihe von
Hölzern bilden, sind nur in einigen wenigen Fällen genau erforscht. Meistens nur
dann, wenn diese ätherischen Oele selbst als Produkt aus den betreffenden Hölzern
gewonnen und weiter verwertet werden. Diese Gruppe von Fällen kommt hier aber
nicht in Betracht, \\ar haben nur darauf aufmerksam zu machen, daß der Gehalt an
gewissen wohlriechenden Stoffen für bestimmte Hölzer in gewerblicher Beziehung
charakteristisch geworden ist.
In erster Linie stehen diesbezüglich die Nadelhölzer. Ihr Gehalt an Terpen-
tinen verleiht ihnen einen auffälligen, mitunter köstlichen Geruch. Bekannte Bei-
spiele bilden die sogenannten Zedemhölzer und das Wachholderholz, besonders vom
virginischen Wachholder (.Juniperus virginiana, fälschlich Zedemholz genannt),
welche Hölzer unter anderem ihres Geruches wegen für manche \'envendungen spezi-
fisch geworden sind; so als Bleistiftholz, als Materiale für die Laden von Schmuck-
kästen und sonstigen hochfeinen Möbeln, für allerlei Galanteriewaren, für Zigarren-
kisten u. dgl. m.
Von den in Europa heimischen Nadelhölzern ist es besonders das Zirbenholz,
welches sich durch einen edlen, bestechenden Geruch auszeichnet.
Bei manchen Nadelhölzern kann jedoch der übermäßige Terpentin-Reichtum
sogar ein Ausschließungsgrund für technische Verwendungen sein, und es ist dann
die Ursache des \A'ohlgeruches ein Uebelstand, welchen der Geruch selbst wett zu
machen nicht hinreicht.
Die wohlriechenden Hölzer im engeren Simie des ^^'ortes, das sind
solche, welche ihre technische ^'erwendung v o r a 1 1 e m ihrem Gerüche verdanken,
stammen meistens aus anderen Klimaten ; hieher gehören das australische \' e i 1-
c h e n h o 1 z und das den Gegenstand wichtiger Kulturen in Oesterreich bildende
W e i c h s e 1 r 0 h r.
Das letztere sind die Triebe der Mahaleb-Kirsche (Prunus mahaleb), welche
bei dem in Baden bei Wien eingehaltenen Kultur\erfahren im Holze und in der Rinde
einen köstlichen Geruch besitzen, der nach der Ansicht M o e 1 1 e r s von dem Ge-
halte an Kumarin oder eines diesem ähnlichen ätherischen Oeles herrührt. Das
Weichselrohr, richtiger Mahaleb-Kirschenholz, wird nicht nur zu Pfeifenröhren,
sondern auch zu Holzgalanteriewaren aller Art, Spazier- und Schirmstöcken, Reit-
gerten, Fächern, Papiermessem etc. verwendet.
In der ostasiatischen Industrie spielt eine Rolle ersten Ranges das wohlriechende
gelbe Sandelholz, welches übrigens ein vortreffliches Schnitzereiholz ist.
Die Vorliebe und damit die eifrige Suche nach wohlriechenden Hölzern und deren
Venvendung insbesondere in der Marqueterie-Arbeit hat ziemhch nachgelassen, und
die verschiedenen Arten von \'eilchenholz, das Moschusholz u.dgl. sind nicht mehr
sehr in der Mode.
Es darf hier nicht unerwähnt bleiben, daß der bei Laubhölzern häufig auf-
Handb. d. Forstwiss. 3. Aufl. II. 24
370 IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
tretende Gehalt an Gerbstoff manchen Holzarten einen auffallenden Geruch nach
Gerberlohe verleiht. H ä r i n g , den wir schon an anderer Stelle zitiert haben,
reklamiert diesen Geruch sogar als ein Kennzeichen der guten Qualität des Eichen-
holzes. Von unseren einheimischen Holzarten hat das Holz des gemeinen Schneeballs
(Viburnum opulus) einen höchst widerwärtigen Geruch.
Eine auffallende Erscheinung, welche mit dem Gerüche der Hölzer zusammen-
hängt, mag hier noch flüchtige Erwähnung finden. Ein Baum, welcher in Ostasien
Bestände von enormer Ausdehnung bildet, ist der K a m p f e r 1 o r b e e r b a u m
(Laurus camphora) ; dieser Baum enthält in allen seinen Teilen, besonders aber auch
in seinem Holze ein schon bei gewöhnlicher Temperatur festes ätherisches Oel, das
fast wie Alabaster aussieht und bei geringen Quantitäten einen sehr angenehmen
Geruch besitzt. Der sogenannte Japan-Kampfer wird aus den Teilen des genannten
Baumes durch Destillation gewonnen. Bewahrt man Kampferholz in geschlossenen
Gefäßen auf, so überziehen sich die Innenseiten der Wandungen mit Kampfer-
kriställchen, welche durch Sublimation von selbst entstanden sind.
Eine ähnliche Erscheinung zeigt sich am frischen Holze des virginischen Wach-
holders, welches sich mit einer dünnen Schichte feinster weißer Kriställchen überzieht.
II. Jlaterieller Zustand des Holzes.
§ 14. Während im ersten Abschnitte nur die äußere Erscheinung des Holzes
behandelt wurde, welche allerdings in enger Beziehung mit der substanziellen Zu-
sammensetzung steht, soll nun die Substanz selbst vom physikalischen Standpunkte
aus erörtert werden. Auch hier wollen wir von den anatomischen und physiologi-
schen Verhältnissen des lebenden Baumes möglichst abstrahieren und die Holz-
substanz, so wie sie ist, nach den technisch wichtigen physikalischen Eigenschaften
beschreiben.
Viele physikalische Eigenschaften, wie die Wärmeleitungsfähigkeit '■), haben
nur eine sehr untergeordnete technische Bedeutung; dagegen ist es ein bestimmter
Komplex von physikalischen Eigenschaften, welcher nicht nur auf die Verwendung
des Holzes zu technischen Zwecken und daher auf dessen Auswahl und Wert den
bestimmendsten Einfluß nimmt, sondern auch den aus Holz angefertigten Gegen-
ständen eine bestimmte Beschaffenheit verleiht. Das Holz als Rohstoff für die In-
dustrie wird durch die hier in Erörterung zu ziehende Gruppe von physikalischen
Eigenschaften so beherrscht, daß der Handwerker, der Industrielle oder der Tech-
niker im weitesten Sinne des Wortes diese Eigenschaftsgruppe mit den aus ihr resul-
tierenden Verhältnissen sich stets gegenwärtig halten muß. Diese Gruppe von Eigen-
schaften hat das Eigentümliche, daß unter den einzelnen Eigenschaften ein durch
keinerlei Mittel aufzuhebender Zusammenhang besteht, und wenn man mit der Be-
1) Vergl. M o e 11 e r a. a. O. S. 107.
Nach W i e d e m a n n 's mit großer Sorgfalt ausgeführten Versuchen über W ä r ni e-
leitungsfähigkeit verhält sich diese zum besten Wärmeleiter, diesen = 1000 gesetzt,
wie folgt:
Ahorn — Faserrichtung 192
„ — senkrecht hierauf, radial
„ „ tangential
Eichen — Faserrichtung ....
„ „ radial . .
„ „ tangential .
Buchsbaum — Faserrichtung . . .
„ „ tangential
(Poggendorff's Annalen, Ergänzung VIII, S. 175.)
86
85
161
75
86
135
96
Dichte des Holzes. §15. 37I
sprechung einer dieser Eigenschaften beginnt, so muß man sogleich auch die mit
derselben in Konnexität stehenden anderen Eigenschaften ins Auge fassen.
Diese Eigenschaften sind : Die Dichte oder das spezifische Gewicht, der Wasser-
oder Feuchtigkeits-Gehalt, die Veränderlichkeit des letzteren, welche zugleich die
Veränderlichkeit der Dichte zur unmittelbaren Folge hat; die Veränderlichkeit des
Volumens, welche ebenso wie die Veränderlichkeit des Gewichtes mit der Veränderung
des Feuchtigkeitsgehaltes zusammenhängt.
Die Veränderlichkeit des Volumens, welche sich als Verkleine-
rung oder Vergrößerung des ^'olumens äußern kann, als: Schwindung oder Schrump-
fung einerseits und als Ouellung andererseits, vollzieht sich nicht in einer nach allen
Richtungen hin gleichen Weise, vielmehr ändern sich die Dimensionen sowohl bei
der Schwindung als bei der Ouellung in verschiedenem Grade, was eine Veränder-
lichkeit der Gestalt zur Folge hat. Diese Gestaltsveränderungen, welche die
verschiedensten Bezeichnungen führen, können auch in letzter Linie die Aufhebung
des Zusammenhanges der einzelnen Teile des Holzstückes, also die Ueberwindung
der Kohäsion, herbeiführen.
Es besteht also eine Konnexität zwischen Dichte, Feuchtigkeits-
gehalt, Volumen und Gestalt derart, daß jede Aenderung in der einen
Richtung eine Aenderung in allen anderen als unausbleibliche Konsequenz nach
sich zieht. Die Konnexität der Eigenschaften in dieser Gruppe physikalischer Ver-
hältnisse erschwert und kompliziert die Erforschung oder auch nur die Ermittlung
eines bestimmten Datums bezüglich einer Eigenschaft in außerordentlichem Maße.
Der Praktiker sagt, das Holz sei ,, lebendig", und er ist damit vollständig im Rechte.
Das Holz ist ein organisierter Körper und der Organismus fungiert in gewissem Sinne
fort auf lange Dauer. Erst wenn eine Zerstörung des Organismus durch Fäulnis
oder Verkohlung eintritt, wird die Konnexität jener Eigenschaften mehr oder minder
aufgehoben.
§15. I.Dichte oder spezifisches Gewicht (Raumgewicht) des
Holzes. Das ^Mischungsverhältnis der das Holz zusammensetzenden Elementar-
Bestandteile ist in verschiedenen Teilen des Holzkörpers ein verschiedenes. Neben
der Holzsubstanz kommen viele andere Stoffe im Holze vor und überdies besteht
nirgends das Holz aus einer zusammenhängenden, lückenlosen Masse. Es bestehen
im Gegenteile viele das Holz durchsetzende, mit Luft oder Wasser gefüllte Hohl-
räume (Zellen und Gefäße), welche gruppenweise oder auch zerstreut auftreten. Der
im Holze überwiegend vorkommende Stoff, oder richtiger der das Holzgerüste bildende
Stoff ist die Holzfaser.
Man kann im Wege des Versuches die Holzfaser ziemlich von den anderen sub-
stanziellen Bestandteilen trennen und das spezifische Gewicht der kompakten, ohne
Zwischenräume gedachten Holzmasse ermitteln. Dasselbe beträgt nach den über-
einstimmenden Untersuchungen von Sachs und R. H artig („Untersuchungen
aus dem forstbotanischen Institute zu München", 2. Heft) für Eiche, Buche, Birke,
Fichte und Kiefer gleichförmig 1,56. Dabei ist ein Unterschied zwischen Kern- und
Splintholz desselben Stammes nicht bemerkbar.
Dieses spezifische Gewicht der Holzfaser hat jedoch keinerlei technische Wichtig-
keit und ist daher auch nicht als technische Eigenschaft aufzufassen. Man versteht
vielmehr unter der Dichte des Holzes wie unter dessen spezifischem Gewichte jene
Zahl, welche ausdrückt, wie viel mal größer oder kleiner das absolute Geweht des
Holzes, wie es besteht, ist, als ein gleich großes Volumen chemisch reinen Wassers
von der Temperatur von 4 " C.
24 *
372 IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
Die im Wege des Experimentes gefundene Ziffer gilt nur für das der Ermittlung
selbst unterzogene Versuchsstück und nur für den Moment, in %\elchem das Ver-
suchsergebnis durch die Beobachtung zum Vorschein kommt. Richtig ist die er-
haltene Ziffer auch nur dann, wenn durch den Versuch selbst der Feuchtigkeitsgehalt
nicht geändert wurde. Es ist auch nur unter gewissen Voraussetzungen gestattet,
aus dem durch den Versuch ermittelten spezifischen Gewichte eines Probestückes
auf die Dichte des größeren Holzkörpers, dem das Probestück entnommen wurde,
einen Schluß zu ziehen oder die abgeleitete Ziffer für eine längere Zeitperiode gegen-
über dem betreffenden Holzkörper als giltig anzunehmen.
Aus dem Gesagten geht hervor, daß man zwischen der wissenschaftlichen Un-
tersuchung der Dichte des Holzes im Dienste der Forschung und zwischen der Be-
stimmung des spezifischen Ge\^ichtes zu irgend welchem praktischen Ziele wohl unter-
scheiden muß.
Die erstere muß auf alle Umstände Bedacht nehmen und kann ohne Gegen-
überhalt der mit der Dichte konnexen physikalischen Eigenschaften gar nicht be-
handelt werden; die letztere wird sich mit einer mehr oder minder scharfen Methode
begnügen, um ein Näherungsresultat zu erlangen, das für den gedachten technischen
Zweck genügende Anhaltspunkte bietet.
Wir wollen uns vorerst gerade der zuletzt angeführten, mehr empirischen Seite
der Frage zuwenden.
Es ist einleuchtend und allgemein bekannt, daß das Holz im lebenden Baume
oder unmittelbar nach der Fällung, das Holz ,,im Safte" bedeutend schwerer sein
muß als trockenes Holz, da dasselbe teils in den Zellhohlräumen, teils in den Zell-
wandungen eine verhältnismäßig große Menge von Wasser enthält. Je länger der
Trocknungsprozeß gedauert hat, desto mehr Wasser hat das Holz verloren, desto
leichter ist es geworden. Das Holz im lebenden Baume oder unmittelbar nach der
Fällung heißt waldgrünes oder grünes Holz, dessen Dichte Grüngewicht.
Durch die natürliche Trocknung im Freien entweicht ein großer Teil des in den Zellen-
räumen enthaltenen Wassers, dieses wird durch Luft ersetzt und nach einer gewissen
Zeit tritt ein Zustand relativer Trockenheit ein, in welchem man das Holz luft-
trocken nennt, dessen Dichte heißt dann Lufttrockengewicht. Allein
auch die im lufttrockenen Holze enthaltene Wassermenge ist noch immer ziemlich
beträchtlich. Wenn man daher das spezifische Gewicht möglichst wasserfreien Holzes
erfahren will, so muß das Holz durch Zufuhr von Wärme ,,k ü n s 1 1 i c h" g e-
trocknet werden. Man geht dabei gewöhnlich nicht höher als auf eine Tempe-
ratur von 100" C. und setzt das Verfahren so lange fort, bis eine Abnahme des Ge-
wichtes durch Verdunstung des Wassers nicht mehr ^\ ahrgenommen wird. Man
nennt das so getrocknete Holz : künstlich getrocknetes, gedarrtes
oder absolut trockenes und die Dichte könnte kurz mit Darrgewicht
bezeichnet werden.
Für den Bedarf der Technik genügt meistens die Angabe des Lufttrocken-
gewichtes. Die Danebenstellung des Grüngewichtes hat schon A\"enig Wert, des Darr-
ge^\•ichtes bedarf man in der Praxis schon gar nicht. Wohl aber ist das Darrge-
wicht (spezifische A b s o 1 u 1 1 r o c k e n g e w i c h t) für die Zwecke der
wissenschaftlichen Forschung von g r ö ß t e r W i c h t i g k e i t und
nicht zu umgehen, da es a 1 1 e i n eine feststehende, von dem Einflüsse des variablen
Wassergehaltes befreite Größe darstellt. Holz, das längere Zeit in trockenen, zeit-
weilig geheizten Räumen (Zimmern) aufbewahrt \nirde, hat einen Feuchtigkeits-
gehalt von et\\"a 10 bis 13 % (es ist zimmertrocken) ; Holz in geschlossenen Schuppen
Dichte des Holzes. § 1 j.
373
einen solchen von etwa 13 bis 17 "i, (lufttrocken), Holz in feuchten Räumen, im
Freien unter Dach oder in Kellern aufbewahrt, zeigt schließlich einen Feuchtig-
keitsgehalt von etwa 17 bis 22 °o (kellerfeucht).
Mit Rücksicht auf die Labilität des lufttrockenen Gewichtes, das sich ja jeden
Augenblick mit dem Feuchtigkeitsgehalte der atmosphärischen Luft ändert, mit
Rücksicht auf den Umstand, daß die spezifischen Gewielite im grünen und luft-
trockenen Zustande innerhalb derselben Holzart mit der Exposition des Baumes,
mit der .Jahreszeit, mit dem Klima, mit der örtlichen Lage im Baume selbst schwanken,
endlich im Hinblicke auf die unvermeidlichen Beobachtungsfehler bei den gewöhn-
lichen Bestimmungsmethoden ist es zweckmäßig, die Dichten nach G r e n z w e r-
t e n anzugeben.
Tabelle I.
Namen der Holzarten
Spezifisches Gewicht
Grün
Lufttrocken
Grenzen
Mittel-
zahl II
Grenzen
Mittel-
zahl
Ahorn (Bergahorn, .\cer pseudoplatanus L.) . . . .
„ (Feldahorn, Acer canipestre L.)
„ (Spitzahorn, Acer platanoides L.) ....
Akazie(Robinia Pseudacacia L.)
Apfelbaum (Pyrus malus L.) .
Aspe (Populus tremula L.)
Birke (Weißbirke, Betula alba L
Birnbaum (Pyrus communis L.l .
Buche (Rotbuche, Fagus sylvatica L.)
Cypresse (Cupressus fastigiata DC.)
Edelkastanie (Castanea vesca Gärtn.)
Eibenbaum (Taxus baccata L.)
Eiche (Stieleiche, Ouercus pedunculata Erh.) . . . ,
„ (Traubeneiche, Ouercus sessiliflora Lm.) . . . .
Elsbeerbaum (Sorbus torminalis Crantz)
Erle (Schwarzerle, Alnus glutinosa Gärtn.)
Esche (Fraxinus excelsior L.)
Feldrüster (Ulmus campestris L.)
Fichte (Rottanne, Picea excelsa Lk.)
Föhre (Weißföhre, gemeine Kiefer, Pinus sylvestris L.) .
„ (Schwarzkiefer, Pinus laricio var. austriaca Traft.)
„ (Weymouthskiefer, Pinus Strobus L.) . . . .
„ (Zirbelkiefer, Pinus Cembra L.)
Hopfenbuche (Ostrya vulgaris WilM )
Kirschbaum (Prunus avium L.)
Lärche (Larix europaea D. C.)
Linde, kleinblättrige (Tilia parvifolia Ehrh.)
Maulbeerbaum (Morus nigra L.)
Mehlbeerbaum (Sorbus .\ria Crantz)
Oelbaum (Olea europaea L.) ....
Pappeln (Populus sp.)
Platane (Platanus occidentalis L.)
Roßkastanie (.aesculus Hippocastanum L.)
Salweide (Sali.x caprea L.)
Tanne (Weißtanne, Edeltanne, Abies pectinata DC.) .
Wachholder (Juniperus communis L )
Wallnußbaum (Juglans regia L.) . . .
Weiden (Sali.x sp.)
Weißbuche (Carpinus Betulus L.)
Zwetschgenbaura (Pflaumenbaum, Prunus domestica L.)
0,83 — 1,04
0,87 — 1,05
0,90 — 1,02
0,75 — 1,00
0,95 — 1,26
0,61 — 0,99
0,80 — 1,09
0,96 — 1,07
0,90 — 1,12
0,84 — 1,14
0,97 — 1,10
0,93—1,28
0,87—1,16
0 87 — 1,13
0,63—1,01
0,70 — 1,14
0 73—1,18
0,40 — 1,07 j
0,38—1,03 (
0,90 — 1,11
0,45—1,02
0,65 — 1,05
0,52—1.00
0,61 — 0,87
0,87 — 1,18
1,02 — 1,21
0,78—0,99
0,76 — 1,04
0,73—0,97
0,77—1,23
1 02 — 1,12
0,91 — 0,92
0,92 — 1,25
0,87—1,17
0,94
0,96
0,96
0,88
1,11
0,80
0,95
1,02
1,01
0,99
1,04
1,11
1,02
1,00
0,82
0,92
0,96
0,74
0,70
1,00
0,74
0,88
1,05
0,93
0,81
0,74
1,02
1,12
0,75
0,89
0,90
0,85
1,00
1,07
0,92
0,78
1,09
1,02
0,53—0,79
0,61 — 0,74 i
0,56 — 0,81 l
0,58 — 0,85
0,66 — 0,84
0,43 — 0,56
0,51 — 0,7 7
0,71 — 0,73 j
0,66 — 0,83 i
0,60 — 0,72
0,74 — 0,94
0,69 — 1,03 !
0,53 — 0,96
0,69 — 0,89
0,42 — 0,64
0,57—0,94 j
0,56—0,82
0,35 — 0,60
0,31 — 0,74
0,38—0,76
0,31 — 0,56
0,57 — 0,78
0.44 — 0,80
0,32 — 0,59
0,73 — 1,02
0,84 — 1,12
0,61—0,68
0,52 — 0,63
0,43—0,63
0,37 — 0,60
0,53 — 0,70
0,65 — 0,71 j
0,62 — 0,82 '
0,68—0,90 ,
0,66
0,68
0,69
0,75
0,75
0,50
0,64
0,72
0,75
0,66
0,66
0,84
0,76
0,75
0,79
0,53
0 76
0,69
0,48
0,52
0,57
0,40
0,44
0,84
0,64
0,60
0,46
0,82
0,88
0,98
0,43
0,65
0,58
0,53
0,45
0,62
0,68
0,46
0,82
0,80
374 I^ •'^- E X n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
Das Grüngewicht der fremdländischen Hölzer ist nur in sehr wenigen vereinzel-
ten Fällen bekannt, und wir müssen uns daher darauf beschränken, die mittlere
Dichte im lufttrockenen Zustande nach einer Zusammenstellung von M o e 1 1 e r
u. a. hier vorzuführen:
Holzart. Dichte.
Amaranth (Copaifera bracteata) . . . 0,9
Bambus (Bambusa) 0,4
Brasilienholz (Caesalpinia brasiliensis) . . 1,1
Bruyere (Erica arborea) 1,0
Cocoholz (Inga vera) 1,3
Ebenholz, schwarzes (Diospyros Ebenum) 1,2
Eisenholz (Mesua sp.) 1,1
Fernambuk (Caesalpinia echinata) . . . 0.8
Grenadille (Brya Ebemis) (Dalbergia) 1,1—1,3
Grünholz (Nectandra sp.) 1,0
Guajak (Guajacum officinale) . . . 0,7 — 1,4
Jacaranda (.Jacarandra brasiliensis) . . 0,7
Kokus (Lepidostachys Roxburghii) . . . 1,4
Mahagoni (Swietenia Mahagoni) . . . 0,6 — 0,9
Padouk (Pterocarpus indicus) 0,7
Rosenholz (Convolvulus scoparius) . . . 1,0
Satinholz (Ferolia guyanensis) . . . . 1,0
Teak (Tectona grandis) 0,8
Veilchenholz (Acacia homalophylla) . . 1,1
Zebraholz (Omphalobium Lamberti) . . 1,1
Die hier eingeschalteten Tabellen dürften für die technische Praxis vollständig
ausreichen. Die Forstleute und Holzhändler, sowie die Holzindustriellen legen wohl
den Daten über spezifisches Gewicht eine höhere Bedeutung bei als die Ingenieure,
indem dieses direkt auf die Verwendung und die Transportkosten Einfluß nimmt,
andererseits als ein Wertmesser für die Härte, Festigkeit, Dauer, Brennkraft etc.
gilt. Um den Stand der Auffassung, die der gebildete Forstwirt von der Rolle
hat, welche die Dichte des Holzes spielt, zu charakterisieren, verweisen wir auf
G a y e r s Forstbenutzung, in welchem Werke ausführlich berichtet wird, von N\el-
chen Faktoren die Dichte des Holzes abhängig ist, resp. welche Umstände maßgeben-
den Einfluß auf das spezifische Gewicht einer Holzart nehmen.
Die Bestimmung des spezifischen Gewichtes zum Behufe der Erlangung von
beiläufig richtigen Ziffern mit Ausschluß der durch wissenschaftliche Zwecke ge-
gebenen Aufgaben erfolgt nach den allgemein gebräuchlichen Methoden unter der
Einhaltung gewisser, durch die Natur des Holzes gegebener Vorschriften ^).
§ 16. 2. D e r W a s s e r g e h a 1 1. Das grüne oder frische Holz enthält
beiläufig zur Hälfte seines Gewichtes Wasser. So schreibt man den harten Laub-
hölzem einen Jahresdurchschnitt an perzentualem Wassergehalt von 42, den weichen
Laubhölzem von 52 und den Nadelhölzern von 57 Gewichtsteilen zu. Das Wasser,
welches im grünen Holze enthalten ist, füllt die Zellräume zum großen Teile aus
und durchdringt die Zellwände. Nach der Fällung des Holzes beginnt sofort eine
Wasserabgabe an die atmosphärische Luft, welche quantitativ stets abnimmt. Das
Imbibitions- Wasser wird so lange verdunsten, bis ein gewisser Gleichsewichts-
1) Vergl. N ö rd 1 i n g e r a. a. O. (S. 115 u. ff.).
Der Wassergehalt. § IG. 375
zustand zwischen der Spannung der atmosphärischen Luft und dem Verdunstungs-
streben des Wassers im Holze eintritt: Das Holz ist lufttrocken geworden,
enthält aber in diesem Zustande, wie oben angegeben \\'urde, noch immer eine be-
deutende Quantität Wasser, deren Größe von der wasserhaltenden Kraft verschie-
dener Zellmembranen und Inhaltsstoffe abhängt. Dieses im lufttrockenen Holze
enthaltene Wasser kann man mit Recht hygroskopisches Wasser nennen,
indem sich der Gehalt desselben mit dem Feuclitigkeitszustande der Luft proportional
ändert. Die Wasserhaltungskraft des Holzes ist je nach der Holzart verschieden,
bei den Nadelhölzern größer als beim Laubholze. Das hygroskopische Wasser kann
nur auf dem Wege der künstlichen Trocknung aus dem Holze entfernt
werden. Beide Arten von Wasser, dasjenige, welches durch Dunstung von selbst
aus dem Holze austritt, und jenes, welches nur durch Wärmezufuhr beseitigt werden
kann, d. i. verdampft werden muß, bilden zusammen den \^' a s s e r g e h a 1 1 ,
welcher mit der Holzart, der Jahreszeit, dem Baumteile, dem Standorte etc. wechselt.
Das im Holze enthaltene Wasser ist nie chemisch reines Wasser und bekanntlich
wechselt die Menge und Art der gelösten Stoffe, Saftstoffe, bei derselben Holz-
gattung je nach dem Individuum, der .Jahreszeit, dem Klima etc.
So wie der Gehalt an hygroskopischem Wasser im lufttrockenen Zustande mit
der Witterung und mit dem Feuchtigkeitsgehalte der Luft wechselt, ab- und zunimmt,
so kann man dem Holze auch den gesamten Wassergehalt, den es beim Uebergange
vom grünen in den lufttrockenen Zustand verloren hat, wieder zuführen durch das
,,T ranken des Holze s", d. h. durch das Untertauchen des Holzes in Wasser
eine entsprechende Zeit hindurch.
Die Hölzer sind fähig, mehr Wasser aufzunehmen, als sie ursprünglich im frisch
gefällten Zustande besaßen, besonders dann, wenn beim Tränken durch eine höhere
Wassersäule ein besonderer Druck ausgeübt wird. Doch steht die Quantität des auf
künstlichem Wege dem Holze zugeführten und von diesem aufgenommenen Wassers
in einem appro.ximativen ^^erhältnisse zu der bei der Austrocknung verdunsteten
Wassermenge.
Das mit Wasser völlig getränkte Holz hat ein höheres Gewicht, als das Grün-
gewicht betrug. W e i ß b a c h beobachtete, daß auch frisch gefälltes Holz durch
Tränkung mit Wasser noch eine bedeutende Menge desselben aufzunehmen imstande
ist.
Speziell über das Wasser-Aufsaugungs- Vermögen stellte Forst-
verwalter L. H a m p e 1 in Gußwerk (Zentralblatt f. d. ges. Forstwesen, 1881) einen
Versuch an, der die aufgenommene Wassermenge in Prozenten des Volumens der
Versuchsstücke zum Ergebnis hatte. Siehe folgende Tabelle:
Holzart. Volumenprozente Wasseraufnahme.
Bergahom 58,671
Esche 47,322
Rotbuche 43,347
Kiefer 39,174
Birke 38,879
Ulme 36,360
Fichte 33,540
Eibe 33,036
Lärche 23,529
Um im nächsten Kapitel nicht wieder darauf zurückkommen zu müssen, sei
hier erwähnt, daß das Quellen lufttrockenen Holzes und die Wasseraufnahme nicht
376 IX A- E >; " e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
gleichen Schritt halten. Ersteres ist nach den Beobachtungen Weißbachs binnen
1% — ^2 Monaten beendigt, die Gewichtszunahme erfordert aber viele Jahre, um ihr
Maximum zu erreichen.
Nach den Beobachtungen J a n k a s betrug das schließliche, nach lOjähriger
Lagerung in Wasser konstatierte spezifische Wassersättigungsgewicht
beim Fichtenholze 1,125
1,130
1,148
1,134
1,162
1,188
beim Tannenholze . . .
beim Weißtöhrenholze. . .
beim Schwarzföhrenholze
beim Lärchenholze . . .
beim Rothuchenholze . .
Diese durch Wasseraufnahme hei-vorgerufene bedeutende Gewichtsvermehrung
ist für den Schwemmbetrieb sowie bei der Berechnung des Gewichtes der Holzwände
beim Schiffbau und des schließlichen Gewichtes der hölzernen Wasserräder nicht
ohne Bedeutung.
Den Gesamt- Wasser geh alt nennt man auch die absolute
Feuchtigkeit des Holzes. Zur Beftimmung derselben sind verschiedene, mehr
oder minder präzise JMethoden eingeschlagen worden. In jenen Fällen, wo es sich
um die Auffindung eines gesetzmäßigen Zusammenhanges zwischen dem Wasser-
gehalte und anderen physikalischen oder mechanisch-technischen Eigenschaften des
Holzes gehandelt hat, wurde natürlich getrachtet, ein möglichst zuverlässiges und
genaues Resultat zu erlangen. In dieser Beziehung sind bemerkenswert die Ver-
fahrungsweisen von :Chevandier und W e r t h e i m , B a u s c h i n g e r (,,Mit-
teilungSfi aus dem mechanisch-technischen Laboratorium der Kgl. Technischen Hoch-
schule in München", 1883), Tetmajer (,, Mitteilungen der Anstalt zur Prüfung
von Baumaterialien am eidgenössischen Polytechnikum in Zürich", 2. Heft, 1884),
endlich Hermann Schild (Mitteilungen aus den Kgl. Mech.-Techn. Versuchs-
anstalten in Berlin" IV. Jahrgang, 3. Heft, 1886) i).
Die letztangeführte Untersuchung ist eine erschöpfende Darstellung aller Ver-
hältnisse, welche auf die Richtigkeit des Resultates Einfluß nehmen können. Diese
höchst beachtenswerte Forschung führte eigentlich zu einem negativen Resultate,
nämlich zu der Erkenntnis, daß alle bisher gewählten IMethoden zur Bestimmung des
absoluten Wassergehaltes vollkommen richtige Ergebnisse zu liefern nicht geeignet
sind und daß bei Nadelholz zur Erlangung von für die wissenschaftliche Forschung
verwertbaren Daten Harzgehalts-Bestimmungen imerläßlich sind.
Alle bisher zustande gebrachten Versuchsergebnisse über den absoluten Wasser-
gehalt können daher nur als Nähemngswerte aufgefaßt werden.
Eine interessante Arbeit: ,jUeber den Einfluß der Feuchtigkeit auf den Längen-
zustand von Hölzern" -) rührt von R. Hildebrand her, welche folgende Punkte
umfaßt: 1. Untersuchungen über die Längenunterschiede von Hölzern in völlig
trockenem Zustande und dem Zustande der Feuchtigkeit, der durch gesättigte feuchte
Luft eintritt, die entsprechenden Wasserquantitäten und endlich den Einfluß der
vollständigen Tränkung der Hölzer mit Wasser; 2. die täglichen Schwankungen an
Gewicht und Länge und 3. inwieweit eine geeignete Behandlung des Holzes, als z. B.
Politur, Lacküberzug, Tränkung mit Paraffin usw. die Einflüsse der Feuchtigkeit
in bezug auf Länge und Gewicht hintanzuhalten vermag.
1) Siehe auch die Feuchtigl^eilsbestimmung in den \'orschriften für einheitliche Prüfungs-
verfahren für Holz, Seile 390 dieser Abhandlung.
2) Annalen der Physik und Chemie, Band XXXIV, Heft 2. Leipzig 1888.
Noluiasveränüerlichkeil. § 17. 377
§ 17. 3. V o 1 u 111 s V e r a n d e r 1 i c h k e i t. Es wurde sclion weiter oben
auseinanderiresetzt, daß die Abnahiiie an \\'asseri;ehalt heim Holze, ob sie sich nun
auf dem Wege der natürhchen Trocknung vollzieht, oder durch künstliche Zufuhr
von Wärme beschleunigt wird, eine X'erkleinenmg des Volumens zur Folge hat. Das
Seh w i n d e n , die Seh w i n d u n g oder die Schrumpfung vollzieht sich
jedoch nicht nach allen Richtungen im Holzkörper gleichartig. Das Holz ist auffal-
lend anisotrop.
Jene Größe, welche die Volumsveränderung an einer bestimmten Dimension
des Holzkörpers angibt, die mit einer der Hauptrichtungen im Stamme : Axe, Radius
oder Sehne zusammenfällt, nennt man lineares Seh wind maß, dasselbe
drückt die Schwindung in Prozenten der Längeneinheit aus.
Von dem linearen Schwindmaße ist zu unterscheiden die Flächenschwindung
und die Volumsschwindung, das ist die Differenz in der Oberflächenausdehnung
oder in dem gesamten Körperinhalte des Holzes, welche sich aus dem \'ergleiche
bestimmter Teile der Oberfläche oder des ganzen Körperinhaltes im grünen und
trockenen Zustande ergibt.
Die Oberflächen-Schwindung wird selten in Betracht gezogen; auch das lineare
Schwindmaß nach der Achsenrichtung des Holzes wird häufig seiner Geringfügigkeit
wegen unbeachtet gelassen. Dagegen interessiert den Techniker zumeist das lineare
Schwindmaß nach der radialen Richtung und bezüglich der Sehnenrichtung; den
Forstmann die gesamte Sch\^■indung des Körperinhaltes, die Volumen-Schwindung.
Nachdem die Schwindung die Folge der Abgabe von Wasserdünsten des Holzes
an die umgebende Luft ist, so richtet sich die Dauer des Schwindungsprozesses in
der Hauptsache nach der Dauer des Dünstungsprozesses. Genau genommen wird
jedoch im Anfange des Trocknens die Feuchtigkeit aus den offenstehenden Holz-
poren austreten. Der Austritt dieser zuerst sich verflüchtigenden Feuchtigkeit
äußert noch keine merkbare Wirkung auf die Dimensionen des Holzes. Je mehr
aber die Holzzellen ihre Feuchtigkeit im weiteren Verlaufe der Austrocknung ab-
geben, desto energischer tritt die Schwindung auf. Das Schwinden folgt also im An-
fange zögernd, später unmittelbar und mehr proportional der Wasserabgabe.
Aus demselben Grunde ist die Rückwirkung des Feuchtigkeitsgehaltes in der
Luft auf das ^'olumen des Holzes, sei sie eine Abnahme oder eine Zunahme, nicht
eine augenblickliche, sondern die Volumsverändei-ungen folgen allmählich oder, wie
Nördlinger sagt, ,,in einiger Entfernung" jenen Veränderungen des Feuchtigkeits-
zustandes im Holze, die es seiner Hygroskopizität verdankt.
Die Dauer des Schwindens ist konform der Dauer des Austrocknens bei den
weichen Nadelhölzern eine auffallend geringere, als bei den harten Hölzern. Das
langsam trocknende Kernholz schwindet langsamer, als der Splint.
Bei einer und derselben Holzart schwindet das spezifisch schwerere Holz stärker
als das leichtere.
Robert Hartig hat eine sehr bemerkenswerte Studie über den Einfluß
des Holzalters und der Jahrringbreite auf die Menge der organischen Substanz, das
Trockengewicht und das Schwinden des Holzes angestellt, welche
in mehreren Jahrgängen der ,,Untersuchungen des forstbotani-
schen Institutes ]klünche n" von 1882 ab publiziert ist.
Einen sehr bedeutenden Einfluß auf die Dauer der Schwindung und die Größe
derselben übt der Umstand aus, ob das Holz in vollkommen oder nur teilweise be-
rindetem Zustande oder gänzüch entrindet der Austrocknung unterzogen wird. Es
ist femer von Bedeutung, ob das Schwindmaß an aus dem Massiv des Holzes heraus-
378
IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
gearbeiteten axialen, radialen oder Sehnen-Stäben gemessen wird, oder ob man die
Schrumpfung der Radien und Sehnen an kompletten Stammscheiben untersucht.
Auch bei diesen stellen sich wesentliche Unterschiede heraus, wenn die Zusammen-
ziehung des Holzes durch einen Radialschnitt erleichtert wird. Nördlinger war
der erste, welcher eine rationell angelegte Forschung über die bei der Schwindung
auftretenden Erscheinungen angestellt hat. Er hat den Einfluß der Rinde auf die
Schwindung erwogen, ebenso die Schwindungs-Verhältnisse im Kern- und Splint-
Halbmesser, an den Kern- und Splint-Sehnen, je nachdem dieselben frei gelegt oder
im kompakten Holze befindlich waren.
Aus der Verschiedenheit des Kernes und Splintes in Beziehung auf ihr Ver-
halten beim Schwinden entstehen Erscheinungen, welche, wie das Klemmen,
das ist die Verengerung von Schnittfugen, zuerst von Nördlinger mit großer
Klarheit erörtert wurden.
Die N ö r d 1 i n g e r sehen Untersuchungsmethoden haben in wenigen ver-
einzelten Fällen noch weitere Ausbildung erfahren ^).
Nördlinger ließ sich bei seinen Arbeiten, welche gerade in dem Kapitel
,, Schwindung" besonders mustergültig sind, hauptsächlich von der Absicht leiten,
einerseits den Zusammenhang zwischen den Verschiedenheiten des anatomischen
Baues des Holzes, dem Wassergehalt in den einzelnen Teilen des Holzes im Baume
usw. und andererseits den Vorgängen bei der Schwindung aufzufinden. Bei diesen
Arbeiten steht Nördlinger als Botaniker und Holzanatom im Vordergrund.
Doch sind von ihm auch die Konsequenzen der Schwindungsverhältnisse bei ver-
schiedenen Holzsortimenten: Spalthölzern, Pfosten, Brettern usw., in so anschaulicher
Weise dargestellt worden, daß sich eine große Zahl von Autoren auf dem Gebiete
der Forstwissenschaft und Technik nicht versagen konnte, Nördlinger abzu-
schreiben und die erläuternden Figuren zu kopieren. So kommt es, daß man gewissen
graphischen Darstellungen der Form und Abmessungen von verschiedenen Holz-
sortimenten nach vollzogener Schwindung in einer großen Anzahl von Büchern neuen
und neuesten Datums begegnet. Wir können daher füglich darauf verzichten, noch-
mals eine Wiederholung dieser Darstellung unseren Lesern anzubieten. Der Voll-
ständigkeit halber müssen wir aber hier eine kleine Tabelle über das Schwindmaß
der technisch wichtigen Hölzer anfügen.
Schwindung
Schwindung
radial tangential
radial
tangential
Ahorn
2,56
4,90
Robinie
3,90
5.80
Birke
4,50
6,50
Rotbuche
4,65
8,36 2)
Eiche
3,08
5,52
Schwarzkiefer
2,79
4,82
Erle
3,16
4,15
Tanne
2,01
5,32
Esche
4,60
7,20
Ulme
3,27
5,10
Fichte
2,25
4,85
Weißbuche
6,09
9,00
Hopfenbuche
4,32
7,67
Weißkiefer
2,29
4,78 3)
Lärche
3,04
6,06
Weide
2,85
5,55
Linde
5.73
7,17
1) Siehe Schwindungs-\'ersuche in: W. F. E x n e r, Studien über das Rotbuchenholz;
Wien 1875 (S. 59).
2) E X n e r fand durch seine eigenen Untersuchungen bei Rotbuchenholz das Schwind-
maß des Radius in der vollen Scheibe mit 4%, das Schwindmaß der Sehnen in der vollen Scheibe
3) Vergl. die interessante Monographie: R. H a r t i g , .Das spezifische Frisch- und Trocken-
gewicht, der Wassergehalt und das Schwinden des Kiefernholzes." Berlin 1874.
Volumsveränderlichkeit. § 17. 379
M o e 1 1 e r beschränkt sich darauf, anzugeben, daß die Nadelhölzer im allge-
meinen am wenigsten schwinden und die gebräuchlichsten Tischlerhölzer nach der
Größe des Schwindmaßes in aufsteigender Reihe geordnet anzuführen wie folgt:
Ahorn, Pappel, Eiche, Ulme, Buche, Linde, Nuß.
Die Schwindung in der Faserrichtung beträgt durchschnittlich 0,1 %, in der
Sehnenrichtung durchschnittlich 10% und in der radialen Richtunc: durchschnittlich
5%. Von allen untersuchten Arten ausländischer Hölzer schwindet Mahagoniholz
am wenigsten, nämlich nach der Breite, im Sinne der Spiegel nur 1,09%, im Sinne
der Jahrringe nur 1,69%. —
Karmarsch knüpft an die einschlägigen Daten einer ?ehr vollständigen
Tabelle folgende Bemerkungen:
Von dem bedeutenden Unterschiede zwischen der Schwindung des Längenholzes und
jener des Querholzes überzeugt man sich oft an Zeichenbrettern u. dergl., welche mit soge-
nannten Hirnleisten oder eingeschobenen Gratleisten versehen sind, indem hier nach längerer
Zeit, wenn das Brett durch Eintrocknen schmäler geworden ist, die Enden der erwähnten,
nicht merklich verkürzten Leisten über den Band etwas vorspringen. — Hölzerne Gemäße
(zu Korn, Mclil etc.) werden häufig durch Rundbiegen eines — gespaltenen oder geschnittenen
— dünnen Eichenholzbrettes gebildet, wobei die Fasern in der Peripherie herum liesen. die
Gemätiwand ilirer Höhe nach aus Querholz besteht; auf solche Weise verfertigt, verkleinern
sie ihren Fassungsraum durch .\ustrocknung, oder vergrößern sie denselben durch Feuchtig-
keit bemerkbar mehr, als wenn das Gemäß aus Stäben (Dauben) zusammengesetzt ist; denn im
letzteren Falle ist in der Richtung der Wandhöhe Längenholz, welches viel weniger schwindet
und quillt. Nach genauen \'ersuchen vergrößerten Gemäße von rundgebogenem Eichenholze,
bei welchen die Tiefe sehr nahe dem inneren Durohmesser gleich kam, nachdem sie zuerst im
warmen Zimmer ausgetrocknet waren, durch achttägiges Verweilen in einem feuchten Keller
ihren Inhalt um 1 — 2^/5% (durchschnittlich nahe 2%); wogegen die Vergrößerung bei den
aus Stäben zusammengesetzten Gemäßen (halb so tief als weit) nur ^:\„ bis -'i°o (im Durchschnitt
etwa 73%) l>etrug.
Von Hölzern, welche geringe Unterschiede in den Abmessungen bei dem durch
den Feuchtigkeitsgehalt der Luft auftretenden Schwinden und Quellen zeigen, sagt
man, daß sie ,,gut stehen". Im Gegensatze hiezu bezeichnet der Sprachgebrauch
den Umstand, daß das Holz verschiedene Volumina annimmt, mit den Worten ,,es
arbeitet".
Ueber die Zunahme der Abmessungen des Holzes bei neuerlicher Steigerung des
Feuchtigkeitsgehaltes nach vorangegangener Austrocknung, die sogenannte Ouellung
des Holzes, wurde bereits an einer früheren Stelle, soweit es notwendig, gesprochen.
Bisher war nur von den Schwindungs-Erscheinungen die Rede, welche die
natürliche Austrocknung begleiten. Es kann nicht überraschen, daß die fortgesetzte
Trocknung auf künstlichem Wege auch zu einer Steigerung der Schwindung führt,
nachdem im Wege der künstlichen Trocknung noch ein Teil des Wassergehaltes aus
dem lufttrockenen Holze beseitigt werden kann. Die Schwindung vom nassen zum
lufttrockenen Zustande ist größer als diejenige vom lufttrockenen zum absolut-
trockenen Zustande.
Eingehende Studien über die Hygroskopizität und die damit zusam-
menhängenden Erscheinungen des Schwindens und Quellens
der Hölzer hat J a n k a unter dem Titel : ..Die Einwirkung von Süß- und Salzwässern
auf die gewerblichen Eigenschaften der Hauptholzarten" veröffentlicht *). Es wurden
Rundklötze der Fichte, Tanne, Weißkiefer, Lärche, Rotbuche, Eiche, Ulme, des
Ahorns und Walnußbaumes, teils von der Sommer-, teils von der Winterfällung
1) Mitteilungen aus dem forstlichen \ersuchswesen Oesterreichs. XXXIII. Heft. Die Ein-
wirkung von Süß- und Salzwässern auf die gewerblichen Eigenschaften der Hauptholzarten.
I. Teil. Untersuchungen und Ergebnisse in mechanisch-technischer Hinsicht. \ on G. Janka.
II. Teil. Untersuchungen und Ergebnisse in chemischer Hinsicht, ^■on Dr. N. Lorenz R. v.
Liburnau. Wien 1907.
380
IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
herrührend, in stehendes und fließendes Süßwasser, in Salzsolen-Mutterlauge und
in I\Ieer\vasser eingebettet, um die Wirkungen zu studieren, welche das Wasser auf
die Eigenschaften des Quellens, Schwindens und Reißens, dann auch auf die Druck-
festigkeit der so behandelten Hölzer ausübt. Selbstverständlich wurden die gleichen
Eigenschaften auch an unausgelaugtem Vergleichsholze erhoben. Die Feuchtigkeits-
verhältnisse, das Schwinden und Quellen wurden teils an den von Nördlinger empfoh-
lenen Scheibenproben (60grädigen Kreissektoren), teils an Pfosten und Brettern
ermittelt, die aus den Rundhölzern erzeugt worden waren.
Bezüglich der Hygroskopizität, welche sich aus der Zunahme des Feuchtig-
keitsprozentsatzes der lufttrockenen Schwindungsscheiben nach 5monatlicher Lage-
rung in stets feuchter Luft in ziffermäßiger Höhe ergab, \\'urde konstatiert, daß das
Süßwasser-Auslaugholz am wenigsten, das Salzwasser-Auslaugholz am stärksten
hygroskopisch war; die Zunahme an hygroskopischer Feuchtigkeit ist aus der nach-
folgenden Tabelle II zu ersehen. Korrespondierend mit der Feuchtigkeits-Zu- oder
Abnahme tritt natürlich auch die Ouellung beziehungsweise Schwindung des Holzes
auf, so daß das in Süßwasser geschwemmte Holz weniger quillt und schwindet als das
nicht ausgelaugte Holzmaterial, während sich das in Salzwasser präparierte Holz
vermöge seiner vermehrten Hygroskopizität verschieden verhält. Die Größe des
Schwind- und Ouellmaßes ist für die untersuchten Holzarten gleichfalls aus der
Tabelle H zu entnehmen.
Tabelle II.
Lineare Schwindung.
Lineare Quellung.
Zunahme
Mittelwert zwischen
Kern- und Splintholz,
und tangentialer
an hygroskopischer
zwischen radialer
Feuchtigkeit beim
Schwindung vom
Quellung vom
Holzart
unaus-
gelaug-
Süß-
Salz-
nassen zum lufttrockenen
Zustande
lufttrockenen zum feuchten
Zustande
ten
Ver-
wasser-
Aus-
wasser-
Aus-
in Prozent des nassen
in Prozent des luft-
gleichs-
laug-
holz
laug-
holz
Zustandes
trockenen Zustandes
holz
Unge-
schwemm-
tes Holz
In Süß- Salz-
wasser ge- wasser-
schwemm- Auslaug-
tes Holz holz
TJnge-
schwemm-
tes Holz
In Süß- Salz-
Wassergehalts-P
rozente
wasser ge- wasser-
schwemm-j Auslaug
tes Holz 1 holz
Fichte
11,56
9,78
14,71
3,72
3,63
2,96
2,56
2,24
2,49
Tanne
10,06
9,13
13,89
3,03
3,01
2,38
2,13
2,00
2,02
Weißkiefer
10,20
8,52
13,06
3,61
2,66
2,53
2,26
1,56
1,88
Lärche
10,03
9,66
12,81'
4,21
3,36
3,21
2,60
2,13
2,56
Rotbuche
11,21
9,64
15,13
5,86
5,30
4,75
3,39
2,78
3,52
Eiche
8,87
8,62
9,23
4,04
3,73
3,92
2,28
2,03
2,47
Ulme
10,60
8,83
15,40
4,21
4,39
3,67
2,42
2,12
2,57
Ahorn
11,07
9,88
16,32
3,37
3,54
2,90
2,39
2,18
2,24
Nuß
11,10
8,00
8,75
3,85
3,56
3,48
2 22
1,73
1,80
Aus Tabelle H ergibt sich, daß die lineare Schwindung vom nassen (waldgrünen)
zum lufttrockenen Zustande bei dem in Salzwasser ausgelaugten Holze am kleinsten,
beim ungeschwemmten Vergleichsholze am größten ist, weil das Salzholz infolge der
hygroskopischen Wirkung des Salzgehaltes bei der Trocknung zum lufttrockenen
Zustande unter sonst ganz gleichen Bedingungen die meiste Feuchtigkeit zurückhält
und daher nicht so schnell austrocknet und schwindet wie das weniger hygroskopische
ungeschwemmte und das in Süßwasser ausgelaugte (geflößte) Holz. Dagegen quillt
Folgen der Hygroskopizität und Nolumsveränderlichkeit. § 18. 381
das in Süßwasser geschwemmte Holz, ^\■em^ es nach der Austrocknung Gelegenheit
findet, Wasserdunst aus der umgebenden Luft anzuziehen, am wenigsten, ist also
am schwächsten hygroskopisch, während das unausgelaugte Holz dabei die stärksten
linearen (und Volums-)Veränderungen erleidet.
Es ist nicht möglich, an dieser Stelle auf die weiteren Ergebnisse dieser umfangreichen
Untersuchungen über die Wirkungen der .\uslaugung des Holzes durch Süß- oder Salzwasser
einzugehen, und es muß in dieser Hinsicht auf die obige Abhandlung verwiesen werden. Die
Schlußfolgerungen, welche Janka aus seinen Untersuchungen zieht, seien hier jedoch kurz an-
gefütirt; sie lauten: „Das Auslaugen des Holzes in Süßwasser, also das Flößen, Schwemmen und
Triften, vielleicht auch schon das öftere Begießen mit Süßwasser, übt auf die gewerblichen
und industriellen Eigenschaften desselben einen vorteilhaften Einfluß aus, indem es die Hygro-
skopizität und damit sie Schwindung und Ouellung vermindert und auch die unangenehme
Eigenschaft des Reißens etwas einschränkt: auch bezüglich der Dauer dürfte das Süßwasser-
Auslaugholz dem ungeschwemmten Holze überlegen sein.
Das in Salzwasser präparierte Holz hat zwar auch eine geringere Schwindung als das
unausgelaugte Holzmaterial, aber nur infolge seiner durch den höheren Salzgehalt bewirkten
vermehrten Hygroskopizität; die Folge davon ist ein stärkeres Quellen und .arbeiten, wenn es
wechselnd feuchter Luft ausgesetzt wird: es reißt auch weniger als ungeschwemmtes Holz.
Es ist also für industrielle und gewerbliche Zwecke die Auslaugung des Holzes in Süßwasser
nur wärmstens zu empfehlen, zumal auch die Farbe des Auslaugholzes, sofern nicht zu unreines
oder schlammiges Wasser zur Verwendung kommt, nicht leidet, — und es ist von diesem Stand-
punkte aus eigentlich zu bedauern, daß man in der Forstwirtschaft von der Trift und Flößerei
allmählich zum Landtransport übergeht.
Die Präparation des Holzes in Salzwasser dagegen könnte, natürlich nur dort, wo solches
Wasser unentgeltlich zur Verfügung steht, also bei den Salinen und am Meeresstrande, für
solche ^■erwendungszwecke empfohlen werden, bei welchen die erhöhte Hygroskopizität und das
dadurch bedingte Arbeiten unter dem Einflüsse wechselnder Feuchtigkeit der Luft nicht störend
wirkt, dagegen mehr die Dauer des Holzes in Frage kommt, — also zu Bau- und Konstruktions-
hölzern im Hoch- und Brückenbau, im Erd- und Grubenbau, zu Eisenbahnschwellen, Holz-
stöckelpflaster und dergl. — L'numgängliche ^'oraussetzung dabei ist aber, daß das .\uslaug-
holz vor seiner ^'erwendung wiederum vollständig lufttrocken geworden. Wohl aber ist stärker
salzhaltiges Holz für feinere industrielle Zwecke ausgeschlossen, da das aufgenommene Salz,
namentlich bei Berührung mit Eisen und in feuchter Luft, immer wieder ausblüht und dabei
jeden Holzanstrich durchbricht."
Wir können dieses Kapitel nicht schließen, ohne jener bemerkenswerten Arbeit
zu gedenken, welche, im Auftrage der Direktion der Domänen und Forste des Kantons
Bern im Jahre 1877 ausgeführt, im .Jahre 1883 anläßlich der schweizerischen Landes-
ausstellung revidiert, ergänzt und publiziert \\'urde. Der Forstinspektor J. A. F r e y
in Münster hat nämlich die Gewichts- und Volums- Veränderung an einer Reihe juras-
sischer Waldbäume untersucht, indem aus dem frischen Holze Würfel von 1 dm Seite
hergestellt und dann in 4 Stadien der Austrocknung. ,. sommertrocken". ..abgetrock-
net", „ausgetrocknet" und ,,dürr", endlich im verkohlten Zustande in Beziehung
auf spezifisches Gewicht und Volumen untersucht wurden. Wenn man sich auch
über die absolute Richtigkeit, respektive Brauchbarkeit dieser Erhebungen ebenso-
wenig als der Versuchsansteller Illusionen hingeben darf, so dürfte es doch im Hin-
blick auf die relative Richtigkeit der Versuchsergebnisse begründet sein, hier ein
Resümee derselben mitzuteilen.
(Siehe Tabelle III, Seite 382.)
§ 18. 4. Folgen der Hygroskopizität und \' o 1 u m s v e r-
ä n d e r 1 i c h k e i t. Nachdem das Schwinden in den den verschiedenen Baum-
teilen zugehörigen Holzkörpern, wie oben gezeigt \\Tirde, in verschiedenem Maße
stattfindet und dabei außerdem wieder in jedem Teile für sich verschieden nach den
Hauptabmessungen ist, so ergibt sich von selbst, daß das Schwinden nicht nur zu
einer A'olums-\'erkIeinerung. sondern auch zu einer Gestaltsveränderung führt,
welche um so mehr die Bezeichnung ,,D e f o r m a t i o n" verdient, als die durch das
Schwinden hervorgerufene neue Gestalt meistens für die gewerbliche \"erwertung,
bezw. weitere Verarbeitung des Rohstoffes unbequem ist.
382
IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
Tabelle III.
Grün
Sommer-
trocken
Ausgetrocknet
Dürr
Verkohlt
Name der
Holzarten
-5
Spczif.
Gewicht
o-S
c
o
1
Totales
Schwind-
maß
i.2
c
ü
S
3
"o
>
Totales
Schwind-
maß
Spczif.
Gewicht
c
o
E
3
'S
>
Totales
Schwiiid-
ccm
%
ccm
0/
/o
ccm
%
Eiche
1,0745
0,9852
0,804
939
SA
0,766
867
13,1
0,387
648
35,2
Esche
0;8795
0,8304
0,771
916
8,4
0,746
835
16,5
0,371
523
47,7
Buche
1,0288
0,8160
0,747
616
8,4
0,700
856
14,4
0,319
569
43,1
Kiefer
0,8734
0,7828
0,678
933
6,7
0,662
865
13,5
0,351
492
50,8
Ulme
0,9166
0,7502
0,635
930
7,0
0,595
885
11,5
0,284
586
41,4
Eibe
0,9030
0,7106
0,696
979
2,1
0,642
911
8.9
0,262
804
19,6
Ahorn
0,9210
0,7044
0,637
966
3,4
0,604
911
8,9
0,247
693
30,7
Aspe
0,8809
0,6898
0,515
922
7,8
0,463
879
12,1
0,179
672
32,8
Lärche
0,7633
0,6112
0,607
831
6,9
0,560
895
10,5
0,238
733
26,7
Weißtanne
0,8041
0,5878
0,527
954
4,6
0,510
886
11,4
0,214
713
28,7
Linde
0,7690
0,5810
0,505
889
11,1
0,484
831
16,9
0,240
511
48,9
Rottanne
0,5266
0,4931
0,487
939
6,1
0,457
887
11,3
0,193
729
27,1
Ebenso A\ird ein im trockenen Zustande zugerichteter oder verarbeiteter Holz-
körper durch die Aufnahme von Feuchtigkeit und das daraus resultierende Anquellen
gleichfalls eine neue Gestalt annehmen, und diese Deforniation wird häufig den bei
der Verarbeitung vor Augen gehabten Zweck vereiteln, nicht selten zur Zerstörung
oder Verminderung des Wertes oder der Gebrauchsfähigkeit des Objektes beitragen.
Dieses Verhältnis, welches im allgemeinen mit , .Werfen des Holzes" bezeichnet wird
— das Holz ,, wirft" oder ,, verzieht sich" — , tritt in um so drastischerem Maße auf,
je größer der Abstand in dem Verhalten der zu einem Holzkörper organisch ver-
bundenen Holzteile ist. Die verschiedenen einzelnen in der Praxis vorkommenden
Fälle des Schwindens von Halbholz, Viertelholz, Kantholz, Brettern, Spaltholz usw.
sind in der Mehrzahl der Lehrbücher abgehandelt und zu bekannt, um hier neuer-
dings erörtert zu werden.
Kann sich die aus dem Schwinden oder Quellen entspringende Deformation
nur dadurch vollziehen, daß an einzelnen Teilen die Kohäsion der Holzsubstanz
überwunden wird, so entstehen Spalten, Klüfte oder Risse, man sagt dann: ,,das
Holz reißt". Meistens sind diese Art von Rissen als aus der Schwindimg entspringende
Fehler des Holzes zu erkennen, man nennt sie ,, Schwindrisse", ,, Trockenrisse" und
je nach der Lage derselben ,, Strahlenrisse", wenn sie von der Peripherie des Holzes
ausgehen; ,, Kernrisse", wenn sie aus der Achse des Baumes entspringen und sich
gegen den Umfang zu verlieren.
Beim Reißen des Holzes können entweder „weitklaffende Sprünge" oder viele
kleine Rißchen (,, Luftrisse") entstehen; das letztere schädigt den Gebrauchswert
natürlich in geringerem Maße.
Die Behandlung des Holzes vor, während und nach der Fällung, die gänzliche
oder teilweise Entrindung, das sukzessive Vorgehen bei der Entrindung, verschiedene
Maßregeln zur Verlangsamung des Trocknungsprozesses, namentlich an den Hirn-
flächen, femer Vorkehrungen mechanischer Art gegen die Deformation: alles das,
vereinzelt oder nach Gruppen vereinigt, bildet das Verfahren, welches von dem Prak-
tiker eingeschlagen wird, um das ,, Sichwerfen" und ,, Reißen" des Holzes zu ver-
mindern oder bis zu einem gewissen Grade unschädlich zu machen. Dieses Gebiet
bildet ein dankbares Feld für das Vorurteil, aber ebensosehr eine Domäne der prak-
tischen Erfahrung. Es kann nicht unsere Sache sein, hier die verschiedenen Rezepte
Elastizität und Festigkeit. § 19. 333
beglaubigten oder nicht beglaubigten Ursprunges für die Behandlung des Holzes
anzuführen. Es ist vielmehr Sache der Technologie, den Holzindustriellen zu lehren,
wie er mit den Eigentümlichkeiten des Holzes zu rechnen hat, welche im Gefolge
des Schwindens und Quellens des Holzes auftreten.
ni. 3Iecliaiiisch-techuische Eigenschafteu.
§19. .l.ElastizitätundFestigkeit. Die Kenntnis der Elastizitäts-
und Festigkeits-Eigenschaften des Holzes, welche in die Gruppe „m ec hanische
Eigenschaften" fallen, ist bis in die jüngste Zeit sehr zurückgeblieben.
Bei dem stetigen raschen Fortschritte, welchen die mechanische Technik über-
haupt genommen hat, überrascht es, daß wir gerade auf diesem einen Gebiete — mit
Ausnahme der Ergebnisse, welche den verflossenen letzten Dezennien angehören —
nur wenige positive Daten besitzen.
Die Wichtigkeit solcher Versuche, welclie uns zuverlässige Aufschlüsse über
die ,, Qualität" der verschiedenen Konstruktionshölzer geben, braucht wohl nicht
erst besonders hervorgehoben zu werden, da über die ,, Bedeutung des Holzes als
Baumaterial" ja kaum ein Zweifel besteht. Nicht nur wissenschaftlichen Speku-
lationen, sondern auch den praktischen Bedürfnissen sollte die Vornahme jener
^'eräuche in erster Linie dienen, welche die Ermittlung obiger Eigenschaften zum
Gegenstand hat.
Dem Techniker brauchbare Daten über die Festigkeits-Eigenschaften der Hölzer
zu geben, ist zunächst der leitende Gedanke gewesen, ^\•elcher den Versuchs-An-
stellern vorschwebte, und erst im ^\'ege der Diskussion der gewonneneu Resultate
ist die Frage reif geworden: ,,In welchem Zusammenhang steht der Bau des Holzes
mit den mechanischen Eigenschaften desselben?" Die Lösung dieser Frage erheischt
zunächst, eine Relation zu finden zwischen den mechanischen Eigenschaften des
Holzes und den physikalischen, z. B. der Dichtigkeit und dem Feuchtigkeitsgehalt
des Holzes. Die Bekanntschaft mit jenen Beziehungen, welche zwischen den mecha-
nischen und physikalischen Eigenschaften des Holzes bestehen, ist aber andererseits
notwendig, da sonst ein Vergleich jener gewonnenen Resultate, die unter verschie-
denen Verhältnissen, vorzugsweise bei verschiedenen Feuchtigkeitsgraden der Probe-
stücke, angestellt wurden, unmöglich wäre. Hier stehen wir aber vor einer Aufgabe,
welche eine Fülle von im gegenseitigen Abhängigkeits-Verhältnis sich befindlichen
Faktoren in sich vereinigt.
Schon aus der einfachen Aufzählung der wichtigsten Eigenschaften des Holzes,
welche hier in Zusammenhang zu bringen sind, läßt sich auf die Ausdehnung der
Versuche und die Schwierigkeiten schließen, welche sich dem Forscher entgegen-
stellen.
Die Hauptfragen sind : Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Elastizität
und Festigkeit des Holzes und dem spezifischen Gewicht und dem Feuchtigkeitsgehalt
desselben; wie verhalten sich die ersteren Eigenschaften sowohl in Beziehung auf
die Höhenlage der Probestücke im Stamme selbst als auch gegenüber der Lage im
Querschnitt, d. i. in Beziehung auf die Nord-, Süd-, West- und Ostseite; in welchem
Abhängigkeits-Verhältnis stehen Kernholz, Reifholz und Jahrringbreite zu den ge-
nannten Eigenschaften? Nebst diesen Beziehungen, welche auf den anatomischen
Bau des Baumes Rücksicht nehmen, besteht aber noch der Zusammenhang der
Festigkeits-Eigenschaften mit der eigentlichen Holzsubstanz, ihrer Qualität und
chemischen Zusammensetzung.
384 IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
Stellen nun die im Voranstehenden gegebenen Fragen schon ein überaus großes
Arbeitsgebiet für den Forscher dar, so erweitert sich dasselbe noch in beträchtlichem
Maße dadurch, daß alle oben angeführten Eigenschaften auch in Beziehung zu bringen
sind mit den Fragen nach dem Einfluß des Bodens und der Fällungszeit des Holzes
auf dessen mechanische und physikalische Eigenschaften. Berücksichtigt man femer,
daß der Einfluß der Fällungszeit und des Standortes auf die Dauerhaftigkeit
des Holzes zu obigen Fragereihen hinzutritt, wodurch erst die in Rede stehenden
Forschungsaufgaben als nahezu erschöpfend aufgezählt zu betrachten sind, so dürfte
die Fülle des sich darbietenden Materiales erkannt werden, welches aber dadurch
noch einen geradezu überwältigenden Umfang nimmt, wenn man bedenkt, daß die
Erforschung obiger Daten sich nicht nur auf eine Holzart zu beziehen hat,
sondern auf eine nicht unbeträchtliche Zahl von Holzarten auszudehnen ist, da die
zur praktischen Verwendung gelangenden europäischen Hölzer allein schon bekannt-
lich eine stattliche Reihe ausmachen.
§ 20. Bevor wir auf die gewonnenen Resultate selbst übergehen, wollen wir
im Nachstehenden die für das Verständnis dieses Kapitels notwendigen Definitionen
und Formeln der Festigkeitslehre wiedergeben und bemerken, daß wir uns in der
Bezeichnung der Festigkeitsformeln an jene durch Prof. J. Bauschinger ge-
wählte anschließen.
Unter Festigkeit versteht man den Widerstand, welchen ein fester Körper
der Trennung seiner Teile entgegenstellt, oder mit andern Worten, jeneKraft, welche
zur Aufhebung ihres Zusammenhanges notwendig ist.
Elastizität ist der Widerstand, den ein fester Körper der vorübergehenden
Formänderung entgegensetzt.
Im gewöhnlichen Leben versteht man unter Elastizität jene Eigenschaft, welche
ein Körper äußert, wenn derselbe bei einer durch die Einwirkung einer äußeren
Kraft erlittenen Veränderung der Lage seiner Teile zueinander bestrebt ist, nach
Aufhören dieser Kraftäußerung wieder in seine ursprüngliche Gestalt zurückzukehren.
Ein Körper kehrt entweder vollständig in die frühere Lage seiner Teile
zueinander zurück oder nur teilweise, und dabei gibt es eine Grenze des Ge-
bietes des ersten Falles der Elastizität, welche man mit dem Ausdrucke Elasti-
zitätsgrenze bezeichnet ; man versteht demnach hierunter den äußersten Grad
der Formänderung, bis zu welchem man sicher ist, daß der Körper nach Beseitigung
der auf ihn einwirkenden Kraft wieder in seine ursprüngliche Form (Lage seiner
Teile) zurückkehrt. Es gibt Körper, die sofort bei der Inanspruchnahme über die
Elastizitätsgrenze hinaus in Stücke zerspringen (spröde Körper) und solche, die noch
eine weitere Formveränderung zulassen (geschmeidige, zähe Körper).
Elastizitätsmodul (das Maß der elastischen Nachgiebigkeit eines Ma-
teriales) ist die Spannung (Kraft pro Flächeneinheit des Querschnittes), bei welcher
ein prismatischer, in seiner Längenrichtung beanspruchter Körper innerhalb seiner
Elastizitätsgrenze um seine ganze Länge ausgedehnt oder zusammengepreßt werden
könnte, falls dies die Substanz zulassen würde.
T r a g m o d u 1 ist die Spannung, welche der Elastizitätsgrenze entspricht.
Der Zug- und Druckfestigkeit entsprechen ein Zug- und Druck- Tragmodul.
B r u c h m o d u 1 hingegen nennt man die Spannung, welche den Bruch des
Holzes herbeiführt.
Alle !\Ioduli drückt man in Kilogrammen aus und bezieht sie auf einen Quadrat-
Zentimeter Querschnitt; sollten jedoch große Kräfte zur Ueberwindung der mecha-
nischen Eigenschaften (bei Verwendung großer Querschnitte) erforderlich sein, so
Die verschiedenen Arten von Festigkeit. § 21. 385
drückt man die Kräfte bequemer in Tonnen u lUOO kg aus und gibt die ^uersclinilt-
fläche in Quadrat-Zentimetern an. Außerdem kann man die Moduli in Atmosphären
ausdrücken (at. unter Atmosphäre 1 kg pro qcm verstanden).
§ 21 . Die verschiedenen .\ r t e n von Festigkeiten, w eiche
wir zu unterscheiden haben, sind folgende:
a) Zugfestigkeit oder a b s o 1 u t e F e s t i g k e i t . d. i. der Wider-
stand, welchen das Holz der Trennung seiner Teile durch Zerreißen oder Abreißen
entgegensetzt, w enn Kräfte in der Richtung der Fasern ') ziehend oder spannend
wirken ;
b) 0 u e r - Z u g f e s t i g k e i t . der ^^'iderstand. den das Holz gegen das
Zerreißen leistet, vorausgesetzt, daß die Richtung des Zuges rechtwinkehg gegen die
Lage der Fasern ^) steht.
c) Druckfestigkeit oder rückwirkende Festigkeit. Ist die Kraft
gerade entgegengesetzt der Zugfestigkeit, so wird der Körper auf seine Druck-
festigkeit beansprucht, vorausgesetzt, daß die Länge des Stabes im Vergleiche
zu dessen Querschnitts- Abmessungen nicht zu groß sei. Ist die Länge des Stabes
so viel mal größer als seine Ouerschnitts-Abmessungen , daß dem Bruche eine
Durchbiegung vorangeht, so wird der Stab auf
d) Zerknickungs- oder Säulen-Festigkeit beansprucht, denn
hier kommt neben der D r u c k- auch die Biegungs-Festigkeit gleich-
zeitig in Betracht.
e) Die Biegungs-Festigkeit oder relative Festigkeit, d. h.
der Widerstand gegen das Zerbrechen, wobei das Holz an einem Ende oder an beiden
Enden unterstützt (befestigt) ist und eine Kraft rechtwinkelig gegen die Fasern, sowie
gegen die Hauptdimension (Länge) des Stückes wirkt.
Die Biegsamkeit des Holzes läßt sich ausdrücken durch die äußerste
Größe der Biegung, welche unter festgesetzten Umständen ein an seineu beiden Enden
unterstützter, in der Mitte seiner Länge belasteter Stab annimmt, bevor er bricht.
In diesem Sinne gebraucht man dafür auch den Ausdruck Zähigkeit. Frisches
(grünes), durchnäßtes und gedämpftes Holz ist in viel höherem Grade biegsam oder
zäh als trockenes. Sofeme das Holz nach solcher Behandlung die ihm aufgezwungene
Form beibehält, spricht man von dessen F o r m b a r k e i t.
f) Die D r e h u n g s- oder Torsions-Festigkeit ist der Widerstand,
welchen ein Körper der Verdrehung um seine geometrische Achse entgegensetzt.
g) Die Festigkeit gegen das Verschieben oder Abscherungs-
Festigkeit (Schubfestigkeit), welche sich äußert, wenn durch eine in der Rich-
tung der Fasern oder senkrecht zu derselben wirkende Kraft ein Teil der Fasern
längs der übrigen Holzmasse fortgeschoben oder fortgezogen und dadurch von der-
selben abgetrennt oder abgerissen werden soll.
h) Die Spaltungsfestigkeit, d.i. der Widerstand gegen Trennung
der Fasern durch einen zwischen sie eindringenden, keilförmigen Körper. Geht diese
Trennung leicht vor sich, so bezeichnet man diese Eigenschaft als S p a 1 1 b a r k e i t.
Nach den Ebenen der Spiegelfasem ist diese in der Regel größer als nach der Sehne
der .Jahresringe; gar nicht „spaltbar" sind die Maserhölzer.
i) H ä r t e ist der Widerstand des Holzes gegen das Eindringen eines beliebigen
Körpers in dasselbe; Schnittfestigkeit der \\iderstand speziell gegen das
Eindringen eines schneidigen ^^'erkzeuges.
1) Bezeichnet mit // zur Faser.
2) Bezeichnet mit J_ zur Faser.
Handb. d. Forstwiss. 3. Auti. II. 2o
ggg IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
§ 22. Der Lehre von der Elastizität und Festigkeit der ^Materialien, die uns
Aufschluß über die Widerstände gibt, welche feste Körper den auf sie von außen
einwirkenden Kräften entgegenstellen, sind die nachstehenden Formeln entnommen,
welche zur Berechnung der durch Versuche gewonnenen Daten erforderlich sind.
1 . Zug- und Druckfestigkeit.
Die Belastung P, welche ein auf Zug- oder Druckfestigkeit in Anspruch ge-
nommener Körper zu tragen vermag, ist:
wobei A 1 die Verlängerung beziehungsweise Verkürzung der ursprünglichen Länge I
des Stabes für die Belastung P, F den Querschnitt des Stabes und £ den Elastizitäts-
modul bezeichnet.
2. Z e r k n i c k u n g s- oder Säulen-Festigkeit.
Die Bruchbelastung P eines auf Zerknicken beanspruchten Stabes ist, je nach
der Befestigungsweise der Stabenden, wenn:
1. ein Ende fest (eingeklemmt), das andere frei ist,
P-'li^-
4 1-2'
2. beide Enden frei und in der ursprünglichen Achse geführt,
P =
£0
12 '
3. ein Ende fest, das andere frei in der Achse geführt,
p = 2r'-i-^-
4. beide Enden fest und in der ursprünglichen Stabachse geführt,
P = 4::^ —
— 12 '
wobei 1 die Länge der Säule, 6 das Trägheitsmoment des Querschnittes in der Mitte
des Stabes und £ den Elastizitätsmodul bezeichnet.
3. Biegungsfestigkeit.
Die biegende Kraft
P = 5 — j- oder S = ;i j^j-,,
wobei S die Biegungsspannung in den äußersten Fasern, P die in der Mitte konzen-
trierte Kraft, 1 die Spannweite, b und h des Querschnitts Breite und Höhe bezeichnen.
Bedeutet s den Elastizitätsmodul, (-) das Trägheitsmoment des Querschnittes
und f den Biegimgspfeil, so ist
_ , P13 , Pia
^ ~ '^Sf.e ~ ■• fbhä-
4. Torsions-Festigkeit.
Bezeichnen :
t die Maximalschubspannung, welche beim kreisförmigen Querschnitt ringsum
in der Peripherie, beim quadratischen in den Seitenmitten, beim elliptischen an den
Enden der kleinen Halbachse und beim rechteckigen Querschnitt in den Mitten der
Langseiten stattfindet,
T das Torsionsmoment = der Kraft P mal dem Hebelarm 1, an welchem die
Kraft P wirkt,
Material-Pnifiingsmascliinen. § 23. 387
w die durch dasselbe hervorgebrachte Verdrehung zweier Querschnitte gegen-
einander;
r den Radius des Kreises, auf welchem w als Bogen gemessen \\ird;
e die gegenseitige Entfernung jener beiden Querschnitte;
F den Flächeninhalt und
0' das polare Trägheitsmoment eines Querschnittes, bezogen auf dessen Schwer-
punkt ;
a, b die große und kleine Halbachse eines elliptischen oder die große und kleine
Halbseite eines rechteckigen Querschnitts, speziell aber
a den Radius eines kreisförmigen oder die Halbseite eines quadratischen Quer-
schnittes,
Ha das Trägheitsmoment des Querschnittes in bezug auf eine, durch seinen
Schwerpunkt gehende, mit der Achse a zusammenfallende, oder mit der Seite a
parallele Momentenachse und
Yj den Schubelastizitätsmodul, so ist
T
T = x' ;=r- b und
Wa
T r-)'
^ = ^,vFi*^''-
In diesen Formeln bedeuten x und x' Koeffizienten, welche für die verschie-
denen Querschnittsformen nach Saint-Venant folgende Werte besitzen:
Für den kreisförmigen und elliptischen Querschnitt ist
" X = 47:- = 39,48 und x' = 0,5
für den rechteckigen Querschnitt mit dem Seitenverhältnis:
1 : 1 ist x = 42,68 und x' = 0,75
1 : 2 ist X = 42,00 und x' = 0,75
1 : 4 ist X = 40,20 und x' = 0,75
5. Abscherungs-Festigkeit.
Bezeichnet man mit P die abscherende Kraft in kg, F den abgescherten Flächen-
inhalt in qcm, so hat man als Maß für die Abscherungs- oder Scherfestigkeit
^ = 1-
Es stellt also die Scherfestigkeit die Kraft in Kilogrammen vor, welche not-
wendig ist, um eine Fläche von 1 qcm abzuscheren; d. h. ist die abscherende Kraft
parallel zur Richtung der Holzfaser, so ist die Scherfestigkeit jene Kraft in Kilo-
grammen ausgedrückt, welche erforderlich ist, um die Parallelkohäsion von 1 qcm
zu überwinden.
§ 23. Die Beschreibung der bei den Versuchen benützten Maschinen mit in den
Rahmen dieser Arbeit aufzunehmen, würde viel zu weit führen, doch halten wir es
für angemessen, jene Quellen anzugeben, aus denen die Konstruktion der Versuchs-
apparate entnommen werden kann. Eine kurz gehaltene Uebersicht der Literatur,
welche die Versuchsreihen der verschiedenen Autoren enthält, wairde bereits in der
.,Einleitung" gegeben. Die Resultate, welche ältere Autoren gefunden haben, hier
zu benutzen, halten wir nicht für angezeigt. Wohl ist es höchst lehrreich, die Art
und Weise der Durchführung auch dieser älteren \'ersuche zu verfolgen, da sie zeigen,
mit welch gering\vertigen technischen Hilfsmitteln die \'ersuche durchgeführt wurden;
die Resultate bewegen sich aber innerhalb so weit voneinander entfernter Grenzen,
woran nicht nur die Heterogenität des Versuchsmateriales, sondern vielmehr auch
die primitiven Versuchsapparate Schuld tragen, daß dieselben für die praktische Be-
25*
388 IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
nutzung kaum mit Vorteil Anwendung finden können. Wir beschränken uns daher
auf die \^"iedergabe der Versuchsresultate, welche die neueren Forscher gefunden
haben, aus dem Grunde, weil dieselben mit Versuchsstücken größerer Dimension
und mit Versuchsapparaten gearbeitet haben, welche die Ablesung der Beobachtungs-
resultate entweder gleich genau oder doch mit nahezu gleicher Präzision zuließen.
Zu den vollkommensten Festigkeits-JMaschinen gehört die Maschine von L u d-
wig Werder, welche von der Maschinenbau-Aktiengesellschaft ,, Nürnberg",
vormals Klett u. Co. ausgeführt wird. Die zu dieser Maschine gehörigen Instrumente
zum Messen der Gestalts-^'eränderung der Probekörper, konstniiert von Prof. .J.
Bausc hinger, werden in dem mechan .-technischen Laboratorium der K. Techn.
Hochschule in München ausgeführt. Die Beschreibung der Maschine sowohl als der
dazu gehörigen Instrumente ist in der von der genannten Fabrik publizierten Schrift:
,,Die I\Iaschine zum Prüfen der Festigkeit der Materialien, konstruiert von L. W e r-
d e r", München 1882, zu finden.
Mit dieser Maschine sind sowohl die Versuche von Bau sc hinger durch-
geführt worden als auch jene, welche der Vorstand der eidg. Anstalt zur Prüfung von
Baumaterialien in Zürich Prof. L. T e t m a j e r und der Professor an der k. k. tech-
nischen Hochschule in Wien Karl v. Jenny bezüglich der Festigkeit des Holzes
unternommen haben.
Auch die neueren Versuchsreihen, herrührend von M. R u d e 1 o f f . wurden
auf der Werderschen Maschine durchgeführt. Die Untersuchungen über die Druck-
festigkeit des Holzes von Dr. A. S c h w a p p a c h wurden mit der Festigkeits-
probiermaschine von Pohlmeyer vorgenommen, während bei den größeren Probe-
körpem die 500 Tonnen-Maschine Bauart Hoppe zur Anwendung gelangte. Beide
Maschinen standen dem Versuchsansteller in der Charlottenburger Materialprüfungs-
Anstalt zur ^^erfügung, %\ährend A. H a d e k und G. J a n k a eine 130 Tonnen-Presse
von der Firma Amsler-Laffon u. Sohn in Schaffhausen benutzten, welche mit einem
Spiegel-Apparat System Martens ausgerüstet war. Letzterer dient bekanntlich zur
Beobachtung der äußerst geringen Längenveränderungen, welche das Holz durch
Druck parallel zur Faser iimerhalb seiner Elastizitätsgrenze erleidet und deren Mes-
sung zur Berechnung der Druck-Elastizitätskoeffizienten erforderlich ist.
Nebst den Arbeiten der letztgenannten Autoren sind noch zu berücksichtigen:
Die Untersuchun-gen von Karl ;\I i k o 1 a s c h e k , w elcher sich der G o 1 1 n e r-
schen Fesligkeitsmaschine bediente (siehe ,, Technische Blätter" .Jahrgang 1877 bis
1884) und die Arbeiten von Prof. Ernst H a r t i g , welcher seine ^^ersuche mit
einem Schlagapparat, ausgeführt in der Sächsischen Maschinenfabrik zu Chemnitz,
vorgenommen hatte.
Jene Untersuchungen von W. F. E x n e r , welche gelegentlich der ,, Studien
über das Rotbuchenholz, ^^■ien 1875" in Beziehung auf die rückwirkende Festigkeit
dieses Holzes angestellt worden sind, wurden mit einer englischen liydraulischen
Presse durchgeführt, welche eine Drucksteigerung bis zu 12 000 kg auf die Preß-
kolbenfläche von 25,51 Quadrat-Zentimeter zuläßt. Mit dem gleichen Apparate sind
jene Untersuchungen vorgenommen worden, welche zur Lösung der Frage der tech-
nischen Verwendung des Ailanthus-Holzes mit besonderer Berücksichtigung des
Wagenbaues (siehe Mitteilungen des Techn. Gewerbe-Museums Nr. 62) in Ausfüh-
ung gebracht wurden i).
1) Eine sehr hübsche, übersichtliche Darstellung' der Einrichtung und Ausrüstung aller
wichtigeren mechanisch-technischen Laboratorien findet man in der Monographie: The LIse and
Equipment of Engineering Laboratories by Alexander Blackic William Kennedy, London: Publi-
shed by the Institution o} Civil Engineers, 1887.
Arbeitsplan für Holzuntersuchungen. § 24. 339
§ 24. Um die II o 1 z u u t e r s u c h u n g e n auf eine einheitliche
Grundlage zu stellen und zu erreichen, daß die von verschiedenen Versuchs-
stellen erhaltenen Ergebnisse untereinander vergleichbar sind, wurde auf dem
Kongreß des Internationalen Verbandes für die Materialprüfungen der Technik zu
Brüssel im Jahre 1906 ein Arbeitsplan für die Prüfung von Holz
auf seine technischen Eigenschaften vereinbart, der unter Mit-
wirkung von Forstleuten und Technikern unter dem Vorsitze Prof. Dr. Schwappachs
nach dem Referate Prof. Rudeloffs ausgearbeitet worden war. Es scheint uns am
Platze, die Grundzüge dieses Arbeitsplanes für die Untersuchungen des Holzes we-
nigstens in kurzen Umrissen hier vorzuführen.
Diese Gi-undsätze für einheitliche Verfahren zur Prüfung von Holz enthalten:
I.Angaben über den Ursprung des M a t e r i a 1 e s.
n. Aeußere Kennzeichen der Eigenschaften.
III. Die Prüf ungs verfahren.
IV. Die Probenentnahme.
I. Die Angaben über den Ursprung des Materials erstrecken sich
auf den Standort, die Standortsgüte, die Art des Bestandes und die Wachstums-
verhältnisse sowie das Alter der Bäume, die Fällungszeit, die Art der Lagerung und
des Trocknens von der Fällung bis zur Prüfung und die Lage des Versuchsstückes
im Stamme.
II. Als äußere Kennzeichen der Eigenschaften des Holzes
sind anzugeben: Das Aussehen des Längsschnittes oder der Spaltfläche und des
Querschnittes, also die .Jahrringbiklung und Jahrringlagerung, worunter auch die
Daten bezüglich des Spätholzprozentes inbegriffen sind.
III. Bei den Prüfungsverfahren wird grundsätzlich festgestellt, daß
die Proben zunächst an ast- und fehlerfreiem ^laterial vorgenommen werden sollen,
oder doch wenigstens die Ergebnisse für astfreies und astiges Material auseinander-
zuhalten sind.
A. Zur Kennzeichnung der Festigkeitseigenschaften eines Bauholzes dient an
erster Stelle der Druckversuch, der Biegeversuch und der Schei-versueh ; Zug- und
Spaltversuche sind nicht obligat, werden aber anempfohlen. Als Belastungsge-
schwindigkeit wird die Laststeigerung von 20 kg auf 1 cm- in der Minute festgesetzt.
Der Feuchtigkeitsgehalt der Probe ist zu ermitteln, die Beobachtungswerte sollen
womöglich auf den Feuchtigkeitsgehalt von 15% (Normalfeuchtigkeitsgehalt) redu-
ziert werden.
1. Beim Druckversuch ist zu ermitteln: Die Spannung an der Pro-
portionalitätsgrenze, der Elastizitätsmodul, die Bruchspannung und die \'erkürzung
Druckfestigkeit
mit fortschreitender Belastung bis zum Bruche, dann der Quotient — ., _, — .-r^
spezif. Gewicht
beim Normalfeuchtigkeitsgehalt. Als Form des Probekörpers für gewöhnliche Druck-
versuche gilt der Würfel, für Druckelastizitätsuntersuchungen das Prisma, dessen
Länge der Sfachen Oucrschnittskantc gleich sein soll. Bei Untersuchung ganzer
Stämme sind die Proben in der Art aus dem Stammquerschnitt zu entnehmen, daß
eine Diagonale der quadratischen Druckfläche des Probekörpers einen Halbmesser
des Stamniquerschnitt,s bildet; bei Sonderuntersuchungen sind Probenentnahmen
derart anzuwenden, daß inimer 2 Seiten des Probekörpers möglichst tangential zu
den Jahrringen verlaufen.
2. Der Biegeversuch wird an prismatischen Stäben in der Art durchge-
führt, daß der Stab an beiden Enden unterstützt und in der Mitte durch eine Einzel-
390 '^ ^' E \ n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
last auf Biegung beansprucht wird. Der Reiter, d. i. die Zwisclienlage zwischen der
Angriffsschneide der Maschine und dem Probebalken, besteht aus hartem Holz und
wird in seinen Dimensionen genau vorgeschrieben. Die Entnahme der Biegeproben
aus dem Stammquerschnitt erfolgt analog wie bei der Entnahme der Druckproben.
Die Stützweite der Biegebalken soll mindestens gleich der Sfachen Stärke des Balkens
sein; sie wird mit l,ö m festgesetzt. Ermittelt werden beim Biegeversuch: Die Pro-
portionalitätsgrenze, der Elastizitätsmodul, die Bruchspannung, der Verlauf der
Durchbiegungen mit fortschreitender Belastung bis zur Bruchlast zur Verzeichnung
des Biegungsdiagrammes, die Biegungsarbeit bis zur Proportionalitäts- und bis zur
Bruchgrenze. Die Biegungsarbeit ist auf einen Normalbiegestab von 10 X 10 cm
Querschnitt und 1,5 m Stützweite zu beziehen, um die Werte für Stäbe von ver-
schiedenen Abmessungen vergleichbar zu machen.
3. Der Scherversuch ist an prismatischen Proben einschnittig auszu-
führen und soll sich auf die Ermittlung der Festigkeit radial und tangential zu den
Jahrringen erstrecken. Der Angriff der Belastung erfolgt stets von Hirn aus; die
Scherbacken sollen nicht über 10 cm breit sein, die Breite der Proben bei Radial-
schnitt nicht über 50 mm, bei Tangentialschnitt nicht über 30 mm betragen; die
Länge der Proben in der Kraftrichtung soll gleich der 4fachen Breite der Scherbacken
sein. Ermittelt wird die Bruchspannung, bezogen auf den vollen Probenquer-
schnitt.
4. Zur Ermittlung der Zugfestigkeit in der Längsrichtung der Faser
dienen Flachstäbe, die aus Spaltstücken herausgearbeitet werden sollen. Die Dicke
der Stäbe beträgt 1 cm, die Breite mindestens 2 cm, die Versuchslänge 22 cm.
5. Der S p a 1 1 v e r s u c h \\ ird an kluppenförmigen Proben in der von Nörd-
linger eingeführten Form durchgeführt; die Dimensionen der Spaltfläche sind
2,5 X 4,0 cm ; beobachtet wird die Bruchlast.
B. Der Feuchtigkeitsgehalt ist in Prozenten des Absoluttrocken-
gewichtes anzugeben ; er ist möglichst unmittelbar an den ganzen Festigkeits-
proben, andernfalls an Scheiben von 2 — 5 cm Stärke zu ermitteln, welche möglichst
nahe der Bruchstelle quer zur Faserrichtung entnommen sind und den ganzen Proben-
querschnitt umfassen. Die Trocknung der Proben behufs Ermittlung des Feuchtig-
keitsgehaltes erfolgt im Trockenkasten bei 95 — 98° C. Als Normalfeuchtigkeitsgehalt,
auf welchen Gewichts- und Festigkeitszahlen zu reduzieren sind, ist derjenige von
15% anzunehmen.
C. Das spezifische Gewicht (Raumgewicht) wird entweder stereo-
metrisch aus den Abmessungen sauber bearbeiteter rißfreier Proben oder mittels
Eintauchverfahrens nach der verdrängten ^^'assermenge ermittelt. Die Zahlen\\erte
für das spezifische Gewicht sind auf einen einheitlichen Feuchtigkeitsgehalt (15 °o)
umzurechnen.
D. Die Veränderung des Rauminhaltes des Holzes durch Schwinden und
Quellen wird ent\\eder unmittelbar mittels Eintauchverfahrens an Stücken be-
liebiger Form oder durch Berechnung aus den Längenänderungen prismatischer
Proben senkrecht und tangential zu den Jahrringen sowie in der Längsrichtung der
Faser ermittelt, wobei gleichzeitig auch die Gewichtsänderungen der Probehölzer
anzugeben sind.
E. Bezüglich der Dauer des Holzes sind bestimmte Vorschläge für eine
einheitliche Prüfung noch nicht festgesetzt. Nach den Vorschlägen von Prof. Dr. Tu-
beuf dürfte sich hiezu am besten die lufizierung der auf Dauer zu untersuchenden
Hölzer mit dem lebenden Mycel des Hausschwammes und die Beobachtung der
Versuchsrcsultate von Mikolaschek. § 26. 39I
Zersetzungserscheinungen, die sich in der \'erminderung des spezifischen Gewichtes
des Hülzes äußern, eignen.
IV. Betreffs der E n t u a h in e der 1' r n 1) e n aus ganzen Stämmen wird
zur Ermittlung von Durchschnillseigenschaflen vurgesclilagen, einen Abschnitt zur
Ausforniung der Biegeproben zwischen 7 und 10 m Höhe vom Boden aus, die Proben
zu den übrigen Versuchen unmittelbar ober- und unterhalb der Biegeproben zu ent-
nehmen. Zur Erprobung der Stämme auf Verwendbarkeit zu Tragbalken und Sti'itzen
von bestinnnter Länge soll die Mitte der Biegeproben tunlichst mit der .Mitte der Ge-
brauchsstücke zusammenfallen. Bei Untersuchungen über den Einfluß der Höhenlage
der Probe am Stamm soll der unterste Abschnitt zur Ermittlung der Druckfestig-
keit und des spezifischen Gewiclites 1,3 m über dem Boden (Brusthöhe) gelegen sein,
die weiteren Abschnitte in je 6 m Abstand dem Stamme entnommen werden. Um
die durchschnittliche Beschaffenheit des Holzes eines bestimmten Standortes fest-
zustellen, sind mindestens 3 Stämnae zur Untersuchung heranzuziehen.
§ 25. Im Nachstehenden geben wir nun im Auszuge die Resultate
jener Versuchsreihen, welche mit den eben zitierten Maschinen von den folgenden
Autoren gewonnen wurden:
Karl Mikolaschek, Untersuchungen über die Elastizität und Festigkeit
der wichtigsten Bau- und Nutzhölzer Böhmens. Mitteilungen aus dem forstlichen
Versuchswesen Oesterreichs Band II, Heft I, Wien 1879.
K. Jenny, Untersuchungen über die Festigkeit der Hölzer aus den Ländern
der ungarischen Krone. Budapest 1873.
Dr. W. F. E X n e r , Studien über das Rotbuchenholz. Wien 187.Ö.
Georg Lauboeck, die technische Verwendung des Ailanthus-Holzes
mit besonderer Berücksichtigung des Wagenbaues. Mitteilungen des Technologischen
Gewerbe-Museums Nr. 62. 1885.
Dr. E. H a r t i g , Untersuchungen über den Einfluß der Fällungszeit auf die
Dauerhaftigkeit des Fichtenholzes, ausgeführt an der Kgl. Sachs. Forstlichen Versuchs-
station zu Tharandt und am Kgl. Sachs. Polytechnikum zu Dresden. 1876.
L. T e t m a j e r , Methoden und Resultate der Prüfung der schweizerischen
Bauhölzer. Zürich 1883 und Zürich 1896.
J.Bausc hinger, Untersuchungen über die Elastizität und Festigkeit von
Fichten- und Kiefern-Bauhölzern; IMitteilungen aus dem mechanisch-technischen
Laboratorium der K. Technischen Hochschule in JMünchen, 1883 und 1887.
M. R u d e 1 o f f , Bericht über die im Auftrage des Herrn Ministers für Land-
wirtschaft, Domänen und Forsten ausgeführten Holzuntersuchungen. Berlin 1889.
Dr. A. S c h w a p p a c h , Untersuchungen über Raumgewicht und Druck-
festigkeit des Holzes wichtiger Waldbäume. I. Die Kiefer. Berlin 1897. — II. Fichte
Weißtanne, Weymouthskiefer und Rotbuche. Berlin 1898.
A. H a d e k und G. .J a n k a , Untersuchungen über die Elastizität und Festig-
keit der österr. Bauhölzer. I. Fichte Südtirols. Wien 1900.
G. J a n k a , Untersuchungen über die Elastizität und Festigkeit der österr.
Bauhölzer. II. Fichte von Nordtirol, vom Wienerwalde und Erzgebirge. Wien 1904,
und III. Fichte aus den Karpathen, aus dem Böhmerwalde, Ternovanerwalde und
den Zentralalpen. Technische Qualität des Fichtenholzes im allgemeinen. Wien 1909.
§ 26. Die ^'ersuche von Mikolaschek hatten den Zweck, die Elasti-
zität und Festigkeit der wichtigsten Bau- und Nutzhölzer Böhmens li i n-
sichtlich der Lage des Holzes im Stamme selbst zu ermitteln.
Die Untersuchungen erstreckten sich auf 14 verschiedene Holzarten. Von diesen
392 IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
Hölzern wurde vom untersten Teile sowie von jenem Teile des Stammes, der in einer
gewissen Höhe über dem Stocke lag, und endlich vom Astliolz je ein meterlanges
Stück samt Rinde entnommen und der Untersuchung auf folgende Arten von Festig-
keit unterzogen:
1. Zugfestigkeit in der Richtung der Fasern,
2. Druckfestigkeit in der Richtung der Fasern,
3. Biegungsfestigkeit,
4. Torsionsfestigkeit,
5. Abscherungsfestigkeit sowohl in der zu den Fasena parallelen als auch in
einer darauf senkrechten Richtung.
Bei den ersten vier Festigkeitsarten wiarden bestimmt: Die Elastizitätsgrenze
sowie die Formveränderungen an derselben, der Elastizitätsmodul innerhalb der
Elastizitätsgrenze, die Bruchgrenze und bei den Biegungs- und Torsionsversuchen
auch die bleibenden Formveränderungen an derselben. Bei den Abscherversuchen
konnte natürlich bloß die Bruchgrenze bestimmt werden.
Zur Erprobung des Holzes auf seine Zugfestigkeit in der Faser-
r i c h t u n g wurden Probestücke von rechteckigem Querschnitte gewählt. Die
Probestücke waren sämtlich aus nahe der Mitte des Querschnittes gelegenen Teilen
desselben entnommen. M i k o 1 a s c h e k hat bei allen Festigkeitsuntersuchungen
jeder einzelnen Holzart folgende Baumteile in Berücksichtigung gezogen: Unter-
trumm, Mitteltrumm und Astholz, ^^'ir beschränken uns im Nachfolgenden auf die
Wiedergabe der hauptsächlichsten ^■ersuchsresultate, das sind jener, welche sich auf
das ■Mitteltrumm beziehen.
Die Probelänge der Versuchsstücke bei den Zugversuchen betrug 17 Zen-
timeter. Die bei den Druckversuchen verwendeten F'robestücke waren von
prismatischer Form und zwar dem Würfel sein- genähert; die Höhe der Versuchs-
stücke betrug ca. 6 Zentimeter.
Zur Vornahme der Biegungsversuche N\'urden Probestücke von recht-
eckigem Querschnitt gewählt und dieselben auf die Hochkante gestellt. Die Spann-
weite betrug 0,5 Meter der frei aufliegenden Stäbe.
Die für die T o r s i o n s v e r s u c h e verwendeten Probestücke hatten einen
kreisförmigen Querschnitt und waren mit quadratischen Köpfen versehen, mit wel-
chen sie in die Maschine zentrisch eingepaßt wurden. Die Länge der Probestücke
betrug 40 Zentimeter. Zur Bestimmung der \'erdrehungen wurde nur eine Faser
beobachtet, was hier, wo die Formveränderungen regelmäßig sind, ohne Beeinträch-
tigimg der Genauigkeit geschehen konnte. Dem Biaiche ging häufig eine bedeutende
(bis 160 Grad) Verdrehung voraus und trat mit dieser eine starke ^'erkürzung des
Stabes auf.
Bei den A b s c h e r v e r s u c h e n wurden zylindrische Probestücke von kreis-
förmigem Querschnitte verwendet, und zwar war der Durchmesser bei sämtlichen
Stücken nahezu gleich (ca. 3,55 Zentimeter). Jedes Probestück wurde auf seine
Scherfestigkeit sowohl in der Faserrichtung als auch quer gegen dieselbe untersucht.
(Siehe Tabelle IV, S. 393).
Aus diesen Versuchsresultaten, welche sich auf die Ergebnisse des Mitteltrumms^)
der einzelnen Holzarten beziehen, und aus jenen, welche M i k o 1 a s c h e k für das
Untertrumrn und Astholz gefunden hat, ließen sich folgende Schlußresultate zusam-
menfassen :
1) Das Mitteltrumm ist bei den verschiedenen Stämmen in der HöIie von i— 12 Meter über
dem Stocke entnommen worden.
Versuchsresultate von Mikolasclick. § 26.
393
Surmioi.MOSBj
*l
r»
X
0^
o^
_
r-
r-
„^
^
Ol
t*
Ol
3
jnz io||B.icd i!0>i
1 00
r-
w"
x"
..•s"
— "
0"
^P
[^
— "^
— "
— T
0"
co"
i
-SnsajJaiiasqv
lO
M
CO
-^
0
"
r-
—
•'
S
l*
Oi
t-
t^
SunmotjaasBj
01^
v-5
tn
CO
>-•;
0
"*-.
^
■*
©^
^
c^
0
■j:
jnz janb iia>i
! w*
cT
-T
m"
-T
cT
CO*
r-
r»
0"
r-
x"
'S
CO
<
-SnssjJaqosqv
1 Ol
t^
'M
CO
?'
CO
t*
w
1-1
CO
Ol
-^
CO
CO
r-
CO
0
X
i^
Ol
I>
^
0
X
»-^
o
_
1.0
X
1
lTO>i^!)saj
:c
"^
CO
l-*
— ^
^^
CO
00
CO
Ol
x^
oc^
N
1
w"
■V
co"
cT
CO*
0"
-f
co"
co"
<o
-suoisjox
i 'n
0
0
0
CD
-T-
0
t^
X
Ci
6
X
p-
0
o
o
03
w
0
0
0
?t
0
0
0
0
0
0
0
©
0
Ü
inpoiu
§
t-
0
t>
CD
0
»n
in
CO
CO
Ol
Ol
0
Ci
CO
0
■Ji
-SIEJIZIJSBia
0
x*
0
X
lO
w
CO
CO
Ol
CO
0
X
CD
Ol
O
tri
O
H
Tjt
-<?<
:d
-r
*"•
in
Ci
0
r-
t^
:^
l>
X
azuajS
0
CD
(?]
0
Ol
0
Ci
0
0
0
Ol
CD
Ci
CO
-H
M*
-siE^iznsEig
0-
cc"
co"
iC
Co"
r-
o~
0"
t-T
cT
«■
00'
Ol"
00"
m
'Jl
OJ
Ol
Ol
^
CO
«
•^
00
y;
_
0
0
ro
0
^
-—
-*<
^
CO
0
Ol
lta>lgns3J
<*J
""l
0
'^l
0
"'^
^„
""^
o_
CD
Ci
in^
CD
0
3i
a
-sSungatg
1
CO
CO
CO
C5
x
x"
00
oT
X
0"
0
0
OJ
CO
oT
CO
[>
■
3
■^
■^
N
in
CO
rfi
0
in
in
CO
ZD
■*
CO
"3
C3
<0
2
©
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
©
>
inpoui
S
00
0
CO
0
in
X
CD
co
0
Ci
CD
CD
Ci
0
0
CD
©
CO
©
ä
-siejiznsBia
CO
3
0*
0
u
00
CD
M
Ol
CO
-:H
X
CO
Ci
CO
0
0
CO
CO
c
c*
CO
0
[>
CD
:o
t>
t>
in
CO
r-
0
CO
!>■
.S
0
0
0
C5
0
0
in
0
in
■*
0
0
•M
!>•
iS
azuajS
c-
'-^^
CO
0
0
X
0^
Ol
^
Ci
X
X
0.
,^
-+
:d'"
^
x"
^
■^
cT
0"
cd"
Ol
1^
Ol"
«^
-siEjiznsBia
c»
^I
i>
«H
-r
0
i>
0-
X
r^
<^
E
iH
"^
Ol
_
-^
oa
01
— '
to
—
Ol
CO
c
06
Eh
m
^
0
_
^_
Ol
..
Ol
_
-^
^
~ tc
jianSnsajJionja
0
^„
öi
^^
--^
X
:d
^„
CO
^
0
Ol
di
X
0^
0
^
i>
[>
i>r
OJ
ocT
x"
T}«
-t
L'T
"-- —
ainiosqv
^
0
y:
•— (
wl
in
!>•
in
CO
rf
X
r-
CD
-*
o — t:J
^
CO
CO
w
CO
'-'
i-H
N
(N
OJ
Ol
Ol
CO
Ol
CO
- » J:5
o G. «
t7 bc s-
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
t^ c <^
c b w
inpoiu
0
^
t--
ö
5
C
0
r-
■3
0
0
0
1
CO
©
-S}E)!Z!}seia
CM
ID
•^
^
^
X
—
c
^
CD
-r
-*
1
CD
CO
-*
CO
Ci
Si
0
CD
CO
Ci
c*
CD
H.a t.
(N
^
^
"^1!
0
0
CO
0
0
X
CO
Ci
[>
CO
0
0
m
©
azuajS
Ca
«^
vn
»n
o
■^
Ol
X
in
■^_^
(■^
t-
"V
0
co"
co"
rT
irT
cd"
■*
cc"
r^
co"
Ol"
CO
^ —
-s-(eiizi]SEi3
'
-#
X'
0
^4
OJ
Ol
Ol
X
rt
Ol
s
Ol
ro
3>1
7]
*'
•'
""
~"
'"'
OJ
— i
~"
"
Ol
Ol
—3
I>-
:£
c:
Ol
r-
„
ir-
^
CO
CD
Ci
—
iiaiiSnsaiSnz
[>
üT
cd"
er"
co"
in"
_r
Ol"
0"
cT
_r
in"
r^"
rt"
iü
t>
CO
0
■^
m
c-
ir-
CO
in
r-
X
oi
r:<
■3 =
1
W
c*
iO
CO
CO
CO
(N
co
cc
in
■^
so
CO
CD
0—3
— ä S
0
0
0
o
^
0
-.
-
^
-
0
0
©
©
3 w .ü
inpoui
S
C
CD
Z
0
ZU
?.
i
X
0
Ol
c
^
0
-S}B)!Z!;sBi3
oi
0
N
co
X
0
^
Ol
0
^
X
in
§
m
Ci
X
CD
©
= lfc
■^
■^
■^
1-H
■^
■^
■^
iH
'"'
1-t
1-1
N "^ .
1 -si
0
0
0
0
0
0
0
0
0
t"
©
GzuajJo
'
0^
CD
^
X
CO
0^
X
•^
in
c-
— _
in
^"v
x_^
M)
00
x"
i-o"
Ci"
0"
x"
Ci"
=
-S1EHZn?B(3
■^
■^
TZ
r^
c:
^
0
^
c;
Ol
--
—
CD
CO
X
"
"
~
~
?]
Ol
71
—3
0
&-
0
a
■3
^
0
S3
ii
i:
2
0
ü
ü
'S
c
0
ü
ii
'S
'v
0
.ä
—
ü
33
L.
Ä
ü
"T
r^
"
~
JZ
£i
'S
~
c:
"y
g
C3
>
~
-^
r^
C2
£
3
p
ij
;
^
c
■^
J
>■
■jr.
>'
:£i
ffl
^
—
H
iß
394 IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschatten der Hölzer.
1. Aus den Zugversuchen: ,,Die Zug-Elastizitätsgrenze zeigt sich im
allgemeinen bei dem Untertrummholze höher als beim Mitteltrummholze und diese
liegt in manchen Fällen sehr bedeutend höher als jene beim Astholz.
Die Elastizitätsgrenze für Zug liegt zirka zwischen 0,"2 und 0,5 des Wertes
der absoluten Zugfestigkeit (Bruchgrenze). Der Elastizitäts-Modul zeigt sich bei
allen Holzarten beim Mitteltrummholze am größten, beim Untertrummholze kleiner,
jedoch in den meisten Fällen hier noch immer größer als beim Astholze.
Die absolute Zugfestigkeit (Bruchgrenze) zeigt sich dagegen hauptsächlich beim
Unterholze größer als beim Mittelholze und Astholze.
Es stellt sich somit nach den Zugversuchen heraus, daß das Unterholz nicht
nur eine größere Elastizität, sond,ern auch eine größere Festigkeit besitzt als das
Mittelholz, welchem eine größere Steifheit zukommt. In bezug auf die Festigkeit
steht das Astholz dem Mittelholze nach, bezüglich der Elastizität dagegen hält es
zwischen dem Unter- und Mittelholz die Mitte.
Der Bruch erfolgte bei den meisten Stäben nicht in einem Querschnitt,
sondern in zwei oder mehreren von einander entfernt liegenden, die durch einen oder
mehrere Längsrisse mit einander in Verbindung standen. Manchmal, namentlich
bei den Nadelhölzern, war der Bruch sehr splitterig, nur bei wenigen war derselbe
stumpf und kurzfaserig."
2. A u s d e n D r u c k V e r s u c h e n: ,,Die Elastizitätsgrenze für Druck stellt
sich für die Mehrzahl der Hölzer beim Mittelholze höher als beim Unterholze und
beim Astholze häufig höher als beim Unter- und Mittelholze.
Die Zusammendrückungen sind beim Unterholze kleiner als beim Mittelholze
und diese wieder bei nahezu allen Holzarten kleiner als beim Astholze. Der Elasti-
zitäts-Modul ist beim Unterholze bei der Mehrzahl der Holzarten größer als beim
Mittelholze, beim Astholze ist bezüglich dieses Wertes eine große Verschiedenheit
zu konstatieren.
Die absolute Druckfestigkeit ist beim Unterholze nur wenig größer als beim
Mittelholze, beim Astholze dagegen größer als bei beiden ebengenannten Arten. Es
zeigt sich daher, daß die absolute Druckfestigkeit des Unterholzes wenig größer als
jene des Mittelholzes, hingegen jene des Astholzes am größten ist; dagegen ist das
Unterholz steifer als das Mittelholz, während das Astholz mancher Sorten steifer,
anderer Sorten wieder elastischer ist als das Mittel- und Unterholz derselben Baum-
gattung."
3. Aus den B i e g u n g s v e r s u c h e n: ,,Nach denselben stellte sich die
Elastizitätsgrenze für Biegung beim Unterholze höher als beim Mittelholze und jene
beim Astholze höher als bei den beiden anderen Holzarten heraus. Sie liegt zirka bei
0,25 bis 0,50 der Inanspruchnahme an der Bruchgrenze. Die Einbiegungen an der-
selben sind beim Unterholze am kleinsten, beim Astholze am größten. Der Elasti-
zitätsmodul ist beim Astholze der meisten Holzarten kleiner als beim Unter- und
Mittelholze und der Elastizitätsmodul dieser letzteren ist nahezu der gleiche; weiters
ist die Biegungsfestigkeit beim Unterholze am kleinsten, beim Astholze am größten.
In bezug auf diese Festigkeit zeigt sich dasAstholz am festesten, das Unterholz
am wenigsten fest; bezüglich der Elastizität stellt sich gleichfalls das Unterholz minder
elastisch, also steifer, als das Mittelholz heraus, während das Astholz die größte
Elastizität besitzt."
4. Ausden Torsionsversuchen: ,,Die Elastizitätsgrenze für Torsion
liegt beim Astliolze am höchsten, beim Mittelholze am tiefsten und befindet sich
zirka bei ^js bis ^It der Inanspruchnahme des Materials an der Bruchgrenze. Die
Versuchsresullale son Jenny. § 2 7. 395
Verdrehungen sind beim Astholze ebenfalls am größten, beim Mittelholze entweder
größer als diese oder nahezu gleich jenen beim Unterholze. Der Elastizitätsmodul
ist beim Mittelholze am kleinsten, beim Unterholze teils größer, teils kleiner als beim
Astholze. Die Tor»ionsfe.stigkeit ist beim Astholze am größten, beim Mitlelholze
am kleinsten. Es ist deshalb das Astholz am festesten, das Mittelholz am wenigsten
fest, während mit Rücksicht auf die Elastizitätsverhältnisse das Mittelholz am steif-
sten, Ast- und Unterholz sich aber in dieser Beziehung nahezu gleich verhalten."
5. Aus den A b s c h e r v e r s u c h e n : ,,Die Festigkeit in der Richtung
quer gegen die Fasern ist beim Astholz am kleinsten, beim Unterholz teils größer,
teils kleiner als beim Mittelholze; in der Richtung der Fasern ist die Festigkeit bei
der Mehrzahl der Holzarten beim Mittelholze größer als beim Ast- und Unterholze,
welch letztere sich in dieser Beziehung nahezu gleich stellen."
Aus sämtlichen Versuchen von i\I i k o I a s c h e k läßt sich folgender
Schluß ziehen: ..Nimmt man speziell auf die Festigkeit Rücksicht, so ergibt
,,sich nachstehende Reihe, wenn die größte Festigkeit vorangesetzt wird: Astholz,
,, Unterholz, Mittelholz. In bezug auf E 1 a s t i z i t ä t, wenn, die größte Elastizität
„vorausgesetzt wird : Astholz, Unterholz, Mittelholz, woraus das Schlußergebnis re-
„sultiert, daß dem Holze von größerer Festigkeit auch die
,,g r ö ß e r e Elastizität zukommt".
Endlich zeigt sich, daß wegen der großen Verschiedenheit der \^^erte der Ela-
stizitäts- und Bruchgrenze, sowie der Moduli für die verschiedenen Holzarten eine
sehr große Zahl von Versuchen notwendig wäre, um entsprechende Mittelwerte auf-
stellen zu können.
§ 27. Die ^■ersuche .J e n n y s hatten den Zweck, die Elastizitäts- und Festig-
keits-Eigenschaften der ungarischen Hölzer kennen zu lernen. Die Versuche
erstreckten sich auf die Ermittlung der Zug-, Dnick- und Abscherfestigkeit der Buche,
Tanne, Fichte und Lärche.
Eine Diskussion der Versuchsresultate wurde von dem Versuchsansteller unter-
lassen; von demselben wurden nur die nackten Ergebnisse der JNIessungen und Be-
stimmungen der Elastizitäts- und Festigkeitsgrößen angegeben.
Die 3 Holzarten Buche, Tanne und Fichte \\-urden von dem Forstamte Fuccine
(Kroatien), Lärche und Fichte von dem Forstamte Hradek (Nordkarpathen) ein-
gesandt. Die erstgenannten Hölzer wurden im Frühjahr, die letztgenannten im
Herbste gefällt. Das Alter dieser Hölzer war ziemlich das gleiche (120 .Jahre). Nebst
diesen Versuchen hatte Jenny gleichzeitig noch an zwei Holzarten, nämlich an
der Fichte und Tanne, aus Siebenbürgen, der Mamiaros und den West- und Ost-
karpathen stammend, die Elastizität und Festigkeit erhoben, und zwar wieder in
bezug auf Zug, Druck und Abscherung. Diese Resultate aller dieser Untersuchungen
hier in extenso anzuführen, würde zu viel Raum einnehmen, wir ^-erweisen in dieser
Beziehung auf die oben zitierte Quelle.
Nachdem wir es hier mit Resultaten zu tun haben, welche unter gleichartigen
Verhältnissen und überdies in großer Anzahl von Probestücken derselben Holzart
gewonnen ^^-u^den. so ist man berechtigt, Mittelwerte abzuleiten; diese sind in der
nachstehenden Tabelle V (S. 396) wiedergegeben.
Hieraus geht hervor, daß die Fichte aus Kroatien hinsichtlich der Zug- und
Abscherfestigkeit den anderen ungarischen Fichtenhölzern überlegen ist; dagegen
hat das Siebenbürger Fichtenholz sowohl in bezug auf die Druck- als auch auf die
Abscherfestigkeit gegenüber den anderen Fichtenhölzern den Vorrang.
Das gleiche gilt von dem kroatischen Tannenholz. Dasselbe ist hinsichtlich
396
IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschaflen der Hölzer.
Tabelle V.
Mittelwerte der
Abscher-
Zugversu
che
D r u c
k \' e r s u c h e
versuche
// zur Faser
//
zur Faser
// zur Faser
i E
s e
ö _
SS
w s
i s
13
i ^ s
Provenienz
Holzart
:Ä CJ O
•j i =-■
J5 to
laslizilä
Modell
g pr. qc
— tut
laslizilä
Modul
? pr. q
Q £ g.
st-
1^ &
a -^
a ^
CD
a ^
a ^
<
Buche
565
122 250
813
88
83 650
391
71,7
Kroalien
Tanne
369
115 175
558
119
67 625
354
39,2
Fichte
372
117 350
596
114
77 975
337
43,2
Nordkarpathen
Lärche
312
130 820
551
114
88 933
446
55,8
Fichte
288
99 967
436
133
78 817
846
34,7
Siebenbürgen ,
Marmaros |
Fichte
310
115 392
494
220
127 565
363
42,0
Ost- und West- |
Tanne
336
115 531
426
209
104 970
357
40,2
karpalhen '
der Zugfestigkeit jenem aus Siebenbürgen vorzuziehen, während letzteres hinsicht-
lich der Druckfestigkeit dem kroatischen Tannenholze überlegen ist. Die Abscher-
festigkeit dieser beiden Tannenhölzer kann nahezu als übereinstimmend angesehen
werden.
Die aus verschiedenen Gegenden Ungarns eingesandten Fichtenhölzer
würden in bezug auf ihre Zugfestigkeit wie folgt beurteilt werden können:
Die größte Zugfestigkeit kommt dem kroatischen Fichtenholze zu, in
zweiter Linie steht jenes aus Siebenbürgen, während das Fichtenholz aus den Nord-
karpathen das mindestwertige ist;
die größte Druckfestigkeit zeigte hingegen das aus Siebenbürgen
stammende Fichtenholz, minderwertig erscheint jenes aus den Nordkarpathen, und
in letzter Reihe steht das aus Kroatien stammende Fichtenholz. —
Die Abscherfestigkeit des Fichtenholzes aus den Nordkarpathen steht
gegenüber den beiden anderen Fichtenhölzern beträchtlich zurück, während diesen
Hölzern nahezu die gleiche Abscherfestigkeit zukommt.
Würde man die aus den verschiedenen Gegenden Ungarns eingesandten Fichten-
hölzer mit den Tannenhölzern hinsichtlich ihrer Festigkeit vergleichen, so gelangte
man zu dem Resultate, daß zwischen diesen Holzarten, also zwischen dem Ungar.
Fichten- und dem ungar. Tannenholze, nur ein sehr geringer Unterschied besteht.
Fichtenholz hat eine etwas größere Zugfestigkeit (ca. 3,5 "o) als das Tannenholz, dieses
aber eine größere Druckfestigkeit (ca. 2%) als das Fichtenholz: hingegen ist die
Abscherfestigkeit beider Holzgattungen gleich.
Was das aus den Nordkarpathen stammende L ä r c h e n h o 1 z betrifft, so
muß hei-vorgehoben werden, daß dieses hinsichtlich seiner Druck- und Abscherfestig-
keit den sämtlichen untersuchten Fichten- und Tannenhölzern voransteht; in bezug
auf die Zugfestigkeit des Lärchenholzes jedoch geht hervor, daß dieses, wenn auch
nicht bedeutend, hinter der Zugfestigkeit des kroatischen Fichten- und Tannenholzes
zurückbleibt.
VersuchsresuUate von Exner. § 28. 397
Dagegen übertrifft das B u c li e n li o 1 z liiiisichtlicli der Zuj,'- und Abscher-
festigkeit alle untersuchten Hölzer, hinsichtlich seiner Druckfestigkeit wird dieses
von dem Lärchenholze überragt.
Ob diese Unterschiede vorzugsweise den verschiedenen Bodenverhältnissen zu-
zuschreiben sind, kann zwar mit Grund vermutet, nicht aber bestimmt behauptet
werden, schon deshalb nicht, weil die Fällungszeit der Hölzer eine verschiedene war
und der Feuchtigkeitsgehalt der Probestücke leider gar n i c h t in Betracht gezogen
wurde.
§ 28. lieber die r ü c k \\' i r k e n d e Festigkeit des Rotbuchen-
holzes hat W. F. Exner in seinen ,, Studien über das Rotbuchenholz" weit-
gehende Versuche angestellt, welche den Zweck hatten, diese Festigkeit in Beziehung
auf den Einfluß der Höhenlage des Holzes im Stamme selbst und ferner jenen Einfluß
auf die Festigkeit kennen zu lernen, \\elchen die nach den 4 Haupt-Weltgegenden
verschiedenen klimatischen Verhältnisse nehmen. Die Exner sehen Versuche,
welche sich u. a. auch auf die Ermittlung des spezifischen Grün- und Trockenge-
^\•ichtes, sowie auf die Schwindung des Rotbuchenholzes erstreckten, wurden an
einer in der Nähe von Vorder-Hainbach (Wiener-Wald) gefällten 130jährigen
Rotbuche vorgenommen. Die zur Erprobung bestimmten Zylinder hatten einen
Durchmesser von 40 mm und eine Länge von 80 nun ; dieselben \\urden gleich altem
Holze entnommen, d. h. es gehörte jedem Probezylinder ein bestimmter Jahrring
des Holzes an. So \\airden unzweifelhaft dem Splintholze angehörige Probezylinder
(mit a bezeiclmet) gewonnen, bei denen der gegen die Außenseite des Baumes ge-
legene Teil der Probezylinder mit dem im Jahre 1869 entstandenen Holze begann,
und somit gehörten diese Zylinder gleichalterigem, unter gleichen klimatischen Ver-
hältnissen entstandenem Holze an. Die zweite Serie von Probezylindern (mit b be-
zeichnet) wurde aus jenem Teile des Stammes entnommen, bei welchem der 42. Jahr-
ring als Anfangspunkt für die Gewinnung der Probezylinder diente, also aus jenem
Holze bestand, welches nicht später als 42 Jahre vor der Fällung entstanden war.
Auch diese Zylinder gehörten noch dem Splintholze an. Die dritte Sorte von Probe-
zylindem endlich (mit c bezeichnet) wurde jenem Teile des Stammquerschnittes
entnommen, bei welchem der 80. Jahrring, von der Außenseite des Baumes gezählt,
begann. Die Probezylinder c enthielten häufig schon zum Teile deutlich erkennbares
Kernholz.
Der ganze Schaft der Rotbuche wurde in Stücke von 2 Metern Länge zer-
schnitten und so ergaben sich 10 sehr regelmäßig zylindrisch gestaltete Abschnitte,
welche mit römischen Ziffern bezeichnet wairden. \'on jeder Walzt- \\urde an deren
unterem Teile eine Scheibe herausgenommen und zur Anfertigung der Probezylinder
benützt.
Hiezu muß bemerkt werden, daß das nuttlere spezifische Gewicht des grünen
(frischen) Stammholzes zu 0,945 gefunden wurde, während das mittlere spezifische
Trockengewicht des Stammes zu 0,694 angegeben wird.
Die nachstehende Tabelle ^■I(S. 398) gibt eine Uebersicht der Druckfestigkeit
pro qcm jener zur Bestinunung des Trockengewichtes venvendeten
Probezylinder.
Aus dieser Uebersicht geht hervor, daß die geringsten Druckfestigkeiten die
Probezylinder IV Na und IV Oa mit 496 bezw. 510 kg, die höchste der Zylinder II
Oa mit 685 Kilogramm pro qcm zeigten. Eine Relation zwischen der Druckfestigkeit
und der Höhe im Baume konnte nicht erkannt werden. Der Vergleich zwischen den
a-, b- und c-Ringen der Scheibe ergibt, daß das der Baumachse zunächst liegende
398
IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
Tabelle VI.
Rotbuche
Rückwirkende Festigkeit in kg pr. qcm
Mittelwerte
nmer des
Laiiini-
chnittes
Ilölie über
dein Erdboden
in Metern
Nord
Ost
Süd
West
c.
II
P
c
o
CT
Mittlere Festigkeit
der Probe-Zylinder
in kg pr. qcm
z <
a
b
c
a
b
c
a
b
c
a
b
c
a
b
c
I
0,5
547
518
597
601
575
591
613
589
615
627
616
643
594
597
575
612
II
2.5
602
574
630
6851 —
633
582
592
642
569
584
583
607
610
583
622
III
4,5
643 618
—
—
605
—
570
608
595
594
548
613
599
602
595
604
IV
6,5
4961 —
—
510
525
586
547
—
—
616
588
607
559
542
557
597
V
8,5
6041572
518
593
588
—
603
567
—
—
565
539
572
599
573
529
VI
10,5
554|568
—
589
580
—
663
533
—
564
587
—
580
593
567
—
VII
12,5
593,589
—
592
—
—
560
553
—
611
—
—
583
589
571
—
VIII
14,5
568
571
—
592
—
—
—
—
553
589
—
575
561
584
—
IX
16,5
560
—
—
588
547
—
525
—
—
561
518
—
550
584
533
—
X
18,5
609
—
—
615
—
570
—
—
611
—
—
601
601
—
—
XI
20,5
556
—
—
550
—
—
—
—
—
533
—
—
546
546
—
—
Holz die höcliste rückwirkende Festigkeit zeigte, die geringste zeigte das der Quer-
schnittslage b entnommene Holz, während das äußerste Splintholz hinsichtlich seiner
rückwirkenden Festigkeit in der Mitte, richtiger näher dem Werte für das Kernholz
liegt. Auffallend ist endlich, daß die niedrigste rückwirkende Festigkeit bei der
höchsten Stelle an den einzelnen Holzringen bemerkt wurde. Da dieses Sinken ganz
unvermittelt auftrat und dafür ein plausibler Grund auch nicht gefunden werden
kann, im Gegenteil die hier nicht weiter angeführten hohen Ziffern für das Ast- und
Wipfelholz der Annahme, daß die Festigkeit mit der Höhe abnimmt, widersprechen,
muß wohl diese Erscheinung einem zufälligen Zusammentreffen nicht bekannter
Umstände zugeschrieben werden.
In Beziehung auf die Bewegung der rückwirkenden Festigkeit hinsichtlich der
Lage des Holzes nach den Weltgegenden wurde gefunden, daß das Maximum der
Festigkeit gegen Osten, eine ihr zunächst stehende gegen Westen und eine minimale
gegen Süden lag, doch kann auch dieses Datum nicht Anspruch darauf machen, zu
weiteren Schlüssen zu berechtigen.
Wichtiger ist die bei dem Bruche der einzelnen Zylinder beobachtete Erschei-
nung, daß diese in der Richtung der Markstrahlen eine bedeutend höhere Festigkeit
zeigen, als im Sinne der .Jahrringe. Die sämtlichen Probezylinder sind nämlich immer
so gebrochen, daß die herausgedrückten Holzteile in der Richtung der kurzen Achse
der Querschnitts-Eilinie, also in der Richtung der Sehne zu den Jahrringen heraus-
treten.
Bezüglich der rückwirkenden Festigkeit des in neuester Zeit vielfach
(namentlich im Schiffbau) in Anwendung kommenden Teakholzes geben wir im nach-
stehenden die Resultate '), welche für die Druckfestigkeit im k. k. See-Arsenal zu Pola gewonnen
wurden. Zur Untersuchung gelangten zweierlei .\rten des Teakholzes, nämlich solches aus
Java und aus Indien (Festland). Die Probestücke waren würfelförmig bearbeitet, von 25 Milli-
meter, resp. 100 Millimeter Kantenlänge.
Als Mittelwerte ergeben sich für die Druckfestigkeiten ])r. qcm:
Für Teakholz aus Java:
senkrecht zur Faser 182 kg, parallel zur Faser 430 kg bei Probestücken von 25 Millimeter
Kantenlänge;
senkrecht zur Faser 133 kg, parallel zur Faser 354 kg bei Probestücken von 100 Millimeter
Kantenlängc;
1) Siehe Mitteilungen des Technologischen Gewerbe-Museums in Wien Nr. 61. Jahrgang
Versuchsrcsullate von Lauboeck. § 29. 399
für indische? T e a li li o 1 z :
senkrecht zur Fa?or 240 kg, parallel zur Faser 496 kg bei 25 Millinietcr-Probestockcn;
senkreclil zur Faser löl kgr, parallel zur Faser 387 kg bei 100 Millimeter-Probestücken.
Hieraus geht hervor, daß das javanische Teakholz geiren das indische in der Druckfestig-
keit senkreclit zur Faser um 9— IS",, zurücksteht. Die Untersuchungen des spezifischen Ge-
wichtes, des Harzgchaltes und .\schengehaltes haben folgendes ergeben:
für T e a k h o 1 z a u s Java: für Teakholz aus Indien:
Spezifisches Gewicht 0,6884. Spezifisches Gewicht 0,697
Harzgehalt ll,ä5°o. Harzgehalt 11, 29°^.
Aschengehalt 1,15,, Aschengehalt 1,28,,
Aus diesen Resultaten ergibt sich, daß die beiden Holzgatlungen in bezug auf spezifisches
Gewicht, Harz- und Aschengehalt als nahezu gleichwertig zu betrachten sind.
Hier darf wohl auch an jene Mitteilung erinnert werden, die wir über mehrere der wich-
tigsten japanischen Holzarten an anderer Stelle machten '), in der auch einige
Zahlen bezüglich der rückwirkenden Festigkeit enthalten sind.
§ 29. Ueber die Biegung s-undDruckf estig keit des .Xilanthus-Holzes^)
(Gölterbaum), untersucht von Ingenieur G. L a u b 0 e c k, liegen die nachstehenden Daten vor.
Der zur Untersuchung verwendete Stammabschnitt zeigte ein Alter von 26 Jahren (Pro-
venienz Krain). Das spezifische Gewicht des Holzes wurde mit 0,69 erhoben. Zur Ermittlung
der Fesligkeits-Eigenschaften dienten im ganzen 22 Probeslücke.
a) Druckfestigkeit.
Da es interessant ist, die Festigkeil des Holzes sowohl als auch ^ zu den Fasern kennen
zu lernen, so wurde bei beiden Festigkeits-.^rten darauf Rücksicht genommen. Ueber die
Gewinnung der Versuchsstücke sei hier folgendes bemerkt:
Die Zylinder, welche der Druckprobe / zu den Fasern unterzogen wurden, wurden derart
aus einer entsprechend der Zylinderhöhe dimensionierten Stammscheibe gewonnen, daß
jeder derselben den 15. Jahresring in seiner Mitte enthielt. Der Durchmesser der Zylinder
betrug 35 Millimeter.
Sodann wurden aus der nächstfolgenden Stammscheibe, welche als Dicke den Dureh-
messer der Zylinder enthielt, sechs Zylinder gewonnen, welche j_ zu den Jahresringen der Druck-
probe unterzogen wurden. Dieselben wurden- aus der Stammscheibe in der Weise geschnitten,
daß die .\chse des Zylinders als Radius des Baumstammes aufzufassen ist und deshalb kürzer
angefertigt werden mußten, da eine Höhe derselben von 100 Millimeter aus dem Grunde un-
zulässig war, als die Grundflächen der Zylinder sowohl nicht als ,, völlig frei vom Splint", als
andererseits „vom Ivern" hätten bezeichnet werden können.
Die Querschnittsfläche in der halben Höhe des Zylinders enthielt den lö. Jahresring.
Auf diese Weise wurde erreicht, daß die zur Untersuchung gelangten Probestücke möglichst
gleichalterigem Holze angehörten, welcher Umstand gewiß nicht außer acht zu lassen ist,
da bekannt ist, daß die Lage des Holzes im Stamme eine \erschiedenheit der technischen
Eigenschaften des Holzes zeigt.
Die Versuchsstücke wurden einer möglichst genauen Bearbeitung unterzogen und die
\'ersuche ausgedehnt auf die Ermittlung der Druckfestigkeit // und I zur Faser.
Die Art der Zerstörung bestand in einem Ineinanderschieben der Fasern. Es bildet sich
ein sogenannter Wulst, dessen Lage abhängig ist von der inneren Beschaffenheit des Holzes,
und somit von lokalen \"erhältnissen beeinflußt wird. Da die Versuchsstüeke ein äußerlich
vollkommen gleichartig gestaltetes Material, respektive gleiche Struktur zeigten, also z. B.
Aeste oder dergleichen nicht vorhanden waren, so trat die Bruchstelle bei allen Probestücken
ziemlich nahe der Mitte der Zylinderhöhe ein.
Bei fortgesetzter Steigerung der Belastung, und zwar bei jenen %'ersuchsstücken, welche
J zu den Fasern der Belastung unterworfen wurden, zeigt sich nebst der \erschiebung der
Jahresringe ein keilförmig gestalteter Körper, welcher an jene Form von deformierten Prü-
fungsobjekten erinnert, wie solche die künstlichen und natürlichen Bausteine zeigen.
Jene Zylinder, welche / zu den Fasern gedrückt wurden, zeigten nach der Deformation
eine parallele \erschiebung ihrer Endflächen und zufolge dessen eine einfach- oder zuweilen
auch doppeltgekrümmte Linie als Kontur, welche dort am weitesten ausgebaucht ist, wo die
Jahresringe die größte Breite besitzen.
DieBelastungen erfolgen innerhalb bestimmterGrenzen, wobei stets die jeweilige Zusammen-
drückung des Probestückes gemessen wurde, um die permanente und elastische Dehnung,
respektive Kompression (Nerkürzung) zu ermitteln. Nach jedesmaliger Belastung erfolgte
die Entlastung und wurde die permanente Zusammendrückung angegeben.
1) Japans Holzindustrie von Prof. W. F. E x n e r in der ,,Oesterreichischen Monatsschrift
für den Orient", 7. Jahrgang, 1881, .Nr. 4. und 5, Beilagen.
2) Siehe Mitteilungen des Technologischen Gewerbe-Museums in Wien, Nr. 62 Jahrgang 1885.
400 IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
Die auf den Quadratzentimeter reduzierte Belastung, bei welcher der Bruch eintrat,
(Druckfestigkeit) ergab:
1. // zu den Fasern 652 Kilogramm per Quadrat-Zentimeter (im Mittel);
2. _!_ zu den Fasern 316 Kilogramm per Quadrat-Zentimeter {im Mittel),
woraus hervorgeht, daß das Holz // zu den Fasern in Anspruch genommen, zirka das doppelte
zu tragen vermag, gegenüber dem in darauf senkrechter Richtung beanspruchten Holze.
Es ergab sich der Elastizitäts-Modul
e = 721,76 // zur Faser,
s = 50,02 1 „
Die Elastizitäts-Grenze:
E lag bei 538 Kilogramm per Quadrat-Zentimeter // zur Faser,
E » y: '7 ,, ,, ,, i ,, ,,
Die bedeutenden Differenzen zwischen der Beanspruchung des Holzes in der Richtung
der Jahresringe und in jener senkrecht zu diesen dürfen nicht überraschen, um so mehr, als ja das
innere Gefüge der Hölzer darauf hinweist, daß das Holz als ein in der Hauptsache aus Längs-
fasern zusammengesetzter Körper betrachtet werden muß und bekanntermaßen seine größeren
Festigkeits-Eigenschaften zeigt in der Beanspruchung durch eine Kraft parallel dieser Richtung.
b) Biegungsfestigkeit.
Zur Ermittlung der Biegungsfestigkeit wurden im ganzen sieben Versuchsstücke verwendet,
welche einen quadratischen Querschnitt von 30 auf 30 Millimeter zeigten, bei einer Stablänge
von 300 Millimeter. Die Stützweite der Stäbe betrug 250 Millimeter.
Einzelne Versuche wurden derart ausgeführt, daß die Biegung des Stabes // zu den Fasern
erfolgte, während bei drei \'ersuchen die Biegung des Stabes _L zur Richtung der Fasern vor-
genommen wurde.
Betreffs der Gewinnung der Stäbe aus dem Versuchsstamm sei hier mitgeteilt, daß die
Mitte derselben gleichfalls wie alle anderen Versuchsstücke den 15. Jahresring enthielten,
also aus den gleichalterigen Teilen des Stammes entnommen wurden. Die Zerstörung der Ver-
suchsstücke erfolgte ausnahmslos durch das Reißen der gespannten Fasern. An den Stützpunk-
ten des Stabes und dem .Angriffspunkt der Kraft waren nur geringe Kompressionen des Holzes
bemerkbar. Unmittelbar vor dem Eintreten des Bruches war ein mehr oder weniger wahrnehm-
bares Reißen der gespannten Fasern hörbar.
Aus den Versuchs- Ergebnissen folgten nachstehende Mittelwerte:
Beanspruchung// zur Faser:
Biegungsfestigkeit So = 1184 Kilogramm per Quadrat-Zentimeter; elastische Biegungs-
spannung äe = 973 Kilogramm per Quadrat-Zentimeter;
Elastizitäts-Modul e = 89840 Kilogramm per Quadrat-Zentimeter.
Beanspruchung X zur Faser:
So = 1144 Kilogramm,
5s = 972 „
£ = 84070 „
Der Vollständigkeit halber sei hier bemerkt, daß der Feuchtigkeitsgrad der
zur Untersuchung gebrachten Probestücke sich mit 10,2% ergab. Die Ermittlung des Wasser-
gehaltes erfolgte durch Austrocknung mehrerer Versuchsslücke während so langer Zeit, bis
eine Gewichts-Abnahme infolge der Trocknung nicht mehr bemerkbar wurde.
Da es sich bei der Durchführung obiger Versuche darum handelte, ob das .\ilanthus-
holz dem Eschenholz in bezug auf Festigkeit etc. gleichsteht, so soll hier noch folgende kurze
Betrachtung ihren Platz finden.
Das Schwind- und Ouellmaß der beiden Hölzer ist nahezu übereinstimmend, weshalb
nach dieser Richtung hin die beiden Hölzer als gleichwertig betrachtet werden können.
Die Angaben mehrerer ,\utoren über die Biegungsfestigkeit des Eschenholzes variieren
zwischen 705 und 1025 Kilogramm, im Mittel also 865 Kilogramm, während Nördlineer
die Biegungsfestigkeit der Esche zu 834 Kilogramm angibt. Die gefundene mittlere Bie-
gungsfestigkeit des Ailanthusiiolzes ergab sich zu 1164 Kilogramm per
qcm, ist somit um 27,4% g r ö ß e r als jene des Eschenholzes.
Angaben über die Druckfestigkeit des Eschenholzes sind nicht bekannt, aus
welchem Grunde ein Vergleich der beiden in Rede stehenden Hölzer nach dieser Richtung
nicht geführt werden kann. Immerhin weisen die von uns gefundenen ziemlich großen Werte
darauf hin, daß das .\ilanthusholz auch in bezug auf Druckfestigkeit kaum gegenüber dem
Eschenholze zurückstehen dürfte.
Aus den gewonnenen Resultaten konnte sohin mit Sicherheit geschlossen werden, daß
das Ailanthusholz zufolge seiner technischen Eigenschaften im allgemeinen minde-
stens als gleichwertig, in einzelnen Fällen sogar als relativ
besser wie Eschenholz bezeichnet werden muß.
§ 30. Ueber den Einfluß der Fälliingszeit auf die Dauer-
haftigkeit des Fichtenholzes hat Prof. Dr. E. H a r t i g Unter-
Versuchsresullate von Hartig. § 30. 401
sucliungen durchgeführt, welche zur Beantwortung der Frage: ,,In welchem Betrage
vermindert sich die Festigkeit der zu x'erschiedenen Jahreszeiten gefällten
Hölzer beim Liegen in freiem Sandboden?"' führten.
Das Versuchsmaterial bildeten zwei Reihen von Stammstücken, deren eine von
der im Jahre 1868 erfolyteu Fällung an in einem trockenen Sammlungsraum der K.
Forstakademie in Tharandt aufbewahrt worden war und deren andere aus Schwell-
stücken bestand, welche während eines Zeitraumes von 6 Jahren aufrecht stehend
und bis zur oberen Fläche eingegraben in freiem Sandboden gesteckt hatten, nach
ihrer Aushebung jedoch auch in lufttrockenen Zustand übergeführt worden waren.
Die Probestücke der ersten Reihe erhielten die Bezeichnung ,, Luftholz", die der
zweiten Reihe ,, Faulholz". Für jeden Fällungsmonat standen 4 Probestücke zur
Verfügung und außerdem noch einige Stücke zur \'ornalane von \'orversuchen. ^'on
letzteren wurden einige dazu benützt, die Zerdrückungsfestigkeit des
Luftholzesund des Faulholzes in der Richtung des Faserlaufes zu ermitteln. Es ergab
sich hiebei die Zerdrückungsfestigkeit des Faulholzes zu 65 kg pro qcm, des Luft-
holzes zu 500 kg pro qcm Querschnitt. Durch sechsjähriges Liegen in freiem Sande
hat sich sonach die Zerdrückimgsfestigkeit des Fichtenholzes um 87 °o des ursprüng-
lichen Wertes vermindert. Das spezifische Gewicht betrug beim Faulholz 0,357, beim
Luftholz 0,579, war also beim Faulholz um 37,3 % geringer als beim Luftholz.
Von der Festigkeitsprüfung der ganzen Holzstücke mußte wegen der schon
vorgeschrittenen Zerstörung der Faulholzstücke abgesehen werden; es wurden viel-
mehr kleinere Probestücke in Zylinderform von 50 mm Durchmesser und ebenso-
großer Höhe ausgeformt und diese durch Schlagproben auf ihre Festigkeit untersucht.
Der Schlagapparat bestand aus einer gußeisernen Chabotte mit Stahlamboß von zu-
sammen 258,84 kg und einem Gestell, in welchem ein gußeisernes Schlaggewicht
bequem auf bestimmte Höhe gehoben und plötzlich herabfallen gelassen werden
konnte. Als angemessenstes Schlaggewicht für die Versuche ergab sich dasselbe zu
48,81 kg bei einer Fallhöhe von 0,375 Meter. Bei Anwendung desselben führten näm-
lich 2 — 15 Schläge beim Faulholz und 10 — 35 Schläge beim Luftholz zur völligen
Zerstörung. Für die Vergleichung der Widerstandsfähigkeit von Faulholz und Luft-
holz wurden die nachfolgenden Momente benützt:
1. die Zahl der Schläge bis zum Eintritt des -ersten Langrisses;
2. die Zahl der Schläge bis zur vollen Zerstörung;
3. die mittlere Verkürzung des Probestückes pro Schlag;
4. der hieraus zu berechnende Widerstand des Materiales gegen bleibende
Formänderung, bezogen auf die Flächeneinheit und
5. das totale Arbeitsquantum, welches zur gänzlichen Zerstörung erforderlich war.
Nach Beschaffenheit der Beobachtungsreihen erschien es nicht ratsam, irgend
eines dieser Momente in der ^^'eise zu benützen, daß der Eintritt der Zerstörung als
Kriterium angesehen würde, denn es war besonders bei dem Luftholz äußerst schwierig
anzugeben, nach welchem Schlage die Zerstörung als eingetreten anzusehen war;
dagegen schien der Beginn der Zerstörung an der rascheren Zunahme der Verkürzung
des Probestückes ziemlich sicher erkennbar. Deshalb wurde für je zwei zusammen-
gehörige Paare von Probestücken zunächst für das Faulholz aus der Zahl der Schläge
und der totalen \'erkürzung für den bezeichneten Moment der mittlere Widerstand
pro qcm Querschnitt (Stoßfestigkeit Ivg) berechnet, sodann für das Luftholz unter
Berücksichtigung der gleichen Zahl von Schlägen dieselbe Rechnung durchgeführt
(Stoßfestigkeit des Luftholzes Ki); ferner wurde der Quotient -" gebildet, der um
Kl
Handb. d. Forstwias. 3. Aufl. II. 26
402
IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
SO näher an die Einheit fällt, je widerstandsfähiger das Holz sich beim Liegen im
freien Sand erwiesen hat. Sämtliche zur Untersuchung gelangten Zylinder waren
sorgfältig gemessen und gewogen worden, in der Absicht, das spezifische Gewicht
zu ermitteln; es ergab sich als Durchschnittswert für das Faulholz 0,469, für das
Luftholz 0,537. Auch der Wassergehalt der Probestücke wurde bestimmt, wobei
sich als Mittelwert für das Faulholz 13,1 "o, für das Luftholz 14,1 °o ergab.
In der nachfolgenden Tabelle VII sind die für die einzelnen Fällungsmonate er-
zielten Durchschnittswerte des Widerstandes (Stoßfestigkeit) in kg pro qcm enthalten.
Taljelle VII.
Fällunfrszeit
Faulholz
Luftholz
Zahl der
Probestücke
"Widerstand
pr. qcm
in kg
K„
Zahl der
Probestücke
Widerstand
pr. qcm
in kg
Quotient
K„
K,
I
Januar . .
Februar
März
April
Mai . . .
Juni . .
Juli . . .
August . .
September
Oktober
November .
Dezember .
706
1096
503
564
775
466
362
578
345
682
431
601
1449
0,487
1621
0,676
1367
0,368
1003
0,552
1458
0,532
1374
0,339
1089
0,332
1118
0,517
946
0,365
1138
0,590
1120
0,385
867
0,693
Die in der letzten Kolumne enthaltenen Zahlen stellen nun leider nicht, wie
der Versuchsansteller nach der aufgewendeten Sorgfalt erwartet hatte, ein klares
Gesetz unzweifelhaft dar; wohl fällt der niedrigste Wert der verhältnismäßigen Festig-
keit (0,332) auf einen Sommermonat (Juli), der höchste Wert (0,693) auf einen Winter-
monat (Dezember); auch ist der Durchschnittswert der für die Frühjahrs- und Som-
mermonate (April bis September) geltenden Zahlen um 17,6 °o niedriger als derjenige
für die Herbst- und Wintermonate (Oktober bis März), nämlich 0,439 gegen 0,.d33;
trotzdem kann aber aus diesem Versuche nicht mit Bestimmtheit behauptet werden,
daß in bezug auf die technischen Eigenschaften und die Dauerhaftigkeit der Hölzer
die Winterfällung vor der Sommerfällung den Vorzug verdient. Bisher sind auch
alle in dieser Richtung angestellten \'ersuche negativ ausgefallen, so daß es den
Anschein hat, daß die Fällungszeit keinen Einfluß auf die tech-
nischen Eigenschaften des Holzes ausübe, sofern nur das Holz von der
Fällung bis zur Verwendung sachgemäß behandelt, vor allem gut getrocknet wurde.
§ 31. T e t m a j e r in Zürich hat eine Reihe von Untersuchungen der Elasti-
zitäts- und Festigkeits-Verhältnisse der schweizerischen Bauhölzer durchgeführt. Für
die Aufstellung des Versuchsprogrammes waren folgende Gesichtspunkte maßgebend :
Einerseits sgllten hiemit jene Festigkeits-Koeffizienten festgestellt werden, welche zur
Dimensionierung bei Holzkonstruktionen erforderlich sind, anderseits aber sollten
in möglichst eingehender und umfassender Weise die Festigkeitsverhältnisse der ver-
schiedenen Teile des Stammes und soweit als möglich auch ihre Abhängigkeit von
klimatischen und geognostischen \'erhältnissen klargelegt werden.
Zur Ermittelung der Festigkeitsverhältnisse wurden Zug-, Druck-, Knickungs-,
Scher- und Biege-Proben an Föhre, Weißtanne, Rottanne (Fichte), Lärche, Eiche
und Buche vorgenommen.
Versuchsresultatc von Telmajer. § 31. 403
Zum Behiife der Erforschung des Einflusses klimatischer und geognostischer
Verhältnisse des Standortes wurden die Versuche ausgedehnt auf Nord- und Süd-
hänge, auf Höhenlagen von unter und über 1300 Meter und a\if Molasse-, Kalk-,
Tonschiefer- und Granit- rcsp. Gneisböden. Die Fälhnigszeit der Versuchshölzer
war der Monat Dezember, das zur Untersuchung gelangte Holz wurde der Stamm-
mitte, d. h. der halben Höhe bis zur Krone gerechnet, entnommen. Mit Ausschluß
der Versuchsproben für die Zugfestigkeit gelangten durchweg prismatische Proben
von quadratischem Querschnitt mit 10 cm Seitenlange zur Untersuchung.
Zur Ermittelung der Zaliigkeitsverhältnisse des Holzes, worüber korrekte Aus-
drücke noch fast gänzlich fehlten, wählte T e t m a j e r die Biegungsarbeit, und
zwar deshalb, weil die A\'iderstandsfähigkeit des Holzes gegen Biegung in den Bau-
werken eine besondere Bedeutung annimmt, vorzugsweise aber deshalb, weil die
Deformation relativ erheblich, die Bestimmung der Elemente des Arbeitsdiagrammes
eine sicherere und exaktere ist, als dies unterZugrundelegung der E)eformationsarbeit
irgend einer anderen Festigkeitsart möglich schien. Mit Rücksicht darauf, daß die
Qualitätsbestimmung des Holzes von dem jeweiligen Feuchtigkeitsgehalt desselben
abhängig ist, wurden parallel den Biegungsproben Versuche zur Feststellung des
Wassergehaltes der der Biegung unterworfenen Versuchsobjekte ausgeführt. Von
der Bestimmung des Feuchtigkeitsgrades der Versuchsobjekte der Zug-, Druck-,
Knickungs- und Scherfestigkeit mußte wegen der großen Anzahl von Versuchs-
stücken Abstand genommen werden. Im ganzen gelangten 660 \'ersuche zur Durch-
führung und zwar fielen:
9 ^'ersuchs-Serien auf die ^^'eißtanne
— 3 Serien von über, 6 Serien von unter 1300 m über dem Meeresspiegel
erwachsenem Holze;
11 Versuchs-Serien auf die Rottanne
— 5 Serien von über, 6 Serien von unter 1300 m ü. d. M.;
2 Versuchs-Serien auf die Föhre
— 2 Serien von unter 1300 m ü. d. M.;
5 Versuchs-Serien auf die Lärche
— 3 Serien von über, 2 Serien von unter 1300 m ü. d. M.;
2 Versuchs-Serien auf die Eiche, gewachsen unter 1.300 m ü. d. M.;
1 Versuchs-Serie auf die Buche, gewachsen unter 1300 m ü. d. M.
Zur Beurteilung des Einflusses der Höhenlage des Standortes auf die Holz-
qualität konnte dem vorstehenden Programme gemäß unter den div. Holzarten nur
die Weiß- und Rottanne herangezogen werden, während der Einfluß der geognosti-
Echen Verhältnisse, des Wachstums etc. trotz des namhaften Umfanges dieser Arbeit
mit Sicherheit nicht eniiittelt werden konnte.
U ebergehend zur ^'eranstaltung der \'ersuche ist hervorzuheben, daß die Zug-
estigkeit der Hölzer an B a u s c h i n g e rschen Normalstäben gewonnen wurde,
welche eine Schaftdicke von 0,5 — 0,7 cm bei einer Breite von 3 — t cm hatten.
Die Druckfestigkeit in der Faserrichtung \\ urde an \\ürfeln von ca. 10 cm Kan-
tenlänge ermittelt; als Knickfestigkeitsproben wurden 50 cm lange Prismen von 10
auf 10 cm Stärke verwendet.
Zur Erhebung der Scherfestigkeit wurden Platten von 10 auf 10 cm Querschnitt
und 4,5—5,5 cm Dicke benützt. Die eine der Scheiben gehörte der Stamm-Mitte an,
während die beiden anderen dem Reifholz entnommen \Mirden.
Zu den Biegungsversuchen wurden Balken von 10 auf 10 cm Querschnitt und
1,5 m Stützweite ver^vendet. Die Beanspruchung erfolgte senkrecht zu den Jahrringen.
26*
404 IX A. E x n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
Sieht man von der Dauer des Holzes ab, so bleibt als entscheidendes Moment
bei der Beurteilung der Verwendbarkeit einer Holzart für bautechnische Zwecke
neben der Festigkeit nur noch das Maß der durch ihre Zähigkeit bedingten
Leistungsfähigkeit übrig, welche am besten aus der Arbeitskapa-
z i t ä t der Biegungsfestigkeit bestimmt werden kann. Hiebei ist die frag-
liche Arbeitskapazität durch Ausmaß eines Diagrammes erhältlich, welches aus den
bis zum Bruch gesteigerten Belastungen und zugehörigen Biegungen eines normalen
Prüfungsobjektes in der Art gebildet wird, daß man zum jeweiligen Biegungspfeil
als Abszisse rechtwinklig die korrespondierende Belastung als Ordinate aufträgt und
die so gefundenen Punkte durch einen Linienzug verbindet. Der Inhalt des so kon-
struierten Diagrammes stellt den Wert der Biegungsarbeit dar. Diese Arbeit muß
durch Schlag oder allmähliche gesteigerte Belastung verrichtet werden, soll ein Bruch
des Balkens erzielt werden.
Bezeichnet man mit fo den Biegungspfeil des Balkens beim Bruch, mit B die
Bmchkraft desselben, so stellt das Produkt fp . B den Inhalt des dem Biegungs-
diagramme umschriebenen Rechteckes dar. Ein Bruchteil dieses Inhalts gibt den
Inhalt A der Arbeitsfläche, welche man somit durch
A = r^ fo . B
ausdrücken kann, worin Tj den Koeffizienten der Biegungsarbeit bezeichnet. Dieser
Koeffizient ist selbst bei ein und derselben Holzart nicht konstant. Derselbe ändert
sich mit dem Zähigkeitsgrade des Materials, er ist desto kleiner (sinkt bis auf 0,5),
je geringer der Arbeitswert, je größer der Grad der Sprödigkeit und Brüchigkeit ist
umgekehrt wächst der absolute Wert des Koeffizienten mit zunehmender Zähigkeit
des Materials und erreicht eine Größe von 0,8 — 0,85.
Da nun tj auch für Holz des gleichen Stammes selbst näherungsweise nicht als
konstant angesehen werden kann, so ist auch weder die absolute Größe des Biegungs-
pfeiles noch das Produkt aus Biegungspfeil und Bruchkraft zur Oualitätsbestim-
mung maßgebend und bleibt somit nichts anderes übrig, als Fall für Fall den tat-
sächlichen Wert der Biegungsarbeit A in t/cm ausgedrückt der Beurteilung zugrunde
zu legen.
Am Schlüsse dieser Auseinandersetzung gelangt T e t m a j e r zu folgender Be-
trachtung: Zur Beurteilung des Wertverhältnisses der Bauhölzer untereinander
sowie zur Vergleichung des Holzes aus verschiedenen Teilen des Stammes ist das
Maß der Arbeitskapazität (stets unter Zugrundelegung einheitlicher Prüfungsobjekte
maßgebend ; dieselbe stellt eine durch Festigkeit und gleichzeitig Zähigkeit bedingte
Zahl dar, die unter sonst gleichen Umständen sich sowohl mit der Zähigkeit als ander
seits mit der Festigkeit ändern kann. Ist das Holz spröde, brüchig (d. h. elastisch,
fest, aber nicht zähe — biegsam), so wird sein Arbeitswert gering ausfallen, umge-
kehrt kann das Arbeitsvermögen erheblich werden, wenn das Material neben geringer
Bruchfestigkeit große Zähigkeit und Biegsamkeit besitzt. Ein Maximum der Bie-
gungsarbeit wird aus der Vereinigung möglichst großer Festigkeit und Zähigkeit
resultieren; es erscheint daher die Größe der Biegungsarbeit (A) als wohlberechtigter
Oualitätsniesser des Holzes.
Bevor wir die Zusammenstellung der T e t m a j e r sehen Ver.suchsresultate
wiedergeben, wollen wir nicht versäumen, jene Erfahrungen anzuführen, welche der
Versuchsansteller gelegentlich der Knickimgsfestigkeit gewonnen hat und sich auf
die Feststellung des Gesetzes der Abnahme der Druckfestigkeit mit wachsender
Prismenlänge bezogen. Gewöhnlich wird der Knickungskoeffizient k für variable
Verhältnisse der Balkenlängen und Querschnittsabmessungen als konstant an-
Versuchsresultate von Tetmajcr. § 31. 405
genommen. T e t m a j e r ist gelegentlich des Studiums dieser Frage zu folgenden
Schlüssen gelangt: daß
1. die Druckfestigkeit mit wachsender Länge der Balken sich mehr oder weniger
sprungweise ändert ;
"2. die Knickungsgefahr bei Balkenlängen von fünf- bis zehnfacher, schätzungs-
weise von achtfacher Oucrschnittsbreite beginnt;
3. die Abnahme der Druckfestigkeit bei Balkenlängen von zehn- bis zwanzig-
facher Oucrschnittsbreite unerheblich, jedoch fast stetig wächst.
In der folgenden Tabelle VIII (S. 406) führen wir nur jene Mittelwerte an, welche
als Festigkeitskoeffizienten für bautechnische Zwecke Verwendung finden sollen.
Darin bezeichnet:
£ in t pro qcm den Elastizitätsmodul;
Y in t pro qcm den Grenzmodul (speziell Tragkraft an der Elast.-Grenze);
ß in t pro qcm den Festigkeitsmodul für Zug, Druck und Biegung; speziell:
fij in t pro qcm den Festigkeitsmodul für das Stammzentrum (Mittelstück);
ßs in t pro qcm den Festigkeitsmodul für seitliches Holz (Seitenstück);
ß„ in t pro qcm den mittleren Festigkeitsmodul ;
^c in t pro qcm den Schermodul für das Stanimzentrum ;
^ä in t pro qcm den Schermodul für seitliches Holz ;
<3m in t pro qcm den mittleren Schermodul ;
» in t/cm die spezifische Arbeit an der Elastizitätsgrenze;
A in t/cm die Deformationsarbeit beim Bruch;
n in % den Feuchtigkeitsgrad desHolzes.
Was die Festigkeitsverhältnisse des Holzes an verschiedenen Stellen des Quer-
schnittes betrifft, so ergibt sich, daß das Holz der Stamm-Mitte selbst bei Stämmen
im Alter des vorgelegenen Versuchsmaterials (80 — 100 Jahren) schwächer ist
als das Reifholz seitlich der Stamm-JMitte (gleichviel ob aus Höhen über oder unter
1300 m ü. d. M.).
Aus einer anderen Tabelle, bezüglich welcher wir der Raumökonomie halber
auf die Publikation des Versuchsanstellers venveisen müssen, geht ferner hei-vor, daß
die Nadelhölzer in der Stamm-Mitte sowohl an Festigkeit wie Zähigkeit als wesentlich
minderwertig erscheinen; so ist z. B. die Biegungsfestigkeit des seitlichen Holzes der
Koniferen um 16 °o, die Leistungsfähigkeit um 39 »o größer als für die Stamm-Mitte.
Nach ihren Festigkeitsverhältnissen rangieren die geprüften Bauhölzer in fol-
gender Weise:
Druckfestigkeit Scherfestigkeit Biegungsfestigkeit
Föhre Föhre Föhre
Rottanne Weißtanne Rottanne
Weißtanne • Rottanne Weißtanne
Lärche Lärche Lärche
Buche Eiche Eiche
Eiche Buche Buche.
Den kleinsten Arbeitswert zeigte die Föhre. Setzt man denselben = 1, so er-
scheint bei einem Wassergehalt von 11— ^Co (lufttrockenes Holz)
der Arbeitswert der \\eißtanne um 19% größer;
„ „ „ Rottanne „ 26% ,.
„ „ ,, Lärche ,, 66% ,,
., Eiche „ 95%
Der Arbeitswert der Buche dürfte neben jenem der Eiche stehen.
Nr.
Zugfestigkeit
I
Weißtanne
II
Rottanne
III
Lärche
IV
Föhre
V
Eiche
VI
Buche
406
IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
CB H
° 2.
>
9
j£ to # c
tc ^ •— h—
C3 1— f-*
-<
cü
cc
w
r
X
5=
^
c
o'
K:
o_
2:
o
re
O
5
-3
Q
o
00
(-1
o
CO
10
^
tc
o
03
CD
p
-
o
CC
CO
n>
o
o
>^
1—
o
jr>
_p
«
p
'
'b'
CO
1
>f-
--<
1
CO
-o
CD
1
CS
^
CT.
-o
JO
c
p
p
"o
o
O
b
N
o
o
o
o
c
o
o
1
1
»
CO
CJx
CJ^
1
1
o
CTQ
tt-
OD
CO
•-»
©
O
o
Cl
^-^
CD
■o
cn
""'
c»
»a
p
"oo
p
'cd
p
p
0-.
p
-CD
(113
CO
00
Ol
CO
c:
o
CO
>f^
OD
Cl
o
p
p
p
p
p
"cn
■o
CO
"co
CO
CO
-CD
c*
-o
CD
CO
--]
Cl
o
CO
<J
Ol
c
■^
n
H^
p
p
p
^
p
•O
'cd
"od
"ci
"oi
CO
"CD
tO
-o
CO
IC
*-
*-
o
CD
c:
•^
tf~
tc
^
p
p
o
o
o
"oi
"co
-o
"oi
o<
-J
-cc
3
*-
c:
o
CO
IC
o
»^
O
IC
CO
o
1
Oi
o
-
I-'
o
^
JK
CO
J^
p
p
X
01
'es
-o
V
'co
"^
"x
o
o
w<
o
ca
o
c
^,
p
p
p
p
o
>^
I>i
CO
n
»^
^
rc
X
IC
""
Ol
Ol
J=)
p
^
o
p
p
ö
^
"i
"o
o
c
e
"o
b
o
o
o
o
o
o
55
o
o
o
o
o
o
o
o
o
o
o
o
?r
M
o
Ol
00
*J
00
o
-J
Ol
o
O'
CO
c;
00
t^
»^
CO
CO
fD
J=
p
p
p
^.
p
e-^
"cc
w
"co
"lO
"to
"^D
-CD
p
t>s
OD
00
to
Od
to
CO
to
00
JD
p
p
p
p
,p
CD
t^
CO
"ic
"tc
"ic
IC
-CD
H-.
CD
t*
-J
"J
CD
e-t.
*t-
CO
oc
•^
CD
CO
C'
^
p
p
p
p
"CD
CO
CO
"cc
IC
tc
"tc
w
c:"
4^
X
GO
f^
w
o;
M
CO
C-T
•o
p
p
p
p
p
p
•CD
"co
"co
CO
tc
"tc
IC
3
tc
>^
CO
-o
oo
4-
o
CO
I-'
Gl
CO
Ol
p
p
p
P
p
p
75
"c
o
"o
"b
"o
b
Q
o
-J
^
C".
cv
Ol
s-
to
w-l
o
-J
»4-
CD
p
p
p
p
o
o
>-3
o
"o
"o
o
"b
b
»«
CD
CD
■^
-J
o;
Ol
Ol
00
cn
»u
o;
o
OtJ
p
c
p
p
p
p
Q
PT
o
o
"o
"o
b
b
3
CD
00
•^
-J
Ol
Cl
Ol
c
y
M
-o
CO
«-•-
ür H
^ =
Versuchsresullate von Bauschinger. § 32. 407
Hinsichtlich der interossaiilon Folgerungen, welche sich ergeben, ob das Holz
unter oder über 130() ni ü. d. M. erwachsen ist, müssen wir auf die höchst beachtens-
werte Publikation T e t m a j e r s selbst verweisen. —
Hofrat T e t m a j e r hat später gelegentlich der schweizerischen Laudesaus-
stellung in Genf 1896 die voranstehenden Versuche weiter verfolgt und deren Resultate
in dem Werke : Methoden und Resultate der Prüfung der Schweiz. Bauhölzer. H. Heft.
Zürich 18% niedergelegt. Dortselbst finden sich nelist den erweiterten Untersuchungs-
resultaten der Festigkeitseigenschaften der Schweiz. Baidiölzer auch folgende interes-
sante Kapitel: 1. Resultate der Untersuchungen der Einflüsse des Dämpfens und Dar-
rens auf die Festigkeitsverhältnisse der Bauhölzer; 2. Resultate der Prüfung der
Einflüsse der Imprägnierung der Hölzer auf deren Festigkeitsverhältnisse; 3. Unter-
suchung des relativen Wertes der Bündener Lärche und der amerikanischen Pitsch-
Pine; 4. Untersuchung des Einflusses des exzentrischen Wuchses auf die Druck-
festigkeit einiger Nadelhölzer; Z). Untersuchung der Kompressibilität eichener Bohlen
und 6. Untersuchung der Einflüsse der Exzentrizität auf die Druckfestigkeit des Holzes.
§ 32. Die Untersuchungen, welche Prof. Bauschinger angestellt hat,
behandelten hauptsächlich den Einfluß des Standortes und der Fällzeit auf die Elasti-
zität und Festigkeit des Fichten- und Kiefernholzes. Als \ ersuchsmaterial dienten
je 4 Stämme, welche 4 verschiedenen Standorten (Lichtenhof, Frankenhofen, Regen-
hütte und Schliersee) entnommen und wovon je 2 Stämme im Sommer, die beiden
anderen im Winter gefällt wurden. Von dem Standort Lichtenhof wurde Kiefernholz
(Föhre), von doli anderen drei Standorten Fichtenholz eingesandt. Die Bäume wur-
den 1,5 cm über dem Boden abgeschnitten und aus jedem der so gewonnenen 32 Ab-
schnitte ein Balken von möglichst großem ([uadratischem Querschnitt so herausge-
nommen, daß der Kern ganz oder doch nahezu in dessen Mitte zu liegen kam und
die Ouerschnittsseiten parallel zur Süd-Nord-, bezw. Ost-West-Richtung liefen. Diese
Probestücke wurden auf Biegung untersucht. \'on den beim Ausschneiden jener
Balken abgefallenen Schwartlingen wurden 50 cm lange Stücke abgeschnitten und
hieraus Lamellen von 8 cm Breite und 2 cm Dicke gewonnen; diese Probestücke,
welche dann noch weiter hergerichtet wurden, sind der Zugfestigkeit unterworfen
Morden. \'on den bei den Biegungsversuchen erhaltenen beiden Bruchstücken wurden
jene Probestücke gewonnen, welche man zur Untersuchung auf Zug-, Druck- und
Abscherungs -Festigkeit benötigte.
Die zu den Biegungsversuchen verwendeten 32 Balken hatten eine
Spannweite von 250 cm. Ihr Querschnitt war möglichst groß und schwankte zwischen
15,2 cm Breite und 33,49 cm Höhe.
Gelegentlich der Zusammenstellung der Resultate gibt Bauschinger auch
die Biegungsarbeit an, welche sowohl als Maßstab für die Festigkeit als auch zugleich
für die Zähigkeit des betreffenden Holzstückes dient.
Bei Ausführung der \'ersuche über die Zugfestigkeit hat Bauschinger
fünf typische Bruchformen unterschieden und folgendermaßen charakterisiert: kurz
stumpf; kurz zackig; blättrig; faserig und langfaserig, und zugleich gefunden, daß
in derselben Reihenfolge, in welcher die Bruchformen aufgezählt sind, von der klei-
neren zur größeren aufsteigend, in der Regel auch die Zugfestigkeiten der Probe-
stücke stehen.
Die Druckversuche wurden an Probestücken von 9x9 cm Querschnitt und
15 cm Länge vorgenommen, während für die Abscherungsversuclie Scheiben von
8 cm Dicke zur Verfügung standen.
Gelegentlich der \'ornahme dieser Versuche hatte Bauschinger noch eine
408 I^ '^- E X n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
eigene Versuchsreihe (an Fichtenholz) unternommen zu dem Zwecke, den Beziehungen
zwischen den mechanischen und physikalischen Eigenschaf-
ten des Holzes auf die Spur zu kommen. Zu diesem Ende wurden die Probestücke
auf 4 Trockenstufen, d. h. nach und nach durch allmähliches Austrocknen bis zu
jenem Zustand gebracht, wo das Holz an Luft von gleichbleibender Feuchtigkeit
nichts mehr abgibt und feuchter oder trockener wird, je nach dem Feuchtigkeitsgehalt
der Luft.
Hierauf wurde der Feuchtigkeitsgehalt der einzelnen Probestücke und die
Festigkeit derselben ermittelt.
Wir müssen uns darauf beschränken, die Hauptresultate dieser höchst instruk-
tiven Arbeit wiederzugeben, welche sich in Folgendem ausdrücken: ,,Im großen und
ganzen ist bei geringerem Feuchtigkeitsgehalt und größerem spezifischem Trocken-
gewicht ein höherer Elastizitätsmodul und eine größere Festigkeit vorhanden, aber
letztere Eigenschaften unterliegen noch anderen Einflüssen, die mindestens ebenso
mächtig sind wie die Wirkungen der Feuchtigkeit und des spezifischen Gewichtes
und folglich diese ganz oder teilweise verdecken. Diese Einflüsse rühren natürlich
von der örtlichen Beschaffenheit der Holzsubstanz in dem betr. Probestück oder an
dessen Bruchstelle her, dieses organischen Gebildes von fester Holzmasse (Zellulose,
Lignin) mit Hohlräumen verschiedener Art (Poren, Höhlungen der Holzfasern etc.),
das sich schon beim näheren Besichtigen eines Querschnittes mit bloßem Auge, noch
mehr aber bei der Beobachtung eines Dünnschnittes unter dem Mikroskop von außer-
ordentlich verschiedener Beschaffenheit zeigt, sowohl innerhalb "desselben Quer-
schnittes als auch an gleichen Querschnittsorten in verschiedenen Höhenlagen des-
selben Stammes, wenn diese auch nur verhältnismäßig wenig, um 2 — 3 Meter, von-
einander entfernt sind."
Bausc hinger hat nun eine Relation zwischen der Druckfestigkeit und dem
Feuchtigkeitsgehalt aufgestellt und gefunden, daß
ßo = ß[l + M9-?o)],
wobei ß die Druckfestigkeit beim Feuchtigkeitsgehalt o und ßp diejenige bei einem
niedrigeren Feuchtigkeitsgehalt 90 bezeichnet, welcher in der Nähe der Lufttrockene
liegt. Die Konstante X wurde im Mittel zu 0,0366 gefunden.
In ähnlicher Weise fand Bau sc hinger den Zusammenhang zwischen der
Schubfestigkeit und dem Feuchtigkeitsgehalt aus der ähnlich gebauten Formel:
ro = v[i +n(9— 9o)].
worin y die Schubfestigkeit beim Feuchtigkeitsgehalt 9 undy,, diejenige beim Feuch-
tigkeitsgehalt 9o bezeichnet. Der Koeffizient |i wurde zu 0,0430 ermittelt.
Dieser Wert [/, stimmt so ziemlich mit jenem (Ä) für die Druckfestigkeit überein.
In Nachstehendem geben wir die Mittelwerte der Versuchsresultate.
(Siehe Tabelle IX., S. 409.)
Bezüglich der Resultate und Folgerungen aus denselben müssen
wir auf die Bauschinger sehe Arbeit selbst verweisen, können aber nicht umhin,
wenigstens die wichtigsten derselben hier anzuführen, da dieselben neue Perspektiven
eröffnen.
Bezüglich der Zugfestigkeit wurde gefunden, ,,daß die Zugfestigkeit
unabhängig ist von der ganzen Jahrringbreite, und nur bedingt ist von der Beschaf-
fenheit der beiden Zonen und daher bei der fast konstanten Beschaffenheit der
Frühjahrszone wesentlich abhängig von der Festigkeit der Spätholz-(Herbst)zone
und außerdem von der verhältnismäßigen Breite derselben".
Es hat sich ferner ergeben, daß ,,eine dichte Herbstzone von großer Verhältnis-
Versuchsresultate von Bauschinger. § 32.
Tabelle IX.
409
Fällzeit
Holzart
Standort
Elastizitäts-MocUiI in at
Elastiziläts-Grenze in at
Biegungsfestigkeit at
Spezif. Gew. bei Luft-
trockene ....
Feuchtigkeitsgehalt in
°o des Holzgewichtes
Mittlere Festigkeit der
Umtang-Stücke in at
Jlittlcre Festigkeit der
Kern-Stücke in at .
Mittlere Festigkeit des
ganzen Querschnittes
in at
Druckfestigkeit für den
ganzen Querschnitt
in at
Feucht igkeitsgehalt";
Druckfestigkeit f. 10°,
Feuchtigkeit (Luft
trockene) in at
Schubfestigkeit im
Durchmesser in at
Schubfestigkeit im
Quadrat in at . '
Feuchtigkeitsgehalt
"o des Holzgew.
Sommer
Kiefer
Fichte
Lichten- Franken-I Regen-
hof ; hofen I hütte
Schlier-
see
Winter
Kiefer
Fichte
Lichten- Franken-
hof I hofen
Regen-
hatte
Schlier-
see
Bieg ungs versuche.
08 000
110 000
115 000
73 000
103 000
116 000
110 000
201
228
216
146
220
262
227
472
419
416
295
451
446
446
0,50
0,45
0,46
0,355
0,55
0,43
0,43
23
29
34
23,5
33
27
31
69 000
132
257
0,375
Zugversuche.
050
790
1030
700
750
1240
960 1
230
310
410
290
290
345
300
790
750
825
565
595
940
740
Druckversuche.
.
281
19
373
43
46
25
246
234
162
319
313
281
20
27
20
26
17
20
335
379
222
504
393
383 {
Abscher ungs versuche// zur Faser.
41
38
32
49
51
49
41
38
31
51
52
49
38
38
28
—
—
—
580
255
470
225
19
298
38
38
mäßiger Breite stets eine große Zugfestigkeit (und Dichtigkeit), eine locker gewebte
und verhältnismäßig dünne Herbstzone aber stets eine geringere Festigkeit (und
Dichtigkeit) des ganzen Querschnittes zur Folge hat imd daß die so bedeutend ge-
ringere Festigkeit der Kernstücke nicht sowohl von der großen Breite der Jahrringe,
sondern vielmehr von der lockeren Beschaffenheit und verhältnismäßig geringen
Breite der Herbstzone herrührt".
,, Immer ist eine höhere Zugfestigkeit von einem faserigen Bruch, eine niedrigere
von einem kurzen, stumpfen oder zackigen Bruch begleitet."
Die ungeheure ^lannigfaltigkeit, welche in der Anordnung der Fasern betreffs
ihrer Lage neben- und hintereinander möglich ist, scheint der Hauptgrund der großen
Verschiedenheiten zu sein, welche die Zugfestigkeit innerhalb desselben Stammes,
ja innerhalb desselben Querschnittes eines solchen zeigt."
Außer den im anatomischen Bau des Holzes sich aussprechenden Verhältnissen
hat auch noch die eigentliche Holzsubstanz ihrer Qualität, ihrer chemischen Zusam-
410 IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschatten der Hölzer.
mensetzung nach Einfluß auf die Festigkeit. Um dieser Frage näher zu kommen,
wurden mehrere Probestücke auf ihren Lignin-Gehalt und Gehalt an Zeikilose unter- .
sucht und gefunden :
„Die Zugfestigkeit nimmt mit dem Gehalt an Zellulose zu und umgekehrt wird
die Zugfestigkeit kleiner, wenn der Lignin-Gehalt wächst."
,,Lignin scheint das Holz härter, spröder, wiflerstandsfähiger gegen Biegung zu
machen, während die Zugfestigkeit durch Ligninbildung" verringert wird."
Bezüglich der Fragen nach dem Einfluß des Bodens und der Fällzeit auf die
Festigkeit gelangte B a u s c h i n g e r zu folgenden Resultaten:
1. Die auf den Standorten Frankenhofen und Regenhütte erwachsenen Stämme
haben ungefähr gleiche mittlere Zugfestigkeit, etwas geringer ist diejenige der Kiefern
von Lichtenhof und entschieden die geringste Festigkeit haben die breitringigen
Fichtenstämme von Schliersee.
2. Ein Einfluß der Fällzeit ist bei Hölzern, die kürzere Zeit, etwa einen Monat
nach ihrer Fällung geprüft werden, nicht zu erkennen.
Der Elastizitätsmodul für Zug variiert sehr bedeutend mit der Festigkeit; er
nimmt mit der Festigkeit zu und ab, doch in der Regel bei weitem nicht in demselben
Verhältnisse wie diese.
Die Elastizitätsgrenze für Zug fällt nahezu mit der Bruchgrenze zusammen.
Aus den Ergebnissen über die Biegungsfestigkeit folgt, daß die Zahlen
für die Biegungsfestigkeit ebenfalls von der zufälligen örtlichen Beschaffenheit des
Holzes, die innerhalb desselben Stammes so sehr verschieden sein kann, beeinflußt
werden wie diejenigen für die Zugfestigkeit, wenn auch nicht in so hohem Grade wie
diese. Ein Zusammenhang zwischen den mechanischen Eigenschaften und der Dich-
tigkeit war hiebei nicht festzustellen, wenigstens nicht mit Sicherheit. Aus den Mittel-
werten ließen sich folgende Schlüsse ziehen:
1. Die auf den Standorten Frankenhofen und Regenhütte erwachsenen Stämme
haben bei fast gleichem spezifischemGewichte ungefähr gleiche Qualität für die Be-
anspruchung auf Biegung und werden von den in Lichtenhof gewachsenen Stämmen
trotz deren bedeutend größerem spezifischem Gewichte kaum übertroffen; dagegen
stehen jenen die Schlierseer Stämme bedeutend nach, sowohl was die mechanischen
Eigenschaften anbelangt, als auch betreffs des spezifischen Gewichtes.
2. Ein Einfluß der Fällzeit ist auch hier nicht zu konstatieren.
Bei den Druckversuchen ist charakteristisch, daß die Ueberschreitung
der Festigkeitsgrenze sehr scharf zu beobachten ist, obwohl eine Lösung des Zusam-
menhanges der Teile nicht stattfindet. Die Elastizitätsgrenze dagegen ist bei Druck-
versuchen in der Regel sehr verschwommen und der Elastizitätsmodul wegen der
großen Schwierigkeiten einer völlig gleichmäßigen Verteilung des Druckes etwas un-
sicher. Auch hier zeigte sich wieder, daß die Kernstücke eine geringere Festigkeit
haben als die Seitenstücke. Ein Einfluß der Himmelsrichtung ließ sich nicht erkennen.
Ferner hat sich ergeben:
L Die auf den Standorten Frankenhofen und Regenhütte erwachsenen Stämme
haben bei fast gleichem spezifischem Gewicht ungefähr gleiche mittlere Druckfestig-
keiten und werden von den in Lichtenhof gewachsenen Stämmen trotz deren größerer
Dichtigkeit kaum übertroffen, dagegen stehen jenen die Schlierseer Stämme be-
deutend nach.
2. Bei allen vier Standorten ist die Festigkeit der im Winter gefällten Stämme
größer als die der im Sommer gefällten, und zwar verhalten sich beide Festigkeiten
im lufttrockenen Zustand im Mittel wie 1 : 1 22.
Versuchsresullate von Bauschinger. § 33. 4jl
Aus den Resultaten der A b » e h c r v e r s u c li e gelit liervor, daß die Scliub-
festigkeit unabhängig von der Breite der Jahrringe und daß sie im Kern am {kleinsten
ist und von da aus liis zur Peripherie liiu wächst. Selir häufig ist sie aber nächst dem
Splint wieder kleiner als zwischen dem Kern und diesem.
Es konnte weder ein Einfluß der Himmelsrichtung auf flie Schubfestigkeil noch
ein entschiedener Einfluß «ler Höhenlage im Stanuue abgeleitet werden. In ziemlicher
Uebereinstimmung mit den bei der Druckfestigkeit gefundenen Sätzen ergab sich
auch hier:
1. Die Schubfestigkeit des Holzes längs der Faser von den drei Standorten
Lichtenhof, Frankenhofen und Regenhütte ist nahezu die gleiche, die des Schlierseer
Holzes aber wesentlich geringer.
2. Die Schubfestigkeit des im Winter gefällten Holzes ist größer als diejenige
der Stämme, welche im Sommer geschlagen wurden, und zwar verhalten sich beide
Festigkeiten im Mittel wie 1 : 1,'27.
In seiner Schlußbemerkung gibt B a u s c h i n g e r auf die beiden Haupt-
fragen: Einfluß des Standortes und der Fällzeit auf die Elastizitäts- und Festigkeits-
Eigenschaften des Fichten- und Kiefernholzes, folgende Antwort:
1. Fichten- oder Kiefernstämme, welche bei gleichem Alter ungefähr gleichen
Durchmesser haben, die also ungefähr gleich schnell gewachsen sind, haben, unab-
hängig vom Standorte, die gleichen mechanischen Eigenschaften bei gleichem Feuch-
tigkeitsgehalt. Stämme, welche bei gleichem Alter größeren Durchmesser, also breitere
Jahrringe haben, schneller gewachsen sind, haben eine geringere Festigkeit, als lang-
samer gewachsene.
2. Fichten- oder Kiefernstämme, welche im Winter gefällt wurden, haben, zwei
bis drei Monate nach ihrer Fällung geprüft, unter sonst gleichen Umständen eine um
ca. 25 "o größere Festigkeit als solche, die im Sommer geschlagen- werden.
§ 33. Nebst dieser ausgezeichneten Arbeit, welche Bausc hinger im Jahre
1882 zur Durchführung brachte, hat derselbe in dem ,, sechzehnten Heft der Mit-
teilungen aus dem mechanisch-technischen Laboratorium der K. Technischen Hoch-
schule in München 1887" als Fortsetzung dieser Studie die Resultate der Unter-
suchungen über ,,die Veränderung der Festigkeit des Nadelhol-
zes nachdemFällen" publiziert. Diese Arbeit hatte den Zweck, den Einfluß
der Fällzeit und des Standortes auf die Dauer des Nadelholzes zu untersuchen.
Als \'ersuchsmaterial wurden aus den zu Gebote stehenden 32 Balkenstücken der
oben zitierten Hölzer an möglichst astfreier Stelle zwei 15 cm dicke, viereckige Plat-
ten unmittelbar nebeneinander herausgeschnitten, und beschränkte sich die Prüfung
dieses Versuchsmaterials auf die Ermittlung der Druckfestigkeit und des dabei vor-
handenen Feuchtigkeitsgehaltes der Probestücke. Das Material war 5 bezw. 4 ^2 Jahre
im Freien gelagert und während dieser Zeit den \\itterungseinflüssen ausgesetzt.
Eine der beiden Platten wurde benützt, um ein quadratisches Prisma mit ca. 10 cm
Ouerschnittsseite zu gewinnen, welches in seiner Mitte den Kern enthielt; die andere
Platte wurde durch zwei aufeinander senkrecht stehende und durcli die Mitte des
Kernes gehende Schnitte in 4 rechtwinkelige Parallelepipede zerlegt, aus welchen
Prismen gearbeitet wurden, deren Querschnitt nahezu quadratisch und deren Länge,
parallel der Faser, 1 ^omnl so groß als die kleinste L>imension war.
Um die Resultate für das spezifische Gewicht und die Druckfestigkeit mit
jenen Daten für frisch gefälltes Holz vergleichen zu können, mußten alle auf den
gleichen Feuchtigkeitsgehalt reduziert werden. B a u s c h i n g e r wählte hiezu den
Feuchtigkeitsgehalt der Lufttrockene <p = 10% des Gewichtes des feuchten oder
412
IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
']i = 12% des Gewichtes des im Trockenofen getrockneten Holzes und benutzte die
Formeln :
S = Sa (1 +0,006 ('1^—12)
für die Dichtigkeit und
ßo = ß (1 +0,0366 (9—10)
für die Druckfestigkeit.
Aus den so erhaltenen Daten für das spezifische Gewicht und die Druckfestig-
keit ei'gab sich, daß die spezifischen Gewichte teils gleich geblieben, teils ein wenig
größer oder ein wenig kleiner geworden sind. Etas ^Mittel aus 64 Zahlen für das spe-
zifische Gewicht des Holzes, 5 Jahre nach der Fällung, war 0,424, und das spezifische
Gewicht des Holzes 3 Monate nach der Fällung betrug 0,43 ; die Dichtigkeit ist also
im ganzen fast unverändert geblieben.
Dagegen zeigt die Druckfestigkeit fast durchweg eine und zwar meist sehr er-
hebliche Zunahme; Ausnahmen finden nur da statt, wo schon das äußere An-
sehen des Probestückes beträchtliche Zeichen von Zerstörung durch Fäulnis
zu erkennen gibt. Das Anfaulen von geringerem Betrag vermag die Erhöhung
der Druckfestigkeit nicht aufzuheben, sondern nur zu verringern. Um zu sehen, ob
bei der Erhöhung der Druckfestigkeit durch das Ablagern die im Sommer gefällten
Stämme gegenüber den im Winter gefällten einen Unterschied zeigen, hat B a u -
s c h i n g e r für jeden der 4 Standorte die durchschnittliche Druckfestigkeit des
ganzen Querschnittes wie folgt ermittelt:
Tabelle X.
Durchschnittliche DruclcfestigUeit des ganzen Querschnitts der Stämme von
Lichtenhof
Frankenhofen
Regenhütte
Schliersee
Fällzeit
5 Jahre | 3 Monate
n. d. ' n. d.
Fällen 1 Fällen
at 1 at
5 Jahre ' 3 Monate
n. d. n. d.
Fällen , Fällen
at i at
5 Jahre
n. d.
Fällen
at
3 Monate
n. d.
Fällen
at
5 Jahre
n. d.
Fällen
at
3 Monate
n. d.
Fällen
at
Sommer
Winter
505 368
446 i 477
451 338
465 395
442
446
374
376
322
336
221
298
Sieht man hierin von den im Winter gefällten Stämmen von Lichtenhof ab,
deren Stücke sämtlich so beträchtlich angefault waren, daß sie eine Verminderung
der Druckfestigkeit ergaben, so folgt hieraus:
,,Die Zunahme der Druckfestigkeit ist bei den im Sommer gefällten Stämmen
größer als bei den im Winter gefällten, so daß die anfänglich, kurze Zeit nach dem
Fällen, geringere Druckfestigkeit der im Sommer gefällten Stämme diejenige der im
Winter gefällten während des Ablagems ganz oder nahezu einholt."
W'ie lange die hiedurch bewirkte Erhöhung der Druckfestigkeit des Holzes
dauert, in welcher Zeit dieselbe ein unzweifelhaft bestehendes Maximum erreicht,
konnte durch die vorstehenden Versuche nicht ermittelt werden. Sie zeigten nur
die Erhöhung, welche nach 5 Jahren stattfand.
B a u s c h i n g e r kommt am Schlüsse seiner Arbeit unter Berücksichtigung
der weiter unten angeführten Resultate zu dem Schlüsse, ,,daß die Erhöhung der
Druckfestigkeit din-ch das Ablagern nicht über 1 Jahr hinaus, von der Fällzeit an
gerechnet, dauere".
§ 34. Außer diesen Untersuchungen publizierte B a u s c h i n g e r in dem
gleichen Hefte der Mitteilungen eine Arbeit „über die Elastizität und
Festigkeitverschied euer Nadel holze r", welche als Folgerung den
von ihm bereits früher aufgestellten Satz ergibt, daß bei jenen Versuchen, bei denen
Versuchsresultate von Bauschinger. § 34. ^13
es sich um die Durchschnittsqualität eines Stammes handelt, wie bei den Fragen
über den Einfluß des Standortes, der Fällzcit etc.. Druckversuche, angestellt an prisma-
tischen Stücken von ca. 15 cm Länge und 8—10 cm Querschnittsseite am sichersten
zum Ziele führen dürften, ^"on dem Gedanken ausgehend, daß dem Hauptverwen-
dungszwecke entsprechend die wichtigste Eigenschaft des Holzes die Biegungs-
Elastizität und -Festigkeit sei, war der Grundplan der folgenden Versuche der, daß ein
und demselben Baumstamme Probestücke für B i e g u n g s- und Druckver-
suche entnommen und die Resultate dieser \"ersuche unter Berücksichtigung des
Feuchtigkeitszustandes der Probestücke untereinander verglichen werden sollten.
Als Versuchsmaterial dienten im ganzen 45 Stämme, welche 4 verschiedenen
bayrischen Revieren angehörten. Dieselben wurden 1 Meter über dem Boden abge-
schnitten und es kamen die 4 Meter langen Trumme zur Verwendung. Das ge^^•onnene
\'ersuchsmaterial diente zur Erhebung der Druckfestigkeit, des spez. Gewichtes und
des Feuchtigkeitsgehaltes sowie der Biegungs-Elastizität und -Festigkeit.
Die Druckversuche wurden an ganz frischem (nassem) Holze, in getrocknetem
Zustande befindlichem Holze und an ganz oder doch nahezu lufttrockenem Holze
vorgenommen.
Aus den Versuchsresultaten lassen sich folgende Ergebnisse anführen:
Zunächst folgte wieder die Abhängigkeit der Druckfestigkeit und des spezifi-
schen Gewichtes vom Feuchtigkeitsgehalt, und zwar nimmt die Druckfestigkeit bei
zunehmendem Feuchtigkeitsgehalt anfangs rascher, dann langsamer ab, ebenso das
spezifische Gewicht bei abnehmendem Feuchtigkeitsgehalt.
Bezüglich des Zusammenhanges zwischen den Festigkeits-Eigenscliaften des
Nadelholzes und seinem anatomischen Bau hat Bauschinger gelegentlich seiner
ersten Versuche (siehe Seite 409) den Satz aufgestellt, daß eine dichte Sommerholz-
Zone der .Jahrringe von verhältnismäßig großer Breite im ^"eI^leich zur Frühjahrs-
zone eine große Zugfestigkeit, eine locker gewebte und verhältnismäßig dünne (schmale)
Sommerzone dagegen stets eine geringere Festigkeit (und Dichtigkeit) des. ganzen
Querschnittes zur Folge hat. Ferner hat er gefunden, daß Stämme, welche bei glei-
chem Alter größeren Durchmesser, also breitere .Jahrringe haben, schneller gew achsen
sind, eine geringere Festigkeit haben als langsam gewachsene Stämme. Wohl traf
diese Annahme bei den damals untersuchten Stämmen zu, doch ist sie im allgemeinen
nicht richtig. Aus den in Rede stehenden \'ersuchen hat sich vielmehr ergeben, daß
die verhältnismäßige Breite der Sommer- gegenüber der Frühjahrszone von der
ganzen Breite der .Jahrringe unabhängig ist, daß größere verhältnismäßige Breiten
der Sonunerzone sowohl bei weit- als bei engringigen Stämmen vorkommen und
ebenso kleinere verhältnismäßige Breiten. Hieraus folgte der Schluß, ..daß die Quali-
tät des Holzes, für welche seine Druckfestigkeit maßgebend ist, mit der ganzen Breite
der Jahrringe in keinem gesetzmäßigen Zusammenhang stehe". Daß eine verhältnis-
mäßig größere Breite der dichten Sommerzone auch eine größere Dichtigkeit des
Holzes zur Folge hat, wurde schon in den früheren Arbeiten B a u s c h i n g e r s
he^^•orgehoben, und daß zwischen der Druckfestigkeit und dem spezifischen Gewicht
bei einem bestimmten Feuchtigkeitsgehalt ein inniger Zusammenhang bestehe, be-
wies auch diese neue Arbeit. Als annähernder Ausdruck für die Abhängigkeit der
Druckfestigkeit vom spezifischen Gewicht bei 15 °o Feuchtigkeitsgehalt wairde fol-
gende Gleichung gefunden:
ß = 1000 8 —100,
"vvorin ß die Druckfestigkeit, S das spezifische Gewicht bei dem Feuchtigkeitsgehalt
von 15 % bedeuten.
414 IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
Wenn man sich fragt, wonach die „Qualität" des Holzes bezüglich seiner me-
chanischen Eigenschaften bei seiner bautcclmischen A'envendung zu beurteilen sei,
so kommt dabei in erster Linie die Biegungsfestigkeit in Betracht, in zweiter die
Druckfestigkeit bei der Verwendung zu Säulen, Pfosten etc. Nun ist aber, wie dies
die Versuche bestätigen, die Biegungsfestigkeit und mit ihr auch die Biegungsarbeit,
welch erstere ja immer gerade an einer bestimmten Stelle des Probestückes, im ge-
fährlichen Querschnitt, überwunden wird, in außerordentlichem Grade abhängig
von den Einflüssen, welche besonders Aeste an oder in der Nähe jener Stelle ausüben,
so daß zwei Stämme von im ganzen gleicher Qualität bei dem \'ersuche sehr ver-
schiedene Biegungsfestigkeit und Biegungsarbeit ergeben können. Eine ähnliche
Bewandtnis hat es mit der Elastizitätsgrenze, mozu noch kommt, daß diese immerhin
nur ziemlich unsicher zu bestimmen ist. Dagegen zeigt das Holz, daß sein Elastizi-
tätsmodul, sowohl jener für Zug als auch der für Ditick und Biegung, in hohem Grade
mit diesen Festigkeitseigenschaften veränderlich ist, mit ihnen steigt und fällt. Da
nun der Elastizitätsmodul von der Qualität des ganzen Probestückes abhängig
ist und innerhalb der Elastizitätsgrenze ermittelt wird, also einer Grenze, innerhalb
deren nur das Material in Wirklichkeit angestrengt wird, so hält Bauschinger
diesen um so eher geeignet als Maßstab für die Beurteilung der Qualität, als er durch
Biegungsversuche leicht mit genügender Sicherheit bestimmt werden kann.
Um die Richtigkeit dieser Ansicht zu prüfen, hat Bauschinger seiner
Arbeit eine graphische Aufzeichnung der diesbezüglichen Daten beigefügt, welche
unverkennbar einen gesetzmäßigen Zusammenhang zwischen dem Elastizitätsmodul
einerseits und der Biegungs- oder Druckfestigkeit andererseits zeigt, und folgert
hieraus, daß die Druckfestigkeit ein sichereres Kennzeichen für die bautechnisch wich-
tige Qualität des Holzes ist als die Biegungsfestigkeit. Und da die Druckfestigkeit
bei der zweiten, wichtigen Verwendungsart des Holzes in der Bautechnik, zu Pfosten
u. dgl., von direktem Einfluß ist, weil ferner die Probestücke für Druckfestigkeit
so leicht und ohne bedeutende Kosten zu beschaffen sind und weil endlich dieselbe
so sicher und genau bestimmt werden kann, so empfiehlt Bauschinger aufs neue
dieses Verfahren zur Prüfung des Holzes. Seine Vorschläge sind zum Teil in dem
allgemeinen Arbeitsplane für Holzprüfungen, welcher vom Internationalen Verband
für die Materialprüfungen der Technik aufgestellt wurde, berücksichtigt worden.
§ 35. Die Arbeiten M. Rudeloffs hatten den Zweck, eine umfassende Unter-
suchung über die Abhängigkeit der Festigkeit der in Preußen vorkommenden Haupt-
holzarten von den Standortsverhältnissen durchzuführen. Der hiefür erforderliche
Versuchs-Arbeitsplan wurde von Prof. Martens ausgearbeitet. Es wurde zunächst
die Untersuchung von drei Kieferstämmen aus der Umgegend von Berlin in den
Arbeitsplan aufgenommen. Die ^'ersuchsergebnisse lassen sich wie folgt kurz cha-
rakterisieren: Bezüglich des Einflusses der Höhenlage im Stamme auf die D ru c k-
festigkeit ergab sich aus den Mittelwerten für die einzelnen Trockenstufen,
daß die Festigkeit im allgemeinen mit zunehmender Höhe im Stamme abnimmt.
Ferner wurde gefunden, daß die Druckfestigkeit mit dem spezifischen Gewichte und
zwar annähernd in dem gleichen \'erhältnisse wie dieses abnimmt. Im allgemeinen
entsprach der größeren .lahrringsbreite auch die größere Druckfestigkeit. Für diesen
auf den ersten Blick scheinbaren Widerspruch ist in der genannten Abhandlung
eine Erklärung gegeben, und ferner gelangten die Versuclisansteller zu dem Schlüsse,
daß die Druckfestigkeit des Holzes wesentlich von dem \Mderstande abhängt, wel-
chen die einzelnen aus Herbstholz bestehenden Schichten (Platten) dem Zerknicken
entgegensetzen und daß die Druckfestigkeit einer ,,von Hirn" aus beanspruchten
Versuchsresullale von Rudeloff. § 35. 4j5
Holzprobe bei sonst gleichen Verhältnissen um so größer ist, je geringer der Krüm-
mungsradius der .Jahrringe ist.
Ebenso wie beim lufttrockenen Holz zeigt sich auch, daß beim grünen Holz die
Druckfestigkeit mit dem spezifischen Gewicht, der Jahrringbreite und wachsender
Höhenlage im Stanune abnimmt. Bezüglich der Lage im Querschnitt und der Him-
melsrichtung ist ein bestimmter Einfluß auf die Festigkeit nicht ersichtlich.
Die Scherversuche dienten zur Ermittlung der Festigkeit des Holzes
in der Richtung des Spiegels und in der Richtung tangential zu den .Jahrringen. Aus
den Ergebnissen läßt sich hinsichtlich des Einflusses der Lage des Holzes im Stamm-
querschnitt erkennen, daß die Scherfestigkeit des dem Mark zunächst gelegenen
Kernholzes geringer ist als die der übrigen Kernstücke. Ein gesetzmäßiger Zusam-
menhang zwischen Schubfestigkeit und Höhenlage im Stamm konnte nicht nach-
gewiesen werden. Die Scherfestigkeit des lufttrockenen Splintholzes sowohl im
Spiegel als auch in der \\'ölbfläche zeigte sich um 12 — 13 °o kleiner als die des Kern-
holzes. Im allgemeinen ergab sich die Schubfestigkeit im Spiegel um etwa 10 — 15%
größer als in der ^^"ölbfläche.
Die Versuche auf Biegung des Holzes konnten nur an wenigen Probestücken
vorgenommen werden. Es ergab sich, daß die \\"iderstandsfähigkeit des Holzes gegen
Inanspnichnahme auf Biegung mit der Höhenlage im Stamm abnimmt.
Die Resultate über die Zugfestigkeit sind vielfach durch Schwierig-
keiten und Unzulänglichkeiten beeinflußt, welche sich der Durchführung dieser Ver-
suche entgegenstellten. Immerhin konnten aus den Zahlenwerten folgende Schlüsse
gezogen werden: 1. Der Einfluß der Himmelsrichtung tritt nicht scharf zutage, ob-
gleich sowohl im lufttrockenen als auch im halbtrockenen Zustande das nach Osten
gelegene Holz den niedrigsten Elastizitätsmodul zeigt. Zieht man hier die Jahrring-
breite mit in Betracht, so ergibt sich, daß auch diese ohne gesetzmäßigen Einfluß
ist. 2. Der Einfluß der Höhenlage im Stamm äußert sich in der Weise, daß bei allen
drei Stänuiien das Holz des höher gelegenen Trumms einen wesentlich geringeren
Elastizitätsmodul aufweist, als am Stamm-Ende. Der Unterschied beti-ug im Mittel
für das grüne Holz 18,8 °o, für das halbtrockene 21,2% und für das lufttrockene
22,8 °o- 3. Bezüglich des Trockenzustandes ergab sich, daß das Holz mit zunehmender
Trockenheit an Starrheit gewinnt, und zwar ist der mittlere Elastizitätsmodul aller
Stämme bei dem grünen Holz um 32,7 "^o und bei dem halbtrockenen um 7,4 % kleiner
als derjenige des lufttrockenen Holzes.
Bezüglich der Schwindungs-\'erhältnisse sei auf diese ausgezeichnete Publi-
kation direkt verwiesen.
Ueberblicken wir die Hauptresultate, so muß zunächst erkannt werden, daß der
Versuch unternommen \uirde, aus den Ergebnissen allgemeine Schlüsse abzuleiten,
deren Richtigkeit teils durch die Versuche von Tetmajer, Bauschinger und Nörd-
linger ihre Bestätigung gefunden haben, teils aber durch weitere Versuche erst noch
finden werden.
Immerhin läßt uns auch diese mühevolle Arbeit die großen Schwierigkeiten
der \'ersuchsausführungen bei Hölzern im vollen Maße erkennen und zu dem Resultate
gelangen, daß wir bei der Ermittlung der technischen Eigenschaften des Holzes nach
einem ganz bestimmten und vorher reiflich zu überlegenden Arbeitsprogramm vor-
zugehen haben, sollen die Resultate für die Technik brauchbare Daten liefern. Ein
derartiger allgemeiner Arbeitsplan für Holzuntersuchungen ist mittlenveile (im Jahre
1906) vom Internationalen \erband für die Materialprüfungen der Technik (siehe
Seite 389) aufgestellt worden. Rudeloff gebührt das \'erdienst, die Grundzüge für
416 IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
eine Vereinheitlichung der Holzprüfungen zusammengestellt und den Entwurf dieses
Arbeitsplanes verfaßt zu haben.
Von demselben Versuchsansteller rührt auch die höchst interessante Arbeit:
„Untersuchung über den Einfluß' des Blauwerdens auf die Festigkeit von Kiefernholz"
her, welche im Heft I der Mitteilungen aus den Kgl. Techn. Versuchsanstalten zu
Berlin 1897 erschienen ist und im V. Heft des Jahrganges 1899 zum Abschlüsse ge-
langte.
Aus den umfangreichen Untersuchungen über den Einfluß des Blauwerdens
und des Lagerns der Stämme im Walde zieht Rudeloff den Schluß, 1. daß die Unter-
schiede zwischen dem weißen und blauen Kiefernholz nicht derart seien, daß man in
dem Blauwerden eine Schädigung der Festigkeitseigenschaften des Holzes erblicken
könne, und 2. daß das Holz durch das Lagern der Stämme im ^^'alde, selbst wenn
es keine Veränderung im Aussehen zeige, hinsichtlich seiner Festigkeit minderwertig
werde.
§ 36. Die Untersuchungen von Dr. A. S c h w a p p a c h über Raumgewicht
und Druckfestigkeit der Kiefer, Fichte, Weißtanne, Weymouthskiefer und Rotbuche
stellen das Resultat einer gemeinsamen Arbeit der preußischen Hauptstation des
forstlichen Versuchswesens in Eberswalde mit den Königl. Technischen Versuchsanstal-
ten in Berlin-Charlottenburg dar. Die ersteren Versuche erstreckten sich auf 135
Kiefemstämme, welche verschiedenen Standorten angehörten. Sowohl das spezi-
fische Trockengewicht als auch die Druckfestigkeit wurden an den Probekörpern
erhoben. Ohne auf die wertvollen Einzelergebnisse einzugehen, seien hier die Schluß-
resultate angeführt, welche diese höchst instruktive Arbeit geliefert hat.
Die wichtigsten Ergebnisse über die Qualität des Kiefernholzes sind folgende:
Als Mittelwerte ganzer, haubarer Stämme von besseren Standorten können
angenommen werden: ein spezifisches Trockengewicht von 0,49 und eine Dmck-
festigkeit von 480 kg per qcm. Die Güte des Kiefernholzes hängt nach den Unter-
suchungen über Raumgewicht und Druckfestigkeit gleichmäßig ab von a) Stamm-
teil, b) Alter, c) Prozentsatz des Sommerholzes, d) Wachstumsgebiet und e) Stand-
ortsgüte.
ad a) Das Holz aus den untersten Stammteilen ist das schwerste und härteste ;
beide Eigenschaften nehmen zuerst rasch, dann in den mittleren Baumteilen lang-
samer ab, das Verhalten der obersten Stammteile ist wechselnd und hauptsächlich
durch die Lage der Aeste bedingt.
ad b) Gesundes altes Holz ist besser als junges; Raumgewicht und Druckfestig-
keit verhalten sich jedoch in dieser Richtung nicht ganz gleichmäßig. Das laufend-
jährige Optimum an Gewicht wird etwa im 60 jährigen Alter erreicht, von da ab
sinkt das Raumgewicht des erzeugten Holzes zuerst langsam, dann rascher. Das
durchschnittliche höchste Raumgewicht tritt etwa im 90 — 100jährigen Alter ein.
Eine Ausnahme von diesem Gang machen nur die geringsten Standorte, auf
denen das schwerste Holz in frühester Jugend erzeugt wird. Die Druckfestigkeit
nimmt mit dem Alter innerhalb der Grenzen dieser Untersuchung noch zu.
ad c) Einem geringen Prozentsatz von Sommerholz (30 "o und weniger) ent-
spricht stets ein niedriges Raumgewicht und eine geringe Druckfestigkeit; beide
steigen mit einer Ziuiahme dieses Prozentsatzes rasch an. Alle Verhältnisse und
wirtschaftlichen Maßregeln, welche eine Zunahme des Prozentsatzes vom Sommer-
holze zur Folge haben, steigern auch die Güte des Holzes.
ad d) Die Qualität des Kiefernholzes wechselt nach dem ^^'achstumsgebiet;
das Optimum für die Güte des Kiefernholzes innerhalb des Kreises dieser Unter-
VersuchsresuUate von Scliwappach. § 36. 417
suchung und anscheinend wohl aucli wenigstens für Deutschland liegt zwischen der
Oder und Weichsel, und zwar zwischen dem mittleren und unteren Lauf dieser Ströme,
ad e) Kiefernholz von geringeren Standorten des gleichen Wachstumsgebietes
ist weniger gut, als solches von besseren Standorten.
Das Verhältnis zwischen Raumgewicht und Druckfestigkeit ändert sich nach
Alter, Wachstumsgebiet und Standortsgüte. Je besser die Qualität, desto geringer
ist unter sonst gleichen Umständen das Raumgewicht, welches einer bestimmten
Druckfestigkeit entspricht.
Da mit zunehmendem Alter \'eränderungen im Kiefernholz eintreten, welche
dessen Qualität wesentlich erhöhen, so sind auf den besseren Standorten Umtriebs-
zeiten von 120 — 140 Jahren angezeigt. Die notwendige Voraussetzung hiefür besteht
aber darin, daß diese bessere Qualität auch im Preise zum Ausdmck gelangt.
Das Holz der Pinus silvestris besitzt unter günstigen Bedingungen eine Druck-
festigkeit, welche jener der als Pitch-pine-Holz im Handel vorkommenden Arten
durchschnittlich gleichwertig ist, mehrere derselben aber sogar wesentlich über-
trifft. Hinsichtlich des Raumgewichtes steht das Holz von Pinus silvestris hinter
jenem von P. cubensis und australis zurück, kommt aber jenem von P. taeda und
mitis gleich.
Unter dem Einfluß ständiger Windströmungen entsteht ein exzentrischer
Wuchs der Kiefer, bei welchem das härteste ^) Holz auf der schmalen Seite liegt.
Die Ausdrücke ,, harte" und ,, weiche" Seite der Kiefer entsprechen nicht der Druck-
festigkeit.
Diesen lehrreichen Untersuchungsresultaten über das Kiefernholz ließ Dr.
S c h w a p p a c h ein Jahr später die Veröffentlichung über die Ergebnisse der Fichte,
Weißtanne, Weymouthskiefer und Rotbuche in einem separaten Bande folgen. Ein
Rückblick auf die Ergebnisse dieser höchst beachtenswerten Arbeit führte den \er-
suchsansteller zu folgenden Schlüssen:
Das Raumgewicht und die Druckfestigkeit hängen ab: von der Holzart, und
bei gleicher Holzart: vom Stammteil, Alter, Wachstumsgebiet, Standortsgüte und
■wenigstens bei der Kiefer auch vom Prozentsatz des Sommerholzes. (Bei den übrigen
Holzarten sind Ermittlungen über den Einfluß des Sommerholzes auf Raumgewicht
und Druckfestigkeit nicht angestellt worden). Das spezifische Trockengewicht der
einzelnen Hölzer wurde im Mittel gefunden für Rotbuche 0,67, Kiefer 0,49, Fichte
0,46, Weißtanne 0,41 und für die Weymouthskiefer 0,37. Die Druckfestigkeit der
einzelnen Hölzer im Mittel betrug für die Rotbuche 540, Kiefer 480, Fichte 460,
Weymouthskiefer 420 und \^'eißtanne 400 kg pro qcm.
Hinsicb.tlich der Beziehungen zwischen dem Verhalten von Raumgewicht und
Druckfestigkeit am Einzelstamm und hinsichtlich des Zusammenhanges zwischen
Alter einerseits und Raumgewicht bezw. Druckfestigkeit andererseits sei auf die
betr. Arbeit selbst verwiesen.
Nach der Volumenschwindung ordnen sich die Holzarten für 100 — 120jährigeä
Alter wie folgt: Buche 15 °b, Fichte 13,2 °i, Kiefer und Weißtanne 11,8% und Wey-
mouthskiefer 9,1 %; die Rotbuche schwindet also am meisten, während die Wey-
mouthskiefer durch sehr geringe Schwindung ausgezeichnet ist.
Am Schlüsse seiner Ergebnisse sind die Einflüsse präzisiert, welche die Wachs-
tumsgebiete auf die Güte des Holzes haben.
1) Soll richtiger heißen „druckfestesle". Sielie auch die Bemerkungen über die harte und
weiche Seile der Nadelhölzer im Kapitel über die Härte des Holzes auf Seite 439. J.
Handb. d. Forstwiss. 3. Aufl. II. 27
418 IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
Die Arbeiten Schwappachs haben neuerdings gezeigt, wie verschieden die Eigen-
schaften des Holzes der gleichen Art je nach Wachstiimsgebiet, Alter, Standort und
wirtschaftlicher Behandlungsweise sind. Handelt es sich um die Beantwortung der
Frage, ob innerhalb eines größeren Landes ein Unterschied in der Qualität des in ver-
schiedenen Gegenden erwachsenden Holzes der gleichen Art besteht, so genügt jeden-
falls neben der Ermittlung des Raumgewichtes die Untersuchung der Druckfestig-
keit. Daß die Untersuchung sämtlicher Arten von Festigkeiten zur Erlangung sicherer
Werte wünschenswert, ja notwendig ist, wird auch von Schwappach anerkannt.
§ 37. Die k. k. österreichische forstliche Versuchsanstalt
in M a r i a b r u n n hat den Untersuchungen über die technischen Eigenschaften,
speziell der Elastizität und Festigkeit der Hölzer stets besondere Beachtung gewid-
met; nach einem weitausgreifenden Arbeitsplane sollen die Hauptholzarten Oester-
reichs: Fichte, Lärche, Eiche, Buche, Tanne und Kiefer in möglichst vollständiger,
alle einzelnen Wuchsgebiete umfassenden Weise in monographischer Bearbeitung
nach der angedeuteten Richtung in den Bereich der Untersuchung gezogen werden.
Die hiebei gesteckten Ziele sind einerseits rein technischer Natur, indem
durch diese Untersuchungen die Festigkeitskoeffizienten der Bauhölzer sowie deren
Abhängigkeit von den sie beeinflussenden Faktoren festgestellt werden sollen, ander-
seits forsttechnischer Natur, da hiedurch die Verbindung hergestellt
werden soll zwischen Produzenten und Konsumenten des Holzes, zwischen der Forst-
wirtschaft und den Holz verarbeitenden Gewerben und Industrien ; speziell wird den
die Forstwirtschaft interessierenden Fragen eine besondere Beachtung gewidmet, wie
gutes und schlechtes Holz schon dem äußeren Aussehen nach unterschieden werden
könne, welche Umstände maßgebend seien für die Erzeugung guten oder schlechten
Holzes und welche Maßnahmen der Forstwirtschaft zu Gebote stehen, um ein quali-
tativ wertvolles Holzmaterial zu erziehen.
Bisher liegt die Bearbeitung des Holzmaterials der F i c h t e in 3 Heften der
Mitteilungen aus dem forstlichen Versuchswesen Oesterreichs, ,, Untersuchungen über
die Elastizität und Festigkeit der österreichischen Bauhölzer" vor, und zwar: Heft
XXV, Fichte Südtirols, von A. Hadek und G. Janka, 1900; Heft XXVHI,
Fichte von Nordtirol, vom Wienerwalde und Erzgebirge, von G. Janka, 1904 ;
und Heft XXXV, Fichte aus den Karpathen, aus dem Böhmerwalde, Temovaner-
walde und den Zentralalpen. Technische Qualität des Fichtenholzes im allgemeinen,
von G. Janka, 1909. Das letztgenannte Heft enthält eine Zusammenfassung der
Untersuchungsergebnisse über die technischen Eigenschaften des Fichtenholzes über-
haupt, ohne Trennung des Untersuchungsmaterials nach Wuchsgebieten ; die wichtig-
sten Ergebnisse hieraus seien hier wiedergegeben. Bemerkt wird, daß sich die hier-
bei in Anwendung gekommenen Prüfungsmetlioden mit nur geringen Abweichungen
mit den Vorschriften des international festgestellten Arbeitsplanes für Holzuntersu-
chungen decken.
Janka rollt hiebei die ganze Frage über die Qualität des Holzes
auf. Zunächst ist die Tatsache zu konstatieren, daß in neuerer Zeit die Forderung
immer nachdrücklicher erhoben wird, daß die Forstwirtschaft bei Erziehung der
Bestände nicht nur auf die Quantität, sondern auch auf die Qualität des Holzes
Rücksicht nehmen müsse, wie dies auf der ^■ersammlung des Internationalen Ver-
bandes forstlicher Versuchsanstalten in Stuttgart 1906 und bei dem internationalen
land- und forstwirtschaftlichen Kongreß zu Wien 1907, dann auch in den Aussprüchen
von G i e s 1 a r - Wien, Schwappach- Eberswalde, C. W a g n e r - Tübingen und
Martin- Tharandt u. a. zum Ausdrucke kam.
VersiichsresuUale von Janka. § 37. 4J9
Da aber die Qualität eines Ilolzmaterials ein relativer Begriff ist und seitens
der verschiedenen holzverarbeitenden Gewerbe eine verschiedene Auslegung findet,
so ist man, wenn man die Qualität eines Holzmaterials ziffermäßig exakt feststellen
will, genötigt, dieselbe im Siime des das meiste Holz verbrauchenden Gewerbes,
d. i. der Bautechnik, zu definieren; und für diesen Verwendungszweck sind eben die
Festigkeitseigenschafteu des Holzes vor allem maßgebend.
Die Untersuchungen J a n k a s über die technischen Eigenschaften des Fichten-
holzes haben nun ergeben, daß die Festigkeitseigenschaften des
Holzes mit dem spezifischen Gewichte Hand in Hand gehen,
in der Art, daß mit steigendem spezifischen Trockengewichte diese Eigenschaften
gleichsinnig ansteigen. Anderseits sinkt die Festigkeit bei gleichem spezifischen
Gewichte mit zunehmendem Feuchtigkeitsgehalte des Holzes, so daß dieses Gesetz,
welches in aller Schärfe zunächst für das Fichtenholz nachgewiesen wurde, zweifellos
aber für alle Holzarten gilt, folgendermaßen formuliert werden kann: Die F e-
s t i gk e i t s e i g en s c h a f t e n des Holzes einer und derselben
Holzart steigen bei gleichem Feuchtigkeitsgehalte pro-
portional mit steigendem spezifischen Gewicht und bei
gleichem spezifischen Gewicht mit abnehmender Feuch-
tigkeit. Feuchtigkeit, spezifisches Gewicht und Festigkeit stehen also unter-
einander in innigstem Kontakt, so daß eine gemeinschaftliche Abhandlung derselben
notwendig ist.
Daß das spezifische Gewicht des Holzes mit zunehmendem Feuchtigkeitsgehalte
ansteigt, ist selbstverständlich; aber dieses Wachsen des spezifischen Gewichtes mit
dem Wassergehalte erfolgt nur in den unteren und obersten Stufen des Feuchtig-
keitsgehaltes proportional ; in dem Momente, in welchem das trockene Holz liquides
Wasser aufnimmt, ändert sich der bis dahin geradlinige Verlauf der die Beziehun-
gen zwischen spezifischem Gewicht und Feuchtigkeitsgehalt darstellenden Linie;
es ist dies bei Feuchtigkeitsprozentsätzen von etwa 25 — 40% der Fall. Eine ähn-
liche, nur noch schärfer ausgeprägte ^^'endung der Diagrammlinie tritt auch bei der
Darstellung der Beziehungen zwischen Feuchtigkeit und Druckfestigkeit ein. Die
beigegebene Fig. 1 stellt dieses Geäetz der Abhängigkeit a) des spezifischen Ge-
wichtes, b) der Druckfestigkeit vom Feuchtigkeitsgehalte für die verschiedenen
Trockengewichtsstufen des Fichtenholzes dar.
Da es bei der Variabilität sowohl des spezifischen Gewichtes als auch der Druck-
festigkeit des Holzes einer bestimmten Holzart wünschenswert ist, diese Zahlen-
angaben untereinander vergleichbar zu machen, so sind dieselben auf einen e i n-
heitlichen Feuchtigkeitsprozentsatz zu reduzieren, und
zwar gemäß internationaler Vereinbarung auf den Feuchtigkeitsprozentsatz von
15%, bezogen auf das Gewicht des absoluttrockenen Holzes.
Die dieser Reduktion dienenden Formeln sind für Fichtenholz ermittelt worden
und lauten:
Sj5=l,02 So +2,2 .' 1.
Sjg = s-s + [(0,00133 So + 0,147) (15 — ©)] . . 2.
ßi5 = 10,3 315-60 3.
ßi5 = 10,5 So —38 4.
ßo = 22.5 So —200 5.
Hiebei bedeutet
Si5 das spezifische Gewicht, ßjs die Druckfestigkeit beim Normalfeuchtigkeits-
gehalte von 15%,
27*
420
IX A. E X n e r , Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
c^n^tiU^lic\ir^!f\<Ut l^\ i*'^ve'\ti'\ »Ur ^C-?ctiiJrtv«h.i<i^*n-lcHti--.
•>5S5S€«S3-SRsS'-5S5äg?§>3 5cS5;SS
I 1 1 I ■ ■ ■ ' i 1 1 1 ' • ' ■ 1 ■■ , . ■ ' ; • ■ 1 1 t 1 i ' 1 ' ■ ' ^
I " ■ i'r ' " T M ' 1 1 1 i 1 i i ' M ' f ,■■,.'-•-< 1 ; 1 ' : 1 ' i ' ! ' ' " - *
s Ln n ,1 h ' ' ' ' 1 i ' 1 i ' IM... .■,-•■>- ! ' 1 ; ' ' : I : i sra
S"" i ,,--" 1 1 ,ij_ 1 1 1 |J,4^.--:-->-:.' : :i:;; 5^
» / ^' .-l--^"H- 1 U.i !!'':;:'■ : ' M M -^ ^
e..____ ! d_± = if 1 ^M^ ^^4^_4^f„U.i.i^X^ : 1 . ^-^-S;
H MfuFrmnl^ '^^^4^^,-. --, , , i , ; i :ii ' ; J ' 1 1 ' 1 1 ' r 1 1 r^ =
! ^KJ-^ttiU#fff^'^^-'-'- - ■ " ! 1 1 ' M M ' i 1 1 1 1 m
a j ^ -____!. 3^_J^_H : : " i - + -- -H— -J — T + -±-8-
f llf y] J-rrn h • ' ' ■ Im '' ' ' " 1TTTtl2 s
s 1 fnl-kTi 1 ! 1 ' . ■!!'■: \ : ' a ?
-----itV-- -L- i ' - - — ^ — ^1^^. ! ! 1 ' : ^ " — ^-1- ' Ml il 1 =
■S Mif _ r"..fit..,I,.-itr.,<KaCt .i.a'i.-.i.vtd.i .-ti, qC-...-f„rr-„-clu.t.,<.vttr,t .-.
« : ;|ß[, :::::: » s e -^ .-»: s ?: s:« § s ?:;=?•.■: s =: p, ^ ? :^ s « g ? g
*■ ■ \\\\\ Jb "' i i^i\\\ "^ " ' i '
^1 // 1 '*"~* '^ ' \' >' \'^ \ ^— -' '^ 1 '■*
d* ' m' ^ a- " '■ ^-S.'^''^ '^ V i ■ i '* r.. '; 'h ' "
p's j,, lU- ; ::■ j ! M\,A.,^.\ \\^^\^' , _;_^ ^_rj ^V| »? r-^ ^ -^
^ '-' ' 1-^'' -»l; ■* \: \' \ ' \ \ \ \ \ \ \ 1 1 1 '^ » »■ — '-^ f'i ' '*
" '^ - n '- n i * 1 \^J \' \'\ \\\\\\\\i' ' ' " '"'." «^ fi "^
^ ij _ ■"! ''' _;_ 1 ~\ — " \.; V \\\\\\\\\\ ' ' '— » ' ' "*
;, 5 4'.^^ ^- \\\V^\\\\\\ ' ^J '■' ^ — ■ "~ '7V\ " ^
|8 -■ ^ ;SiS^ÜJ^s_ ..l7r\\\V\\V\\ rx-" S : " "«.-^^
.3 "1 - T 'i •i?'* 1 \\\\\\\\\\\\ 11' ' li " " ■*■-
V> K "^ Jr ""^ """^ '"^ Jt ^J \_\ \ V \ \ \ \ \ \ \i vy !_ [^ j ^
rs4- ^ ^ 4 ^ ^ -^~ J^l^\\\\\\\'\\'\zSS'^^^ ' ~ "' --Ä
l_:i s|_ T^j-r* 4 5i fs - --pj- -^-+^\Aa Y\ \ V\.3. Vt i[: "^ « ^^
Ä j' _^ ^ r. ' f-» 1 \\\\\\\\v\ \ ' \-; ' 1 _ r>
^\ 1 ['■ »,»^ -g \\\\\\\\\i\\l rvt ifi
S i*_| • ^ 'S" i\\\\\\\\'\ii'\ l\^ w^
s:::::: g^ :; s ± ^ ~ \\!\\ \ \\ A ^nvv "T -=
1 1 1 1 1 1 1 1 [ij g|-i4-|4- 1- ■ j\: \^ \\ \"7vKj\\ \' H'^H^ffl g
5 - - \ V \l ' \ \'\ \' \ v \'' v' \ ■' *" '■*
= - _ 5 --H t- r4- .1 \ NJ 1 > X-- \- ■ \- V \ ■■ \
*ä ^ 1 L_U_>LJ_ _Ü_V;,V--\ ■ ^^^, V,.- Y \ ^
"^ 1 || 1 1 i[| 1 M M
"^ '• « '•• ' ^ " '- « ■'; K ■■■: •■: y :- a •> = fi = ?. -^s ?. 5 ?■ ?; B S S !? ¥ " i?
i'.-U.KU.,r«.t.-.,<K.,lt ... J\.-.cn\U.x A,: £{l■,.^hM■..■Ju.,.^,.v,J,t., J
Versuchsresultate von Janka. § 37.
421
0°/
70 j,
S:p das spezifische Gewicht, ß-.- die Druckfestigkeit beim Feuchtigkeitsgehalte
von 9%,
Sq das spezifische Absokittrockeugewiclit,
ßo die Druckfestigkeit absoluttrockenen Holzes (also beim Feuchtigkeitsgehalte
und zwar ist
s im lOOfachen Werte,
ß in kg/cm- für astfreie plattenförmige Druckproben ausgedrückt.
Aus dem Graphikon auf Seite 420 läßt sich noch folgendes erkennen : Je größer
das spezifische Trockenge\\ icht eines Holzes, desto weniger Wasser braucht dasselbe
zur endgültigen Erreichung des wassersatten Zustandes. Daher sinken, z. B. bei ver-
zögerter Trift, unter sonst gleichen Umständen, d. i. bei gleichem anfänglichen Feuch-
tigkeitsgehalte, die schwersten, also besten Hölzer zuerst unter.
Die Druckfestigkeit ist bei 0 °o Feuchtigkeit ein Maximum und fällt mit zuneh-
mendem Wassergehalte zunächst rasch, bei höheren Feuchtigkeitsgraden (über 25
bis etwa 40 °o) langsamer, um sodann bis zum ^^'assersättigungszustande annähernd
auf gleicher, sehr geringer Höhe zu verharren,
.Je größer das spezifische Trockengewicht eines Holzes, desto größer ist die
Zunahme der Druckfestigkeit nicht nur im absoluten, sondern auch im relativen
Sinne genommen, so daß also der Oualitätsquotient
Druckfestigkeit
für die schwe-
spezif. Gewicht
reren, festeren Hölzer ein günstigerer wird als für die leichteren, schlechteren Hölzer
der gleichen Holzart,
Aber nicht nur die Druckfestigkeit, sondern auch alle übrigen Eigen-
schaften der Elastizität und Festigkeit werden von der F e u c h-
tigkeitund dem spezifischen Ge\\'ichte eines Holzes beeinflußt.
Die Abhängigkeit dieser Festigkeitseigenschaften vom Wassergehalte zeigt zu-
nächst die nachstehende Tabelle XI,
Tabelle XI.
k e i t s
g e h a 1 1 e.
Druckelastizität u.
-Festigkeit
Biegungselastizität u
. -Festigkeit
Feuchtig-
keitszu-
stand der
Proben
a
J3
<D
o
Ol
'Ji
Spezifisch,
Trocken-
gewicht
Elastizitäts-
modul
Tragmodul
3 .i"
11:.
111
II
■3^.2
ElastiziLäls-
iiiodul
3
•a
o
S
io
C3
u
H
m
£5|
C3 —
0/
lOOfach
_t/cm2
kg/cm^
%
lOOfachJ t/cm2
kg/cm^
lufttrocken
13.9
38,9
115,1
202
347
13.8
38.7
104.1
338
584
luftfeuchl
17.0
36.7
99.1
200
283
19.3
36.9
89.1
263
496
naß
63,1
39.6
96.8
49
17-2
57.8
38.8
84.0
153
336
Aus dieser Tabelle ist die Abnahme der Festigkeits- und Elastizitätseigenschaf-
ten bei zunehmender Feuchtigkeit klar ersichtlich; das gilt ganz besonders für den
Tragmodul der Druck- und Biegungsfestigkeit, weniger stark werden die Elasti-
zitätsmoduli vom Feuchtigkeitsgehalte beeinflußt.
Scharf ausgeprägt tritt das Abhängigkeitsverhältnis zwischen den E 1 a s t i-
zitäts-und Festigkeitseigenschaften und dem spezifischen
422 IX A. E X n e r , Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
Gewichte des Fichtenholzes unter gleichen Feuchtigkeitsverhältnissen hervor,
\ne die nachstehende Tabelle XII (S. 423) dies beweist.
Diese Tabelle zeigt, welch großen Einfluß das spezifische Gewicht auf die
Festigkeitseigenschaften eines Holzes ausübt; es können in dieser Hinsicht Unter-
schiede in der Festigkeit zwischen leichtem, schlechtem und schwerem, guten Holze
bis zu 100% konstatiert' werden, so daß also ein qualitativ sehr gutes Holz eine fast
doppelt so große Festigkeit aufsveisen kann als ein schlechtes Holzmaterial derselben
Holzart.
Für ein Fichtenholz mittlerer Qualität von 42,4 spezifischem Lufttrocken-
gewicht (entsprechend einem Absoluttrockengewicht von 39,0) und von etwa 14,0 %
Feuchtigkeitsgehalt ist nach Tabelle XII anzunehmen
ein Druckelastizitätsmodul von 115 t/cm-
ein Druck-Tragmodul von 200 kg/cm^
eine Druckfestigkeit (50 cm lange Prismen) von . . 347 kg/cm-
ein Biegungselastizitätsmodul von 104 t/cm-
ein Biegungs-Tragmodul von 338 kg/cm^
eine Biegungsfestigkeit von 584 kg/cm^
Bezüglich des Unterschiedes zwischen Kern- und S p 1 i n t h o 1 z der
Fichte haben die Untersuchungen Dr. .Jankas ergeben, daß das Splintholz hin-
sichtlich der Festigkeit dem Kernholze nicht nur nicht nachsteht, sondern demselben
sogar überlegen ist. Daß das Splintholz allgemein geringer geschätzt wird als das
Kernholz, hat seine Ursache in dem höheren Feuchtigkeitsgehalte desselben, woraus
natürlich bei unvollständiger Austrocknung eine geringere Festigkeit desselben gegen-
über dem trockeneren Kernholze sich von selbst ergibt; dann aber auch in dem Um-
stände, daß das Splintholz zahlreiche Saftbestandteile, Eiweiß, Gummi, Stärke,
Zucker etc. aufgespeichert enthält, die einen vorzüglichen Nährboden für holzzer-
störende Pilze abgeben, weshalb Splintholz im feuchten Zustande von sehr geringer
Dauer ist, im trockenen Zustande aber wieder von Holzbohrkäfern angegangen wird.
Kernholz hat dagegen eine geringere Biegungsfestigkeit als Splintholz, es zeigt sich
beim Biegeversuch spröder als letzteres. Dieser Umstand tritt besonders deutlich in
der Arbeitskapazität von solchen Balken hervor, die .,kenidurchschnitten" in der
Art beansprucht werden, daß die Kernfasern in die Zugseite des Balkens fallen. Bei
dieser' unrichtigen Verlegungsweise der Fichtenbalken zeigt sich eine Verminderung
der Biegungsfestigkeit um 8 °o. der Biegungsarbeit beim Bruche um 40 % gegenüber
der richtigen Beanspruchungsweise, bei welcher der Splint in die Zugseite des Bal-
kens fällt.
Was nun die Beziehungen zwischen Jahrringbreite und
den technischen Eigenschaften des Fichtenholzes anbe-
langt, so läßt sich der Erfahrungssatz der Praktiker, daß engringiges Fichtenholz
qualitativ besser sei als breitringiges, in dieser allgemeinen Form nicht aufrecht er-
halten; es kann in einzelnen Fällen ein recht breitringiges Holz größere Festigkeit
aufweisen als ein sehr schmalringiges — , nur darf die Breitringigkeit eine gewisse
Maximalgrenze nicht überschreiten. Maßgebend für die Höhe des spezifischen Ge-
wichtes und damit gleichzeitig auch für die Festigkeit des Fichtenholzes ist lediglich der
Umstand, ob das betreffende Holz einen hohen oder niedrigen Prozentsatz an festem,
hartem, dicht gebautem und daher schwerem Spätholze aufweist. Die Festigkeit eines
Holzes ist in erster Linie von dem Verhältnisse des Spätholzes zum Frühholze ab-
hängig; dieses Verhältnis läßt sich auf der glatt gehobelten Hirnfläche einer Holzprobe
schon mit freiem Ausre beurteilen. Nichtsdestoweniger aber hat der oben erwähnte Satz
Versuchsresultate von Janka. § 37.
423
ü
c
IpqjBSUon
-BlUJOjaQ
-sSunSaig)
inpoumonjg
inpoiuSBjj,
inpoui
-sisiiznsBia
n
9UU0X TO
ojcl Sun:ä
-aiqqojnQ
91I0S!-(SBI3
tpi'
T-"
'f
M
■^
y-*
Ol
\n
m
<:o
CO
CO
»n
CO
.-4
1-*
n
-1«
r-
CO
7^1
'O
o
w
X
oo
iH
CO
©
■*
CO
CO
ira
o
Ol
CO
^
o
CS
1«
CO
CO
■*
V
•*
•*
*a
••S"
«D
rt"
c»
CO
t*
CO
OS
o
m
■*
o
W
w
c*
lO
*n
'r(<
■^
l»
m
»H
«o
1-1
r-
30
CO
o
Ol
30
^
to
■*
«s
r-
o
iH
i-t
o
51
r.
O
^
Oi
00
r-
o
>D
r-
-«*»
■^
»n
lO
»o
in
»o
o
to
O
:a
:3
t»
<D
I>
CS
»
C-
:s
ira
00
30
OJ
r-
r*
CO
00
o
in
■M
OS
O
cc
CO
:ä
'M
30
o
o
f-
00
o
C5
o:>
00
<»
o
w
r-
OS
r-
no
o
o
'M
o
»n
cc
(N
oa
(M
N
CO
CO
eo
CO
w
CO
co
'^
-S'
CO
■*
-*
■^
CO
CO
o
O
■tj( CO lO (N W
■** t> I> M «H
00 00 00 Od 9)
tOiOW'HCMOiQOaiQOCOC-'*
O O Oi O CO
O O O w T-.
CO *1 CO
ci ci d
O'l i-« O O Tj* ■-#
CO O C5 O CO O
'moi.u.90
o o o o o o o
o o o o o o
oooooooooooooooooooooo
OOClCiCOiOCi-^OlOOCOClOStOWCD
■^COI>t>C500N
cococococo-^-^-^
Ol CS O CO »H <M
00 CO «O (N »Ö ■»#
CO Crt' CO CO CO CO
CO X in CS
»n o
Ol eö
Ci tO iH
CO ■»<* \n
H ;i.
fo
c
Cid
3
[^
-;niosqe
ai-jBid
BUISIJd
inpoLuSBJx
inpoui
-SllB'JTZnSB|3
iqoiAiao
■jizads
c-c-coinino^iHiHOii-H-^ooi
COr-OCOCOC^OOOlOCSiH-^OOO
oincoto«ooeot>c-c*oocoQOCs
O CS t^ OS
CO CO CO CO CO CO
O (10 CO GO
C5 Ol CO ^
•^a« lO o in
in c iH CO ixi ^
o ■•H Ol Ol CO in
CO CO cc CO CO CO
M X -^
CO CS 1-1
CO CO -^
O-^COClCOCOCDOOOlCSOOOaOi-l
-HCOOr-r-CSc— Ci^H00tOCO»ncOOl
Cqi-i01i-i*-<i-*i-ti-^01rH01010)0101
i-< O CO OS OS
r- CO iH 00 in
Ol CO Ol iH Ol
CO
1-<
Ol
o
00
-*<
^^
Ol
CO
c-
OS
lO
o
^
CO
Ol
-*. 1
00
OS
CS
OS
o
o
o
iH
in
o
Ol
y-f
Ol
CO
00
Ol
co
CO
1-i
CO
1^
1 'ß
' in
X
Tl4
1-1
Ol
CD
s '
(M O C- OJ W
O CO tH 00 O
•gg I
■=§5
N e- >
Ol
00
1
CO
CO
1
CO
1
CO
1
CO
eo
1
1
X
CO
1
Ol
CO
o
1
1
CO
1
Ol
eo
1
CO
CO
1
o
CO
1
CO
CO
1
CO
X
OS
Ol CO ■^ O CO
CS O ^ Ol CO
^ in in in o
MIM
X CS O 1-" Ol
— 1 ^ in o »n
424 IX A. E X n e r , Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
der Forstleute, Holzarbeiter und Holzhändler, welcher die Güte eines Fichtenholzes
(überhaupt eines Nadelholzes) nach der bloßen Jahrringbreite beurteilt, im großen
Durchschnitte seine Gültigkeit, weil die Breite der Spätholzzonen beim Nadelholz
sowohl bei eng- als bei weltringigem Holze im allgemeinen ziemlich konstant bleibt,
und nur die Frühholzzonen bei breitringigem Holze in ihrer Breite wachsen.
Aus der großen Zahl von Einzelproben des Fichten holzes aus den ver-
schiedensten Wuchsgebieten Oesterreichs hat Janka folgende Zahlen für Jahrring-
breite, spezifisches Gewicht und Druckfestigkeit abgeleitet:
Jahrringbi
■eite
Spezif. Gewicht
(lOOfach)
Druckfestigkeit
lufttrocken
absoluttrocken
lufttrocken
absoluttrocken
0,5—1,0
mm
44,9
41,7
397 :
kg/cm2
743 k;
g/cm^
1,0-1,5
j)
44,3
41,3
395
729
1,5—2,0
))
43,1
40,2
386
708
2,0-2,5
jj
41,9
38,9
364
666
2,5-3,0
j)
41,3
38,4
353
647
3,0—3,5
?»
39,9
37,0
339
622
3,5-4,0
j)
40,2
37,2
342
619
4,0-4,5
»)
39,1
36,0
314
581
4,5—5,0
n
40,2
36,8
308
554
über 5,0
»)
38,1
34,9
306
510
Im Mittel ergab sich für das Fichtenholz Oesterreichs eine Jahrringbreite von
2,2 mm, ein spezifisches Absoluttrockengewicht von 39,6 (entsprechend einem spezi-
fischen Lufttrockengewicht bei 15% Feuchtigkeit von 42,6), eine Druckfestigkeit
lufttrocken von 348 kg/cm-, absoluttrocken 687 kg/cm^.
Neben der Jahrringbreite ist aber auch die Art der Anlagerung der einzelnen
Jahrringe, also die Gleichmäßigkeit oder U n g 1 e i c h m ä ß i g k e i t
in der Breite der aufeinanderfolgenden Jahrringe für die
Güte eines Holzmaterials von Bedeutung. Das Ideal, welches dem Forstwirte bei der
Erziehung seiner Bestände vorschweben muß, ist eine durchaus gleiche Jahrring-
breite vom innersten Kern bis zum äußersten Splint, eine Forderung, welche Prof.
Martin in seinem Gesetz von der Erhaltung gleicher Ringbreiten formuliert hat und
zu deren Erreicliung er für die Erziehung der Fichte einen dichteren Stand in der
Jugend beziehungsweise die natürliche Verjüngung unterm Schirmbestand der Mutter-
bäume, in der Folge allmählich und schwach beginnende und immer stärker werdende
Durchforstungen und schließlich im späteren Alter der Bestände ausgiebige Lich-
tungen vorschlägt.
Eine der wichtigsten Forderungen, die an die Beschaffenheit eines Holzmaterials
gestellt werden, ist die A s t r e i n h e i t. Astreines Holz wird nun zwar stets ein
frommer Wunsch des Baugewerbes bleiben; aber die Astigkeit auf das möglichst
geringe Maß herabzudrücken und den Baumschaft möglichst astfrei zu erziehen,
das muß die Forstwirtschaft als Ideal unter allen Umständen anstreben. Das Mittel,
möglichst astfreies Holz zu erziehen, beruht in der guten Schlußregelung der Be-
stände, besonders der Nadelhölzer. Glücklicherweise treffen die Bedingungen, unter
welchen ein qualitativ wertvolles, festes Fichtenholz erwächst, mit jenen Bedingungen
zusammen, unter welchen ein astreines Holz zu erwachsen pflegt; es ist dies der
engere Schluß der Nadelholzbestände schon von Jugend an.
Die Qualität des Fichtenholzes ist aber auch vom Alter der Stämme
abhängig, in der Weise, daß junge Stämme ein geringeres spezifisches Gewicht und
Versuchsresultate von Janka. § 38. 405
daher eine geringere Festigkeit des Holzes besitzen als ältere Stämme. Nach den
Untersuchungen Jankas hatten Fichtenstämme
von 50 — 60jährigem Alter ein spezif. Trockengewicht von 36,6
60-70 „ „ „ „ „ „ 36,9
70-80 „ „ „ „ „ „ 38,5
80-90 „ „ „ „ „ „ 39,1
90-100 „ „ „ „ „ „ 39,2
100-110 „ „ „ „ „ „ 38,8
110-1-20 „ „ „ „ „ „ 39,9
120-130 „ „ „ „ „ „ 42,4
130-140 „ „ „ „ „ „ 39,6
Ueberalte Stämme zeigen daher -wieder eine Abnahme in der Qualität ihres
Holzes, aus dem Grunde, weil diese überständigen Stämme aus den Hochlagen der
Alpen stammten, wo die Fichte bei der kurzen Vegetationszeit zwar ein sehr fein-
ringiges, aber ein etwas leichteres, wenig Spätholz umfassendes Holz bildet.
Wenn man berücksichtigt, wie sehr die Festigkeit eines Holzmaterials durch
den Feuchtigkeitsgehalt und das spezifische Gewicht beeinflußt wird, so erscheint es
gerechtfertigt, daß die für Baukonstruktionen bisher in Anwendung stehenden
Festigkeitskoeffizienten in der Hinsicht einer Revision unterzogen wür-
den, daß für schweres und festes Holz einerseits, für leich-
tes und schlechtes Material anderseits, dann auch für die
Y e r w e n d u n g von Holz in stets trockenen und in stets feuchten
Räumen oder ganz unter Wasser verschiedene Festigkeits-
koeffizienten den statischen Berechnungen von Baukonstruktionen zugrunde
gelegt würden. Gutes, schweres, tragfähiges Holz verdient in jeder Beziehung den
Vorzug vor leichtem, schlechtem, leichtbrüchigem Holzmaterial. Diesem Umstände
sollten auch die Techniker und die Baugewerbe Rechnung tragen, indem sie für gutes
Holz bessere Preise bewilligen als für schlechtes. Unter dieser Voraussetzung würden
sich auch die Forstwirte bei der Begründung und Erziehung ihrer Waldbestände
veranlaßt sehen, nicht so sehr auf Massenerzeugung als vielmehr auf die Erziehung
qualitativ wertvollen Holzmaterials hinzuwirken.
§ 38. Ueber die technische Qualität des E s c h e n h o 1 z e s und die Eigen-
schaften, welche dieses Holzmaterial für die Verwendung bei der Fabrikation von
Skis, den norwegischen Schneeschuhen, aufweisen soll, hat Forstmeister Dr. Janka
eine Abhandlung im Zentralblatt für das gesamte Forstwesen 1911 publiziert. Auch
bei diesem Holzmaterial ergaben sich ähnlich wie beim Fichtenholze große Verschie-
denheiten in der Qualität, so daß die zahlenmäßigen Werte der Elastizitäts- und Festig-
keitseigenschaften für schlechtestes und bestes Eschenholz um 100 und mehr Pro-
zent auseinanderliegen. Wie nicht anders zu erwarten, gilt auch für das Eschenholz
das gleiche Gesetz der Abhängigkeit der Festigkeit vom Feuchtigkeitsgehalte und
dem spezifischen Gewichte wie für Fichtenholz. Wenn sich hie und da in den Tabellen
der technischen Eigenschaften des Eschenholzes Unregelmäßigkeiten im Verlauf
dieser Eigenschaften geltend machen, so kann dieser Umstand bei der komplizierten
Natur des Holzes und dem organischen Aufbau desselben nicht wundernehmen; auch
war das diesen Untersuchungen zugrunde liegende iMaterial nicht umfangreich genug,
um etwaige Ausnahmen auszugleichen.
Wir geben in der nachstehenden Tabelle XIII die Ergebnisse der Qualitäts-
untersuchungen des Eschenholzes auszugsweise wieder.
426
IX A. E X n e r , Die technischen Eigenschalten der Hölzer.
Tabelle XIII.
Abhängigkeit der Festigkeit des Eschenholzes vom spezitischen
Gewichte und von der Feuchtigkeit.
Biegeproben
'.3 J3
D .3
: -c § o
2 'fe o «^
°- S O 3
% i lOOfach
s« — ■
•ä 3
1^
Sa) o
2 3
CA ^
c g
■— VI
t/cm'
kg/cm^
Druckproben (Würfel)
Spezif. Gewicht ■ Druckfestigkeit
= 23
3 O
C3 H-i
Q J —
r o 2
j> 3
3g
€ 2
lOOfach
kg/cm^
Härte-
proben
Härte luft-
trocken od.
luftfeucht
kg/cm'
I. Lufttrockener Zustand.
0.6
11.5
50.3
67.0
249
636
51.0
47.4
394
639
476
1.2
11.2
58.5
84.3
822
S46
60.0
55.8
462
787
574
2.0
11.3
63.4
106.9
385
1010
64.8
60.8
454
975
630
8.8
11.1
65.5
7'4.6
362
945
66.8
62.5
500
857
716
1.6
11.4
68.6
117.0
460
1239
69.9
65.5
588
1036
612
1.8
11.8
70.0
148.5
588
1029
72.7
68.6
649
1138
628
2.4
11.5
71.8
139.7
571
1258
74.2
70.3
609
1158
744
1.9
12.0
77.5
160.0
579
1882
79.7
75.8
634
1222
828
1.8
11.6
84.0
167.4
750
1563
86.7
82.2
759
1352
1012
4.0
11.8
88.7
131.8
589
1500
91.0
86.1
770
1312
1066
Mittel
11.0
70.9
110.0
465
1133
72.6
68.3
566
1007
746
II. Luftfeuchter Zustand.
0.6
16.6
30.3
54.6
248
571
50.8
45.9
275
587
340
1.3
17.4
62.8
74.4
284
698
63.4
57.0
368
822
502
1.2
17.0
70.6
100.6
287
764
71.9
66.3
362
1000
512
2.9
18.4
77.1
99.9
532
882
78.4
73.0
439
1169
628
1.9
16.5
87.0
153.1
509
1250
90.1
84.7
392
1485
872
Mittel
17.3
69.7
91.3
337
837
71.2
65.6 j
398
992
573
Man ersieht aus dieser Tabelle, daß auch hier die Jahrringbreite für sich allein
nicht maßgebend ist für die Qualität des Eschenholzes, da sowohl sehr engringiges
als auch übermäßig breitringiges Holz minderwertig ist. Ausschlaggebend ist auch hier
wieder das Verhältnis des Spätholzes zum Frühholze. .Je mehr Spätholz die Ouer-
schnittsfläche aufweist, und je schmäler die porenreichen Frühholzzonen sind, desto
schwerer das Eschenholz, desto besser die technische Qualität desselben. Allerdings
darf die Wuchsgeschwindigkeit des Holzes eine gewisse Grenze nicht überschreiten,
weil bei sehr breiten Jahrringen ein lockeres, wenig festes Spätholz entsteht.
Maßgebend für die Eignung eines Eschenholzes zu Skischienen sind neben der
Zähigkeit des Materials noch die Festigkeit gegen Biegebruch, die Steifigkeit, die
sich in der Größe des Elastizitätsmoduls ausdrückt, und die Härte,
die wiederum mit der Abnützbarkeit beim Gleiten über den Schnee Hand
in Hand geht; alle diese Eigenschaften gehen mit dem spezifischen Gewichte parallel.
In diesem Sinne ist also dem schweren, daher harten und festen Eschenholze vor
dem leichten der Vorzug einzuräumen. Ein größerer Feuchtigkeitsgehalt vermindert
sämtliche Festigkeits-Eigenschaften des Holzes, wie Tabelle XHI dartut; nur die
Zähigkeit wird durch höheren Wassergehalt des Holzes erhöht.
Die Esche produziert ihr bestes Holz nicht im gedrängten Schlußstand wie die
Nadelhölzer, sondern unter möglichst hohem Lichtgenuß, also im Freistand oder
an Bestandesrändern und in lichten Auwaldungen, offenbar weil die Beanspruchung
des Baumschaftes durch den Wind den Baum veranlaßt, ein gegen Biegung und Bruch
Biegsamkeit und Zähigkeit. § 4 0.
427
möglichst widerstandsfähiges Holz zu bilden. Junges Eschenholz ist zäher als altes,
das braune Kernholz spröder als das weiße Splintholz.
§ 39. Die Frage, wie sich die Druckfestigkeit von Hölzern,
welche im Wasser ausgelaugt worden waren, gegenüber der Druckfestigkeit
von ungeschweminten Hölzern verhält, hat J a n k a zum Gegenstand eingehender
Untersuchungen gemacht ^) und dabei gefunden, daß die Auslaugung im Süß- und
Salzwasser eine Verminderung der Druckfestigkeit des lufttrockenen (nach der Wasser-
tränkung wieder lufttrocken gewordenen) Holzes zur Folge hat, daß also unge-
schwemmtes Holz die geschwemmten Hölzer in der Druckfestigkeit des lufttrockenen
Zustandes übertrifft, während andererseits die Druckfestigkeit des im absoluttrok-
kenen Zustande geprüften Holzes bei dem im Salzwasser ausgelaugten Holzmaterial
höher ist als die gleiche Druckfestigkeit der unausgelaugten und der im Süßwasser
geschwemmten Hölzer, wie dies die nachstehende Tabelle XIV zeigt.
Tabelle XIV.
Druckfesliglceit geschwemmten und ungescliwemmtcn
Holzes.
Ungeschwemmtes Holz
In Süßwasser
geschwemmtes Holz
In Salzwasser
ausgelaugtes Holz
Spezifisches
Gewicht
lufttrocken
Druckte
c
1 o
Stigkeit
Spezifisches
Gewicht
lufttrocken
Druckfestigkeit
Spezifisches
Gewicht
' lufttrocken
Druckfestigkeit
Holzart
luft-
trocken
absolut-
trocken
luft-
trocken
absolut-
trocken
lOOfach
kg/
cm^
lOOfach
kg/cm''
lOOfach
kg/cm^
Fichte
43.2
443
722
43.9
435
702
43.7
1
412 809
Tanne
41.9
409
654
43.1
417 1 700
44.3
402 1 789
Weißkiefer
50.8
477
760
49.5
430 i 704
54.2
463 1 872
Lärche
59.4
589
1035
62.3
563
1032
60.5
565 [ 1175
Rotbuche
74.6
650
1144
74.2
621
1118
76.1
604 1 1200
Eiche
73.9
608
986
70.6
530
957
75.9
574 1 1069
Ulme
67.2
571
953
66.3
501
953
66.4
500 1110
Ahorn
64.6
579
979
65.2
541
917
65.9
571 1090
iNuß
61.5
539
938
64.9
467
822
01.0
480
858
§ 40. 2. B i e g s a m k e i t u n d Zähigkeit. Es wurde seh on weiter oben
auseinandergesetzt, daß Biegsamkeit und Zähigkeit, als A r b e i t s e i g e n s c h a f-
t e n aufgefaßt, jene Beschaffenheit gewisser Hölzer bedeuten, welche eine dauernde
Formveränderung ohne Herbeiführung eines Bruches zulassen. Dabei muß die
Elastizitätsgrenze überschritten werden, ohne daß man sich deshalb schon gar zu
sehr der Bruchgrenze nähert. Die Voraussetzung für die Anwendung von Biegsamkeit
und Zähigkeit ist nämlich die, daß selbst bei beträchtlichen permanenten
Ausdehnungen oder Zusammendrückungen der Substanz eine Ueberwindung der
Kohäsion nicht stattfindet. Es muß also der Festigkeitsmodul (Bruchmodul) von
dem Tragmodul ziemlich entfernt liegen, mit anderen Worten, der Spielraum zwischen
Bruchgrenze und Elastizitätsgrenze ein beträchtlicher sein. Der Gegensatz
von biegsam oder zähe ist brüchig oder spröde.
Um den Begriff der Biegsamkeit im Sinne einer Arbeitseigenschaft,
also der Gmndlage für eine formum staltende produktive Tätig-
1) Mitteilungen aus dem forstl. Versuchswesen Oesterreichs. Die Einwirkung von Süß- und
Salzwässern auf die gewerblichen Eigenschaften der Hauptholzarten.
428 IX A. Exner, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
k e i t , von jener Biegsamkeit bezw. Zähigkeit zu unterscheiden, welche jedes Ma-
terial innerhalb der Elastizitätsgrenze besitzt und als Grundlage der bautechnischen
Verwendung S.404 dieser Abhandlung erörtert wurde, wäre es zweckmäßig, das Wort
,, Biegsamkeit" im ersteren Sinne durch die Bezeichnung ,,B i 1 d s a m k e i t" zu
ersetzen.
Ein erhöhter Grad der Biegsamkeit oder, wie wir sie zu bezeichnen vor-
schlagen, der B i 1 d s a m k e i t ist die ,,Z ä h i g k e i t". JMari verbindet mit diesem
Ausdrucke die Vorstellung, daß ein Holz, welches schon in einzelnen Teilen bis über
die Bruchgrenze hinaus in Anspruch genommen wurde, doch noch ein großes Maß
von Widerstandsfähigkeit gegen die vollständige Trennung des Körpers in zwei oder
mehrere Teile entgegensetzt. Die Bildsamkeit sowohl als die Zähigkeit ist bei den
Hölzern im grünen Zustande meist größer als im halb- oder völlig trockenen Zu-
stande. Der im frischen Holze vorhandene größere ^'o^rat an W'asser steigert die
Bildsamkeit und Zähigkeit des Materials. Daher kommt es auch, daß die Be-
handlung des trockenen Holzes mit ^^^asser oder Dampf gewöhnlich zu einer
Steigerung von Bildsamkeit und Zähigkeit führt. Wird das Holz mit warmem
Wasser, warmer Leimlösung oder Dampf behandelt, so wirkt die höhere Temperatur
gleichfalls günstig im Sinne einer Steigerung der in Rede stehenden Eigenschaften.
Die Bildsamkeit und Zähigkeit werden daher, falls sie die Grundlage einer indu-
striellen Benützung des Holzes darstellen, zumeist durch Anwendung von Feuchtig-
keits- und Wärmezufuhr erhöht. Interessant ist die Tatsache, daß, wie W. Fr.
Exner nachgewiesen hat, das gedämpfte und durch den Biegeprozeß gestauchte
Rotbuchenholz eine Erhöhung seiner rückwirkenden Festigkeit erfährt.
Das Biegen von stabförmigen Holzkörpern zum Zwecke, geraden Stäben eine
gekrümmte Gestalt, oder gekrümmten Körpern eine geradlinige Form zu geben, ist
ein Verfahren, welches seit langer Zeit bei verschiedenen Gewerben in Uebung steht.
Die Zurichtung von Spazier-, Regenschirm-, Sonnenschirm-, Fischangelstöcken
usw. usw. wird seit Jahrhunderten praktiziert. Das Biegen von Radfelgen ist gleich-
falls ein altes Verfahren. Schon im Jahre 1810 wird berichtet, daß in Vorarlberg
Radfelgen in einem Stücke aus gebogenem Holze angefertigt wurden. Melchior
Fink in Bregenz suchte im Jahre 1820 um ein Privilegium für aus gebogenem Holze
angefertigte Radfelgen an. Dem im Privilegiums-Archive liegenden Gesuche Finks,
das im Jahre 1821 erledigt wurde, ist das Gutachten der Professoren Arzberger und
Prechtl beigeschlossen, welches dahin geht, daß Finks Produkt, als neu und wichtig,
privilegierbar erscheine. Fink verwendete für diese Radfelgen Eschenholz und nach
einer beglaubigten Mitteilung waren solche von Fink gefertigte Radfelgen noch in
den letzten 1860er Jahren in Vorarlberg im Gebrauch, was auf eine außerordentliche
Dauerhaftigkeit dieser Produkte hinweist.
Die Idee, das Holz durch Biegen in zu gewissen Zwecken verwendbare Formen
überzuführen, hat den großartigsten Erfolg in einem modernen Zweige der Möbel-
industrie errungen. Der Rheinpreuße IMichael Thonet hat mit bewunderungswürdiger
Ausdauer und großem technischen Geschick das ^'erfahren des Holzbiegens zum
Zwecke der Herstellung von Möbeln so weit ausgebildet, daß es heute das Arbeits-
prinzip einer großen, weit verzweigten, die Verwertung der Rotbuchenholzbestände
merkbar beeinflussenden Industrie (sog. Bugmöbel- oder Wiener Möbel-Industrie)
geworden ist. Das Thonetsche Verfahren besteht der Hauptsache nach in der Be-
handlung des Fiotbuchenholzes mit Dampf, in dem Biegen des gedämpften Holzes
in Formen, endlich in der Sicherung der auf der konvexen Seite der gekrümmten
Holzteile liegenden Faserbündel-Gruppen gegen das Abreißen während der Bie-
Biegsamkeit und Zähigkeit. § 41. 409
gung, sodann in entsprechender Behandlung in Trockenkammern ^). Tlionet hat
auch die Erzeugung von Radfelgen aus gebogenem Holze wieder aufgenommen,
und selbst Räder für Kanonen-Lafetten und sonstige dem Kriegsdienste zugehörige
Fuhrwerke erhielten Radfelgen aus gebogenem Holze. Bei Luxus-Fuhrwerken haben
die gebogenen Radfelgen aus Hickory-Holz (Carya alba, anierik. Weißnußbaum) eine
große Verbreitung erlangt. Das gleiche \'erfahren findet heute auch An^\endung
bei der Fabrikation von Rodelschlitten, Kummethölzern, den norwegischen
Schneeschuhen (Ski) u. dgl., wobei in erster Linie Eschenholz \'erwendung
findet.
Holzplatten nach verschiedenen \'erfahren gebogen, so daß sie gewölbte Flächen
darstellen, finden beim Bau von Schiffen, Wagenkasten usw. mannigfaltige \'er-
■\vendung.
Die Bildsamkeit und Zähigkeit spielen eine ganz besonders wichtige Rolle auch
in dem Falle, daß dünne Stäbe, Späne oder Fäden, aus Holz angefertigt, zu g e-
f 1 0 c h t e n e n und gewebten Körpern vereinigt werden. Die ganze Korbflech-
terei und Holzweberei (Sparterie), sowie die Herstellung von Gegenständen aus
Holzgeweben haben als Voraussetzung einen hohen Grad von Bildsamkeit und Zähig-
keit des Rohstoffes. Die ^^'eidenruten im ganzen oder in der Form des gespaltenen,
bezw. gehobelten Spanes, ferner Fichten- und Föhrenwurzeln, ganz oder gespalten,
Späne von Fichten-Stammholz, Spältlinge von Bambus, das spanische Rohr, der
Bast von verschiedenen Holzpflanzen und diverse Gräser bilden die Hauptgattungen
von F 1 e c h t m a t e r i a 1 e , zu denen das Stroh, die Piasava und andere Pflanzen-
teile in Konkurrenz treten.
Dünne und schmale Späne von Aspenholz bilden den Rohstoff der H o 1 z -
Weberei (Sparterie).
Die Verwendung des Holzes zu Faßreifen, ferner die sogenannten Bandweiden
und endlich die in der Flößerei verwendeten ^^'ieden sind Beispiele für die Anwendung
biegsamer und zäher Hölzer.
§ 4L Eine wissenschaftliche Bestimmung der Bildsamkeit und der Zähigkeit
ist bisher in befriedigender Weise für das Holz nicht vorgeschlagen worden ^).
Die einschlägigen Versuche von Karmarsch und Nördlinger befriedigen nicht.
Am ehesten gewährt noch die von Tetmajer in die Materialprüfungstechnik
eingeführte Arbeits kapazität der Biegungsfestigkeit, deren Be-
griff und Ermittelung schon Seite 404 auseinandergesetzt wurde, einen Anhaltspunkt
für die Zähigkeit oder Sprödigkeit eines Holzmaterials. Je langgestreck-
ter das Biegungsdiagramm ausfällt, je größer also die Durchbiegung nach Ueber-
schreitung der Elastizitätsgrenze, desto zäher das Holz. Holzproben, die bei der
Biegeprobe bald nach Ueberschreitung der Elastizitätsgrenze brechen, sind als spröde
anzusehen. In diesem Sinne zeigt in Fig. 2 das Diagramm des Probestabes 18 a
(oben — Stab aus norwegischem Eschenholze) ein äußerst zähes, das Diagramm 5 c
(links unten — von einer sehr engringigen Esche aus der Bukowina herrührend), ein
1) Siehe „Das Biegen des Holze s", ein für Möbelfabrikanten, Wagen- und Schiff-
bauer wichtiges Verfahren. Mit besonderer Rücksichtnahme auf die Thonetsche Industrie von
Prof. Dr. W. F. E x n e r. Dritte neubearbeitete und erweiterte Auflage von Prof. Georg Lau-
b o e c k, Weimar 1893.
2) Unter den wenigen .\rbeiten über ,, Bildsamkeit" bei anderen Rohstoffen sind bemerkens-
wert jene von Kick und HugoFischer. (Kick, Das Gesetz der proportionalen Widerstände.
Leipzig 1885; Hugo Fischer, Beitrag zur mechanischen Untersuchung plastischer Körper, „Zivil-
Ingenieur" XXXI. Band. 7. Hefl.l
430
IX A. Exner, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
sehr sprödes Holz an. Natürlich kann man diese Diagramme nur dann untereinander
vergleichen und einen Schluß auf die Zähigkeit oder Sprödigkeit des betreffenden
Holzmaterials ziehen, wenn sie von Stäben gleicher Länge und gleichen Querschnitts
gewonnen wurden; dies ist bei den Diagrammen der Fig. 2 der Fall; die betreffenden
Eschenholzstäbe hatten 4 X 4 cm Querschnitt und eine freie Auflage bei der Biege-
probe von 58 cm.
Schwieriger gestaltet sich die Sache, wenn man die Eigenschaft der Zähigkeit
Ziffer mäßig ausdrücken soll. Hiezu würde sich auf Grundlage der Biegeprobe
und immer unter der Voraussetzung gleich dimensionierter Probekörper der Quotient
aus der Durchbiegimg und der Belastung in dem zwischen Elastizitäts- und Bmch-
D— d
grenze gelegenen Teile der Biegungsarbeit eignen, also der Quotient
P-p
wenn
unter d die Durchbiegung) ^^ ^^^ Elastizitätsgrenze,
p die Belastung i
unter D die Durchbiegung | ^^.^ ^^^^^^
P die Belastung J
zu verstehen ist.
Figur 2.
_ ^0
-1 e-i
-?
, I 1 ~i II I r
J A-U-C Ivl" I.C AlAUtV
_ S C-c
Nachdem die international vereinbarten Vorschriften für die Holzprüfungen
ganz bestimmte Dimensionen für die Biegestäbe vorschreiben (10 X 10 cm Quer-
schnitt und 1,5 m Stützweite), beziehungsweise die Reduktion der Biegungsarbeit
von im Querschnitt anders dimensionierten Biegebalken auf den Normalquerschnitt
von 10 X 10 cm fordern, so würde die hier vorgeschlagene Ermittlung des ziffer-
mäßigen Ausdruckes der Zähigkeit ohne weiters möglich sein.
Nach den Untersuchungen Jankas ergibt sich dieser Zähigkeitskoeffizient aus
einer großen Zahl von Einzelproben
für Fichtenholz lufttrocken . . . zu 1,73
feucht zu 2,50
naß zu 3,53
für Lärchenholz lufttrocken . . . zu 1,26
naß zu 2,35
Warnfähigkeit. § 42.
431
Diese Zahlen zeigen zunächst die Erhöhung der Zäliigkeit mit dem Steigen des
Wassergehalts im Holze, dann aber auch die bedeutend größere Zähigkeit des Fichten-
holzes gegenüber dem Lärchenholze.
Mit den nachfolgenden Ausfüluungen berühren wir bereits das Gebiet jener
technischen Eigenschaften der Hölzer, welche mit einer Aufhebung des Zusammen-
hanges der Substanz verbunden sind.
Die größere oder geringere Zähigkeit ehies Holzmaterials läßt sich nach den
B r u c h.e r s c h e i n u n g e n bei der Biegeprobe beurteilen; je nachdem die ge-
spannten Fasern an der Zugseite des auf Biegung beanspruchten Balkens plötzlich
in einer mehr oder weniger geraden, quer zur Faserrichtung gestellten Linie — oder
allmählich unter teilweisem Zerreißen einzelner Faserbündel in einzelnen Splittern
abreißen, unterscheidet man einen glatten und einen splittrigen Bruch,
zwischen welchen Bruchformen noch ein zackiger Bruch unterschieden werden
kann. Ein glatter Bruch deutet auf ein sprödes, ein splittriger Bruch auf ein zähes
Holz hin. Manche Laubhölzer, z. B. nasses Eschenholz, sind bei der Biegeprobe über-
haupt nicht zum Bruche zu bringen; hierauf beruht ja, wenigstens zum Teile, die
Industrie, Stabhölzer zu Möbelbestandteilen, zu Radfelgen, Schlittenkufen u. dgl.
im gedämpften Zustande zu biegen (Thonetsche Bugmöbel).
Es hat sich gezeigt, daß die Biegungseigenschaften beispielsweise beim Fichten-
holz tatsächlich mit der Form des Biegebruches in Zusammenhang stehen, und zwar
ist ein glatter Bruch mit einem niedrigen Elastizität s-, Trag-
und Bruchmodul und kleiner Deformationsarbeit verbunden,
während ein splittriger Bruch mit einem Maximum aller dieser
Eigenschaften einhergeht, wie die nachfolgende Tabelle für Fichtenholz zeigt.
Tabelle X\\
Biegungseigenschaften
Form des
Biegebruches
Elastische
Durch-
biegung
pro 0.1 t
Elastizi-
tätsmodul
Grenz-
(Trag-)
modul
Deforma-
Biegungs- tionsarbeit
festigkeit beim
Bruche
Quotient
Deformationsarbeit
Durchbiegung
beim Bruche
cm Tonnen pro 1 cm^ t/cm
glatt
zackig
spliltrig
0.0890
0.0843
0.0769
98.0
102.2
111.9
0.323
0.339
0.376
0.565
0.593
0.648
4.95
5.45
6.90
1.53
1.64
1.91
Wenn es sich um die Ver^vendung eines Holzmaterials zu Bauholz und speziell
zu Tragbalken handelt, die auf Biegung beansprucht werden, würde also ein Probe-
holz mit glattem Bruch eine schlechte, ein solches mit splittrigem Bruch eine gute
Qualität anzeigen. Hier sei speziell des sog. Rotholzes der Nadelhölzer gedacht, welches
an Stämmen (und zwar an der dem ^^■inde abgewandten Seite) entsteht, die ständig
unter AVindanprall zu leiden haben. Solches Holz zeigt sich sehr spröde, es bricht bei
Ueberlastung glatt ab; dahingegen zeigt das an solchen freistehenden Stämmen an
der Windseite gebildete engringige Holz einen doppelt so großen Biegungselasti-
zitätsmodul wie das Holz der andern breitringigen Seite.
§ 42. .3. In der Regel sollen nun zwar Bau- und Konstruktionshölzer höchstens
bis zur Elastizitäts-, nicht aber bis zur Bruchgrenze beansprucht werden; solche Fälle
432 IX A. E X n e r , Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
der Ueberlastung kommen aber ausnahmsweise doch vor, z. B. bei den Verzimme-
rungen in Bergbaubetrieben.
Die Bergbautechniker sprechen in dieser Hinsicht von einer Eigenschaft des
Holzes, die mit der Zähigkeit oder Sprödigkeit und der Art des Biegebruches indirekt
zusammenhängt; es ist dies die sog. W a r n f ä h i g k e i t des Holzes. Unter einem
„warnfähigen" Holz ist jenes Holzmaterial zu verstehen, welches bei einer etwaigen
Ueberlastung vor dem Abbrechen knistert, nur allmählich zum Bruche kommt und
daher die Bergleute ,, warnt", auf der Hut zu sein, demzufolge derartig überlastete
Konstruktionshölzer der Bezimmerung rechtzeitig ausgewechselt werden können;
dies trifft bei jenem Holzmaterial zu, welches einen splitterigen Bruch zeigt; ein mit
plötzlichem, also in der Regel glattem Bruch brechendes Holz kann in dieser Hinsicht
durch Gefährdung der in der Grube beschäftigten Arbeiter gefährlich werden.
§ 43. Die Erfahrungen, welche die Holzhauer und die holzverarbeitenden Ge-
werbe bezüglich der Zähigkeit des Holzes und ihrer Kennzeichen schon seit altersher
gemacht haben, hat Nördlinger in folgende Sätze zusammengefaßt:
„Nach einem alten und jedenfalls für Buchen, Eichen und noch andere Holzarten richti-
gen Salz erzeugt nasser Boden sprödes Holz, nur trockener oder mäßig feuchter zähes."
,,Zähe Hölzer sind in der Regel an der großen Faserigkeil kenntlich, die sie beim .ab-
reißen, und, (wenigstens Weichhölzer), an dem faserigen, wie man sagt wolligen Schnitt, den sie
beim Durchsägen zeigen. Erst mit der Verwitterung der Fasern tritt auf solchen Schnitten
das eigentliche Gefüge an den Tag."
,, Wurzel- und Stockholz sind zäher als Stammholz. Der Stock soll zäher sein, als das
Zopfende. Das .-V s t h o 1 z bei Eichen, Linden, Erlen, Kiefern gilt für spröder als das Slam m-
h o 1 z. Bei der Birke wird das Umgekehrte angenommen, wie auch bei der Fichte; ob bei
letzterer mit Recht in gleichem Grade, mag dahingestellt bleiben. Das zäheste Holz liefern
die jungen Triebe der Flechtweiden (Salix viminalis, purpurea, caspica, amygdalina etc.),
Schlingstrauch, Hasel, Birke, Ulme, Waldrebe, Hainbuche, Maßholder, Eibe, Esche, Aspe."
,,Mit dem Alter und Krankheiten verliert das Holz der Stämme seine Zähigkeit mehr und
mehr, ja schon an angehend haubaren Stämmen von Nußbaum und Eiche ist der Splint
zäher als der Kern. Ebenso, und auf der Drehbank wohl fühlbar, beim Perückenstrauch.
Bei der starken Föhre auf passendem Boden erhöht der große Harzgehalt die Zähigkeit, wie
auch schon am einzelnen Jahresring der äußere harzreichere Teil der zähere, beim .abreißen
faserigere ist. Föhren, die auf unpassendem Boden stehend, kein Kernholz bilden, verhalten
sich wie Fichten und Tannen und haben das zähere Holz gegen außen, wo die Jahresringe
schmäler und relativ harzreicher sind."
„Das Verhältnis der Zähigkeit von Splint und Kern oder Reifholz sieht man häufig schon
sehr deutlich an der verschiedenen Faserigkeit auf Hiebsflächen an Stöcken. Man muß sich
aber bei der Beurteilung immer vergegenwärtigen, daß der Splint saftreicheres und dadurch
schon im grünen Zustande zäheres Holz sein muß."
,, Abgewelktes Holz gilt als zäher denn saftreiohes und trockenes, und das Einweichen
in Wasser und Bähen am Feuer trägt zur Vermehrung der Biegsamkeit und Zähigkeit wesent-
lich bei."
,,Holz, das den Einwirkungen der Wilterung ausgesetzt ist, und selbst im Trockenen
verbautes, verliert allmählich an Zähigkeii."
Hervorragend bildsame und zähe Hölzer sind die jungen Stockloden von Weide,
Birke, Hainbuche, Aspe, Esche, Eiche und Ulme. Ebenso das Astholz der Birke, der
Fichte, dann die jungen Wurzelstränge von Kiefern und Fichten im nahrungsarmen
Sandboden. Zu den biegsamen und zähen Holzarten des Baumstammes rechnet man
die Birke, Esche, Weide, Vogelbeere, Hickory-Holz, die Sorbus-Arten, Pappel und
Rotbuche, letzteres jedoch nur im gedämpften Zustande, Weißbuche, Ulme, Akazie
und Zürgelbaum, dann die Gerten und Stangen von Eichen, Hasel, Kornelkirsche
und unterdrückten Fichten.
§ 44. 4. S p a 1 1 b a r k e i t. Aus der Bauart des Holzes ergibt sich eine für
diesen Rohstoff höchst charakteristische Eigenschaft, welche darin besteht, daß sich
dasselbe durch Eintreiben eines Keiles parallel zum Faserverlaufe leicht in Teile zer-
legen läßt. Dabei hat man zwei Hauptspaltrichtungen zu unterscheiden : Die radial
Spallbarkeit. § 44. 433
stehenden Flächen, welche die Markstrahlen enthalten, und die darauf senkrecht
stehenden Seimenflächen oder Tangentialflächen. Diese Richtungen schlägt die
Spaltkluft, der Schneide des Spaltkeiles voraneilend, ein. Das Spalten setzt die
Ueberwindung des seitlichen Zusammenhanges der Faserbündel, bezw. der Kohärenz,
mit welcher die Markstrahlen an den Holzfasern haften, voraus. Der Widerstand
gegen das Spalten müßte Spaltfestigkeit genannt werden. Je höher die
Spaltfestigkeit, desto niedriger die Spaltbarkeit oder Spaltigkeit. Wenn
man von schwerspaltigen oder leichtspaltigen (d. i. spaltbaren) Hölzern spricht, so
meint man damit nicht nur, daß das Maß der Spaltfestigkeit ein hohes
oder niedriges sei, sondern auch, daß die entstehenden Spaltflächen minder oder
mehr glatt und eben ausfallen und mehr oder weniger eine weitere Bearbeitung er-
heischen.
Die Spaltbarkeit ist eme für die erste Ausformung der Hölzer, also für die
Herstellung von Halbfabrikaten, in gewissen Fällen hochwichtige Eigenschaft und
verdiente daher, daß sie nicht nur mit Rücksicht auf die sie bedingenden Umstände
mehr als bisher beobachtet würde, sondern sie hätte auch .\nspruch darauf, einer
exakten experimentellen Untersuchung unterzogen zu werden. Der einzige bemerkens-
werte Versuch, die Spaltbarkeit einer experimentellen Messung zu untenverfen, rührt
von Nördlinger her, welcher jedoch den Fehler beging, als Probestück ein ganz will-
kürlich geformtes, gabel- oder kluppenartiges Holzstück zu wählen ^). Abgesehen
davon, daß die Nördlingerschen Probestücke, die Zweckmäßigkeit der Form zuge-
geben, in Beziehung auf ihre Abmessungen durch keinerlei Erwägung begründet
werden können, muß auf den entscheidenden Unterschied aufmerksam gemacht
werden, welcher zwischen dem Nördlingerschen Experiment und der Praxis besteht.
Bei den Nördlingerschen Versuchen wird nämlich die Spaltfestigkeit durch eine all-
mählich anwachsende Kraft, Belastung durch eine Wagschale, in welche Schrot zu-
fließt, über\\-unden. In der Praxis der Holzwaren-Gewerbe sind es wohl ausnahmslos
Stoß-Momente, die den Keil in das Holz eintreiben. Der Unterschied zwischen diesen
beiden Arten der Ueberwindung der Spaltfestigkeit ist aber ein fundamentaler. Im-
merhin kann man, bevor nicht eine befriedigendere Forschung vorliegt, die von Nörd-
linger gewonnenen Resultate als Anhaltspunkte für den ^'ergleich der Spaltfestig-
keiten verschiedener Hölzer untereinander benützen.
Prof. M. Rudeloff führte eine Versuchsreihe über die Spaltfestigkeit des Kiefern-
holzes durch, wobei den Versuchsstücken die klammerartige Form (Nördlinger)
gegeben \vurde. (Siehe Mitteilungen aus den Kgl. Techn. Versuchsanstalten zu Berlin
1899. V. Heft.)
Gelegentlich der Untersuchungen über die Härte des Holzes hat J a n k a einige
Studien über den ^^'iderstand angestellt, welchen die Hölzer dem Eindrücken einer
A X t s c h n e i d e von 60 mm Länge und 28 » Schneidewinkel in die Oberfläche
der Holzprobe entgegensetzen ^). Wenn auch diese Untersuchungen in erster Linie
der Prüfung des Holzes auf seine Härteeigenschaft dienen sollten und daher
eine Spaltwirkung tunlichst ausgeschaltet werden mußte, so war es doch in einzelnen
Fällen nicht zu vermeiden, daß die Probehölzer, vor allem Eiche, Buche, Ahorn und
Nuß, dabei aufspalteten. Diese Prüfung entspricht nun aber, abgesehen davon, daß
hier nicht Stoßkräfte, sondern ruhig wirkende, von der Materialprüfungsmaschine
ausgeübte Druckkräfte in Anwendung kamen, der Erprobung des Holzes
auf Spaltfestigkeit viel besser als die Nördlingersche Methode der Er-
1) Vergl. Nördlinger, „Die technischen Eigenschaften der Hölzer" (S.243 und ff.).
2) Die Härte des Holzes. Von G. J a n k a. Wien 1906.
Handb. d. Forslwiss. 3. Aufl. II. '"-'
434 IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
probung der Spaltfestigkeit. Damit ist im Sinne der Ausführungen E x n e r s der
Weg gezeigt, wie ein Verfahren zur Spaltfestigkeitsprüfung der Hölzer ausgebildet
werden könnte; aus der Größe der Kraft, welche erforderlich ist, eine Keilschneide
von bestimmter Form bis zum Eintritte der Spaltung ins Holz einzudrücken und
aus der Tiefe der Eindringung dieser Keilschneide beim Beginne der Spaltung wäre
die Spaltfestigkeit zu bestimmen; dabei werden allerdings auch, wie beim Nördlinger-
schen Versuch, die Dimensionen der Spaltprobe einverständlich festzusetzen sein.
Bei der Lage der Dinge müssen wir uns hier darauf beschränken, jene E r-
fahrungssätze zusammenzufassen, die als ziemlich feststehend betrachtet
werden können.
Die Spaltfestigkeit ist bei manchen Hölzern so gering, daß oft unbedeutende,
im Stamme selbst auftretende Spannungen ohne das Hinzutreten einer Kraft von
außen eine Spaltung herbeiführen. Der Wechsel der Temperatur oder das Verdunsten
des im grünen Holze enthaltenen Wassers rufen bei der Ungleichartigkeit des Ma-
teriales Spannungen hervor, welche die Spaltfestigkeit überwinden und die Klüftung
des Holzes herbeiführen (Frostrisse, Waldrisse). Diese Erscheinungen stehen mit der
Spaltbarkeit im Zusammenhange, doch dürfen sie nicht mit der Spaltbarkeit als
technischer Eigenschaft verwechselt werden, welche so erklärt werden muß, wie sie
weiter oben definiert wurde. Diese Eigenschaft setzt nämlich die Anwendung eines
keilförmigen Werkzeuges voraus, welches, wie erwähnt, meistens durch Stoß-Aktionen
in das Holz eingetrieben wird und zwar entweder von der Hirnseite aus oder von der
Mantelfläche der Holzwalze aus ; im ersten Falle entweder in der Richtung des Radius
oder einer Sehne, im letzteren Falle immer in der Richtung des Radius.
Mo eller sagt ganz richtig („Die Rohstoffe des Tischler- und Drechsler-Gewerbes"
S. 97): „Die Art der Zellen und ihre Verteilung ist ebenfalls für den Grad der Spaltbarkeit
maßgebend, aber mehr noch für die Beschaffenheit der Spaltfläche. Sind die Fasern
kurz, dazu stark inkrustiert, sogar zu einer kompakten Masse verschmolzen, so leidet die Spalt'
barkeit sehr erheblich, die Spaltfläche wird uneben, höckerig, fast der Bruchfläche eines Mi-
nerals ähnlich (z. B. Guajak). Mitunter sind die Faserbündel von den Parenchym- und Gefäß-
gruppen scharf abgegrenzt, ein Umstand, der die Spaltbarkeit begünstigt, aber die Spaltfläche
gerieft erscheinen läßt (z. B. Linde). Ist der Unterschied zwischen Herbst- und Frühlingsholz
bedeutend, so spalten sie auch mit ungleicher Leichtigkeit, die Spaltfläche ist stufig abgesetzt
(z. B. die ringporigen Laubhölzer, die meisten Nadelhölzer, besonders die harzreichen). Die
faserige oder wellige, spiegelglatte oder seidenglänzende, rauhe oder schuppige Spaltfläche
erklärt sich aus der Länge, Innigkeit der Verschmelzung, Art der Krümmung nebst anderen
Eigentündichkeiten der Fasern und der Häufigkeit der Unterbrechung durch die in Bau und
Ausdehnung ebenfalls verschiedenen Markstrahlen."
Meistens ist das Holz in der Richtung der Sehne schwerer spaltig als in der
Ebene der Markstrahlen, und deshalb wird die industrielle Verwertung der Spalt-
barkeit vorwiegend zur Ausformung von Stücken benützt, deren Oberfläche haupt-
sächlich von Radialflächen gebildet werden soll. Die äußeren Stammteile pflegen
leichter zu spalten als die inneren, teils deshalb, weil die ersten Jahrringe häufiger
unregelmäßig erwachsen, teils deshalb, weil in den äußeren Holzschichten zumeist
eine größere Spannung zwischen den einzelnen Strahlen herrscht.
Die Weichhölzer gelten als leichter spaltbar, welche Auffassung nicht Anspruch
auf allgemeine Geltung erheben kann. Uebrigens hängt die Spaltbarkeit von ver-
schiedenen anderen Eigenschaften des Holzesund allerlei Umständen ab. So steht die
Elastizität im engsten Zusammenhange mit der Spaltbarkeit. Die einmal
durch den Keil geöffnete Kluft erweitert sich um so leichter, je elastischer das Holz
ist. Alle Umstände, welche die Elastizität, also das Bestreben, die frühere Lage
wieder zu gewinnen, steigern, sind der Spaltbarkeit günstig, d. h. steigern dieselbe.
Der Feuchtigkeitsgehalt übt auf die Spaltbarkeit einen scheinbar
Spaltbarkeit. § 44. 435
widerspruchsvollen Einfluß aus. Da die Feuchtigkeit die Elastizität mindert, sollte
sie auch die Spaltbarkeit benachteiligen; in vielen Fällen wirkt sie jedoch in ent-
gegengesetztem Sinne. Da die Feuchtigkeit das erste Eindringen des Keiles erleichtert
und die seitliche Kohärenz der Fasern liäufig abschwächt, so kann der fordernde
Einfluß der Feuchtigkeit dessen hemmende Tendenz überwiegen. Daher erklärt es
sich, daß gewisse Hölzer im frischen Zustande schwerer spaltig sind als im trockenen,
wie Aspe, Pappel, Erle, Salweide, andere hingegen im trockenen Zustande schwerer
spalten als grün, wie fast alle Harthölzer.
Der Frost vermindert die Spaltbarkeit, hebt dieselbe wohl manchmal gänz-
lich auf, indem er die Elastizität erheblich schwächt. Auch bietet das gefrorene Holz
den Nachteil, daß das Spaltwcrkzeug wegen zu geringer Reibung an den Spaltflächen
in der Spaltkluft nicht haftet, sondern zurückspringt.
Hoher Harzgehalt vermindert die Spaltbarkeit, vielleicht indirekt durch
die Schwächung der Elastizität; so sind die Wurzelstöcke der Föhre, wenn harzreich,
schwerspaltig. Gerad- und langfaseriges, astarmes Holz, wie es auf frischem Boden
im geschlossenen Stande erwächst, ist leichtspaltig. Hohen Grad der Spaltbarkeit
kann man bei Stämmen von bedeutender Schaftlänge, gleichförmiger Abnahme der
Stammdicke, feiner Rindenbildung, geradelinigen \'erlauf der Rindenritzen etc. ver-
muten 1). In Beziehung auf die Spaltbarkeit kann man die Hölzer folgendermaßen
klassifizieren :
Leichtspaltig: Fichte, Tanne, Weymouthskiefer, Kiefer, Lärche, Erle, Linde ;
ziemlich leichtspaltig: Eiche, Buche, Esche, Edelkastanie, Schwarz-
kiefer, Zirbelkiefer;
sc h w e r s p a 1 1 i g: Masholder, Hainbuche, Ulme, Salweide, Birke, Ahoro,
Eisbeere, Pappel, Legföhre.
Alles bisher Gesagte bezieht sich auf die Spaltbarkeit, als A r b e i t s e i g e n-
schaft betrachtet, sie bildet die Vorbedingung für die Erzeugung von ,, Spalt-
waren" und „Spaltholz-Sortimenten", wie Faßdauben, Dachschindeln, Dranitzen-
Schachtelwänden und -Böden, Siebzargen, Weinpfählen, Zaunstöcken, Resonanz-
Holz - M u s e 1 n und Resonanz-Hölzern, Korbflechtspänen, Leuchtspänen usw.
Die Spaltbarkeit begünstigt manche Yerfahrungsweisen, die der Form des
Werkzeuges nach als Hobelarbeit aufgefaßt werden, bei denen aber das Hobeleisen
nur die Rolle des Spaltkeiles spielt; dies bezieht sich namentlich auf die verschiedenen
Arten der Spanerzeugung und der Fabrikation von Zündholzdraht, Zündhölzern,
gemesserten Joumieren, Jalousie-Holzdraht usw. Auch wird die Spaltarbeit an-
gewendet als Mittel oder Endglied einer Kette von Arbeitsprozessen, die auf die
Erzeugung gewisser Waren abzielen. Hier sei erwähnt das Spalten der Schuh-
stifte aus dünnen Hirnholzschciben des Ahorns und der Birke, das Spalten jener
auf der Drehbank hergestellten Ringe, deren Profil der Form gewisser Tierfiguren
(in der Spielwaren-Industrie) entpricht usw.
Als G e w e r b s - E i g e n s c h a f t tritt die Spaltbarkeit in einem höchst
ungünstigen Sinne auf, und die Neigung zum Spalten, also große Leichtspaltigkeit,
ist eine für das fertige Produkt aus Holz höchst unwillkommene Eigenschaft. Der
Tischler und Drechsler findet sich häufig während der Arbeit, beim fertigen Produkte
aber immer mit der Spaltbarkeit schwer ab. Das Einreißen des Holzes unter dem
Hobel, d. h. eine nach der Spaltflächenrichtung eintretende, die beabsichtigte Span-
form vereitehide Spanbildung ist eine Folge der Spaltbarkeit, die sich um so ungün-
1) Vergl. G a y e r s Forslbenutzung. X. Auflage, licrausgegeben von H. .Mayr.
28*
jj3g IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
stiger äußert, je höher ihr Grad ist und je mehr die Richtung der Spaltfläche von der
Richtung der Bewegung des Werkzeuges abweicht.
§ 45. 4. H ä r t e. Die HärtedesHolzes übt nicht nur auf die Gewin-
nung, sondern auch auf die Bearbeitung und die Verwendbarkeit eines Holzmaterials
einen großen Einfluß aus; sie nimmt Einfluß auf den Arbeitseffekt bei der Schläge-
rung, beim Verschnitt im Sägewerke und bei der Bearbeitung mit Hilfe der ver-
schiedenen holzbearbeitenden Werkzeuge und Maschinen; sie ist maßgebend für die
Verwendbarkeit der Hölzer zu bestimmten Verwendungszwecken und für ganze Ge-
werbebetriebe, z. B. in der Holzdrechslerei, Bildschnitzerei, in der Möbelfabrikation,
und bestimmt endlich auch die Brauchbarkeit eines Holzmaterials zu jenen Ge-
brauchsgegenständen, bei denen es vor allem auf eine große Widerstandsfähigkeit
gegen Abnützung ankommt, auf eine Eigenschaft, die mit der Härte in innigstem
Zusammenhange steht, beispielsweise bei der Verwendung von Holz zu Straßenpflas-
ter, Kegeln und Kegelkugeln, zu Holzkammrädem u. dgl.
Nach dem Sprachgebrauche verbindet das technische und das Laien-Publikum
mit dem Ausdrucke Härte dem Holze gegenüber dieselbe Vorstellung wie bei
allen anderen Substanzen. Man versteht unter Härte den Widerstand, den eine Sub-
stanz dem Eindringen eines fremden Körpers in dieselbe von außen her entgegen-
setzt. Diesen fremden Körper denkt man sich dabei zumeist als ein Werkzeug von
einer für das Eindringen in den Rohstoff günstigen Gestalt.
Für die Härte der Hölzer hat der Holzarbeiter schon das richtige Gefühl; er
klassifiziert sein Holzmaterial nach dem fühlbaren Widerstände, den dasselbe bei der
Bearbeitung durch die verschiedenen Werkzeuge entgegensetzt. Es wirken nun aber
die Werkzeuge in ganz verschiedener Weise auf das Holz; man müßte also, wenn es
gilt, die Härte der Hölzer exakt und nicht nur nach dem Gefühle festzustellen, eine
Härte unterscheiden gegen das Eindringen schneidender Werkzeuge, wie Messer,
Stemmeisen, Axt, Beil, Hobel, Bohrer — gegen das Eindringen von die Fasern zer-
reißender Geräte und Werkzeuge: Säge, Raspel, Feile, und gegen das Eindringen
spaltender Werkzeuge und Hilfsmittel: Spalteisen, Keil, Nagel, Schraube. Auch ist
es nicht gleichgültig, ob das Arbeitswerkzeug unter ruhigem Zug oder Druck oder
durch plötzlichen Stoß und Schlag wirkt. Das Holz ist ferner kein homogener, son-
dern ein organischer, äußerst kompliziert zusammengesetzter Körper, dessen Härte
sich je nach der Richtung, in welcher das Werkzeug die Fasern angreift, verschieden
äußern wird, so daß man von Hirnholzhärte und Längsholzhärte sprechen kann, je
nachdem die Angriffsrichtung des Werkzeuges senkrecht oder parallel zur Faser-
richtung geht.
Ueberdies setzt sich das Holz aus verschieden harten Gewebselementen zu-
sammen ; der Spätholzteil des Jahrringes kann eine Härte besitzen, welche die Härte
des Frühholzes um das Vielfache übertrifft; je nach dem Vorwiegen des harten und
schweren Spätholzes gegenüber dem weichen und leichten Frühholze werden auch
verschiedene Holzstücke einer und derselben Holzart gewisse Abweichungen in bezug
auf ihre Härteeigenschaft zeigen müssen. Hiezu kommt schließlich beim Holze noch
ein Faktor, der, wie jede Art von Festigkeit, auch die Härte desselben sehr stark
beeinflußt; es ist dies der Feuchtigkeitsgehalt des Holzes.
Wie man sieht, sind die Schwierigkeiten, welche sich einer exakten, ziffermäßigen
Feststellung des Härtegrades eines Holzes entgegenstellen, sehr große ; sie wären un-
überwindlich, wenn man sich nicht auf ein bestimmtes, zweckentsprechendes Ver-
fahren der Härteprüfung einigen würde, in der Art, wie man sich ja auch bezüglich
Harte. § 45. 437
der Vorschriften für einheitliche Prüfungsverfahren für Holz auf bestimmte Methoden
der Festigkeitsprüfung international geeinigt hat.
Prof. Dr. M. B ü s g e n ^) hat eine Reihe von Holzarten in der Weise auf ihre
Härte geprüft, daß er mit Hilfe eines der Bodensonde nachgebildeten Apparates
eine Stahlnadel mittels allmählich aufgelegter Gewichte 2 mm tief in den Holzkörper
eintrieb und die Größe des hiezu notwendigen Gewichtes, in Grammen ausgedrückt,
als Härte ansah. Gegen diese Methode läßt sich das Bedenken erheben, daß die Stahl-
nadel beim Eindringen zwischen die Holzfasern den harten und festen Spätholzzonen
ausweichen und in der Richtung des geringsten Widerstandes vordringen wird, wo-
durch eine zu geringe Härte resultieren würde, daß ferner die ins Holz eingedrückte
Nadel ebenso wie ein eingeschlagener Nagel in erster Linie spaltend wirkt und von
der Elastizität des Holzmaterials beeinflußt wird, und daß man schließlich wegen
der Kleinheit des Querschnittes der verwendeten Nadel zu viele Partien einer Holz-
probe prüfen müßte, um einen richtigen Durchschnittswert der Holzhärte zu erhalten.
Dr. J a n k a hat ein Verfahren der Härteprüfung des Holzes ausgebildet, das
geeignet erscheint, die Härte des Holzes ziffermäßig exakt zum Ausdrucke zu bringen^).
Dieses ^'e^fahren lehnt sich an das von dem schwedischen Oberingenieur Brinell 1890
eingeführte Härteprüfungsverfahren an, das bekanntlich darin besteht, daß eine
kleine Stahlkugel in die Oberfläche des zu prüfenden Materials (Metalles) unter ruhigem
Druck eingedrückt und aus dem Kugelhalbmesser, dem angewendeten Druck und
der Tiefe des erzeugten Eindruckes die Härtezahl des Materials in ziffermäßiger
Größe gefunden wird.
.J a n k a verwendet für die Härteprüfungen des Holzes eine aus der ebenen
Fläche eines eisernen Druckstückes hervorragende Halbkugel von 1,00 cm*
größtem Kreise, also von 5,642 mm Halbmesser, und drückt diese eiserne
Halbkugel zwischen den Preßplatten einer Materialprüfungsmaschine unter stetigem
Druck in die geglättete Hirnfläche des zu prüfenden Holzes bis zum größten Kreise
der Halbkugel ein. Der Widerstand, ausgedrückt in Kilogrammen, den das
Holz hiebei in dem Momente leistet, in welchem die Halbkugel bis zu ihrem größten
Kreise ins Holz eingedrungen ist, stellt ohne weiteres die Härte des
Holzes dar; da die Größe der Eindrucksfläche im Holze 1 ,00 cm- beträgt, so
erscheint die Holzhärte analog wie bei den anderen Festigkeitsangaben auf 1 cm*
bezogen. Um von einer Holzprobe von größeren Dimensionen, die ja auf der Quer-
fläche in den verschiedenen Partien oft verschiedene Härte aufweist, einen verläß-
lichen Durchschnittswert zu erhalten, ist es natürlich notwendig, mit dieser Härte-
prüfung mehrere Stellen der Himholzfläche zu treffen ; zweckmäßig wird man diese
Einzelprüfungen der Häi-te in regelmäßiger Anordnung auf die ganze Ouerfläche
verteilen (siehe Fig. 3). Es ist klar, daß diese Härteprüfungsmethode des Holzes zwar
der allgemeinen Definition der Härte entspricht, aber mit keiner Beanspruchungs-
weise auf Härte durch die verschiedenen schneidenden Werkzeuge vergleichbar oder
ähnlich ist; die damit erhaltene Härte stellt also gleichsam eine neutrale Härte dar.
Die Härte des Holzes ist abhängig von der Holzart, innerhalb derselben Holzart
aber vom Feuchtigkeitsgehalte und vom spezifischen Gewichte, in der Art, daß bei
gleichem Feuchtigkeitsgehalte das spezifisch schwerere, bei gleichem spezifischen
(Trocken-) Gewichte das trockenere Holz die größere Härte besitzt. Während aber
die Abnahme der Härte vom lufttrockenen zum wassergetränkten Zustande des Holzes
1) Zur Bestimmung der Holztiärten. Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen 1904.
2) „Die Härte des Holzes". Zentralblatt für das gesamte Forstwesen 1906, und „Ueber
Holzhärteprüfung" ebendaselbst, 1908.
438
IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
tu
pr
5i
CO
£?
?
»
9
S
o
a Q ct ^ o ^,
pr ^ PT* ^ ?r e-*
CD c e» 2 CT) '
»^ CT '^ -■
M O cß O ^
« £.£.£.=
= C 3
CD P ro f^ "^
3 7 3
o £" 3 5 3 c 3
g. c n 3 g- p M
Q C S 5 ro I ^
37-373
O cfi C 3 O
000^2.
CD C CO (^ CD
3 V 3 7 S
3
p
b
3
^ h- y
.0 t—
H
B
s
CD
CD
N
X
0
<
OT
<
0
3
•^
w
C5 o
K
O C fD C^ C
S c* 3 *^ 3
C" E. -^ -■ ^
c ^ ö = ö ;
?r -- TT ^ ^. ,
CD c ro fc o
o j^. ö B c :
o o ^ 3 f^ '
fB c c^ Q ra
3 ra 7 3
^ -3 tP-
*- Ci H-
M
o>^
0
ro ^ CD CD
»
CD
3-
zi-
hes
icht
r? 0
„K-S T
ö CD ;2- C
CR
-"T^
ra"
=!
K
E «■
*lö
0
c
0
Q
c-^
Härte. § 45. 439
eine bedeutende ist, ist die Zunahme dieser Eigenschaft vorn hifttrockenen zum ab-
soluttrockenen Zustande nur eine sehr geringe. Dieses Gesetz der .\biiängigkeit der
Härte vom Feuchtigkeitsgehalte des Holzes ist für einige unserer wichtigsten Holz-
arten aus der nachstehenden Tabelle zu ersehen; die je in 4 verschiedenen Feuchtig-
keitsstadien geprüften Hölzer stellen natürlich für jede einzelne Holzart vollkommen
gleiches Holzmaterial dar.
(Siehe Tabelle Seite 438.)
Der Quotient ts ^-n: ( — 1 ist bei den Nadelhölzern kleiner als der Quotient
^ spez.GewichtV s / ^
i-, — 7^ '^ ■ , . ( — ), während sich diese beiden Quotienten bei den Laubhölzern
spezif. Gewicht \s '
umgekehrt verhalten, woraus sich die Folgerung ergibt, daß die Nadelhölzer geeig-
neter sind für Bauzwecke, bei denen es auf größtmögliche Festigkeit bei möglichst
geringem spezifischen Gewichte ankommt, während die Laubhölzer wiederum ge-
eigneter sind für die Verwendung als Zeug- und Möbelholz, wozu wegen der geringeren
Abnützbarkeit die größere Härte, wenn auch mit höherem spez. Gewichte verbunden,
mehr geschätzt wird als die Festigkeit.
Bei Nadelholzbäumen, welche wegen Freistandes einem ständigen Anpralle des
Windes ausgesetzt sind, bildet sich an der dem ^^'inde abgewandten Seite des Stammes
ein Holz aus, das bei größerer Ringbreite breite Rotholzzonen entwickelt; diese breit-
ringige Seite des Stammes heißt bei den Holzarbeitern ,,h a r t e" Seite, die dem Winde
ausgesetzte, schmalringige Seite ,,w eich e" Seite; es wurde von .Janka durch exakte
Härteprüfungen nachgewiesen, daß diese Bezeichnungen der Holzarbeiter tatsächlich
vollkommen berechtigt sind, indem die harte Seite wirklich die größere Härte auf-
weist als die weiche Seite, wenn auch die Druckfestigkeit des Holzes dieser beiden
Stammseiten sich umgekehrt verhält, die harte Seite also mit einer geringeren, die
weiche Seite mit einer größeren Druckfestigkeit verbunden ist.
Im allgemeinen steigt innerhalb einer und derselben Holzart bei gleichem
Feuchtigkeitsgehalt die Här^e mit dem Wachsen des spezifischen Gewichtes an; da
aber auch die übrigen Festigkeitseigenschaften, der Elastizitäts-, Trag- und Bruch-
modul der Druck- und Biegungsfestigkeit mit steigendem spezifischen Gewichte an-
steigen, so ist die Härteprobe geeignet, über die technische Qualität eines Holzmaterials
einen ziemlich verläßlichen Aufschluß zu geben, wie dies die nachstehende Tabelle XVH
bezüglich der Qualität des Fichtenholzes dartut. Die in dieser Tabelle aufgeführten
Fichtenhölzer verschiedener Qualität sind in Fig. 3 auch bildlich dargestellt.
(Siehe Tabelle Seite 440.)
Was die Beziehungen der Härteeigenschaft zum Jahrringbaue des Holzes an-
belangt, so gilt diesbezüglich das schon bei der Erörterung der Festigkeitseigenschaf-
ten Gesagte: Die Härte ist von der Jahrringbreite direkt nicht abhängig, sie wird
vielmehr durch das Verhältnis beeinflußt, in welchem bei einer gegebenen Probe das
Spätholz zum Frühholze steht.
Die Härte der Hölzer überhaupt variiert nach den Ergebnissen der Härte-
prüfungen mittels der Jankaschen Kugeldruckmethode zwischen 200 (Paulownie)
und etwa 2000 kg/cm- (Grenadillholz); unsere härtesten europäischen Holzarten
dürften kaum über 1000 kg/cm^ Härte haben; höhere Härtegrade weisen viele exo-
tische Holzarten von hohem spezif. Gewichte auf. Wenn nun auch die Härteeigen-
schaft verschiedener Holzarten nicht immer mit dem spezifischen Gewichte derselben
in genauem Einklang steht, so läßt sich doch im allgemeinen behaupten, daß ein Holz
440
IX A. Exner, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
Abhängigkeit der Härte
Tabelle XVII.
des Fichtenholzes
Gewichte.
vom spezifischen
2
o
'S
El
ja
ac
c
'g
«
1-3
Spezifisches
Gewicht
Biegungs- Elastizität
und -Festigkeit
Druck-Elastizität
und -Festigkeit
e
o
o
tH
a
1
Ö
o
m
•3
g
o
1
9
u
.2|£,
WS
p
CD
k! —
;!■§
r
3
o
e
<s
cc'S
öo-r;
äs
.2» 2
11 1
'S -5
•r o
3
'S
o
a
u
2
H
Druckfestigkeit
■a
S
S
3
2
.11
_3
a
Sc
3
mm
lOOfach
mm
t/cm^
kg/cm"
t/cm
mm 1 t/cm*
kg/cmS
kg/cm*
kg/cm2
1
3.70
31.4
34.7
9.69
87.1
331
487
2.97
0.0192 94.5
217
282
309
523
168
2
2.33
33.6
36.4
9.01
93.4
332
543
6.03
0.0138 95.5
184
317
332
579
197
3
8.17
35.6
39.4
8.27
102.2
392
570
4.15
0.0176
112.2
237
356
336
629
213
4
1.61
37.7
40.7
6.78
124.4
423
595
3.25
0.0199
120.4
228
386
403
709
206
5
3.41
39.9
42.5
7.17
117.5 402
664
7.51
0.0140
128.6
333
374
406
738
237
6
1.54
41.1
44.2
6.94
121.9
419
742
9.80
0.0161
140.8
375
449
418
773
247
7
2.10
44.6
47.3
6.10
138.4
477
781
6.64
0.0130
148.7
252
437
484
861
311
8
1.27
47.7
50.4
5.95
141.8
509
835
10.71
0.0135
167.3
349
481
534
957
324
9
1.01
51.2
53.5
5.63
150.3
520
871
12.16
0.0168
171.4
259
460
573
1053
341
(Erklärung zur untenstehenden Fig. 3.)
Fig. 3.
Ansicht der Querschnittsflächen von
F i c h t e n li ö 1 z c r n
auf Härte geprüften
Härte. § 45. 44I
um so härter ist, je schwerer es ist — , immer unter Voraussetzung gleichen Feuchtig-
keitsgehaltes.
Mit Hilfe der oben auseinandergesetzten Prüfungsinethode und unter Berück-
sichtigung der auf die Härteeigenschaft Einfluß nehmenden physikalischen Eigen-
schaften des Holzes unterliegt die Aufstellung einer Härteskala, die nicht auf un-
zuverlässigen Angaben und dem Gefühle der Holzarbeiter beruht, sondern auf Grund
von exakten Härteprüfungen aufgebaut ist, keiner weiteren Schwierigkeit; nur sind
diese Untersuchungen an den verschiedenen Holzarten noch nicht durchgeführt.
Solange wir aber eine derartige exakte Härteskala der Hölzer nicht besitzen, bleibt
nichts anderes übrig, als dieselben in der von Nördlinger, Gayer, Möller u. a. ange-
gebenen Weise bezüglich ihres Härtegrades zu gruppieren, wie dies in der nachfolgen-
den Reihe geschehen ist^).
I. Sehr hart: Pockholz, Grenadill, Quebracho, Korallenholz, Ebenholz,
Veilchenholz, Buchsbaum, Partridgeholz, Rainweide, Steineiche, (Quercus Hex),
Sauerdom, Kornelkirsche, Hartriegel, Heckenkirsche, Weißdom, Schlehe, Mandel-
baum, Gleditschie, Syringe.
n. H a r t: Hickory, Akazie (Robinie), Weißbuche, Oelbaum, Palisander, Stech-
palme, Maulbeerbaum, Zürgelbaum, Zwetschge, Wildkirsche, Mehlbeere, Holunder,
Rotbuche, Eiche, Zerreiche, Esche, Ahorn, Goldregen, Sperberbaum, Kreuzdom,
Mahagoni, Schwarznuß, Walnuß, Apfelbaum, Birnbaum, Eibe.
HI. Mittelhart: Teakholz, Eisbeere, Platane, Ulme, Edelkastanie, Götter-
baum, Tulpenbaum, Pitchpine, Legföhre, Vogelbeere, Traubenkirsche.
IV. Weich: Lärche, Douglastanne, Birke, Erle, Roßkastanie, Hasel, Schwarz-
föhre, Weißföhre, Fichte, Tanne, Wacholder, Zypresse, Lebensbaum, Faulbeerbaum,
Salweide.
V. Sehr weich: Aspe. Zirbelkiefer, Weymouthskiefer, Weiden, Pappeln,
Linde, Paulownie.
Nördlinger hat in seinem bekannten Werke eine Reihe von Beobachtungen
über das Verhalten verschiedener Hölzer diversen Werkzeugen gegenüber veröffent-
licht. Dieser Teil der Nördlingerschen Arbeit ist aber bis heute eine fast völlig ver-
einzelte Anregung geblieben.
Die unter der Führung Ernst Hartigs unternommenen Studien über den
Kraftverbrauch und die Arbeitsleistung gewisser Werkzeugsmaschinen
\\'ürden eher noch als die Nördlingerschen Versuche einen sicheren Rückschluß auf
die Schnittfestigkeit der Hölzer gestatten. Exner hat eine Reihe von Arbeiten in
Verfolgung des von Ernst Hartig gezeigten Weges bezüglich der Werkzeugsmaschinen
für Holzbearbeitung durchgeführt; er hatte dabei aber weniger die Arbeitseigenschaft
der Schnittfestigkeit als den Wirkungsgrad der Holzbearbeitungsmaschinen und den
Zusammenhang derselben mit ihrer Konstruktion im Auge; immerhin waren aber
diese experimentellen Forschungen geeignet, die Ueberzeugung zu reifen, daß man
nur auf diesem Wege zu einer genaueren Kenntnis der durchschnittlichen Härte
eines bestimmten Bearbeitungsmateriales gelangen könne ^].
» *
Ueberblicken wir den ganzen an dieser Stelle abgehandelten Stoff, so können
wir uns dem Gedanken nicht verschließen, daß dem Leser je nach seiner speziellen
1) Härteskala der Hölzer in den „Besonderen Bedingungen für den Handel In Holz an der
Wiener Börse".
2) Werkzeuge und Maschinen zur Holzbearbeitung von W. F. E x-
ner. II. Band, Handsägen und Sägemaschinen, dynamischer Teil 1881. 111. Band von Carl
Pf äff 1883. Weimar, B. F. Voigt.
442 IX A. E X n e r, Die technischen Eigenschaften der Hölzer.
Berufsrichtung unsere Darstellung als mehr oder weniger lückenhaft erscheinen muß.
Der eine wird die Erörterung der „Dauerhaftigkeit", der andere die Abhandlung der
„Qualität" des Holzes im allgemeinen, ein dritter die Besprechung der ,, Fehler und
Krankheiten" vermissen ; dem einen wird zu wenig positives Material, dem
andern zu wenig Reflexion oder Konklusion geboten worden sein ; wir
selbst jedoch betrachten unsere Abhandlung nur als den Versuch einer M a r k i e-
rungderinderforsttechnischen, mechanisch -technischen
undtechnologischenForschungundLiteratur betretenen
Wege für die Erprobung des Holzes als Grundlage der gewerblichen und industriellen
Produktion.
443
IX.
Die F o r s t b e n u t z u n g.
B. Die H a u p 1 11 u t z LI n g').
(Ernte, Verwertung und Aufbewahrung von Holz und Rinde.
Von
Hermann Stoetzer.
Für die 3. Auflage bearbeitet von C ti r i s t o p h Wagner.
Literatur. Gay er: Die Forstbenutzung. 1. Auflage 1863, 10. Auflage 1909, bear-
beitet von M a y r. — König: Die Forstbenutzung. Ein Nachlaß, bearbeitet und herausgegeben
von G r e b e. 3. Auflage. 1882. (1. Auflage 1851). — Heß: Die Forstbenutzung. Ein Grundriß
zu Vorlesungen mit zahlreichen Literaturnachweisen. 2. Auflage. 1901 (1. Auflage 1876). —
H u f n a g 1: Handbuch der kaufmännischen Holzverwertung 1905, 3. Auflage. 1910.
Einleitung.
Die Nutzung der Erzeugnisse des Waldes stellt ohne Zweifel die früheste Form
forstwirtschaftlicher Tätigkeit des Menschen im Walde dar. Lange bevor man für
einen regelmäßigen Ersatz der dem Walde entnommenen Stoffe durch waldbauliche
Maßregeln Sorge zu tragen begann, hatte eine, wenn auch von Hause aus ziemlich
planlose Benutzung der Wälder zur Befriedigung der fühlbaren Bedürfnisse der
Menschen Platz gegriffen. Dies ging an, so lange die Walderzeugnisse in beliebiger,
jedenfalls aber ausreichender Menge vorhanden und daher mehr oder weniger wert-
los waren.
Mit der Verschlechterung des Zustandes der Waldungen, die eine solche ungeord-
nete Benutzungsweise mit sich brachte, sowie mit der Vermehrung der Ansprüche,
1) Hauptnutzung, im Gegensatz zur Nebennutzung, (nicht zur Zwischennutzung),
deckt sich nicht mit Holznutzung, sondern umfaßt alle Nutzungen, die durch Weg-
nahme vonBäumen erhoben werden. Damit fällt neben der Gewinnung des Holzes
auch diejenige der R i n d e unter die Hauptnutzung. Die Rindennutzung darf nicht, wie meist
geschieht, unter die Nebennutzungen gerechnet werden, denn Rinde fällt immer nut an, wo Haupt-
nutzung erhoben wird, und bildet dabei nicht selten einen wichtigen, ja beim Eichenschälwald den
wichtigsten Nutzungsgegenstand. Dazu bleibt sie meist mit dem Holze vereinigt, wird nut ihm
vermessen, gebucht, verwertet und z. T. verbraucht (Brennholz).
4^ IX B. Stoetzer, Forstbenutzung.
die an den Wald von seilen der zunehmenden Bevölkerung gestellt wurden, mußte
nach und nach ein Umschwung in der Benutzung eintreten. An Stelle eines Zustands
sorgloser Holzverschwendung trat die Furcht vor Holznot. Hieraus, sowie aus
dem mehr und mehr in den Vordergrund tretenden Bestreben der Waldbesitzer,
ihre Forste zu einer Einnahmequelle von hoher Bedeutung zu machen und die Ein-
künfte aus denselben zu heben, entsprang die Notwendigkeit, die Benutzung der
Waldungen eigenen Forstverwaltungsorganen zu überweisen, und so bildeten sich
nach und nach die Regeln und Grundsätze für Gewinnung und Verwertung der Forst-
produkte zu einer eigenen Disziplin, zu der Lehre von der Forstbenut-
zung aus.
An Stelle der ursprünglich reinen Okkupation von Naturerzeugnissen ohne
weitere Waldpflege und Nachhaltigkeit trat schließlich eine geordnete Forstbenut-
zung mit folgenden Rücksichten und Aufgaben:
1. der Sichemng nachhaltiger, d. h. gleichmäßig fortdauernder Holzlieferung
aus dem Walde — einer walderhaltenden, waldpfleglichen,
ja waldfördernden Ernte,
2. der Erzielung technisch wertvollster Produkte, daher zweckmäßigster
Aufbereitung und Behandlung — eines Zerlegens in transportable Formen
und Dimensionen, in Stücke mit möglichst vielseitiger Verwendbarkeit; der
Sorge für Erhaltung bester Qualität,
3. der Erhöhung der Waldrente, daher billigster Ernte und bester Ver\vertung
der Produkte — einer Anwendung waldpfleglichster und dabei billigster
Erntemethodemand der Sorge dafür, die Erzeugnisse denjenigen Verwendungs-
arten zuzuführen, für die sie sich am meisten eignen und für die sie daher
am höchsten geschätzt werden.
Nach der Einteilung des Handbuches der Forstwissenschaft wurden die tech-
nischen Eigenschaften der Hölzer in einem besonderen vorhergehenden Abschnitt
bereits besprochen; es bleibt uns daher in der Darstellung der Forstbenutzungslehre
die Aufgabe, dem Leser die Lehren von der Hauptnutzung und von den Neben-
nutzungen vorzuführen. Der vorliegende Abschnitt wird sich auf die Darstellung
der Hauptnutzung beschränken. Dabei werden wir zunächst eine kurze Uebersicht
über die V e r w e n d u n g d e r Hölzer darzubieten haben, an die wir alsdann
die Lehren von der Ernte und von der Verwertung anschließen werden.
Dem Abschnitt über die Hauptnutzung wird ein solcher über die Neben-
nutzungen unmittelbar folgen. Eine gemeinsame Behandlung von Haupt- und
Nebennutzungen erschien nicht erforderlich, da ja beide, sobald die Rindennutzung
zur Hauptnutzung gezählt wird, in keinem unmittelbaren Zusammenhange zuein-
ander stehen.
Uebrigens ist das Verhältnis der Hauptnutzung zu den Ne-
bennutzungen im rationellen Forstbetriebe gekennzeichnet durch eine grund-
sätzliche Unterordnung der Nebennutzungen unter die Hauptnutzung; d. h. im
intensiven Forstbetriebe darf die erstere durch die letzteren nicht beeinträchtigt
werden.
I. Verwendung des Holzes und der Rinde.
§L Allgemeines. Um mit Erfolg die sorgfältigste Ausnutzung der
Forstprodukte anordnen, leiten und überwachen zu können, muß der Forstmann vor
allem über die Zwecke, zu denen dieselben in den verschiedenen Gewerben seines
Absatzgebietes Verwendung finden, genau unterrichtet sein. Die meiste Rücksicht
Verwendung des Holzes und der Rinde. S 2.
445
verdient in dieser Hinsicht das Hauptprodukt der Wälder, das Holz. Die Ver-
wendung desselben ist eine überaus mannigfaltige, es bildet ein für viele Zwecke
geradezu unentbehrliches Hilfsmaterial und dient zur Befriedigung der ersten und
wichtigsten Bedürfnisse der Menschen. Wir haben dasselbe nicht nur zur Herstellung
unserer Wohnungen und zur Heizung und Erwärmung nötig, sondern in noch höherem
Umfang zu technischen Zwecken in den verschiedensten Gewerben und Industrien.
Je nach diesen Verwendungszwecken unterscheiden wir vor allem zwischen dem
Nutzholz und dem Brennholz.
Die höheren Ansprüche, die an Form und innere Eigenschaften des Nutzholzes
gestellt werden und die ausgedehntere Verwendbarkeit, die sich aus letzteren ergibt,
bedingen in der Regel dem Brennholz gegenüber einen erheblich höheren Preis des
Nutzholzes insofern nicht alles Holz, das noch recht gut zu Brennholz tauglich ist, die
zu Nutzholz erforderlichen Dimensionen und Eigenschaften besitzt. Um so mehr
wird der Forstmann daher die Rente der seiner Leitung anvertrauten Waldungen
zu heben imstande sein, je eingehender er sich bemüht, die Schlagergebnisse in mög-
lichst ausgedehnter Weise als Nutzholz aufarbeiten zu lassen und zu verwerten.
In den meisten Fällen wird die Forstverwaltung sich darauf beschränken, das
rohe Holz in den vom Verkehr am meisten begehrten Formen und Sorten den Käu-
fern darzubieten ; nur in seltenen Fällen wird derselben die Aufgabe zufallen, eine ins
feinere gehende Bearbeitung desselben im Walde selbst vornehmen zu lassen.
Die gewöhnlichsten Verwendungsarten des Nutzholzes sind : Die Venvendung
zum Hochbau (Häuserbau), Schiffsbau, Bergbau (Grubenholz), E r d-.
Brücken- und Wasserbau, in den Werkstätten (Küfer und andere
Spaltwarengewerbe, Schreiner, Glaser, Wagner usw.), zum Maschinenbau
(Werkholz), zur Papierfabrikation und in der Landwirtschaft.
Es ist unmöglich, in unserer gedrängten Darstellung mehr als eine kurze Ueber-
sicht des gewöhnlichen Bedarfs zu geben, zumal örtlich die Anforderungen sehr
verschieden sind. Es ist deshalb eine wichtige Aufgabe des Forstmanns, die ganz
besonders betont werden muß, daß er allein seinem Bezirk befind-
lichen Gewerbe und Industrien, die Holz verbrauchen,
kennen lernt, allen Nachfragen tunlichst auf den Grund
geht und sich so viel als möglich durch eigene Anschau-
ung und spezielle Erkundigung unterrichtet ; denn seinen Abnehmern
gegenüber ist er Kaufmann.
§ 2. Bauholz. Die zum Bau von Häusern erforderlichen Konstruktions-
hölzer werden je nach dem Umfang der Bauwerke und deren einzelnen Teile in ver-
schiedenen Dimensionen begehrt. Da diese Hölzer nicht in rundem, sondern in be-
schlagenem Zustande verwendet werden, so ist es von Bedeutung, daß die ver\vendeten
Stämme nicht zu viel Abfall, d. h. keine allzu große Differenz zwischen oberem und
unterem Durchmesser aufweisen, vielmehr recht vollholzig sind, weil auf diese Weise
bei gleichem Kubikinhalt des Rundholzes stärkere Balken gewonnen werden
können.
Man unterscheidet scharfkantiges Bauholz, das einen regelmäßigen
vierseitigen (quadratischen oder rechteckigen) Querschnitt haben muß, und w a 1 d-,
w ahn-, r u n d- oder schalkantiges Bauholz, bei dem statt der scharfen
Kanten des vorigen schmale Rundholzbänder als Kreisabschnitte in den Ecken des
Querschnittes vorhanden sind. — Die letztere Form gestattet eine weit vorteilhaf-
tere Ausnutzung der Stämme und bedingt einen geringeren Verlust an abfallenden
Spänen und Schwarten. Mit noch geringerem Verlust ist das Berappen der Hölzer
446 IX B. Stoetzer, Forslbenutzung.
verbunden; solche berappte Holzstücke sind an vier Seiten leicht behauen, gewöhn-
lich doppelt so breit als die gebliebene Rindenkante.
Der zweckmäßigste Querschnitt eines wagrecht verlegten, also auf seine Trag-
kraft in Anspruch genommenen Balkens ist nicht der quadratische, sondern
der rechteckige, insofern bei gleicher Ouerschnittsfläche die Tragkraft des recht-
eckig geschnittenen Balkens eine erheblich größere ist als die des quadratischen.
Die tragkräftigste Rechtecksform im Kreise, oder der stärkste scharfkantige Balken,
dessen Breite = b, dessen Höhe = h, wird aus einem Stamme erhalten, wenn die
Breite zur Höhe sich verhält wie 1 : 1/2, annähernd wie 5 : 7, wobei das Produkt
b. h^ seinen Höchstbetrag erreicht.
Die Bauhölzer erhalten ihre Bearbeitung ent\\eder durch das Beschlagen
oder Bezimmern von Hand durch den Zimmennann, wobei der Abfall in die Späne
geht, oder durch das Besagen (Besäumen) mit Hilfe von Sägmaschinen auf der Säg-
mühle.
Die älteste Konstruktionsform der Gebäude ist ohne Zweifel der Block-
h a u s b a u, bei dem die Wände und Dächer ausschließlich aus Holz hergestellt
werden ; man findet denselben heute noch in den Alpen, sowie in waldreichen Gegen-
den des deutschen Ostens im Gebrauch ; er ist durch größten Holzbedarf
gekennzeichnet, denn die \^'ände sind bei ihm ausschließlich durch Balken gebildet,
die aufeinander gelegt und verzapft werden.
Die nächst höhere Stufe ist der F a c h w e r k s b a u ; er bedeutet, was Holz-
ersparnis anlangt, schon einen Fortschritt. Die Wände werden hier durch Holzwerk
in Fache eingeteilt, die mit Backsteinen oder Bruchsteinen ausgemauert, oder mit
Lehm ausgefüllt, wohl auch mit schwächerem Holze ausgesetzt werden.
]Mit der zunehmenden Steigerung der Holzpreise ist man vielen Ortes, insbe-
sondere in Städten, zum S t e i n- o d e r M a s s i v b a u, als der höchsten Stufe des
Hochbaus, übergegangen, bei der dieser sich bezüglich der Verwendung von
Holz auf die Konstruktion der Decken und des Daches und die innere Ausrüstung
der Gebäude (Treppen, Täfelungen, Fußböden, Türen, Fenster usw.) beschränkt.
Man unterscheidet bei dem zum Hausbau erforderlichen Bauholz folgende
Sorten: Schwellen, die im untersten Stockwerke auf der Grundmauer als Unter-
lage des Gebäudes (Grundschwellen), im übrigen als Unterlagen der höheren Stock-
werke über den Wänden des Gebäudes (Saum- oder Brustschwellen) ihren Platz finden.
Grundschwellen werden in Dimensionen von 20 — 25 cm Kante verwendet und müssen,
da sie, auf Stein liegend, den Einwirkungen der Grundfeuchtigkeit am meisten aus-
gesetzt sind, aus besonders dauerhaftem Holze, am besten aus Eichenholz,
hergestellt werden. Saum- oder Brustschwellen nimmt man von 16 — 20 cm Beschlag-
stärke. Säulen kommen zunächst an die vier Ecken eines Gebäudes (Ecksäulen),
außerdem an alle Türen, sowie in angemessenen Zwischenräumen (etwa P/4 — 1 ?2 m)
innerhalb der Wände. Sie werden in die Grundschwellen eingezapft. — Auch zu den
Ecksäulen verwendet man vielfach Eichenholz.
Auf die Kopf teile der Säulen werden die Rahmen aufgezapft; man unter-
scheidet D a c h r a h m e n beim obersten Stockwerk unterhalb des Daches, Wand-
rahmen bei den tieferen Stockwerken. Jede Wand erhält einen Rahmen.
Zwischen Säulen von weiter Entfernung, sowie an den Ecken der Gebäude
bringt man Winkelbänder oder S t r e b e n an, d.h. Bauhölzer, die in
schräger Stellung von der Schwelle bis zum Rahmen reichen.
Außerdem werden, um die zwischen den Säulen und Streben entstehenden
Zwischenräume in kleinere Fache zu teilen, die Säulen unter sich durch wagrecht
Vcnvciuliiiig des Holzes und der Hindo.
447
angebrachte Riegel liülzer verbunden. Bei hohen Stoclvwerken hat man
zweimalige Verriegelung.
Zu den Streben und Riegeln genügt schwächeres Holz; man verwendet meist
Nadelholz mit einer Beschlagstärke von 10 — 12 cm.
Die Balken werden quer über die senkrechten Wände vvagrecht auf die
Wandrahmen aufgelegt; ihre Länge entspricht der Tiefe des Gebäudes. Da sie
die auf ihnen liegenden Decken zu tragen haben, so müssen sie rechteckigen Quer-
schnitt besitzen und „auf die hohe Kante gelegt" werden; auch ist eine ausreichende
Stärke erforderlich (bei langen Balken rechnet man 25/30, bei kürzeren 20/25 Zenti-
meter Beschlag).
Ueber jede Säule in der Längenwand kommt ein solcher Balken zu
liegen. f
Zur Unterstützung der Balken verwendet man bisweilen noch die Träger
oder Durchzüge, die parallel mit der Längsseite des Gebäudes quer unter den
Balken aufliegen. Sie werden von ähnlicher Beschaffenheit und von gleichen Dimen-
sionen wie diese genommen.
Die oberste Balkenlage dient nun zum Tragen des D a c h s t u h 1 s und der
Sparren; ersterer wird beim Massivbau auf sog. ,, Mauerlatten" aufgelegt. „Spar-
ren" sind die schräg liegenden Hölzer, welche die Fläche des Daches bilden. Bei
kleineren Dächeni stellt man die Sparren bloß unten auf die Balken auf und stemmt
je zwei sich gegenüberstehende oben aneinander an; bei größeren Dächern werden die
Sparren, damit sie sich nicht biegen, zwei- bis dreimal je nach ihrer Länge auf quer
unter denselben, also der Länge des Daches nach liegende Hölzer, die ,,R ahme n"
oder ,,D a c h r u t e n" gelegt, welch letztere wiederum auf Säulen ruhen. Diese
Rahmen und Säulen bilden den D a c h s t u h 1. Die Säulen und Dachruten werden
unter sich noch durch sogenannte Binder verbunden. Je zwei einander gegenüber-
stehende Säulen verbindet man durch ,,K e h 1 b a 1 k e n", auf welche Weise der
Dachraum in zwei Stockwerke zerlegt wird.
Dachsparren erhalten Stärken von 13 — 17 cm; Dachruten werden etwas stärker
genommen, und Dachsäulen erhalten eine Stärke von etwa 20 cm.
Auf künstliche Konstruktionen, wie sie beim Bau größerer Häuser, insbesondere
solcher, welche beträchtliche Säle enthalten, nötig werden, z. B. Hänge- und Spreng-
werke, gehen wir nicht ein, da dieselben ohne Zeichnung nicht gut verdeutlicht werden
können.
Beim Massivbau kommt von den vorstehend beschriebenen Sortimenten nur
derjenige Teil vor, der zum Dachwerk und zur Herstellung der Innenwände und Decken
erforderlich ist.
Ein gewisser Holzverbrauch beim Häuserbau, besonders beim Massivbau,
findet noch statt durch Anbringung der sog. Baugerüste, die aus den senkrecht ge-
stellten Gerüststämmen, den wagrecht an diese angebundenen Streck-
hölzern und den wiederum rechtwinkelig zu diesen wagrecht mit dem Bau sich
verbindenden Schlußriegeln bestehen. Auf letztere wird ein Bretterbelag auf-
gebracht, der den Werkleuten zum Standort dient. Zu diesen Baugerüsten ver-
wendet man da, wo sich das Baugewerbe höher entwickelt hat, nicht mehr wie früher
Rundholz, sondern kantig geschnittene Hölzer, die mit Schrauben untereinander
verbunden werden.
In Zeiten lebhafter Bautätigkeit ist der ^'erbrauch an Bauhölzern ein so bedeu-
tender, daß er einen sehr erheblichen Teil des gesamten Nutzholzanfalls unserer
Nadelwälder verschlingt. Die schwächeren Klassen unserer Nadelholz-Langhölzer
448 IX B. Stoetzer, Forstbenutzung.
verdanken ihre steigende Wertschätzung zum großen Teile dieser Verwendungsart
(neben der Papierfabrikation).
Die Holzmenge, die zu einem Hausbau Verwendung findet, wechselt selbst-
verständlich sehr stark je nach Dimensionen und Bauart. Ein größeres bürgerliches
Wohngebäude mit Fachwerkskonstruktion beansprucht immerhin gegen 150 fm
Rundholz. Hierbei wird Gewicht darauf gelegt, daß etwa 40 % stärkeres (von ca. 35 cm
Mittendurchmesser), gegen 30% mittelstarkes (von 30 cm Durchmesser), 20% schwa-
ches Holz (von 25 cm Durchmesser) vorhanden sei, und nur 10% der schwächsten
Sorte (von 18 — 20 cm Stärke). Der Fachwerkbau ist in der neueren Zeit mehr und
mehr durch den Massivbau ersetzt worden und ist eigentlich nur noch auf dem Lande,
sowie in kleineren Städten in Anwendung, Der Bedarf an stärkerem Bauholz, das
zudem vielfach durch Eisen (Träger) ersetzt wird, ist infolgedessen gegenüber der
Verwendung mittlerer und schwächerer Hölzer geringer geworden.
Man verlangt vom Bauholz vor allem einen geraden, schlanken, möglichst
vollholzigen Wuchs, nicht zu viele Aeste, weil letztere die Tragkraft beeinträchtigen
und die Bearbeitung erschweren. Das Holz muß femer vollkommen gesund und darf
nicht drehwüchsig sein.
Man kann annehmen, daß ausgewachsenes Holz zum Bauen am besten ist,
da das junge Holz niemals so fest und dauerhaft sein wird, als dieses; altes, über-
ständiges Holz besitzt wiederum nicht den erforderlichen Grad von Elastizität.
Holz, das zu Balken bestimmt ist und einen möglichst hohen Grad von Trag-
fähigkeit haben soll, nimmt man lieber vom Stammende als von Gipfelstücken.
Engringiges, langsam im Schluß erzogenes Nadelholz gibt nach der allgemeinen
Annahme ein haltbareres Bauholz als solches, das üppig mit breiten Jahrringen
erwachsen ist.
Das Material zu den Bauhölzern liefern vorwiegend die Nadelhölzer,
insbesondere Fichte, Tanne, Kiefer, Lärche. — Zu den Grundschwellen und Eck-
säulen, die am meisten dem Eindringen der Feuchtigkeit ausgesetzt sind, verwendet
man in der Absicht, größte Festigkeit und Dauer zu erhalten, gerne Eichenholz,
wo solches noch zu mäßigen Preisen zu haben ist. In Nadelholzgegenden jedoch
findet meist ausschließlich nur Nadelholz Verwendung.
Unter diesem wird ausgewachsenes kerniges Kiefernholz zu Schwellen und
Säulen, ähnlich dem Eichenholz, vor der Fichte den Vorzug verdienen. Zu Schwellen
sowie zu allen Verwendungen in dunstigen Räumen wird auch Tannenholz verwendet,
da es gegen Feuchtigkeit weniger empfindlich ist. Zu Balkenholz, bei dem es auf
einen möglichst hohen Grad von Tragkraft ankommt, wird hingegen die Weißtanne,
(wenigstens örtlich, so z. B. in manchen Gegenden Thüringens) zurückgesetzt. Auch
nach Bausc hinger (Mitteilungen aus dem mechanisch-technischen Laborato-
rium der Königl. Technischen Hochschule in München) ist die Tragkraft der Weißtanne
geringer als diejenige von Kiefer und Fichte. Im übrigen wird Kiefernholz in Kiefern-
gegenden gegenüber dem Fichtenholz meist bevorzugt ^). Zugunsten der Fichte macht
sich ihr gerader Wuchs (Schnürigkeit), sowie die große Vollholzigkeit der im Bestandes-
schluß erwachsenen Stämme geltend.
Ein sehr dauerhaftes Bauholz ist das L ä r c h e n h o 1 z; man findet in manchen
Gegenden, z. B. in Schlesien, der Schweiz und Tirol, uralte, aus Lärchenholz errichtete
Gebäude, die sich ganz vorzüglich gehalten haben. Doch finden sich auch weniger
1) Interessante Untersuchungen über die Wert-, bez. Preisverhältnisse verschiedener Nadel-
hölzer finden sich in dem Referat von N e y , erstaltet auf der XIII. Versammlung deutscher
Forstmänner zu Frankfurt a. M. 1884 (cf. Protokoll S. 111 ff.).
Verwendung des Holzes und der Rinde. § 2. 449
günstige Urteile, z. B. liinsichtlich der Neigung des Lärclienholzes, sinh noch längere
Zeit nach der Verbauung zai drehen, was wohl bei exzentrischem Wüchse vorkommen
kann (Bericht über die 28. Versammlung Thüringer Forstwirte in Coburg 1901).
Der Weymouthskiefer macht man den \'orwiirf einer gewissen Sprödigkeit
und mangelnder Tragkraft; dagegen ist ihre Dauer infolge des Harzgohaltes eine große.
Die Verwendung ausländischer Nadelhölzer, z. B. des sehr dauerhaften Pitch-
pine-Holzes (von pinus taeda und palustris aus Süd-Karolina herrührend) beschränkt
sich auf die innere Ausrüstung der Gebäude (Fußböden, Getäfel).
Zu Riegelholz und schwachen Sparren verwendet man wohl auch Aspen-
holz; die edleren Laubhölzer, Ahorn, Esche, Ulme stehen vermöge ihrer Verwen-
dungsfähigkeit zu vielen anderen Zwecken zu hoch im Preis, als daß sie zu Bauholz
gebraucht werden könnten.
Die Buche ist anscheinend im eigentlichen Buchengebiet in früheren Zeiten, als
es in vielen Gegenden Deutschlands an Nadelholz noch fehlte und die Einführung
desselben durch den Mangel an Verkehrsmitteln sehr erschwert war, mehr im Gebrauch
gewesen, als dies heute der Fall ist. In alten Gebäuden findet man Buchenholz nicht
selten in einzelnen Stücken; auch liegen Nachrichten vor, nach denen dasselbe
zum Aufbau einer größeren Anzahl von Häusern im Eichsfeld (Provinz Sachsen)
verwandt \\Tirde; so ist festgestellt, daß dies im Dorfe Lenterode bei Heiligenstadt
nach Beendigung des dreißigjährigen Krieges geschehen ist; das betreffende Holz
war beim Laubausbruche gefällt worden und man hatte die Stämme im Laube liegen
lassen, bis sie durch die Belaubung ausgetrocknet waren i).
Vor einiger Zeit hat man bezüglich des Pfarrhauses zu Lengfeld, ebenfalls im
Eichsfeld gelegen, aus dem Jahr 1619 die Erbauung aus Buchenholz, mit .Ausschluß
der Schwellen, die aus Eichenholz sind, nachgewiesen und an diese Tatsache man-
cherlei Wünsche und Hoffnungen für die Zukunft der Buche hinsichtlich ihrer Ver-
wendung zu Bauzwecken angeknüpft (Zentralblatt der Bauverwaltung für 1886).
Der bauliche Zustand dieses Hauses war mit Rücksicht auf sein hohes Alter ganz aus-
gezeichnet zu nennen, das Holz hatte insbesondere wenig vom Wurmfraß gelitten.
Die Jahreszeit der Fällung des verwendeten Buchenholzes ist nicht angegeben, hinge-
gen finden sich in den Rechnungen Notizen über die Ausgaben für Beschaffung von
Salz zur ,, Beizung" von Brettern, die an einem Kirchturm verwandt wurden; an
einer andern Stelle findet sich wieder eine Notiz, nach welcher die Bretter ,, gesotten"
wurden; es scheint also eine Art von Imprägnienmg stattgefunden zu haben ^).
Ausgedehnte Nachweisungen über die Verwendung der Buche zu Bauzwecken in
der Gegend des Eichsfeldes hat Oberförster Lauprecht in Krit. Bl. 1865 geliefert.
Hier wird die Anwendung besonderer Mittel zur Erhöhung der Dauer des Buchen-
holzes entschieden geleugnet, ebenso die ausgedehntere Anwendung der Sommer-
fällung in Abrede gestellt. Zur Erhaltung der alten Gebäude hat nach Lauprecht
wesentlich beigetragen, daß das Holz nicht wie heute im Schlüsse des Hochwaldes,
sondern im weiten und lichten Stande des Mittel- und Plenterwaldes erzogen war,
daß man viel stärkeres Holz verbaute, was einen durchgehenden scharfkantigen
Beschlag gestattete, daß man Schornsteine nicht kannte, daß man die Balken nicht
mit Lehm bewarf und so dem durch das Haus sich verbreitenden Rauche freien
Zutritt zum Holze schaffte ^).
1) A. F.- u. J.-Ztg. 1865, S. 119.
2) Eine Imprägnierung von Brettern mittelst Einlegen derselben in eine durch Mischuug
von Salz und Kalklösung herzustellende Flüssigkeit wird noch heute in Frankreich zur Konser-
vierung derselben vorgenommen.
3) Vergl. den .\ufsatz von Weis e, Oe. F.-Zlg. 1886, Nr. 12.
Haudb. d. Forstwiss. 3. Aufl. II. 29
450 IX B. Stoetzer, Forstbenutzung.
Im Jahr 1864 hat die preußische Regierung die Anstellung von vergleichenden
Versuchen darüber angeordnet, welche Fällungs- Art und -Zeit zur Erhöhung der Dauer
und Gebrauchsfähigkeit des Buchenholzes am vorteilhaftesten sei ^).
Aus diesen Untersuchungen, die bis zum Jahr 1876 ausgedehnt worden sind,
hat sich ergeben, daß ein erheblicher Unterschied in der Dauer des Winterholzes im
Vergleich mit dem Saftholz nicht hei-vorgetreten ist, daß hingegen trockene Aufbe-
wahrung bei gehörigem Saftumlauf die Bewahrung der Güte des Holzes als Bau-
und Werkholz zweifellos herbeigeführt hat^).
Wir bezweifeln, daß die Verwendung des Buchenholzes zu Bauzwecken jemals
eine ausgedehnte werden wird; das geringere Gewiclit des Nadelholzes, die größere
Leichtigkeit seiner Bearbeitung, die Möglichkeit, aus den in weit längeren Stamm-
stücken zur Verfügung stehenden Nadelhölzern eine viel bessere Auswahl für die einzel-
nen Bauholzsortimente treffen zu können, weiter die besondere Sorgfalt, die dem
Buchenholz bei der Fällung und Aufbewahrung stets zuteil werden muß, wenn es
nicht stockig und rissig werden soll, dazu der an den meisten Orten biüigere Preis
der Nadelhölzer werden diesen immer das Uebergewicht in der Verwendung zu Bau-
zwecken sichern, wenn auch im eigentlichen Buchengebiet eine untergeordnete Ver-
wendung des Buchenholzes zu gewissen geringeren Sortimenten, z. B. Sparren, Riegeln,
Innenwänden immerhin möglich und ratsam sein wird.
§3. Schiffsbauholz. Der Bau hölzerner Schiffe beschränkt sich in der
neueren Zeit mehr und mehr auf die Küstenfahrzeuge und Segelschiffe, die jedoch
vielfach durch Dampfschiffe ersetzt werden. Bei diesen, insbesondere den Personen-
dampfern, sowie in der Kriegsmarine ist das Holz vollständig durch Eisen- (Stahl-)
Konstruktionen verdrängt. Doch werden wohl auch Eisenschiffe, die in die Tropen
gehen, außen noch mit Holz bekleidet, da sich dieses leichter von den anhaftenden
Seemuscheln etc. reinigen läßt. Auch wird eine Innenbekleidung von Holz wegen
Milderung der Temperaturunterschiede für zweckmäßig gehalten.
Hinsichtlich der Benützung deutscher Hölzer zum Bau des Schiffskörpers
kann fast nur gutes Eichenholz, weniger Buchenholz, in Betracht kommen, während
für Mastholz Nadelhölzer (Kiefer, Fichte und Tanne) Verwendung finden.
In Indien und auf den indischen Inseln wächst das für den Schiffsbau so vor-
zügliche Teakholz (tectonia grandis); eine weitere Bezugsquelle ausgezeichneten
Holzes hat sich seit einiger Zeit in Australien in den daselbst vorkommenden Euca-
lyptusarten (Blue gum) gefunden.
Die meisten Teile des Schiffsgerippes bestehen aus Hölzern von verschiedener
Krümmung; falls die natürlichen Holzgrößen zu gewissen Teilen nicht zureichen,
müssen dieselben gut und dauerhaft aus verschiedenen Stücken zusammengeschäftet
werden. Für die gekrümmten Hölzer verwendet man zwar gerne Stücke, die schon
von Natur krumm gewachsen sind, doch lassen sich durch heiße Wasserdämpfe auch
Stämme von sehr ansehnlicher Stärke erweichen und durch Maschinen in die gewünschte
Krümmung bringen.
Die Grundlage eines hölzernen Schiffs, gewissermaßen dessen Grundbalken,
bildet der Kiel, ein vierkantiger, rechteckiger Balken von bedeutender Stärke und
Länge (der Länge des Schiffs entsprechend), aus bestem Eichenholz oder, da er ganz
unter Wasser liegt, auch Buchenholz hergestellt, meist zusammengestückt, da Di-
mensionen bis zu 2 m Seitenkante bei schweren Schiffen vorkommen. Am Vorder-
1) Die betr. Anleitung findet sieli A. F.- u. J.-Ztg. 1865, S. 150 ff.
2) V. Alten: Versuclie und Erfahrungen mit Rotbuchen-jMutzholz etc. 1895. (Im Auftrag
des Ministers für Landwirtschaft, Domänen und Forste bearbeitet.)
Verwendung des Holzes und der Binde. § 3. 45I
ende ist als Fortsetzung der Vordersteven, schräg aufwärts gekrümmt, ange-
fügt, am hinteren Ende mehr senkrecht aufsteigend der Hintersteven.
Die Rippen erheben sich vom Kiel bis zur Höhe des Schiffsrandes und sind
meist aus drei oder mehr Teilen zusammengesetzt. Zwei gegenüberstehende Rippen
heißen Spanten. Zur Befestigung der Spanten auf dem Kiel dient das K i e 1-
s c h w e i n, ein auf dem Kiel aufliegender Balken von ähnlichen Ausmaßen, wie der
Kiel selbst; zwischen ihm und dem Kielschwein sind die unteren Enden der Rippen
eingezwängt. In das Kielschwein werden zugleich die unteren Enden der Masten ein-
gelassen.
Am vorderen Ende des Schiffes steht schräg nach außen das Bugspriet; am
hintern Ende senkrecht abwärts, in Angeln drehbar, das Steuerruder, ein starker
Balken, an dessen Ende ein breiterer Ansatz ist, der die drückende Wirkung auf das
Wasser ausübt. Mancherlei Nebenstücke müssen zur Verbindung eingefügt und ein-
gezapft werden.
Von außen und innen werden die Rippen mit den Planken benagelt; die
innere Wandung derselben dient gleichzeitig als Lager für die querüberlaufenden
Balken, die das aus Bohlen bestehende D e c k zu tragen haben. Die Deckbalken
wölben sich schwach nach oben, damit das Wasser vom Deck rasch nach den Seiten
hin ablaufen kann. Sie werden meist aus Eichenholz hergestellt, doch verwendet man
auch Nadelhölzer, z. B. Pitch-pine-Holz. Zur Befestigung der Deckbalken mit den
Planken und zur Unterstützung dienen die Kniehölzer, die jedoch vielfach
durch Eisenkniee ersetzt werden. Zur Herstellung der Decke werden nun noch
Deckplanken, zumeist aus starken Nadelholzbohlen bestehend, aufgenagelt.
Den Rand des Schiffes faßt noch eine Holzwand, welche 1 ^/i — 1% Meter hoch das
ganze Schiff umzieht, ein. Zu diesem Zwecke sind die Rippen schon entsprechend
über das Deck emporgeführt und bilden feste Pfeiler für die Holzwand, welche Bord
genannt wird.
Alles über den Schiffskörper sich erhebende und zum Tragen der Takelage
dienende Holzwerk heißt Rundholz; dasselbe scheidet sich in Masten,
Stengen und R a a e n.
Mast ist nur der unterste, dickste Teil des Ganzen; die zunehmend schwächer
werdenden Aufsätze, welche diesem Teile erst die volle Länge geben, heißen Sten-
gen; Raaen sind die an die Masten aufgehangenen Ouerbäume, welche die Segel
tragen und ausspannen. Die Masten, deren die Schiffe je nach ihrer Größe drei,
zwei oder nur einen tragen, werden aus den besten Nadelholzstämmen gezimmert,
und die größeren müssen immer gestückt werden, da es Masten von etwa 1 m Durch-
messer bei 40 — 50 m Höhe giebt. Je größer daher der Mast, um so mehr besteht er
aus künstlich zusammengesetzten Teilen. Der Zusammenhalt wird durch eine ent-
sprechende Anzahl sehr starker, eiserner Ringe vermittelt.
Auch die größten Raaen sind nicht aus einem Stücke hergestellt, sondern ähn-
lich den Masten aus Teilen zusammengesetzt.
Bei den eisernen Schiffen werden auch die Masten, wenigstens in ihren unteren
dicken Partien, aus Eisen konstruiert, indem man dieselben aus Blech röhrenförmig
herstellt, wobei dieselben, obgleich leichter als Holzmasten, doch widerstandskräfti-
ger als diese sind.
Aus der Mannigfaltigkeit der zum Schiffsbau erforderlichen Hölzer folgt, daß
der Forstmann unmöglich das zu dieser Verwendung taugliche Holz im Walde zu
passenden Sortimenten ausformen lassen kann. Eine Hauptrücksicht ist die, daß man
da, wo überhaupt auf den Absatz von Schiffsbauholz zu rechnen ist, die Stämme in
29*
4^2 IX B. Stoetzer, Forstbenutzung.
ganzen Längen liegen läßt, selbst wenn dieselben Krümmen haben ; letztere können
bisweilen den Wert eines Stückes Holz geradezu erhöhen.
Das aus Süddeutschland in großen Mengen nach dem Rhein und von da nach
Holland zu Wasser verschickte sog. Holländer Holz, starke Eichen- und Nadelholz-
stämme, wird noch vielfach zum Schiffsbau verwendet.
Es wurden früher für diese Hölzer sehr beträchtliche Preise gezahlt, die jetzt
zum Teil wesentlich gesunken sind i).
Für die F 1 u ß f a h r z e u g e, die statt des Kieles einen breiten wagrechten
Boden haben, an den die von den Kniehölzern getragenen Schiffswände im
scharfen Winkel angefügt sind, bildet die Ausformung dieser Kniehölzer ein Haupt-
augenmerk des Forstmannes. Zur Herstellung derselben wird ein in angemessenem
Winkel vom Stamm abzweigender Ast oder am Stammende von Fichten ein wagrecht
abziehender Wurzelstrang benutzt.
Während für den Bau des eigentlichen Schiffskörpers neben starkem Buchen-
holz fast ausschließlich Eichenholz in Anwendung kommt, wird zu den Balken und
Decken Nadelholz in großen Mengen verwendet. Zu den Masten und Raaen ge-
braucht man nur Nadelholz. Hierbei findet feinjähriges, gleichmäßig im Schluß ge-
wachsenes Kiefernholz die meiste Beachtung. In Mitteldeutschland werden jedoch
zu den Masten der Flußfahrzeuge auch Fichten gern genommen. Lärchenholz ist
in jeder Beziehung gleichwertig.
§ 4. Grubenholz. Man versteht hierunter alles beim Bergbau verwen-
dete Holz, welches zur Auszimmerung der Schächte und Stollen, sowie zur Anlage
von Förder- und Pumpwerken gebraucht wird.
Da das zu diesen Zwecken verwendete Holz den Einflüssen einer feuchten,
warmen und dumpfen Luft ausgesetzt ist, so müßte man eigentlich besonderes Ge-
wicht darauf legen, nur sehr haltbare Holzarten, insbesondere Eichen, zu benutzen.
Allein die große Menge des Bedarfs, sowie der bei manchen bergmännischen Anlagen
nur vorübergehende Gebrauch derselben, so z. B. kurzer Seitenstollen beim Kohlen-
bergbau, die man, nachdem die Kohle ausgebaut ist, wieder verfallen läßt, führen
dazu, daß man auch Nadelhölzer in großen Mengen benützt.
Unter diesen steht die Lärche im besten Ansehen ; der Hauptverbrauch
findet aber neben dem Eichenholz in K i e f e r n statt; da dieses Holz harzreicher ist
als Fichtenholz, so widersteht es der Fäulnis mehr als das letztere. Dazu kommt sein
meist niedrigerer Preis.
Man sieht meist auf W i n t e r fällung.
Buchen verstocken leicht und sollen den großen Fehler haben, daß sie
in gestocktem Zustande nicht, wie andere Hölzer, Warnfähigkeit besitzen, d. li. den
Bruch vorher durch Knistern anzeigen ; in frischer gesunder Beschaffenheit ist Buchen-
holz haltbar und wird auch in manchen Kohlengruben, z. B. der Saargegend, in größe-
ren Mengen auf Seitenstrecken, die rasch abgebaut werden, verbraucht.
Im ehemaligen Kurhessen soll man beobachtet haben, daß Buchenholz, das
im Frühling bis 1 m Höhe vom Boden im Stehen geschält und sodann nach dem Ab-
trocknen im Herbst gefällt wurde, sich sehr gut gehalten hat.
Als sehr brauchbar hat sich insbesondere A k a z i e n h o 1 z erwiesen, das an
1) Besonders berühmt waren die Preise für das Holländer Kiefernholz, das im Hauptsmoor
bei Bamberg gewonnen wurde. Vergl. A. F.- u. J.-Ztg. 1851, S. 151, woselbst Ergebnisse einer
Versteigerung mitgeteilt werden, aus denen sich ein Preis von 116 Mark für ein Festmeter solcher
Kiefern berechnet. Noch 1879 sind Preise von 89 M. |iro fm erzielt worden. (\'ergl. Z. f. F. u. J.
1884, S. 267).
%"cnvciuUing des Ilulzes und der Rinde. § -4. 453
Dauer der Eiche gleichkommt. Sein Anbau wird darum durch die Grubenverwal-
tungen empfohlen.
Der Verbrauch des Grubenholzes ist am stärksten in den Kohlengruben;
von dem Umfange des Bedarfs an Grubeniiolz kann man sich einen Begriff maciien,
wenn man aus D 0 n n e r, Forstliche \'erhältnisse Preußens (3. Aufl. S. 64) erfährt,
daß im Oberberajamtsbezirk Dortmund im Jahr 1892 nicht weniger als 1 075 ry>9 fm
Bergbauholz (darunter 309 633 fm Eichen, 42 735 fm Buchen und 723 161 fm Nadel-
holz) gebraucht worden sind. Es fällt hierbei ins Gewicht, daß die meisten Holz-
zimmerungen alle 4—6 Jahre, bei Nadelholzverwendung noch öfter, der Erneuerung
bedürfen. Die Haltbarkeit des Holzes wechselt sehr je nach dem Druck des Gebirges.
In Schlesien wurde ermittelt, daß auf eine Förderung von 100 Ztr. Kohlen 0,1240 cbm
Holz und Schnittmaterial verwandt worden sind. In den Königl. Steinkohlengruben
zu Saarbrücken gebrauchte man in den 5 Jahren 1878 — 82 für je 100 Ztr. Kohlen-
förderung 0,1325 cbm Holz '). Die Förderung von Stein- und Braunkohlen im Deut-
schen Reich betrug 1898 128 Millionen Tonnen ä 20 Ztr. Nach obigen Zahlen würden
daher für das Jahr 1898 3,3 Millionen Festmeter Holzverbrauch kommen, bei 3 Fest-
meter Durchschnittsertrag an Nutzholz pro ha also .nachhaltig über eine Million
Hektar Wald zur Deckung des deutschen Kohlengrubenholzbedarfs nötig sein.
Die Grubenhölzer werden teils 4seitig, teils nur 2seitig beschlagen, teils auch
ganz rund verwendet.
Die gebräuchlichsten Sortimente sind Tür stocke, 1 — 3 m lang, 16 — 20 cm
stark; sie werden 4seitig beschlagen. Auf ihnen ruhen die Kappenhölzer, 1 K — 3 m
lang, 13 — 16 cm stark und zweiseitig beschlagen; ferner verwendet man S t e m-
p e 1 in den verschiedensten Dimensionen von 0,6 — 4 Meter Länge und 8 — ^25 cm
Durchmesser. Außerdem werden gebraucht: Schwellen, 2seitig beschlagen,
0,8 — t m lang, 10 — 18 cm stark, endlich Spitzen oder Scheiden, 1 — 1 U m
Länge, 3 bis 10 cm m. D.
Zum Auszimmern der- Schächte gebraucht man Schachthölzer, die 1,25
bis 5 Meter Länge und einen 4kantigen Beschlag von 15 — 18 cm haben müssen.
Außerdem hat man Fahrtschenkel oder L e i t e r b ä u m e, Schacht-
oder Spur latten oder S t r o ß bäume als besondere Arten von Schachthölzern
nötig, wozu stärkere Hölzer von 6 m ab bei 35 — 45 cm mittlerem Durchmesser ver-
wandt werden. Zwischen den Geleisen der Förderbahnen bedarf man großer Massen
von Brettern, Laufdielen oder Bohlen, wozu mit Nutzen Buchenholz verwendet wird,
das wenig splittert.- Zu Verschalungen verwendet man Schwarten von Sägewerken
in großen Quantitäten.
Die Grubenhölzer gewinnt man teils in Durchforstungen, teils durch Abtrieb
ganzer Bestände. Die Forstverwaltung wird sich wohl nur ausnahmsweise darauf
einlassen, das Holz in den vom A"erkehr gewünschten Sorten ausformen zu lassen,
falls nicht etwa ein Verkauf vor der Fällung abgeschlossen ist. In der Regel wird
man die Grubenholzstämme und -stangen in ganzen Längen aushalten und es dem
Käufer überlassen, die Ausformung in die seinen Zwecken dienlichen Sortimente
selbst zu bewirken.
Alles Grubenholz muß fest und gerade sein, nur die Türkappen können etwas
Biegung haben.
Eichenholz verwendet man fast nur noch in den Hauptstrecken; wo besonders
lange Haltbarkeit derselben erreicht werden soll, mauert man sie wohl auch aus;
statt des Holzes verwendet man auch Eisen.
1) Z. f. F. u. J. 1885, S. 41-1.
^^4 IXB Stoetzer, Forstbenutzung.
§5. Holz verbrauch zum Erd-, Brücken- und Wasser-
bau. Bei diesen Venvendungsarten wird das Holz in der Erde und im oder am
Wasser verwendet.
Es schlagen in dieses Gebiet die R o s t b a u t e n, die W e g e b a u t e n, der
Eisenbahnbau, die Straßenpflasterung, der Brücken- und
Wasserbau, die Verwendung als Masten und Leitungsstangen.
In weichem, feuchtem Baugrund bedarf man der Roste zur sicheren Grund-
legung der Bauwerke. Dauerhafte Grundpfähle aus Eichen-, Kiefern- oder Lärchen-,
sowie bei konstanter Nässe auch aus Erlenholz werden eingerammt und auf ihnen
Schwellen eingezapft, die man aus Eichen- oder altem Kiefern-, seltener Weißtannen-
holz herstellt. Es finden hier Hölzer von 20 — 30 cm Stärke als Rostpfähle Verwendung.
Zum Wegbau wird Holz neuerdings nur noch in sehr untergeordnetem Umfang,
insbesondere zum Belegen feuchter Stellen, in steinarmen Gegenden verwendet:
15 bis 20 Zentimeter starke gerade Stangen von Fichten, Tannen, Kiefern oder Erlen
werden querüber mit etwas schwächeren, der Breite der Wege entsprechenden
Knüppeln (Prügeln) belegt (Knüppel- oder Prügelwege). Auch gebraucht man Stangen
zu Wasserableitern und Sickerungen, sowie als Pfähle zur Befestigung von Bö-
schungen und Faschinen in ganz sumpfigen Partien. Alle diese Bauten sind Not-
behelfe bei Mangel an Steinen und bei der Absicht billigen Baues.
Beim Eisenbahnbau bedarf man der Schwellenhölzer. Die Lieferung der
Eisenbahnschwellen erfordert beträchtliche Mengen von Holz, auch wenn neuer-
dings eine gewisse Konkurrenz durch die mehr imd mehr in Aufnahme kommende
Verwendung eiserner Bahnschwellen eingetreten ist.
Für das Betriebsjahr 1897/98 wird die Eigentumslänge aller deutschen Eisen-
bahnen zu 51 904 km angegeben, die Geleiselänge auf 93 844 km. Hiervon entfallen
auf Vollbahnen 81 739 km, von denen 62 004 auf hölzernen, 19 293 auf eisernen
Schwellen und 443 km auf Steinwürfeln liegen (72,1 Millionen Holz-, gegen 22.6 Millionen
Eisenschwellen). Von 72 Mill. Holzschwellen entfallen 41 Mill. auf Nadelholz (56 °o),
28 Mill. auf Eichen (39%), 3 Mill. auf Buchen (5%). 88% waren imprägniert, 12%
nicht. Die Verwendung von Eichenholz nimmt stetig ab. die von Buchen- und
Nadelholz zu. Im ganzen ist aber die Zunahme der Eisenschwelle größer als die der
Holzschwelle. Von 1887 bis 1897 haben die Geleise auf Holzschwellen sich nur um 20 %,
hingegen diejenigen auf eisernen Schwellen um 129% vermehrt^). Nimmt man die
mittlere Dauer einer Schwelle zu 10 — 12 Jahren an, so erfordert die Erhaltung des
Oberbaues jährlich ca. 5 Millionen Schwellen, wozu, da aus 1 Festmeter Rundholz
etwa 6 Schwellen gearbeitet werden können, über 1 100 000 Festmeter Schwellenholz
benötigt werden. Rechnet man einen Durchschnittsertrag von 2 fm Nutzholz je
Hektar, so würden nach dieser Annahme 550 000 ha Wald zur Lieferung des jährlichen
Bedarfs an Schwellen erforderlich sein.
Da die Waldfläche in Deutschland etwa 14 Millionen Hektar beträgt, so würde
die Erzeugung des nötigen Schwellenholzes, wenn dasselbe ausschließlich in Deutsch-
land gewonnen werden sollte, zwar nur V25 ^^^ gesamten Waldfläche in Anspruch
nehmen, allein immerhin ist örtlich die Abgabe von Hölzern zur Schwellenfabrikation,
insbesondere im Gebiete des Eichenwaldes, von besonderer Bedeutung.
Man unterscheidet gewöhnliche Bahn- oder Stoßschwellen und sog. Weichen-
schwellen; die ersteren haben eine Länge von 2,5 m, die letzteren sind länger und
werden von verschiedenen Maßen (bis 5 m) gebraucht; man rechnet die untere Breite
1) Die deutschen Eisenbahnen im Betriebsjahr 1897 98 (Mitteilung von Dr. L a s p e y r e s
in Ztschr. f. F.- u. J.-W. 1901, S. 626).
Verwendung des Holzes und der Rinde. § 5. 455
der Schwelle zu 26 cm (gerincrere Klassen bis zu 24 cm), die Höhe bclrüijt 16 cm, die
untere Fläche, sog. Lagerfläclie, muß durchaus vollkantig sein, an der oberen Fläche
^^■ird beiderseits 5 cm Waldkante zugelassen.
Man verlangt kerniges, festes, gesundes Holz, das keine Astlöcher hat. Eine
kleine einseitige Krümnumg ist zulässig; die Lager- und die oberen Flächen müssen
jedoch eben sein.
Nach einem vom Minister der öffentlichen Arbeiten in Preußen unter dem 6. .Juli
1885 erlassenen Reskript wird vorausgesetzt, daß die Fällung des Schwellenholzes
innerhalb der Zeit vom 1. November bis 1. März liegt.
Was nun die zu Schwellenholz geeigneten Holzarten anlangt, so kommt in
erster Reihe die Eiche, ferner die Kiefer, untergeordnet die B u c h e in Betracht.
In Frankreich werden auch Schwellen aus Kastanienholz benützt; sehr dauerhafte
Schwellen hat man aus Ouebrachoholz hergestellt.
Vergleichende Versuche der französischen Ostbahn mit imprägnierten Schwellen
verschiedener Holzarten haben folgendes ergeben. Die Haltbarkeit betrug für:
Kiefer 15 Jahre im Hauptgeleise und 5 Jahre im Nebengeleise
Eiche 18 Jahre ,, ,, 7 Jahre ,,
Buche 20 Jahre ,, ,, 10 Jahre
Die Buche hat sich somit bei guter Imprägnierung als haltbarste Holzart er-
wiesen.
Auf den meisten deutschen Bahnen verwendet man Eichen schwellen, auf Ne-
benbahnen jedoch auch Kiefern, im Lärchengebiet wohl auch Lärchen. Außerdem
hat sich die Buchenschwelle an manchen Orten eingebürgert; mehr als in Deutsch-
land wird dieselbe in Frankreich verwendet i); auch auf den niederländischen Bahnen
hat man in ausgedehnter Weise Buchenschwellen, die mit Kreosot imprägniert waren,
in Verwendung gebracht. Sehr gute Erfahrungen mit Rotbuchenschwellen, die mit
karbolsäurehaltigem Teeröl getränkt waren, sind in Elsaß-Lothringen gemacht
worden; hier hat sich insbesondere eine längere Haltbarkeit als bei den Eichenschwellen
erwiesen (Mitteilungen des Landforstmeisters von Berg), was darin liegen soll, daß
die Buchenschwelle tränkfähiger ist und daher mehr Teeröl aufnimmt, als die Eichen-
schwelle. Eine Eichenschwelle nimmt 11 kg Imprägnierungsflüssigkeit (Teeröl) auf,
eine Buchenschwelle dagegen 36 kg. Daher hat auch die Imprägnierung sehr ver-
schiedenen Einfluß auf die Kosten für die Schwelle:
eine Schwelle, bearbeitet, aber roh kostet: Eiche 5,50 M. Buche 3,30 M. Kiefer 3,35 M.
die Imprägnierung: 1,00 M. 2,40 M. 0,80 M.
Daher die imprägnierte Schwelle: 6,50 M. 5,70 M. 4,15 M.
Da die aus Buchenholz gearbeiteten Schwellen zur Erhöhung ihrer Dauer
imprägniert werden müssen, so gilt es als ein wesentliches Erfordernis, daß das
Rohholz nicht mit dem, in Buchenbeständen nicht selten auftretenden, roten Kern
behaftet ist, weil in diesem Fall das Holz sich nur schwer und unvollkommen impräg-
nieren läßt'-).
Für die größere Rentabilität des deutschen Buchenwaldes ist die gesteigerte
Einbürgerung der Buchenbahnschwellen von großer Wichtigkeit. Leider sind nicht
allenthalben die Auffassungen der Eisenbahntechniker einer solchen günstig. Ins-
besondere will man auch Schwellen mit versteckten Fehlem gefunden haben, derart,
1) Vergl. A. F.- u. J.-Z. 1867, S. 66; ferner Weis e: Die Buchennutzliolzfrage. Z. f. F. u.
J. 1881, S. 545, sowie Z. f. F. J. 1884, S. 196.
2) Vergl. Wilbrand: Nutzholzwirtschaft im Basaltgebiet des \'ogelsberges. A. F.- u.
J.-Z. 1885, S. 147.
456 IX B. Stoetzer, Forslbenutzung.
daß solche, von außen gesund aussehend, doch brachen und dadurch den Eisenbahn-
betrieb gefährdeten.
Was den oben erwähnten roten Kern anlangt, so beruht derselbe auf einer, von
Verletzungen, Astvvunden, Wasserlöchern in Zwieseln und Astgabeln ihren Anfang
nehmenden Bildung, die von manchen (R. H a r t i g) für den Beginn einer Zer-
setzung, von H e r r m a n n (Zeitschr. f. F. u. J. -Wesen 1902, S. 596 ff. ,,Ueber die
Kernbildung bei der Rotbuche") für eine durch sog. Wundgummi veranlaßte Schutz-
bildung gegen das Eindringen holzzerstörender Pilze gehalten wird. Nach Herr-
mann (a. a. 0. S. 617) sollen auch Stammstücke mit rotem Kern, wenn sie nur
astfrei sind, ohne Bedenken zu Eisenbahnschwellen benutzt werden können, sofern
sie ordentlich ausgetrocknet sind und der Splint gehörig mit Teeröl getränkt wird.
Die Bahnschwellen werden am vorteilhaftesten aus mittelstarkem Holze ge-
fertigt; bei ihm fällt am wenigsten Abfallholz in die Späne, yian kann annehmen,
daß ein Rundholzstück liefert bei:
28 cm D. an Schwellen — 1 Stück (einschwelliger Block, unvorteilhaft)
38 ,, „ ,, ,, 2 ,, (zweischwelliger Block, vorteilhafteste Stärke)
.„ " " " " . "f(mehrschwellige Blöcke)
Eine Schwelle hat 0,04 qm; somit finden folgende Ausnutzungsverhältnisse statt:
28 cm D. = 0,06 qm enthält 0,04 qm oder 66%% nutzbares Holz,
38 „ „ = 0,11 „ „ 0,08 „ „ 73 %
48 „ „ = 0,18 „ „ 0,12 „ „ 66-/3%
56 „ „ = 0,25 „ ,, 0,16 „ „ 64 %
Es fällt hiei-nach bei der Schwellenholzbearbeitung 27 — 36% des Rundholzes in die
Späne und es zeigt sich, daß mittelstarkes Holz (38 cm m. D.) am vorteilhaftesten
ist, weil es den geringsten Abfall hat (siehe oben).
Ob der mit den hölzernen Schwellen mehr und mehr in Wettbewerb tretende
eiserne Oberbau die Holzschwelle in erheblichem Maße verdrängen wird,
bleibt abzuwarten. Tatsache ist, daß mit den Eisenschwellen eine größere Abnutzung
des rollenden Eisenbahnmaterials verbunden ist als mit Holzschwellen, da jene
weniger Elastizität haben und dem auf sie wirkenden Drucke nicht ausweichen.
Nach belgischen Erfahrungen, mitgeteilt auf dem 1885er internationalen Eisenbahn-
kongreß in Brüssel, wird den eisernen Schwellen nicht nur der Vorwurf der gerin-
geren Solidität und Festigkeit gemacht, sondern auch angegeben, daß sie teurer und
schwieriger zu unterhalten seien als Holzschwellen. Insbesondere fällt hier das Zer-
schlagen des Schotters beim Krampen ins Gewicht, das es notwendig macht, die
Strecken von Zeit zu Zeit neu zu beschottern, ein Aufwand, der bei der Holzschwelle
wegfällt. Aehnliche Erfahrungen wie mit den Eisenschwellen hat man mit Stein-
quadern gemacht.
Zur Straßen Pflasterung venvendet man neuerdings auch in Deutsch-
land Holzwürfel, nachdem schon längst in Amerika, Frankreich (Paris) und England
in ausgedehntem Maße von diesem Material Gebrauch gemacht worden ist. Besonders
sind in Berlin seit 1873 verschiedene Versuche gemacht worden. Es wurden auf einer
isolierenden Betonschichte von 20 cm Stärke, welche die Ebenheit des Pflasters
sichern und die verderbliche Wirkung der Feuchtigkeit abschneiden soll, teils Würfel
der amerikanischen yellow pine (Pinus Jeffreyi, Jeffreys Kiefer), teils solche der
deutschen Kiefer, 18 cm hoch geschnitten, imprägniert mit Teer und Kreosotöl, als
Hirnholz, sodaß die Längsfasem aufrecht stehen, gelegt, hierauf mit Kies über-
^"el-\venüllng des Holzes und der Rinde. § 5. 457
fahren und gewalzt. 1886 wurde eine I*fla.sterung mit imprägnierten Buclienholz-
würfeln ausgeführt, welclie aus den Forsten des Fürsten v. Bismarck stammten.
Auch in Frankfurt a/M. sind Versuche mit Buchenholzpflaster gemacht worden,
die 18 Mark Kosten pro qm — gegen 12 iMark Kosten pro ((m für Basaltpflaster
ergaben (cf. R e i ß in A. F.- u. J.-Z. 1887 S. 71).
Das Holzpflaster vermittelt ebenso wie Asphalt einen geräuschlosen Verkehr,
gestattet jedoch den Pferden einen sichereren Tritt, indem es das Eingreifen der Hufe
erleichtert und so das Stürzen der Pferde verhindert. Seine Einführung würde, falls
deutsches Buchen- und Kiefernholz sich bewährte, der besseren Ausnutzung mancher
Wälder guten Vorschub leisten. Die Kälte verschiedener Winter in den 1890er
Jahren hat das Holzpflaster in Berlin und andern Städten sehr in Mißkredit gebracht,
indem dasselbe vielfach zerrissen und auseinandergetrieben wurde. Buchenpflaster
nutzt sich zudem leicht und ungleichmäßig ab und wird bald holperig. Auch Schmutz
und Staub werden in der bald filzig werdenden Oberfläche in besonderem Maße fest-
gehalten, was die Reinigung erschwert. Von ausgedehnter Verwendung des Holz-
pflasters ist man in Berlin zurückgekommen. In Paris hingegen scheint sich das
Holzpflaster, zu dem neben fremdländischen Nadelhölzern namentlich pinus maritima
verwendet wird, bewährt zu haben.
Eine besondere Empfehlung des Buchenholzes zu Straßenpflaster
veröffentlichte Janka im ,, Zentralblatt für das gesamte Forstwesen" 1902 (Ok-
tober- und Novemberheft). Durch geeignete Imprägnierung soll das Schwinden,
Quellen und Werfen verhindert und das Reißen desselben beseitigt werden. Die Dauer
wird als hoch und die Abnutzung als gering geschildert.
Der W a s s e r b a u bedarf ansehnlicher Quantitäten von Holz zur Herstellung
von Uferbefestigungen, zu Schleusen und Wehrbauten. Viele Uferbefestigungen
stellt man durch Steinpackungen her, wobei öfters zunächst ein Holzrost einzurammen
ist. Umfängliche Uferbauten von Holz kommen in Holland vor, wo vielfach sumpfiger
und mit keinem haltbaren Untergrund versehener Boden vorherrscht. Zu diesem
Zwecke gehen aus Mittel- und Süddeutschland viele Eichen- und Nadelhölzer in Form
von Pfahlholz und stärkerem Rundholz auf dem Rhein dorthin.
Ausgedehnter \'erbrauch von Holz zu Wasserbauten findet ferner in Gebirgs-
gegenden statt, in denen Holzflößerei betrieben wird. Insbesondere sind es hier die
Uferbefestigungen, die namhafte Mengen Holz in Ansprach nehmen; außerdem
wird solches zum Bau der Rechen, sowie zu leichteren Stau- und Schleusewerken
benutzt ^).
Zu den bei der Holzflößerei vorkommenden Bauten verwendet man zumeist
Fichten- und Tannenholz und gibt letzterem den ^'orzug, da es sich im abwechseln-
den Zustand der Nässe und Trockenheit besser als ersteres hält.
Bei den anderen Wasser- und Brückenbauten findet Eichen- oder ausgewach-
senes harzreiches Kiefernholz Verwendung. Zu Pfeilern unter Wasser (Piloten)
eignet sich auch Buchenholz, namentlich wenn es im Saft gefällt und sofort
verbaut wird; dasselbe soll steinhart werden. Ebenso ist Erlenholz bei ausschließ-
licher Verwendung unter Wasser (z. B. für Roste) zu gebrauchen. Der Brücken-
bau erfordert bestes Eichen- und Nadelholz; zum Belag von Brücken werden neuer-
dings auch Bohlen aus Buchenholz gerühmt. Die an der Kölner Rheinbrücke ge-
machten Erfahrungen haben ergeben, daß Buchenbohlen sich zwar abreiben, aber
1) Darstellung der Holzbringungsmittel in den Kgl. Bayerischen Salinenwaldungen, heraus-
gegeben vom bayerischen Ministerialforstbureau 1860, Teil II, sowie Gay ers Forstbenutzung,
9. Aufl., S. 261 ff. U. S. 297—335.
458 IX B, Stoetzer, Forstbenulzung.
nicht in dem Maß splittern wie Eichenbohlen. Die Dauer der letzteren war 2 Hjährig,
der ersteren Sjährig. Da der Festmeter Buchenbohlen sich auf nur 41 Mark, hingegen
der Festmeter Eichenbohlen auf 87 Mark stellte, so ergab sich mit Rücksicht auf die
längere Dauer der Buchenbohlen bei ihrer Anwendung eine Ersparnis von 59%.
In das Gebiet des Wasserbauholzes gehören noch die F a s c h i n e n, d. h. drei
und mehr Meter lange Reisigbunde, welche aus langen schlanken Ruten ohne Laub,
die sich leicht zusammenlegen lassen, zu Wellen gebunden werden. Am gesuchtesten
sind Faschinen aus Weiden, die gerade und schlanke Triebe haben. Auch schwache
Nadelhölzer, Aeste alter Fichten, sowie Stockausschläge der Rhamnusarten, der
Erlen und Haseln u. dergl. eignen sich sehr gut dazu, am wenigsten hingegen sperrige
Astreiser.
Zur Befestigung der Faschinen verwendet man Buhnenpfähle, 1 — 2 m
lang und 5 — 8 cm stark, aus Kiefemdurchforstungshölzem, Erlen etc. gefertigt. Die-
selben werden durch die Faschinen hindurch in den festen Grund eingeschlagen.
Zunehmende Bedeutung gewinnt die Verwendung des Holzes zu M a s t e n und
Leitungsstangen für Telegraph, Telephon, elektrische Starkstromleitungen
usw. \'erwendet werden Nadelholzstangen und -stamme besonders der Fichte und
Tanne, bis zu den stärksten Dimensionen. Die in den Boden gelangenden Enden
werden imprägniert; neuerdings finden auch in Beton und Eisen konstruierte Halter
Verwendung, in welche die Stangen eingeschraubt werden, ohne den Boden zu be-
rühren, so daß ein Hauptgrund ihrer Verderbnis, die unmittelbare Berührung
mit der feuchten Erde, wegfällt und dadurch die Haltbarkeit bedeutend er-
höht wird.
§ 6. Spaltholz. Zur Herstellung von Gefäßen für Aufbewahrung von
Flüssigkeiten (Fässer, Bottiche u. dergl.) verwendet der Böttcher (Küfer, Kubier)
vorwiegend spaltiges, möglichst astfreies Eichenholz in kürzeren oder längeren
Stücken. Das Ausspalten der Faßhölzer, der sog. Dauben, sowie auch der Bodenstücke,
erfolgt nach der Richtung der Markstrahlen, nicht nach der Sehne des Holzes, weil
im letzteren Falle die Gefäße durchlässig gegen Flüssigkeit sein würden.
Langsam erwachsenes, ganz feinjähriges Eichenholz ist minder dicht als weit-
ringiges.
Kleinere Gefäße für den Haushalt (Butten, Kübel, Eimer, Wannen) werden
von Nadelholz verfertigt, wobei der Fichte der Vorzug gegeben wird.
Buchenholz wird ebenfalls zu Böttcherware, insbesondere zur Herstellung
von Packfässern verwandt. Der Butterhandel Schleswig-Holsteins und Mecklen-
burgs bedarf großer Mengen von Buchenfässem. Auch Seefische werden vielfach
darin versandt. Allgemein geschätzt vor anderem Holz wird das Buchenholz für
Packgefäße zur Aufnahme von Lebensmitteln verschiedener Art wegen seiner Geruch-
losigkeit.
Außerdem verpackt man in solche: Zement, Seife, Salz, Erze, Eisenwaren und
dergl. ^); auch kommt Petroleum vielfach in Buchenfässern zum Versand.
In Ungarn soll Buchenholz zu Faßdauben, selbst zu Bierfässern in ausgedehn-
ter Verwendung stehen; die Faßdauben werden jedoch vor der Bearbeitung mit
Wasserdämpfen ausgelaugt").
Die Dauben zur Anfertigung von Fässern, die zur Aufnahme trockener Gegen-
stände bestimmt sind, werden nicht gespalten, sondern durch die Kreissäge in den
erforderlichen Dimensionen geschnitten, da es hier nichts schadet, wenn der Schnitt
1) Weise, Buchennulzholzfrage in Z. f. F. u. J. 1881, S. 543.
2) A. F.- u. J.-Z. 1865, S. 463.
N'erwendung des Holzes und der Rinde. § 6. 459
nicht in radialer Richtung geführt ist; auch hat man zur Herstellung der Faßdauben
besondere Maschinen.
Bei ungewöhnlich großen Gefäßen, selbst wenn dieselben zur Aufnahme von
Flüssigkeiten bestimmt sind, können die einzelnen Bestandteile nicht durch Aus-
spalten gewonnen werden, sondern man fertigt dieselben aus geschnittenen Bohlen,
d ' ■ ■ Zum Binden der Böttcherwaren dienen Reife; bei größeren und schwereren
Fässern und Bottichen verwendet man Eisenreife, außerdem solche von schlanken
spaltigen Stockausschlägen der Birken, Haseln, Weiden, wohl auch Eichen.
Spaltholz wird außer zur Herstellung von Böttcherwaren benutzt zur Fertigung
von Siebrändern und Schachteln; hierzu wird meist Fichten- und Taiuienholz ver-
wandt. Mit dem Seltener- und Teurerwerden der schönen astfreien und spaltigen
stärkeren Stämme nimmt die Herstellung größerer Schachteln, die besonders wert-
volles Holz beansprucht, das im Groben ausgespalten, mit dem Schnitzmesser glatt
gearbeitet und alsdann in die den Schachteln eigentümliche runde oder ovale Form
gebogen wird, mehr und mehr ab, zumal dieselben durch billigere Kisten oder Papp-
schachteln vielfach leicht ersetzt werden; kleinere Schachteln, insbesondere Zünd-
holzschachteln, beanspruchen weniger wertvolles Holz. Dieselben werden zwar
auch aus glattem Holz hergestellt, allein man gewinnt die Bänder nicht durch
Spalten, sondern diese werden durch besondere Hobel in den den Schachteln ent-
sprechenden Größen hergestellt und es ist daher die Spaltbarkeit des Holzes kein un-
bedingtes Erfordernis mehr. In ähnlicher Weise, nämlich durch Abschälen mit
Hilfe von Hobeln werden auch die Späne zu den Schiebkästchen, die zur Auf-
nahme der schwedischen Zündhölzer dienen, hergestellt. Man verwendet dazu As-
pen-, in Deutschland auch Pappel- und Nadelholz, besonders Weymouthskiefer.
Die gleiche Herstellung haben Späne für Etuis, Degenscheiden, Schuhsohlen,
Spiegelbelege, sowie die für Bierbrauerei und Essigfabrikation wichtigen Klärspäne,
aus Hasel- oder Buchenholz, die an manchen Orten einen beachtenswerten Verbrauch
von Buchennutzholz hen'orrufen.
In liolzreichen Gegenden wird durch die Schindelfabrikation eine
beträchtliche Menge von Spaltholz verarbeitet. Die Schindeln dienen zur Dach- und
^^'andbekleidung, man läßt sie beim Auflegen derart übereinandergreifen, daß die
Fugen stets gedeckt sind. Sie werden aus spaltigem, astreinem Fichten- und Tannen-,
wohl auch Lärchen-, seltener Buchenholz radial ausgespalten und mit dem Schnitz-
messer geglättet. Auch gibt man ihnen durch ein besonderes Schindelmesser auf der
einen Seite eine Nut, auf der anderen Seite schneidet man eine scharfe Kante (Feder),
so daß gegenseitiges Eingreifen stattfindet. Auf Sägewerken stellt man Schindeln
durch Bearbeitung mit der Kreissäge oder besonderen Maschinen (Gangloffsche
Schindelmaschine) her. Da dieselben jedoch nicht in der Richtung der Radien gearbei-
tet, sondern öfters schief über die Jahrringe geschnitten sind, so werfen sie sich und
reißen leichter, haben daher nicht den Wert und die Haltbarkeit der Handschindeln.
Die Maschinenschindeln werden jedoch als Unterlage für Schieferbedachung begehrt.
Zur Instrumentenfabrikation bedarf man des Resonanz holzes, zu dem
sich gleichmäßig langsam erwachsenes, mit nicht zu breiten Jahrringen versehenes
astreines und spaltiges Holz von Fichten oder Tannen besonders eignet. Dasselbe
wächst namentlich in höheren Gebirgslagen, so z. B. in Böhmen, ebenso im bayrischen
Wald 1).
1) Im Z. f. d. ges. F. 188i, S. 155 wird auf die H a s e If i c li t e , eine Spielart der gewölinli-
chen Fichte, aufmerksam gemactit, welclie zu Resonanzliolz besonders geeignet sei, indem sie die
Reinlieit des Klanges befördere; dieselbe soll in Kärnten und Bosnien vorkommen und sich äußer-
lich durch weißgelbe Frühjahrssprossen, oft auch trauerweidenartige Beaslung auszeichnen.
460 IX B. Stoetzer, Forstbenutzung.
Holzdraht nennt man die aus glattem Holz hergestellten feinen Stäbe,
die zu Jalousien, Rouleaux, Tischdecken, in kurzem Zustand aber in großen Massen
zu Streichhölzern verwendet werden. Vielfach eignen sich hierzu noch die bei der
Resonanzholzfabrikation vorkommenden .\bfälle. An anderen Orten wird Aspen-
holz in großen Mengen benutzt. Die Herstellung erfolgt durch Hobel, die keine
glatte Schneide, sondern statt derselben nebeneinander scharfe Röhrchen haben,
deren jedes je einen runden Holzdraht von dem Rohholz abstößt. Für die schwedischen
Streichhölzer werden auf Drehbänken bandartige Streifen von Rundholz (meist
Aspe) dünn abgeschält und alsdann entsprechend zerkleinert. Eine Zukunft in der
Zündholzfabrikation (für Herstellung schwedischer Zündhölzer) spricht M a y r der
Weymouthskiefer zu, die in Zündholzfabriken als ,, Korkkiefer" Eingang gefunden
hati).
Zu den Spaltwaren sind endlich noch die Holzstifte zu rechnen, die na-
mentlich für Schuhmacher in großen Massen aus Birken-, Ahorn- und Hainbuchen-
holz gewonnen werden.
§7. Verwendung des Holzes zur Schreinerei und den
verwandten Betrieben, sowie zum Glaser- und Wagner-
g e w e r b e.
Der Schreiner liefert vornehmlich Arbeiten zum inneren Ausbau der Häuser,
sowie den größten Teil der Hausgeräte und Möbel. Er verarbeitet sog. Schnittwaren,
die auf den Sägewerken aus Stammholz hergestellt werden. Ueberwiegend ist
hierbei der Verb rauch von Nadelholzschnittware, doch werden auch Eichen-, Buchen-,
zur Möbelfabrikation außerdem noch Ahorn-, Ulmen-, Lärchen-, Nußbaum-, sowie wert-
volle ausländische Hölzer (Mahagoni, Rosenholz etc.) in großer Menge verarbeitet.
Getrennt zu behandeln sind Bau- und Möbelschreinerei.
Der Bau seh reiner verwendet zu Fußböden vorwiegend Nadelholz, sel-
tener Eiche und Buche. Fichte und Kiefer haben den Vorzug vor der mehr
splitternden und weniger glatten Tanne. Statt der gewöhnlichen Dielen kommen
mehr und mehr Parkett- und Riemenfußböden in Aufnahme, wozu die Hölzer (Eiche
und Buche) in schmalen, kurzen Brettchen (Riemen) geschnitten werden, die teil-
weise glatte Seitenwände, teils solche mit Nut und Feder haben.
Die Verwendung der Buche zu Dielungen wird im Gebiete ausgedehnter Buchen-
hochwaldungen mit Eifer zu fördern gesucht. Ueber die Erfolge wird die Zukunft
entscheiden. Es wird gegen sie geltend gemacht, daß infolge der schwierigeren Bear-
beitung der Buche, sowie der für wirklich gutes Buchenholz schon jetzt nicht gerade
niedrigen Preise, Buchendielung keineswegs durch erhebliche Billigkeit sich auszeich-
net. Zu Treppenstufen ist die Buche neben der Eiche ohne Zweifel sehr geeignet,
nicht minder zu Treppenwangen. Ebenso bewährt sie sich vollkommen zu Par-
kettfußböden in imprägniertem Zustande. Nur muß die Eigentümlichkeit des Buchen-
holzes, daß es auch nach guter Austrocknung noch leicht sein Volumen durch Auf-
nahme von Wasserdampf vergrößert, beachtet werden, indem längs der Wände ein
kleiner Raum frei bleibt, den das sich ausdehnende (arbeitende) Buchenholz ein-
nehmen kann ^).
Zu Vertäfelungen in modernen vornehmen Häusern findet Eichenholz, wohl
auch Lärche, Arve Verwendung.
Zur Möbelschreinerei verlangt man am meisten Nadelholz bester
1) AUg. F.- u. J.-Ztg. 1904, S. 351.
2) Ueber Erfahrungen bezüglich der Verwendung von Buchenholz für Dielungen s. v.
Alten, Versuche und Erfahrungen mit Rotbuchen-Nutzholz 1895, S. 35 ff.
Verwendung des Holzes und der Rinde. § 7. 461
Qualität, insbesondere zur Herstellung der die Hauptmasse des Verbrauchs bildenden
geringeren Möbel.
Auch die wertvolleren Möbel werden selten massiv aus teuerem Hartholz
(Eichen-, Nußbaum-), sondern aus Blindholz (Nadelhölzer, Pappel) hergestellt, auf
welch letzteren die Fourniere wertvoller, zum Teil ausländischer Hölzer aufgeleimt
werden. Auch hier wie in so vielen Gegenständen der modernen Lebenseinrichtungen
ist die ^lode tonangebend, ^^"ährend früher Mahagoni, später Nußbaum (namentlich
der schön gemusterte amerikanische Nußbaum) eine Hauptrolle spielte, wird neuer-
dings Eichenholz zu den in besonderer Gunst stehenden Renaissangemöbeln verwendet.
Einer Erwähnung bedürfen noch die aus gebogenem Buchenholz
zuerst durch die österreichische Firma Gebrüder T h o n e t hergestellten sog. Wiener
Möbel, deren Fabrikation auch in Deutschland (z. B. Sachsen) mit Erfolg versucht
worden ist. Die zu diesen Möbeln verwendeten Buchenhölzer werden aus glattem,
langschäftigen Buchenholz in Form von Latten ausgeschnitten, durch Dampf ausge-
trocknet, mit Hilfe von Maschinen rund gehobelt und in erhitztem Zustande gebogen;
die Verbindung der einzelnen Teile untereinander erfolgt lediglich durch \'erzapfung
und Verschraubung.
Diese Industrie scheint nur da mit Erfolg einführbar zu sein, wo schönes Buchen-
holz stärkerer Dimensionen noch billig zu haben ist. Auch die Thonetschen Fabriken
beziehen das Material meist aus dem holzreichen Osten der österreichischen Monarchie.
Bedeutende Mengen von Holz bedarf man zur Herstellung von Kisten
und Packfässern. Die Kistenbretter werden insbesondere in großen Mengen durch
die Sägewerke aus ihren Abfällen (Schwarten) hergestellt, doch werden auch ganze
Stämme zu Kistenbrettern usw. verarbeitet. Wegen ihrer Leichtigkeit haben Nadel-
hölzer, sowie Pappeln und Aspen den Vorzug. Mengen von schwachen Kistenbrett-
chen werden jedoch auch aus Buchenholz gewonnen, so z. B. für die in südlichen
Ländern, insbesondere in den Hafenplätzen des mittelländischen Meeres zur Ver-
packung und zur Ausfuhr von Früchten dienenden Kistchen, die vielfach aus Oester-
reich bezogen werden (sog. Tavoletti).
Kistchen von geringen Dimensionen zum Verpacken von Parfüms, Seifen etc.
sowie Farbkasten, ferner Schatullen werden im großen in Fabriken verfertigt, und es
kommen hierbei neben Nadelhölzern auch Erlen, Ahorn und sonstige bessere Laub-
holzarten zur \'erwendung. Zu Zigarrenkisten werden vielfach Erlen, für die besseren
gewisse Sorten des sog. ..roten Zedernholzes", einer dem Mahagoni verwandten Laub-
holzart, verwandt. Zu .Jalousiebrettern nimmt man Nadelholz; besonders geeignet
ist hier die W'eymouthskiefer, denn sie ist leicht und wirft sich nicht.
Der Glaser braucht zu Fensterrahmen ein gleichmäßig envachsenes, den Ein-
flüssen der Witterung widerstehendes, dem Reißen und Werfen nicht ausgesetztes
Holz; er bevorzugt Eiche und ganz besonders Kiefer, auch Lärche ist brauchbar;
den Hauptbedarf liefert das engringige, ausgewachsene, kernige Kiefernholz, das
auf ärmerem Boden langsam erwachsen ist. (Polnische Kiefer.)
Der W a g n e r verwendet vorwiegend Laübhölzer, unter diesen besonders
Esche und Eiche, aber auch Buche, Ulme, Hainbuche und Birke, sowie schwäche-
res Nadelholz: die Hölzer müssen gesund, fest und zähe sein, damit sie, ohne zu bre-
chen, einer größeren Gewalt widerstehen können.
Von erheblichem Umfang ist der Bedarf an Wagnerholz gerade nicht ; dagegen
ist dieses vorwiegend ländliche Gewerbe, das nicht allein Wagen, sondern auch länd-
liche Geräte aller Art fertigt, für die Forstwirtschaft ein sehr erwünschter, ja wert-
voller Abnehmer für schwache Nutzhölzer aller Art : Eichen-, Eschen-, Birken- und
462 IX B. Stoetzer, Forstbenutzung.
Nadelholzstangen, schwache Eichenstämme (sog. „Wagnereichen"), Eschen- und
Birkenstämme, starke kurze Abschnitte, Spalt- und Krummhölzer usw. der verschie-
densten Holzarten. Manches, was früher aus Holz verfertigt wurde, stellt man jetzt
aus Eisen her; so z. B. die Achsen, die gegen hölzerne nicht nur eine weit größere
Dauer, sondern, da sie weniger Reibung verursachen, auch einen leichteren Gang
gewähren.
Der gewöhnliche Wagen besteht aus den Rädern, dem Gestell, der
Langwiede und der Deichsel.
Die Räder haben in der Mitte die Nabe, die aus einem durchbohrten und metall-
gefütterten Eichen-, Ulmen- oder Eschen-Rundstück besteht; in dieselbe greifen
die Speichen ein, die auf der äußeren Seite in dem aus einzelnen Teilen (Felgen)
zusammengesetzten Kranz befestigt sind.
Die Speichen fertigt man aus zähem ausgespaltenen Jungeichen- oder Eschen-
holz, bei Luxuswagen aus Hickory (Carya alba), das Leichtigkeit und Festigkeit
in sich vereinigt.
Die Felgen werden aus gesunden spaltigen Buchenscheiten im Rohen ab-
gespalten, so daß der Kern abfällt; die Rindenseite bildet die äußere Krümme
der Felge. Zin- Herstellung der nötigen Krümme wird beiderseits entsprechend
abgespalten.
Die Herstellung der Felgen erfolgt in ausgedehnten Buchenwaldungen in großen
Mengen zum Zwecke des Handels.
Neuerdings kommt es (insbesondere beim Luxuswagenbau) auch vor, daß der
Radkranz nicht mehr aus Felgen zusammengesetzt, sondern aus einem Stück
gedämpften und durch starke mechanische Kraft gebogenen Holzes geformt wird ^).
Ueber den Achsen liegen nun die Vorder- und Hintergestelle der Wagen; die-
selben werden durch die Langwiede verbunden. Die Zugvorrichtung besteht aus den
Deichselarmen und der Deichsel. Zur Ausrüstung der Last-Wagen gehören endlich
noch die Leitern. Zu den Bäumen der Leitern verwendet der Wagner Nadelholz-
stangen, zu den Lang\vieden Eichen- oder Eschenstangen, die Deichseln stellt er aus
Eichen-, Birken- oder Eschenstangen her. Die sonstigen Erzeugnisse des Wagner-
und Stellmachergewerbes, Pflüge, Schlitten, Eggen, Schiebekarren, Leitern, Futter-
barren, Futtertröge usw. bedürfen keiner näheren Beschreibung; Buchen- und
Eichenhölzer, sowie Nadelholzstangen werden auch hierzu besonders verwendet.
Gekrümmte, wenn nur gesunde und astlose Stücke verwendet der Wagner vielfach;
ja sie sind sogar in vielen Fällen von besonderem Wert.
Der Bau der Luxuswagen hat so viel Mannigfaltigkeiten, daß derselbe
hier übergangen werden muß. Zum Oberbau derselben werden auch leichte Hölzer,
Linde, Pappel etc. als Füllholz benutzt.
Zu Lafetten wurde früher in ausgedehntem Maße Ulmenholz verwandt,
da es bei besonders hoher Festigkeit und Härte wenig splittert ; in neuerer Zeit hat es
vollständig dem Eisen weichen müssen.
Zu dem Wagenbau gehört endlich noch die Herstellung der Eisenbahn-
wagen, welche in ihrem Balkengerippe viel Eichen- und Eschenholz, in ihrer
Füllung weiche Hölzer, besonders Kiefern, neuestens auch Fichten und Tannen
in großem Umfange beanspruchen. Nach G a y e r bedarf man zu einem verschlosse-
nen Eisenbahngüterwagen ca. 1 cbm Eichenholz; neuerdings wird ferner Kiefern-
holz und jetzt selbst Fichten- und Tannenholz verwencTet.
1) Die Herstellung solcher Radkränze beschreibt Forstassessor Schmidt in Z. f. F.
u. J. 1886, S. 194.
Verwendung des Holzes und der Rinde. § 10. 463
§ 8. H o 1 z V c r b r a 11 c h in der Schnitzerei und Spiel-
warenfabrikation. Die eigentliche Kunstschnitzerei verbraucht Linden-,
Aspen-, Ahom- und Nußbaumholz; in den Gebirgsländern der Schweiz und Tirols
bildet auch die Zirbelkiefer vielfach den Rohstoff zu den überaus mannigfachen
Gegenständen, die in alle Welt gehen (z. B. Tierfiguren, geschnitzte Rahmen aller
Art, Uhrgestelle, Schmuckbehälter).
Zu groben Schnitzwaren als IMulden, Schüsseln, Tellern, Wurfschaufeln, Koch-
löffeln, Stiefelhölzern, Kummethölzern werden Buchenhölzer verwandt, für feine
Schuhleisten Hainbuchen, für gewöhnliche Rotbuchen.
H 0 1 z s c h u h e verfertigt man aus Buchen, Erlen, Birken, auch Pappeln und
Weiden. Flintenschäfte werden aus Nußbaum, Ulme, geringere aus Buchenholz
hergestellt.
Kinderspiel w a r e n, z. B. Tiere, Kinderflinten, Holzmusikinstrumente
(Flöten, Geigen) werden hauptsächlich aus Fichtenholz gemacht. Sie sind
Gegenstand der Herstellung im Erzgebirge und Thüringerwald; ihre Produktion
verringert sich jedoch mehr und mehr wegen des verfeinerten Geschmacks, der bessere
Produkte verlangt.
§9. Sonstiger Holzverbrauch in Gewerben und Fabri-
k e n. Viele Gewerbe werden mit Wasserkraft betrieben und bedürfen der Räder
und der dazu gehörigen Wellen; zu letzteren braucht man gerade, gesunde, starke
Stämme von Eichen oder Tannen, auch Kiefern. Zu Wasserrädern nimmt man Bu-
chen- und Eichen-, zu den Schaufeln auch Nadelholz, wofern nicht Konstruktionen
aus Eisenblech gewählt werden.
Zu den Oel-, ^^'alk-, Pochmühlen und Hammerwerken bedarf man starker
Eichenstammhölzer, weniger Nadelhölzer. Die Pochstempel sowohl, als auch die
Stoßtröge werden nur vom zähesten harten Holz verfertigt. In Hammerwerken be-
stehen die Hammerwellen und die dazu gehörigen Gerüste aus Eichen, der den Hammer
tragende Arm oder Helm aus Buchen, Birken, Eschenstammenden; der Ambos-
stock, auf den der Ambos eingelassen ist, wird aus einem 1 m starken und 2 m langen
Eichenstock hergestellt, der in Eisen gebunden ist. Die innere Einrichtung der
Gewerke, Mühlen und Fabriken fällt hinsichtlich ihrer Verwendung in das Kapitel
vom Hochbau.
§ 10. H 0 1 z V e r b r a u c h zur P a p i e r f a b r i k a t i o n i). Wenn auch
der geringere Papierverbrauch früherer Zeiten durch das gewöhnliche, aus Hadern
hergestellte Papier vollständig gedeckt worden ist, so wurde doch schon um die Mitte
des vorigen Jahrhunderts versucht, den gesteigerten Verbrauch durch andere Pflanzen-
stoffe zu decken. Den Fortschritten der modernen Technik und den erweiterten
chemischen Kenntnissen gelang es, aus Holz sehr brauchbare Produkte herzustellen,
die zu Papier verarbeitet werden. Man unterscheidet zwischen dem lediglich durch
Zerschleifen auf mechanischem Wege hergestellten Holzstoff und dem
auf chemischem Weg aus dem Holz gewonnenen Zellstoff, der Holzzellulose,
deren Gewinnung jedoch ebenfalls eine mechanische Zerkleinerung vorausgehen muß.
a) Bei dem mechanischen Zerschleifen des Holzes, das in schwä-
cheren Rundhölzern von 10 — 20 cm Durchmesser verwendet wird, findet zunächst
Entrindung, Spalten der stärkeren Stücke, Entfernung der Aeste durch Aushauen
oder Ausbohren statt ; hierauf werden mittelst der Kreissäge Abschnitte von 25 — 50 cm
hergestellt und diese an rotierende Steine gepreßt, wodurch Holzteilchen abgerissen
1) Weber, Ueber die Bedeutung einiger Holz verarbeitender Industriezweige. F. Z.-Bl.
1Qo3, S. 73 u. 189.
464 IX B. Stoetzer, Forstbenutzung,
werden. Stetig zuströmendes \^'asser vereinigt sie zu einem dünnen Brei, aus dem
die Fasern nach Länge und Dicke sortiert, dann gebleicht, entwässert, und in
Formen gepreßt werden.
Derartige Fabriken, meist mit Wasserkraft betrieben und in waklreichen
Gebirgsgebieten belegen, waren nach Günther-Staibs Adreßbuch für die Papier-
Industrie in Deutschland im .Jahr 1899/1900 601 (in Sachsen allein etwa 300) vorhan-
den und es wird der Jahresbedarf derselben an Schleifholz auf nahe an 1 Million fm
angegeben.
b) Bei der Zellulosefabrikation werden die Hölzer durch eine me-
chanische Hackvorrichtung in flache Späne zerlegt, diese Späne zwischen geriffelten
Quetschwalzen weiter zermahlen und demnächst durch Kochen unter hohem Druck
entweder in kaustischer Natronlauge (sog. Natronverfahren) oder unter Einwirkung
von doppeltschwefligsaurem Kalk (Mitscherlichs Sulphit- Verfahren) in ihre einzel-
nen Zellen aufgelöst.
Die auf diese Weise hergestellte rohe Zellulose wird gewaschen, mit Chlor-
kalk gebleicht und schließlich durch Walzen gepreßt und getrocknet.
Nach dem Adreßbuch von Günther-Staib kann man für die in Deutschland
zur Zeit bestehenden großkapitalistisch betriebenen 71 Zellulosefabriken einen
Jahres-Holzkonsum von 850 000 fm annehmen.
Zur Verwendung in der Papierfabrikation gelangen in erster Linie Fichten-,
dann auch Tannen- und Kiefernhölzer; Aspen, Pappeln und Linden geben einen
ganz besonders weißen, sehr gesuchten Stoff und ihre ausgedehnteste Verwendung
wird nur durch ihre Seltenheit und verhältnismäßig hohen Preise verhindert. Große
Schwierigkeiten bereitet dagegen das Buchenholz. Für das mechanische Verfahren
ist es ganz unbrauchbar, weil es sich vermöge seiner großen Abscherfestigkeit nicht
zerfasern läßt; die Fasern zerreiben sich vollständig. Hinderlich ist auch seine Farbe.
Da schon ziemlich schwache Prügel und Stangen verwendet werden können, so er-
gibt sich durch diese Fabrikation ein ausgedehntes Feld für die Zugutemachung von
Durchforstungshölzem; freilich spielt die Frage der Transportkosten hierbei eine
große Rolle, um so mehr, als durch den bedeutenden Wettbewerb, namentlich auch
des Auslandes (Norwegen, Schweden, Oesterreich-Ungarn, Finnland, Kanada, Ver-
einigte Staaten von Nordamerika) die Preise des Erzeugnisses gedrückt sind und den
Fabriken hinsichtlich der beim Einkaufe des Holzes anzulegenden Preise gewisse
Beschränkungen auferlegen. Die großen Zellulosefabriken beziehen deshalb einen
beträchtlichen Teil ihres Holzbedarfs aus dem Ausland (Oesterreich-Ungarn). In
Indien wird eine Zellulose aus Bambus hergestellt, die sich durch beträchtliche Zähig-
keit, sowie billigen Preis vor der europäischen Holz-Zellulose auszeichnen soll.
Außer zur Papierfabrikation wird die Zellulose roh zur Herstellung von Pappe,
sowie von gepreßten Ornamenten für Wobei, zur Imitation von Leder verwendet '■).
§ 11. Darstellung von Holzwolle. Unter Holzwolle versteht man
einen Stoff, der durch grobe mechanische Zerfaserung von Hölzern, namentlich
Nadelhölzern gewonnen und in großem Maßstab zur ^'e^packung, sowie als Polster-
material, ferner als Streu für das Vieh, endlich auch zum Filtrieren von Flüssigkeiten
benutzt wird. Die Holzwolle, zuerst in Amerika dargestellt, wird als ein Neben-
erzeugnis in größeren Holzwarenfabriken, aber auch in eigenen Werken vorwiegend
1) Zu solchen Ornamenten verwendet eine Thüringer Firma (B. Harras in Bohlen) gemahlene
Sägespäne, die mit einem Klebstoff durchtränkt sind und auf die eine ganz feine, äußerst biegsam
gemachte Holzfournierplatte aufgeprel3t wird. Diese verbindet sich dann untrennbar mit der
Unterlage und ergibt so ein ganz scharf gepreßtes Holzornament, das mit den Produkten der Holz-
bildhauerei welteifert. Die Firma nennt ihr Produkt „Kunstholz".
Verwendung des Holzes und der Rinde. § 12. 465
aus Nadelhölzern (jedoch auch Aspen, zu Polsterzwecken auch aus spanischem Rohr)
gewonnen. Die Hölzer werden in Stücken von 50 cm Länge und 15 cm Breite vorge-
arbeitet, zwischen zwei Walzen gespannt und mittelst eines Apparates, der eine
Anzahl nebeneinander stehender Messer enthält und durch eine Kurbelstange hin und
her bewegt wird, geritzt. Seitwärts von diesem Apparat steht je ein glattes Hobel-
messer, das die geritzten Fasern abschneidet, die nun als Holzwolle unter die Maschine
fallen. Je nachdem die Ritzmesser enger oder weiter gestellt sind, wird die Holzwolle
feiner oder gröber ausfallen.
Auch diese Fabrikation verwendet vorwiegend schwache Hölzer, die im Wege der
Durchforstungen zu gewinnen sind, so daß ihre Einbürgerung örtlich eine nicht zu
verachtende Hebung des Holzabsatzes bewirkt.
§12. Holzverbrauch im landwirtschaftlichenGe werbe.
Der Hauptverbrauch der Landwirtschaft an Nutzhölzern erstreckt sich auf schwächere
Stangenholzsortimente, Bohnenstangen, Hopfenstangen, Baumpfähle, Baumstützen,
Weinpfähle, sowie Zaunpfähle und Zaungerten, Stangen und Pfähle zu Notschuppen,
Feimen ^) ; außerdem kommt mancherlei Reisig zu Erbsenreis, Zäunen, Bindweiden,
Besenreisig in Betracht, ferner Geschirrholz zu Deichseln, Leiterbäumen, Heu-
bäumen und sonstiges Material zur Instandhaltung der ländlichen Fuhrwerke.
Daß auch geringeres Reisholz in zerkleinertem (gequetschten) Zustand und mit
einem Gärungsstoff (Sauerteig) versetzt, vorteilhaft zur Fütterung von Rind-
vieh und Pferden verwendet \\erden kann, wurde durch X'ersuche festgestellt, welche
Gutsbesitzer von Jena- Cöthen und Prof. Dr. R a m a n n angestellt haben. (Vergl.
Dr. R a m a n n und von Jena-Cöthen: Holzfütterung und Reisigfütterung,
Berlin 1894.) Auch hat man aus Sägemehl, Kleie und Roggenmehl Brote hergestellt,
die ein brauchbares Pferdefutter darstellen.
Die meiste Beachtung des Forstmannes verdient der Bedarf an Hopfen-
stangen und W e i n p f ä h 1 e n, die in großen Mengen begehrt werden und
zu Zeiten einen sehr guten Absatz für Durchforstungsergebnisse selbst entlegener
Waldungen darbieten.
Die Hopfenstangen, deren Absatz allemal dann besonders ausgedehnt
zu sein pflegt, wenn einige gute Hopfenjahre vorausgegangen sind, durch welche
der Antrieb zur weiteren Ausdehnung der Hopfenanlagen gegeben wird, sind Gegen-
stand des Großhandels. Man unterscheidet im Handel verschiedene Preisklassen von
Hopfenstangen je nach Stärke und Länge der Stangen, die örtlich verwendeten
Längen richten sich nach dem Längenwuchs des Hopfens auf den einzelnen Stand-
orten. Verwendung finden mit Vorliebe Fichtenstangen, seltener Tannen und Kie-
fern. Zur Förderung des Austrocknens, behufs Ersparnis an Fracht, werden die Stan-
gen entrindet, jedoch nur streifenweise, so daß die Hopfenranken noch Halt finden.
Neuerdings werden vielfach Drahtanlagen hergestellt, wobei nicht mehr die schwachen
Hopfenstangen, sondern stärkere Stangen, ja selbst schwache Stämme der Nadel-
hölzer zur Herstellung der Gerüste Verw'endung finden.
W e i n p f ä h 1 e gewinnt man aus Eichen, Fichten, Tannen, Kiefern, sowie
auch Kastanien und Akazien. ]\Ian unterscheidet die wertvolleren gespaltenen und
die weniger dauerhaften gesägten und runden Weinbergpfähle. Die Kastanien-
pfähle, die im Elsaß in Verwendung stehen, stellt man durch gespaltene Stockaus-
schläge der Edelkastanie her, die im Niederwaldbetrieb gewonnen werden.
1) Ein beaclitenswerter Absatz von Eichenpfaliliiölzern stärkerer Dimensionen findet aus
Mittel- und Süddeutschland auf dem Rhein nach Holland statt, woselbst zu den Gerüsten der
Feimen in Sechsecksform diese Eichenpfähle (Ber^ruten genannt) tief in die Erde gerammt werden.
Auch Weißtannenhölzer werden zu diesen Zwecken verwendet.
Handb. d. Forstwiss. 2. .\ufl. II. 30
466 IX B. Stoetzer, Forstbenutzung.
lieber die senkrecht eingeschlagenen Weinpfähle werden da, wo man den Wein
in die Länge zieht, auch noch Querlatten gespannt.
Die Verwendung der Fichten-, Tannen- und Kiefernweinpfähle bildet in
manchen Gegenden einen beachtenswerten Beitrag zur Erhöhung der Nutzholz-
ausbeute ^).
§ 13. Brennholz. Je mehr durch Ausdehnung des Eisenbahnnetzes die
fossile Kohle als Feuerungsmaterial für Wohnungen und Fabrikanlagen an Boden
gewonnen hat, vmi so mehr ist der Bedarf an Brennholz zurückgegangen, und es ist
in dieser Beziehung in vielen Forsthaushalten ein völliger Umschwung in den Absatz-
und Verwertungsverhältnissen eingetreten. Dank der ausgedehnten Vervvendungs-
fähigkeit des Holzes als Nutzholz zu den vielen Zwecken, deren hervorragendste wir
bereits betrachtet haben, hat sich dieser Umschwung in den meisten Gegenden mit
nur vorübergehenden Störungen vollzogen; dieselbe Eisenbahn, welche die Kohlen
ins Land bringt, ermöglicht auch öfters die Ausfuhr von Nutzhölzern in früher nicht
gekanntem Umfange und begünstigt die Anlage nutzholzverbrauchender Fabriken.
— Immerhin ist die Verwendung des Holzes als Brennholz, wenn man die i\Iasse
desselben im prozentischen Verhältnis zum Gesamtholzeinschlage ausdrückt, gegen-
über der des Nutzholzes in Deutschland immer noch überwiegend, hauptsächlich
im Gebiet der ausgedehnten Laubholz-, namentlich Buchenforste, da sich der
Uebergang zur grundsätzlichen Nutzholzwirtschaft nur allmählich vollzieht und noch
viel langsamer wirksam werden kann.
Die Verwendung des Holzes zu Feuerungszwecken ist eine verschiedene. Das-
selbe dient vorwiegend zur Heizung d e r W o h n r ä u m e, also zur Erzeugung
stetiger Wärme, wozu sich die Laubhölzer, insbesondere das Buchenholz, eignen;
dann aber alsAnzündholz für die Steinkohlenfeuerung, hier
ist das Nadelholz vermöge seiner raschen Entzündbarkeit vorzuziehen; und endlich
zum Betrieb gewerblicher und industrieller Anlagen.
In geringerem Umfange dient das Brennholz auch der Gewinnung von Holz-
kohle im Wege unvollkommener Verbrennung, worauf diese dann ihrerseits wieder
in mannigfaltiger Weise seitens der Gewerbe Verwendung findet.
Zur Heizung der Wohnräume sowie zum Verbrauch in der Küche sind die harten
Holzarten, und unter diesen die Rotbuche, besonders begehrt. Ihr nahestehend ist
die Birke sowie das geschälte Jungeichenholz, während Alteiche im Wert bedeutend
zurücktritt; altes Eichenholz wird besonders zum Räuchern von Fleisch- und Wurst-
waren geschätzt.
Zur Bäckerei, zum Betrieb mancher gewerblichen Anlagen und Fabriken, z. B.
Ziegelbrennereien, Kalköfen, Porzellanfabriken, Glashütten, kurz zu allen Zwecken,
bei denen es auf intensive flammende Hitze ankommt, wird dem Nadelholz der Vor-
zug gegeben.
Die Kohle endlich verwenden zahlreiche Gewerbe, die Metalle verarbeiten, z. B.
Schlosser, Schmiede, Goldschmiede, sowie, wenn auch nicht mehr im früheren Um-
fange, die gesamte Metallindustrie.
Auch gebraucht man Kohle zur Pulverfabrikation, wobei für feineres
Pulver die schwachen, 1 y^ — 3 cm starken Ruten des Faulbaumholzes (Rhamnus
frangula), für geringere Sorten die Prügelhölzer der Weißerle in großen Mengen Ver-
wendung finden.
In Glashütten, in denen eine anhaltende, stark brennende Flamme not-
wendig ist, findet eine Verbrennung resp. Verkohlung des Holzes statt, vermittelst
1) Schnittspahn, Anfertigung der Wingertspfähle. F. Z.-Bl. 1883, S. 22.
Verwendung des Holzes und der Rinde. § 14. 467
deren ein Holzgas gewonnen wird, dessen Flamme die Glasmasse? in geschmolzenen,
glühendflüssigen Zustand bringt mid leichter darin erhält als bei unmittelbarer An-
wendung von Holz. Zur Herstellung klarer Gläser ist Brennholz ganz unentbehr-
lich, da das Glas durch Venvcndung von Steinkohlen getrübt wird.
Auch in der P o r z e 1 1 a n f a b r i k a t i o n kann Holz für Herstellung von
Gegenständen, die eine gewisse empfindliche blaue Farbe erhalten, nicht entbehrt
werden, da bei Anwendung der Kohle die sich bildenden Gase durch ihren Gehalt an
schwefliger Säure auf diese Farbe zerstörend einwirken.
Durch Verkohlung des Holzes in Retorten werden neben der Kohle noch
gewisse Nebenprodukte, z. B. Holzessig und Holzteer, gewonnen. Diese
Stoffe haben durch die Entwickelung der chemischen Industrie große Bedeutung er-
langt, der Holzteer wird überdies in beträchtlichen Mengen zum Anstrich von Schiffen
verwendet. Die gewinnbringende Erzeugung dieser Stoffe in Deutschland ist jedoch
durch den lebhaften Wettbewerb des billiger erzeugenden Auslands heute noch sehr
erschwert. Die ^'erkohlungsindustrie kann mangels eines wirksamen Zollschutzes
nicht in Blüte kommen; ein solcher ist aber wohl, da es sich um die Rohstoffe für
blühende Industrien handelt, auch in Zukunft nicht zu erwarten. Holzteer wird in
Massen aus Schweden, Finnland und Rußland eingeführt.
§ 14. H o 1 z V e r w e n d u n g nach den verschiedenen Holz-
arten und Sortimenten. Wir fassen hier das über die Verwendung des
Holzes, insbesondere des Nutzholzes, bisher Mitgeteilte zusammen, und zwar getrennt
nach den gebräuchlichsten Holzarten und deren einzelnen Sortimenten:
1. Laubhölzer.
Der Eichenwald liefert in starken Stämmen das Material zu Mühl-
wellen, zu den stärksten Teilen der Poch- und Hammerwerke, zu Schiffsbauholz
(Holländer), zu Brücken- und Schleusenbauten, außerdem Schneidehölzer für das
Tischler- und Glasergewerbe, zu Bohlen für Brücken, sowie in den untersten Stamm-
teilen Ambosklötze^). In großen Mengen werden ferner die wertvollsten Eichenspalt-
hölzer zu Fässern verarbeitet. Das mittelstarke Eichenholz wird ausgenutzt zu ge-
wöhnlichem Bauholz, zu geschnittenen Hölzern für den Grubenbetrieb, in der Haupt-
sache aber, besonders bei mangelnder Astreinheit, zu Bahnschwellenholz. Auch fallen
hier wiederum, sowie in den anbrüchigen Abschnitten der stärksten Klasse zahlreiche
Spalthölzer für Böttcher an.
Die geringeren Stämme verwendet man vorzüglich zu Wagnerholz, zu Pfählen
für Erd- und Wasserbau, zu Pfosten für Zäune und Umfriedigungen aller Art, ferner
zu Grubenholz.
Die Stangenhölzer von 14 cm abwärts gewähren die Hauptmasse des Gruben-
holzes, sowie viel Material für Wagner, für Umzäunungen, ebenso Weinbergpfähle.
Die Rinde jüngerer Hölzer (Stockausschläge) wird als Gerbrinde benützt.
Der Buchenwald, dessen geringe Rentabilität an vielen Orten noch der
1) Ein bedeutendes Absatzgebiet für süd- und westdeutscties Eiclienholz bildet Holland:
Starke Stammenden von 60 — 100 cm Durclimesser, in der Mitte durchschnitten oder durchspal-
ten, um die Güte und Spaltbarkeil beurteilen zu können, nennt man Wagenschuß (von
Wainscot, Wandgetäfel, abgeleitet). Man verlangt zartes, astreines, geradrissiges, feinfaseriges
Holz. Dasselbe wird zu feinen Tischlerarbeilen, Vertäfelungen, Fournieren etc. verwandt. Rund-
klötze und beschlagene Eichen von stärkeren Dimensionen gehen als sog. Holländer, die-
selben können ästig sein, auch schadet eine geeignete Krümmung nichts. Sie finden Verwendung
als Kanthölzer und beim Schiffsbau. Bergruten und Pfähle sind eine geringere Art der
beschlagenen Eichen; erstere werden zu Pfählen für Frucht- und Heuschober, letztere zu Ramm-
pfählen und Bauholz gebraucht. In Betreff der Sortimente des überseeischen Handels aus den
Ostseehäfen vergl. G u s e in Z. f. F. u. J. 1887, S. 175.
30*
^gg IX B. Stoetzer, Forslbenutzung.
Gegenstand stehender Klagen ist, bietet nur in beschränktem Älaße Material zur Ver-
wendung als Nutzholz. Im Hochbau sind bei genügender Stärke Buchenschnitthölier
zu verwenden zu Treppen, Fußböden, Parketts.
Im Eisenbahnbau wird Buchenholz imprägniert zu Schwellen, für Brücken zu
Belagbohlen verwandt; für Straßenpflaster, sowie zur Pflasterung von Pferdeställen
wird es ebenfalls imprägniert gebraucht. Für Schiffskiele, sowie zu Wasserbauten,
sofern das Holz ganz unter Wasser kommt, ist Buche stets sehr vorteilhaft zu ver-
wenden. Buchenklötze sind zweckmäßige Unterlagen für Maschinenbestandteile,
auch liefern sie sog. Werkholz für Maschinen, Handgriffe, Werkzeugstiele usw., und
ebenso das Material für Spaltwaren von mancherlei Art (Siebläufe, Faßdauben für
Butter- und andere zur Aufbewahrung trockener oder doch nur allenfalls feuchter
oder fettiger Gegenstände bestimmte Fässer). Der Wagner gebraucht Buchen in
Massen zu Felgen und sonstigen Bestandteilen der Oekonomiewagen, als Schlitten-
kufen usw.; im Luxuswagenbau \\ird Buchenschnittware verwandt, ebenso im
Pianofortebau; ausgedehnt ist die Verwendung zu Buchenmöbeln. Kisten geringerer
Dimensionen, sowie Schatullen, eine Menge landwirtschaftlicher Geräte, Bürsten-
hölzer, Zigarrenwickelformen, Schuhabsätze, Schuhleisten, Klärspäne, sowie Haus-
haltungshölzer der verschiedensten Art verfertigt man ebenfalls aus Buchenholz, ge-
ringere Rundhölzer geben Grubenholz. Die unbestreitbar erste Stelle nimmt endlich
das Buchenholz als Brennholz und Kohlholz ein, sowohl was die Eignung, als was die
tatsächlich verbrauchten Massen betrifft.
Hainbuchen gebraucht man zu Kämmen für Mühlwerke, zu Maschinen-
holz (Werkholz), zur Zusammensetzung von Fleischwiegeklötzen, zur Herstellung von
Hammerstielen, Dreschflegeln, von besseren Schuhleisten, zu Schuhmacherstiften.
Ahorn verwendet der Tischler zu Möbeln und Fournieren, man fertigt daraus
Parketts; in Holzwarenfabriken wird er in ausgedehntem Maße zur Herstellung fei-
ner Kästchen, zu Thermometer- und Barometerbrettchen u. dergl. gesucht; auch der
Holzschnitzer und Drechsler verarbeitet dieses Holz.
E s c h e n h o 1 z ist als Wagner- und Schreinerholz (in starken Stücken zur
Herstellung von iMöbeln), sowie beim Bau von Eisenbahnwagen, ferner zu Werkzeu-
gen, Turngeräten, Lanzenschäften, Schneeschuhen überall gut absetzbar.
Ulme n geben Wagnerholz sowie gesuchtes Tischlerholz; zu Hackklötzen ver-
wendet man die Stammenden.
Linden holz wird zu feinen Schnitzarbeiten, als Blindholz zu Fournier-
möbeln, außerdem mit Vorliebe in der Etuisfabrikation verwandt.
Birkenholz gibt in genügender Stärke gutes Schnittmaterial für Tischler,
außerdem findet es vielfachen Absatz an Wagner; die geringen Stangen geben Reif-
holz für Böttcher.
Rot-Erlen werden beim Wasserbau gebraucht, vom Schreiner zu Möbeln,
insbesondere Kleinmöbeln verarbeitet, außerdem liefern sie Schnittmaterial zu Zi-
garrenkisten; schwaches Weiß-Erlenholz gibt Kohle zur Pulverfabrikation.
Pappel- und Aspen holz findet Verwendung in der Kistenfabrikation,
zu Etuis, zu Blindholz für Möbel. Aspen werden ferner mit Vorliebe zur Papier-
fabrikation, zu Zündhölzern und Zündholzschachteln benutzt. Auch Mulden und
viele andere Schnitzfabrikate stellt man aus ihnen her.
E 1 s b e e r e ist eines unserer wertvollsten Nutzhölzer; Drechsler und Tischler
benützen dasselbe ; besonders gesucht und sehr gut bezahlt wird es zur Verwendung
für Thermometer- und Barometerbrettchen.
Verwendung des Holzes und der Rinde. § 15. 469
2. Nadelhölzer.
Die größte Ausbeute an Nutzholz gewähren Fichten und Tannen. Sie
liefern die große Masse der Hoch-, ^\"asser- und Brückenbauhölzer, Mastholz beim
Schiffsbau sowie das Material zu Schnittwaren der verschiedensten Art (Bohlen,
Bretter, Latten) zu Bauzwecken und zur Verwendung von Tischlern und Kistenma-
chern. Spalthölzer gebraucht man zur Schindel- und Schachtelfabrikation und zu
Packfässern.
Geringere Stärken verwendet man zu Gerüststangen, Telegraphen- und anderen
Leitungsstangen, zu Grubenholz, zur Herstellung von Holzwolle, und große Massen
von schwächerem Rundholz zur Papierfabrikation.
Schlanke Stangenhölzer liefern Bau-, Hag-, Hopfen- und Bohnenstangen,
Baum- und Weinpfähle usw.
Tannenholz ist manchen Ortes weniger gesucht als Fichte, insbesondere weil
vielfach alte Tannen des früheren Blenderwalds zur Abnutzung gelangen, die astig
und kernschälig sind und deshalb versteckte Fehler haben; auch ist Tannenholz
schwerer als Fichtenholz, was höhere Transportkosten mit sich bringt. Zu Fußböden
verwirft man Tanne wegen des Splitterns. Der Zimmermann nimmt Tannenholz
weniger gern zu Balken, weil seine Tragkraft derjenigen der Fichte nachstehen soll,
er verwendet es aber mit Vorliebe zu Schwellen.
Beim Wasserbau hat es den Vorzug vor der Fichte.
Kiefern geben in stärkeren Dimensionen und bei genügender Feinjährigkeit
ein gesuchtes Oualitätsholz für Glaser, Tischler, sowie Mastholz. Auch findet Kiefern-
holz viel Verwendung zu Bahnschwellen. Als Bauholz wird es in den eigentlichen
Kieferngegenden dem Fichtenholz vorgezogen, findet auch vielfach Verwendung zu
Treppen, Zimmerböden, Täfelungen usf. Sehr gesucht ist es zu Grubenholz und
wird als solches in ungeheuren Massen verbraucht. Ebenso wird es geschätzt zu an-
dern Verwendungsarten unter der Erde (Pfähle zu Rostwerken); auch zu Eisenbahn-
wagen, Geschützbettungen u.sw. und hier der Fichte und Tanne vorgezogen.
Lärche steht zu Bauholz sowie Schreinerholz, ebenso zu Grubenholz im be-
sten Ansehen. Oertlich wird sie gesucht zur Auskleidung der Lohgruben in den Ger-
bereien, zu Stallböden, Düngerfässern usw.
Weymouthskiefer gilt wegen ihrer Stetigkeit (geringen Neigung zum
Werfen) als ein gutes Holz für Tischlerzwecke (Blindholz) sowie als Modellholz; als
Bauholz ist sie wegen mangelnder Tragfähigkeit für manche Zwecke etwas mit Miß-
trauen angesehen; gegen Fäulnis ist sie entschieden sehr widerstandsfähig; Stangen-
hölzer sind außerordentlich zähe und haltbar. Das Holz hat eine gute Zukunft in be-
zug auf Verwendung in der Zündholzfabrikation, zu Kisten, Jalousien, Särgen usw.
Zürbelkiefer (Arve) ist ein wertvolles Tischlerholz, das infolge seiner
schönen gelbbraunen Farbe namentlich zu Täfelungen gesucht wird. Auch findet es
Verwendung zu Schnitzarbeiten.
§ 15. Verwendung der Rinden. Die Rinden verschiedener unserer
Holzarten, insbesondere der Eiche sowie der Fichte, untergeordnet der Erle und Birke,
finden vermöge ihres Reichtums an Gerbsäure Ver%vendung beim Gerben des Leders
aus tierischen Häuten. Als bestes gerbstofflieferndes Material wird zweifellos die
Eichenrinde anerkannt ; ihr gegenüber erscheinen die Rinden anderer Hölzer teils als
Ergänzungs-, teils als Ersatzmittel i).
1) Z. f. F. u. J. 1879, S. 1. Schütze, Untersuchungen über den Gerbstoffgehalt der
Eichenrinde; das. 1882, S. 103. C o u n c I e r, Untersuchungen über den Gerbstoffgehalt der
Eichenrinde; das. 1884, S. 1. D e r s., Gerbstoffgehalt einiger inländischer Rinden; das. S. 543.
D e r s., Ueber einige inländische Gerbmalerialien und deren Gerbstoffgehalt.
470 IX B. S t o e t z e r , Forstbenutzung.
Eine Zeitlang hatte in den 1880er Jahren eine Bestrebung Platz gegriffen, um
die immerhin langwierige, große Kapitalien beanspruchende Loh gerberei durch das
Verfahren der Metallgerbung mit Eisen (nach Knapp) oder Chrom (nach H e i n-
z e r 1 i n g) zu ersetzen. — Durchschlagende Erfolge im großen sind damit nicht erzielt
worden; die Haltbarkeit und Güte lohgaren Leders, insbesondere des Sohlenleders,
scheint eine längere Einwirkung des Gerbstoffes auf die rohen Häute zu bedingen,
als dies bei der Metallgerbung vorausgesetzt wird ^).
Hingegen ist der inländischen Lohrinde ein beträchtlicher Wettbewerb durch
auswärtige Rinden (aus Ungarn, Frankreich), ferner durch die im Verhältnis zum
Wert billig zu verfrachtenden Gerbsäureextrakte, endlich durch gewisse Ersatzstoffe
erwachsen, z. B. die V a 1 o n e a, d. h. den Fruchtbecher der Quercus aegilops und
Q. graeca, die K n o p p e r n, d. h. Gallen der Gynips calycis auf den Fruchtbechern
der Eichen, bes. in Ungarn, 30 — 45 °i Gerbsäure enthaltend ; dazu sind noch in
neuerer Zeit gekommen: D i v i d i v i, die Schoten eines Strauches Caesalpina co-
riaria, M y r o b a 1 a n e n, Früchte von Terminalia Chebula in Ostindien, ferner die
Funde der Mimosen u. a. Der bedeutendste Wettbewerb erwächst jedoch der deut-
schen Eichenrinde in neuerer Zeit durch das Quebrachoholz (Schinopsis balance),
das aus Argentinien bezogen wird und in geraspeltem Zustand oder auch als Extrakt
zur Anwendung gelangt, wodurch — gegenüber dem älteren Verfahren der Gerberei
in Lohgruben — eine wesentliche Abkürzung des Gerbungsprozesses herbeigeführt
und somit die Lederfabrikation verbilligt wird. Während verschiedene Ersatzstoffe
nur zur Herstellung leichter Luxusledersorten gebraucht werden, wird mit Hilfe des
Ouebracho auch Sohlenleder gegerbt. Es ist eine Erzeugung minderwertigen Leders
mit Anwendung dieses Stoffes an sich niclit verbunden; nur insofern soll dessen
Güte beeinträchtigt werden, als eine Behandlung der Häute mit angreifenden Säuren
behufs leichter Schwellung derselben mit der Verwendung des Ouebrachoholzes
Hand in Hand zu gehen pflegt.
Bei der großen Entwickelung der deutschen Gerbereibetriebe steht es fest, daß
der Bedarf der deutschen Lederfabrikation an Gerbmaterial durch die inländische
Rindenerzeugung bei weitem nicht gedeckt wird, daß also ein Ersatz des Mangels
durch Einfuhr und durch Ersatzstoffe unentbehrlich ist'^).
Der Gerbstoff findet sich in der Bastschicht der Stämme ; die Rinde von üppig
erwachsenen jüngeren Eichenstämmen und Stockausschlägen aus den Eichennieder-
waldungen (Lohschlägen), die noch eine glatte Borke hat und deshalb S p i e"g e 1-
oder Glanzrinde genannt wird, ist besonders reich an Gerbsäure und daher am
wertvollsten. Die von älteren Eichenstämmen gewonnene Rinde hat einen höheren
Prozentsatz von abgestorbener, harter Borke, die einen für die Gerberei weniger
geeigneten Zusatz zu der eigentlichen Lohe darstellt. Daß die jungen Zweige der Eiche,
insbesondere der unverholzten Spitzen, einen bedeutenden Gehalt an Gerbstoff be-
sitzen, darauf hat schon Th. H a r t i g in seiner Schrift (Ueber den Gerbstoff der
Eiche, 1869) aufmerksam gemacht, neuerdings wird diese Erfahrung praktisch zur
Gewinnung von Eichenlohextrakt verwertet. Auch aus Eichenastknüppeln gewinnt
man Tannin ; diese Fabrikation findet sich u. a. in Slavonien ; 1885 wurde berichtet, daß
eine einzige dortige Eichenholzextraktfabrik jährlich 80000 rm Abfallholz verarbeite ').
1) Z. f. F. u. J. 1883, S. 30G. v. .\ 1 t e n , Die Mineralgerbung, ferner über denselben Gegen-
stand A. F.- u. J.-Z. 1881, S. 213.
2) Mit diesen Fragen, sowie mit der öl<onomischen Seite des Eichenschälwaldes beschäftigen
sich: Schenk, Die Rentabilität des deutschen Eichenschälwaldes, Darmstadt 1899. J e n t s c h,
Der deutsche Eichenschälwald und seine Zukunft, Berlin 1899.
3) Oe. F. 1885. Nr. 44. Ueber die neuere Tanninfabrikation in .Slavonien berichtet Forstass.
M e r t e n in Ztschr. für F. u. J. -Wesen 1900, Heft 5.
\'erwendung des Holzes und der Rinde. § 15. 47I
Von den in Deutschland heimischen Eichenarten, der Stiel- und der Trauben-
eiche, gilt die letztere als diejenige, welche eine fleischigere, gerbstoffreichere Rinde
gewährt. In Süd- und Westdeutschland überwiegt sie, im Norden und Osten ist die
Stieleiche vorherrschend.
Wichtiger als die Gattung der Eiche ist für die Güte der Rinde der Standort,
auf dem das Holz erwächst, das Zusammenwirken von Boden, Lage und Klima.
Warmes Klima in Verbindung mit sonniger Lage und einem mineralisch nicht
unkräftigen Boden sind die wesentlichsten Faktoren für Erzeugung guter Eichenlohe.
Zu den bekanntesten Eichensciiälwaldgebieten Deutschlands gehören die Rhein-,
Mosel- und Nahelandschaften, sowie die Saargegend imd der Odenwald, vielfach mit
einem Untergrund von sich stark erwärmendem lockeren Schieferboden, im Odenwald
jedoch von buntem Sandstein. Die rheinischen Rinden sind weltbekannt; mit ihnen
treten französische und ungarische Rinden in Wettbewerb.
Die Betriebsform des Eichenniederwaldes liefert insofern die besten Rinden, als
mit zunehmendem Alter der Bestände die Güte der Rinde entschieden abnimmt.
Man bezeichnet deshalb auch die niedrigen Umtriebe von 12 — 16 Jahren als die zweck-
mäßigsten für den Eichenschälwald.
Infolge des Umstandes, daß für die gute Entwickelung der Lohrinde starke
Einwirkung des Lichtes von besonderem Wert ist, wird das Belassen von Oberholz
im Eichenschälwald durchgehends verworfen, ja es werden angemessene Durchfor-
stungen, sowie insbesondere der Aushieb der Weichhölzer (des sog. Raumholzes)
einige Jahre vor dem beabsichtigten Abtrieb sehr empfohlen ; überhaupt erscheint es
geraten, Lohschläge womöglich in ganz reiner Eichenbestockung zu haben. Was den
Einfluß der Durchforstungen anlangt, so gibt Gayer denselben dahin an, daß die
Menge an Holz um 27%, an Rinde um 20 °i erhöht werde; gleichzeitig bewirkt die
freiere Stellung der Stockausschläge eine Zunahme der Rindengüte. Die LTnterlas-
sung der Grasnutzung und des Weidebetriebs in Schälwaldungen sollen ebenfalls zur
Erhöhung der Rindengüte nicht unwesentlich beitragen.
Neben der Eichenrinde dient die F i c h t e n r i n d e als Gerbmaterial. Sie
wird für bestimmte Zwecke als notwendig, ja unentbehrlich bezeichnet. Sie wird ins-
besondere verwendet zur Zubereitung des Kalb- und schwachen Rindleders ; zur Her-
stellung starken Sohlenleders ist sie nur im Gemisch mit Eichenlohe oder Ersatz-
stoffen verwendbar. Besonders im Norden und Osten Deutschlands, sowie in den
Ostseeprovinzen und in Polen findet sie Verwendung.
Man gewinnt die Fichtenrinde besonders in solchen Gebirgslagen, in denen
Sommerfällung üblich ist; junge Stämme mit glatter Rinde liefern das beste ^Material
und zwar nicht wegen eines geringeren Gerbstoffgehaltes der starken Borke, sondern
wegen eines in letzterer .vorhandenen rötlichen Farbstoffes, der das Leder etwas dunk-
ler machen soll.
Lärchenrinde wird in Deutschland wohl kaum zur Gerberei benützt,
hingegen in Rußland, Ungarn, Oesterreich mit Vorliebe verwendet. In den Alpen und
Karpathen soll sie sogar der Fichtenrinde vorgezogen werden. Es dürfte die Nicht-
beachtung in Deutschland an ihrem verhältnismäßig seltenen Vorkommen liegen;
nach Councler ist ihr Gerbstoffgehalt bedeutend höher als derjenige der Fichte. Nach
diesem Autor ist auch die Weißtannenrinde nicht so arm an Gerbstoff als
gewöhnlich angenommen wird.
In Amerika wird die Rinde der Hemlocktanne (Tsuga canadensis) zur Gerberei
benützt. Dieselbe wird auch nach Deutschland ausgeführt.
Weidenrinden sollen als Gerbematerial in Rußland namentlich zum Ger-
472 IX B. Stoetzer, Forstbenutzung.
ben des Juchtenleders geschätzt werden ; in Deutschland, wo infolge der Verwendung
geschälter Weiden zur Korbwarenfabrikation viel Weidenrinden zu gewinnen wären,
ist dies nicht der Fall, und es soll nach Councler auch kaum Aussicht vorhanden sein,
daß Weidenrinden bei uns zum Gerben benutzt werden. Während das Gerbstoff-
prozent der Eichenrinde je nach Alter und Güte zwischen 8 — 12% beträgt, Fichten-
rinde etwa 10% Gerbstoff enthält, hat Weidenrinde nach Councler nicht mehr als
5-7% 1).
Auch Birkenrinde gelangt in nordischen Ländern in untergeordnetem
Maße bei der Gerberei zur Anwendung. Bei Darstellung des Juchtenleders findet eine
Tränkung desselben mit Birkenöl, einem Extrakt aus der obersten weißen Schichte
der Birkenrinde, statt.
II. Gewinnung des Holzes und der Rinde.
§ 16. F ä 1 1 u n g s p 1 a n. In jedem größeren Forsthaushalt wird die Holz-
nutzung in bestimmten Grenzen der Nachhaltigkeit betrieben. Die Normen für die-
selbe liefert die Ertrags- und Betriebsregelung, welche Bestimmung darüber trifft,
wie viel alljährlich zu schlagen ist und w o und in welcher Weise
die Nutzungen zu erheben sind. Damit ist die Art des Vorgehens der Ernte am ein-
zelnen Orte bestimmt"). Dem wirtschaftenden Beamten liegt die Aufgabe ob, vor
Beginn eines neuen Wirtschaftsjahres einen ins Einzelne gehenden Fällungsplan auf-
zustellen, der die Nutzungsmassen bestimmt imd auf die einzelnen Ernteorte verteilt.
Dieser Plan hat alsdann als Richtschnur für die Hiebsanordnungen des betreffenden
Jahres zu dienen.
Der Fällungsplan hat innerhalb der Grenzen der Nachhaltigkeit einen möglichst
hohen Ertrag des Waldes anzustreben. Die Hauungen müssen so geleitet werden,
daß der herrschenden Nachfrage möglichst entsprochen wird, sie müssen dafür sorgen,
daß das in den Jahresschlägen imd deren Ergebnissen bestehende Verkaufslager des
Forstwirtes nach Möglichkeit alle marktfähigen Sortimente in geeigneter Menge auf-
weist; es empfiehlt sich daher, aus jeder der innerhalb eines Revieres vorkommenden
Bestandesarten in jedem Jahr einen angemessenen Teil des Massennutzungssatzes zu
nutzen und nicht etwa in einem Jahr vorwiegend Hölzer von der einen, im anderen
Hölzer von einer anderen Sorte zum Einschlag und zur Verwertung zu bringen; sofern
die Marktlage es nicht ausnahmsweise wünschenswert macht, von der einen Holzart
etwas mehr Masse auf den Markt zu bringen als dies durchschnittlich zulässig ist, wie
z. B. bei einer durch Bauten in der Nähe des Reviers bedingten größeren Nachfrage
nach Bauholz, bei einer zufälligen Möglichkeit der Verwertung gewisser seltener Sor-
ten, z. B. Schiffsbauhölzer und dergl.
Auch darauf ist zu sehen, daß Endnutzungen und Durchforstungen in nachhalti-
ger Weise nebeneinander betrieben und nicht die eine Nutzungsart zu Ungunsten der
anderen in einem Jahre besonders bevorzugt werde. Jedoch sind auch hierbei Aus-
nahmen nicht nur zulässig, sondern unter Umständen geradezu geboten. So z. B. wird
man die Erfahrung machen, daß Hopfenstangen in einzelnen Jahren ausgezeichnet gut
zum Handel zu verwerten sind, in einer ganzen Reihe darauf folgender Jahre hingegen
wiederum nicht. Offenbar ist es deshalb geboten, eine solch günstige Marktlage best-
möglich auszunutzen und eintretendenfalls dem Betrieb der Durchforstungen zur
1) Z. f. F. u. J. V. 1884, S. 551 und das. 1886, S. 296.
2) Näheres über diesen Gegenstand, und zwar sowohl bezüglich allgemeiner Erwägungen,
wie auch der Betrachtung der einzelnen Betriebsarten vergl. Wagner, „Grundlagen der räumlichen
Ordnung im Walde", 2. Aufl., S. 252 — 270 (2. Kapitel, Die Ernte des Holzes), sowie S. 280 — 292.
Gewinnung des Holzes und der Rinde. § 17. 473
Gewinnung der Hopfenstangen selbst unter Zurückstellung von Endnutzungen eine
entsprechend große Ausdehnung zu geben.
Einem verfeinerten Betriebe (Kleinflächenwirtschaft) wird eine gewisse Verviel-
fältigung der Schlagorte zur Gewinnung von möglichst reicher Auswahl in den
Schlagergebnissen und zur Vermehrung der Sortenausbeute in der Regel sehr zu
statten kommen.
§ 17. F ä 1 1 u n g s z e i t. Die allgemeine, von alters her in Geltung befindliche
Regel geht dahin, daß die Holzfällungen möglichst außer der Wachstumszeit zu be-
treiben sind, und diese alte praktische Erfahrung bestätigt sich auch in den Ergeb-
nissen der wissenschaftlichen Untersuchungen der neueren Zeit und ergibt sich ebenso
aus dem inneren organischen Bau und der Zusammensetzung des Holzkörpers aus
verschiedenen organischen Stoffen und deren verschiedenen Beschaffenheit in und
außerhalb der Vegetationszeit. Jene Periode, vom Laubabfall bis zum Wiederaus-
bruch des Laubes bemessen, nennt man auch die Wadelzeit oder den W a d e 1.
Innerhalb derselben sind namentlich die Hauungen im Laubholz zu betreiben.
Von größter Wichtigkeit ist dies in Buchenbeständen, deren Verwertung als
Nutzholz beabsichtigt ist. Die unangenehmste Eigenschaft des Buchennutzholzes ist
die, daß es so leicht reißt und stockig wird ; das einzige im großen praktisch anzuwen-
dende Mittel hiergegen ist, das Holz sehr früh im Winter zu fällen und dann so zeitig
wie möglich im rohen zu verarbeiten i).
Was den Einfluß der Fällungszeit auf die anderen Hölzer, namentlich Nadel-
hölzer anlangt, so nimmt man vielfach an, daß im Sommer gefälltes Holz der Verbrei-
tung des Hausschwammes günstiger sei als das im Winter gefällte -).
Eine Scheidung lediglich von Sommer- und W i n t e r f ä 1 1 u n g, wie üb-
lich, dürfte nicht einwandfrei sein, insofern es sowohl innerhalb wie außerhalb der
Vegetationszeit ^lonate gibt, die der Fällung in Hinblick auf die Güte des Holzes
günstig und ungünstig sind. Entscheidend für die Beurteilung der Fällungszeit ist
die Güte des Holzes, das aus ihr hervorgeht, und diese hängt, da ja die Holzqualität
auf dem Stocke zu allen .Jahreszeiten dieselbe ist, in erster Linie von der Witterung
ab, die unmittelbar nach der Fällung, also in denjenigen Monaten
herrscht, während deren das Holz gefällt und aufbereitet im Walde liegt, um wald-
trocken zu werden; dann wohl auch von der Menge und Form, in der die dem Angriffe
der Pilze am meisten ausgesetzten Stoffe, Eiweiß, Zucker usw. zur Zeit der Ernte im
Holze vorhanden sind. Befinden sich letztere in Ruheform und zeigt die Witterung
nach der Fällung noch längere Zeit eine sehr niedrige Temperatur oder herrscht große
Trockenheit, so daß dem Holze Zeit bleibt, gut auszutrocknen, ehe die Pilze ein-
dringen köiuien, so wird die Holzqualität eine gute sein, andernfalls werden die Schlag-
produkte durch Lagerung im Walde leiden.
Gute Fällungszeiten wird darum vor allem der Vorwinter (Oktober bis Ja-
nuar) aufweisen, der demgemäß auch für alle Holzarten als beste Fällungszeit gilt,
denn hier bleibt den aufbereiteten Hölzern reichlich Zeit, auszutrocknen, ehe mit
steigender Temperatur die Pilzwucherung beginnt ; auch enthält das Holz Eiweiß und
Kohlenhydrate in Ruheform. Bedingt wird auch die Zeit des ersten Safts (Mitte
Mai bis Mitte Juni) in Frage kommen, da hier, bei günstiger Witterung wenig-
1) Am besten soll Buchenholz vor dem Reißen zu schützen sein, wenn man die Stämme
im Winter fällt, aber mit dem Reisig bis zum .\usbruch des Laubes liegen läßt, wobei die Schnitt-
fläche des Stammes zu bedecken, längs derselben die Rinde streifenweise zu entfernen ist (B i a 1 1 a
in Oe. F. 1885, S. 2). Das Austrocknenlassen durch die Belaubung ist übrigens uralt.
2) G ö p p e r t , Prof., Der Hausschwamm, herausgegeben und vermehrt von Prof. Dr.
Poleck 1885. Rob. Hartig, Der Hausschwamm 1885.
474 IX B. Stoetzer, Forslbenutzung.
stens, rasches Austrocknen stattfindet, das durch volle Entrindung noch beschleu-
nigt wird.
Als schlechte Fällungszeiten werden dagegen Nachwinter und Frühjahr (Januar
bis Anfang Mai) und die Zeit des zweiten Safts (Zeit von Mitte Juni ab) zu gelten
haben.
Die in Hinsicht auf die verschiedene Dauer der zu verschiedenen Jahreszeiten
gefällten Hölzer angestellten Untersuchungen haben noch keine über alle Zweifel er-
habenen Resultate zutage gefördert; nach Professor Bauschinger in München haben
Fichten und Kiefern, die im Winter gefällt wurden, 2 — 3 Monate nach ihrer Fällung
geprüft, unter sonst gleichen Umständen eine um ca. 25% größere Festigkeit und
Elastizität ergeben, als solche, die im Sommer geschlagen waren. Ein in Tharandt
gemachter größerer Versuch zur Feststellung der besten Fällungszeit für Nadelhölzer
erfolgte so, daß man in jedem Monat Fichten fällen und zerschneiden ließ, hierauf
aber die Stöcke von jedem Monat gleichmäßig auf die verschiedenste Weise behandelte
(Aufbewahrung auf luftigem Speicher, in feuchtem Räume, im Freien, unter Dach etc.).
Hierbei hat sich keinerlei Gesetzmäßigkeit hinsichtlich des günstigeren Einflusses der
einen oder der anderen Fällungszeit ergeben, sondern es waren die äußeren Umstände
und Einwirkungen, denen die Hölzer ausgesetzt waren, für ihre größere oder geringere
Dauer maßgebend ^).
Nach anderen vergleichenden Beobachtungen fand man die im Vorwinter ge-
fällten Hölzer dauerhafter als die vom Januar an geschlagenen^).
Trotzdem sind Ausnahmen von der Regel der Winterfällung unter gewissen Um-
ständen unvermeidlich. Im rauhen Gebirge, in dem hoher Schneefall die Holzhauerei
innerhalb der eigentlichen Wintermonate geradezu unmöglich machen \\'ürde, kann
diese erst mit dem beginnenden Frühjahr eingeleitet werden und dauert in der Regel
bis spät in den Sommer hinein." Sie hat es in der Hauptsache mit der Fällung der
Nadelhölzer zu tun, und es ist Sommerfällung hier von Vorteil, insofern durch die-
selbe die Möglichkeit des Schälens der Nadelhölzer gegeben ist, was sowohl mit Rück-
sicht auf die Verwertung der Rinden, als auch wegen des Austrocknens der Hölzer
behufs des erleichterten Transportes derselben, insbesondere bei bestehender Flößerei
(Trift), endlich auch wegen Abwehr des Nutzholzbohrkäfers (Bostrichus lineatus) und
des gewöhnlichen Borkenkäfers (Bostrichus typographus) hier unerläßlich ist.
Der Hieb im ersten Safte mit vollständiger Entrindung hat bei Fichte und
Tanne den Vorteil, daß infolge des raschen und guten Austrocknens in der Mai-
und Junihitze das noch wenige Reservestoffe enthaltende Holz schöne weiße
Farbe zeigt, also zu Schnittwaren beliebt ist, da Schimmelpilze nicht Zeit hatten, zu
wuchern. Doch ist der Erfolg sehr von der Witterung abhängig, auch wirkt das stär-
kere Reißen des Holzes nachteilig. Sehr ungünstige Eigenschaften zeigt dagegen
nach den Erfahrungen des Bearbeiters das Holz aus dem sog. zweiten Safte (um Jo-
hanni); dasselbe trocknet schlecht aus, bleibt daher schwer und liefert graugefärbte
Schnittwaren.
Im Ausschlag\vald ist die Periode strengster Winterkälte zur Ausführung der
Hauungen unzweckmäßig, weil die Stöcke unter der Einwirkung des Frostes leicht
eingehen. Es empfiehlt sich also der Nachwinter als zweckmäßigste Hiebszeit behufs
Erlangung guten Stockausschlages, es sei denn, daß man in Brüchern (Erle) wegen
der Nässe nur im Winter mit hartem Frost arbeiten kann ; in E i c h e n s c h ä 1-
schlagen findet die Frühlingsfällung ausschließliche Anwendung, da die Gewin-
1) Tharandter Jahrbuch 1879, S. 53 ff.
2) Allg. F.- u. J.-Ztg. 1883, S. 432.
Gewinnung des Holzes und der Rinde. § 18. 475
nung der Eichenrinde an die Periode des Knospen- und Laubausbruches gebunden ist.
Nach neueren Erfahrungen empfiehlt es sich hier jedoch ganz besonders, mit dem
Hieb der Stockausschläge und mit dem Schälen derselben nicht länger als unumgäng-
lich nötig zu warten, da ein Rückgang des Gewichtes der Rinde mit deua Fortschreiten
der Jahreszeit verbunden zu sein scheint^). Auch für Durchforstungen in Laubholz-
beständen ist der Vorsommer zweckmäßig, weil die bei diclitem Stand schlank er-
wachsenen Stangen, wenn dieselben im blattlosen Zustand freigestellt werden, dem
Schneebruch des Winters leichter unterliegen, als wenn sie, während der Vegetations-
periode durchforstet, Zeit gehabt haben, noch etwas fortzuwachsen und hierbei zu
erstarken.
Lichtende Aushiebe in natürlichen Verjüngungen wird man hingegen tunlichst
im Winter bei Schnee vornehmen, um deua Nachwuchs durch den Fällungsbetrieb
und das Anrücken möglichst wenig Schaden zuzufügen.
Die Aufarbeitung von Bruch- und Dürrhölzern pflegt man stets so zeitig als
möglich vorzunehmen, um etwaigen Insektenschäden vorzubeugen.
Von besonderer Bedeutung ist die frühzeitige Anlage der Hauungen zur Gewin-
nung der Nutzhölzer. Die Erfahrung lehrt, daß in der Regel bei zeitigem Verkauf
die besten Ergebnisse erzielt werden. Namentlich gilt dies für Laubnutzholz und
hier besonders für Buchen-, Eschen-, Ahornstammholz usw., für Eisenbahnschwellen,
sowie für Grubenholz, desgleichen für Hopfenstangen. Es ist eine gewöhnliche Er-
scheinung, daß die Holzkäufer Gewicht darauf legen, frühzeitig den Jahresbedarf zu
decken, so daß, um in dieser Hinsicht sicher zu gehen, bei den ersten Ankäufen, die
sie abschließen, nicht selten höhere Preise von ihnen angelegt werden als später.
Holzhändler, welche Schwellen und andere Hölzer zurichten lassen, haben na-
mentlich auch mit Rücksicht auf die ihnen während der Winternionate leichter zur
Verfügung stehenden Arbeitermannschaften, sowie auf deren fortlaufende Beschäf-
tigung auf zeitigen Einkauf besonders Bedacht zu nehmen.
In vielen Gegenden, in denen die Holzhauerei nicht das ganze Jahr hindurch
betrieben wird, bildet sie eine gerne benutzte Arbeitsgelegenheit für Arbeiter, die wäh-
rend des Sommers in der Landwirtschaft, beim Baugewerbe oder sonstwie beschäftigt
sind, so daß die Rücksicht auf rechtzeitige Beschäftigung solcher Arbeiter als Holz-
hauer dazu auffordert, zeitig im Herbst mit dem Holzhauereibetrieb zu beginnen.
Zu erwähnen ist noch, daß beim Winterfällungsbetrieb dann, wenn das Holz fest ge-
froren ist, die Arbeit eingestellt werden muß, da sonst die fallenden Hölzer leicht zer-
splittern, bei vorhandenem Nachwuchs auch dieser mehr beschädigt wird als bei ge-
linderer Witterung, und auch für die x\rbeiter selbst gesteigerte Gefahr besteht.
§18. Art des Holz hau ereibetriebs und Anweisung der
Holzhauer. In den meisten größeren deutschen Forsthaushalten pflegt man es
für unzulässig zu erachten, die Holzernte auf dem Stock zu verkaufen und dem Emp-
fänger die Nutzung zu überlassen (Verkauf en bloc), sondern man huldigt dem Grund-
satz, die Fällung und Aufarbeitung des Holzes und der Rinde auf Rechnung des Wald-
eigentümers zu betreiben, mag nun der Verkauf auf dem Stock oder erst in aufberei-
tetem Zustande erfolgen. In der Tat ist auch im allgemeinen der Verkauf en bloc
— ein Verfahren, das in Frankreich noch allgemein herrschend ist und früher auch
in Elsaß-Lothringen üblich war, aber nach der Aufnahme dieser Länder ins Deutsche
Reich von der deutschen Verwaltung alsbald abgeschafft]|wurde — für eine gute Kon-
trolle der geschätzten Holzmassen ungeeignet; auch begibt man sich dabei der Mög-
lichkeit einer Entscheidung über die im Wald zu beschäftigenden Arbeiter, so daß die
1) V. Esch Wege in Z. f. F. u. J. 1886, S. 283.
476 IXB. Stoelzer, Forstbenutzung.
Möglichkeit des Begehens von Unterschleifen seitens derselben keineswegs ausgeschlos-
sen ist; ferner geht man des Vorteils verlustig, den eine gut geschulte Holzhauermann-
schaft, die durch ihre Verwendung im Dienste des Waldbesitzers zu Anhänglichkeit
an den Wald erzogen wird, dem letzteren in vielen Fällen bietet.
Zulässig dürfte das Verfahren der Gewinnung und Aufarbeitung durch den
Empfänger oder auf dessen Rechnung bei Stock- und Wurzelholz und bei schwäche-
rem Ausschlagholz sein, das keinen großen Wert hat, und bei dessen Fällung nicht
gerade große Mißgriffe zu befürchten sind. Bei Reinigungs- und Durchforstungs-
material kann man dem Käufer wenigstens die Aufbereitung überlassen.
Wenn man an manchen Orten durch Ueberlassen der Selbstgewinnung verkauf-
ter Hölzer an den Käufer, z. B. auch beim Verkauf von Bauholz im Stehen, bessere
Geschäfte zu machen glaubt, als bei Aufarbeitung desselben auf Rechnung der Forst-
kasse, so kann dies nur dann der Fall sein, wenn der Holzkäufer seine eigene Arbeit
nur sehr gering veranschlagt, wie dies bei ländlicher Bevölkerung während der ver-
dienstlosen Zeit des Winters bisweilen der Fall sein mag. Im übrigen mögen mancher-
lei Täuschungen unterlaufen i). Der Grund, daß der Holzkäufer, insbesondere wenn
es sich um wertvolle Nutzholzstämme handelt, eine vorteilhaftere Ausnutzung der-
selben herbeiführen werde wie die Forstverwaltung ^), kann nur dann zutreffen, wenn
die Wirtschaft nicht auf der Höhe der Zeit steht, insbesondere die Sortimentsbildung
eine unzweckmäßige ist, so daß die ausgehaltenen Längen nicht den Bedürfnissen des
Verbrauchs und Markts entsprechen, oder wo das Personal nicht entsprechend ge-
schult und zuverlässig ist. In solchen Fällen würde immer noch der Ausweg bleiben,
daß zwar der Verkauf des Holzes auf dem Stock vor der Fällung erfolgte, aber nur nach
Einheitspreisen, wohingegen die Fällung, sowie die Ablängung der Nutzhölzer auf
Rechnung des Waldeigentümers durch dessen Holzhauermannschaft, aber nach den
Angaben des Holzkäufers stattfände ^).
Eher könnte die Aufbereitung der Gerbrinde durch den Käufer in Ausnahms-
fällen gestattet werden, da hier eine rasche Abwicklung des Geschäftes nötig ist und
der Käufer öfters die dazu erforderliche größere Mannschaft leichter zu beschaffen
vermag, als dies der Forstverwaltung möglich ist. Hier ist auch die Gefahr einer Be-
schädigung stehender Hölzer oder die Möglichkeit der Entwendung nicht verkauften
Holzes weniger vorhanden, doch hat sich auch hier die Aufbereitung durch die Ver-
waltung als zweckmäßiger erwiesen.
Es kommt an manchen Orten vor, daß gewisse Waldnutzungsrechte Abwei-
chungen von der Regel der Aufarbeitung der Forstprodukte auf Rechnung und nach
den Verfügungen des Waldeigentümers und seiner Forstverwaltungsorgane bedingen,
indem es dem Berechtigten bisweilen zusteht, daß er die ihm gebührende Holzmasse
selbst fällen und aufarbeiten darf. Solche Zustände erheischen dringend Abhilfe auf
dem Wege der Gesetzgebung, damit der Waldbesitzer in seinem Eigentum auch
wirklicher Herr mit unbeschränkter Verfügung sei.
Die nächste Sorge für geordnete Ausführung der Holzhauerarbeiten im Wege
der Selbstgewinnung bildet das Bestreben, eine ständige, gut geschulte
Arbeitern! annschaft zu erlangen und zu erhalten. Die hierbei den Forst-
verwaltungsorganen obliegende Fürsorge und Tätigkeit schlägt in das Gebiet der
Forstverwaltungslehre ein und wird in demjenigen Teil des Handbuchs besprochen
1) Vergl. Borggrevein Forstl. Bl. 1884, S. 321.
2) Hauptgrund, den die französische Forstverwaltung für itir Verfaiiren geltend
macht, vgl. Martin, Forstw. Z.-Bl. 1909, S. 215.
3) Vergl. Renne, Verwertung der Holzernte. Z. f. F. u. J. 1883, S. 549.
Gewinnung des Holzes und der Rinde. § 19. 477
werden, der dieser Disziplin gewidmet ist, weshalb wir liier nicht näher auf dieses
Gebiet eingehen (vgl. III. Band, XV).
Der örtlichen Anweisung der Holzhauer hat die \'erdingung der denselben zu
übertragenden Arbeiten vorauszugehen. Es verdient in den meisten Fällen den Vor-
zug, die Arbeiten nicht etwa im Taglohn ausführen zu lassen, sondern in Akkord zu
geben, da eine genügende Kontrolle guter und vorschriftsmäßiger Arbeit mit Sicher-
heit und Leichtigkeit wahrgenonunen werden kann, mithin seitens des Arbeitgebers
kein Bedenken obwaltet, diejenige Art des Arbeitsvertrages zu wählen, bei welcher
der Arbeiter am meisten angespornt wird, seine Kräfte zu entfalten, um in Gestalt
möglichst hohen Arbeitsverdienstes eine Belohnung für den von ihm betätigten Eifer
zu finden.
Es empfiehlt sich hierbei in der Regel, die Holzhauerarbeiten nicht im Wege
des öffentlichen Aufgebotes an den Mindestfordernden zu vergeben, sondern aus freier
Hand an ständige Holzhauer, die man für eine geordnete Ausführung der ihnen zu
übertragenden Arbeiten an allgemeine Holzhauervorschriften bindet.
Es ist zweckmäßig, über diese Akkorde kurz gefaßte schriftliche Verträge ab-
zuschließen, in denen man namentlich das Zugeständnis durch Namensunterschrift
der Arbeiter bekräftigen läßt, daß sie sich verpflichten, nach Maßgabe der allgemeinen
Vorschriften, die ihnen vorzulesen sind, zu arbeiten; hierbei haben sich dieselben zur
Duldung von Abzügen an dem verdienten Arbeitslohn bei Zuwiderhandlung gegen
die Vorschriften zu verpflichten. Ebenso empfiehlt es sich, für die Arbeiten im einzel-
nen die etwa erforderlichen Bestimmungen zu treffen, soweit dieselben nicht schon
in den allgemeinen Vorschriften enthalten sind.
Ebenso werden in diesem Vertrag die für das Wirtschaftsjahr gültigen Löhne
festgestellt und von den Holzhauern durch Namensunterschrift anerkannt.
Die Arbeiten der Holzhauer werden denselben nach Abschluß der Akkorde nun
örtlich angewiesen; eine zweckmäßige ^'erteilung der Holzhauer kommt besonders
da in Betracht, wo man größere Mannschaften in einer Ortsabteilung beschäftigt.
Hier handelt es sich namentlich darum, die ganze Fläche, innerhalb deren der Hieb
sich bewegt, in gewisse parallele Streifen einzuteilen und unter die einzelnen Rotten
zu verlosen, damit keine derselben die andere in der Arbeit hindert; im gebirgigen
Gelände läßt man die Scheidelinien möglichst bergab laufen; auch kann die Rück-
sicht in Betracht kommen, daß alle Lose auf Wege oder Schneißen stoßen, an die
das gefällte Holz angerückt wird.
Die Anweisung der zum Fällen bestimmten Hölzer erfolgt bei Kahlschlägen
durch Anplatten der Grenzlinien, auch wohl Anschlagen des Waldhammers an eine
Anzahl der an der Innenseite der Grenze stehenden und nicht zum Hieb bestimmten
Stämme.
Beim Betrieb natürlicher ^'erjüngung wird die Holzanweisung in der Art vor-
genommen, daß der Waldhammer an die zur Fällung bestimmten Stämme angeschla-
gen wird, damit auch nach der Fällung noch festgestellt werden kann, ob die Stämme
wirklich angewiesen waren. Es ist deshalb das Anschlagen des Hammers a m S t 0 c k e
erforderlich.
Werden nur einzelne Stämme übergehalten, so kann es auch vorteilhaft sein,
nur diese auf eine kenntliche und von den Holzhauern nicht leicht nachzuahmende
Weise zu bezeichnen.
Die beste Zeit zur Vornahme der Hiebsauszeichnungen ist der Herbst und Vor-
winter; insbesondere sollen dieselben in Laubwaldungen so zeitig vorgenommen wei--
den, daß man den Zustand der Wüchse beurteilen und genau erkennen kann, in wel-
478 IX B. Stoetzer, Forsibenutzung.
chem Grade Kümmerungszustände derselben vorhanden sind, die eine größere Licht-
stellung erheischen ; erfolgt die Auszeichnung später, insbesondere nach schon einge-
tretenem Schneefall, so entscheidet die Kronendichte der Altholzstämme, indem in
der Regel zunächst die Wegnahme der breitkronigen, dichtbeasteten Stämme ange-
zeigt erscheint.
Man durchgeht bei diesem Auszeichnen der zu fällenden Stämme unter Zuzie-
hung des Forstschutzbeamten und des Oberholzhauers die ganze zum Schlag bestimmte
Abteilung in parallelen Streifen, an Berghängen von unten nach oben, so daß man
stets nach derjenigen Seite des Bestandes das Auge gerichtet hat, in der die Aus-
zeichnung bereits erfolgt ist. Jeder angewiesene Stamm wird auf derjenigen Seite,
die dem das Geschäft ausführenden Beamten zugekehrt ist, mit einer Platte ver-
sehen, die beim Begehen des nächsten parallelen Streifens ins Auge fällt, so daß auch
auf weitere Strecken hin erkannt wird, welche Stämme schon zuvor ausgezeichnet
wurden. Man pflegt wohl auch die Stämme zu numerieren, sogar ihren Durchmesser
zu notieren, um nach Veranschlagimg der Stammkreisfläche unter Multiplikation
derselben mit einer einzuschätzenden Formhöhe einen Anhalt darüber zu gewinnen,
wieviel Holzmasse angewiesen ist.
Besonders wichtig ist die Auszeichnung des zu hauenden Oberholzes im M i 1 1 e 1-
w a 1 d. Hier hat zunächst die Abgrenzung der Schlagfläche und hierauf folgend der
Abtrieb des Unterholzes zu geschehen, wobei eine besondere Sorgfalt auf die Erhal-
tung genügender Laßreidel aus dem Unterholz zu verwenden ist. Es empfiehlt sich
hierbei, die Weisung zu geben, daß alle Kernloden, sowie von jedem Stock derjenigen
Holzarten, die im Oberholz begünstigt werden sollen, die beste Ausschlaglode stehen
gelassen wird ^).
Bei dem nach beendigtem Abtrieb des Unterholzes erfolgenden Auszeichnen des
Oberholzes, das der Wirtschafter nie aus der Hand geben sollte, wird alsdann gleich-
zeitig Bestimmung darüber getroffen, welche von den etwa zuviel übergehaltenen
Laßreideln noch nachträglich entfernt werden sollen.
Die Anweisung der Durchforstungen kann dem Schutzpersonal überlassen wer-
den, wenn unter Anleitung des verwaltenden Forstbeamten zunächst eine hinlänglich
große Fläche als Probestück ausgezeichnet worden ist; bei den Plenterdurchforstun-
gen wird jedoch die Auszeichnung durch den Wirtschafter eine unerläßliche Voraus-
setzung für sachgemäße Ausführung sein.
In der zeitlichen Aufeinanderfolge der Hauungen muß eine zweckmäßige Ord-
nung obwalten, indem die dringlichsten Arbeiten vorangestellt werden und die we-
niger nötigen zuletzt folgen. Hierüber allgemeine Regeln zu geben, ist kaum möglich,
da die örtlichen Verhältnisse und Besonderheiten wesentlich von Einfluß auf die
zweckmäßigste Reihenfolge der Arbeiten sind. Zu den dringendsten Arbeiten würden
die Aufarbeitungen von Wind- und Schneebruchhölzern, von dürren Stämmen,
ferner die Lichtungen zur Freistellung besonders bedürftigen Aufschlages bei der
natürlichen Verjüngung zu rechnen sein.
§19. Fällungsbetrieb. Das Fällen der Bäume erfolgt entweder durch
Rodung des stehenden Holzes, d. h. durch Ausgraben mit Stock und Wurzeln, oder
aber durch Abtrennen der Stämme mit Axt und Säge oder mittelst eines dieser Werk-
zeuge allein.
Die Rodung des stehenden Holzes, auch Baumrodung (im
Gegensatz zur Stockrodung) genannt^), ist unter allen Fällungsarten die zweck-
1) s. Borggreve, Die Schlagauszeichnung in F.-Bl. 1886, S. 182.
2) K. H ey er, Die Vorteile und das Verfahren beim Baumroden. 1827. D e r s., Ueber
denselben Gegenstand, A. F.- u. J.-Z. 1856, S. 122.
Gewinnung des Holzes und der Rinde. § 19. 479
mäßigste, insofern als man hierbei den beim Abschneiden der Stämme in das Stock-
holz fallenden unteren Teil des Stanmies, besonders bei stärkeren Bäumen, zu er-
heblich besserem Preis verwerten wird. Dieser finanzielle Vorteil wurde für sächsische
\'erhältnisse von N e u m e i s t e r auf 3 % ermittelt. Hierzu konmit, daß durch
das Belassen einer Wurzel dem ausgerodeten unteren Stammstück öfters eine Form
gegeben werden kann, die für die Verwendbarkeit desselben z. B. als Schiffsknie,
Schlittenkufe etc. von besonderem Wert ist. Der ausgerodete Stock eines starken
Stammes eignet sich nach dem Abschneiden des Stammendes besonders zur Ver-
wendung als Ambos oder Ilackblock. Beim Auszug einzelner Stämme aus schon mit
Aufwuchs versehenen Naturverjüngungssclilägen ist diese Methode jedoch nicht immer
anwendbar, weil durch das Ausgraben zu viele Pflanzen beschädigt werden würden
(vgl. dagegen W a gn e r ,,Der Blendersaumschlag und sein System" S. 50 und 56);
auch im Mittelwald findet sie nur eine beschränkte Anwendung.
Daß bei Baumrodung die sorgfältigste Ausnutzung des Stock- und Wiu-zel-
holzes nicht eintrete, wird aus Sachsen berichtet, wo man die Erfahrung gemacht
zu haben glaubt, daß die Ausgi'abung und Benutzung der schwächeren Wurzeln
hierbei nicht mit derjenigen Genauigkeit und Sorgfalt betrieben wird, als dies bei
Rodung der Stöcke nach vorherigem Abschneiden der Stämme zu geschehen pflegt;
bei Baumrodung ist die Gewinnung des Stockholzes mehr Mittel zimi Zweck und
die Aufarbeitung des Stammholzes die Hauptsache; eigentliche Stockrodung hin-
gegen fällt öfters in eine Zeit, in der es an anderer Beschäftigung fehlt und jeder
mehr erlangte Raummeter ein Gewinn für den Arbeiter ist. Dieser mangelhafteren
Rodung schwacher ^^'urzeln in Fichtenbeständen wird eine größere Gefahr für Rüssel-
käfervermehrung beigemessen und in dieser Erwägung zur Vorbeugung gegen die
Gefahr des Rüsselkäfers von der Anwendung der Baumrodung abgeraten ^).
Als letzten Vorteil des Baumrodens läßt sich geltend machen, daß die Stämme
nicht so rasch niederstürzen, daher auch nicht so hart auffallen, als über dem Boden
abgehauene oder abgesägte und zwar deshalb, weil von dem gerodeten Stamm ein
Teil der Herz- und Pfahlwurzeln langsam aus dem Boden herausgezogen wird. Des-
halb werden auch umgegrabene Nutzholzstämme nicht so leicht zersplittern und
wird der Nachwuchs in Licht- oder Abtriebsschlägen weniger beschädigt werden
als bei anderen Baumfällungsarten.
Bei Anwendung der Baumrodung wird der zu fällende Stamm zunächst von
allen Seiten angerodet, indem die Tagwurzeln bloßgelegt, vom Stamm, und zwar
dicht am Stocke abgehauen oder abgesägt und bis zu der noch nutzbaren Stärke
vom Stamm auswärts ausgegraben werden. Hierauf werden die Herz- und Pfahl-
wurzeln, die das Fallen des Baumes noch hindern, abgehauen, was den Stamm zum
Fallen bringt.
Bei flachwurzelnden Hölzern gelingt dieses durch einfaches Andrücken der
Holzhauer; wirksamer ist die Anwendung besonderer Baumrodewerkzeuge: zu
nennen wäre hier als einfachste die sog. Zugstange, eine leichte Stange von
zähem Holz, die an ihrem oberen Ende einen Haken trägt, mit dem sie möglichst
hoch über dem Boden an einem Ast des noch stehenden Stammes eingehängt und
dieser mittelst der Stange nach und nach umgezogen wird. Die Holzhauer, die zu
diesem Behuf an der Stange hin und her ziehen, bringen den Stamm in eine wippende,
schaukelnde Bewegimg; hierbei wird durch das Hin- und Herschwanken desselben
der Ort weiterer ^^'urzeln festgestellt, die dann bloßgelegt und abgehauen werden;
dadurch wird der Stamm wesentlich leichter zu Fall gebracht.
1) V. Oppen in Z. f. F. u. J. 1885, S. 148.
480
IX B. Stoelzer, Forstbenutzung.
Diese Stange ist nur bei niedrig beasteten, insbesondere auch schwächeren
Stämmen zu verwenden ; bei höheren Bäumen findet der sog. S e i 1 h a k e n An-
wendung, d. h. ein eiserner, mit einem Oehr und einem daran befindlichen Ring ver-
sehener Haken, bei dessen Gebrauch an dem Ring ein Seil von 20—30 Meter Länge
befestigt wird. Der Haken wird in angemessener Höhe des Baumes entweder mit
Hilfe einer Stange oder nach Besteigen desselben an einen stärkeren Ast eingehängt,
hierauf der Stamm selbst von den Arbeitern umgezogen.
Das Fallen des Baumes wird durch Anwendung eines Hebebaums erleichtert,
den man mit einem Ende möglichst tief unter den bereits angerodeten Stock schiebt,
während das hintere Ende, nachdem in möglichster Nähe des vorderen der Hebel
gehörig unterstützt worden ist, ruckweise zu Boden gedrückt wird. Ebenso kann
der Hebel auch untergesteckt und durch eine untergeschobene Wagenwinde ge-
hoben werden.
Fig. 1.
Zur Erleichterung der Arbeit sind weiter noch verschiedene Maschinen erfunden
worden, von denen wir folgende erwähnen:
Die Nassauische (oder W o h m a n n sehe) Baumrodemaschine '■) be-
steht aus einem mit Kerben versehenen 1,75 m langen, 0,30 m breiten, 0,12 m dicken
Buchenbrett, dem sog. Zwickbrett, auf dem eine oben und unten mit Eisen
beschlagene Fichtenstange (5 — 6 m lang, 12 cm D.), die sog. Drückstange,
die mit einer eisernen Spitze in den umzurodenden Stamm eingreift, während das
andere Ende in die Kerben des Zwickbretts gestellt wird, mittelst Brecheisen aus
einer Kerbe in die andere vorwärts gehoben wird, um den vorher umrodeten und
von seinen Wurzeln befreiten Stamm umzudrücken. Die Brecheisen werden unter
einem runden eisernen Nagel, der im unteren Ende der Drückstange durchgesteckt
ist, hindurch geschoben und finden an diesem Nagel ihre Unterstützungspunkte.
Zur Erläuterung diene vorstehende Figur 1.
1) A. F.- u. J.-Z. 1858, S. 46 (W o h m a n n). 1864, S. 369 und 1870, S. 219 (D r a u d t).
Gewiniuiiii; des Holze? und der Rinde. S 19.
481
Die Leistung der .Maschine ist am größten, wenn die Entfernung vom Stamm-
ende bis zu der Höhe des Stammes, wo das eine Ende der Drückstange eingreift,
so groß ist, als die Entfernung vom Stammende bis zum unleren Ende der Drück-
stange. Die Nassauische Hodemaschinc wurde in neuerer Zeit durch Büttner
in zweckmäßiger Weise abgeändert und verbessert — ,,B ü 1 1 n e r s B a u m -
w i n d e" — vergl. F. Zbl. 1<.M) t, S. 680 und 1905, S. 144. Zentralbl. f. d . ges. Forstw.
1907, S. 62. Die ,,Bauni\\iu(le" wird von allen Seiten als sehr wirksam be-
zeichnet.
Eine in der Schweiz erfundene besonders wirksame Rodemaschine ist der
\^' a 1 d t e u f e 1 , auch Reutelzeug genannt. Er besteht aus einem starken Hebel,
der seinen Stütz- und Drehpunkt an dem einen Ende einer starken Kette hat, die
um einen hinreichend starken stehenden Baum oder Stock geschlungen ist. Zu
Fig. 2.
=^^
beiden Seiten des Unterstützungspunkts sind zwei kurze Hebelketten mit Endhaken
befestigt. Eine weitere Kette wird mit einem längeren, um den auszurodenden Stamm
geschlungenen Schiffstau oder besser noch Drahtseil (denn alles hängt von der Festig-
keit dieses Taues ab) verbunden, die eine Hebelkette in dieselbe straff eingehangen,
der Hebel angezogen und dadurch die zweite Hebelkette so weit dem umzurodenden
Baum genähert, daß ein Kettenglied weiter eingehakt werden kann. Durch das
Hin- und Herbewegen des Hebels wird bald die eine, bald die andere der Hebelketten
vorgeschoben und weitergehakt. Durch fortgesetzte Wiederholung wird die am
Baum befestigte Kette nebst dem Tau immer straffer angezogen, so daß der Baum
endlich zu Fall kommt. Der Gang der .\rbeit wird durch die vorstehende Zeichnung
Figur 2 verdeutlicht.
Unter allen Baumrodemaschinen dürfte der Waldteufel die meiste Beachtung
verdienen.
Auch die Nassauische Rodemaschine in ihrer leichteren, von Drau d t emp-
fohlenen Form (oder besser noch die Büttner sehe Baumwinde), wird geschätzt.
Handb. d. Forstwiss. 3. Aufl. II.
31
482 IX B. Stoetzer, Forslbenutzung.
Diese Maschine, ursprünglich in Nassau angewandt, hat sich auch im GroC-
herzogtum Hessen vielfach eingebürgert.
Eine weitere verbesserte Druckmaschine, angegeben von dem Großh. Hessischen
Forstwart Stendal wird in dem Bericht über die 13. Versammlung des Forst-
vereins für das Großherzogtum Hessen (Darmstadt 1901) beschrieben.
Die Hauptfällungsarten sind jedoch diejenigen mit Axt und
Säge. Die Fällung mit der Axt allein, das sog. ,,U m s c h r o t e n" der
Bäume durch Hauen tiefer Fallkerben auf beiden Seiten des Stamms findet in ge-
ordnetem Betriebe nur noch bei Stangenhölzern Anwendung, bei denen man öfters
keine glatte Abschnittfläche wünscht, vielmehr Gewicht darauf legt, daß das Stamm-
ende schon etwas zugespitzt sei (z. B. bei Hopfenstangen, Bohnenstangen, Zaun-
pfählen) ; bei stärkerem Holze dagegen ist mit dieser Methode ein so beträchtlicher
A'erlust an Holzmasse verbunden, der gerade am unteren, wertvollsten Teile des
Stammes doppelt ins Gewicht fällt, daß man in wohlgeordneten Forsthaushalten von
derselben keinen Gebrauch mehr macht.
Nur wo die Anwendung der Säge ausgeschlossen ist, sei es, daß der Standraum
für ihre Führung fehlt (auf Felsen, an Steilabstürzen usw.) oder daß mehrere starke
Bäume dicht beisammen stehen, kommt das Umschroten für stärkeres Holz noch
in Frage. Hier wird zu möglichster Schonung des untersten Stammteils das sog.
,, Auskesseln" oder ,,Aus-der-Pfanne-Hauen" angewendet, d. h. die Fallkerbe wird
ringsum, daher weniger tief, gehauen und der Baum dann nach einer Seite gedrückt.
Die rascheste Arbeit und geringste Holzverschwendung ist mit Anwen-
dung der Säge verbunden. Auch sie wird jedoch für sich all ein nur bei schwächerem
Holze angewendet, weil mit der Stärke der Stämme die Schwierigkeit, die Bäume zu Fall
zu bringen, und die Unsicherheit der Fallrichtung bedeutend steigt.
Die Regel bildet die Fällung m i t A x t u n d S ä g e z u s a m m e n. Zunächst
wird auf derjenigen Seite des Baumes, nach welclier derselbe geworfen werden soll,
möglichst tief am Stamme eine Fallkerbe (Schrot) von etwa Vi des Durchmessers
gehauen. Alsdann setzt man auf der entgegengesetzten Seite die zweimännige Wald-
säge an und sägt in der Richtung gegen die Fallkerbe wagrecht durch. Zur Erleich-
terung des Sägens, und um den Stamm in die Fallrichtung zu treiben, werden hinter
der Säge in den Sägeschnitt Keile eingesetzt und nachgetrieben, bis der Stamm zu
Fall kommt.
Die Art und Konstruktion der Waldsägen ist bei diesem
Verfahren von wesentlichem Einfluß. Man verfertigt die Sägeblätter in neuerer
Zeit vorzüglich aus Tiegelgußstahl. Das Sägeblatt ist eine Stahlschiene, die auf der
einen Seite mit Zähnen besetzt ist. Die Zahnlinie bildet zweckmäßig einen Kreis-
bogen (Bogensägen). Die Zähne haben in der Regel die Form eines spitzen gleich-
schenkligen Dreiecks (sog. Wolfszähne); daneben kommt die Form eines großen
lateinischen M vor (sog. M-Zähne), die in Hartholz gut arbeiten sollen. Das Sägeblatt
verjüngt sich von der Zahnlinie gegen den Rücken zu, damit ein Klemmen der Säge
vermieden wird.
Wichtig für die ^^'irksamkeit der Waldsägen ist das IMaß der Krümmung der
Zahnlinie. Die theoretischen Betrachtungen über das richtige Maß dieser Krümmung
sind bisher noch nicht zu einem Abschluß gekommen, doch sind mehrfach Versuche
angestellt worden, welche auch zur Konstruktion einer Normalsäge mit bestimmtem
Krümmungsradius der Zahnlinie und bestimmter Bezahnung geführt haben. Die
mehr gekrümmten sog. Bauch- oder Bogensägen (Harzer, Thüringer, Steyerische
Säge) scheinen im Nadelholz vor den mehr gestreckten Sägen den ^'orzug zu ver-
Gowiniuins; des Holzes und der lüiide,
483
dienen, wogegen letztere für das Zerscliiiciilfu (l(>s .stärkeren Laiihliolzes angemessen
sein mögen. Jedocli ist eine gewisse Krüniinuiis,' iler Zahnlinie aiicli hier gegenüber
der geraden Linie von Vorteil. Bei letzterer ist die Säge schwerer zu handhaben
und fördert weniger. Der Grund dieser Erscheinung ist das Klennnen des Sägmehls,
auch hat die gerade Zahnlinie den Nachteil, daß sie durch stärkere Abnutzung der
Mitte leicht konkav wird. Bei der Bogensäge ist die Arbeit leichter, da immer nur
wenige Zähne aufliegen, so daf3 beiderseits Raum bleibt, in dem sich das Sägmehl
ansammelt und aus dem es durch die wiegende Bewegung des Sägens leicht ausge-
worfen wird. Allerdings setzt die Benutzung der Bogensäge gewandtere Arbeiter
voraus, als diejenigen der mclir geraden Sägen. Aus Amerika gelangten vor einer
Reihe von Jahren Sägen nach Deutschland, die eine sehr geringe Krümmung zeigen
und sich in Hinsicht auf die Form der Zähne von den gebräuchlichen deutschen Kon-
struktionen wesentlich dadurch unterscheiden, daß eine Mehrzahl von Spitzen (3 — 4)
zu einem System vereinigt sind, so daß anstatt der einzelnen Wolfszähne deren
mehrere zusammengefaßt sind. Auf jede solche Zahngruppe folgt wieder ein einzelner
Fis. 3.
Fig. 4.
Nonpareil -Schrotsäge.
Greal .\mericansäge'mit abnehmbarem Hett.
Fig ö.
Amerikanisclie Trummsäge.
spitzer, kürzerer Dreieckszahn (Raumzahn), wie bei der sog. ,,Nonpareil-
Schrotsäge", und zu beiden Seiten der Raumzähne sind Vertiefungen, die das
Sägmehl aufnehmen und der Säge einen freieren Gang ermöglichen, oder es folgt
auf jede Gruppe von \\"olfszähnen statt des Raumzahnes ein Hohlraum wie bei der
„G r e a t - A m e r i c a n s ä g e" (vergl. die Figuren 3 und 4).
Derartige Sägen sind hinterlocht, d. h. hinter den zwischen den Zähnen befind-
lichen Vertiefungen sind Löcher angebracht, die ein leichtes Nachfeilen bei Abnutzung
der Zähne ermöglichen. Sie sollen sich im harten Holz vorzüglich bewähren; in
weichem Holz scheint ihnen die Bogensäge überlegen zu sein. Sehr praktisch ist bei
beiden die Befestigung der Patentgriffe (s. Fig. 4). Es werden ähnliche Sägen von
bester Konstruktion und Beschaffenheit auch in Deutschland von der Firma Domi-
nicus und Söhne in Remscheid geliefert. Dieselbe hat auch ein besonderes, sehr
empfehlenswertes „Illustriertes Handbuch über Sägen und Werkzeuge für die Holz-
industrie" herausgegeben. Als besonders leistungsfähig wird mehrfach die ,,Non
plus ultra"-Säge dieser Firma bezeichnet.
Bei allen Sägen kommt es darauf an, daß durch eine entsprechende seitliche
Ausbiegung der Zähne dem Schnitt eine solche Weite gegeben wird, daß das Säge-
blatt, ohne sich zu klennnen, fortwährend leicht von den beiderseits die Säge hand-
habenden Arbeitern hin und her gezogen werden kann. Dieses Ausbiegen der Zähne,
das sog Schränken, wird mit einer einfachen Vorrichtung, dem Schränkeisen
31*
484 IX B. Stoetzer, ForstbeniUzung.
vorgenommen; auch kann man den sog. Barthschen Schränkschlüssel gebrauchen,
und neuerdings wird dazu eine von der Firma Eugen Blasberg u. Comp, in Remscheid
erfundene Schränkzange empfohlen. Dieselbe ist durch eine Schraube verstellbar,
vermittelst deren die Zange sowohl zum feineren als auch zum gröberen Stellen der
Zähne eingericlitet werden kann. \'ermittelst dieser Schraube erfolgt das Heben
bei allen Zähnen vollständig gleichmäßig. Das Schränken muß bei Nadelholz stärker
sein, als bei Laubholz. Statt des Schränkens wendet man auch, insbesondere
in Amerika, das sog. Stauchen der Zähne an, darin bestehend, daß durch einen Schlag
die Spitze des Sägezahnes etwas aufgetrieben wird, so daß die Stärke des Blattes
dadurch geringer ist, als die Stärke der Sägezahnspitzen, wodurch ebenfalls dem
hin- und hergezogenen Blatt ein größerer Spielraum gewährt wird.
Die Prüfung der Sägen auf ihre Leistungsfähigkeit hat sich darauf zu erstrecken,
daß man untersucht, wieviel Schnittfläche in einer gewissen Zeit geliefert wird, oder
wieviel Zeitaufwand man zur Leistung gleicher Schnittflächen braucht. Die Wirkung
der Säge ist um so größer, je kürzer die Zeitdauer des Schnittes. Selbstredend muß
bei Vergleichung der Leistungen zweier Sägen Gleichheit der Umstände (gleiche Holz-
art, gleiche Stärke der Hölzer, gleiche Leistungsfähigkeit der Holzhauer, gleiche \er-
trautheit derselben mit den Sägen) vorausgesetzt werden. Steile Wolfszähne in un-
unterbrochener Bezahnung scheinen die besten Schnittleistungen zu liefern ').
Die Sägen werden nicht nur beim Fällen der Stämme, sondern auch beim Zer-
schneiden derselben in die dem beabsichtigten Zwecke entsprechenden Längen ge-
braucht. Für die Zerkleinerung schwächerei' Hölzer hat man sowohl die gewöhnlichen,
in Deutschland allgemein bekannten Handsägen im Gebrauch, als auch neuerdings
eine ebenfalls aus Amerika eingeführte Art, die amerikanische Trum m-
säge, die sich am besten als ein vergrößerter Fuchsschwanz, wie ihn die Schreiner
zu führen pflegen, beschreiben läßt, und in Fig. 5 abgebildet ist. Die Zahnstellung
ist jedoch hier, wie diejenige der zweimännigen Waldsägen, eine senkrecht (nicht
schräg, wie beim Fuchsschwanz) gerichtete. Auch diese Konstruktion bewährt sich
vorzüglich. Die Sägen werden nur von einem Mann geführt, während die Bogen-
sägen zu ihrer Handhabung zwei Arbeiter erfordern.
Die im Walde gebrauchten Aexte sind von verschiedener Form, je nach
dem Zwecke, dem sie dienen sollen. Man unterscheidet insbesondere die F ä 1 1 a x t
mit kleinem, und die S p a 1 1 a x t mit größerem Keilwinkel. Erstere dient
besonders zum Schneiden beim Hieb (Hauen der Fallkerbe), letztere insbesondere
zum Aufspalten der Trümmer und Treiben der Keile. Vielfach findet man
Aexte von mittlerem Bau, die beiden Zwecken gleichzeitig dienen.
Fast jede Gegend hat in Hinsicht der Axtkonstruktion ihre Besonderheiten.
Allgemein verlangt man, daß die Schneide gut gestählt, der Anlauf der Schneide-
flächen keilförmig, am besten etwas ausgebaucht (gewölbt), die Axt selbst nicht zu
schwer und mit einem handlichen Holzstiel (sog. Helm) versehen sei. Wichtig ist
eine gute Lage des Schwerpunkts. Auch in bezug auf Aexte scheinen uns die Ameri-
kaner den ^VJrrang abzulaufen; wenigstens sind seit einer Reihe von Jahren amerika-
nische Aexte in Gebrauch gekommen, welche sehr handliche, geschwungene Helme,
sowie stark gewölbte Schneideflächen (Blätter) haben, richtige Lage des Schwer-
■ punkts zeigen, und sich als sehr praktisch zu bewähren scheinen'^). In Australien
1) Sehr umfassende und beachtenswerte Untersuchungen über die Leistungsfäliigkcit der
Waldsägen s. u. a. im Forstw. Zenlralblatt 1896 Aug. — Okl.-Heft von Geheimrat Dr. G a y e r
und Dr. Käst.
2) S t 0 c Ic li a u s e n in .A. F.- u. J.-Z. 1S79, S. 113.
Gewinnung des Holzes nuil der liinde. § 19. 485
sollen sich Aexte mit drei breiten Rinnen oder Nuten, die von der Selineide zum Rücken
liarallel laufen, bewaint haben, da sie leichler ins Holz eindrinfren und sieh nicht leicht
klemmen können. Zum glatten Ausputzen und Beschlagen der Stämme dienen be-
.sondere Breitbeile, nach Art der Zimmermannsäxte gebaut; zur Fällung schwächeren
Ausschlagholzes im Nieder- und Mittelwald benutzt man die sog. H e [i p e , ein vorn
gekrünuates starkes Faschinenmesser mit hölzernem Griff.
Beim Fällen des Holzes muß zunächst eine sorgfältige Wahl der
F a 1 1 r i c h t u n g vorausgehen. Es ist darauf zu sehen, daß durch die fallenden
Hölzer weder der umgebende Bestand noch der fallende Stamm selbst beschädigt
werde. Man wirft daher die Stänune in Lücken zwischen stehende Bäume, damit
diese nicht beschädigt werden und die fallenden Stämme nicht hängen bleiben. Ebenso
sucht man bei Naturverjüngung die Stämme in Richtungen zu werfen, in denen sich
kein höherer Anflug oder Aufschlag befindet. Dabei ergeben sich für Schirm- und
Blenderschlagbetrieb nicht selten große Schwierigkeiten, die man durch Abasten
der Stänmie vor der Fällung zu umgehen sucht i). Der Blendersaumschlag sucht
diesen Mißstand dadurch zu vermeiden, daß er mit seiner Verjüngung in bestimmter
Richtung fortschreitet und die Bäume grundsätzlich immer vom Jungwuchse weg
gegen das noch unbesamte Altholz wirft, durch das sie dann auch weggeschafft
werden.
Um die fallenden Stämme vor dem Abbrechen und Zersplittern zu bewahren,
vermeidet man ferner das Werfen auf Unebenheiten des Bodens, alte Stöcke, Felsen
usw., sowie auf liegendes Holz.
Bei windigem Wetter muß mit der Fällung ausgesetzt werden, da man unter
solchen Umständen hinsichtlich der Fallrichtung gar keine Siclierheit hat.
An Bergwänden läßt man wohl auch schräg bergauf fällen, da auf diese Weise
der Stamm bis zum Aufschlagen auf den Boden den kürzesten Weg zurücklegt und
mit der geringsten Wucht aufschlägt, mithin der Gefahr des Zerbrechens am wenigsten
ausgesetzt ist. Soll aber der mit dieser ^^'urfrichtung verbundene Nachteil, daß
der Stamm für das Anrücken verkehrt zu liegen kommt, vermieden werden, soll
vielmehr darauf gesehen werden, daß der Stamm so fällt, wie er weggeschafft werden
soll, so muß schräg bergab geworfen werden, damit der Stamm mit dem dünnen
.Ende voran nach abwärts weggeschafft werden kann.
Durch das Eintreiben von Keilen in den Sägeschnitt wird dieser offen gehalten,
gleichzeitig der Stamm etwas gehoben und nach der gewünschten Fallrichtung hin
getrieben. Bei Frost springen die Keile leicht zurück, man bestreut alsdann die
Seitenflächen zweckmäßig mit Asche oder Sand. Zur Verstärkung der hebenden
\^'irkung hat man die Keile anstatt mit geraden Seitenflächen auch mit treppen-
artig absetzendem Profil (S c hnü ck e scher Zahnkeil) hergestellt. Auch wurden Ver-
suche mit einem einzuschraubenden runden, bezw. kegelförmigen Instrument (Bles-
singscher Schraubenkeil) vorgenommen, jedoch ohne Verbesserung der Wirkung.
Ferner ist ein sog. Universalkeil von Förster Gizek konstruiert worden, welcher aus
•2 Schenkeln besteht, die durch Drehung einer Spannschraube mehr oder weniger
gegeneinander gespreizt werden können (Deutsche Forstzeitung 1901 S. 864).
Besondere Vorsicht ist beim Zufallbringen hängen gebliebener Bäume, sowie
bei der Aufarbeitung von Windbruchhulz geboten, da hierbei leicht Unfälle entstehen.
\'om Reichsversicherungsamt sind Normal-Unfallverhütungsvorschriften für land-
und forstwirtschaftliche Betriebe aufgestellt worden, die sorgfältig zu beachten sind.
1 ) Ueber die Beurteilung des A s t c n s v o r d e r F ä 1 1 u n g siehe Wagner, Grund-
lagen der räuml. Ordnung -2. Aufl., S. 257 ff.
486 IX B. Stoetzer, Forätbenutzung.
Im Interesse der Ordnung ist darauf zu halten, daß die Holzhauer in der Regel
nicht mehr Stämme auf einmal zur Fällung bringen, als im Verlauf der darauf fol-
genden 2 — 3 Tage aufgearbeitet werden können. Bei Durchforstungen mag diese
Regel bisweilen eine Ausnahme erleiden, indem man auf einer größeren Fläche die
Fällung beenden und dann erst das Zusammenbringen behufs Aufarbeitung vor-
nehmen läßt.
§20. Ausformungund Sortierung der Hölzer. Bei der dem
Fällungsbetriebe folgenden Aufbereitung der Hölzer werden zunächst die gefällten
Stämme entastet, wobei die Aeste mit dem Beil glatt am Stamme abgetrennt und
überdies alle dürren Aststümpfe und Auswüchse weggeputzt werden. Das Kürzen
des Derbholzes erfolgt mit der Säge, wobei die Schnitte immer senkrecht auf die
Achse des Schaftes geführt werden müssen. Die Ausscheidung derjenigen Stämme
und Stammteile, die einen höheren Wert bei der ^'er\vendung zu Nutzholz als zu
Brennholz haben, muß als ein Gegenstand bezeichnet werden, der besondere Auf-
merksamkeit und Umsicht der Wirtschaftsorgane erheischt.
Durch eine gute Sortierung wird der Geldertrag wesentlich gehoben ; hierbei
kommt der Wirtschaft eine ausgedehnte Kenntnis des Verbrauchs der verschiedenen
Holzsortimente seitens des Forstmanns wesentlich zugute.
Hinsichtlich der Sortimente, die im deutschen Reich Geltung haben sollen,
sind unter einer Anzahl von Bundesregierungen gewisse feste Bestimmungen ver-
einbart worden ^). (Vereinbarung der deutschen Staatsforstverwaltungen von 1875.)
Darnach rechnet man zum Derbholz die oberirdische Holzmasse über
7 cm Durchmesser, einschließlich der Rinde gemessen. Zum N i c h t d e r b h o 1 z
gehört Reisig (die oberirdische Holzmasse von 7 cm abwärts) und Stockholz (die
unterirdische Holzmasse und die bei der Fällung daran bleibenden Schaftteile).
Das L a n g n u t z h o 1 z bilden diejenigen Nutzholzabschnitte, die nicht in Schicht-
massen aufgearbeitet, sondern kubisch vermessen und berechnet werden. Hiervon
sind Stämme solche Hölzer, die bei 1 m oberhalb des unteren Endes über 14 cm,
Stangen hingegen solche, die bis mit 14 cm Durchmesser halten, wobei unter-
schieden wird zwischen Derbstangen (über 7 bis mit 14 cm bei 1 m über dem
Abschnitt gemessen) und Reisstangen (bis mit 7 cm, ebenso gemessen). Schicht-
nutzholz ist das in Schichtmaße oder in Gebunde aufbereitete Nutzholz.
N u t z r i n d e ist die vom Stamm getrennte Rinde, soweit sie zur Gerberei
oder zu sonstigen technischen Zwecken benutzt wird.
Bei Brennholz hat man zu unterscheiden : Scheiter, ausgespalten aus Rund-
stücken von über 14 cm am oberen Ende, ferner Knüppel oder Prügel über
7 bis mit 14 cm am obern Ende, Reisig bis mit 7 cm Durchmesser am untern
Ende, und zwar Reisprügel (in Schichtmaße aufgesetzt) oder Wellen (Ge-
bunde von 1 m Länge und 1 m Umfang), endlich Brenn rinde und Stöcke.
Die Messung des Langnutzholzes soll in der Regel m i t der Rinde erfolgen,
nur dann ohne Rinde, wenn das Holz vor der Messung entrindet wird (vergl. weiter
unten). Stämme werden auf Grund der gemessenen Längen (in Metern und geraden
Dezimetern) und Durchmesser kubisch berechnet, kürzere Blöcke bis mit 5 m Länge
können bei Messung des oberen Durchmessers nach lokalen Sätzen berechnet werden.
Bei Stangenholz, das zunächst nach der Stückzahl aufgenommen wird, kann
ebenfalls Berechnung nach Durchschnitts- und Erfahrungssätzen stattfinden.
Die Maß- und Reclmungseinheit für Holz bei der Abschätzung und Abschät-
zungskontrolle bildet der Kubikmeter fester Holzmasse (Festmeter).
1) J. d. preuß. F. u. J. 1876, S. 341.
Gewinnuncr dos Holzes und diT liinde. § 20. 4g7
Dies führt uns zur Besprecliuug der A u s f o r m u n g dos Holzes bei
der Ernte. Nach der Fällung der Bäume handelt es sich zunächst darum, die-
selben in für die Verwertung möglichst geeignete Stücke zu zerlegen.
Zunächst können als allgemeine Aufbereitungsgrundsätze gel-
ten : die gefällten Bäume in Stücke von transportablen Dimensionen
und Formen zu zerlegen; eine solche Teilung vorzunehmen, daß die Teile eine m ö g-
lichstvielseitige Verwendbarkeit zeigen und es deshalb in der Folge
möglich ist, sie derjenigen Verwendungsart zuzuführen, für die sie sich jeweils am
besten eignen und zu der sie daher am meisten geschätzt werden; und endlich solche
Einheiten zu bilden, die gleichartige Qualität zeigen und daher gleichen
Wert für die Maßeinheit besitzen und zu gleichem Zweck Verwendung finden können.
Dabei wird man übrigens eben im Interesse möglichst vielseitiger Verwend-
barkeit des einzelnen Stücks die Schäfte zunächst möglichst wenig zerschneiden
und die weitere Teilung dem Käufer überlassen.
Wenn z. B. im Eichenholz der untere Teil eines Stammes wertvolles
Schreiner- oder sonstiges Starknutzholz gibt, der Gipfel hingegen nur zu Schwellen-
holz geeignet erscheint, so wird man zwar eine Bezeichnung der Grenze zwischen
Starkholz und Schwellenholz vornehmen und sodann den Gipfel bis zu dem Minimum
der Schwellenholzstärke (in einer Länge, die ein Vielfaches der Schwellenlänge — 2,4
bis 2,5 m — darstellt) liegen lassen, allein man wird den Stamm auf der Grenze nicht
zerschneiden lassen, weil vom Liebhaber vielfach eine noch vorteilhaftere Verwen-
dung ausfindig gemacht wird, an der ihn das vorherige Zerschneiden hindern würde.
Auch bei anderen Laubnutzhölzern ist eine Zerstückelung von
Stämmen, vielleicht veranlaßt durch Krümmungen oder Aeste, bisweilen von Nach-
teil, weil dem Käufer öfters ein Fehlbetrag von dem Bruchteil eines Meters den
Stamm zu einer beabsichtigten Verwendung untauglich macht.
Nadelholzstämme läßt man bis zu einer Stärke aushalten, die noch
eben zu Nutzholzzwecken brauchbar ist.
In Süddeutschland hat in neuerer Zeit eine Aufbereitung der Nadelholzstämme
— als sog. Langholz — allgemeine Verbreitung gefunden, welche die Nutzholz-
brauchbarkeit der Schäfte durch Berücksichtigung von Länge und D n r c h-
messer am dünnen Ende (Ablaß oder Zopf) in glücklichster Weise erfaßt.
Die Aufbereitung erfolgt nach Klassen verschiedener Längen und Zopfdurchmesser.
Diese Klassenbildung heißt die ,,H e i I b r o n n e r Sortierung", die, durch
Flößerei und Holzhandel nach dem Rheine entstanden i), seit alter Zeit im württem-
bergischen Schwarzwalde gilt und durch den Heilbronner Holzhandel weiter ver-
breitet worden ist. (Ueber die Geschichte der Heilbronner Sortierung vergl. H ä h n 1 e
„Sortimentstafeln für Fichtenbestände Württembergs 1905, Einleitung). Die Heil-
bronner Sortierung bildete früher 5 Langholzklassen, jetzt als Süddeutscher Tarif
6 Klassen:
I. Klasse bei mindestens 18 m Länge wenigstens 30 cm Ablaß
IL Klasse bei mindestens 18 m Länge wenigstens 22 cm Ablaß
III. Klasse bei mindestens 16 m Länge wenigstens 17 cm Ablaß
IV. Klasse bei mindestens 14 m Länge wenigstens 14 cm Ablaß
V. Klasse bei mindestens 10 m Länge wenigstens 12 cm Ablaß
VI. Klasse alles kürzere und schwächere Langholz.
Neben diesen Langholzklassen geht ein weiteres Sortiment, Sägholz oder Ab-
schnitte genannt, einher, bei dem die Länge keine entscheidende Rolle spielt, das
1) V. Schauenburg, Mündener forstl. Hefte X\' — XVII.
488 IX B. Sloetzer, Forslbenutzung.
aber, weil weniger wertvoll, nur in geringerem Umfange aufbereitet wird. Die Heil-
brunner Sortierung hat zuerst in Wüittemberg (etwa seit 1860) allgemeine Anwen-
dung gefunden und ist in neuerer Zeit von den meisten süddeutschen Staaten über-
nommen worden. (Baden-reichsländischer Tarif.)
Die Einführung derartiger gemeinsamer Grundsätze für verschiedene Ver-
waltungen ist dem Holzhandel sehr envünscht ^). Der deutsche Forstwirtschaftsrat
hat sich 1901 und 1904 mit dieser Frage beschäftigt und es als wünschenswert be-
zeichnet, daß die Messung und Sortierung der Handelshölzer, soweit es die Verhält-
nisse gestatten, in den deutschen Waldungen laach gleichen Grundsätzen erfolge'-).
Es ist nicht immer richtig, daß bei Nadelholzschäften die größere Länge auch
dem größeren Kubikinhalt entspricht. Es kommt, insbesondere bei tief herab be-
asteten und infolgedessen abfälligen Stämmen vor, daß durch Abschneiden von
2 — ^3 Meter am Gipfel der Mittendurchmesser des Stammes um so viel sich erhöht,
daß ein höherer Kubikinhalt bei der Berechnung resultiert, als wenn man dem Stamm
jenes Gipfelstück belassen hätte.
Allgemeine Regeln für vorteilhafteste Entwipfelung der Nadelholzschäfte
sind wohl schon aufgestellt worden, haben jedoch in der Praxis kaum Eingang ge-
funden.
Grebe schlägt vor, die Ablängung so zu bewirken, daß der obere Durch-
messer 34 der in Brusthöhe gemessenen Stammstärke betrage; auf diese Weise soll
der Stamm ein gutes Ansehen behalten und an Gebrauchsfähigkeit gewinnen ^).
Offenbar spielen hierbei die örtlichen Verwendungsarten, z. T. auch Gewohn-
heiten die größte Rolle; vor einem zu weit getriebenen Bestreben, die Nutzholz-
schäfte bis in die äußersten Zopfenden als Nutzholz ausformen zu lassen, muß aber
entschieden gewarnt werden; dem höheren Nutzholzprozent steht sonst bisweilen
ein geringerer Einheitspreis pro Festmeter gegenüber, indem der Käufer die für
ihn wertlose Gipfelspitze bei seiner Kalkulation und bei Abgabe seines Gebotes für
nichts rechnet.
Sägeblöcke des Nadelholzes (Abschnitte, Klötzer oder Bloche)
haben gewöhnlich die durch den Handel gegebenen Normallängen (3 — 1 lo Meter).
Bei dem Umstand, daß bisweilen auch Bretter von nicht marktgängigen Längen
begehrt werden, empfiehlt es sich, besonders schöne Schnitthölzer in ganzer, zum
Bretterschneiden eben noch tauglicher Länge liegen zu lassen, damit der Käufer
Gelegenheit hat, ungewöhnliche Blocklängen ausschneiden zu lassen.
Die Frage, bis zu welchem oberen Durchmesser Nadelholzsägeblöcke auszu-
halten sind, beantwortet sich nach der örtlichen Nachfrage.
Zur eigentlichen Brettergewinnung für den Handel sind Stärken von 30 — 36 cm
am vorteilhaftesten (normale Breite der Bretter 29 cm) ; für Anfertigung von Kisten,
sowie zur Herstellung von Latten, Stollen, Leisten etc. kann man viel weiter (selbst
bis 20 cm) herabgehen.
Man teilt die Sägeblöcke nach Abstufungen der Mitten-, oder auch wohl (z. B.
in Sachsen) der Oberstärke, von 5 zu 5 oder 10 zu 10 cm Durchmesser in Klassen ein.
Anbrüchige Abschnitte finden immer ihre Verwendung, z. B. zu Kisten-, Ver-
1) T h a 1 e r , „.\llgcm. deutscher Holzklassentarif in Sieht". A. F.- u. J.-Z. 1902, S. 365 ff.
Hoffmann, ,,Die Aiifstelhmg gleicher Holzlaxklassen für ganz Deutschland." A. F.- u. J.-Z.
1903, S. 179 ff. Eberhard, „Aufstellung gleicher Holzlaxklassen und Draufholzfrage." A. F.-
u. J.-Z. 1906, S. 130.
2) Kahl, A. F.- u. J.-Z. 1905, S. 236 (berichtet über die Beschlüsse des Forstwirt-
schaftsrats).
3) Grebe, Forstbenutzung, 3. Auflage, S. 134.
Gcwinimiii,' do;; Holzes und der Hiiule. § 20. 439
schalimgsbrelteni u. dort;']., mau muß dicscllii'u nur als sohdie Ijcsi iu(.lor,s bozuichueu
uuil beim Verkauf von der fjuLcu Ware sondcin, wie es denn überhaupt als Grundsatz
festzuhalten ist, daß uum die schadhaften Stellen der Hölzer nicht zu verdecken
suchen, sondern dem Kiiufer offen legen soll, da im crsteren Falle das Vertrauen für
künftige Verkäufe geraubt wird.
Nadelhölzer werden (bei der Fichte schon zur Gewiniumg der Rinde und zur
Vorbeugung gegen den Bohrkafer und Borkenkäfer) meist entrindet; sie trocknen
hierbei leichter aus und gewinnen an Transportfähigkeit. Zur N'erhinderung de?
Aufreißens läßt man wohl an den Enden, sowie auch in der Mitte Rindcniinge stehen.
Eine Ausnalune von der Regel des Schälens machen Hölzer, die zu Brunnen-
röhren bestimmt sind (Kiefern oder Fichten); dieselben sind wegen der Gefahr des
Reißens unentrindet zu lassen und baldmöglichst aus dem Wald und ins Wasser zu
schaffen.
Bezüglich der Aussortierung der geringeren Nutz- und Stangenhölzer lassen sich
ins einzelne gehende Vorschriften nicht wohl erteilen. Die möglichste Ausnützung
der Hiebsergebnisse zur Formung solcher Sortimente ist oberster Grundsatz der
Forstbenutzung. Selbst wenn die zu erlangenden Erlöse nur wenig über dem ge-
wöhnlichen Brennholzpreis stehen, verdient es Beachtung, daß durch reichliche Aus-
nützung der Nutzholzsortimente der Brennholzanfall vermindert und dadurch die
^löglichkeit gegeben wird, selbst geringere Brennhölzer besser zu verwerten.
Bei Ausformung der Stangenhölzer (Hopfenstangen, Wagnerhölzer) ist
tiefer Aushieb derselben aus dem Boden sowie Beibehaltung der größtmöglichen
Länge anzustreben ; das Entgipfeln ist also in der Regel zu unterlassen. Man legt die
Stangen in Haufen, deren Zahl meist auf je 10 abgerundet ist, zusammen.
Baum- und Weinpfähle, Telegraphenstangen, überhaupt solche Sortimente, die
in bekannten Längen gebraucht werden, läßt man so ablängen, wie es der Begehr
fordert.
Auch bei den Nadelstangenhölzern ist das Schälen vielfach üblich und nützlich,
teils wegen Erleichterung des Austrocknens, teils als Vorbeugung gegen Insekten-
beschädigungen.
S c h i c h t n u t z h o 1 z wird aus dem zu Langnutzholz nicht tauglichen Teile
des Einschlages, der sonst nur Brennliolz liefert, ausgesondert. Es handelt sich hier
meist um astreines, glattspaltiges Holz für Schnitzer, Böttcher, Wagner, Felgenhauer,
Drechsler etc. Bei Ausformung desselben ist besonders darauf zu sehen, daß nicht
wertvolles und besser bezahltes Langnutzholz in Scheitholz zerschnitten wird, daß
vielmehr nur solche Nutzholzabschnitte, die wegen irgend eines Fehlers in größeren
Längen nicht zu benutzen sind, zur Formung des Schichtnutzholzes verwandt werden,
letzteres im übrigen aus dem Brennholz ausgeschieden wird.
Brennholz zerfällt in Scheitholz und Prügelholz; unter letzterem sind die
Rundstücke von über 7 bis 14 cm Durchmesser am oberen Ende zu verstehen; stärkere
Hölzer werden behufs leichterer Austrocknung in Scheiter gespalten ; bei normal ge-
wachsenem Holze bedient sich der Holzhauer hier neben der schweren keilförmigen
Spaltaxt des Keils; Verwendung finden hölzerne und eiserne Keile;
erstere haben den Vorzug vor letzteren, daß sie mit dem Rücken der Axt eingetrieben
werden können, dagegen den Nachteil größerer Reibung und daher geringerer \\'irk-
samkeit. Der beste und meistverwendete Keil, der die Vorteile des Holzkeils mit
denen des Stahlkeils verbindet, ist der zusammengesetzte Keil mit eisernem Schuh
und hölzernem Kopf, welch letzterer aus zähem Hainbuchenholz hergestellt wird
und gegen das Breitschlagen durch einen Eisenring gesichert ist.
490 IX B. Stoelzer, Forstbenutzung.
Auch beim Brennholz muß auf eine sorgfaltige Sortierung Bedacht geiKimmen
werden; zunächst müssen die verschiedenen Holzarten je nach ihrem Brennwert
auseinandergehalten und dürfen beispielsweise nicht Buchen und Eichen unterein-
ander gesetzt, sondern allenfalls nur solche Holzarten zusammen in einen Stoß gelegt
werden, die in ihrer Brenngüte gleichstehen. Es ist ferner darauf zu sehen, daß zu
gesundem Holz kein anbrüchiges, zu Scheitholz keine schwachen Prügel gelegt
werden; knorriges Holz ist von glattspaltigem zu trennen.
Sortimente, die nur spärlich vorkommen, so daß man aus ihnen keinen vollen
Stoß herstellen kann, lege man nicht zu der nächst besseren, sondern zu einer ge-
ringeren Klasse; im ersteren Falle wird das Ansehen des guten Holzes geschmälert,
im letzteren gewinnt die Verkaufsfähigkeit des schlechten durch Beimischung von
etwas besserem Holz.
Alle Stöße müssen gut und dicht zwischen fest eingeschlagene Stützen gelegt
werden, sie erhalten die richtige Scheitlänge und normale Weite, in der Höhe gibt
man oft 10 cm Uebermaß (Darrschicht) zu, wenn das Holz bis zur Verwertung vor-
aussichtlich einige Zeit im Walde stehen bleiben muß.
Zur Erlangung guten Sortierens und Aufschichtens der Brennhölzer hat man
die Aufstellung besonderer Holzsetzer vorgeschlagen, derart, daß die gewöhn-
lichen Holzhauer das Fällen, Ablängen und Aufspalten besorgen, während das Sor-
tieren und Setzen besonders bevorzugten Holzhauern übertragen wird. Man geht
davon aus, daß das Holzsetzen besondere Uebung und Geschicklichkeit erfordere;
auch nimmt man an, daß der Holzsetzer, selbst wenn er auch im Akkord arbeitet,
doch durch ein lückiges Setzen nur einen geringeren Mehrverdienst habe, als der
Holzhauer selbst, da er nur an den geringen Kosten des Setzens, nicht aber an den
Hauptkosten der Aufarbeitung teilhabe, daher kein so großes Interesse an fehler-
hafter Arbeit, die ein Mehrergebnis hervorruft, haben könne. — Diese Erwägungen
sind ohne Zweifel nicht unrichtig, allein ohne eine eingehende Kontrolle seitens des
Wirtschaftspersonals wird auch der Holzsetzer nicht ordentlich arbeiten und eine
Erschwerung der Betriebsarbeiten wird mit dieser Einrichtung immerhin verbunden
sein; dasselbe scheint daher in der Praxis wenig Eingang gefunden zu haben.
Ast- und R e i s h 0 1 z wird entweder mittelst Holzwieden, bezw. dünnem
Draht in Wellen gebunden oder in Raummeter zusammengelegt. Bei Sortierung des
Reisholzes in Wellen, wobei die Normalwelle 1 m Länge und 1 m Umfang, oder 1,5 m
Länge und 0,8 m Umfang haben soll, empfiehlt sich zur Beförderung des Austrocknens
die Aufstellung derselben in schief gegeneinander dachförmig geneigten Reihen, nicht
aber wagrechte Auflagerung; oben auf die Reihe legt man für je 10 Stück eine Welle
wagrecht, so daß sofort ersehen wird, wieviel Zehner der Stoß enthält. Die stärkeren
Knüppel schneidet man bisweilen zweckmäßig als sogenannte Reisknüppel aus
und läßt dieselben ins Raummaß setzen. In holzreichen Gegenden empfiehlt es sich
dann öfters, auf das Ausbinden des geringen Reisholzes, gar keine weiteren Kosten
zu verwenden, sondern dasselbe auf Haufen zusammenbringen, zwischen einzu-
schlagende Pfähle aufschichten zu lassen und in dieser Form nach dem Raummaß zu
verwerten. — Insbesondere erweist sich dieses Verfahren bei Verwertung des
Nadelreisigs, das in manchen Gegenden als Streumaterial sehr gesucht ist, nütz-
lich; meist wird dasselbe jedoch einfach auf Haufen gebracht und nach Wellen
geschätzt.
S t o c k h o 1 z gewinnt man entweder mittelst der in § 19 beschriebenen Baum-
rodung oder, nachdem die Stämme mit Axt und Säge gefällt worden sind, durch
besonderes Ausgraben der im Boden verbliebenen Stöcke. Das Verfahren der Stock-
Gewinnung des Holzes und der Rinde. § 21. 491
rodung nach vorauss;egangener Fällunar der Stämme mit Axt und Säge i.st das weitaus
gebräuchlichste \'erfahren.
Auch beim Stockroden werden die Hauptwurzein vom Stamm getrennt und
aus der Erde gegraben; den stehengebliebenen Stock zerkleinert man in der Regel
mittelst Zerspaltens in einzelne Teile und Herausdrehens derselben mittelst Ilebe-
stangen; ist der Stock niedrig, so wird er wohl auch ganz ausgegraben, auf die Ab-
schnittsfläche gesetzt und von unten aus gespalten.
An steilen Hängen oder inmitten von Verjüngungen beläßt man wohl auch das
Wurzelholz im Boden und spaltet nur den eigentlichen Stock des Baumes ab, indem
man möglichst nahe an der Erde einzelne Kerben einhaut und von oben in der ent-
sprechenden Breite des Stammes Keile eintreibt (Abschmatzen, Ausspitzen).
Neben der bloßen Handarbeit unter Benutzung der gewöhnlichen Holzhauer-
werkzeuge, sowie von besonderen Stockrodemaschinen (Krupp, Boos . . .), auf die
hier nicht weiter eingegangen werden soll, wird zur Zerkleinerung des Stockholzes
auch die Anwendung verschiedener Sprengstoffe (Pulver und Dynamit, Cahücitusw.)
mehrfach empfohlen. Hierbei wird der zu sprengende Stock von der Seite, von oben
oder auch unten angebohrt, das Bohrloch mit Pulver oder Dynamit besetzt und dieses
unter Anwendung einer Zündschnur (bei DjTiamit derart, daß an der Zündschnur
ein Zündhütchen aufgesetzt und in das Dynamit eingeführt ist) und nach gehörigem
Verschluß des Bohrloches zur Explosion gebracht.
Dynamit wirkt kräftiger und zerreißt den Stock mehr als Pulver, bei dem
öfters nur Risse entstehen, die zum weiteren Angriff mit Axt und Keil benutzt werden.
Man hat, insbesondere zur Pulversprengung, besondere Instrumente konstruiert,
die zur sicheren Einführung der Sprengpatronen in das Innere des Stockes und zu
einem guten Verschluß des Bohrloches dienen. Es sind dies die sog. Spreng-
schrauben; gemeinsam ist ihnen allen eine in das Bohrloch einzuführende hohle
Schraube, die auf die Zündmasse aufgeschraubt wird, bezw. diese nebst der Zün-
dungsvorrichtung enthält. Am vollkommensten ist die von Forstmeister U r i c h
erfundene Zündnadelsprengschraube i), bei der das Pulver durch eine mit einer Spiral-
feder verbundene Zündnadel, die in einen Zündspiegel einschlägt, zur Entzündung
gebracht wird, während bei anderen Sprengschrauben, z. B. denjenigen von F r i-
b o 1 i n , sowie von Preuschen, die Zündung durch Abdrücken einer dem Schlosse
eines Ge\\ehres entsprechenden Vorrichtung zu bewirken ist.
Statt der Sprengschrauben hat Oberförster Lang den Sprengpfropf
zum Verschluß des Bohrloches konstruiert -), ein kegelförmiges Eisenstück, in seiner
Achse zur Aufnahme der Zündschnur durchlocht und so eingerichtet, daß es mittelst
eines hölzernen Schlegels in das mit Pulver geladene Bohrloch eingetrieben wird.
Diese Methode scheint wegen der Billigkeit des Apparates (50 Pfennig pro Stück),
die es ermöglicht, daß die Holzhauer sich denselben auf eigene Rechnung beschaffen
können, beachtenswert.
Im allgemeinen ist die Stockholzzerkleinerung durch Handarbeit gegenüber der
Verwendung von Sprengstoffen bis jetzt wenig zurückgegangen. Es liegt dies vor-
nehmlich daran, daß die Anwendung von Pulver oder Dynamit nur bei dem Baum-
rodungsverfahren von überwiegendem Vorteil ist, indein die Wirksamkeit dieser
Sprengstoffe an die Bedingung geknüpft ist, daß der gerodete Stock bereits außerhalb
des Bodens liegt, wogegen, wenn sich der Stock nach Abtrennung des Baumschaftes
noch in der Erde befindet, mit den Sprengmitteln ein geringerer Erfolg erzielt wird.
1) Z. f. F. u. Z. 1876, S. 418. Zündnadel-Sprengschraube von L'rich.
2) A. G.- u. J.-Z. 1882, S. 68. Der Sprengpfropf von Lang.
492 IX B. S l 0 e l z e r , Forstbenutzung.
Was übrigens die Vorteile der Anwendung von Sprengmitteln gegenüber der
Handarbeit, ausgedrückt in der Verminderung der Gewinnungskosten, anlangt, so
dürfte sich dieselbe gewiß bei harten, zähen und vermaserten Stöcken als nennenswert
herausstellen '); bei Fichten hat sich die Handarbeit billiger gezeigt, als die Anwen-
dung von Sprengmitteln; auch bei Kiefern stellte sich die Gewinnung von 1 rm
Stockliolz billiger durch Handarbeit, als durch Dynamit-).
Diese letzteren Erfahrungen beziehen sich jedoch nicht auf Stöcke, die bei
der Baumrodung gewonnen waren.
Es ist nicht anzunehmen, daß die Handarbeit durch die Stocksprengung mit
Pulver, Dynamit und anderen Stoffen im großen und ganzen verdrängt werden wird ;
diese Sprengstoffe werden jedoch immerhin als Hilfsmittel Beachtung verdienen,
wobei Dynamit wegen der größeren Umständlichkeit des Bezugs und der leichteren
Veranlassung zu Unfällen, sowie der Schwierigkeit der Anwendung desselben im
Winter (es gefriert schon bei + 8" Celsius) gegenüber dem Pulver im Nachteil stehen
dürfte. Neuestens wird ein neues Sprengmittel, C a h ü c i t , von vielen Seiten an-
gelegentlich empfohlen.
Das zerkleinerte Stockholz wird in Raummeter aufgesetzt. Da dasselbe nie
glatt und gerade, sondern immer sperrig und mehr oder weniger gekrümmt ausfällt,
so ist beim Aufsetzen eine besondere Aufsicht auf gutes Legen zu führen; am meisten
empfiehlt es sich, die Stöße nur in Tiefen von v, Meter aufschichten zu lassen, da auf
diese Weise Undichtigkeiten und Lücken am leichtesten entdeckt werden.
Auch beim Stockholz ist es geboten, die verschiedenen Holzarten beim Auf-
setzen zu sondern; vom Fichtenholz gewinnt man öfters viel anbrüchige Stöcke und
Wurzeln. Diese müssen von dem gesunden Material bei dem Aufsetzen streng ge-
schieden werden.
§ 2L N u t z u n g d e r R i n d e. Im Laubholz ist in der Regel nur die Ge-
winnung der Eichenrinde von jüngeren Stämmen, insbesondere im Nieder- und
;\Iittel\vald, Gegenstand der forstlichen Nutzung. Im Nadelwald schält oder rappelt
man unter Umständen fast alle Stämme zur leichteren Austrocknung und Abwehr
von Insektenschäden, allein eine Nutzung von besonderer Erheblichkeit gewährt
in den deutschen Wäldern hierbei nur die Fichte, deren Rinde zur Lohgewin-
nung dient.
Die Lösbarkeit der Rinde vom Holzkörper ist an die Zeit des Saftsteigens,
die mit dem Knospenausbruch zusammenhängt, gebunden. Die beste natürliche
Schälzeit ist vom Mai bis Ende Juni, selbst bis Juli. In diese Zeit fällt also die Rinden-
nutzung, da die in Frankreich durch Le Maitre erfundene Methode der Dampfschä-
lung, bei welcher die zu schälenden Hölzer in eine mit Dampf gefüllte Kiste gelegt
werden und das Schälgeschäft von der Jahreszeit unabhängig ist, in Deutschland
keinen Eingang gefunden hat ^).
Die Schälzeit der Traubeneiche beginnt 8 — 12 Tage später als die der Stiel-
eiche; die Rinde löst sich am besten bei warmer und feuchter Luft, insbesondere in
den Morgen- und Abendstunden.
Nach früheren Versuchen nahm man an, daß das Gewicht der Volumeneinheit
zu Ende der Schälzeit größer sei als zu Anfang derselben; so z. B. hat Oberförster
1) Nach Heß bezifferten sich die Gewinnungskosten für Buchenstöcke bei Pulversprengung
auf 1,02 M., bei Handarbeit auf 2,33 M. pr. rm. Es waren dies durch Baumrodung gewonnene
Stöcke. F. Z.-Bl. 1883, S. 147.
2) Z. f. F. u. J. 1878, S. 337. Schuberg, Versuche mit Stocksprengungen. F. Z.-BI.
1880, S. 99 ff. Ueber Dynamit-Stocksprengversuche.
3) Z. f. F. u. J. 187"o, S. 341. Die Dampfentrindung von A. Bernhardt.
Gewinnung des Holzes und der Rinde. § 21. 493
Reu ß nacligew lesen, daß gleich große Gebunde Lohe Im Mal geschält II, I Kilo, Im
Juni geschält hingegen 14,7 Kilo wogen ^).
Später hat v. Eschwege eine Erfahrung veröffentlicht, nach der sich umgekehrt
für die früher geschälte Lohe ein größeres Gewicht ergibt, als für die später geschälte.
Rinde, in der Zelt vom 1. — 14. Mai 1878 geschält, ergab ein Gewicht von 6,9 Kilo
pro Gebund, während gleichgroße Gebunde desselben Standortes, vom IT», bis Ende
Mal geschält, im Durchschnitt nur 5,9 Kilo gewogen haben -).
Mag nun aber die eine oder andere Beobachtung richtig sein, so wird di ich jeden-
falls der Eichenschälbetrieb s o f r ü h z e i t i g a 1 s m ö g 1 1 c h einzusetzen haben,
schon im Interesse einer rechtzeitigen Bcendigiuag der Ernte, dann aber auch zur
Erzielung eines besseren Ausschlags von den gehauenen Stöcken, dem noch Zelt zu
guter Verholzung bleiben muß.
Das Verfahren bei der Rindenernte ist folgendes: Zunächst wird schon vor der
eigentlichen Schälzeit das sog, Raumholz, d. h. die den Eichenausschlägen beige-
mischten anderen Holzarten, sowie die nicht schälbaren Eichenloden, gehauen und
aus den Schlägen entfernt, sofern dies nicht schon einige .Jahre früher geschehen;
gleichzeitig werden wohl auch die Wasserreiser von dem Eichenschälholz abgehauen.
Das Schälen selbst erfolgt nach verschiedenen Verfahren. Vielfach angewendet
^\■ird das Schälenam liegen denHolz, indem zunächst die Stangen vom
Stock getrennt und in 1 m lange Stücke zerlegt werden. Das Loslösen der Rinde er-
folgt hierauf durch Klopfen mit Holzschlegeln auf hölzerner Unterlage, Das \er-
fahren hat den Nachteil, daß durch das Klopfen sowohl Saft wie Rindenteile Verloren
gehen, daß die Rinde gequetscht wird, daher leichter schimmelt, und daß endlich
besondere Vorrichtungen zum Trocknen der Rindenrollen notwendig sind.
Ein weiteres Verfahren ist das Stehendschälen. Hier werden nach Ab-
hieb der Aeste die stehenden Stangen von unten her geschält, indem man die Rinde
zunächst auf einer Seite der Länge nach aufreißt, sie am Fuße der Stange ringsum
löst und nach oben abzieht. Zur Loslösung der Rinde bedient man sich besonderer
\\erkzeuge, der Lohlöffel. Die Loslösung erfolgt bis an die Zweige unter ^'erwendung
von Leitern.
Da die Rinde hierbei am Stamm hängen bleibt, so trocknet sie leicht und rasch.
Nachteilig ist, daß die Rinde von den Aesten und Zweigen nicht gewonnen werden
kann, auch ist das \'erfahren ermüdend.
Eine dritte Methode ist die des G e k n i c k t s c h ä 1 e n s. Die Stange wird hierbei
von unten im Stehen bis zu I m Höhe geschält, hierauf nach Einhauen mit der Axt
geknickt, so daß die Spitze vom Boden aus erreichbar ist und nunmehr die liegende
Stange mit Leichtigkeit weiter geschält. Zur Gewinnung der Rinde von den Zweigen
werden diese geklopft. Die Rinde bleibt auch hier zum Trocknen am Stamme hängen.'
Dieses Verfahren ist wohl das beste, weil es bequem zur Ausführung zu
bringen ist und eine sorgfältige Nutzung der Rinde gestattet.
Wesentlich ist nun weiterhin ein r a s c h e s A u s t r o c k n e n d e r R i n d e,
wobei es darauf ankonmit, daß dieselbe nicht beregnet wird, da sie sonst durch ^^'asse^
einen Teil ihres Gerbstoffes verliert.
Damit das Trocknen rasch vonstatten geht und die Rinde hierbei nicht auf
dem Boden aufliegt, weil sie dabei leicht schimmlig wird, fertigt man beim Liegend-
schälen besondere Trockengerüste, indem man 2 Paare von Stangen kreuzweise im
1) M, f, F, u. J. 1866, S. 450.
2) Z. f. F. 11. J. 1886, S. 283, V. Esc li w e g e, Einfluß der Schälzeil auf das Gewicht der
Eichen-Lohrinde.
494 IX B. Stoelzer, Forstbenutzung.
Boden befestigt und, nachdem dieselben an dem obersten Teil zusammengebunden
sind, in die so entstandene Gabel eine weitere Stange legt, auf der nach dem Boden
in der Richtung nach der Sonnenseite weitere Stangen angelegt werden.
Auf diese Gerüste werden die Rinden dünn ausgebreitet und, nachdem eine
Seite abgetrocknet ist, umgewandt^).
Bei Eintritt von Regen deckt man wohl auch die Rinde mit Tüchern zu. Daß
ein solches Verfahren, das in Ungarn allgemein eingeführt ist, in Deutschland nur
ausnahmsweise angewandt wird, gehört mit zu den stehenden Klagen der Rinden-
käufer.
Nach der Abtrocknung erfolgt das Binden der Rinde in Gebunde. Hierzu
benutzt man besondere Böcke, (Rinden- oder Bindböcke), aus kreuzweise in die Erde
geschlagenen Prügeln bestehend. Die Gebunde werden mit Wieden oder Stricken
gebunden. Ihre Länge und Stärke richtet sich nach den ortsüblichen Gewohnheiten
und variiert zwischen 1 — 2 Meter Länge und 0,6 — 1,10 Meter Umfang. Beim Auf-
binden wird gleichzeitig sortiert.
Man sortiert entweder nach .Jung- und Altrinde, oder schärfer (Sor-
tierung des früheren Heilbronner Rindenmarkts) nach:
Glanzrinde (Jung- oder Spiegelrinde) von Loden bis zu 10 cm Stärke
in 1 m Höhe über dem Boden. Diese Sorte bildet die beste Qualität, ist glatt und
silbergrau, ohne Borkebildung; sie stammt aus bis zu 20jährigen Schälschlägen.
Reitel rinde, von 10 — 20 cm starken Stammstücken, hat geringere
Qualität, ist rauh (beginnende Borkebildung) und stammt aus Durchforstungen und
älteren Schälschlägen.
Grob rinde (Rauh- oder Altrinde) von Stammstücken und Aesten über
20 cm Durchmesser, ist starkborkige Rinde und zeigt geringste Qualität.
Da die Rinde gewöhnlich nach dem Gewicht verkauft wird, so erfolgt in diesem
Fall unmittelbar nach dem Abtrocknen das Verwiegen und die Uebergabe an den
Käufer. An manchen Orten ist der minder sichere Verkauf nach Gebunden im Ge-
brauch.
Auch von älteren Eichenstämmen wird in manchen Gegenden die Rinde als
Gerbmaterial gewonnen.
Man schält hier meist im Liegen, indem die Rinde in meterlange Kränze ein-
gekerbt, mit einem Lohschlitzer aufgerissen und sodann abgelöst wird. Doch ist auch
das Verfahren des.Stehendschälens im Gebrauch, wobei die geschälten Stämme nicht
alsbald nach dem Schälen, sondern erst im folgenden Winter abgehauen werden;
dieselben sollen hierbei an Güte und Festigkeit des Holzes gewinnen, indem sie im
Gipfel grün werden, auf welche Wefse der Saft herausgezogen wird ^).
Der Verkauf der Alteichenrinde findet in der Regel nach Raummetern
statt.
Das Schälen der Fichten erfolgt derart, daß die gefällten Stämme und
Stangen in Entfernungen von 1 — 2 Meter ringsum eingekerbt und die Rindenringe
meist mittelst hölzeiTier, harter, zugespitzter Rindenschlitzer abgelöst werden. Diese
Rindenringe rollen sich zusammen; sie werden an die liegenden Stämme zum Trocknen
angelehnt, nach erfolgter Austrocknung in Raummeter gelegt und diese verwertet.
Auch verkauft man wohl die Rinde nach der Stückzahl der Rollen. Bei dem ge-
ringeren Wert und Preis der Fichtenrinde ist der Verkauf nach dem Gewicht nicht
1) Etwas abweichende Trockengerüste mit Reisigdeclve gegen Regen werden beschrieben
von S c h ü t z in Z. f. F. u. J. 1881, S. 615.
2) Z. f. F. u. J. 1880, S. 639. Brauns, Verfahren, die Eichen stehend zu schälen.
Gewinnung des Holzes und der Rinde. § 21. 495
üblich; hingegen überläßt man wühl auch die Rinden zur SelbsLgewinnung an den
Käufer derart, daß ein Kaufpreis je Stamm oder je Stange gezahlt wird.
Es ist zu bemerken, daß die Rinde nicht nur von solchen Stänunen sich schälen
läßt, die zur Saftzeit gefällt sind, sondern daß mit Eintritt der letzteren die Rinde
auch an Stämmen schälbar wird, die schon im ^^'inter geschlagen sind. Doch ist in
diesem Fall die Zeit, während deren das Schälen noch geht, sehr kurz.
Auch Fichtenrinde verliert infolge von Auslaugen durch Regen bedeutend an
Güte, man verkauft dieselbe meist schon vor der Aufbereitung und übergibt sie dem
Käufer alsbald nach Beendigung derselben.
Alte borkige T a n n e n r i n d e , die ein gutes Brennmaterial abgibt, schält
man ebenso wie Fichte.
Die Rinde vom L i n d e n h o 1 z ist zur Darstellung des Bastes zu benutzen.
Ihre Gewinnung ist in Rußland von Wichtigkeit, in Deutschland ist sie wohl nirgends
Gegenstand der regelmäßigen Forstbenutzung. Die geschälte Rinde wird, ähnlich
wie Flachs, im Wasser geröstet, und es wird alsdann durch Klopfen die Bastlage von
dem eigentlichen Rindenkörper gelöst ^).
Was die Älaterialerträge der Gerbrindennutzung, sowie die Volumen-Verhält-
nisse des Holzes zur Rinde anlangt, so ist darüber folgendes zu sagen:
Im Eichenschälwald hat man je nach dem klimatischen Charakter der verschie-
denen Gebiete, sowie der Beschaffenheit, endlich nach der wirtschaftlichen Behand-
lung der Wälder (Umtrieb, Bestandespflege etc.) sehr verschiedene Erträge.
Nach Bernhardt''') kann man bei kürzeren (12 — 17jährigen) Umtrieben
folgende Zahlen annehmen:
I. Kl. (sehr günstiges Klima, sehr guter Boden) ein .Jahres-Durchschniltszu-
wachs pro Hektar von 10 Zentner Rinde urtd 7 Festmeter Holz.
II. Kl. (günstiges Klima, guter Boden) 8 Zentner Rinde und 6 Fest-
meter Holz.
III. Kl. (westdeutsches Bergklima, mittelmäßiger Boden) 5 Zentner Rinde und
5 Festmeter Holz.
l\. Kl. (nordwest- und mitteldeutsches Klima, guter, namentlich frischer und
tiefgründiger Lehmsandboden), 3 H Zentner Rinde und 4 Festmeter Holz.
\'. Kl. (norddeutsches Klima, frischer Sandboden) 3 Zentner Rinde und 4 Fest-
meter Holz.
Nach Forstmeister 0 s t n e r ') ergaben sich im Odenwald folgende Ertragszahlen
bei löjährigem Umtrieh als Durchschnitte pro Jahr und Hektar:
I. schlechte, lückige Schläge 2,7 Zentner Rinde und 1,6 Raummeter Schälholz;
II. mittlere, mäßig geschlossene Schläge 4 Zentner Rinde und 2,4 Raummeter
Schälholz;
III. gute, geschlossene Schläge 5,3 Ztr. und 3,2 Rm.
IV. sehr gute „ 6,7 Ztr. und 4,0 Rm.
V. vorzügliche ,, 8 Ztr. und 4,8 Rm.
VI. ungewöhnliche ,, 9,3 Ztr. und 5,8 Rm.
Als Höchstbetrag werden pro Hektar 225 Zentner Rinde beim Abtrieb, ent-
sprechend 15 Zentner Durchschnittsertrag pro Hektar angegeben.
Nach Baurs ,, Untersuchungen über die Festgehalte und das Gewicht des
1) A. F.- u. J.-Z. 1873, S. 290. Verwendung des Lindenbastes in Rußland.
2) Eichenschälwaldkalcchismus von .\. Bernhardt, 1877, S. 66.
3) Statische und statistische Mitteilungen aus dem Eichenschälwald von W a 1 l h e r. Z. f.
u. J. 1886, S. 339.
496 IXB. Stoetzer, Forstbenutzung.
Schichtholzes und der Rinde" (1879) hat man folgende Verliältniszahlen zwischen
Volumen und Gewicht der Eichenrinden anzunehmen:
E i c h e n - A 1 1 r i n d e geputzt, waldtrocken 1 Zentner = 0,065 fm
ungeputzt ,, = 0,064 fm
E i c h e n - J u n g r i n d e
Spiegelrinde 1 Zentner = 0,0565 fm
Reitelrinde ,, = 0,0595 fm
Grobrinde „ = 0,0620 fm
Auf den Raummeter geschälten Holzes kann man nach B a u r i) rechnen:
bei jüngerer Stammrinde 1.00 Zentner waldtrockene Rinde,
bei älterer Stammrinde 1,50 ,, ,, ,,
bei Astreitelrinde 1,30 ,, „ „
bei Astglanzrinde 0,76 ,, ,, ,,
Die Prozente der Rinde im Verhältnis zum ungeschälten Holz sind je nach dem
Alter, bezw. der Stärke des Holzes verschieden, mit abnehmender Stärke nehmen sie
naturgemäß zu. Man kann nach Baur im Durchschnitt rechnen:
Astglanzrinde 35% des Holzgehaltes
Astreitelrinde 30% ,, ,,
Stammglanzrinde 27% ,, ,,
Stammreitelrinde 18% „ ,,
Bei F i c h t e n r i n d e in Rollen kann man nach Baur den Raummeter grün
= 0,27 fm und waldtrocken = 0,15 fm ansetzen; das Gewicht pro Raummeter be-
trägt nach Baur waldtrocken 111 Kilo, grün hingegen 227 Kilo. Ueber die Frage
nach dem Prozentsatz der Rinde im Verhältnis zum Holz liegen bezüglich dieser
Holzart in der Literatur bis jetzt wenig Angaben vor.
Ueber die in der Sachsen-Meiningischen Staatsforstverwaltung angestellten \'er-
suche und deren Resultate ist anzuführen, daß die Rindenprozente mit zunehmender
Standortsgüte und Zunahme der Stärken wesentlich abnehmen. Auf geringen Stand-
orten ist die Rinde verhältnismäßig stärker, ebenso an jüngeren, bezw. schwächeren
Stammteilen. Für eine mittlere Ortsgüte von 0,5 ergaben sich folgende Rinden-
prozente der ganzen Baumschäfte :
bei 10 cm Durchmesser 17,0% bei 21 — 35 cm Durchmesser 12,2%
bei 11—15 cm „ 13,4% bei 36-40 „ „ 12,0%
bei 16—20 cm „ 13,0% bei 41-45 „ „ 11,6%.
III. Verwertung der Fällungsergebnisse.
§ 22. S c h 1 a g a u f n a h m e. Bei Aufarbeitung der Schlagergebnisse ist auf
ein geordnetes Anrücken derselben an Wege, Schneisen, Schlagränder behufs er-
leichterter Uebersicht, sowie zur Schonung der Anwüchse und zur Beförderung des
Absatzes zu sehen. Es erfolgt dies beim Brennholz, Reisig und den geringeren Nutz-
hölzern mittelst Tragens, Fahrens, auf Schiebkarren oder Handschlitten, sowie bei
stärkerem Holz durch Schleifen, nötigenfalls unter Anwendung von Zugkräften,
wobei das Vordergestell eines Wagens zur Aufnahme des zu schleifenden Stammes
mit Vorteil benützt wird -). An steileren Hängen im Gebirge ist vielfach das ,,S e i-
1) Untersuchungen über Eichengorbrinde von Bau r. M. f. F. ii. J. 1875, S. 241.
2) Eine sehr zweckmäßige Transportvorrichtung zum .\usrüclceii von Langnutzholz be-
schreibt G r u n e r t unter dem Titel , der Neuhauser Rüctcwagen" in F.-Bl. 1886, S. 159. Es ist
dies ein Räderpaar mit Achse und einer Lentcwiede, an der die Vorrichtung zum Anspannen des
Zugviehs sich befindet; die Benutzung geht derart vor sich, daß die Räder über den Stamm ge-
497
1 e n" des Stammholzes üblich, das darin besieht, daß am dicken Stammende mit
Hilfe des Lotnagels ein Seil befestigt wird. Dieses Seil wird mehrmals um einen
stehenden Baum geschlungen und nun der in der Richtung des stärksten Gefälls
und mit dem dünnen Ende nach abwärts liegende Stamm durch Drehen in gleitende
Bewegung gesetzt. Diese Abwärtsbewegung wird durch Anziehen und Nachlassen
des Seils geregelt und so der Stamm allmählich zu Tal gebracht. (Vergl. M ü 1 1 c r,
Schweizer Zeitschr. f. Forstwesen 1905, S. 6.)
Nach erfolgtem Anrücken und Aufsetzen haben die einzelnen Holzhauerrotten
die von ihnen aufbereiteten Forsterzeugnisse mit einem Zeichen, am besten einer
Nummer zu versehen, die ein für allemal angibt, welche Partie dieselbe aufgearbei-
tet hat.
Nach Fertigstellung der Hauung erfolgt die Schlagaufnahme. Dieselbe dient
zur förmlichen Uebernahme der Hiebsergebnisse seitens der Forstverwaltung von
den Holzhauena, sowie zur Verzeichnung derselben in besondere Aufnahmelisten
(Nummernbücher) behufs der Verwertung.
Jeder Posten vom Rund-, Werk- oder Brennholz, sowie jeder Haufen Reisig
erhält eine Nummer; man wählt getrennte Nummernfolgen für Stammholz, Stangen,
Schichtholz, Reisig, Stöcke etc. Das Anschreiben der Nummern erfolgt beim Schicht-
holz auf die Stirnfläche eines zweckmäßig etwas herausgestoßenen Scheites oder
Knüppels (Nummernscheit), beim Langnutzholz an die untere Abschnittf lache, beim
Reisholz auf besonders herausgezogene Prügel. Man bedient sich dazu der gewöhn-
lichen Rotstifte, oder besonders präparierter Kohlen (Lindenkohle mit Oel getränkt).
Weim die Hölzer längere Zeit bis zur Verwertung bzw. Abfuhr im Walde lagern
müssen, so ist es zweckmäßig, die Nununern auf besondere Weise dauerhaft anzu-
bringen. Hierzu kann man Oelfarbe wählen, bei deren Anwendung die Zahlen mit
einem Pinsel angeschrieben werden; auch hat man Schablonen von schwachem Blech,
mittelst deren ebenfalls unter Anwendung von Oelfarben die Zahlen angebracht wer-
den können.
Außerdem gibt es noch eine Anzahl besonderer Apparate, unter denen die
meiste Beachtung der G ö h 1 e r sehe N u m e r i e r s c h 1 ä g e 1 verdient ^). Ver-
mittelst desselben werden die Nummern mit Farbe in das Holz eingeschlagen, so daß
sie fest und dauerhaft sind. Die Anwendung des Apparates hat die große Annehm-
lichkeit, daß durch einen einfachen Hebeldruck nach dem Einschlagen einer Nummer
die zunächst folgende sich von selbst stellt. Die Nummertypen sind erhaben und
werden auf einer Filzplatte, die mit Leinöl und Druckerschwärze getränkt ist, oder
mit Hilfe eines Pinsels geschwärzt. Die Arbeit geht mit diesem Apparat rasch, sicher
und sauber von statten, die Zahlen haften gut und sind von weitem erkennbar. Um
das Geschäft des Numerierens jedoch nicht unnötig für den Forstbeamten aufzuhal-
ten, empfiehlt es sich, die Nummern zunächst mit Rotstift leicht anzuschreiben,
schoben und derselbe unter der .\chse mit Sclierenliaken, am vorderen Teil der Lenkwiede mittelst
Kette befestigt wird. Ein großer Vorteil liegt dabei darin, daß die Stämme nicht auf dem Wagen,
sondern unter demselben befestigt werden, so daß ein Mann Stämme von 2 fm allein zu heben
und zu regieren imstande ist. Von ähnlicher Einrichtung ist der ,,.\ h Ib o r nsclie Blochwagen",
beschrieben von G r u n e r t in F.-Bl. 1887, S. 39. Ferner wurde von Obf. Brock ein Rückwagen
angegeben, der als ein kleiner Wagen mit ganz niedrigen Rädern darzustellen ist, auf den die
Stämme und Abschnitte leicht zu heben sind. Um beide Enden aufliegen lassen zu können, sind
zwei Wagen nötig; bei Anwendung eines einzigen wird das Stammende geschleift. Zu erwähnen
ist auch der neuestcns empfohlene v. .Miller sehe Baum schlepp er, der in leichler und
schwerer Ausführung gebaut wird. (\gl. A. F.- u. J -Z. 1910, S 310).
1) Der sächsische .Numerierschlägel etc. von Bernhardt, Z. f. F. u. J. 1874, S. 71. Würdi-
gung verschiedener Xumeriermethoden von H e li. — .\. F.- u. J.-Z. 1873, S. 142.
Handb. d. Forslniss. 3. Aufl. II. 32
498 IX B. Stoetzer, Forstbenutzung.
was erheblich rascher zu bewirken ist, als die Arbeit mit dem Hammer, und sodann
durch Holzhauer oder Forstaufseher nachträglich das Einschlagen der Nummern
bewirken zu lassen.
Der P f i t z e n m a y e r sehe Apparat besteht aus Holzstempeln mit Typen
aus Filz, die geschwärzt und mit der Hand aufgedrückt werden. Der Ihrig sehe
Apparat hat eiserne Stempel, deren vorderes Ende mit je einer Nummer versehen
ist und nach erfolgter Schwärzung mittelst eines Hammers in das Holz eingeschla-
gen wird.
In das Nummembuch wird nunmehr für jede Nummer der nötige Eintrag über
das betreffende Sortiment gemacht. Mar^ hält getrennte Bücher für Stammholz,
Stangen und Schichtholz, Reisig und Stöcke.
Beim Stammholz erfolgt die Bestimmung des Festgehalts aus Mitten-
querfläche mal Länge (H u b e r sehe Formel) — als Paraboloid. Es wird somit die
Länge und Wittenstärke festgestellt und neben der Holzart und nötigenfalls der
Sortimentsklasse hinter der betreffenden Nummer angegeben.
Bei den Langnutzhölzern wird von den Holzhauern bei dem Aushalten der
einzelnen Stücke die Länge gemessen, hiemach die Mitte örtlich bestimmt und dort
die Länge angeschrieben. Die Aufnahme hat dann die Längenmessung zu prüfen
und es erfolgt nunmehr die Abnahme des mittleren Durchmessers mit der Kluppe ;
den Durchmesser läßt man zweckmäßig ebenfalls am Stamm selbst anschreiben.
Zur Feststellung des Raumgehalts der Nadelholzstämme w'erden in Württem-
berg seit längerer Zeit sog. Ku hie rungsgabel maße aus Eisen oder Alu-
minium verwendet, die sich sehr bewähren und immer mehr verbreiten. An der
Schiene dieser Gabelmaße kann nicht nur der Durchmesser, sondern sofort auch der
Raumgehalt für verschiedene Längen abgelesen werden, was die Schlagaufnahme
ungemein erleichtert.
Die Vermessung erfolgt bei unregelmäßig gewachsenen Stämmen und deren
Teilen wohl auch in mehreren Sektionen, namentlich wenn das betreffende Nutzstück
infolge seiner Form zweierlei Qualität hat, z. B. an einem Eichenstamm unten ein
glattes Stammstück, nach oben ein ästigerer Gipfelteil sich befindet.
Die Abnahme des Durchmessers geschieht bei unregelmäßiger Form des Mitten-
querschnitts übers Kreuz unter Mittelung der Ergebnisse. Auf gut konstruierte,
solide Kluppen, die richtiges ^laß ergeben, ist streng zu sehen. Fällt die Mitte auf
einen Ast oder eine unförmliche Erhöhung, so ist entsprechend am Durchmesser nach-
zulassen.
Nach der Vereinbarung der deutschen Staatsforstverwaltungen von 1875 ist
das Stammholz in der Regel mit Rinde, wenn es aber entrindet wurde, ohne
R i n d e zu messen. Diese durchaus unzweckmäßige Vorschrift ^) ist bei den Holz-
käufern mit vollem Recht vielfach unbeliebt und daher von vielen Verwaltungen,
besonders in Süddeutschland, dahin abgeändert worden, daß das Stammholz grund-
sätzlich stets ohne Rinde gemessen N\ird ^). In diesem Falle wird
1) Auf der 1885er ^"er^amnlung deutscher Forstmänner zu Görlitz hat man sich sowohl
von holzhändlerischer, als auch von forstlicher Seite für das Nichlmcssen der Rinde ausgesprochen.
2) Da bei Feststellung des Materialetats nach vorausgegangener Aufnahme der Holzbestände
die Rinde niilgemessen, also der Holzvorrat inklusive Rinde ermittelt ist, so käme es nur darauf
an, durch ausgedehnte Untersuchungen die Rindenprozente der verschiedenen Holzgattungen,
je nach deren Stärke, festzustellen, um alsdann durch geeigneten Zuschlag zu dem rindenfrei ge-
messenen Holz die der ursprünglichen Holzaufnahme entsprechende berindete Holzmasse für
den Fällungsnachweis zu finden. In Bayern sind dafür bei Eiche 15%, bei den übrigen Laubhölzern
und beim iS'adelholz hingegen 10°o als Zuschlag festgesetzt, in Württemberg für Eiche 20%, für
alle übrigen Holzarten (Laubhölzer und Nadelhölzer) 10%. Für Kiefernalthölzer berechnen sich
nach Obf. Scheel im Odenwald ebenfalls 15% (A. F.- u. J.-Z. 1901, S. 375).
Verwertung der Füllungsergebnisse. § 22. 499
dann, wo der Stamm nicht entrindet wurde, die Rinde an der Meßstelle entfernt.
Jene Vorschrift hat nicht allein den Nachteil der Unsicherheit infolge verschiedener
Behandlung der Stammhölzer, je nachdem sie entrindet ^^•urden oder nicht, sondern
sie ist insbesondere auch darum zu verwerfen, weil der Käufer doch wohl Holz und
nicht Rinde kaufen will und weil somit infolge der wechselnden Stärke und Borkigkeit
der Rinde ein Moment der Unsicherheit in die ganze Messung und Bewertung kommt.
Diese Unsicherheit bedingt ein Risiko für den Käufer, das der Verkäufer zu büßen
hat; denn um ganz sicher zu gehen, wird der Käufer beim Ansatz seines Gebots einen
solch hohen Abzug für die mitgemessene Rinde machen, wie er tatsächlich nicht be-
gründet ist.
Ueber den Verlust an blasse und \\'ert bei der Aufmessung und dem Verkauf
des Fichtenholzes in entrindetem Zustande hat B o r g m a n n interessante Erhebun-
gen gemacht (vergl. Zeitschr. f. F. u. .J. 1910, S. 583).
In einzelnen Forsthaushalten, z. B.bei derK. Sächsischen Staatsforstvervvaltung,
hat man für die Kubierung der Nadelholzblöcke, die in gewissen ortsüblichen, dem
Handel entsprechenden festen Längen ausgehalten werden, die Messung des oberen
Durchmessers gewählt, wobei die Bestimmung des Festgehalts der Blöcke mit Hilfe
von Tabellen erfolgt, die auf Grund von Erfahrungszahlen aufgestellt sind.
Bei Aufnahme der schwächeren R u n d h o 1 z s o r t i m e n t e , z. B.
Wagnerhölzer, Grubenhölzer, verfährt man wohl auch so, daß nicht für jedes einzelne
Stück Länge und Stärke erhoben, sondern eine größere Zahl gleicher Länge zu einer
Nummer vereinigt und für dieselben e i n gemeinschaftlicher mittlerer Durchmesser
ermittelt wird.
Die Stangensortimente nimmt man nach dem in 1 Meter über dem
Abhieb gemessenen Durchmesser und der mittleren Länge auf. Man vereinigt auch
hier unter einer Nummer eine schon örtlich bei der Holzhauerei in passende Haufen
zusammengelegte Mehrzahl von Stangen, deren Stückzahl in der Regel durch 10
teilbar ist.
\'ielfach sind bestimmte Klassen für gewisse häufig vorkommende Stangen-
sortimente im voraus festgesetzt, z. B. Bohnenstangen, Hopfenstangen I., II. und
III. Kl., in welchem Fall nur die Stückzahl in die betreffende Sortimentsspalte ein-
zutragen ist.
Bei jeder Numerierung und Holzaufnahme hat der das Geschäft besorgende
Forstbeamte genau zu prüfen, ob die Hölzer nach Vorschrift aufgearbeitet sind.
Beim Langnutzholz muß darauf gesehen werden, daß die Aeste glatt von den Stämmen
und Stangen abgehauen sind; sollten sich anbrüchige Stellen finden, so ist darüber
eine Bemerkung im Nummernbuch zu machen, damit die Preisfestsetzung der ge-
ringeren Güte entsprechend bewirkt werde.
Beim Schichtholz und Reisig wird Güte, Holzart und Sortiment
hinter der einzelnen Nummer eingetragen. Beim Schichtholz ist die Richtigkeit der
blasse zu prüfen, sowie festzustellen, ob die Stöße gehörig dicht und lückenlos gesetzt
sind; alle in dieser Hinsicht zu stellenden Erinnerungen sind den bei der Schlagauf-
nahme zugezogenen Holzhauern zur sofortigen Erledigung der Anstände mitzuteilen.
Die Schlagaufnahme wird hinsichtlich ihres Ergebnisses mit den Angaben der
Holzhauer über das von ihnen Gefertigte verglichen, etwaige Abweichungen werden
behoben und die nötige Uebereinstimmung herbeigeführt.
Der Numerierung folgt die Prüfung des Schlags durch einen Vorgesetzten des-
jenigen Beamten, der die erste Aufnahme besorgt hat, in der Regel durch den Ver-
waltungsbeamten, insofern die erste Aufnahme dem Schutzpersonal obzuliegen pflegt.
32*
500 IX B. Stoetzer, Forstbenutzung.
Dieses Geschäft (Holzabnahme, Kontrolle, Abpostung oder Abzahlung genannt),
das auch wolil für einzelne Schläge dem Inspektionsbeamten übertragen ist, hat den
Zweck, festzustellen, ob bei der erstmaligen Aufnahme keine Fehler unterlaufen und
ob die bei jener Gelegenheit gerügten Anstände inzwischen beseitigt worden sind.
Mit Hilfe des Nummernbuches prüft der kontrollierende Beamte die einzelnen Hiebs-
ergebnisse, indem er Nummer für Nummer die Angabe des Buchs mit dem Befund im
Wald vergleicht und sich von der ordnungsmäßigen Beschaffenheit aller Posten über-
zeugt. Manchen Ortes ist hierbei die Einrichtung getroffen, daß die Rundhölzer an
der Stirnseite mit einem besonderen Kontrollehammer angeschlagen werden.
Nach Maßgabe der durch die Schlagaufnahme festgestellten Holzmengen, die
von den einzelnen Holzhauerrotten aufbereitet sind, im Zusammenhalt mit den früher
vereinbarten Holzhauerlölmen, kann nun die Aufstellung der Lohnrechnung für die
beendete Hauung erfolgen.
§ 23. Verkaufsarten. Die Abgabe der großen Mehrzahl der Hölzer er-
folgt heute seitens der Forstwirtschaft im Wege des Verkaufs. (Daneben kommen
in beschränktem Umfange vor: Abgabe an Berechtigte und Deckung des eigenen
Bedarfs der Verwaltung an Hölzern für den Forstbetrieb selbst, an Besoldungshölzern,
für eigene Nebenbetriebe usw.).
Der Erfolg des Verkaufs nun hängt im Rahmen der jeweiligen Marktlage und
der Absatzverhältnisse der gegebenen Oertlichkeit wesentlich ab von der Verkaufsart.
Zum Verkauf sind verschiedene Wege möglich. Wir können die \' erkauf s-
arten für die Walderzeugnisse scheiden:
I. nach dem Zustande, in dem sich der Verkaufsgegenstand
zur Zeit des Verkaufs befindet.
A. Verkauf vor der Fällung (Verkauf ,,auf den Stock").
1. Gesamtverkauf (Verkauf ,,en bloc"), der Schlag wird im Ganzen verkauft.
2. Verkauf nach der Maßeinheit (Verkauf ,,auf Nachmaß"). Verkauft
\\ird pro Festmeter des sich ergebenden Holzanfalls, gegebenenfalls
getrennt nach Sortimenten,
a. mit Gewinnung durch den Käufer:
b. unter Vorbehalt der Fällung und Aufbereitung durch den Xei-
käufer auf seine Rechnung.
B. Verkauf n a c h der Fällung.
1. in imaufbereitetem Zustand des Holzes — gewöhnlich in Flächen-
losen nach vorausgegangener Fällung durch die \"erwaltung.
2. in aufbereitetem Zustand; nach Aufbereitung des ganzen Schlags
durch die \'erwaltung.
n. Nach der Art und Weise, wie der \"ertragsabschluß zustande kommt.
A. freihändiger Verkauf (Verkauf ,, unter der Hand"); der Waldbesitzer geht
mit einzelnen Liebhabern einen Kaufvertrag ein.
1. Ta.xpreisabgabe, d. h. \"erkauf zu einer vorher allgemein festgesetzten
Taxe;
2. ^^erkauf zu besonders vereinbarten Preisen (\'ertragspreise).
B. Verkauf unter freier Konkurrenz — im Wege des Meistgebots.
1. Oeffentlich mündliches Verfahren.
a. Auf Streichsverkauf (auch \'ersteigerung. Verstrich, Auktion und
Lizitation genannt;
b. Abgebot.
2. Geheimes schriftliches \'erfahz-en, sog. Submission.
Verwertung der Fällungsergebnisse. § 23. 501
Jedes im Walde angewandte Verkaufsverfahren bildet nun eine Kombination
je eines der unter I. und unter II. aufgezählten Verfahren.
In einem früheren Paragraphen ist gezeigt worden, daß der Verkauf des auf-
bereiteten Holzes die sicherste und zweckmäßigste Methode sei und daß ihr
gegenüber der Verkauf des Holzes im Stehen in den meisten Fällen sich weniger
empfehle.
Der Verkauf aus freier Hand, einst allgemein im Gebrauch, hatte seine
Berechtigung, solange es möglich war, jedem Verbraucher diejenige Menge an Forst-
erzeugnissen zu übenveisen, die er nötig hatte. In waldreichen, aber dünn bevölkerten
Gegenden, wo das Angebot an Holz die Nachfrage nach solchem übersteigt, ist dieses
Verfahren noch heute vollständig begründet. Mit zunehmender Bevölkerung und ge-
steigertem Anspruch auf Zuteilung von Hölzern, mit der Ausbildung von Holzhandel
und Holzindustrie ist jedoch dieses gewissermaßen patriarchalische System nach und
nach in den meisten, mehr entwickelten Gegenden in Wegfall gekommen, da es kaum
möglich war, das Ergebnis der Schläge in gerechter Weise unter die einzelnen Emp-
fänger zu verteilen und hierbei die Begünstigung der einen auf Kosten der anderen
zu vermeiden. Es ist eine Hauptschattenseite dieses Verfahrens, daß es sich dabei
kaum vermeiden läßt, in einer bisweilen unbilligen Weise dem einen Teil der Emp-
fänger Holz in guter Abfuhrgelegenheit zuzuteilen, während ein anderer Teil auf
Schläge verwiesen werden muß. die eine beschwerlichere und kostspieligere Beför-
derung der Forsterzeugnisse veranlassen.
Bestehende Berechtigungen gewisser Personen auf den Bezug von Hölzern
nach feststehenden Preisen nötigen heute noch an manchen Orten zur Beibehaltung
dieses Verfahrens, das übrigens in der Regel so gehandhabt wird, daß, sofern nicht
durch Berechtigung die abzugebende Menge ein für allemal feststeht, die einzelnen
Liebhaber an gewissen Terminen Gelegenheit erhalten, ihren Bedarf anzumelden,
worauf die Verteilung nach Maßgabe der .\nforderungen, gegebenenfalls nach ent-
sprechender Herabsetzung der Bestellungen, erfolgt und jedem Holzempfänger ein
Nummernzettel zugestellt wird, auf dem die Holzposten, die er erhalten soll, nach Forst-
abteilung. Sortiment, Nummer und Preis genau bezeichnet sind. In ähnlicher Weise
sind Holzabgaben um gewisse Tax- oder Tarifpreise nicht ausgeschlossen bei Befrie-
digung des Bedarfs der Forstbeamten, denen man nicht erlauben darf, in den öffent-
lichen Verkäufen mitzubieten, ebenso in besonderen Notfällen; ferner wird sich öfters
empfehlen, den Holzhauern auf solche Weise ihren Bedarf an Brennmaterial aus
freier Hand zu gewähren, um ihr Interesse für den Wald zu heben und ihre Anhäng-
lichkeit an denselben zu befördern.
Eine besondere Schwierigkeit bereitet bei dieser Verkaufsart die Festsetzung
der Taxen, nach denen der Verkauf bewirkt wird, insbesondere dann, wenn der ge-
samte Verkauf eines Revieres auf diese Weise erfolgt und infolgedessen keine An-
halte darüber vorhanden sind, wie sich die Preise im öffentlichen Marktverkehr
stellen.
In der Tat sind auch diese Holztaxen in denjenigen früheren Perioden, in denen
der Verkauf ausschließlich nach ihnen bewirkt wurde, mehr oder weniger willkürlich
aufgestellt worden.
Der öffentlich-mündliche \' e r k a u f nach d e m M e i s t g e b o t bietet dem
Waldbesitzer in der Regel die meisten \'orteile ; bei diesem Verfahren werden infolge
des vorhandenen Wettbewerbs diejenigen Verkaufspreise erzielt, die den einzelnen
Verkaufslosen nach Maßgabe der vorhandenen Absatzgelegenheiten entsprechen. Es
ist mit diesem Verfahren die größte erreichbare Unparteilichkeit verbunden und der
502 IX B. Sloetzer, Forstbenutzung.
den Verkauf leitende Beamte keinerlei Vorwürfen ausgesetzt, weil das Verfahren sich
vor unbeschränkter Oeffentlichkeit abspielt und jede unzulässige Bevorzugung des
einen Käufers vor den andern ausgeschlossen erscheint.
Der Käufer selbst ist vollständig in der Lage, nach der Beschaffenheit der
Ware, deren Abfuhrgelegenheit und der auf ihre Verwendungsfähigkeit für ihn als
Verbraucher zu nehmenden Rücksicht sein Gebot abgeben zu können.
Wenn nun auch bei genügendem Wettbewerb die Wirkung von Angebot und
Nachfrage in Hinsicht auf die Gestaltung des Verkaufsergebnisses beim Aufstreichs-
Verkauf am besten zur Geltung gelangt, so sind doch bei demselben gewisse Nachteile
für den Waldbesitzer nicht ausgeschlossen, wenn das Angebot die Nachfrage über-
steigt. In diesem Falle steht dem Verkäufer häufig eine nur beschränkte Anzahl von
Kaufliebhabern gegenüber; es ist daher die Möglichkeit vorhanden, daß dieselben
sich verabreden, um durch die Abgabe geringer Gebote und die Vereinbarung, sich
gegenseitig nicht hochzutreiben, die Verkaufspreise niedrig zu halten, und nachher
die billig erstandenen Hölzer unter sich zu verteilen i).
Es tritt dieses Verhältnis insbesondere in waldreichen Gegenden ein, in denen
Industrie und Holzabsatz noch nicht recht entwickelt sind oder einzelne übermächtige
Firmen den Markt in der Hand haben. Es muß in solchen Fällen dem Waldbesitzer
darauf ankommen, den Ringbildungen entgegenzuarbeiten, insbesondere durch Her-
beiziehung auswärtiger Liebhaber und geeignete Wahl der Verkaufsart ^).
Zuvörderst muß darauf gesehen werden, daß die zu verkaufende Ware in einem
dem Holzkäufer zusagenden Zustand ausgeboten wird, daß eine richtige Sortiments-
bildung stattfindet und daß vor dem Verkauf die Hölzer auf Rechnung der Forst-
verwaltung an Stellen geschafft worden sind, an denen sie ohne weiteres aufgeladen
und von dem Käufer nach dem Ort ihrer Bestimmung gebracht werden können:
dann aber wird sich bei ausreichender Bekanntmachung der Verkäufe- ein Wettbe-
werb bald von selbst ergeben. Außerdem empfiehlt es sich im Falle von Verabre-
dungen einer geringeren Anzahl von Käufern sehr oft, ein Verfahren einzuführen,
nach dem die Gebote schriftlich bei der Forstverwaltung eingereicht werden,
so daß die einzelnen Käufer gar nichts von einander wissen. Hat man alsdann wirk-
lich wertvolle Hölzer zu verkaufen, auf deren Besitz gewisse Verbraucher ernstlich
rechnen, so ist bestimmt in Aussicht zu nehmen, daß dieselben in der Befürchtung,
es könne ein bisher nicht als Käufer bekannter, vielleicht fremder Mitbewerber auf-
treten, ein dem Wert des Holzes angemessenes Gebot einreichen.
Dieses Verfahren, Submissionsverfahren genannt, findet neuer-
dings viele Vertreter, und es ist nicht in Abrede zu stellen, daß es als ein sehr zweck-
mäßiges Auskunftsmittel angesehen werden darf.
Freilich läßt dasselbe bei minderwertigen Holzsortimenten im Stich, indem nur
dann ein Käufer Gebote abgeben wird, wenn ihm wirklich an der Ware etwas ge-
legen ist.
In solchen Fällen mangelnden Wettbewerbs, insbesondere beim Verkauf minder
wertvoller Sortimente, ist nun als eine äußerst zweckmäßige Form des Verkaufs der
Frei handver kauf zu vereinbarten Preisen zu bezeichnen.
Es handelt sich hierbei meist um bedeutendere Mengen, und es ist diese Ver-
1) Derartige Vereinbarungen dürften als gegen die guten Sitten verstoßend, nach §§ 134,
138 des Bürgerliclien Gesetzbuches der Nichtigkeit unterliegen und die Beteiligten nicht binden.
(Ausgesprochen in einem Erkenntnis vom I. Zivil-Senat des Oberlandesgerichts in Colmar, s.
Zeitschr. Aus dem Walde. 1901, Nr. 26.)
2) Verhandlungen des Deutschen Forstvereins auf der XI. Hauptversammlung zu Ulm
1910, Bericht S. 99 ff.
Verwertung der Fällungsergebnisse. § 24. 503
kaufsart besonders am Platze, wenn die Absicht vorliegt, die über den Bedarf der
kleinen Abnehmer hinausgehenden Holzmassen an größere Holz verbrauchende
Unternehmungen zu verkaufen.
Es wird dieses Verfahren beispielsweise den Vorzug verdienen, wenn größere
Brennholzmassen an vereinzelt in einer Gegend bestehende Hüttenwerke oder Fa-
briken, ebenso wenn Durchforstungshölzer als Grubenholz, als Schloifholz für Holz-
stoffabriken bei beschränkter Nachfrage verkauft werden sollen, in welchen Fällen
der Verbraucher besonderes Gewicht darauf legen wird, die Sicherheit dafür zu
haben, daß sein Holzbedarf gedeckt wird.
Entsteht im Laufe der Zeit ein ausgedehnterer Wettbewerb auch für solche
minder begehrte Sortimente, so ist es der Vorsicht angemessen, durch Anberaumung
von Versteigerungen oder von öffentlichen Submissionen den Mitbewerb auch anderer
Liebhaber zu ermöglichen.
Es empfiehlt sich bei solchen Freihandverkäufen öfters der Abschluß schrift-
licher Verträge vor dem eigentlichen Holzeinschlag, da auf diese Weise dem Käufer
gezeigt wird, daß der Waldbesitzer bei Abgabe ungenügender Gebote nicht in Ver-
legenheit kommt, weil das Holz noch im Wald steht und bis zur Erlangung eines an-
gemessenen Preises stehen gelassen werden kann.
Eine Abart des öffentlich mündlichen Verfahrens bildet noch das in Frankreich
übliche Verfahren des Abgebots (Verkauf au rabais), derart, daß auf Grund
vorhergehender Schätzung des Verkaufsloses eine Taxe festgestellt und im Verkaufs-
termin in sehr erhöhter Siunme ausgeboten wird. Während nun der Ausrufer immer
weiter abwärts gehende Ausgebote ausruft, muß der Liebhaber den Augenblick be-
nutzen, in dem die Summe niedrig genug erscheint, um dafür das ausgebotene Los
gebrauchen zu können. Er ruft dann einfach: ,,je prends" ; nur bei gleiciizeitigem
Ausruf seitens mehrerer Personen wird das Verkaufslos unter diesen wieder im A u f-
gebot versteigert.
Dieses Verfahren wird in Frankreich bei dem Blockverkauf ganzer Schläge,
deren Aufarbeitung Sache des Käufers ist, in Anwendung gebracht.
Die deutsche Forstverwaltung in Elsaß-Lothringen hat als Regel den Auf-
streichsverkauf der auf Rechnung der Forstverwaltung aufzuarbeitenden Schlag-
ergebnisse eingeführt. Das große Publikum soll damit, namentlich was den Verkauf
des Brennholzes anlangt, zufrieden sein, weil auf die jetzt eingeführte Art die Mög-
lichkeit besteht, daß der einzelne seinen Bedarf kaufen kann, ohne sich an den Holz-
händler wenden zu müssen. Dies war früher infolge des en bloc- Verkaufs allgemein
üblich, während jetzt jeder unmittelbar und billiger kauft, da der Gewinn des Holz-
händlers hinwegfällt. Für große Nutzholzverkäufe ist jedoch der Verkauf au rabais
noch in Anwendung; die Meinungen über seine Zweckmäßigkeit sind geteilt (vergl.
,,die Forstrente in Elsaß-Lothringen", Straßburg 1886 S. 46). Eine warme Empfeh-
lung desselben für Nutzhölzer unter geeigneten Voraussetzungen gibt Oberforst-
mei.ster N e y in Zeitschr. ,,Aus dem Walde" 1901 Nr. 4 und Forstwiss. Gentralbl.
1911 S. 421. Er empfiehlt ihn auch besonders gegen Ringbildung.
§24. Bildung von Holztaxen. Bei allen Holzverkäufen ist es für
den Waldbesitzer von besonderer Wichtigkeit, gewisse Grundsätze für Festsetzung
der Preise, nach denen verkauft werden soll (Holztaxen oder Tarife), auf-
zustellen. Am schwierigsten ist die zweckmäßige Bildung dieser Taxen in solchen
Wirtschaften, in denen der öffentliche Verkauf um das Meistgebot gar nicht statt-
findet. Hier ist, wie bereits bei Würdigung dieser Verkaufsmethode im vorigen Ab-
schnitt angegeben wurde, der Willkür und dem persönlichen Gutdünken der Forst-
W)4 IX B. Stoetzer, Forstbenulzung.
Verwaltungen ein gewisser Spielraum gewährt; am zweckmäßigsten wird man noch
derart verfahren, daß man Anhalte aus den \^ersteigerungsergebnissen solcher Oert-
lichkeiten zu Hilfe nimmt, in denen der Verkauf ums Meistgebot schon länger besteht,
wobei man wegen etwaiger Abgelegenheit der in Frage kommenden Gebiete und der
Schwierigkeit der Verbringung des Holzes an solche Verkaufsplätze, in denen sich
Marktpreise gebildet haben, angemessene Abzüge, die etwa nach der Höhe der Trans-
portkosten zu bemessen sein würden, macht.
Da wo Verkauf im freien Wettbewerb schon die Regel bildet, sind die Er-
gebnisse desselben zur Bildung der Taxen zu benutzen. Insofern diese Taxen haupt-
sächlich als Anhalte für das Angebot der zur Versteigerung zu bringenden Forst-
erzeugnisse dienen sollen, empfiehlt es sich nicht, sie genau nach dem Durchschnitt
der wirklichen Verkaufserlöse festzusetzen, sondern es ist ein gewisser Abzug von
dem wirklichen Durchschnittspreis zu machen, damit im Falle eines Rückgangs der
Preise die Taxe nicht allzuhoch erscheint und den Käufern stets noch ein gewisser
Spielraum zur Steigerung bleibt.
Bei Verkäufen im Wege des Aufgebots wird durch die Wirkung des Wettbe-
werbs der Käufer ein allenfalls etwas niedriges Angebot in der Regel ohne Nachteil
für die Erlöse sein ; im Gegenteil kann man behaupten, daß ein mäßiges Angebot die
Lust zum Steigern befördert.
Hingegen wird man Verkäufe aus freier Hand zu vereinbarten Preisen nicht
nach derjenigen Angebotstaxe bewirken, die durch einen Abzug von den mittleren
Aufgebotspreisen erlangt ist, sondern man wird einen der Marktlage entsprechenden
Aufschlag zugrunde legen, mittelst dessen der Verkaufspreis mindestens die Höhe
der letzten Durchschnittspreise wieder erhält.
Die Taxen für die Sortimente des örtlichen Markts (für Kleinnutzholz, Brenn-
holz, Reisig usw.) werden in der Regel alljährlich für jedes Revier neu aufgestellt.
Für die Sortimente des Großhandels dagegen (Stammhölzer, Handelsstangen) emp-
fiehlt es sich, die Taxen für größere Gebiete und für eine Reihe von Jahren fest-
zusetzen. An derselben Taxe wird in der Regel so lange festzuhalten sein, bis die-
selbe in ein dauerndes Mißverhältnis zu den tatsächlichen Erlösen tritt. Ein solches
längeres Festhalten und eine Gültigkeit der Taxen über größere Landstriche ist für
die Handelshölzer darum zweckmäßig, weil die Taxen dadurch zum festen Maßstab
werden, und ^'erkäufer und Käufer einen Ueberblick über die Preisentwicklung wäh-
rend eines längeren Zeitraums gewinnen und ihnen ein Vergleich verschiedener Oert-
lichkeiten möglich ist.
Die mittleren Verkaufserlöse, die den Taxen zugrunde liegen, ergeben sich aus
statistisch enErmittlungen. Für diesen Zweck sind alle in freiem Wett-
bewerb erzielten Erlöse von Hölzern gleicher Güte und Absatzlage übersichtlich zu-
sammenzustellen und ist aus den Ergebnissen für die einzelnen Sortimente das
Mittel zu ziehen.
Eine sichere Erfassung der Werts- und Preisverhältnisse setzt nun aber eine
bestimmte Taxklassenbildung voraus und dann weiterhin den Ver-
kauf der Hölzer getrennt nach diesen Klassen.
Was zunächst die letztere Forderung betrifft, so ist es als besonderer Nachteil
der Großschlag\virtschaft, besonders von großen Nadelholzschlägen, zu bezeichnen,
daß ein klassenweiser Verkauf des Stammholzes, wo dieses nicht angerückt wurde,
vielfach als erschwert oder immöglich bezeichnet wird, da die Hölzer auf den Schlä-
gen durcheinander liegen und mit \'orteil nur zusammen weggeschafft werden können.
Im Hinblick auf Feststellung der Taxen bieten Schichtholz,
Verwertung der Fällungsergebnisse. § 21. 505
Reisig und S t o c k h o 1 z der Aufstellung einer nach den früher angegebenen
Sorten gegliederten Holzpreisstatistik keine weiteren Schwierigkeiten. Für Stamm-
hölzer aller Art müssen dagegen erst Taxklassen gebildet werden, und dies
kann in verschiedener \\'eise geschehen, entweder nach dem Festgehalt der
Stämme oder viel besser nach den deren Gebrauchswert bestimmenden Aus-
maßen, dem Mittendurchmesser oder der Länge und dem Durch-
messer am dünnen Ende.
Die Bildung der Taxklassen und deren Abstufungen nach dem Festgehalt der
Abschnitte ist in der Preußischen Staatsforstverwaltung üblich. Hier werden be-
zeichnet als
Hölzer I. Kl. solche von über 2 fm pro Stück
II 1 V,— '^
,, 111. ,, ,, ,, ,, A A ,2 n n n
Rr 1/ 1
,, * • ,, ), )j n ^^S 2*^ /2 j) )T n
Diese Einteilung wird von verschiedenen Seiten für unzweckmäßig erklärt, da
die den Gebrauchswert des Nutzholzes bestimmenden Faktoren der Stärke, Länge
und Form im Festgehalte keinen sicheren Ausdruck finden. Es ist z. B. hierbei mög-
lich, daß durch Belassung eines Zopfstückes, das nur Brennholzwert hat, die Taxe
für die Einheit (fm) eine höhere wird, während in Wirklichkeit der spezifische Wert
sich verringert; ebenso können bei Verteilung der Schlaganfälle in die verschiedenen
Taxklassen Hölzer von verschiedenem Gebrauchswerte unrichtig in eine Klasse ver-
einigt und ebenso Hölzer von gleicher Verwendungsfähigkeit unnötigerweise in
mehrere Klassen geschieden werden.
Die den Gebrauchswert bestimmenden Ausmaße sind die M i 1 1 e n s t ä r k e
und für gewisse wichtige Gebrauchszwecke die Länge und Form der
Stämme. Zweckmäßige Taxklassen haben sich daher nach diesen Ausmaßen
abzustufen.
Eine Taxklassenbildung, die dieser Forderung genügt, haben wir schon weiter
oben bei Besprechung der Aufbereitung in der sog. H e i 1 b r o n n e r Sortie-
rung für die Nadelholz-Langhölzer kennen gelernt, die insbesondere
die Verwendung dieser Hölzer zu Bauholz und Schnittwaren im Auge hat, und bei
der somit die Länge und das Maß der Vollholzigkeit, die im sog. Ablaß (Zopfdurch-
messer) zum Ausdruck kommt, den Maßstab bilden. Sie gilt in ganz Süddeutschland.
Andere Klassenbildungen für Langholz nach ähnlichen Gesichtspunkten finden wir
auch noch bei mehreren andern \'erwaltungen.
Für Nadelholzabschnitte (Sägholz, Klötzer), bei denen der Markt
bestimmte Längen vorschreibt (3 m, 4 Yo m usw.), bildet der Mittendurchmesser
oder auch der Enddurchmesser den Maßstab für die Taxklassen. Der Gebrauchswert
eines Sägeblocks ist nämlich bis zu einem gewissen Grade Funktion seiner Mitten-
stärke. Mit Zunahme derselben steigt die Verwendungsfähigkeit. Während die schma-
len Bretter, die aus schwachen Blöcken geschnitten werden, einen verhältnismäßig
niedrigen Verkaufspreis haben, und der Abfall bei geringer Stärke des Holzes pro-
zentisch groß ist, können aus stärkeren Blöcken bei verhältnismäßig geringerem Ab-
falle wertvollere Bretter usw. geschnitten werden, weshalb ein Ansteigen der Fest-
meterpreise mit dem Durchmesser wenigstens bis zu einer gewissen Stärke eintritt.
Das Gleiche gilt für sämtliches L a u b s t a m m h o 1 z , bei dem überdies die
Länge der Stücke an Bedeutung stark zurücktritt. Hier werden die Taxklassen zweck-
mäßigerweise nur nach der Mittenstärke gebildet ; innerhalb der Stärke-
I. Klasse : Stämme von 60 cm und mehr Mittenstärke
506 IX B. Stoetzer, Forstbenutzung.
klassen aber, da die innere Güte beim Laubholz besonders große Abweichungen zeigt,
noch weiterhin Unterklassennach der Qualität aufgestellt.
Diesen Weg schlägt die aus dem Baden-reichsländischen Tarif hervorgegangene,
süddeutsche Sortierung für Laubstammholz ein, die den Ge-
brauchswert in bester Weise erfaßt und durch die Art ihrer Abstufung gleichzeitig
wertvolle Grundlagen für unsere Erkenntnis über den Gang des Wertszuwachses
schafft. Dieselbe bildet folgende Klassen:
a. ausgesucht schöne, glattg
fehlerfreie Stücke
b. gewöhnliche, nicht mit
erheblichen Fehlern be-
haftete Stücke.
( a. I
IL Klasse: Stämme von 50 bis 59 cm Mittenstärke , ' wie oben.
in. Klasse: Stämme von 40 bis 49 cm Mittenstärke | , J wie oben.
IV. Klasse : Stämme von 30 bis 39 cm Mittenstärke
V. Klasse : Stämme von 20 bis 29 cm Mittenstärke
VI. Klasse : Stämme von weniger als 20 cm Mittenstärke.
Qualitätsunterklassen werden somit nur für die 3 stärksten Klassen gebildet.
Als erhebliche Fehler im Sinne des Tarifs werden tiefgehende Fauläste, Rot-
und Weißfäule, Ringschäle, starker Drehwuchs, Frostrisse und große Abholzigkeit
genannt. Mit erheblichen Fehlern behaftetes Holz wird als ,,A u s s c h u ß" bei der
seinem Mittendurchmesser entsprechenden Klasse abgesondert sortiert und ver-
anschlagt.
Uebrigens ist im Hinblick auf die Tarife noch auf eine bemerkenswerte Ver-
schiedenheit zwischen Nadel- und Laubstammholz hinzuweisen. Das Laubstamm-
holz muß, trotz der Taxklassenbildung, immerhin — jedenfalls heute noch — indivi-
duell behandelt werden, d. h. der Tarif kann nur einen Preisrahmen geben, innerhalb
dessen jeder der betr. Stärkeklasse zufallende Stamm seinen Besonderheiten gemäß
für sich eingeschätzt wird, im Gegensatz zum Nadelholz, das in viel höherem Maße
generelle Behandlung zuläßt. Es rührt dies daher, daß die Nadelhölzer schon durch den
gleichartigen Aufbau ihres Baumkörpers und infolge des Umstands, daß sie zumeist
im geschlossenen und gleichwüchsigen Hochwalde erwachsen sind, viel mehr Gleich-
artigkeit in bezug auf äußere Form und innere Qualität aufweisen, als dies bei den
Laubhölzern heute der Fall ist, die wir zumeist aus ehemaligen Blender- und Mittel
Wäldern ernten und die schon ihrer Wuchsform entsprechend große Verschiedenheiten
in bezug auf Form imd Qualität der Schäfte zeigen. Sobald die Forstwirtschaft
später einmal nur mehr die Erzeugnisse gleichaltriger und wohlgepflegter Hochwald-
bestände ernten wird, dürften sich die Verhältnisse denen des Nadelholzes mehr und
mehr nähern.
Die Taxen aller Sortimente gelten nur für normale, kaufmannsgute Ware (feh-
lerfreie oder nur mit geringen, die Verwendbarkeit nicht beeinträchtigenden Fehlern
behaftete Stücke). Alles, was erhebliche Fehler aufweist, erhält als ,,Ausschuß"
seinen besonderen Preisanschlag außerhalb der Taxe (s. oben). Vielfach ist die Be-
zeichnung solcher Objekte durch Kreuze üblich.
Die rationelle Behandlung der Holztaxenbildung ist ein Punkt von großer
Wichtigkeit für die geschäftliche Seite der Forstbenutzung und Forstverwaltung.
Sie hängt mit einer sorgfältigen Holzpreisstatistik aufs engste zusammen. Nach
\'erwerhing der Fällungsergebnisse. § 23. 597
unserer Ansicht empfiehlt es sich, am Schlüsse eines jeden Wirtschaftsjahres eine
statistische Nachweisung der Holzdurchschnittspreise zu beschaffen und daraus die
in Hinsicht auf Beibehaltung oder Aenderung der Holztaxen sich ergebenden Schlüsse
zu ziehen.
§ 25. Ausführung der Forst p r o d u k t e n v e r k a u f e i). Bei
allen Verkäufen von Forstprodukten (Holz, Rinden) ist vom wesentlichsten Einfluß
die Verkaufs zeit. Vor allem hat man sich bei Wahl derselben nach der allgemeinen
M a r k t z e i t für die einzelnen Walderzeugnisse zu richten. Innerhalb derselben ist
es vielfach von Vorteil, so frühzeitig als möglich den Einschlag dem kaufenden Publi-
kum anzubieten. Jeder größere Verbraucher oder Händler wird Gewicht darauf
legen, seinen Bedarf frühzeitig zu decken; die Rücksicht auf eine gewisse Sicherheit
dieser Befriedigung des Bedarfs wird ihn dazu bestimmen, bei frühzeitig erfolgenden
Verkäufen verhältnismäßig höhere Preise zu bewilligen als später.
Von besonderer Wichtigkeit ist dies dann, wenn größere Holzmassen im Stehen
ausgeboten und vielleicht vor der Fällung verkauft werden sollen. Die Rücksicht auf
einen frühzeitigen ^'erkauf ist jedoch nicht minder wichtig bei denjenigen Verkäufen,
durch welche örtliche Bedürfnisse, insbesondere von Brenn- und Kleinnutzholz
befriedigt werden sollen. Auch hier ist Beschleunigung der Verkäufe zweckmäßig,
damit der Käufer in bezug auf Abfuhr und weitere Behandlung der Forsterzeugnisse
nicht allzusehr beschränkt ist.
Von wesentlichem Einfluß auf die Ergebnisse mancher Verkäufe ist die Größe
einerseits der Verkäufe und andererseits d e r V e r k a u f s 1 o s e , d. h. die
richtige Bemessung der jeweils in einem Termin auszubietenden Mengen und die
Bildung angemessener Verkaufslose, je nach den Anforderungen und besonderen
^^'ünschen der Holzkäufer.
Hat man einen ausgedehnten und völlig genügenden örtlichen Absatz für seine
Erzeugnisse, so empfiehlt sich die Abhaltung kleiner Verkäufe und die Bildung klei-
ner Verkaufslose, sowohl beim Brennholz als auch beim Nutzholz; anders verhält
es sich, wenn dieser örtliche Absatz fehlt und wenn es sich darum handelt, auswärtige
Verkäufer, vielleicht aus weiterer Ferne herbeizuziehen. Hier müssen große Verkäufe
und innerhalb derselben große Verkaufslose gebildetwerden, damitder größere Ab-
nehmer, der vielfach behufs .\bschluß eines Ankaufes eine weite Reise zu machen hat,
es auch der Mühe wert findet, sich am Wettbewerb der Käufer zu beteiligen. Er tut
dies nicht gerne, wenn er genötigt ist, seinen Bedarf durch Ankauf einer Menge klei-
nerer Verkaufslose zu decken, die er öfters nicht einmal in einem einzigen Schlage
erwerben kann, wodurch naturgemäß die Aufsicht und der Transport, sowie die
weitere Verwendung überhaupt wesentlich erschwert wird. Bei wertvollen, für weitere
Ausfuhr in Betracht kommenden Hölzern müßte darauf gesehen werden, daß immer
die zu einer vollen Eisenbahnwagenladung nötige Menge in einem Lose ausgeboten
^\•ird, weil bei kleineren Posten die Fracht allzusehr verteuert wird.
Zu diesem Zweck wären wertvolle Hölzer (Ahorn, Esche, Eisbeere) nötigenfalls
schon aus den Schlägen "künftiger .Jahre im voraus zu gewinnen, um die erforderliche
Menge zu erhalten, wenn solche aus dem laufenden Schlag nicht anfällt.
Unter Umständen empfiehlt es sich mehr, dem örtlichen Bedarf zunächst durch
kleinere Verkaufslose Rechnung zu tragen, sodann aber die Befriedigimg größerer
Käufer durch Darbietung größerer Verkaufsposten ins Auge zu fassen. Man wird
1) Vergl. S t e p h a n i: Einige Betrachtungen über den Holzverkauf aus dem Walde. Forstw.
Zentralbl. 1910, 517 — 535. — Ringbildung und Holzverwerlung in Bayern. Forstw. Zentialbl. 1910,
S. 316 ff.
508 IX B. Stoelzer, Forstbeuulzung.
vielleicht für den ersteren Zweck Versteigerungen, für den letzteren Submissionen
wählen.
Auch die Zusammenfassung der Holzernte verschiedener Waldbesitzer zum
Behuf gemeinsamer Versteigerung ist neuerdings in Anregung gebracht, bezw. an-
gebahnt worden und verdient entschieden alle Beachtung, wenn es sich um
den Verkauf von Forstprodukten handelt, die wesentlich für den Großhandel be-
stimmt sind ^).
Aus allem bisher Mitgeteilten wird sich ergeben, daß die angemessenste Ver-
kaufsform in der Regel und bei Vorhandensein genügender Nachfrage, insbesondere
bei hinlänglichem örtlichem Absatz, die Versteigerung sein wird.
Man hat hierbei darüber gestritten, ob es sich empfiehlt, die Versteigerungen im
Freien abzuhalten und dabei jedem Käufer Gelegenheit zu geben, das Holz, auf das
er bietet, unmittelbar zu besichtigen. Sicherlich werden auf diese Weise alle etwaigen
Beanstandungen abgeschnitten. Allein diese Methode hat doch auch eine Reihe von
Uebelständen im Gefolge, namentlich eine erhöhte Unbequemlichkeit für den Ver-
käufer und für die Käufer, zumal bei Eintritt schlechten Wetters. Bei Verstei-
gerung größerer, im Wald zerstreut stehender Hölzer ist sie geradezu unaus-
führbar, da es unmöglich, oder wenigstens mit unverhältnismäßigem Zeitverlust
verbunden ist, die einzelnen Posten mit den Kaufliebhabern durchzugehen.
Wenn man aber auch bei kleineren Verkäufen, namentlich der Brenn-
hölzer, sich von der Methode der Wald Versteigerungen nicht trennen zu
können glaubt, so ist hier gewiß an vielen Orten noch ein Vorurteil vorhanden. Ist
es einmal als fester Grundsatz eingebürgert, daß alle Hölzer im richtigen Maß auf-
gesetzt, gut sortiert und nach ihrem wirklichen Wert in die Bücher der Forstver-
waltung eingetragen werden, ist ferner für gute Wege gesorgt und das Prinzip des
Anrückens der Hölzer an die Abfuhrwege allenthalben durchgeführt, so daß in bezug
auf die Leichtigkeit oder die Erschwerung der Abfuhr keine wesentlichen Unter-
schiede Platz greifen, ist ferner dem Käufer Gelegenheit geboten, das zur Versteige-
rung gelangende Holz vor Beginn derselben örtlich besichtigen zu können, so wird
sich dieser bald daran gewöhnen, an Verkäufen teilzunehmen, die nicht im Walde,
sondern im Zimmer abgehalten werden und wird bei näherer Bekanntschaft dem
letzteren Verfahren den Vorzug geben.
Von Wichtigkeit für den Erfolg der Verkäufe ist neben anderem auch die Wahl
eines passen den Versteigerungstages; man sieht hierbei darauf,
daß kein Tag gewählt wird, an dem etwa in der Nachbarschaft Markt ist; gewöhn-
liche Gerichtstage sind auszuschließen, auch wähle man solche Perioden, in denen
die Feldarbeiten nicht gerade dringend sind. Verabredungen mit benachbarten Re-
viervei'waltungen behufs Vermeidung etwaigen Zusammentreffens verschiedener Ver-
käufe auf einen Tag sind geboten.
Alle öffentlichen Verkäufe sind in hinreichend ausführlicher Weise nach Ort
und Zeit, sowie unter Angabe der zu verkaufenden Sortimente öffentlich bekannt
zu machen, teils durch Anzeigen in gelesenen Blättern, teils durch anderweite ortsüb-
liche Bekanntmachung (Plakate, Ausschellen etc.). Für Forsterzeugnisse, die Gegen-
stand des Begehrs für den eigentlichen Holzhandel sind, wie z. B. größere Holzmassen,
die den Lokalbedarf übersteigen, bei denen es also darauf ankommt, zur Beförderung
des Absatzes fremde Holzhändler, bezw. Holzkäufer herbeizuziehen, ist das Aus-
1) S. Vortrag von W i m m e n a u e r jn dem Bericht über die XIV. Versammlung deutscher
Forstmänner in Görlitz 1885, S. 116.
Verwertuntr clor Fällungsergebnisse. § 26. 509
schreiben in die Holzverkaufszeitiingen, deren jetzt in Deutschland eine ganze Anzahl
besteht, meist von großem \'(irteil ^).
Von wesentlichem Einfluß auf die Ergebnisse der Verkäufe von Walderzeug-
nissen sind die Zahlungsbedingungen. In den meisten Staatsverwaltungen
bildet die Barzahlung die Regel, in Bayern, sowie manchen kleineren Staaten
ist die Kreditbewilligung zulässig.
Das Gewähren einer gewissen Zahlungsfrist erscheint mit Rücksicht auf die
dadurch den meisten Käufern bereitete Annehmlichkeit z\^eckmäßig und dient zur
Herbeiziehung größeren Wettbewerbs, folgeweise zur Erhöhung der Preise.
Hierbei muß ein Unterschied zwischen großen und kleinen Verkäufen gemacht
werden. Bei geringen Hölzern ist es gewiß nützlich, auf Barzahlung zu sehen, bei
größeren nur dann, wenn der Käufer als nicht zahlungsfähig bekannt oder nicht im-
stande ist, durch Bürgschaft, Hypothek oder Deponierung von Wertpapieren Sicher-
heit zu bieten.
Letztere Vorsichtsmaßregel, den Kredit nur gegen Gewähr einer gewissen Sicher-
heit zu erteilen, empfiehlt sich übrigens auch bei größeren Verkäufen ganz allgemein;
man wird vielleicht außerdem die Entrichtung einer Anzahlung (z. B. 10 °i des Kauf-
preises) fordern und sich bis zur geleisteten Zahlung das Eigentumsrecht an dem
Verkaufsgegenstand vorbehalten.
Auf diese Weise werden bei dem Borgsystem \'erluste vermieden und es kommen
die günstigen Seiten dieses Verfahrens zur Geltung.
Will man an der Barzahlung auch bei dem Großhandel streng festhalten, so
schafft man leicht ein ^Monopol für wenige, besonders reichlich mit Betriebsmitteln
versehene Käufer, während der kleinere Händler von dent Wettbewerb ausgeschlos-
sen ist.
Von Bedeutung für die Ergebnisse der Verkäufe ist noch die Gewähr einer nicht
allzu kurz bemessenen Abfuhrfrist, damit der Käufer nicht gedrängt ist und dadurch
Gefahr läuft, ungewöhnlich hohe Fuhrlöhne bezahlen zu müssen, um die vorgeschrie-
bene Abfuhrzeit einhalten zu können.
Auch sollte man die Bearbeitung des Holzes in den Schlägen nicht so allgemein
verbieten, wie noch vielfach üblich ist. Bei schwerem Eichenholz erscheint es fast
unerläßlich, daß die Stämme behufs Erleichterung des Transportes im Walde zuge-
richtet werden, insbesondere bei Verwendung zu Eisenbahnschwellen.
Bei jeder Holzversteigerung sind gewisse Formen einzuhalten. Insbesondere
werden vor Beginn derselben die Bedingungen bekannt gemacht, unter denen der
Verkauf erfolgt. — Man schließt zweckmäßig mit der Zahlung rückständige Käufer
aus, bestimmt die Termine für die Abfuhr, gibt die Zahlungsbedingungen bekannt
und setzt die Frist fest, bis zu der für das A^orhandensein des Holzes Gewähr ge-
leistet wird.
1) Die wesentlichsten dieser Blätter, welche in der Regel nicht bloße Annoncenblätter sind,
sondern auch Abhandlungen und Mitteilungen aus dem Bereiche des Holzhandels und der Holz-
industrie, bisweilen sogar zum Teil aus dem ganzen Gebiet des Forstwesens bringen, sind folgende:
Handelsblatt für Walderzeugnisse, Red. von E. Laris in Gießen ; A 1 1-
gemeinerHolz verkaufsanzeiger, Red. v. K. Schüßler in Hannover; AUg. H Ol z-
und Forstanzeiger(Holzinduslrie-Zeitung)in Leipzig; Forstverkehrs-
b 1 a t t in Berlin; Der Holzhändler (erscheint in Dülmen), Red. v. Oberf. Renne; Z e n-
tralblattfürdendeutschen Holzhandel in Stuttgart ; Zentralblattfür
Holzindustrie in Oranienburg; .\llg. Anzeiger für den Forstprodukte n-
\' e r k e h r (erscheint in .\ugsburg), Red. v. Prof. Dr. Endrcs in München; ,,H o 1 z m a r k t" in
B u n z 1 a u usw.
.\uch erscheint ein Holzverkaufsanzeiger in Straßburg, sowie ein solcher für Sachsen
in Dresden.
510 IX B. Stoetzer, Forstbenulzung.
Die Zuziehung eines Kassenbeamten zu den öffentlichen ^'erkäufen erscheint
zweckmäßig, damit die geforderten Barzahlungen oder Anzahlungen alsbald ent-
richtet, auch die Frage wegen der Zahlungsfähigkeit der Käufer sofort beantwortet
werden kann.
Jeder Käufer erhält einen Holzüberweisungs- oder Holzabfuhrschein, d. h. eine
Nachweisung über das von ihm erstandene Holz, die dessen Nummer, die Bezeich-
nung des Forstortes, den Kaufpreis und einen Abdruck der Abfuhrbestimmungen
enthält.
Durch die Uebergabe, resp. Annahme dieses Scheines wird der Verkauf abge-
schlossen und das Holz steht alsdann auch auf Gefahr des Empfängers im Walde.
Höchstens gibt man "24 Stunden Währzeit, innerhalb deren Einwendungen noch
erhoben werden können, läßt aber während dieser Frist die Abfuhr noch nicht zu.
Die weiteren Förmlichkeiten der Holzverkäufe sind örtlich sehr verschieden
und daher hier nicht weiter zu erörtern. Wesentlich ist in allen Fällen, daß der den
Verkauf leitende Beamte sich weniger als solcher fühle, sondern als gewandter Ge-
schäftsmann auftrete, dessen Bestreben es sein muß, dem Käufer hinsichtlich billiger
und berechtigter Wünsche entgegenzukommen.
§26. BeförderungdesHolzabsatzes. Der von Zeit zu Zeit immer
wieder beobachtete Niedergang der Holzpreise, der teilweise auf massenhafte Einfuhr
fremder Nutzhölzer, bezw. Holzerzeugnisse, z. B. aus Schweden-Norwegen, sowie
aus Oesterreich-Ungarn und Rußland, teilweise auf die mehr und mehr sich an Stelle
der Holzfeuerung einbürgernde Heizung mit Mineralkohle, sowie die Verwendung des
Eisens statt des Holzes für manche Bauzwecke, in den meisten Fällen jedoch auf
geminderte Baulust und Darniederliegen mancher Industriezweige in Zeiten allge-
meinen wirtschaftlichen Niedergangs zurückzuführen ist, regt zu Maßnahmen an,
die eine Besserung der Zustände und eine möglichste Hebung des Absatzes bezwecken.
Wenn wir von den im Gebiet der Gesetzgebung und Verwaltung liegenden Maßnahmen
(z. B. Holzzölle, Eisenbahntarifgestaltung, Förderung des Transportwesens etc.)
absehen und uns darauf beschränken, diejenigen Punkte zu erörtern, die in den eigent-
lichen Kreis der Forstverwaltung fallen, so finden wir in erster Linie die Notwendig-
keit, durch zweckmäßige ^\'egeanlagen und sonstige Transportmittel die Abfuhr zu
erleichtern. Insbesondere tritt mehr und mehr die Notwendigkeit heran, durch Aus-
rücken der Hölzer an größere Lagerplätze und gutes Sortieren derselben je nach ihrer
Gebrauchsfähigkeit dem Abnehmer den Holzbezug zu erleichtern, derart, daß der-
selbe ein« gute Uebersicht über das, was zu verkaufen ist, gewinnt und ferner die
erkauften Hölzer ohne nochmaliges Umladen direkt dem Orte ihrer Bestimmung zu-
führen kann.
In den großen zusammenhängenden Forsten der Ebene und des Flachhügel-
landes sind ohne Zweifel die Waldeisenbahnen, diese wichtige Errungenschaft der
Neuzeit, berufen, hinsichtlich der Annäherung der Holzkäufer an die Forstverwal-
tungen eine bedeutende Rolle zu spielen, da durch ihre Benützung jenen Grund-
sätzen des Verkaufs an größeren Lagerplätzen am leichtesten Rechnung getragen
werden kann. Immerhin ist die Anlage von solchen nicht allgemein zweckmäßig,
sondern namentlich an das Vorhandensein großer Ueberschüsse von Handelshölzern
über den örtlichen Bedarf hinaus, sowie an den Absatz nach einer bestimmten Rich-
tung hin, am besten mit Anschluß an große Holzablagen, Eisenbahnstationen oder
Wasserstraßen, geknüpft.
Beim Sortieren der Hölzer und dem Ausbieten derselben zum Verkauf ist den
vernünftigen und billigen Wünschen des Holzhandels möglichst entgegenzukommen;
Verwertung der Fällungsergebnisse. § 26. 51 1
der Forstwirt muß sich mehr und mehr befleißigen, die technischen Anforderungen,
die an Hölzer der verschiedensten Gattungen gemacht \\erdcn, und die Verwendungen,
denen dieselben dienen sollen, kennen zu lernen; er muß sich genaue Warenkunde
aneignen; schon dadurch wird er viele Wünsche seiner Abnehmer, mit denen er in-
folge seiner Bestrebungen in einen regeren Verkehr tritt, in Erfahrung bringen.
Die Holztaxen sind beweglich zu halteii und der jeweiligen Marktlage tunlichst
anzupassen; sie müssen auf Grund genauer Holzpreis-Statistik aufgestellt werden,
so daß keinerlei ^^'illkür und kein einseitiges Bestreben, die Holzpreise unnatürlich
in die Höhe zu schrauben, dabei im Spiele ist.
Bei Vermessung der Rundhölzer walte strenge Unparteilichkeit und Gerechtig-
keit ob; niemals verfahre man hierbei zu knapp, weder in Hinsicht auf Längen- noch
auf Stärkenbestimmung; geringe Qualitäten bezeichne man als solche besonders und
suche sie nicht als gut zu verwerten. — Beim Schichtholz gebe man richtiges Maß und
sehe auf gutes dichtes Legen, passe sich auch etwaigen besonderen, z. B. auf Her-
stellung ungewöhnlicher Längen gerichteten Wünschen der Käufer an.
Die Verkaufsart sei nicht einseitig gewählt, sondern werde je nach den herr-
schenden Umständen bestimmt, entweder als Versteigerung, oder Submission, oder
Freihandverkauf. Den Verwaltungsorganen sind hinlänglich weitgehende Befugnisse
einzuräumen, damit der schleppende Instanzenweg möglichst abgekürzt wird; in
der Krediterteilung und Feststellung der Zahlungsbedingungen, sowie in der Bestim-
mung der Abfuhrfristen komme man den Käufern mögliclist entgegen.
Auf diese ^^"eise wird sich ein auf Vertrauen beruhendes Verhältnis zwischen
den Forstverwaltungen und den Abnehmern bald herausstellen, welches beiden Tei-
len zur Zufriedenheit gereichen wird ^).
Es ist den Forstver\\altungen manchen Ortes noch die Aufgabe zugewiesen,
technische Nebengewerbe zu betreiben, die eine ^^erarbeitung oder Verfeinerung des
Holzes zum Zweck haben.
In der Regel erfordert die Leitung solcher Nebengewerbe, wozu namenthch
Sägewerksbetrieb, Schindelfabrikation, Imprägnierung von Hölzern ete. gehört, eine
gewisse Summe rein kaufmännischer Fertigkeiten und Kenntnisse, die den mehr
bureaukratisch angelegten Forstverwaltungsbehörden namentlich im Staatsbetriebe
zumeist abgehen. Auch bedingen solche Nebengeschäfte stets ein gewisses Maß von
Spekulation, das sich selten mit der im Beamtentum, insbesondere der Staatsver-
waltungen, unumgänglich nötigen Kontrolle befriedigend vereinigen läßt. Auf weiter
vorgeschrittenen Stufen des Wirtschaftslebens empfiehlt sich daher derBetrieb tech-
nischer Nebengewerbe durch die Forstverwaltung nicht.
Eine Hauptaufgabe derselben ist es hingegen, in den Fällen ungenügenden Ab-
satzes die private Tätigkeit zu wecken. Man kann wohl sagen, daß die letztere in
denjenigen Gebieten, in denen überhaupt mit Vorteil Geschäfte zu machen sind,
leicht einzubürgern ist.
Verbesserung der Verkehrsmittel, Agitation für Straßen- und Eisenbahnbau
in vom Verkehr abgeschlossenen Gegenden sind wesentliche Mittel, um die Tätigkeit
von Privatunternehmern zu wecken.
1) Vergl. D a n c k e 1 m a n n in Z. f. F, u. J. 1885, S. 396 ff. Wünsche des Holzhandels
gegenüber der Forstverwallung.
Bericht über die XH'. Versammlung deutscher Forstmänner in Görlitz, Thema II: „Inwie-
weit sind die Klagen und Wünsche der Holzhändler bezüglich ungenügender Berücksichtigung
ihrer Interessen begründet und in welcher Weise kann berechtigten Einwendungen abgeholfen
werden?" Mancherlei beachtenswerte Winke in bezug auf Hebung des Holzabsatzes finden sich
auch in der Schrift „D ie Forstrente in Elsaß-Lothringen, Rückgang und Mittel
zur Hebung derselben". Straßbure 1886.
512 IX B. Stoetzer, Forstbenutzung.
Die Forstvenvaltungen müssen weiter durch Darbietung von Grund und Boden
zu angemessenen Preisen, durch Ueberlassung von Wasserkräften, durch Abschluß
von HolzHeferungsverträgen auf angemessene Zeiträume dem Privatunternehmer
entgegenkommen und ihm den nötigen Mut einflößen, damit er sein Kapital in Unter-
nehmungen steckt, deren Ergebnisse sowohl ihm selbst, als auch der beteiligten
Forstverwaltung zugute kommen werden ^).
IV. Aufbewahrung von Hölzern.
§ 27. Wenn wir auch mehrfach dem Anrücken der Hölzer zur Erleichterung des
Verkaufes derselben das Wort geredet haben, so ist doch im allgemeinen unsere An-
sicht, daß hierbei eine möglichst zeitige Venvertung derselben in das Auge gefaßt
werden muß, damit die Forstverwaltung der Aufsicht und Verantwortlichkeit über
die Hölzer bald überhoben ist und dadurch Verluste vermieden werden.
Ausnahmsweise kann jedoch auch die Aufbewahrung von Hölzern auf besonderen
Holzlagerplätzen zur besseren Verwertung derselben nötig werden.
Es kann dieser Fall eintreten:
1. wenn ein durch außergewöhnliche Umstände herbeigeführter, den laufenden
Verbrauch weit übersteigender Holzanfall vorhanden sein sollte und man die Preise
nicht herabsetzen wollte, was namentlich in Jahren ungewöhnlicher Anfälle, z. B.
nach Windbruchbeschädigungen, Insektenverheerungen vorkommen kann, sowie
2. wenn zur Versorgung weit vom Wald abgelegener \'erbrauchsplätze, z. B.
größerer Städte, und hier insbesondere zur Deckung des Bedarfs von Behörden und
öffentlichen Anstalten Vorratsplätze unterhalten werden müssen.
Ausnahmsweise mag die Bereithaltung kleinerer Mengen Brennholz für Not-
fälle (z. B. strenge Winter) in Betracht kommen, auch könnte man vielleicht Nieder-
lagen für kleine Nutz- und Geschirrhölzer schaffen.
Man sollte im allgemeinen die Aufstapelung auf solche Holzarten und Sorten
beschränken, die sich gut halten und nicht leicht verstocken. Vor allem sind trockene,
luftige, freie Plätze zu wählen, womöglich etwas erhaben und geneigt. Sie sollen der
Zu- und Abfuhr jederzeit zugänglich und gegen Entwendung möglichst geschützt,
zum mindesten leicht zu beaufsichtigen sein. Sind derartige Aufstapelungsplätze
ständig, so nennt man sie, namentlich soweit es sich um Brennhölzer handelt, wohl
auch Holzgärten.
Eine Aufbewahrung von Hölzern im Wasser findet auf manchen Sägewerken
statt, wo sich dieselbe namentlich für Kiefernhölzer empfiehlt, da diese im Wasser
nicht leicht jene blaue Farbe annehmen, die sich bei Aufbewahrung zu Lande leicht
einstellt und das Aussehen der zu gewinnenden Schnittware beeinträchtigt. Für
alle Hölzer hat die Aufbewahrung unter Wasser den Vorteil, daß dem Schwinden
und Aufreißen vorgebeugt wird; am Rhein kommt es vielfach vor, daß ganze Ge-
bunde geflößter Stammhölzer .Jahre hindurch ohne jeden Nachteil für ihre spätere
Verwendungsfähigkeit im Wasser aufbewahrt werden. Auch im Walde ist mit Erfolg
der Versuch gemacht worden, solche Nadelholzstämme, die nicht augenblicklich
nach ihrem Anfall verkäuflich waren, im Wasser aufzubewahren -).
Bei der Aufbewahrung zu Lande hat man darauf zu sehen, daß S t a m m -
h ö 1 z e r stets auf Unterlagen zu liegen kommen. Man wird zweckmäßig schon
mit der Aufstapelung eine gewisse Sortierung der verschiedenen Stärken und Ouali-
1) Vergl. W e b e r in F.-Z.-Bl. 1883, S. 1 ff. Ueber die Bedeutung einiger Holz verarbeitenden
Industriezweige.
2) W i m m e n a u e r in A. F.- u. J. Z. 1878, S. 443.
Aufbewahrung von Hölzern. § 27. 513
täten verbinden; einzelne besonders wertvolle Stämme legt man für sich, im übrigen
bildet man Haufen, wie sie für die Verwertung zweckmäßig erscheinen. Bei Nadel-
hölzern ist zur Gesunderhaltung sowie zum Schutz gegen Insektenangriffe vorgängige
Entrindung zu empfehlen. Kleinere Nutzhölzer bewahrt man am besten in Schup-
pen auf.
Brennhölzer, die den Hauptgegenstand der Aufbewahrung zu bilden
pflegen, gelangen vielfach durch Wassertransport (Trift oder Flößerei) an die Auf-
bewahrungsorte; hier ist besonders auf die Gewinnung von solchen Lagerplätzen zu
sehen, die hinlänglich hoch über dem Spiegel des Hochwassers liegen. Brennhölzer
läßt man, sie mögen nun zu Wasser oder zu Lande an die Lagerplätze befördert wor-
den sein, stets so aufschichten, daß die Stöße in langen geraden Fluchten senkrecht
zum herrschenden Luftzug stehen, so daß dieser letztere die Zwischenräume durch-
streichen kann. Man gibt den Stößen Unterlagen von Holzscheiten, damit das Holz
nicht unmittelbar auf dem Boden liegt, läßt zwischen den Reihen immer 1 Meter
Zwischenraum und gibt den Stößen eine Höhe von 2 — 3 Meter, damit die Fläche des
Lagerplatzes möglichst ausgenutzt wird.
Prügelhölzer werden, damit sie leicht austrocknen und nicht verstocken, mög-
lichst aufgespalten.
Auf großen Holzlagerplätzen hat man noch besondere Aufstapelungsmethoden,
vermittelst deren nicht allein eine besondere, das Austrocknen befördernde Schich-
tung der unteren Lagen der Scheite durch schräge Anordnung derselben, sondern
auch eine Art Bedachung mit schief gelegten Scheiten zur Ableitung des Regenwassers
durchgeführt wird. Diese Methoden lassen sich ohne Zeichnung schwer beschreiben i).
Besondere Vorsicht ist der Aufbewahrung ungewöhnlich großer Anfälle von
Nutz- und Brennhölzern nach vorgekouunenen großen Waldschäden, insbesondere
Windbrüchen, Insektenverheerungen (Borkenkäfer- oder Raupenfraß) zu widmen,
da derartige Hölzer, insbesondere die durch Insektenverheenmgen zum Absterben
gebrachten, leicht verstocken.
Nutzhölzer sind hier stets sofort zu entrinden, Brennhölzer spaltet man alsbald
auf, befreit sie ebenfalls von der Rinde und setzt sie nicht eher in Stöße, als bis sie
durch den Einfluß der Luft abgetrocknet sind.
Das minderwertige Reisig bringt bei der Aufbewahrung selten Gewinn; die
letztere ist vielmehr meist mit Verlust verbunden, da die Güte des Materials schnell
zurückgeht, in der Regel nochmaliges Festbinden der Wellen nötig wird und dadurch
besondere Unkosten entstehen.
1) Zu näherer Information vergleiche man: Die Holzbringungsmittel in den Kgl. Bayerischen
Salinenwaldungen, herausgegeben vom Kgl. Bayer. Ministerial-Forstbureau 1860, S. 126.
Handb. d. Forstwiss. 3. Aufl. IL 33
514
IX.
Die Forstbenutzung.
C. Die Nebennutziingen im Walde.
Von
Viktor Dieterich.
Literatur: bei den einzelnen Abschnitten angegeben. Den ganzen Gegenstand beliandeln
die Lehrbücher über Forstbenutzung (G a y c r - M a y r, 10. Aufl. 1909 bezw. 9. AufL 1903,
H e ß, 2. Aufl. 1901).
Einleitung.
§ 1. Der Begriff „N e b e n n u t z u n g e n" ist mit Bezug auf die neuzeitlichen
Verhältnisse in den Kulturländern zu verstehen, wo als Hauptzweck der Forstwirt-
schaft die Holzzucht und die Holznutzung gilt.
Ueberblicken wir zunächst, um Anhaltspunkte für die Bedeutung der Neben-
nutzungen zu gewinnen, die forstliche Statistik i), so finden wir, daß der Anteil der-
selben am Geldrohertrag aus Waldungen bei den deutschen Staatsforstverwaltungen
zwischen 1,5 und 18,0% schwank!,, bei den größeren nur zwischen 1,5% (Elsaß-
Lothringen) und 5,2% (Preußen). Aber diese Zahlen bedürfen insofern der Berichti-
gung, als sie — fälschlicherweise — auch alle die Nutzungen umfassen, welche die
einzelnen Forstverwaltungen aus dem ihnen unterstellten nicht forstlichen Grund-
besitz (Wiesen, Aecker, teilweise auch Torfriede etc.) beziehen. Andererseits ist zu
beachten, daß der Geldwert mancher Nebennutzungen gar nicht oder nicht in seinem
vollen Betrag in den Zahlen der Statistik zum Ausdruck kommt; denn einzelne Erzeug-
nisse finden unmittelbar Verwendung im eigenen Betrieb, bei andern sind die Erlöse
nicht durch die Preisgesetze, sondern häufig durch altruistische Motive bestimmt.
Der Schwerpunkt mancher Nebennutzungen liegt überhaupt nicht auf privatwirt-
schaftlichem, sodern auf volkswirtschaftlichem Gebiete. Man möchte übrigens auch
geneigt sein, sie gewissermaßen als Dispositionsfonds in der Hand des Waldbesitzers
zu bezeichnen, mit deren Flüssigmachung er als guter Geschäftsmann zur geeigneten
Zeit nicht kargen darf rücksichtlich der mittelbaren seinem Entgegenkommen
entspringenden Vorteile.
1) Vergt E n d r e s, Forstpolitik S. 123 f. ferner Mill. d. D. F.-V. 1911 Nr. 3.
Die Baumfi'üclitc (Ockonomische Gesichtspunkte). § 2. 5J5
Es fehlt noch an einer einheitlichen Systematik der Nebennutzungen; so wird
z. B. die Rindennutzung von manchen unter den Nebenprodukten anfgefülirt,
ebenso das Besenreisig, die Christbäume usf. Richtiger dürfte es wohl sein, unter
die Hauptnutzung alle diejenigen Walder Zeugnisse ein-
zugliedern, welche bei der Abtrennung der einzelnen
H o 1 z p f 1 a n z e n vom W a 1 d b o d e n a n f a 1 1 e n , s o w e i t s i e n i c h t
— wirtschaftliche Ausbeute vorausgesetzt — auch auf
andere Weise gewonnen werden können. Die Rindennutzung
usf. würde darnach zur Hauptnutzung, dagegen z. B. die Gewinnung der Holz-
sämereien und des Futterlaubs zu den Nebennutzungen zu rechnen sein.
Dabei empfiehlt sich folgende Einteilung:
I. Die Nutzung der Nebenerzeugnisse vom stehenden Holz, seiner
Früchte und dergl. sowie seiner Abfälle.
n. Die Nutzung der Nebenerzeugnisse des W a 1 d b o d e n s
a) pflanzliche Nebenerzeugnisse.
b) Mineralien usf.
HI. Die Jagd- und Fischereinutzung.
Auf die letztgenannten Nebennutzungen ist hier nicht weiter einzugehen, da
sie Gegenstand besonderer Abhandlungen in diesem Handbuch sind.
Bei allen Nebennutzungen ist der Gesamterfolg der Waldwirtschaft und der
Grundsatz der Nachhaltigkcit im Auge zu behalten. Deshalb ist jeweils die Rück-
wirkung der einzelnen Nebennutzungen auf den Hauptzweck der Waldwirtschaft zu
prüfen. Das' strengste Kriterium, das man in dieser Hinsicht anwenden kann, ist der
von M a y r 1) aufgestellte Grundsatz, daß ,,j e d e Nutzung im Walde zu-
gleich einen waldbaulichen Zweck" verfolgen müsse.
I. Die Nutzung der Nebenerzeugnisse vom stehenden Holz.
1. Die Baumfrüchte (Holzsämereien).
Literatur: Nobbe, Handbuch der Samenkunde. Die waldbaulichen Lehrbücher von
Jäger (Das Forstkulturwesen 1850). — Burckhardt (Säen und Pflanzen). — H e y e r
(Waldbau). — G a y e r (Waldbau). — M a y r (Waldbau auf naturgesetzlicher Grundlage). —
Fürst (Pflanzenzucht im Walde). — Ferner die im einzelnen zitierten Arbeiten.
a) Die ökonomischen Gesichtspunkte.
§ 2. Die Nutzung der Waldbaumfrüchte erfolgt vorwiegend zum Zweck der
Gewinnung von Holzsämereien für die künstliche Bestandesverjüngung und für Neu-
aufforstungen; die Schweinemast hat nur noch ganz untergeordnete, örtliche Bedeu-
tung. Gelegentlich finden einzelne Sämereien Verw^endung zur Wildfütterung (Eicheln
Buchein, Roßkastanien, Wildobst u. a.), zur Verarbeitung in der Lebensmittel- und
in der chemischen Industrie (Eichelkaffee, Zichorien, Tinten usf.). Die Früchte
der Edelkastanie und der Walnuß seien als Genußmittel nur nebenbei erwähnt.
Eine gewisse Rolle spielt endlich noch die Verwendung der Bucheckern zur Speise-
Oel-Bereitung, besonders geschätzt von der ärmeren Landbevölkerung.
Was nun die Nutzung der zur W a 1 d z u c h t erforderlichen Sämereien anbe-
langt, so bildet sie eine beachtenswerte Geldeinnahmcquelle mehr nur beim Klein-
Waldbesitz: ländliche Privatwaldbesitzer, auch Gemeinden, verpachten das
Samenerträgnis teils direkt an Samenhändler und Klenganstalten, teils an die mit
1) Vorwort zur 10. Aufl. der Forstbeniitzung 1909.
33*
516 IX C. D i e t e r i c h , Die Nebennutzungen im Walde.
Sammeln beschäftigten Personen. Der Waldbevölkerung bringt diese Nebennutzung ')
Arbeitsgelegenheit und Verdienst in den Jahren reicher Samenernte, namentlich
wenn bei anderwärts geringen Ergebnissen nur einzelne Gebiete ein gutes Jahr zu
verzeichnen haben; die Agenten der Händler kommen dann von weither gereist und
suchen durch lebhatte Steigerung den Bedarf ihrer Auftraggeber zu decken. Bei den
größeren Forstverwaltungen hat die Nutzung der Waldsamen im
Lauf der Zeit verschiedene Wandlungen durchgemacht. Früher stand das Einsam-
meln für den eigenen Bedarf allgemein in Uebung; daneben hat allerdings der Samen-
austausch und der Bezug von Händlern, besonders in Süddeutschland, schon früh
Eingang gefunden -). Mit dem Ueberhandnehmen der künstlichen Verjüngungs-
formen sind die Holzsämereien, vor allem die Nadelholzsamen, mehr und mehr
Handelsartikel geworden; mit ihrer Gewinnung und Verwertung befaßt sich ein
besonderer Industrie-Zweig, neben vielen kleinen Betrieben eine Reihe ansehnlicher
Kiengans talten. Viele Waldbesitzer haben infolgedessen das Einsammeln und zumal
das Auskiengen der Samen aufgegeben oder sich damit begnügt, teils gegen mäßige
Geldentschädigung teils gegen Ablieferung bestimmter Mengen Erlaubnisscheine
zum Sammeln auszustellen; diese Benutzungsart ist besonders für Laubholz- (vor
allem Eicheln und Buchein) und für Weißtannensamen eingeführt, in geringerem
Umfang für die andern Nadelhölzer; denn die Zapfenbrecher galten vielfach als un-
willkommene Kunden, die man sich aus Furcht vor Waldbeschädigung und vor
Unfallhaftung lieber vom Halse hält.
In der preußischen Staatsforstverwaltung ^) ist an dem Grundsatz der Selbst-
gewinnung von Kiefern- und Fichtensamen festgehalten worden; nach den
neuesten bezüglichen Vorschriften *) soll die ausschließliche Beschaffung des für
Staatswaldungen erforderlichen Saatguts durch die staatlichen Darren mit allen
Mitteln angestrebt werden. Aber auch in weiteren forstlichen Kreisen hat sich neuer-
dings ein Umschwung zugunsten der Selbstbeschaffung des Samens und im Sinn
tunlichster Ausnutzung der Samenernten geltend gemacht. Veranlassung hiezu
gaben die üblen Erfahrungen, die man mit unreellen Samenlieferungen (Beimischung
nicht gewünschter Arten, z. B. Stiel- und Zerr- statt Traubeneicheln, Bergkiefer zur
gewöhnlichen Kiefer u. a.) mit unsachgemäß behandelten und darum gering keim-
fähigen Sämereien und nicht zuletzt mit Saatgut ungeeigneter Herkunft ^) vielfach
1) Zu vergl. die Schilderungen Schotts im F. Zentralbl. 1904 ff. über das Sammeln der
Kiefernzapfen in Belgien, Frankreich, Ungarn und Rußland.
2) Vergl. hierüber die forstgeschichtlichcn Werke von Bernhardt und S c h w a p p a c h,
ferner die diesbezüglichen Mitteilungen von Dr. Schott a. a. O., F e n n e r (Z. f. F.- u. J.-W.
1904, S. 39), Haack (M. d. D. F.-V. 1909, Nr. 6, S. 138 f.).
3) Vergl. Hagen -Donner, Die forstlichen Verhältnisse Preußens, 3. .\utl. 1894, 1. Bd.,
S. 183 ff., ferner Schlieckmann, Handbuch der Staatsforstverw. in Preußen, 1900, S. 628 ff.
4) Vergl. Aufsatz von Möller, Z. f. F.- u. J.-W. 1910, S. 694 ff., wo die betr. \'erfügungen
angegeben sind.
5) Es würde zu weit füliren, die ganze umfangreiche Literatur hier anzugeben, die in den
letzten Jahren sich über diese Frage verbreitet hat; es dürfte vielmehr genügen, die Namen einiger
um die Sache besonders verdienter Forscher zu nennen, wie C i e s 1 a r, K i e n i t z, M a y r,
Engler, v. Sivers, Schott, Schotte, und einige .Arbeiten anzuführen, w-elche ihrer-
seits eingehende Literaturnachweise enthalten, so H a a c k a. a. O., K i e n i t z, ,, Formen und
Abarten der gemeinen Kiefer" in Z. f. F.- u. J. 1911, S. 4 ff., Dr. Schott a. a. O., Sammel-
referat von F a b r i c i u s in Nat. Z. f. L.-W. u. F.-W. 1908, S. 416 ff., endlich Wagner in
,,Die Grundlagen der räumlichen Ordnung im Wald ', 2. .Aufl., S. 21 ff. Die Provenienzfrage war auch
Beratungsgegenstand bei einer Reihe von wissenschaftlichen Tagungen, so im Internationalen
Verband forstlicher ^'e^suchsanstalten 1901, 1906 und 1910, beim Internatiunalen landwirtsch.
Kongreß zu Wien 1907; der deutsche Forslverein hat sich 1906, der Forstwirtschaftsrat 1910
mit diesem Gegenstand befaßt. Besonders aktuell ist die Frage bezüglich Deutschlands Haupt-
holzart, der Kiefer, geworden, deren Samen ohnehin schon lange die wichtigste Rolle im Kleng-
betrieb und Samenhandel spielt.
Die Baumfrüclite (Technik der Samenernte etc.). § 3. 517
gemacht hatte. Gerade dem letzteren Gesichtspunkt mißt man ein |iut Teil der
Schuld an den vielen Kulturmißerfolgen bei, an dem langsamen Wachstum, dem
Vorherrschen schlechter Wuchsformen und der hochgradigen Empfindlichkeit vieler
Jungwüchse gegenüber den Jugendgefahren und Kinderkrankheiten, denen die
Saaten von Anfang besonders stark ausgesetzt sind, wenn das Saatgut unter fremde
Klima- und Standortsverhältnisse verbracht worden ist. Zur Erklärung dieser Be-
ziehungen hat die Forstwissenschaft die Theorien der Erblichkeits- und Züchtungs-
lehren i) beigezogen; durch eingehende Provenienzuntersuchungen '^), die ihrerseits
wieder befruchtend auf jenes Gebiet der naturwissenschaftlichen Forschung einge-
wirkt haben, ist die Verdächtigkeit fremden Saatguts gerechtfertigt worden. Hieraus
ergibt sich als Forderung für die Praxis — abgesehen von der natürlichen \'erjüngung
— sorgfältige Auslese des Kultursamens und Gewährleistung für geeignete Herkunft,
was am sichersten bei Selbstgewinnung in den einzelnen Revieren oder wenigstens
innerhalb der klimatisch abgegrenzten Waldgebiete sich ermöglichen läßt; als andere
Benutzungsart ist allenfalls noch die Oeffnung geeigneter Bestände zum Sammeln
durch Dritte zu empfehlen unter zuverlässiger Garantie für spätere Lieferung des
hieraus gewonnenen Saatguts. Von verschiedenen Forstverwaltungen ist diesen
Forderungen praktische Folge ^) gegeben worden. Mit Recht wird der Nutzbar-
machung aller Waldbaumfrüchte im Interesse der Waldkultur wieder mehr Gewicht
beigelegt, auch wenn in den Hauptbüchern kein nennenswerter Geldertrag aus diesem
Nebennutzungsgegenstand erscheint.
b) Die Technik der Samen-Ernte, -Gewinnung und -Aufbewahrung.
§ 3. Die Ernte der B a u m f r ü c h t e. Nicht jedes Jahr bringt ergie-
bige Ernten; Vollmasten kehren ^ je nach Holzart — mit größeren oder kleineren
Unterbrechungen wieder. Im allgemeinen nimmt man an *), daß die schwerfrüchtigen
Holzarten seltener als die leichtfrüchtigen fruktifizieren, ferner daß wärmeres Klima
der Fruchtbildung günstiger sei; besonders warme Sommer bringen häufig reichliche
Eichelmast ^) ; dagegen scheinen trockene Sommer auf den Samenertrag der Fichte
1) Vergl. Wagner (a. a. O.); Oppermann (Vraenge Boegc, C. f. d. g. F. 1909,
S. 108); Hauch, Erblichkeit bei Buche und Eiclie, C. f. "d. g. F. 1909, S. 333; H e s-
s e 1 m a n n (Rassen schwed. Waldbäume, in den Mit. a. d. Versuchsanstalt Schwedens, 3. Heft
1907: Zederbauer (Variationsrichtungen der Nadelhölzer — Sitz.-Ber. d. K. Ak. f. Wiss.
in Wien, Dez. 1907).
2) Die meisten \'ersuchsanslalten haben solche in .\ngriff genommen und z. T. auch schon
einige Ergebnisse bekannt gegeben. \'ergl. die Berichte über den \'I. Kongreß des Internat. Ver-
bands forstl. Versuchsanstalten in Brüssel 1910. (C. X. d. g. F. 1910, S. 506 ff.)
3) Vergl. M ö 1 1 e r (a. a. O.) betr. Preußen. Die bayrische Staatsforstverwaltung hat probe-
weise vor einigen Jahren der Schott scIien Klenganstalt ein Kieferngebiet in der Pfalz zur
Zapfenernte geöffnet unter der Bedingung der Lieferung des von dort stammenden Samens für
den Bedarf der Staatstorste. (Bericht über die VII. Haupt-Vers. d. D. F.-V. 1906, S. 121 ff.;
Fürst, Pflanzenzucht im Walde, S. 91.) Die Württ. Staatsforstverwallung läßt Kiefern-
zapfen in ihren Forstbezirken sammeln und durch eine Privatanstalt ausklengen. Die Hessische
Staatsforstverwaltung hat i. J. 1904, um einheimischen Samen für die Domanial und Kommunal-
waldungen gewinnen zu können, eine im Odenwald gelegene Klenganstalt angekauft. (A. F.
u. J.-Z. 1905, S. 318.) Endlich ist auf die vom Deutschen Forstwirtschaftsrat ins Leben gerufene
Organisation des Samen- und Pflanzenliandels hinzuweisen, welche Garantie für Lieferung bezw.
%'erwendung nur deutschen Kiefernsamens bietet.
4) Arbeiten über den Samenertrag der Waldbäume sind ziemlich spärlich; am eingehend-
sten behandelt M a y r die bezüglichen biologischen \'erhältnisse im , .Waldbau auf naturgesetz-
licher Grundlage" und in der 10. .\ufl. der Forstbenutzung von G a y e r - M a y r. S|)ezicll für
Fichten liegen Arbeiten vor von O g i e w s k i (C. f. d. g. F. 1909, S. 137). Wertvolles statistisches
Material bietet die Arbeit von S c h w a p p a c h über die Samenproduktion usf. (Z. f. F. u.
J. 1895).
5) Vergl. auch G w i n n e r , M. f. d. W. F. W. 1855, S. 309 (eine Parallele mit den Wein-
jahren ist hiernach nicht nachweisbar).
518 IX C. D i e t e r i c h , Die Nebennutzungen im Walde.
nachteilig zu wirken; höhere Sommertemperatur wirkt also bald vorteilhaft, bald
nachteilig auf die Entwicklung der Blüten zur Frucht, begünstigt aber jedenfalls die
Bildung von Samenknospen, somit die nächstj ährige Ernte, was besonders
deutlich bei der Buche in die Erscheinung tritt. Die Hoffnung auf ein kommendes
Samenjahr, die das Auftreten zahlreicher Blütenknospen erweckt, wird leider häufig
zerstört, indem ungünstige Witterung während des Frühjahrs die Blütenentfaltung,
oder ebensolche im Sommer das Austragen der angesetzten Blüten vereitelt. Da
Wärme und Lichtgenuß das Samenerträgnis erhöht, kann auch durch Maßnahmen
der Bestandeserziehung (Kronenfreihieb) auf die Häufigkeit und Reichlichkeit der
Fruchtbildung eingewirkt werden ^).
Wenn nun freilich ein regelrechter Erntebetrieb nicht jedes Jahr eingeleitet
werden kann, so finden sich doch fast immer Früchte an Randbäumen; deren Nut-
zung erscheint in Fehljahren besonders dringend. In den Samenjahren kann mehr
Auswahl getroffen werden; im allgemeinen soll man von mittelalten Beständen,
von normal und kräftig erwachsenen gesunden Bäumen mit gut ausgebildeter Krone
sammeln lassen; dies empfiehlt sich vor allem wegen der Ergiebigkeit der Arbeit,
dürfte aber auch am ehesten Gewähr für wuchskräftige Pflanzen -) liefern. Was
ferner die Erntezeit betrifft, so sind hiefür die natürlichen Vorgänge der Reife
einerseits und des Abfallens der Früchte bezw. Sämereien andererseits maßgebend.
Die Regel ist, daß nur reife Früchte geemtet werden; denn die weitere Behandlung
und die Aufbewahrung nicht ausgereifter Früchte bietet Schwierigkeiten und wenig
Gewähr für befriedigende Saaterfolge. Im Mai/Juni beginnen Ulme und Pappel
zu reifen, im Juli die Weiden, Juli/ August die Birken; Spitzahorn, Eiche und Tanne
Ende September, während für die übrigen Waldbäume der Oktober als Reifezeit
gelten kann. Der Zeitpunkt des Samenabfalls ist insofern entscheidend, als die schwe-
ren und größeren Früchte meist nachher, die leichten und zumal die kleinen vorher
eingesammelt werden müssen. Die frühreifen Früchte beginnen schon wenige Tage
nach der Reife abzufliegen, die der Ulme von Ende Mai an, Pappel, Weide im Juni und
Juli, Birke Ende Juli; die Eiche und Buche lassen ihre Früchte schon im Oktober,
bald nach der Reife, abfallen, die Weymouthskiefer öffnet ihre Zapfen Anfang Oktober
und die Tannenzapfen beginnen häufig schon Ende September abzublättern, wobei
die Samen mit den Schuppen zu Boden fliegen. Etwas länger (November bis Anfang
Dezember) bleiben am Baume die Früchte des Ahorn, der Linde und Hainbuche;
Eschen- und Erlensamen fallen den Winter durch ab und überwintern zum Teil am
Baume. Die spätesten sind Fichte, Kiefer und Lärche; Fichte und Kiefer lassen von
Anfang März ab (teilweise und je nach Witterung auch schon früher) die Zapfen-
schuppen sich öffnen und den Samen entfliegen, die Lärchenzapfen werden erst von
der vollen Frühjahrswärme im April und Mai ausgeklengt.
Hienach richtet sich die Artdes Einsam m eins. Nur bei den größeren
ungeflügelten Früchten (der Eiche, Buche, Kastanien, Nußbäume u. a.) lohnt sich
das Auflesen am Boden. Die meisten Früchte müssen am stehenden Holz eingeerntet
werden, soweit man sie nicht von gefällten Stämmen abnehmen kann. Nach Besteigen
1) Besonders interessant sind die Forsctiungsergebnisse von A. Soboleff (Petersburg)
über die Verteilung des Samenertrags bei der Fichte nach den Bäumen der Kraft sehen Stamm-
klassen. (Die Bäume der ersten drei Klassen liefern beinahe die ganze Samenernte; der Samen-
ertrag hängt sonacli in erster Linie von der Höhe des Baums und der Ausbildung der Krone ab.)
Vergl. C. f. d. g. F. 1909, S. 137.
2) Vergl. die Untersuchungen G. S c h o t t e's in Stockholm (jüngere und mittelalte Pflan-
zen ergeben die kräftigsten Pflanzen. N. Z. f. F. u. L. 1906, S. 22 f.).
Die Baumfrüchte (Technik der Samenernte etc.). § 3. 519
der Bäume mittelst Leitern, Steigeisen oder Steigrahmen ^) werden die Früchte
abgebrochen, abgestreift oder auch durch Schlagen auf die Aestc (mit Aexten u. a.)
zum Abfallen gebracht, um dann auf untergelegten Tüchern aufgefangen zu werden.
Die leichten Früchte, wie von Erle, Esche, Hainbuche, Birke und Ulme, die beim
Abstreifen ziemlich weit abfliegen könnten, werden am besten mitsamt den Zweig-
chen abgebrochen; der Sammler muß dann mit einem umgehängten Sack versehen
sein, um die Samen alsbald unterbringen zu können. Die Zapfen der Nadelhölzer
werden meist mit Haken abgestoßen und unter den Bäumen aufgelesen oder an den
mittelst Haken herabgebogenen Zweigen abgestreift.
Mit dem Einsammeln der Früchte ist die Gewinnung der meisten Laubholz-
sämereien in der Hauptsache erledigt; es sind nur noch die Beimengungen, je nach
Umständen mehr oder weniger sorgfältig, zu entfernen, Sproßteile und sonstige
Anhängsel loszutrennen, namentlich wenn es sich darum handelt, die Samen zu ver-
senden oder in den Handel zu bringen; bei Gewinnung für den Eigenbedarf ist die
Reinheit des Saatguts weniger von Bedeutung. Durch Dreschen, Sieben und Würfen
werden gröbere und feinere Verunreinigungen abgesondert, durch Aufhängen, Trock-
nen event. auch Klopfen die in Fruchtständen zusammengeschlossenen Samen (Birke,
Erle, Pappeln) befreit; vor allem aber ist für oberflächliches Abtrocknen Sorge zu
tragen. Wesentlich mehr Arbeit erfordert die Gewinnung des Samens der meisten
Nadelhölzer aus den eingesammelten Zapfen. Die besonderen hiefür zu treffenden
Anstalten werden eingehender im nächsten § besprochen werden.
Es sind hier nur noch einige Regeln für die Gewinnung der wichtigsten Laub-
holzsamen im einzelnen anzugeben:
Die Eicheln läßt man nach deren .\btall im 01<tober auflesen; da die schadhaften
und wurmstichigen Samen zuerst abzufallen pflegen, so wartet man mit dem Sammeln, bis
das Abfallen schon etwas allgemeiner ist, um die besten, d. h. schönsten und vollkommensten
Früchte auswählen zu können. Man läßt, damit sich dieselben nicht erhitzen und zu keimen
beginnen, nur an trockenen Tagen sammeln, wartet auch des Morgens, bis der Tau abgetrocknet ist.
Die B u c h e 1 n kann man in ähnlicher Weise auflesen lassen, was allerdings langsam
vonstatten geht, deshalb läßt man wohl auch die Bäume besteigen und durch Anklopfen der
Aeste die Bueheln zum Abfallen bringen. Endlich kennt man bei dieser Holzart noch die Me-
thode des Kehrens nach erfolgtem Abfall, wobei jedoch das Laub mitgekchrt wird, weshalb
diese Ernteweise weniger zu empfehlen ist. Durch Würfen wie beim Getreide werden die Buchein
vor der .Aufbewahrung, bezw. Aussaat von dem Laub, sowie den tauben Körnern gesondert.
Den H a i n b u c h e n s a m e n sammelt man entweder durch .Abpflücken der Samen-
büschel oder durch .\bklopfen des Samens bei windstillem Wetter, am besten nach dem ersten
Reif. \on den Flügeln wird er durch Dreschen und Sieben oder Würfen befreit.
Den Birkensamen gewinnt man, wenn er bräunlich geworden ist, am besten durch
Abschneiden der Zweige, welche man alsdann in Büscheln aufhängt und trocknet, worauf die
Samen aus den Zäpfchen durch Abklopfen der Büschel gewonnen werden.
Ahorn- und Eschensamen, welcher im Oktober und November abfliegt, wird
entweder durch .Abbrechen von Zweigen, .Abschneiden der Samenbüschel mit der Schere, oder
Abstreifen des Samens von den .Aesten nach Besteigung der Bäume gesammelt; auch kann
man ihn klopfen und auf Tüchern auffallen lassen.
Der Ulmensamen soll bald nach der Reife (also etwa Anfang Juni) durch .Abstreifen
von den Zweigen gesammelt werden; bei windstillem Wetter ist auch Abklopfen ratsam.
Die Erlen Zäpfchen gewinnt man durch Abpflücken im Spätherbst, am besten nach
den ersten Frösten oder durch .Abklopfen auf Tücher; in mäßiger Slubenwärme fallen die Samen
bald aus; auch das .Auffischen des Samens im Frühjahr wird für am Wasser stehende Erlen
empfohlen; doch ist zu beachten, daß die Keimfähigkeit des so gewonnenen Samens bald ver-
loren geht.
Das Einsammeln der .Aspen kätzchen ^) geschieht unmittelbar nach der Reife (Ende
Mai, Anfang Juni) bei trübem Welter oder morgens, weil sich die Samenkapseln unter dem
1) Friedrich hat den von ihm konstruierten Steigapparat auch für diesen Zweck empfoh-
len. C. f. d. g. F. 1906, S. 4-19.
•2) Nach den Versuchen und .Ausführungen von K. bayr. Forstrat H o f m a n n - Bosenheim.
F. Centr.-Bl. 1902, S. 360.
g20 IX C. D i e t e r i c h , Die Nebennulzungen im Walde,
Einfluß der Sonnenwärme öffnen; in geschlossenen, gegen Luftzug gesicherten Räumen werden
die gesammelten Kätzchen dann durch die Luftwärme zum Oeffnen gebracht.
§4. Die Gewinnung der Nadelholzsamen (Darr- oder Kleng-
betrieb). Am einfachsten ist das Auskiengen des Samens der Weißtannen,
deren Zapfen Anfang Oktober oder schon Ende September (je nach Gegend und Jahr-
gang) vom stehenden Holz durch Abbrechen oder von eigens gefällten Samenbäumen
entnommen werden. Schon bei mäßigen Wärmegraden öffnen sich die Schuppen.
Man breitet die Zapfen auf luftigen Böden aus, stößt sie täglich öfters mit Rechen um,
sodaß sie zerfallen und Schuppen nebst Samen sich von den Spindeln lösen; soll das
Zerfallen beschleunigt werden, so kann man die Zapfen einer mäßigen Erwärmung
aussetzen. Durch Sieben trennt man die Samenkörner von den Schuppen, befreit
hiernach mittelst Reiben die Körner von den anhaftenden Flügeln und reinigt den
Samen durch Würfen, Wo Tannensamen zum Selbstgebrauch von Forstverwaltungen
gewonnen wird, ist das Abflügeln unnötig.
Auch bei Weymouthskiefern zapfen bedarf es keines besonderen künst-
lichen Klengprozesses, da der Same bald nach der Reife von selbst ausfällt. Die Ent-
leerung der Zapfen wird durch Umstoßen derselben mittelst Rechen befördert.
Höherer Wärmegrade zur Ausklengung bedürfen die von Natur bis ins Frühjahr
von den Zapfenschuppen umschlossenen Samenkörner der Fichte, Kiefer und Lärche;
es sind deshalb besondere Vorrichtungen nötig, um die Wärme auf dieselben ent-
sprechend einwirken zu lassen.
Ehe auf die Darr- oder Klengverfahren eingegangen wird, muß noch bezüglich
des Zeitpunkts der Zapfenernte bemerkt werden, daß insbesondere für die Kiefer
frühe Ernten zu widerraten sind. Nicht als ob die Zapfen im Oktober und November
etwa weniger keimfähige Körner i) enthielten als die am Baum nachgereiften im
Januar und später -) ; vielmehr sind die früh geernteten grünen und noch stark wasser-
haltigen Zapfen erfahrungsgemäß weniger gut klengbar als die spät gepflückten.
,, Einmal verlangsamt ihre Verwendung das Darrgeschäft und erhöht die dem Samen
in der Darre drohenden Gefahren, sodann sind sie . . . für eine längere Lagerung
nicht geeignet"; es treten Schimmelbildungen auf , wenn man Uebervorräte von reichen
Emtejahren fürs nächste Jahr überhalten will. Das Pflücken der Zapfen sollte des-
halb womöglich nicht vor Dezember beginnen ^) und bis in den Februar und März
hinein fortgesetzt werden; die zuerst gepflückten sind auch zuerst aufzuarbeiten.
Den besten Samen gewinnt man, wenn das Auskiengen, ebenso wie dies in der
Natur erfolgt, durch die Sonnenwärme besorgt wird (Sonnendarren). B u r c k h a r d t
führt in ,,Säen und Pflanzen" an, daß man von Sonnensamen kaum ^3 der gewöhnlichen
Einsaat gebrauche. Diese Methode ist uralt und wird schon in D ö b e Is Jägerpraktika
beschrieben, wo die Bezeichnung ,,Buberte" für Sonnendarre vorkommt.
Neuere Untersuchungen *) haben diese Erfahrungen der alten Praktiker vollauf
bestätigt. Trotzdem sind die Sonnendarren allmählich fast ganz in Abgang gekom-
men, weil das Auskiengen etwas langsam vonstatten geht und zu sehr von der Witte-
rung abhängig ist; es dürfte aber zu prüfen sein, ob nicht bei Gewinnung des Revier-
1) Vergl. die Untersuchungen von H a a c k, Z. f. F. u. J. 1905, S. 296 ff.
2) Vergl. H a a c k, M. d. D. F.-V. 1909, S. 149.
3) Vergl. Möller (a. a. O.); in Preußen sollen später geerntete Zapfen von den Darren
höher bezahlt werden; die Pflücker sind hierdurch zuN'ornahme der Ernte erst im Januar — März
zu veranlassen; ferner S c h 1 i e c k m a n n (a. a. O.); als Erkennungsmerkmal gibt Keller-
Darmstadt an, der sclion länger gepflückte Zapfen trage einen welken, braunen und abgestorbenen
Stiel, der frisch gepflückte zeige beim Ritzen frisch-grüne Rinde
4) H a a c k in Z. f. F. u. J. 1905, S. 296 ff. (in der Sonne gedarrter hatte 99°;, Keimfähigkeit).
Die Baumfrilchte (Technik der Samenernte etc.) § 4. 521
hcdarfs da und dort, wo geeignete N'orrichtungen leicht angebracht werden können,
auf jenes bewährte Wrfahren zviriickgegriffen werden soll. Es sei deshalb die Ein-
riuhlung einer Soiinendarre kurz besciirieben:
An der Südwand eines Gebäudes errichtet man ein Gerüst mit Wetterdach, unter welchem
Horden, mit Zapfen tjetüllt, etagenweise und in einem solchen Hölienabstand üi)ereinander-
gestellt werden, daß die Sonnenstralilen auch die hintersten Zapfen einer Horde immer nocli
treffen müssen. Unter die untersten Horden bringt man einen Schubkasten mit Leinwand-
boden an, damit etwaiges RegenwassiT durclidringen und der auf der Leinwand liegende Samen
alsbald wieder abtrocknen kann. Auf die Horden schüttet man Zapfen, wendet dieselben bei
Sonnenschein öfters um, damit die Samenkörner ausfallen. Dieselben gelangen durch die
Gilterböden der Horden von der obersten bis zur untersten hindurch und sammeln sicli schließ-
lich in dem unten angebrachten Schubkasten. Sind die Zapfen auf diese Weise so weit als
möglich entlcci-t, so werden sie noch in einen hohlen, faßartigen Zylinder, das sog. ,, Leierfaß",
gebraclit und in demselben durch Umdrehen so lange erschüttert, bis der Same durch diese
Bewegung vollständig ausgefallen ist.
Statt dieser Horden hat man wohl auch mit Deckeln versehene Kasten, welche schräg
gegen die Sonne geneigt aufgestellt werden, in Anwendung gebracht. Diese Deckel, inwendig
mit weißer Oelfarbe gestrichen, haben den Zweck, bei Regenwetter die I'Casten zu verschließen,
hingegen in geöffnetem Zustand bei entsprecliend schräger Stellung die Sonnenstrahlen zu
reflektieren und auf die Zapfen zu werfen.
Das Oeffnen und Schließen des Deckels wird erleichtert durch eine an demselben ange-
brachte Schnur, welche über eme hinter dem Kasten an einem Pfosten befindliche Rolle läuft
und am herabhängenden Ende mit einem Gewicht beschwert ist, durch dessen Bewegung der
Deckel gesenkt oder gehoben werden kann.
Alle andern Klengvcrfahrcn bedienen sich künstlicher Wärmequellen. Man
unterscheidet zunächst Feuerdarren und Dampfdarren.
Die einfachste F e u e r d a r r e läßt sich in geheizten Räumen dadurch her-
richten, daß man Gestelle über und rin'gs um den Ofen anbringt; auf diese werden die
Zapfenhorden eingelegt; die Zapfen können auch, in Säcke gefüllt, im Zimmer aufge-
hängt werden. Solche Stubendarren, wie sie vielfach von Privatwaldbesitzern und
Kleinhändlern eingerichtet werden, bestehen schon sehr lange, sind aber wegen
Lieferung gering keimfähigen Saatguts (infolge Ueberhitzung) in Mißkredit geraten.
Bei Vermeidung dieses Hauptfehlers und bei sonst sachgemäßer Behandlung des
Samens unter Leitung und Aufsicht des Forstpersonals wird man aber durch zuver-
lässige Waldarbeiter oder Angehörige der Forstschutzbeamten die Klengung in dieser
einfachen Weise gut vornehmen lassen können, namentlich wenn geeignete, der Forst-
verwaltung gehörige Räume zur Verfügung stehen und es sich nur um kleinere Quanti-
täten (für den Eigenbedarf) handelt.
Die Groß-Klengbetriebe lassen die Klengung in besonderen massiven Gebäuden
vornehmen, meist unter Anwendung maschineller Vorrichtungen.
Grundsätzlich verschieden ist die Einrichtung der Feuerdarren, je nachdem die Trennung
der Samen von den Zapfen im Darrraum selbst während des Darrens oder alsbald nach Oeffnung
der Zapfen in besonderen Räumen vorgenommen wird ^). Auf ersterem System beruht die in
den meisten preußischen Klenganstalten bestehende Einrichtung der E y t e 1 w e i n sehen ')
Darre (genannt nach dem Erbauer der Eberswalder Darre vom Jahre 1837, Oberbaurat E y t e 1-
wein): die Zapfen werden in Horden eingeschüttet, welche auf hölzernen Gestellen oberhalb
(zu beiden Seiten) des im untersten Stockwerk befindlichen Feuerungsraumes übereinander
geschichtet sind. Von der Heizung aus wird heiße Luft durch verschließbare Oeffnungen unter
die Horden geleitet, auf deren Zapfen sie nun, ohne entweichen zu können, einwirken muß.
Die Zapfen werden hier fleißig umgedreht und durchrüttelt, so daß der Samen ausfällt; der-
selbe fällt von Horde zu Horde und kommt zu untersl (also rechts und links des Feuerungs-
raums) in Kühlkammern.
Anstatt der Aufschüttung der Zapfen auf Horden ist auch die Einfüllung derselben in
hölzerne, gitterartige Zylinder, welche mit eisernen Reifen umgeben sind, oder in Drahttrommcln
1) Vergl. die Ausführungen des preuß. Landesbauinspektors v. P e n t z bei der 1\'. Haupt-
Vers, des Deutsch. Forstvereins zu Kiel 1903. (Bericht S. 35 ff.).
2) S c h 1 i e c k m a n n , S. 628 ff.
522 IX C. Dieterich, Die Nebennutzungen im Walde.
im Gebrauch. Diese Trommeln werden durcti Kurbeln nach Art der Kaffeebrenncr von Zeit
zu Zeit gedreht, der Samen entfällt in Sammelkanäle und wird aus diesen ausgezogen. Diese
öftere Drehung der Zylinder scheint das Klenggeschäft zu fördern. Die Annaburger Darre,
die größte der preußischen Staatsklenganstalten, ist nach diesem System erbaut, die Trommeln
werden motorisch gedreht, wie überhaupt der ganze Betrieb maschinell eingerichtet ist.
Auch einige Privatklengbetriebe benützen Trommeldarren. Die meisten bedienen sich
aber des andern Systems, kleiner verstellbarer Horden, die nach Oeffnung der Zapfen
aus der Darrslube herausgenommen und über Gitterböden entleert werden; mittelst Rechen
wird hier der Ausfall des Samens vollends bewirkt; statt dessen bringt man die geöffneten
Zapfen auch in zylinderförmige Leierfässer, sog. ,, Triller". Diese sind aus Eisendraht herge-
stellt und mit Siebwandungen versehen, durch welche nur die Samenkörner hindurchgehen kön-
nen. Durch Drehen wird das Ausfallen des Samens veranlaßt; die leeren Zapfen gleiten aus
dem schräg gestellten Triller in einen Seitenraum.
Eine besondere Abart dieses Systems bedeutet die Einrichtung der im Jahre 1896 um-
gebauten Eberswalder Darre ^). Die Horden sind nicht übereinander gestellt, vielmehr
ist der Darraum durch senkrechte Wände in mehrere .Abteilungen gesondert, welche der warme
Luftstrom nacheinander durchstreicht; nach Durchströmen aller .Abteilungen kann die Darrluft
zum Heizkörper zurückgeleitet werden, so daß ein Kreislauf entsteht (wie ,,Zirkulationsluft-
ung"). Durcii Klappeneinstellung wird es ermöglicht, die Luftströme bald in der einen, bald
in der andern Richtung zu führen, was gleichmäßige Erwärmung des Raumes und gleichmäßiges
Oeffnen der Zapfen befördert.
Wir gehen weiter zur Beschreibung der Dampfdarren, die statt Heißluft
Dampflieizung benutzen, zuerst in der Klenganstalt von H. Keller Sohn ^) in
Darmstadt angewendet, inzwischen auch anderwärts (so bei A p p e 1) eingeführt:
der in einem Dampfkessel außerhalb des Klenggebäudes erzeugte Wasserdampf wird
unter den Horden in einem Röhren-System mehrfach hin- und hergeleitet;
zur Abführung des kondensierten Wassers mündet die Leitung wieder in den Dampf-
kessel aus.
Geringere Feuergefährlichkeit einerseits, raschere Erzielung der erforderlichen
Temperaturgrade andererseits werden als Vorzüge der Dampfdarren gerühmt. Es
ist hier nicht der Ort, die Vorteile und Nachteile der verschiedenen ^) Verfahren gegen-
einander abzuwägen ; Voraussetzung für befriedigende K leng-
er gebnisse ist die Vermeidung schädlicher Hitzegrade;
die Gefahr der Ueberhitzung ist größer, wenn früh geerntete stark wasserhaltige
Zapfen verwendet werden.
Die vielfach verbreitete Ansicht, daß kurze Zeit wirkende, hohe Hitzgrade nicht
nachteilig wirken, wenn nur der ausfallende Samen sofort in kühle Räume verbracht
wird, ist durch die Untersuchungen H a a c k s (a. a. 0.) vollständig widerlegt. Mit
Rücksicht darauf, daß ,, zwischen der noch zulässigen und einer dem Samen schon
verderblichen Hitze nur wenige Grade" liegen, empfiehlt es sich, nie die höchst
zulässigen Hitzegrade aufkommen zu lassen; über 45 — 50" C. sollte die Temperatur
keinenfalls steigen; man wird dabei die Horden so einsetzen, daß an den kühleren
Stellen zunächst die noch feuchten Zapfen liegen, während an die wärmsten nur die
unmittelbar vor dem Platzen stehenden gebracht werden *). W i e b e c k e (a. a. O.)
empfiehlt außerdem eine Vordarrung in geeigneten Schuppen bei ca. 25° C. zur
Herabsetzung der eigentlichen Darrzeit und der Darrtemperatur, außerdem eine
vorgängige Abtrocknung der Zapfen in besonderen, der Luft und Sonne Zutritt er-
1) v. Pentz a. a. O.; ferner Z. f. F. u.''J. 1900, S. 634.
2) Die Einrichtungen der bekanntesten Klcnganstalten sind in G a y e r - M a y r, Forst-
benutzung, 10. Aufl., angegeben.
3) Noch ein anderes Darrsystem mit verstellbaren Horden schlägt W i e b e c k e
vor (Z. f. F. u. J. 1910, S. 3i2 f.), nämlich als Darraum 8 — 9 m lange, ca. 1,5 m breite
und 2 m hohe Darrkanäle, in welche etwa 10 aneinander gekoppelte, auf Schienen laufende
Gestelle mit den Horden eingeschoben werden können.
4) Dies der Vorteil bei den Darrkanälen nach W i e b e c k e , in welche von der Richtung
der Ausgangstür her die warme Luft einströmt (a. a. O).
Die BaumfrQchte (Technik der Samenernte etc.). § 4 u. 5. 523
laubenden Trockenschuppen; nach Ansicht von Klenganstaltsbesitzern dagegen soll
der g r ü n auf die Horden gehraclite Zapfen besser aufspringen als vorgewärmter.
Eine für die Rentabilität des Klengbetriebs bezw. die Höhe der Klengkosten
wichtige Frage betrifft die Wahl des geeigneten Heizmaterials und andererseits die
Verwertung der entleerten Zapfen ^). Die Zapfenheizung gibt wenig anhaltende
Wärme und erfordert sehr häufiges Nachfüllen; empfohlen wird deshalb eine Mischung
von Kohlen und Zapfen. In manchen Gegenden sind die Zapfen als Brennmaterial
für Ofenbrand und kleinere gewerbliche Anlagen, ja selbst für Feuerung in Klein-
bahnen, begehrt; Fichtenzapfen werden denen der Kiefer bei weitem vorgezogen.
Der ausgeklengte Nadelholzsamen muß nun gereinigt und entflügelt werden.
In den größeren Klenganstalten wird diesen Arbeiten peinliche Sorgfalt zugewendet;
von Wichtigkeit ist das Entflügeln eigentlich nur zur Erleichterung der Verpackung
und Versendung ; mit Rücksicht auf bessere Verteilung der Samenkörner wird dagegen
gerade die Verwendung beflügelten-) Samens empfohlen.
Die Entflügelung des Kiefern- und Fichtensamens ist übrigens (im Gegensatz zur Weiß-
tanne) recht einfach, da die Flügel mit den Körnern nur lose zusammenhängen — bei der Fichte
löffel-, bei der Kiefer zangenförmig. .\m besten füllt man den Samen in Säcke und läßt diese
unter öfterem Umwälzen mit ledernen Dreschflegeln bearbeiten. Vielfach werden auch be-
sondere Maschinen (Bürstenwalzen) oder einfach Rüttelsiebe verwendet. Auch auf nassem
Weg läßt sich der Fichten- und Kiefernsamen entflügeln: man breitet den Samen auf geglätteten
Böden aus, übergießt ihn leicht und bearbeitet ihn, nachdem er eine Nacht durch gelegen hat,
mit Dreschflegeln.
Das Reinigen des entflügelten Saatguts erfolgt mit Hilfe von Schüttelsieben, Windfege-
mühlen oder ähnlichen Geräten, wobei Flügel und Staub fortgeweht werden.
Noch ist ein besonderes Wort über die Gewinnung der Lärchensamen
zu reden; sie bedürfen zur Ausklengung lange andauernder Wärme, wobei leicht ein
Verkleben der Zapfen durch austretendes Terpentin, zumal an ihrer unteren Partie,
die Entleerung erschwert. In den Klenganstalten sind deshalb besondere Vorrich-
tungen zur mechanischen Zerreibung der Lärchenzapfen eingeführt (Tromeln mit
gezähnter Mantelfläche oder mit in ihrem Innern sich drehenden Rechenarmen,
durch welche die Zapfen stetig durcheinander geworfen werden).
Beim Auskiengen in der Sonnendarre wird empfohlen, die Zapfen, sobald die
weitere Entleerung durch Terpentin verhindert wird, in einen Deckelkorb zu füllen
und 24 Stunden unter Wasser zu stellen; sind sie dann wieder geschlossen, so setzt
man sie wieder im Klengkasten der Besonnung usw. aus. Das läßt sich natürlich
nur im Kleinbetrieb machen.
§5. Zahlenangaben über die Klengergebnisse^). Die
Ausbeute an reinem Samen bei voller Ausklengung läßt sich folgendermaßen in
Zahlen angeben:
I.Kiefer. 1 Hektoliter Zapfen wiegt, nach dem Frost gepflückt 50 kg, vor
dem Frost gesammelt 60 kg und gibt 0,75 — 0,90 kg abgeflügelten Samen, bei guten
Darresultaten wohl auch 1 kg. 1 Kilo Samen (ca. 150 000 Körner)*) füllt etwa
2 Liter; auf 10 kg Flügelsamen kommen 7 kg abgeflügelter Samen.
1) Nach Borgmann können die gesamten Betriebskosten durch den Verkauf der leeren
Zapfen gedeckt werden (s. Bericht über die 1\'. Hauptvers, der Deutsch. Forstvereins zu Kiel
1903, S. 148.
2) So von W a g n e r in ,,Die Grundlagen der räumlichen Ordnung" (2. .\ufl. S. 42).
3) Ueber die Ernteergebnisse fehlen jenaue, auf die Flächeneinheit bezogene .An-
gaben. S 0 b o 1 e f f (s. C. f. d. g. F. 1909, S. 137) hat Untersuchungen über den Samenertrag
der Fichte angestellt und dabei Samenerlräge von 25 — 90 kg (Samenkörner) pr. ha erhalten.
4) Das Gewicht der Samenkörner ist übrigei s nach Klima und Bestandesalter sehr ver-
schieden, wärmeres Klima und jüngere Bestände ergeben schwerere Samen; vgl. die Untersuchun-
gen S c h o t t e s (N. Z. f. F. u. L. 1906, S. 22).
rj24 IX C. DJeterich, Die Nebennutzungen im Walde.
2. F i c h t e. 1 Hektoliter Zapfen wiegt etwa 25 — 30 kg und gibt 1,2 — 1,9 kg
reinen Samen. Auf 10 kg Flügelsamen kommen 6 kg Kornsamen. 1 kg Samen (ca.
120 000 Körner) umfaßt 2,15 Liter.
3. W e i ß t a n n e. 1 Hektoliter Zapfen wiegt grün 25 — 30 kg und liefert
2 — 3 kg reinen Samen. 1 kg Samen enthält ca. 24 000 Körner, also bei weitem we-
niger als Kiefer und Fichte und umfaßt ca. 3,5 Liter.
4. L ä r c h e. 1 Hektoliter Zapfen wiegt grün ca. 35 kg und gibt 2 — 3 kg ab-
geflügelten Samen. 1 kg Samen enthält ca. 120 000 Körner (soviel als Fichtensamen)
und umfaßt ca. 2 Liter. 1 kg Flügelsamen gibt 0,8 kg Kornsamen.
Die Kosten des Kiengens sind schwer anzugeben; je nach der Art und Größe
des Betriebs sind dieselben verschieden. In den preußischen fiskalischen Darren be-
steht die Einrichtung, daß für das in einer Darrkampagne über 500 kg gewonnene
Samenquantum ein um 5 — 10 Pf. geringerer Lohn als für die ersten 500 kg gegeben
wird, und daß bei einem Quantum von über 1000 kg eine weitere Ermäßigung des
Darrlohns eintreten kann. Dieser Modus der Bezahlung wird übrigens von Fm.
5 c h 1 i e c k m a n n a. a. 0. insofern gestadelt, als dabei der Darrmeister nur ein
Interesse an der Gewinnung hoher Gewichtsmengen, ohne Rücksicht auf sorgfältige
Ausbeutung der Zapfen und auf hohes Keimfähigkeitsprozent habe.
Ueber die Kosten der Selbstgewinnung sind mit Bezug auf Kiefernsamen dem
Bericht über die IV. Versammlung des D. F. V. (Kiel 1903) ff. Zahlen zu entnehmen : Die
Hordendarren produzieren gewöhnlich das kg mit 26 — 28 Pf. (1 hl Zapfen gibt etwa
0,85 kg Körner) ; der gesamte Selbstkostenpreis der großen älteren preußischen Darren
berechnet sich für 1903 auf 4.50 Mk. bis 6.30 Mk., für die neue erst kurz zuvor eröffnete
Annaburger Trommeldarre zu 7.39 Mk. Wenn man demgegenüber bedenkt, daß im
selben Frühjahr 1903 der Samenpreis für 1 kg Kiefern bei den Händlern sich auf
6 Mk. bis 7.30 Mk. belief, so rechtfertigt sich die Selbstgewinnung auch vom finan-
ziellen Standpunkt. Die Rechnung fällt aber noch wesentlich günstiger aus, wenn
es auf diese Weise gelingt statt nur 70%igen 80 — 90 %iges Saatgut zu bekommen ^).
§6. Die Aufbewahrung der Holzsamen. Es handelt sich ent-
weder nur darum, den im Herbst gesammelten bezw. im Lauf des Winters gewonnenen
Samen bis zur Aussaat im Frühjahr zu lagern, oder aber kommt länger dauernde
Aufbewahrung über 1 — 2 .Jahre und womöglich noch länger in Frage, was bei stark
und ständig begehrten Sämereien angesichts der wechselnden Ergiebigkeit der Ernten
an sich wünschenswert wäre.
Zunächst sind die Bedingungen genau zu beachten, unter denen die verschie-
denen Samen naturgemäß überwintern ^). Die oben angeführte Zeit des Samen-
ausfalls gibt hiefür einige Anhaltspunkte. Soll die künstliche Aufbewahrung ohne
Schaden für die Keimfähigkeit von statten gehen, so müssen die naturgemäßen
Lebensbedingungen dem Samen eingeräumt bleiben; lebensgefährdende Störungen,
extreme Zustände bezüglich Temperatur und Feuchtigkeit und vor allem plötzliche
Uebergänge sind zu vermeiden; andererseits ist die Keimung des Samens im Interesse
des Saaterfolges tunlichst zurückzuhalten. Im einzelnen lassen sich ungefähr ff.
Regeln aufstellen:
D i e E i c h e 1 n. Wie alle großen Sämereien vermögen sie ihre Keimfähigkeit
nicht länger als über Winter zu erhalten ; die naturgemäße Herbstsaat wäre deshalb
1) Nach den H a a c k sehen Untersuchungen (a. a. O.) ergibt 1 lig 85°oigen Kiefernsamens
denselben Saaterfolg wie 1,7 kg 70%, 1,4 kg 75%, 1,2 kg 80°o und 0,8 kg 90%igen Samens.
2) Vergl. Zederbauer, Versuche über Autbewahrung von Nadelliolzsämereien (C. f.
d. g. F. 1910, S. 116).
Die Bauiiifrüclile (Tocliiük der Samenernte etc.). § G. 525
an sich das Richtige. Mit Rücksicht auf allerhand Beschädigungen (Mäuse, Wild
usf.) empfiehlt sich aber häufig Frühjahrssaat. Trockene und warme Luft bringt
die Eicheln zum Abdorren; gegen Frost sind sie dagegen nicht besonders empfindlich;
nach Zeder baue r hat sich bei Aufbewahrung unter niederer Tem-peratur und
hoher Feuchtigkeit die beste Keimfähigkeit ergeben. Die Aufbewahrung erfolgt viel-
fach über der Erde in kegelförmigen mit Stroh oder Moos bedeckten Haufen, die
man wohl auch mit Laub und Stroh untermengt. Die Eicheln müssen zuvor abge-
trocknet werden, um vor Schimmclbildung und Erwärmung geschützt zu sein. Da-
neben wird auch das Einmieten in Gruben empfohlen, am besten nach v. A 1 e m a n n s
Verfahren; da und dort werden die Eicheln, in Körbe oder Säcke gefüllt, unter Wasser
(in Bächen oder Brunnen) aufbewahrt '). Wegen der früh eintretenden Keimung
empfiehlt sich zeitige Aussaat.
Buchein: sie sind infolge ihres Oelgehalts gegen Frost kaum empfindlich,
müssen aber sorgfältig gegen stockende Feuchtigkeit und Erhitzung ebenso wie
gegen Austrocknung geschützt werden. Ausbreiten und Durchlüften hilft am besten
gegen Erhitzung, gelegentliches Bebrausen mit kalt Wasser gegen Austrocknung,
wenn man in Schuppen und dergl. die Ueberwinterung vornimmt; bei Aufbewahrung
im Freien empfiehlt sich neben Schutzmaßregeln gegen Mäusefraß die Durchmengung
mit Zwischenschichten frisch eingebrachten Sands sowie Bedeckung mit Stroh, Laub,
Moos und eventl. noch Erde.
Hainbuchen- und E s c h e n s a m e n , welche beide vor dem Aufgehen
ein Jahr überzuliegen pflegen, bewahrt man in grabenförmigen. 30 cm tiefen Furchen,
flach mit Erde bedeckt, bis zum Frühling des 2. Jahres auf.
B i r k e n s a m e n ist schwer aufzubewahren; in Haufen erhitzt er sich leicht,
weshalb man zunächst für gutes Ablüften sorgt, worauf man ihn auf dem Speicher
flach aufschüttet.
A h 0 r n s a m e n läßt sich leicht in Haufen oder noch besser alsbald in Säcken,
die der Mäuse halber wohl auch frei aufgehängt werden, aufbewahren.
E r 1 e n s a m e n ist ähnlich dem Birkensamen zu behandeln.
Ulmensamen wird am besten alsbald nach der Reife gesät, da er bei der
Aufbewahrung fast stets verdirbt; eventuell müßte er auf luftigem Speicher, aber ja
nicht in Säcken zusammengepreßt, aufbewahrt werden.
Tannensamen verliert beim Aufbewahren seine Keimkraft leicht; man
hebt ihn daher mindestens mit den Schuppen oder noch besser in ganzen Zapfen den
Winter über auf, falls man nicht die Saat schon im Herbst bewirken kann; letzteres
empfiehlt sich am meisten. Nach den Untersuchungen Zeder bauers ist der
Tannensamen besonders empfindlich gegen Feuchtigkeitsentzug bei gleichzeitiger
Temperatur über 0''.
Kiefern- und Fichten-, sowie Lärchensamen bewahren ihre
Keimkraft ebenfalls am längsten bei Aufbewahrung in den Zapfen. Andernfalls ist
das Belassen der Flügel an dem geklengten Samen zweckmäßig. Von reinem Korn-
samen hebt sich trocken entflügelter besser auf als naß entflügelter. Im Gegensatz
zur Tanne können die Fichten-, Kiefer- und Lärchensamen Bodenfeuchtigkeit nicht
ertragen; niedere Temperatur wirkt günstig aber nicht in Verbindung mit Boden-
feuchtigkeit (Zederbauer a. a. 0.).
Neue, wesentlich bessere Methoden zur Aufbewahrung der Nadelholzsämereien
1) Die Maßnahmen zur Aufbewalirung der Sämereien sind je für die einzelnen Holzarten
gesondert sehr eingehend von Fürst in ,, Pflanzenzucht im Walde", vierte Auflage, S. 269 ff.
behandelt.
526 IX C. D i e t e r i c h , Die Nebennutzungen im Walde.
haben G i e s 1 a r i) und H a a c k -) gewiesen. C i e s 1 a r empfahl Aufbewahrung
in fest verschlossenen gegen Luttzutritt verdichteten Gefäßen. Die H a a c k'schen
Untersuchungen bestätigten vollauf diese Vorschläge. Um die Lebensbetätigung
der Samen noch mehr einzuschläfern, empfiehlt er außerdem Lagerung der Samen-
behälter an kühlen Orten, womöglich in Eiskellern. Auf diese Weise gelingt es, den
Fichten- und Kiefer samen — wie von H a a c k zuverlässig nachgewiesen
wurde — mindestens 3 Jahre lang ohne erhebliche Einbuße an Keimkraft aufzube-
wahren 3); nach den angestellten Versuchen war das Keimprozent des 3 Jahre lang
unter Luftabschluß auf Eis aufbewahrten Samens noch ebenso hoch als bei dem nur
1 Jahr lang luftig aufbewahrten. Bei vorübergehender Aufbewahrung genügt
natürlich auch die gewöhnliche freie Lagerung auf Speichern in Schuppen und dergl.,
wo die Samen von Zeit zu Zeit umgestochen werden sollten. Auch wird Aufbewah-
rung in durchlöcherten Kisten empfohlen. Zum Versand füllt man den Samen in
Säcke oder Kisten.
Wertvolle andere Sämereien — meist kleinere Mengen — hebt man in Säcken
auf, welche zum Schutz gegen Mäuse am besten aufgehängt w^erden.
2. Die Nutzung sonstiger Bestandteile des stehenden Holzes.
§ 7. Die Gewinnung von grünen Blättern und Zweigen.
Abgesehen von der Bereitung sog. ,, Waldwolle", eines Ersatzstoffs für Seegras und
Baumwolle, aus den Kiefer nadeln und der Herstellung ätherischer Oele aus den
Fichten- und Tannen nadeln handelt es sich hier um die Verwendung der
jüngsten Sprosse und Sproßteile zur Viehfütterung und zur Einstreu im Stall. Dienen
dem ersteren Zweck vorwiegend Laubholztriebe, so beschränkt sich die ,,Ast- oder
Schneitelstreu"-Nutzung fast ganz auf die Nadelhölzer.
Zur Futterlaubgewinnung nimmt die landwirtschaftliche Bevölke-
rung in Notjahren (z. B. 1893) ihre Zuflucht, mancherorts steht sie ständig in Uebung;
auch zur Wildfütterung wird gedörrtes Laub empfohlen. Der Futterzweck wird am
besten erreicht mit solchen Pflanzenteilen, die den höchsten Gehalt an physiologisch
wertvollen Stoffen, an Eiweißsubstanzen, gewähren. Dem Grad der Tierbeschädigung
nach zu schließen, dürften die einzelnen Holzarten etwa in folgende Reihenfolge vom
höchsten zum geringsten Futterwert zu bringen sein: Pappel (besonders kanadische),
Esche, Weide, Linde, Eiche, Ahorn, Ulme, Buche, Weißtanne, Fichte, Forche, Lärche;
die letztgenannten werden höchstens noch vom Wild und von der Ziege angenommen.
Was den Zeitpunkt der Nutzung anlangt, so ergibt sich nach den neuesten Unter-
suchungen *), daß der Monat Juli zur Futterlaubernte am geeignetsten ist; zu dieser
Zeit haben die Blätter den höchsten Gehalt an Proteinstoffen aufzuweisen, wäh-
rend das Herbstlaub fast keinen Nährwert besitzt. Die Zweige*) dagegen enthalten
im Winter unmittelbar vor dem Austreiben der Knospen verhältnismäßig am meisten
1) Versuche über Aufbewahrung von Nadelholzsamcn unter luftdichtem Verschluß. C. f.
d. g. F. 1897, S. 162.
2) Z. f. F. u. J. 1909, S. 353; M. d. D. F.-V. 1909, Nr. 6.
3) Die preußische Staatsforstverwaltung hat diesen Gedanken bereits mit entsprechenden
Anweisungen Folge gegeben (s. M ö 1 1 e r , Z. f. F. u. J. 1910, S. 694). Im Tharandter botanischen
Institute sind Versuche mit der Haackschen Methode gemacht worden; dabei haben sich nach
Ijähriger Aufbewahrung im Eiskeller für Tanne, Eiche, Buche und Ahorn überaus
günstige Erfolge ergeben. (N. Z. f. L. u. F. 1911, S. 402.)
4) Vergl. die Untersuchungen von B. Schulze und J. Seh ü t z über die Stoffwandlung
in den Laubblättern (Landw. Versuchsstationen, 71. Bd., S. 299); ferner eine Arbeil aus der
bayr. Versuchsanstalt von Dr. B a u e r (N. Z. f. F. u. L. 1911, S 409).
5) Vergl. Ramann, Holzfütterung und Reisigfütterung, 1890, S. 1.5 ff.
Fulterlaub und Aslslreu. §§ 7 u. 8. 507
Rohprolein. Je schwächer die Triebe sind, umso reicher an Stickstoff; unter 1 cm
starke Zweigspitzen sind am besten. Die Futterreisiggewinnung erfolgt denniach
am zweckmäl3igsten durch entsprechende Verwendung der bei der Holznutzung
(Reinigung, 1. Durchforstung) anfallenden schwächsten Reis-Sortimente, während
als eigentliche Nebennutzung das Abstreifen oder Abschneiden von Blättern und
blattreichen Zweigen zur Sommerszeit in Frage kommt. Der Nährwert geeigneten
Futterlaubs kommt dem des Wiesenheus nahezu gleich, übertrifft jedenfalls den-
jenigen des Strohs.
Daß die Futterlaubnutzung infolge Entzugs der Assimilationsträger auf das
Holzwachstum nachteilig einwirkt, kann als selbstverständlich gelten, außerdem ist
die Gefahr der Waldbeschädigung damit verbunden. Einzelne Betriebsarten, wie
Kopfholz- und Sclmeitelbetrieb, teilweise auch der Niederwaldbetrieb, sind gerade
auf diese Nebennutzung zugeschnitten. Im Wirtschaftswald kann sie nur ausnahms-
weise und zwar an solchen Bestandesteilen zugelassen werden, die ohnehin zur frühe-
ren oder späteren Ausscheidung (Schutzholz, Vorwüchse und dergl.) bestimmt sind.
Durch rechtzeitige Ausführung von Reinigungen und Durchforstungen kann dem
Bedürfnis nach der besprochenen Nebennutzung vollständig Genüge geleistet werden.
Dasselbe gilt auch für die ,,Ast- oder Schneitelstreu"-Gewinnung. Als
eigentliche Nebennutzung hat sie keinen Platz im Wirtschaftswald. In waldarmen
Gegenden wird die Schneitelstreugewinnung allerdings nicht so bald verschwinden;
in Bauemwaldungen sieht man die Nadelholzbäume oft bis nahe unter den Gipfel
der Aeste beraubt; wenn diese Verstümmelungen auch nicht zum Absterben führen,
so schädigen sie doch das Zuwachsvermögen und die technischen Eigenschaften des
Holzes. Das Jahr 1893 hat in vielen Waldungen deutliche Spuren der durch das
Aufasten und das Besteigen der Bäume verursachten Holz- und Rindenverletzungen
hinterlassen. So sehr sich demnach die Forstwirtschaft der eigentlichen Schneitel-
streugewinnung gegenüber ablehnend verhalten muß, so wird sie doch der Aststreu-
nutzung als einer A'erwertimgsmöglichkeit für das bei der Holzhaucrei anfallende
Reisig volle Beachtung zu schenken haben. Der alljährliche Anfall an S t r e u r e i s i g
ist in größeren Nachhaltsbetrieben zumal bei intensiver Bestandespflege reichlich
genug, um weitgehende Bedürfnisse der umwohnenden Bevölkerung befriedigen zu
können. Man hat von forstwirtschaftlicher Seite schon seit lange den Versuch ge-
macht, die Bodenstreu durch Aststreu mehr und mehr zu verdrängen; leider nicht
überall mit dem gewünschten Erfolg; die landwirtschaftliche Bevölkerung zeigt viel-
fach Abneigung gegen die Reisstreu. Die Zubereitung ist etwas zeitraubend, da jeweils
die jüngsten allein verwendbaren Triebe (etwa bis kleinfingerstark) abgehackt werden
müssen. In Gegenden, wo die Nadelholzreisstreu eingeführt ist, hört man ihre guten
Eigenschaften rühmen : sie bereite ein warmes Lager und besitze hohe Aufsaugungs-
fähigkeit; wenn nur das schwächste Reisig verwendet wird, zersetzt sich der Reis-
streudünger verhältnismäßig rasch und können Beschädigungen der Ackergeräte
nicht vorkommen. Der hohe Mineral- und Stickstoffgehalt des schwachen Reisigs ist
wissenschaftlich nachgewiesen *).
§8. Sonstige Nebenerzeugnisse der Waldbäume. Im
tropischen und subtropischen Wald erlangt die Gewinnung von Nebenprodukten des
Holzes wie Gummi, Kautschuk, Wachs, Lack, Färb- und Gerbstoffe (von Rinde
abgesehen), Fette, Chinin u. a. geradezu die Bedeutung der Hauptnutzung; die ko-
loniale Forstwirtschaft wird sich hiemit zu befassen haben.
1) B a m a n n a. a. O.
528 IX C. Dietcrich, Die Nebennutzungen im Walde.
In den Ländern der gemäßigten Zone spielt eine beachtenswerte Rolle lediglich
die Harznutzung. Da dieser Gegenstand in der Technologie behandelt wird, genügt
es hier, darauf hingewiesen zu haben ; es wird sich ohnehin für den Bereich des Wirt-
schaftswalds in Zukunft mehr um die Harzgewinnung aus gefälltem Holz bezw. aus
den im Boden verbleibenden Stöcken handeln können, als um die früher übliche
Anzapfung des stehenden Holzes. Zu erwähnen ist noch die Möglichkeit der Zucker-
gewinnung aus manchen Ahornarten ^).
3. Die Nutzung der Abfallstoffe des stehenden Holzes.
§ 9. Raff- und Leseholz. Die dürr gewordenen vom Schaft sich
ablösenden Aeste und Zweige werden meist der ärmeren Bevölkerung unentgeltlich
überlassen, teilweise, so besonders auch die abgefallenen leeren Nadelholzzapfen, gegen
Entgelt in der Form der Ausstellung von Erlaubnisscheinen (sog. ,, Einmiete"); da
und dort ist die Leseholznutzung ein Gegenstand der Berechtigung. In gut bevölkerten
Gegenden, z. B. in der Umgebung von Industrieorten spielt diese Nebennutzung eine
sozialpolitisch wichtige Rolle ; es sind in der Tat recht erhebliche Geschenke, — man
schätzt die Leseholzmengen auf 12 — 15% der gesamten Holzmasse — die der Wald
in dieser Form den minder bemittelten Volksschichten darbietet. Außer dem am
Boden liegenden Abfallreisig werden dem Leseholz in einzelnen Gebieten auch die
dürren in unschädlicher Weise vom Baum entfembaren Aeste beigezählt, zum Teil
überläßt man auch die dürren Stangen noch den Leseholzsammlern. So wünschens-
wert die Entfernung des dürren Holzes mit Rücksicht auf Insekten- und Feuergefahr
ist, so darf doch auch nicht außer acht gelassen werden, daß das auf dem Boden zer-
streut liegende Reisig einen — je nach Standort — wertvollen Bodenüberzug bildet
und in dieser Beziehung bis zu einem gewissen Grad die gleichen Vorteile wie die
Laub- und Nadeldecke dem Waldboden bietet. Andererseits mag die unentgeltliche
Ueberlassung des Leseholzes als natürliche und gerechte Besitzsteuer erscheinen
und zugleich als Maßregel zur Vorbeugung von Holzentwendungen. Trotzdem er-
fordert gerade auch eine ausgedehnte Leseholznutzung aufmerksame Ueberwachung
durch das Forstschutzpersonal, da sie leicht allerhand Waldbeschädigungen und
Uebergriffe im Gefolge hat. In den größeren Forstverwaltungen ist deshalb die
Leseholznutzung auf bestimmte Wochentage und Tageszeiten beschränkt; auch sind,
um mißbräuchliche Nutzungsüberschreitungen zu vermeiden, besondere Vorschriften
bezüglich der zugelassenen Geräte (keine schneidenden Werkzeuge) und der Fort-
schaffungsmittel (nur Trachten und Handwagen) erlassen.
§ 10. Die Laub- und N a d e 1 s t r e u n u t z u n g -).
a) Bedeutung und Wert der Laub- uud Nadelsireu als Nutzungsgegenstand.
Indem man den Blattabfall der Waldbäume, untermischt mit Sproß- und
Rindenresten, als Laub- und Nadelstreu bezeichnet, ist der weitaus wichtigste Ver-
1) Walther, A. F. u. J.-Z. 1907, S. 315.
2) Literatur: Walz, Waldstreu 1850 und 1870; F r a a s , desgl. 1856; Fischbacli,
Beseitigung der Waldslreunutzung 1864; Heiß, Waldstreufrage 186G; \'onliausen,
Raubwirtschaft in den Waldungen 1867; Ney, Die natürliche Bestimmung des Waldes und
die Slreunutzung 1869; E b e r m a y e r , Die gesamte Lehre der Waldstreu 1876; R a m a n n ,
Die Waldstrcu und ihre Bedeutung für Boden und Wald 1890; Wolff , Praktische Dünger-
lehre 1872; derselbe, .\schenanalysen etc., 11. Teil, 1880; Ramann, Bodenkunde, 2. Aufl.
1905; M i t s c h e r 1 i c h , Bodenkunde 1905; Funke, Zur landw. Taxation bei der Ablösung'
der auf Wäldern lastenden Weide- und Streurechte in der Zeitschr. f. d. ges. Staatswiss., 31. Bd.;
Danckelmann, Die Ablösung und Regelung der Waldgrundgerechtigkeiten 1888, III. Teil,
Laub- u. Nadeljlreunulzung. § 10. 529
wendungszweck dieser Nebenprodukte schon angedeutet. Außer zur Einstreu in
Stallungen dient das eingesammelte Laub wohl auch zur Füllung von Betlsäckcn,
zur Herstellung von Isolierschichten, zur Kompostbereitung u. a. Unter dem weiteren
Begriff „Waldstreu" ist der lebende Bodenüherzug, soweit er zum gleichen
Zweck verwendet wird, mit inbegriffen; in den Nadelholzbeständen wird der Nadel-
abfall zugleich mit der Moosdecke gewonnen. Trotzdem empfiehlt es sich aus syste-
matischen wie sachlichen Gründen, die Nutzung des Laub- und Nadelabfalls ge-
sondert von der erst im nächsten Abschnitt zu besprechenden Moos- und Unkraut-
streu zu behandeln. Die gemeinsamen Gesichtspunkte werden gleich hier erörtert.
Die Streunutzung ist eine neuere Erscheinung der Bodenwirtschaft, veranlaßt
dur(^i die rasche Bevölkerungszunahme und die intensivere Gestaltung der landwirt-
schaftlichen Betriebe, insbesondere durch den Uebergang von der Weide zur Stall-
fütterung imd den immer ausgedehnteren Anbau von Futter- und Handelsgewächsen.
Der Höhepunkt dieser Forstnebennutzung dürfte im großen ganzen überschritten
sein; geht doch die moderne bodenwirtschaftliche Tendenz dahin, eine möglichst
reinliche Abscheidung der verschiedenen Wirtschaftszweige herbeizuführen, und
auch von landwirtschaftlicher Seite wird betont, daß mit zunehmender Betriebs-
intensität die Bedeutung der Streunutzung mehr und mehr abnehmen müsse i).
In wirtschaftsgeographischer Hinsicht ist festzustellen, daß die
Waldstreunutzung besonders in den Gegenden üblich ist, wo die Ungunst des Bodens,
des Klimas oder der topographischen Verhältnisse den für landwirtschaftliche Benüt-
zung sich eignenden Grund und Boden sehr Imapp bemessen hat und parzellierter
Kleinbesitz vorherrscht, namentlich wenn dabei die Bevölkerung eine verhältnis-
mäßig dichte ist, wie dies z. B. für Teile des rheinisch-westfälischen Zech- und Hütteu-
gebiets und für manche industriereiche Täler der deutschen Waldgebirge (Schwarz-
wald, Vogesen u. a.) zutrifft. Andererseits hat die Streunutzung z. T. gerade auch in
minder bewaldeten Gebieten größere Bedeutung erlangt, nämlich da, wo der Anbau von
Handelsgewächsen und der Weinbau in größerem Umfang betrieben wird oder wo
die höhere Einträglichkeit der Viehzucht und Milchwirtschaft die Haltung eines
im Mißverhältnis zur Stroherzeugung stehenden ^'iehstands veranlaßt hat, so daß
ein großer Teil des Strohertrags verfüttert werden muß. Die Verbesserung der Ver-
kehrsverhältnisse hat allerdings einigermaßen Abhilfe geschaffen, indem sie die
Beschaffung anderer Streuersatzmittel (vor allem der Torfstreu) erleichterte; dazu
kommt, daß auch der Bezug künstlicher Düngemittel erheblich billiger geworden
ist, ein Umstand, der seinerseits wieder den Stroh- wie Futterertrag zu steigern
vermochte ^).
Will man den Wert der W a 1 d s t r e u n u t z u n g als solcher ermessen,
Tafel XXI — XLIII; \erlianclUingeii der Fachvereine in Karlsruhe 1838, Baden 1841, Darm-
stadt 1845, Mainz 1849, Passau 1851, Kempten 1856, Würzburg 1862 ;Arbeiten des forst-
lichen Versuchswesens: aus Preußen: Aufsätze von S c h w a p p a c h in der Z. f.
F. u. J., vor allem Jahrg. 1888, 1892, 1896, 1898 und 1900, Laspeyres 1898; aus Sachsen:
Arbeiten von Krutzsch, Stock hardt Schröder, Kunze im Tharandter Jahr-
buch, Jahrg. 1850, 1852, 1863, 1869, 1876, 1881; aus Oesterreich: Arbeiten von Riegler.
v. Höhnet, Kramer, Böhmerlein den Milteil. der forstl. Versuchsanstalten Maria-
brunn 1879, 1882, und im C. f. d. g. F. 1906, 1909 und 1910; aus Württemberg: Bühl er in
M. f. d. F. u. J. 1876; zahlreiche Aufsätze von Ramann in der Z. f. F. u. J. (im einzelnen
zitiert).
1) V. S e e 1 h o r s t in Z. f. F. u. J. 1911, S. 315 ff.; B u h 1 e r t , Untersuchungen über den
Wert von Wald- und Heidestreu im Landw. -Betrieb (Bericlüe aus dem physiol. Laborat. und
der Versuchsanstalt des landw. Instituts der Universität Halle, X\'. H., Dresden 1901).
2) In Frankreich, ferner in der Nord und Ostschweiz ist die Streunutzung nur selten üb-
lich (B oppe etJolyet, Lcs forSts 1901; Krämer, Die Landwirtschaft im schweizerischen
Flachland 1897).
Handb. d. Forstwiss. 3. Aufl. II. 34
530 IX C. Dieterich, Die Nebennutzungen im Walde.
SO sind 3 Gesichtspunkte ins Auge zu fassen : 1 . die Eignung der Streu als Lager für
die Tiere, 2. ihre Fähigkeit zur Aufsaugung und Festhaltung der tierischen Dungstoffe,
und endlich 3. die Düngerwirkung des betreffenden Streumaterials. Nach allen diesen
drei Richtungen steht der Laub- und Nadelabfall hinter anderen Stoffen ^), vor allem
dem Stroh, entschieden zurück. Was zunächst den l. Punkt anlangt, so wären nach
Funke, ,,um die einem Gewichtsteil Stroh gleichkommende Streu Wirkung
zu erzeugen", etwa erforderlich 3,5 Gewichtsteile Laubstreu. Sehr wichtig im Sinn
einer rationellen Stallwirtschaft ist ferner der 2. Gesichtspunkt, die möglichst voll-
ständige Aufnahme der dungkräftigen flüssigenExkremente;
hierfür kann als Anhaltspunkt die Wasserkapazität der Streustoffe dienen. Die Unter-
suchungen ^) von Ebermayer und W o 1 1 n y ergeben, daß Buchenlaub weniger
Flüssigkeit als Stroh, Moos und Farnkraut aufzunehmen vermag, der Fichten- und
Kiefernnadelabfall aber noch weniger als das Buchenlaub. Bei Benutzung von Laub-
und Nadelstreu erleidet der Landwirt somit Düngerverluste insbesondere an Stick-
stoff und Alkalien. Zur Vermeidung dieses Uebelstandes ist empfohlen worden ^),
der Laubstreu humose Erde beizumischen; bekanntlich sind die Nutzungsberechtigten
nur allzuleicht geneigt, außer der jüngsten Laubschicht auch noch humose Teile zu-
sammenzukratzen. Die Dünger Wirkung der Streu endlich bemißt sich, abge-
sehen von dem eben besprochenen Gesichtspunkt, nach ihrem eigenen Gehalt an
wichtigen Pflanzennährstoffen, nach dem Grad ihrer Zersetzbarkeit und nach der
Konsistenz des hieraus gewonnenen Mists. Der Gehalt an Pflanzennährstoffen ist
verschieden je nach der Zeit der Nutzung; denn die beginnende Verwesung führt
einerseits zur Auflösung der organischen Substanz, andererseits zur Auslaugung der
Mineralstoffe. Nach den Untersuchungen von Ebermayer, Wolff u. a. ist
die Laub- und Nadelstreu dem Stroh an Stickstoffgehalt überlegen (Nadelstreu noch
mehr als Laubstreu), beide stehen aber hinsichtlich Kaliwert zurück, dagegen ist
der Phosphorsäuregehalt des Buchenlaubs wieder höher als beim Stroh. Ungünstig
verhält sich die Laub- und Nadelstreu infolge ihrer trägen Zersetzbarkeit;
die Laubstreu bildet außerdem einen klumpigen, schwer zu verladenden und auszu-
breitenden Mist, der auf strengen Böden ungünstige Humusbildungen veranlaßt.
Unter Berücksichtigung all der angegebenen Momente hat Funke eine Skala für die
verschiedenen Streusorten aufgestellt: Einem Gewichtsteil lufttrockenen Winter-
roggenstrohs sind etwa gleich zu achten: 3 Gewichtsteile Laubstreu, 1,84 Heidekraut,
1,7 Heidelbeere, 1,4 Moos. (Die reine Nadelstreu ist gleich minderwertig wie die
Laubstreu, in Untermischung mit Moos gilt sie aber als besseres Streumaterial).
Hiernach ließe sich der Gebrauchswert der Laub und Nadelstreu natürlich auch
in Geld ausdrücken, wenn man von einem bestimmten Strohpreis ausgeht und die
höheren Wertungs- und Beifuhrkosten der Waldstreu in Abzug bringt. Bei freier
Preisbildung richten sich die tatsächlichen Tauschwerte für Waldstreu ganz nach
den Strohpreisen; es wird aber von den größeren Forstverwaltungen unter Aus-
schaltung der natürlichen Preisgesetze in Notjahren ein ermäßigter Preis angesetzt.
Um so wertvoller gestalten sich jene im Wald zur Verfügung stehenden Strohersatz-
stoffe für den kleineren Waldbesitzer, der hier den Eigenbedarf ausgiebig zu decken
nur allzu leicht versucht ist. So kommt es, daß diese Nebennutzung, wie es in H a g e n-
1) Vergl. B u h 1 e r t a. a. O., ferner Carganico im Jahrbuch des Schles. Forstvereins
1902, S. 52. Das aus Laub- und Nadelabfall bereitete Lager soll weniger trocken und weniger
warm, in einzelnen Fällen auch für die Gesundheit der Tiere weniger zuträglich sein (s. a. Dr.
Giersberg in F. Cbl. 1906, S. 530).
2) R a m a n n 1905, S. 346.
3) Wolff, Düngeriehre, S. 81.
Laub- und Nadelstreunulzung. § 10. 53I
Donner*) heißt, „in einigen Landesteilen eigentlich als Hauptertrag bezeichnet
werden muß".
Zur Kennzeichnung des Werts der Nutzung sowohl für den Waldbesitzer als für
die streubcdttrftige Bevölkerung sind noch Angaben über die Jlassenerträge
mitzuteilen : Die Blattmenge der einzelnen Holzarten ist sehr verschieden. Man hat
eine Stufenleiter festgestellt, in welcher Buche, Ahorn, Linde obenan stehen, Esche,
Birke und Aspe den untersten Platz unmittelbar nach den Nadelhölzern einnehmen.
Aber auch der Streuertrag der einzelnen Holzart schwankt in ziemlich weiten Grenzen :
Bestandesverfassung, Alter, Schlußgrad, Erziehung.sweise, bedingen Verschieden-
heiten ; vor allem aber ist die Standortsgüte maßgebend. Zu unterscheiden ist
zwischen dem jährlichen Streuanfall und dem jeweils verfügbaren Streuvorrat; auf
ersteren ist die Jahreswitterung von größtem Einfluß, indem z. B. trockene Jahrgänge
wesentlich geringeres Blatterzeugnis (bis zu 60 °i weniger als nasse) aufzuweisen haben ;
der Streuvorrat andererseits richtet sich außerdem nach dem Tempo der natürlichen
Laubzersetzung und nach dem Streunutzungsbetrieb. So beträgt z. B. nach Eber-
mayer ,,in vollständig geschonten oder längere Zeit nicht berechten Buchen-
beständen" der Gesamtvorrat durchschnittlich die 2 14 fache Menge des jährlichen
Blattabfalls, in F i c h t e n beständen „fast 4 mal mehr als der jährliche Nadelabfall,
in Kiefer beständen im großen und ganzen fast die 5 fache Menge". Es ist aber
anzunehmen, daß diese Zahlen je nach Bodenart, Bodenzustand, Klima usf. recht
erheblichen Schwankungen unterliegen. Endlich ist noch zu erwähnen, daß bei fort-
gesetzter Streuentnahme auch die jährliche Blatterzeugung mehr und mehr abnimmt.
Aus den zahlreichen Angaben der einschlägigen Literatur über Streuerträge mögen einige
Durchschnittszahlen mitgeteilt sein:
a) aus Buchen beständen: Nach den in Bayern ^) angestellten Erbebungen ergab sich
ein durchschnittlicher jährlicher Streuanfall pro ha in lufttrockenem Zustand (d. h. mit ca.
10—15% Wasser)
für 30 — eoiähr. Mittelhölzer ca. 4182 kg 1 , . , j • ,t ,
... „„ „„ „ I -1 .^^. 1 I zu beachten der germge Unter-
fur 60 — 90 „ Baumholzer ca. 4094 kg u- j j .Ü ? ,
... „„ ,„_ «,.i-, ,„., , 1 schied der Altersstufen
für 90 — 130 „ Altholzer ca. 4044 kg |
Krulzsch stellte für einen 50 — Söjähr. Buchenbestand als Sjähriges Mittel der jähr-
lich angefallenen Laubstreu 4188 kg fest.
Weiterhin ergab sich nach den bayrischen Untersuchungen in normalen und gut ge-
schlossenen Buchenbeständen
a) ein jälirl. Streuanfall pro ha von 4 10? kg
b) ein 3jähr. Streuertrag,, „ ,, 81G0 kg
c) ein ejähr. Streuertrag ,, ,, „ 8 469 kg
d) ein Vorrat in geschonten Beständen von 10417 kg (n. Krutzsch 10488).
Schwappach ermittelte folgende Zahlen auf verschiedenartigen Standorten:
bei jährlicher Nutzung 3 200 kg bis 6 500 kg (geringer bezw. guter Standort),
bei Nutzung alle 2 Jahre 4 800 kg bis 8 700 kg
bei Nutzung alle 4 Jahre 5 500 kg bis 9 200 kg
bei iNutzung alle 6 Jahre 5 700 kg bis 10 700 kg
Als einjährigen Ertrag württembergischer seit langem berechter Buchenbestände fand
Bühl er, ausgeschieden nach Landesbonitäten:
bei Bonität: l. II. 111. IV. V.
kg lufttrocken: 3047 2213 1462 1149 617
b) Aus Fichten beständen: nach den bayrischen Erbebungen wurde als durchschnitt-
licher jährlicher Nadelstreuanfall festgestellt
in Junghölzern unter 30 Jahren 5 258 kg
in Mittclhölzern 30 — 60jähr. 3 964 kg
in Baumhölzern 60 — 90jähr. 3 376 kg
m .'\ltholzern über 90 Jahre 3 273 kg
Krutzsch ermittelte in einem 45jähr. Pflanzbestand als 4jähr. Durchschnitt 5743 kg,
in einem ebenso alten Saatbestand 4152 kg. Nach Schwappachs Aufnahmen betrug der
jährl. Durchschnittsertrag pro ha im Alter von 61 — 73 Jahren 5844 kg, von 73 — 82 Jahren 4880 kg.
1) Die forstl. Verhältnisse Preußens, S. 59.
2) Ebermayer, a. a. O. S. 44 ff.
34'
532 IX C. D i 0 t e r i c h , Die Nebennutzungen im Walde.
Als Streuvorrat in geschonten Beständen fanden sich bei den bayrischen Erbebungen durch-
schnittlich 13 857 kg, nach S c h w a p p a c h bei 4jährigem Turnus als Optimum 12 584 kg
(in 41 — 53jähr. Bestand).
c) aus Kiefern beständen: nacli den bayr. Erhebungen
in 25 — 50j. Best. 3397 kg durchschn. jährl. Nadelabfalll nach Krutzsch 3913,5
in 50 — ■ 75j. Best. 3491 kg durchschn. jährl. Nadelabfall ' in einer 45j. Kiefernsaat,
in 75 — lOOj. Best. 4229 kg durchschn. jährl. Nadelabfall) 3646,2 in 1 Pflanzbestand,
im Gesamtdurchschnitt als 6jähriger Streuvorrat 13 729 kg
als 3jähriger Streuvorrat 8 987 kg
Die sämtlichen Zahlen beziehen sich auf den lufttrockenen Zustand ;
zu wissenschaftlichen Untersuchungen und Wertsschätzungen muß dieser Maßstab
angelegt werden, weil das Waldgewich tje nach Witterung sich außerordentlich
verschieden gestaltet; fand doch Bühler, daß 100 kg Laubstreu je nach dem
Trockenheitsgrad zwischen 86,1 und 21,2 kg in lufttrockenem Zustand ergaben.
Als praktische Streumaße sind cbm oder Rm bezw. Fuhren (Fuder) üblich.
Für die oben angegebenen Streuerträge können im großen und ganzen etwa folgende
Umrechnungsziffern') angegeben werden: 1 cbm lufttrockenes Buche nlaub wiegt rund 60 kg,
bei einem Wassergehalt von 18% rund 80 kg, eine zweispännige Fuhre lufttrocken rund 750 kg.
1 cbm Fichtennadeln bei 15% Wassergehalt rund 170 kg, 1 desgl. Kiefern nadeln
117 kg, in Untermischung mit Moos und Heide ca. 160 kg. Der durchschnittliclic jährliche
Streuanfall wird für Buche etwa zu 50 cbm, für Fichtennadelstreu zu 20, für Kiefer zu 30 cbm
angenommen, der durchschnittliche Streuertrag bei Einhaltung einer Umlaufszeit von 6 Jahren
in Buchenbeständen zu rund 100, in Fichten zu 55, in Kiefern zu 80 cbm.
b) Statik der Laub- und Nadelstreunuizung.
Geht man von den zuletzt angegebenen Sti'euerträgen aus und unterstellt die
Beschränkung des Betriebs auf die 40 — 80 jähr. Bestände sowie Einhaltung eines
6 jähr. Turnus, so berechnet sich bei einem erntekostenfreien Erlös von 1 Mk. je cbm
ein Reinertrag für Buchenstreunutzung von 100 Mk. je 1 ha Nutzungsfläche und
von beiläufig 7 Mk. bezogen auf die Flächeneinheit einer normalen Buchenbetriebs-
klasse (u = 100); diese nieder angesetzten Zahlen dürften angesichts der Tatsache,
daß sich in vielen Laubholzrevieren der Reinertrag der Holznutzung nicht über
30 Mk. per ha erhebt, die Streunutzung als nicht zu unterschätzende Einnahmequelle
erscheinen lassen. Aufgabe der statischen Untersuchung ist es nun, diese scheinbar
hohen Nebennutzungserträge in die Gesamtbilanz der Waldwirtschaft einzugliedern.
Vom privatwirtschaftlichen Gesichtspunkt ^) aus werden übermäßige Streu-
nutzungen gelegentlich mit dem Vorvvand gerechtfertigt, daß der W'irtschaftszweck
vieler Waldbesitzer in erster Linie auf Streugewinnung, nicht auf Holzerträge, ge-
richtet sei. Demgegenüber ist zunächst zu untersuchen, ob nicht die Nachhaltigkeit
der Streunutzung selbst gefährdet ist. Genaue und einwandfreie Untersuchungen
hierüber liegen nicht vor. Immerhin lassen die oben mitgeteilten Zahlen aus würt-
tembergischen, seit lang gerechten Buchenbeständen beim Vergleich mit den Ergeb-
nissen aus anderen früher geschonten Versuchsflächen vermuten, daß langjährige
Streunutzung den Streuertrag selbst nachteilig beeinflußt. Wenn man in Berichten
über Streudevastation von Wipfeldürren absterbenden Buchen mit geringer Belau-
bung hört, welche den Boden kaum zur Hälfte mehr decken und so ä., so wird man
sich der Annahme nicht verschließen können, daß der streulüsterne Waldbesitzer
durch übertriebene Streunutzung sich ins eigene Fleisch schneidet. Neben dem
Rückgang des Streumassenertrags macht sich als Folge länger dauernder Entnahme
des Blattabfalls mit der Zeit auch eine Herabsetzung des Mineralstoffgehalts und
1) Nach E b e r m a y e r , a. a. O. S. 54 ff.
2) Vergl. z. B. ^'erhandlungen des Sachs. Forstvereins über Kleinwaldbcsitz i. J. 1903.
(Bericht über die 47. \'ers. S. 104 ff.).
Laub- und Nadelstrcunutzung. § 10. 533
damit des Düngenverts der Laubstreu geltend. Wenigstens hat R a ni a n n in Buchen-
streu-\'ersuchsfläclicn nacligewiesen, daß die Bäume der berechten Fläche Mangel
an Kalk und Kali leiden ^).
Mag der Rückgang der Streunutzung an sich von geringerer und weniger allge-
meiner Bedeutung sein, so weist er doch darauf hin, daß durch regelmäßige Ent-
naluno des Blaltabfalls das W a 1 d k a p i t a 1 angetastet wird.
Will man dieser Frage auf den Grund gehen, so ist zunächst festzustellen, welche
Stoffe eigentlich mit der Laub- und Nadelstreu aus dem Wald entführt werden.
Hierüber sind schon seit langem eingehende Untersuchungen angestellt worden. Man
unterscheidet in dieser Hinsicht den Gehalt der Streu an Wasser, an
organischen und an mineralischen Bestandteilen.
Der Wasserentzug kann im allgemeinen als ziemlich belanglos bezeichnet werden,
zumal wenn die Nutzung erst nach lAngerem Liegen erfolgt. Ebermayer scliätzt den
Wassergehalt der frisch abgefallenen Blätter und Nadeln auf etwa 30 — öO°„, im lufttrockenen
Zustand auf 12 — 14''o- In extremen Fällen allerdings hat sich ergeben -), daß bei der Ueberfüh-
rung von Laubstreu in den lufttrockenen Zustand bis zu 78,8% Wasser verdunstet sind. Im
großen Durchschnitt dürfte die mit der Streu dem Waldboden entzogene Feuchtigkeit einer
Niederschlagsmenge von höchstens 1 — 2 mm entsprechen.
Was weiterhin die organischen Bestandteile der Laub- und Nadelstreu an-
langt, so macht deren Anteil etwa 78 — 83°o des Lutttrockengewichts aus; durch ihre Entfer-
nung werden dem Waldboden die Humus bildenden Substanzen entzogen; auf die Bedeutung
dieser Tatsache wird unten noch weiter einzugehen sein. Für die Pflanzenernährung sind von
besonderer Bedeutung die stickstoffhaltigen organischen Bestandteile der Streu (vor allem
die Proteinstoffe). Nach R a m a n n ^) beträgt der Gesamt-Stickstoffgehalt der Laub- und
Nadelstreu nur 0,8 — l,4°o (0,8 in der Kiefernstreu, rund 1,0 bei Fichte, 1,4 bei Buche); denn
im Herbst unmittelbar vor dem Blattabfall hat der Stickstoffgehalt der Blätter den Tiefstand
(s. oben S. 526) erreicht. Nach dem Blattabfall ist derselbe bald höher, bald niedriger, je nach
dem Grad der Auslaugung einerseits, der \erwesung andrerseits; dazu kommt, daß während
des N'erwesungsprozesses atmosphärischer Stickstoff von der Streu gebunden wird; durch
eingehende L'ntersuchungen mehrerer Forscher ist dieser unter der Einwirkung von Mikro-
organismen Erfolgende \'organg nachgewiesen ■*). Es ist aber zu betonen, daß die Stickstoff
sammelnden Bakterien (so die Gruppe Azotobakter) reichlich Nährstoffe und vor allem kalk-
reiche Böden beanspruchen ').
Von den wichtigsten Aschenbestandteilen der Streu war schon oben bei Er-
örterung des Düngerwerts derselben die Rede. Nachstehende Uebersicht, aus Ebermayers
„Waldstreu" entnommen (S. 116f.), zeigt die Mineralstoffmengen, welche durch die jährliche
Streuproduktion im Vergleich zur Holzproduktion und zu den Ernteergebnissen einiger land-
wirtschaftlicher Gewächse dem Boden entzogen werden.
In einem Jahresertrag s. durehschn. enth. kg je ha
Gesamt- j^^ ^^^ ^ g.^^
Remasche _ a -
1. B u c h e n h 0 c h w a 1 d
(u = 120 J.)
Streuproduktion 18,554 9,87 81,92 12,22 10,45 60,36
Holzproduktion 29, GO 4.63 14,42 3,85 2,8? 2,41
zus. 215,14 14,32 96,34 16,07 13,32 62,77
2. F i c h t e n h 0 c h w a 1 d
(u = 120 J.)
Streuproduktion 135,92 4,82 60,94 6,95 6,41 49,60
Holzproduktion 22,36 4,06 9,15 2,03 1,43 —
zus. 138,48 8,88 70,09 8,98 7,86 49,60
1) Z. f. F. u. J. 1898, S. 293.
2) B ü hier a. a. O.
3) Bodenkunde 1905, S. 337.
4) cfr. Henry, Stickstoff und Streu, in Revue des eaux et forgts 1908, S. 274 und die
dort zitierten Forscher Süchting, Monte martini, Wiesner, ferner B u r r i
(Schw. Z. f. F. 1904, S. 89), Hornberger, Z. f. F. u. J. 1906, S. 775.
5) Ramann, Bodenkunde 1911, S 421.
534 IX C. Dieterich, Die Nebennutzungen im Walde.
In einem Jahresertrag s. durchschn. enth, l<g je ha
ReinaTche ^^^ ^aO MgO PO5 SiOs
3. Kartoffeln
Kraut 101 21,89 32,87 16,62 7,93 4,34
Knollen . 164 98,50 4^^ 7,66 28,33 3,47
zus. 265 120,39 37,06 24,28 36,26 7,81
4. Weizen
Stroh 143 19,48 8 21 3,53 6,85 96,21
Körner ■ 31 9/71 1^04 3,72 14,58 0^
zus. 174 29,19 9,25 7,25 21,43 96,86
Man kann aus dieser Uebersicht jedenfalls so viel entnehmen, daß bei Nutzung der frisch
gefallenen Streu eine bedeutende, die Holznutzung weit übersteigende Menge von Mine-
ralstoften, zumal Kalk, dem Boden entzogen wird. Bleibt die Streu noch längere Zeit am Boden
liegen, so läßt sie infolge Auslaugung den obersten Bodenschichten erhebliche Mengen leicht
löslicher Salze (besonders von Kali) wieder zugute kommen i).
Die angeführten Zahlen vermögen jedoch nur unter der Voraussetzung als .\nhaltspunkte
für Aufstellung einer Bodonbilanzzu dienen, daß durch Analysen der Gehalt eines Bodens
an für die Pflanzen zugänglichen Mineralstoffen zuverlässig nachgewiesen werden kann; das
ist auch nach dem neuesten Stand der Wissenschaft nur in beschränktem Umfang möglich 2).
Außerdem ist zu beachten, daß das Nährstoffbedürfnis der Pflanzen durch die
Zahlen der Aschenanalyse nicht richtig widergespiegelt wird, indem die einzelnen Nährstoffe
bezüglich des ,,A n e i g n u n g s v e r m ö g e n s" ^j der Pflanze sich ganz anders zueinander
verhalten. Immerhin wird für solche Verhältnisse, unter denen die obersten Bodenschichten
ausgesprochenermaßen Mangel an einem bestimmten Nährstoff (z. B. Kalk) leiden, das Ergeb-
nis der mitgeteilten Aschenanalysen von Bedeutung sein.
Weiteren Einblick in das Verhältnis von Streunutzung und
Waldkapital gewährt die Untersuchung der Vorgänge, die sich im Waldboden
bei der Streuzersetzung abspielen, bezw. die Beobachtung der Veränderungen, welche
ihre Entnahme zur Folge hat. Endlich wird zu prüfen sein, ob gegebenenfalls außer
dem Boden kapital auch das Bestandes kapital (der dermalige Holzvor-
rat) beeinträchtigt wird.
Es kann sich hier nicht darum handeln, näher auf das erstere Problem einzu-
gehen; handelt es sich doch um nichts anderes als um die Frage der Humusbildung
im Boden und um die Bedeutung der Humusstoffe für den Boden. In den neueren
bodenkundlichen Schriften sind diese Fragen unter anderen Gesichtspunkten als frü-
her behandelt. Die biologische Forschung und die Fortschritte der chemischen und
physikalischen Wissenszweige (vor allem der Kolloidchemie) haben auch auf die
Humuslehre umgestaltend und klärend eingewirkt.
Zum Verständnis der weiteren Ausführungen sind einige Bemerkungen über Humus-
bildung voranzuschicken: Je nach Pflanzenart, klimatischen und Bodenverhältnissen ver-
läuft die Umbildung des Blattabfalles verschieden schnell. R a m a n n bezeichnet als ent-
scheidende Faktoren der Zersetzung ein bestimmtes Maß von Wärme, Anwesenheit von genügend
Wasser und Nährsalzen, Zutritt von Sauerstoff und Abwesenheit pflanzenschädlicher Stoffe
(Säuren, Chloride usf.); das sind zugleich die Lebensbedingungen der an der Bodenumgestal-
tung mitwirkenden pflanzlichen (Bakterien usf.) und tierischen Lebewesen (Regenwürmer,
Tausendfüßler). Unter günstigen Zersetzungsverhältnissen entsteht sog. ,, milder oder neutra-
ler" Humus (,,absorptiv gesättigter"), d. h. Mull und Moder gleichmäßig gemischt mit Mineral-
boden unter einer losen Decke der jüngsten Streuschicht. Je mehr einzelne der genannten Fak-
toren vom Optimum abweichen, sich einem Minimum oder Maximum nähern, um so ungünstiger
verläuft der Zersetzungsprozeß; ist die Zersetzung verlangsamt, so entsteht eine Ansammlung
von Humusschichten, saurer oder „absorptiv ungesättigter" Humus.
1) Ramann 1905, S. 359.
2) S. Ramann 1911, S. 274 ff.
3) Vergl. hierüber den Aufsatz von Bauer über Stoffbildung und Stotfaufnahme etc.,
Nat. Z. f. F. u. L. 1910, S. 457 ff.; ferner die .-Xrbeiten von Vater über das Zulangen der Nähr-
stoffe im Boden. (Thar. Jahrb. 1909 und 1910; Nat. Z. f. F. u. L. 1910, S. 570.)
Laub- und Nadelstrcunutzung. § 10. 535
Die Vorteile des aus der Streu liervorgehenden milden Hu in u s bestehen
darin, daß er durch Begünstigung der Krümelstruktur und durch Erhöhung der
Wasserkapazität förderlichen Einfluß auf die physikalische Bodcnbeschaffenheit
ausübt und die obersten Schichten mit löslichen Mineralstoffen bereichert. Dagegen
erschweren dichte, verfilzte Humusschichten (Rohhumus bezw.
Trockentorf) die Durchlüftung und Erwärmung des Bodens; trotz scheinbaren Ueber-
flusses an Feuchtigkeit und Nährstoffen treten Trockenheits- und Hungererschei-
nungen auf, was sich am besten durch das Ankommen einer xerophyllen und nähr-
stoffscheuen Flora (Heide, Weißmoos, Flechten u. a.) verrät; außerdem vereiteln
solche Humusanhäufungen das Keimen des natürlichen Samenabfalles und das An-
wachsen der jungen Pflänzchen. Da aber auch der saure Humus einen, wenn auch
z. Zt. unzugänglichen Vorrat von Mineralstoffen (vor allem Stickstoff) birgt, kann
aus jenen Krankheitserscheinungen zunächst lediglich der Schluß gezogen werden,
daß der Forstwirt durch geeignete Maßnahmen auf die normale Zersetzung der
Streu hinarbeiten sollte. Zur Vermeidung ungünstiger Humusformen kann aller-
dings die Entfernung der Streudecke als einmalige oder vorübergehende Maßregel
in Frage kommen; es wird aber mit Recht verlangt i), daß in solchen Fällen die Ein-
nahme aus der Streunutzung zuvörderst für Gesundung der Humusverhältnisse
(Bodenbearbeitung, Düngung) zu verwenden wäre.
Aber abgesehen von den nachteiligen Einwirkungen des sauren Humus auf den
Bodenzustand hat die Lehre von der Bedeutung der Bodenstreu auch in andern
Stücken Wandelungen erlebt:
Während ältere Forscher allgemein nur nachteilige Folgen der Streuentnahmen
bei ihren vergleichenden Bodenuntersuchungen feststellen konnten, ist neuerdings
(insbesondere von R a m a n n) durch zahlreiche Analysen und durch Untersuchungen
über das Porenvolumen in gerechten und nicht gerechten Vergleichsflächen der
Nachweis erbracht worden, daß unter gewissen Verhältnissen selbst eine längere Zeit
ausgeübte Streunutzung bemerkbare Veränderungen im Boden nicht hervorge-
bracht hat, daß jedenfalls in absehbarer Zeit eine Erschöpfung der reicheren Böden
durch Streunutzung nicht zu befürchten sei. Das abschließende Urteil R a m a n n s
über die Wirkung der Streunutzung auf den Boden (s. Bodenkunde 1905, S. 365)
lautet:
,,Jede fortgesetzte und jährlich wiederkehrende Streu-
nutzung muß früher oder später zu einer Erschöpfung des Bo-
dens an mineralischen Nährstoffen und zu einer ungünstigen
physikalischen Veränderung des Bodens führen. Auf armen Böden,
zumal in Sandböden tritt dies am schnellsten ein, da hier die Bedingungen der ungünstigen
Beeinflussung in gesteigertem Maße vorhanden sind. Auf reicheren Bodenarten kann Slreu-
entnahme längere Zeit ohne bemerkbare Veränderung des Bodens stattfinden und bei selten
wiederkehrender Streunutzung überliaupt unbemerkbar bleiben."
Die Erschöpfung berechter ärmerer Böden erfolgt weit weniger durch den
unmittelbaren Substanzentzug, wie früher angenommen wurde, als vielmehr durch
die auswaschende Wirkung der Atmosphärilien-). Die ungünstige p hysikalische
Veränderung aber hängt zusammen mit der Zerstörung der Ivrümelstruktur durch
den Mangel löslicher Salze im Boden und unmittelbar durch die schlagende und ver-
schlämmende Wirkung des Regens. Den Niederschlägen gegenüber hat die Laub-
und Nadelstreudecke noch eine weitere Bedeutung. An Hängen wird das Abfließen
des Regen- wie auch des Schneeschmelzwassers durch ihre aufsaugende Wirkung
1) Vcrgl. diesbezügliche .\eußerungen bei den Verhandlungen des Deutschen Forstvereins
über die Humusfrage (Eisenach 1905).
2) Vergl. R a m a n n , Waldstreu S. G3, Bodenkunde 1905, S. 3G2.
j^3g IX C. D i e t e r i c h , Die Nebenmitzungen im Walde.
verlangsamt, die SickeiAvassermenge erhöht, die Bodenabschwemmung verhindert
und der Ueberschwemmungsgefahr vorgebeugt. Während dieser Vorzug der Streu-
decke an Hanglagen nach wie vor feststeht, haben bezüglich des Wassergehalts
ebener Waldflächen neuere Forscher die überkommenen Vorstellungen teilweise
berichtigt, so namentlich durch den Nachweis der Bodenaustrocknung unter stärkeren
Humusschichten. Ein Optimum an Bodenfeuchtigkeit ergibt die dünne und locker
gelagerte Blattabfallschicht, die einerseits dem Obergrund nur wenig Niederschlags-
wasser vorenthält, andererseits doch genügend Schutz gegen die Verdunstung des
kapillar aufsteigenden Bodenwassers gewährt. Außer dem Verdunstungsverlust durch
Streuentzug wird als empfindlichster Nachteil der Streunutzung der Feuchtig-
keitswechsel empfunden, der allerdings je nach Bodenart (am meisten auf
Tonboden), Jahreswitterung wie auch nach dem Zeitpunkt der Nutzung verschieden
stark sich geltend macht; nicht zum wenigsten leiden hierunter die oben erwähnten
nützlichen Humusbewohner (Bakterien, Regenwürmer usf.) ^).
Es wird die Aufgabe der chemischen, physikalischen und bakteriologischen
Forschung sein, die Waldhumus- und Streu-Frage weiter aufzuklären und die Nach-
teile des Streuentzugs festzustellen. In manchen Fällen genügt hierzu schon die Beob-
achtung des Bodenzustands und des Bodenüberzugs; so schildert S c h w a p p a c h ^),
daß die Bodenverhärtung schon beim Gehen über die gerechten Buchenstreu- Ver-
suchsflächen bemerkbar sei: die jährlich und alle 2 Jahre berechten Flächen im
preuß. Revier Tronecken waren mit Haftmoosen bedeckt, während auf den geschon-
ten oder nur alle 6 Jahre berechten volle Laubdecke vorhanden war — also unzwei-
deutige Anzeichen der Bodenverhagerung. Bei der Schwierigkeit der Vornahme
vergleichender Bodenanalysen sollte in der Praxis gerade auf solche biologische
Veränderungen im Waldboden geachtet werden. Wenn der Bestand selbst schon
nachteilige Folgen der Streunutzung äußerlich erkennbar werden läßt, ist das Unheil
zu weit vorangeschritten. Bei den meisten Versuchen hat sich gezeigt, daß nach-
teilige Bodeneinwirkungen viel früher und viel deutlicher wahrnehmbar waren, als
etwaige Folgen für die Gesundheit und das Wachstum der Be-
stände. Und doch kennt man überall die traurigen Bilder durch Streunutzung
,,devastierter" Bestände: stockendes Wachstum, Verlichtung, kümmerliche, gelblich-
grüne Belaubung, Moos- und Flechtenüberzug an Stamm und Aesten, Wipfeldürre
Kronen, absterbende Stämme. Solche Verhältnisse trifft man besonders in Laub-
holz beständen auf an sich armen und flachgründigen Böden bei alljährlicher
Nutzung, zum Teil auch bei 2- und mehrjährigem Nutzungs-Turnus. Erhebliche
Zuwachsverluste sind in Vergleichsflächen nachgewiesen worden :
S c li w a p p a c li ^) stellte in den oben genannten Buchenbeständen bei jährlicher
Nutzung bis zu 55% Zuwachsminderung während der letzten Bcobachtungsperiode fest, 25%
im Durchschnitt der Versuchsdauer, bei zweijährigem Turnus etwa die Hälfte, ähnlich bei
vierjährigem, während bei sechsjährigem Turnus erst nacli längerer Zeit ein Zuwachsverlust
eintrat. Auch die Aufnahmen in württembergischen und bayrischen Laubholzbeständen lassen
ganz erheblichen Zuwachsrückgang erkennen. Weniger auffällig waren derartige Wachstums-
störungen auf günstigen Böden, so in der sächsischen Buchen-^"e^suchsfläche ,,Hohe Buchen",
wo sich überhaupt kein Zuwachsverlust nachweisen ließ, in Buchenbeständen I. Bonität des
Spessarts (nacli 37jähr. Nutzung nur 8°ö) und in den Mühlenbecker Flächen, von welch letz-
teren Seh w a p p a c li bemerkt, daß bei den kräftigen Diluvialböden die nachteiligen Folgen
des Streuentzugs sich schwächer und langsamer fühlbar machen; bei längerer Dauer komme
aber auch hier eine energische Steigerung der ungünstigen Folgen zur Gellung.
1) Vergl. Z. f. F. u. J. 1899, S. 573 (.\nzahl und Bedeutung der niederen Organismen im
Wald etc.).
2) Z. f. F. u. J. 1892. S. 524.
3) Z. f. F. u. J. 1900, S. 317.
Laub- und Nailclstreunutzung. § 10. 537
AVenificr eiiipfindlicli als ilio Biiclio lial sich ilio Fichte erwiesen ; K u n z e slellte Zmvachs-
verlusle von 0,75 — l,03°o hei (imaligcr Slreuniilzun«; innerhalb 10 Jahren fest; S c h w a p-
p a c h faßt seine auf diese Holzart bezüglichen Untersuchungen dahin zusammen, daß in Fich-
tenbeständen besten Standorts sich im mittleren Lebensalter eine Einwirkung des jährlichen
Streuentzugs auf das Wachstum auch bei längerer Dauer nicht nachweisen lasse, auf ärmerem,
flachgründigem Boden dagegen und in jüngerem Lebensalter wirke die jährliche Streunutzung
sehr schnell und höchst beträchtlich. Noch weniger scheint nach S c h \v a p p a c h s und
L a s p e y r e s' Untersuchungen die Kiefer zu leiden; nur für jugendliche Bestände stellt
ersterer empfindlich schädigende Wirkungen fest; diese Altersunterschiede dürften z. T. wohl
auch daher rühren, daß es sich in jüngeren Kiefernbeständen vorwiegend um die Entnahme
der Nadelstreu handelt, während in älteren Moos, Gras, Heide mehr beteiligt sind. Traurige
Streudenkmale finden sieh übrigens auch in Kiefernwaldungen; ein klassischer Zeuge ist der
Nürnberger Reichswald.
Es dürfte als müßiges Unternehmen zu bezeichnen sein, wollte man auf Grund
solcher Zuwachsverlustzahlen, deren Entstehung nicht durchweg als einwandfrei
bezeichnet werden kann, den Wertsschaden berechnen, den man dem Streunutzungs-
ertrag gegenüberzustellen hätte. Sicher genügt doch vom Standpunkt der Nach-
haltigkeit aus die Tatsache, daß im W a 1 d b o d e n nachteilige A'eriinderungen vor
sich gehen, schon vollständig, um über den unmäßig betriebenen Streuentzug das
L'rteil zu sprechen. Wenn auch bei regelmäßiger oder häufiger Streuentnahme im
alten Bestand keine Zuwachsverluste nachweisbar sein sollten, so können sich doch
später Wachstums- und Verjüngungsstörungen bemerklich machen.
Von Interesse sind auch die chemischen Analysen, welche Schröder') mit Buchen-
holz von der berechten \ergleichsfläehe vorgenommen hat; er fand, daß die Reinasche des-
selben im Mittel nur lO",, im Vergleich zu dem auf der nicht berechten Fläche stockenden
Holz betrug, ohne daß Zuwachsverluste nachweisbar waren; auf Grund der chemischen Unter-
suchung lasse sich voraussehen, daß bei längerer Fortsetzung des Rechens über kurz oder lang
ein schädlicher Einfluß auf das Wachstum sich geltend machen werde:
c) Mag und Art der zulässigen Nutzung.
Auf Grund der statischen Erwägungen lassen sich Bedingungen für die Zulässig-
keit der Nutzung und Regeln für die Art und Weise der Verwertung aufstellen:
1. Die Laub- u. Nadeis treunutzung sollte unterbleiben bei ungünstigen Stand-
ortsverhältnissen, die dem Pflanzenwachstum ohnehin Schwierigkeiten bereiten oder
eine tote Bodendecke besonders erwünscht erscheinen lassen, z. B. an steilen und
trockenen Hängen, auf flachgründigen und steinrauhen, auf allzu losen und auf
streng bindigen Böden. Arme Sandböden sind empfindlicher als Lehmböden, schwere
Tonböden bedürfen in besonderem Maß einer lockernden Humusschicht und einer
die Feuchtigkeit regulierenden Streudecke, tätige Kalkböden endlich sind ohnehin
humusarm und der Verhagerung ausgesetzt. Umgekehrt wäre bei Streuanhäufung,
bei beginnender oder schon vorhandener Trockentorfbildung eine einmalige Streuent-
nahme in Erwägung zu ziehen, sofern nicht durch waldbauliche Mittel (Wühlgrubber)
die Nachteile des Rohhumus behoben werden können.
2. Die Nutzung des Laub- und Nadelabfalls sollte im allgemeinen womöglich
auf Notjahre beschränkt bleiben und jedenfalls nicht alljährlich, am besten mit Ein-
haltung eines nicht unter 6 jährigen Turnus vorgenommen werden, unter un-
günstigen ^'erhältnissen jedenfalls möglichst selten erfolgen. Am ehesten können
mittelalte Bestände mit lehmigem Boden in ebener Lage geöffnet werden.
3. Als Zeitpunkt für das Einsammeln der Laubstreu ist vom forstwirtschaftli-
chen Standpunkt aus der Spätsommer oder Herbst am meisten zu empfehlen, d. h.
die Zeit unmittelbar vor Beginn oder im ersten Stadium des Laubabfalls; keinenfalls
sollte die Nutzung nach Beendigung des Laubabfalls vorgenommen werden, weil
1) Thar. Jahrbuch, Bd. 26, S. 310.
538 IX C. D i e t e r i c h , Die Nebennutzungen im Walde.
sonst der Boden zu lange unbedeckt bleibt und die Zuführung der leicht lösbaren
Nährstoffe aus der Streu dem Boden vorenthalten wird. Besonders gilt diese Regel
für die tätigen Kalkböden ; je humusreicher der Boden ist, um so eher kann von der
Regel abgewichen werden.
4. Beim Streurechen darf nur der unverweste Laub- und Nadelabfall entfernt
werden, nicht auch die eigentlichen humosen Schichten; es sollen deshalb nur solche
Geräte zugelassen werden, welche für Einhaltung dieser Bedingimg Gewähr leisten,
d. s. hölzerne Rechen (keine eisernen).
5. Während jede unmäßige Streunutzung als für die Waldwirtschaft bei richtiger
Bilanzaufstellung verlustbringend verurteilt werden muß, soll diese Nebennutzung
überall da erhoben werden, wo sie der Pflanzenvegetation keinen Vorteil bringt,
also — abgesehen von dem nur bedingt eingeräumten Fall der Rohhumusbildung
innerhalb Bestands — auf Wegen, Linien, in Gräben usf. Um dem Streubedarf
der Bevölkerung entgegenzukommen, wie auch aus Rentabilitätsrücksichten wird
der Forstwirt gut daran tun, die nicht bestockten und nur mit unverhältnismäßig
hohen Kosten kultivierbaren Flächen innerhalb Walds zur Streuproduktion (Streu-
wiesen) heranzuziehen und geeignetenfalls für sonstige Streuersatzstoffe, z. B. durch
Reisstreuabgabe oder ev. durch Torfstreugewinnung auf den Riedflächen, Sorge zu
tragen.
Betreffend die Verwertungsart ist noch zu bemerken, daß entweder
freihändige Abgabe (z. B. an Waldarbeiter, Revierinsassen) oder Aufstreichsverkauf
(in Notjahren ev. unter beschränkter Konkurrenz), nicht aber die Ausstellung von
Erlaubnisscheinen (sog. Einmiete) zu empfehlen ist.
Mit Rücksicht auf Einhaltung der oben angegebenen Regeln wäre es an sich
ratsam, die Streu nur in Haufen, nach vorheriger Aufbereitung durch die Waldarbeiter,
zu verkaufen. Bei Arbeitermangel sowie im Interesse der Käufer wird aber die Auf-
bereitung durch den Empfänger häufig nicht zu umgehen sein; die bäuerliche Bevölke-
rung rechnet ja bei solchen Abgaben die eigene Arbeitsleistung gar nicht oder nur sehr
nieder ein. Durch strenge Ueberwachung und entsprechende Verkaufsbedingungen
muß mißbräuchlicher Nutzungsüberschreitung vorgebeugt werden.
IL Die Nutzung der Nebenerzeugnisse des Waldbodens.
1. Die pflanzliehen Nebenerzeug-nisse.
§ 11. Allgemeines.
Es handelt sich um diejenigen Gewächse, welche der Waldboden neben seiner
bestimmungsgemäßen Vegetation hervorbringt. Dabei ist zunächst zu unterscheiden
zwischen der von Natur sich einstellenden (durch menschliche Eingriffe allerdings
möglicherweise heraufbeschworenen) Begleitflora und andererseits den vom Forstwirt
selbst angebauten Gewächsen (Waldfeldbau).
Innerhalb der ersteren Gruppe ergibt sich eine weitere Gliederung nach dem
Nutzungszweck, indem jene Nebengewächse teils zur Einstreu, teils als F u 1 1 e r-
Stoffe, teils in sonstiger Weise Verwendung finden. Vorwiegend sind es
also Nutzungen zugunsten der Landwirtschaft, von größerem Wert im allgemeinen
nur für diejenigen Waldbesitzer, welche die Bedürfnisse der eigenen Landwirtschaft
damit befriedigen können; im übrigen liegt ihre Bedeutung mehr auf volkswirtschaft-
lichem Gebiet als auf privatwirtschaftlichem, und soweit letzteres zutrifft, mehr auf
dem Gebiet des Waldbaus als auf dem der Forstbenutzung. Faßt man den Gesamt-
erfolg der Waldwirtschaft ins Auge, so sind diese Nutzungen, wie die im vorigen
Pflanzliche Nebenerzeugnisse (Moosstreu). § 12. 539
Abschnitt besprochenen, vor allem hinsichtlich ihrer Rückwirkung auf das Wald-
boden- und das Waldbestandeskapital zu prüfen. Dies ist umso wichtiger, als es sich
bei den meisten nicht um einzelständige, im allgemeinen ziemlich indif-
ferente Arten handelt, sondern um bestandesbildende; soweit solche eine
geschlossene Decke bilden, sind sie, nach Ramann (Bodenkunde 1911, S. 462)
„geradezu entscheidend für die Eigenschaft der Böden". Es sind entweder nützliche
Begleitpflanzen, deren Entfernung nicht ungestraft erfolgen kann, oder schädliche,
mit deren Beseitigung aber das Uebel meist nicht an der Wurzel gefaßt ist; denn
häufig sind sie lediglich die Folgen eingetretener Bodenveränderung. Ob einzelne
Gewächse schädlich oder nützlich bezw. unter welchen Verhältnissen sie schädlich
oder nützlich sind, ist freilich ein noch nicht befriedigend gelöstes biologisches Problem.
Die lebende niedrigwüchsige Bodendecke trägt mit ihren absterbenden Teilen
(Wurzeln, Kriechorganen, Blättern usf.) wie die Bäume selbst zur Hunmsbildung,
leider häufig auch zur Trockentorfbildung bei; insofern übt sie ähnliche Wirkungen
wie die Laub- und Nadeldecke aus. Daneben entzieht sie aber dem Boden Feuchtigkeit
und Nährstoffe, den jungen Pflanzen durch ihr Wachstum Licht und Wärme, kurz,
sie tritt in Nahrungs-Konkurrenz mit den Holzpflanzen. Je verschiedener die
Existenzbedingungen sind, um so unschädlicher ist i. allg. diese Konkurrenz;
andererseits besteht zwischen manchen Pflanzengesellschaften ein gegenseitiges Hilfe-
und Schutzverhältnis; in diesem Sinne spricht man von nützlichen Begleitpflanzen.
Entsprechend der oben angegebenen Gliederung ist zunächst die Moos- und die
L'nkräuterstreu zu besprechen, hernach die Nutzung der Futterstoffe; hierbei ist wieder
zu unterscheiden die Nutzung der Futterstoffe durch Menschenhand (Grasnutzung)
und diejenige durch die Tiere selbst (Waldweide). Hieran reiht sich die Behandlung
der sonstigen pflanzlichen Nebennutzungen (Seegras, Beeren, Pilze u. a.) und zuletzt
der Waldfeldbaubetrieb.
§ 12. Die Moosstreunutzung.
Literatur: Die meisten der oben bei § 10 angegebenen Arbeiten (vor allem Ramann,
Schwappach, Böhmerle); ferner: Zederbauer: Moose und Flechten in den \'er-
suchsbeständen im großen Föhrenwald (Mitt. d. k. k. forstl. Versuchsanstalt Mariabrunn) C. f.
d. g. F. 1906, S. 165; Ha m m , Die Moose und die Erhaltung der Waldbodenkräfte, F. Cbl.
1906, S. 611.
Rein naturgeschichtlich: Roth, Die europäischen Laubmoose; D e r s., Die Torfmoose
(Engelmann, Leipzig 1906).
Vorauszuschicken ist, daß außer zur Einstreu im Stall einzelne Moose auch als
Deck- und Ziermittel für gärtnerische Zwecke usf. abgegeben werden; Polytrichum
commune findet Verwendung zur Bürstenfabrikation.
Die Moose finden sich in größerer Menge meist nur in Nadelholzbeständen, vor
allem unter Fichte und Tanne, im Laubwald läßt unter normalen Verhältnissen der
Laubabfall das Moos nicht aufkommen. Es würde zu weit führen, alle wichtigeren
Moosarten liier aufzuzählen; am bekanntesten sind von den Laubmoosen i. e. S. Hylo
comium splendens, triquetrum, squarrosum, Hypnum Schreberi, purum, cuspidatum
u. a., mehrere Polytrichum- Arten. Dicranum scoparium; ferner sind zu nennen die
Sphagnaceen oder Torfmoose.
Was nun zunächst den Streuwert der Moose anbelangt, so ist derselbe ein ziem-
licher hoher, um so höher, je trockener die Moose in Verwendung gebracht werden
können; die triefenden Sumpfmoospolster dürften darum weniger beliebt sein; wegen
größerer Ergiebigkeit sind aber die dichteren Moosdecken vorzuziehen. Hinsichtlich
Aufsaugungsfähigkeit wie hinsichtlich Stickstoffgehalt ist die Moosstreu im allge-
meinen dem Stroh überlegen, an Kali- und Phosphorgehalt steht sie nur wenig zurück,
auch ihre Zersetzbarkeit — zwar verschieden bei den einzelnen Arten — ist im großen
540 IX C. D i e t c r i c h , Die >iebennutzungcn im Walde.
und ganzen günstig. Funke taxiert den Streuwert der Moose, verglichen mit Stroh
zu Vi'42- Der Moosstreuertrag ist am höchsten im Schatten leicht durchbrochener
Fichten- und Tannenalthölzer, bei stärkerer Schlußunterbrechung, geht die Moos-
vegetation zurück; ein höheres Maß von Luft- und Bodenfeuchtigkeit befördert die
Moosbildung. Genauere Angaben über die reinen Moosstreuerträge liegen nicht vor,
die Moose werden eigentlich nur in Untermengung mit Nadelabfall gewonnen. Bei
intensivem Streunutzungsbetrieb ist der Ertrag natürlich wesentlich geringer. B ö h-
m e r 1 e z. B. stellt fest, daß in den alle 5 Jahre berechten Flächen die Moosbildung
gering sei, kaum über die Streudecke heraussehe. In den Nadelholzbeständen des
Württemberg. Schwarzwalds fanden sich bei Probeerhebungen ca. 4 500 — 6 140 kg
lufttrockene Moosstreu ^) (einschl. Nadelabfall) pro ha. Wesentlich größere Mengen
ergaben ca. 20 cm starke Hypnumlager in der Lüneburger Heide, über die Albert
i. d. Z. f. F. u. J. 1912 S. 2 berichtet: bei radikaler Entfernung der ganzen Moos-
decke 85 500 kg Trockensubstanz pro ha. Als Gewicht der lufttrockenen Moosstreu
gibt Ebermayer 77 — 100 kg pro cbm an, bei 20 °ö ca. 104 kg.
Die Frage, ob die Moosdecke im einzelnen Fall als schädlicher oder nützlicher
Bodenüberzug zu betrachten ist, dürfte zunächst weniger nach Moosarten als nach
den Standortsverhältnissen und nach der Dichte der Moospolster zu beurteilen sein,
sowie nach dem Umstand, ob die Moose von Trockentorfschichten unterlagert sind
oder nicht; dieselben Moosarten können an einer Stelle als günstige, an andern als
ungünstige Bodendecke erscheinen; die meisten Hypnumarten — gemeiniglich als
Astmoose bezeichnet — zeigen für gewöhnlich lockere Struktur, einzelne, wie
Hypnum Schreberi, kommen aber auch in dichten Polstern und mit Trockentorf bil-
dung vor; die sog. Haftmoose (Polytrichum, Dicranum), vermöge ihrer starken
Wurzelhaare an verhärtete Böden mit wechselndem Wassergehalt angepaßt, können
auch nicht unbedingt als nützliche oder schädliche Bodenpflanzen bezeichnet werden;
dagegen weisen die Torfmoose meist auf beginnende Vertorfung und auf Nähr-
stoffmangel hin; durch ihre schwammartigen, oft beinahe undurchdringlich dichten
Polster tragen sie noch weiter zur Bodenentartung, Vermoorung oder Trockentorf-
bildung bei; solche Böden zeigen in extremem Maß die üblen Folgen der im vorigen
Abschnitt besprochenen ungünstigen Humusformen. Was die dichten Moospolster
gegenüber den Laub- und Nadelstreuanhäufungen besonders unangenehm macht,
ist ihr eigener Wasserbedarf und ihre außerordentlich hohe Wasserkapazität, ver-
möge deren sie dem unterliegenden Boden und den Pflanzenwurzeln erheblich mehr
Feuchtigkeit vorenthalten; sie verdunsten auch viel stärker als die Laubstreu, da sie
mehr der Luftbewegung ausgesetzt sind. Dazu kommt als weitere Folge der Wärme-
entzug, der in Waldgebieten mit an sich rauhem Klima und hoher Niederschlags-
menge für Bodenzustand und Bestandesverjüngung entschieden nachteilig wirken
muß. Für die höheren Lagen des Schwarzwalds wird diesem Umstand die Haupt-
schuld an dem Versagen der Tannenverjüngung beigemessen -); A 1 b e r t stellt Wärme-
mangel zwar auch für die dichten Moosdecken der Lüneburger Heide fest, fügt aber
bei, die biologischen Vorgänge im Boden hätten darunter nicht gelitten. Von vielen
Schriftstellern ') wird die ungünstige Einwirkung der dichten Moosdecke
auf Boden, Bestandeszuwachs omd Bestandesverjüngung als Grund zur E n t f e r-
1) Nach Mitt. v. B ü h 1 e r 1. d. 2. Aufl. d. Handbuchs.
2) Vergl. S t o 1 1 , i. N. Z. f. F. u. L. 1909, S. 279 tf.
3) So von B ö h m e r 1 e , Z. f. d. g. F. 1906, S. 115, H a m m (a. a. O.), v. B e n l h e i m ,
.\nregungen zur Weiterbildung der Forstwirtschaft und Forstwissenscliaft (1901), E b e r li a r d ,
A. F. u. J. Z. 1908, S. 113, Ramm, Die Zukunft des würlt. Schwarzwalds (1911, S. 57), end-
lich Wagner, Der Blendersaunischlag und sein System 1912, S. 109 ff.
Pflanzliclu; Ncljenorzougnissc (Unkräuterstreu). § 13. 541
n 11 n g d e r M o o s d e c k e geltend gemacht, und in solchen Fällen die Abgabe
des Mooses als Streumittel an die landwirtschaftliche Bevölkerung empfohlen, sei es
gegen Geldleistung oder gegen unentgeltliche Uebernahme der Bodenbearbeitung
durch die Abnehmer. Anders verhält es sich mit den locker auflagernden Moos-
schichten; R a m a n n sagt hierüber (1905 S. 349) : „Locker auflagernde Moosschich-
ten bieten dem Boden Schutz gegen die mechanische Gewalt des fallenden Regens,
schwächen Temperaturextreme ab, sind leicht durchlässig für Niederschläge und
mäßigen die Wasserverdunstung". Die Wirkung solcher Moosdecken ist also dieselbe,
wie die günstiger Laub- und Nadeldecken. A 1 b e r 1 1) konnte auch mit Hilfe von
Porenvolumen-Bestimmungen feststellen, ,,daß durch die radikale Entfernung der
iMoosdecke ein entschieden ungünstiger Einfluß auf den physikalischen Bodenzu-
stand ausgeübt wurde", wie dies auch schon früher auf Streuversuchsflächen beob-
achtet worden sei. Er erklärt deshalb die radikale Entfernung selbst der starken
Moosdecken für bedenklich. Endlich ist auch zu beachten, daß mit dem Moos dem
Boden Wasser und Nährstoffe, namentlich Stickstoff entzogen wird. Neuerdings
wird von mehreren Forschern, besonders Möller ^), die hohe Bedeutung der Roh-
humusschichten für die Stickstoffernährung der Holzpflanzen besonders betont.
Bei Vorkommen dichter und von Trockentorf unterlagerter Moospolster sollte
man nicht zögern, die oberste lebende Decke zur Nutzung freizugeben, aber nicht ohne
noch humose Schichten dem Boden zu belassen und durch gleichzeitige Bodenbe-
arbeitung für Gesundung der Bodenverhältnisse Sorge zu tragen. In solchen Fällen
dürfen auch eiserne Rechen zugelassen werden, denn mit hölzernen kann in dichten
Haft- und Torfmoosschichten nicht viel ausgerichtet werden.
Zu erwälinen ist noch, dat3 aucli mit Rücl<siclit auf die Unschädlichmachung mancher
im Moos überwinternder Forstschädlinge '), vor allem der Kiefernspanner und Eulen, Moos-
streunutzung gefordert wurde; es ist aber mit Recht darauf hingewiesen worden, daß durch
solche Eingriffe nur dann Erfolge erzielt werden können, wenn die humose Schicht, in der die
Puppen größtenteils überwintern, mit entfernt wird; auch fand man, daß nur bei Belassung
der Streu die nützlichen Schmarotzerinsekten in der wünschenswerten Menge vorhanden
waren.
Die Entfernung lockerer Moosdecken sollte jedenfalls auf Notfälle beschränkt
werden. Im großen und ganzen wird man hierfür dieselben Regeln wie bezüglich der
Laubstreunutzung aufstellen können. Die Nutzungszeit ist so festzusetzen, daß der
Boden in der trockenen Jahreszeit eines schützenden Bodenüberzugs nicht entbehren
muß.
§ 13. Die Unkräuter Streunutzung.
Im Gegensatz zur ,, Rechstreu" (Moos-, Laub-, Nadeldecke) auch als ,, Mähstreu"
bezeichnet, umfaßt diese Gruppe eine Anzahl systematisch verschiedenartiger Ge-
wächse, vor allem die Farne, die Beerkräuter, die Heide und den Besenginster. Farne
(namentlich Aspidium), Heidel- und Preißelbeere treten schon im Schatten leicht
durchbrochener Bestände auf, während Heide und Besenginster ein üppiges Wachs-
tum erst bei höherem Lichtgenuß, am meisten im Freistand, entfalten.
Hinsichtlich ihres S t r e u w e r t s verhalten sich diese Pflanzen sehr verschie-
den: obenan stehen die Farnkräuter; sie können an Streuwirkung, besonders an
Aufsaugungsvermögen, wie auch an Menge und Zersetzbarkeit der organischen Sub-
stanz dem Stroh gleichgestellt werden (F u n k e a. a. 0. S. 31); ihr Gehalt an wichti-
gen Pflanzennährstoffen ist höher als bei den andern Strcumitteln; F u n k e schlägt
1) a. a. O.
2) Z. f. F. u. J. 1903, S. 258 f.; diese Fragen wurden auch bei derV. und \'I. Hauptversamm-
lung des Deutschen Forstvereins lebhaft besprochen, s. die Berichte 1904, S. 33 ff., 1905 S. 164 ff.
3) \'ergl. Bericht über die Eisenacher Forstversammlung S. 33 ff.
542 IX C. Dieterich, Die Nebennutzungen im Walde.
deshalb den landwirtschaftlichen Gebrauchswert der Farnkräuter im Vergleich zum
Stroh zu 4/3 an; dabei ist natürlich Verwendung in getrocknetem Zustand vorausge-
setzt. Geringwertiger als Stroh sind Heide und Beerkräuter, am wenigsten beliebt,
aber im Notfall doch auch noch begehrt, ist die grobe Ginsterstreu. Funke be-
rechnet den Streuwert der Heide zu Vi 84' ^^^^ '^^^ Heidelbeeren zu Vi,7o '^^^ Stroh-
werts. Uebrigens bestehen große Unterschiede je nach der Stärke der verwendeten
Pflanzenteile; denn je größer der Anteil grober verholzter Sprosse, umso geringer ist
das Aufsaugungsvermögen und die Zersetzbarkeit der Streu. Ebenso verschieden
ist die Einwirkung der hier zu besprechenden Waldflora auf den Boden; ent-
scheidend ist auch hiebei das Maß der Trockentorfbildung. R a m a n n befaßt
sich (Bodenkunde 1905, S.351 ff. und 1911, S.469) eingehend mit dieser Frage. Hier-
nach können die Farne (vor allem Pteris acjuilina, weniger die Aspidium-Arten)
im allgemeinen als Bodenschutzpflanzen gelten, immerhin ist Neigung zu Trocken-
torfbildung vorhanden. Besenginster äußert dem Boden gegenüber keine nachteiligen
Eigenschaften, bildet vielmehr einen willkommenen Bodenschutz. Ausgesprochene
Rohhumusbildner dagegen sind Heidelbeere, Preißelbeere und Heide. Die absterbenden
Kriechtriebe der Heidelbeere gehen unter einem dichten Pflanzen-
überzug in Trockentorf über; noch ungünstiger, weil dichter gelagert, ist der Roh-
humus der Preißelbeere; am nachteiligsten ist der Heidehumus, der von einem in
speckigen Torf übergehenden Wurzelfilz gebildet wird, unter dem die bekannten
Bodenerkrankungen, Ortstein usf. auftreten. Wenn meist auch nur Folgeerschei-
nung vorhandener Mißstände, trägt der Heidetrockentorf doch zur Bodenverschlechte-
rung noch weiter bei.
Vermöge ihres Längenwachstums wirken diese Bodenpflanzen, vor allem Farne
und Ginster, weniger die niedrig bleibende Preißelbeere, verdämmend auf die jungen
Pflanzen der Schläge und Unterbauungen ein; ihre Schutzwirkung gegen Frost und
Hitze fällt meist weniger ins Gewicht als die Wurzelkonkurrenz und die Vorweg-
nahme von Licht und Niederschlagsfeuchtigkeit ^).
Die Entfernung dieser Bodenkräuter ist sonach in vielen Fällen durchaus er-
wünscht und wird zum Teil mit hohen Kosten bewerkstelligt. Wo dies zutrifft, ist
es natürlich Aufgabe des Forstwirts, für bestmögliche Verwertung dieser Unkräuter
Sorge zu tragen. Im übrigen aber gilt auch hier der Grundsatz, daß den ohnehin
armen zur Rohhumusbildung neigenden Waldböden nicht auch die letzte Nährstoff-
quelle, der Humus, entzogen werden darf, daß vielmehr in erster Linie für dessen
Ueberführung in physikalisch günstigere Formen Sorge getragen werden muß. Eine
fortgesetzte Heide- und Beerkrautstreu-Nutzung führt allmählich zur gänzlichen
Verödung des Bodens. Streng verpönt ist mit Recht auch die Gewinnung von Heide-
plaggen, bei welcher die ganze Humusschicht als Streu mit genutzt wird.
§14. Die Grasnutzung (Futtergras).
Zur Erhöhung der Nebeneinnahmen sowohl als mit Rücksicht auf den Bedarf
der ärmeren viehhaltenden Bevölkerung sollte jeder Graswuchs auf Wegen, Abtei-
lungslinien, Böschungen und sonstigen holzlos bleibenden Waldflächen genutzt wer-
den ^). Bedenken können aber geltend gemacht werden bezüglich der Nutzung
des innerhalb der Bestände sich einstellenden Graswuchses. Unter Lichthölzern be-
1) Besonders der Besenginstcr maclit sicti in manchen Gegenden als äußerst lästiges Kul-
turunkraut bemerklich (R u n n e b a u m , Z. f. F. u. J. 1899).
2) Die Grasnutzung auf ständigen Waldwiesen ist als eine selbständige landwirtschaftliche
Nutzung hier nicht zu behandeln. Vergl. hierüber Strecker, Die Kultur der Wiesen, 2. Aufl.
1906 bei P a r e y ; ferner König, Die Pflege der Wiesen und Weiden 1906 bei Parey ; D ü n-
k 0 1 b e r g , Der Wiesenbau (Braunschweig 1907).
Pflanzliche Nebenerzeugnisse (Futterstoffe). §§ 11, 15. 543
sonders auf tonigen und frischen Böden, sehen wir schon im Stangenholzalter aller-
hand Gräser sich ansiedeln, auf trockenen Lagen die sog. Angergräser; derselbe
Vorgang vollzieht sich bei Durchlöcherung des Bestandesschlusses auch in Schatten-
holzbeständen; in den Schlägen und Kulturen zeigt sich häufig ein sehr üppiger
Graswuchs. Zur Verwendung als Futterstoffe eignen sich am besten die bei vollem
Licht erwachsenen breitblätterigen Süß-Gräser frischer, nährstoffreicher Böden ; die
eigentlichen Angergräser (Agrostis und Festuca-Arten) ebenso wie die Sumpf- und
Schilfgräser können als Streumaterial genutzt werden, die letztgenannten bei Vor-
kommen in größeren Mengen zum \'erkauf an Weißputzer. Ueber den Futterwert
der Waldgräser fehlen genauere Angaben; derselbe ist nach Standort, Bestand,
Jahreswitterung usf. verschieden; nur soviel steht fest, daß in vielen Gegenden die
Grasnutzung von der Bevölkerung sehr begehrt ist. Nach Gayer- Mayr (Forst-
benutzung) kann günstigenfalls eine Waldgrasproduktion von ca. 700 — 900 kg Heu-
wert pro ha gerechnet werden. Noch weitere mittelbare Vorteile bietet diese Nebeii-
nutzung durch die rechtzeitige Entfernung des in vielen Beständen lästigen Unkrauts;
denn während der Vegetationszeit entzieht ein üppiger Graswuchs den jungen
Forstpflanzen Licht, Tau- und Regenfeuchtigkeit und erhölit durch seine lebhafte
Verdunstung die Spätfrostgefahr; im Winter bieten die verdorrenden Grasfilze den
Mäusen willkommenen Unterschlupf und setzen die kleinen Forstpflanzen dem Er-
stickungstod aus ; im Spätwinter erhöhen sie die Feuersgefahr.
Diesen vorteilhaften Wirkungen der Grasentnahme stehen allerdings auch manche
Nachteile entgegen. In einzelnen Lagen schätzt itian den Grasüberzug als Schutz
gegen die sommerliche Hitze ^). Außerdem befürchtet man nicht mit Unrecht Be-
schädigung der Pflanzen bei Ausübung der Nutzung sowie Erschöpfung und physi-
kalische Verschlechterung des Bodens. Das einfachste Mittel zur Behebung aller
dieser Bedenken ist die Verhinderung oder wenigstens Beschränkung des Graswuchses
durch entsprechende waldbauliche Maßnahmen.
Die Verwertung des Waldgrases erfolgt entweder in der Form der Ausstellung
von Erlaubnisscheinen (sog. Einmiete) oder durch Verkauf der Jahresnutzung vor
der Ernte (Aufstreichsverkauf oder freihändige Abgabe). Die erstere Verwertungsart
wird meist für das Gras in Kulturen, die letztere für den Grasanfall auf Wegen usf.
gewählt. Abgabe des schon ausgeschnittenen Grases kommt wohl nur ganz ausnahms-
weise vor. Auf Wegen, Schneisen usf. erfolgt die Grasgewinnung durch Abmähen
mit der Sense oder Sichel; innerhalb der Ivulturen ist der Gebrauch der Sense zu
verbieten, höchstens die Sichel zuzulassen, häufig wird auch das Ausrupfen mit der
Hand zur Bedingung gemacht. Durch entsprechende Vorschriften ist der Pflanzen-
beschädigung (Abschneiden, Zusammentreten usf.) vorzubeugen.
§15. Die Wald weidenutzung.
Literatur: Hundeshagen, Waldweide und Waldstreu 1830; F u n k e (s. v. bei § 10) ;
I u g o w i z , Wald und Weide in den Alpen, Wien 1908; ferner forstgeschichtliche Werke und
die im einzelnen zitierten Aufsätze.
In weiten Gegenden hat diese Art der Futterstoffnutzung heutzutage nur noch
historische Bedeutung, nachdem sie sich infolge der intensiveren Ausgestaltung des
landwirtschaftlichen Betriebs überlebt hat. Früher war die Waldweide allgemein
üblich, ja meist wichtiger als die Holzproduktion. Bei der Siedelung wurde der Wald
zur Gewinnung von Weideflächen durch Feuer zerstört — wie es heute noch in Amerika
1) Daß die Unkräuter in dieser Hinsicht sicli je nach Standort und Bestandesboscliaffenhcit
den Kulturpflanzen gegenüber sehr verschieden verhalten, zeigten die \'crliandlungen des Deut-
schen Forstvereins i. J. 1905 über das Thema ,,Die Folgen der vorjährigen Dürre" (Bericht
S. 79 ff).
544 IX C. Dietericli, Die Nebennutzungen im Walde
und sonsten vorkommt — ; allmählich hatten sich mit Rücksicht auf die Weide-
nutzung besondere Waldformen und Betriebsarten herausgebildet, der Plenterwald,
der Mittehvald, die Hutewaldungen, die Myteweiden i), der Kopfholzbetrieb usf.;
auch im Hackwaldbetrieb spielt die Weide eine Rolle. In Gebirgsländem hat sich
die Weidenutzung noch erhalten, sie ist aber auch dort durch den freien Entschluß
verständiger Grundbesitzer und durch Polizeivorschriften in maßvolle Schranken
zurückgedrängt worden ^). Ueberall besteht das Bestreben, die Waldwirtschaft mit
der Weidenutzung auszusöhnen teils durch lokale Gebietsabscheidung, teils durch
Bannlegung bestimmter Waldteile während des meistgefährdeten Alters. In solchen
Gegenden, die ausschließlich auf Viehzucht ohne Getreidebau angewiesen sind, hat
der Forstwirt als ,, Alpenkultivator" geradezu die Aufgabe, für geregelten und un-
gestörten Weidebetrieb mit Sorge zu tragen (Lawinenverbauung, Schutzwaldwirt-
schaft usf.). Anderwärts wird vom Vieheintrieb in die Waldungen nur noch als Not-
behelf Gebrauch gemacht, z. B. in Dürrjahren, zugunsten angesiedelter Waldarbeiter,
ärmerer Revierinsassen u. dgl. ^); auch als Berechtigung hat sich der Weidegang
noch da und dort erhalten; für Gemeinde- und namentlich Bauernwaldungen spielt
diese Nebennutzung unter ärmeren Bodenverhältnissen und parzelliertem Kleinbesitz
noch immer eine wichtige Rolle.
Genaue Angaben über den Weideertrag der Waldungen stehen nicht zu Gebot.
Die Menge und Nährkraft des Graswuchses ist verschieden nach Standort, Lichtgrad,
Jahreszeit und Jahreswitterung. Vergl. (§ 14). Im rauheren Klima drängt sich die
Weideausübung auf kurze Zeit zusammen; der Juni gilt im großen ganzen als die
beste Weidezeit. Während das Gras im Genuß vollen Sonnenlichts üppiges Wachs-
tum und höchsten Nährgehalt aufzuweisen hat, sind die Triebe im gedämpften Licht
(Mytwälder, Lärchen-Bestände) zarter und dem Weidevieh bekömmlicher; auch
bietet sich im Bestand Schutz gegen rauhe Winde.
Den Wert der Waldweide drückt F u n k e (a. a. 0. S. 5) aus durch den ,, Sät-
tigungseffekt", den ,, relativen" und den ,, absoluten Nähreffekt". Unter ersterem
Begriff versteht er die zur vollen Sättigung eines bestimmten Lebendgewichts in
1 Tag erforderliche Menge Trockensubstanz, bezogen auf mittleres Wiesenheu*);
Der zweite Begriff bezeichnet die Nahrhaftigkeit eines bestimmten Quantums Weide-
futter, verglichen mit derselben Menge Wiesenheu. Funke schätzt sie auf -/s — Vi
des Wiesenheus, je nach Lichtgrad usf. Der ,, absolute Nähreffekt" bildet das Produkt
der beiden Vergleichsgrößen. Für die Höhe des Pachtgeldertrags, der meist pro Stück
der verschiedenen Viehgattungen und 'Altersstufen ausgedrückt wird, ist außerdem
noch die Entfernung der Weide vom Wirtschaftshot maßgebend.
Um die Bedeutung des Weidegangs für die Waldwirtschaft darzutun,
sind die schädigenden Folgen derselben zu besprechen; Schaden richten das
Maul und der Tritt des Weideviehs an : während Schafe und erwachsenes Hornvieh
im allgemeinen nur bei Nahrungsmangel die Pflanzen angehen, richtet das Jungvieh
und noch weit mehr die Ziege durch \'erbeißen erheblichen Schaden an; in den Mittel-
meerländern ist dem planlosen Weidegang die Entwaldung ganzer Landstriche zu
verdanken; vor der Ziege ist keine Holzart, kein noch so steiler oder hoch gelegener
1) Vergl. hierüber Schw. Z. 1907, S. 359.
2) S. Geschichte der Oesterreichischen Forstwirtschaft in der Jubiläumsfestschrift 1898
bis 1902; ferner C i e s 1 a r s Bericht über schweizerische Alpenländer i. Z. f. d. g. F. 1910, S. 120;
Schencks Bericht aus Amerika i. d. Suppl. H. d. A. F. u. J. Z. 1910, S. 131; ebenda S. 119
V i 1 1 0 r i 0 s Bericht aus Italien.
3) Vergl. H a g e n - D o n n e r (a. a. O.) S. 70.
■t) 1,5 — 2 kg Heu auf 100 kg Lebendgewicht pro Tag.
Pflanzliclip Nobpncrzcugnisse (Waldweide, Seegras), §§ 15, 16. 545
Waldteil sicher. Am meisten gefährdet sind von den Laubholzarten Esche, Ahorn,
Linde, Hainbuche, weniger Eiche, Erle, Birke, von den Nadelhölzern am meisten
die Tanne und Lärche. Rindvieh und Pferde schaden ferner flurch Umtreten der
jungen Pflanzen, durch Wurzelverletzung, was besonders der Fichte verhängnisvoll
wird, durch Benagen der Rinde und nicht zuletzt durch Schädigung des Bodens,
nämlich durch Abtreten der humoseu Schicht am Hang und durch Zerstörung der
Krümelstruktur.
Dagegen gewährt der Weidegang dem Wald in manchen Fällen auch gewisse
Vorteile, so vor allem durch Beseitigung schädlichen Unkrauts und als Maßregel
gegen Mäuseschaden; der Schafeintrieb soll speziell auch gegen den Rüsselkäfer
helfen. Der Vollständigkeit halber ist noch zu erwähnen, daß der Schweineeintrieb,
(der streng genommen nicht hierher, sondern in den Abschnitt über Samennutzung
gehört), neuerdings wieder ganz besonders als Mittel zur Rohhumuslockerung und
zur Unterstützung der natürlichen Verjüngung empfohlen wird, auch zur Vernich-
tung der im Boden überwinternden Eulen-, Spanner- und Blattwesp-Raupen. Nur
schade, daß die erforderlichen Schweineherden nicht überall zu haben sind! Als
Maßnahme gegen jene Insekten wäre in diesem Zusammenhang auch noch der
Eintrieb von Hühnern i) in Nadelholzbestände zu erwähnen.
Wo die Waldweide aus volkswirtschaftlichen Gründen oder mit Rücksicht auf die
besonderen Interessen des Waldbesitzers oder der Waldbevölkerung nicht zu umgehen
ist, sollte sie nur unter solchen Bedingungen zugelassen werden, welche die oben ge-
nannten Schädigungen möglichst ausschließen. Die meistgefährdeten Bestände sind
zu verbieten und jedenfalls nur solche Kulturen für erwachsenes Hornvieh zu öffnen,
die reichlich Gras bieten, und zwar am ehesten noch im Juli, zu welcher Zeit das Gras
am nährstoffreichsten ist, die jungen Holztriebe aber nicht mehr besonders begehrens-
wert sind. An Hängen und bei nassem Wetter (jedenfalls auf strengen Böden) ist
der Weidegang zu untersagen. Endlich muß die Höchstzahl des einzutreibenden
Weideviehs festgelegt und die Aufstellung zuverlässiger Hirten, womöglich eines be-
sonderen für jede Viehgattung zur Bedingung gemacht werden. Wo der Weidegang
im großen üblich ist, empfiehlt es sich, einen besonderen Weidenutzungsplan auf-
zustellen.
§ 16. Die Nutzungsonstige rwildwachsenderPflanzen.
a) Die Seegrasnutzung ^). Sie verdient gesonderte Besprechung, da
sie in einzelnen Gegenden, so namentlich im badischen und württembergischen Ober-
land, im bayrischen Schwaben und in Oberösterreich eine sehr ergiebige Nebenein-
nahme darstellt und der ansässigen Bevölkerung reichlich Arbeit und Verdienst bietet.
Das Seegras (carex brizoides) kommt im allgemeinen nur auf feucliten Böden und in
niederschlagsreichen Gebieten vor; in IMitlehvaldbeständen und durchlOelierten Fichten-Alt-
hölzern stellt es sich mit Vorliebe ein, um dann jahrelang in den Schlägen auszuhalten, bis es
allmählich von der jungen Waldgeneration wieder verdrängt wird. Kahlflächenseegras ist an
sich ertragsreicher und wertvoller, aber mehr der Vernichtung durch Spätfröste ausgesetzt
als das im Scluitz des AUholzes stockende. 1 Hektar Altholz- bezw. Kulturfläche vermag je
nach Boden- und Bestandesverhältnissen alljährlich 10 — 75 Ztr. lufttrockenes Seegras hervor-
zubringen. Bei guter Ernte werden mit Seegrasrupfen, -Trocknen, -Spinnen usf. zahlreiche
Arbeitskräfte, meist Kinder und Frauen, beschäftigt. Die Erträge sind zum Teil so hoch, daß
die Kulturkosten für Fichtenpflanzungen annähernd gedeckt werden können. Für 1 Ztr. Trocken-
gewicht kann der Käufer etwa 1 Mk. 50 Pfg. bieten. Das Jahreserzeugnis wird meist im Juni
auf dem Stock verkauft, wenn sich die Erträge annähernd beurteilen lassen; nasse Sommer
1) Vergl. Z. f. F. u. J. 1908, S. 246; ferner Frhr. Spiegel v. u. z. P e c k e 1 s h e i m ,
Rationelle Geflügelzucht etc. (Neudamm 1909); d'ers. i. Z. f. F. u. J. 1903, S. 146.
2) Eingehend besprochen von Dr. R e b e 1 und Dr. G o s s n e r in der Nat. Z. f. L. u.
F. 1907, S. 249.
Handb. d. Forstwiss. 3. Aufl. II. 35
546 IX C. Dieterich, Die Nebennutzungen im Walde.
können aber den Ertrag nocli bedeutend sclimälern. ^"c^arbeitet wird das Seegras zu Geflech-
ten aller Art, zu Läufern, ^'o^lagen, Seilen usf.
Wegen seiner verdämmenden und in besonders hohem Maß froststeigernden Wirkung
empfiehlt sich die Entfernung aus den jungen Saat- und Pflanzbeständen; die Nutzung steht
insofern mit den waldbaulichen Rücksichten in Einklang. Bei fortgesetzter Seegrasnutzung
— und eine solche läßt sich je nach .\rt der Wirtschaft bis zu 20 ja 30 Jahren in demselben Be-
stand alljährlich erheben — wird aber doch eine recht erhebliche Menge von Nährstoffen,
besonders Kali, dem Boden entzogen; langdauernde Nutzung hat auch Bodenverdichtung
und -Verhärtung zur Folge. Es fragt sich, ob hierdurch nicht ein Nachlassen des Holzzuwachses
und weitergehende Schädigungen (Rotfäule) veranlaßt werden. Gossner vergleicht die
Seegrasnutzung mit der Streuentnahme und berechnet, daß sie bezüglich Nährstoffentzugs
einer intensiven Streunutzung gleich zu achten sei. Dabei wird allerdings betont, daß dieses
Gewächs überhaupt nur auf guten Böden vorkommt.
Es wird also auch hier der Ausweg zu empfehlen sein, daß man sich die Ein-
nahme aus dieser Nebennutzung zwar nicht entgehen läßt, aber zugleich durch wald-
bauliche Maßnahmen (natürliche Verjüngung, Kleinflächenwirtschaft mit kurzer
Verjüngungsdauer) den Seegraswuchs auf möglichst kurze Zeit einzuschränken ver-
sucht.
b) Beere n-i) und Pilznutzung.
Die Waldbeeren stellen ein sehr geschätztes, alljährlich in beträchtliclien Mengen
zu Markt gebrachtes Nahrungs- und Genußmittel dar. Die wiclitigeren und in größeren Mengen
nutzbaren Beeren sind die Erdbeere (Fragaria vesca), die Brombeere (Rubus frulicosus), die
Himbeere (Rubus idaeus), die Heidel- (Vaccinium myrtillus) und die Preißelheere (\accinium
vitis Idaea). Ueber den Wert der Beeren-Ernten sind schon wiederholt Schätzungen ange-
stellt worden, so berechnet der preußische Oberförster Hütterot-) den Wert des in preußi-
schen Staalsforsten alljährlich genutzten Beerenanfalls zu 15 — 33 Millionen Mark; von anderer
Seite wird er zu 20 Millionen veranschlagt.
Es sind also recht hohe Werte, die, ohne dem Waldbesitzer einen nennenswerten Gewinn
abzuwerfen, alljährlich aus dem Wald bezogen werden. Dabei darf man nicht übersehen, daß
diese Erzeugnisse erst durcli die Ernte überhaupt einen Tauschwert erlangen. Während aber
die unentgeltliche oder doch nur mit ganz niedriger Zettelgebühr belegte Ueberlassung der
Beerenernte an die Bevölkerung als Entgegenkommen gegen die ,,scliwachen Schultern" vom
Waldbesitzer gedacht ist, kommt sie mehr den kapitalistischen Unternehmern zugute (den
Aufkäufern und Händlern scheint ein recht erkleckliclier Gewinn zu verbleiben). Es wurde
auch darauf aufmerksam gemacht, daß durch die Beerenernte der Landwirtschaft wertvolle
Arbeitskräfte zu einer Zeit entzogen werden, wo sie am dringendsten erforderlich sind und
für das Allgemeinwohl viel ersprießlichere Dienste leisten könnten. Unter diesen Gesichts-
punkten wurden schon verschiedentlich Vorschläge ') zur Regelung der Beerennutzung ge-
macht, die einerseits dem Waldbesitzer einen billigen Anteil an dem Ertrag der Nutzung zu-
sichern, andererseits die Beschäftigung voll arbeitsfähiger Männer mit Beerensammeln hintan-
zuhalten suchten; es sollen gegen tarifmäßige Gebühren Erlaubnisscheine zum Sammeln
im großen und für den Verkauf von den Forstbehörden ausgestellt werden mit der Bedingung,
daß nur Kinder, Frauen und Invaliden hiervon Gebrauch machen dürfen. Die Bescliränkung
der Beerennutzung ist freilich — zumal für den Staat als Waldbesitzer — eine heikle Sache,
da im Volksbewußtsein diese frei von der Natur gebotenen Früchte als Gemeingut angesehen
werden und vielfach langjährige .Ausübung als Rechtsgrund geltend gemacht wird. Aber tat-
sächlich sind in manchen Verwaltungen ziemlich holie Gebühren (bis zu 7 Mk. pro Zettel) ein-
geführt; die .A.nsetzung von Gebühren dürfte auch schon deshalb gerechtfertigt sein, weil dem
Waldbesitzer bei großem Beerenanfall während der Erntezeit durcli erhöhte Inanspruchnalime
des Schutzpersonals und durch allerhand Forstbeschädigungen Kosten und Nachteile erwach-
sen. Verhinderung oder Beschränkung des Aufkommens der Beeren durch waldbauliche Maß-
regeln wäre natürlich wiederum das radikalste Abhilfemittel.
Auch die Nutzung der im Wald vorkommenden eßbaren Pilze hat weniger Be-
deutung für den Waldbesitzer selbst als für die umwolmende Bevölkerung. Populäre Schrif-
ten *) suchen das Verständnis für diese unentgeltlichen und, wenn gut zubereitet, delikaten
1) Unsere Beerengewächse, von Dr. P 1 ü ß , 2. Aufl. (Basel-Freiburg 1908).
2) Bericht über die 36. Vers. d. Preuß. F.-V. in Stargard 1908, S. 35 ff.
3) Z. f. F. u. J. 1909, S. 49; 1906, S. 109; D. F.-Z. 1909 S. 31, 1906, S. 336, 1905, S. 488;
ferner Bayr. F. u. J. Z. 1909, Nr. 11 (Erhöhung der Gebühren); Verhandlungen des Pommerschen
Forstvereins 1901.
4) Dr J. R ö 1 1 , Unsere eßbaren Pilze in natürlicher Größe mit Angaben ihrer Zuberei-
tung, 7. Aufl. 1908 (bei L a u p p in Tübingen); Taschenbuch der wichtigeren eßbaren und gif-
tigen Pilze Deutschlands, Oesterreichs und der Schweiz von P. Sydow (Heidelberg bei W i n t e r) ;
Cleff, Taschenbuch der Pilze (Eßlingen bei Schreiber).
Pnanzliche Nebenerzeugnisse (Der Waldfeldbau). § 17. 547
Nahrungsmittel in weiteren Kreisen zu verbreiten. Die bekanntesten und begehrtesten eß-
baren Schwämme sind Champignon (.\garicus deliciosus) und Steinpilz (Boletus edulis); in
der forstlichen Literatur^) finden sich weiterhin Berichte über die künstliche .\ufzucht noch
anderer guter Speisepilze, so der Nußkraterelle (Craterellus nucleatus) und des Ruslenschwani-
nies (Pleurotus cornucopioidcs) ; Mayr versuchte die Einbürgerung eines in Japan sehr be-
liebten Pilzes, des Schitake; auch die Speisemorcheln sind noch zu nennen. Gegenstand ge-
werbsmäßiger Züchtung und kaufmännischer \erwertung seitens des Waldbesitzers sind end-
lich in einzelnen Laubholzgebieten (Pfalz, Baden, Braunschweig, Elsaß-Lothringen, vor allem
aber in Frankreich), die Trüffeln, deren wertvollste Art, der Perigord-Trüffel (Tuber
melanosporum) aus Frankreich stammt. Die Trüffelzucht erfolgt durch künstliche Wurzel-
infektion; beim Aufsuchen bedient man sich abgerichteter Hunde und Schweine. Bei dem
holien Preis dieser Delikatesse lohnt es sich, im milden Klima \'ersuche damit anzustellen -).
Die übrigen Pilze werden meist der freien Aneignung überlassen; gegenüber gewerbs-
mäßigen Sammlern könnten ähnliche Maßnahmen wie bei der Beerennutzung in Frage kommen.
Endlich ist der \ollständigkeit halber noch zu erwähnen das Sammeln offizineller Kräuter
und die Abgabe seltener Pflanzen (z. B. Orchideen, Stechpalmen etc.) an Gärtner und Pflanzen-
züchter gegen Entrichtung einer angemessenen Gebühr.
§ 17. Der Waldfeldbau.
Literatur: C o 1 1 a , Die Verbindung des Feldbaus mit dem Waldbau; Hundeshagen,
Prüfung der Co ttaschen Baumfeldwirtschaft; v. Klipstein, Der Waldfeldbau 1850; Bern-
hardt, Haubergswirtschaft im Kreise Siegen 1867; Strohecker, Die Hackwaldwirt-
schaft 1867; \' o g e 1 m a n n , Die Reutberge des Schwarzwalds 1871; Müller, Vergangen-
heit, Gegenwart imd Zukunft der Hauberge im Dillkreise (Z. f F. u. J. 1905, S. 96).
Wessely, Die österreichisciien Alpenländer und ihre Forste; mehrere Aufsätze von
M u h 1 (A. F. u. J. Z. 1869, S. 121, 1875 S. 369; Referat bei der Forstversammlung zu Darm-
stadt 1886, .\. F. u. J. Z. 1886, S. 365). Besonders ausführlich in H e y e r s Waldbau, 4. und 5. Aufl.
Forstversammlungen in Biberach 1884, Wolfach 1898, Herborn 1901, früher in Potsdam 1839,
Brunn 1840, Darmstadt 1845, Freiburg 1846, Mainz 1849, Stuttgart 1855, Heidelberg 1860.
Zur Orientierung über rein landwirtschaftstechnische Fragen kann verwiesen werden auf
Schlipf, Populäres Handbuch der Landwirtschaft, 15. Aufl. (1905); Probst, Handbuch
der gesamten Landwirtschaft; Steinbrück, Handbuch der gesamten Landwirtscliafl.
Unter ,, Waldfeldbau" versteht man die planmäßige Erzeugung und Nutzung
landwirtschaftlicher Gewächse, vor allem Kartoffeln und Halmfrüchte, auf der Holz-
bodenfläche entweder zwischen den Forstpflanzen (Anbau zugleich mit diesen) oder
auf der kahlen Waldfläche bei kurzer Unterbrechung der Waldkultur unmittelbar
nach Abtrieb des Bestandes. Ein wesentliches Merkmal des Waldfeldbaus war von
Haus aus das sog. Hainen, d. i. die Verbrennung des zurückbleibenden Reisigs und
Unkrauts und Vermischung der Asche mit dem Boden ; erst der sog. ,, neuere Waldfeld-
baubetrieb" (n. Heyers Bezeichnung), der von Hessen ausging, hat von dieser
^laßnahme Abstand genommen.
Die Geschichte dieser Nebennutzung wird meist an die ursprüngliche Brand-
kultur angeknüpft, an die sog. ,, wilde Brand- und Feldwaldwirtschaft", die sich als
Uebergangsstufe vom Hirten- und Nomadenleben zum geregelten Ackerbau in der
Siedelungsgeschichte fast aller Länder und Erdteile darstellt. Zur Begründung dieses
Zusammenhangs weist man mit Recht auf ^^'o^te wie ,, Motten", ,,Reutfeld" u. ä.
hin, die sowohl im Sprachgebrauch des Waldfeldbaues wie in Geländenamen für
alte Rodungen vorkommen. Mag sein, daß der geregelte Waldfeldbetrieb, so wie er
heutzutage in einzelnen Gegenden (Siegener Land, Odenwald, Schwarzwald u. a. a. 0.)
in Uebung steht, unmittelbar bis auf jene niederste Stufe der Agrarwirtschaft zurück-
reicht. A c h e n b a c h ^) wenigstens glaubt in der Haubergswirtschaft des Siegener
Lands das unmittelbar durch ständigen Gebrauch überkommene Erbe germanischer
Vorzeit zu sehen. \'ielfach aber wird es als ein bewußter oder unbewußter Rückfall
in alte Gebräuche unter dem Druck ungünstiger Wirtschaftsverhältnisse anzusehen
sein. Während der Haubergsbetrieb schon Ende des 15. Jahrhunderts durchaus ge-
1) Vergl. J a n k a , C. f. d. g. F. 1909, S. 415.
2) Vergl. Bericht d. Thür. F.-V. 1905, ferner Aufs. v. Villi. Nat.Z. f. F. u. L. 1912, S. 321 ff.
3) Die Haubergs-Genossenschaften des Sieger-Lands, 1863.
35*
548 IX C. D i e t c r i c li , Die Nebennutziingeii im Walde.
regelt in genossenschaftlicher Verfassung betrieben wurde, mußten manche Forst-
ordnungen des 16., 17., ja 18. Jahrhunderts noch gegen den Unfug wilden Raubbaus
auf gerodeter Fläche sich wenden, da es vorkam, ,,daß einige das Land, wenn sie
es einige Jahre gebaut und die Geilung herausgezogen haben, wieder liegen lassen" ^).
Daß eine planmäßige, durch gesetzliche Vorschriften oder forsttechnische Anwei-
sungen geregelte vorübergehende landwirtschaftliche Benutzung des Waldbodens im
18. Jahrhundert vielfach geübt wurde, geht aus zahlreichen geschichtlichen Ueber-
lieferungen ■-) hervor; als Entgelt war ein Geldzins oder ein Zehnten zu entrichten,
vielfach war auch die Wiederaufforstung von dem Pächter zu besorgen. Dabei trat
auch schon der Gesichtspunkt hervor, daß die landwirtschaftliche Vornutzung eine
Förderung der Waldkultur, eine leichte, sichere und wohlfeile Art der Wiederbestok-
kung zu bedeuten habe. Im Vordergrund des Interesses stand aber die Deckung des
Bedarfs an Nahrungsmitteln, wofür die beschränkte Feldmarkung in manchen Wald-
gebirgsgegenden häufig nicht ausreichte. Im 19. Jahrhundert kam der Waldfeldbau
in größerem Umfang zur Einführung, und zwar speziell als Waldkulturmittel, be-
sonders auch in solchen Gegenden, wo eine zahlreiche Bevölkerung mit nur geringem
Grundbesitz vorhanden war. Es dürfte übrigens keine zufällige Erscheinung sein,
daß der Waldfeldbau etwa zugleich mit dem Umsichgreifen des
Kahlschlagbetriebs in weiteren Kreisen Eingang gefunden hat. \'erstän-
dige Forstwirte wollten mit dem landwirtschaftlichen Vor- und Zwischenbau wohl
in erster Linie den besonderen Nachteilen jener Betriebsart begegnen, vor allem der
für die verhältnismäßig armen Waldböden so schädlichen Brache. Die Bedeutung,
welche dem Waldfeldbau im 19. Jahrhundert zukam, geht aus den folgenden Zahlen
hervor :
M u li 1 scliätzte im Jalire 1886 allein die durch ^^'aldfeldbetl■ieb in Bestockung gebrachten
Hochwaldflächen zu 30 000 ha '). Daneben stand diese Wirtschaftsform in \'erbin-
dung mit dem Niederwaldbetrieb auf einer Waldfläche von ca. 50 000 ha ■■) im Sie-
gencr-Land als Haubergswirtschaft, auf 58 000 ^) ha sog. Reutbergen in Baden, und auf ca.
25 000 ha*) Hackwald im Odenwald in Uebung. Die Reichsstatistik') von 1883, 1893 und
1900 gibt als Waldtelder-Fläche an: 18 981 bezw. 21 468 bezw. 9861 ha; diese Zahlen sind aber
wegen ungleicher Aufnahmegrundsätze nicht vergleichbar.
Aus dem bisher Gesagten geht schon hervor, daß der Waldfeldbau allmählich
verschiedenartige Ausprägungen erhalten hatte, je nachdem er im Niederwald oder
Hochwald (Röderlandbetrieb), als Vor- oder Zwischennutzung, mit oder ohne Hainen
betrieben wurde; daneben kamen Zwischenformen vor, z. B. Vor- und Zwischenbau;
eine weitere Verschiedenheit ergab sich durch die Art der angebauten Gewächse,
die Reihenfolge und Dauer des Anbaus. Vom mehrjährigen Anbau kam man mehr
und mehr wieder ab und ging zum 2-, ja zuletzt Ijährigen Betrieb über. Neben dieser
zeitlichen Einschränkung hat der Waldfeldbaubetrieb neuerdings vielfach gänzliche
Einstellung erfahren; der Mangel an Arbeitskräften auf dem Land, der schon die
Bebauung der Felder erschwert, hat ihm bedeutenden Abbruch getan, und in den
forstwirtschaftlichen Kreisen ist die einst vorhandene Begeisterung für diese Be-
triebsform allmählich verraucht.
1) Moser, Forstökonomie, 2. Teil, Beilagen S. 108.
2) Eidgenössische Abschiede 7,1, 7,2; Stahls Forstmagazin i, 119; Burgsdorf,
Forsthandbuch 1788, S. 543; Speidel, A. F. u. J. Z. 1888, S. 277.
3) A. F. u. J. Z. 1886, S. 310.
4) Hagen-Donner, Die forstl. X'erhältnisse Preul3cns, S. 27.
5) Das Großherzogtum Baden, S. 416.
6) Mitt. a. d. Forst- u. Kam.-Verw d. Großherzogtums Hessen 1886, S. 310.
7) Monatshefte d. Stat. d. D. R. 1884 Heft VHI, Vierteljahrshefte 1894, 4. Heft, Viertel-
jahrshefte Ergänzungshett zu 1903, H.
Pflanzliclio Nebcnorzeiifrnissc (Der Waldfcldhau). § 17. 549
Auch der Hackwald- und Haubcrgsbetrieb hat, zunächst infolge des Fiaskos
der Eichenschähvaldwirtschaft, teilweise auch infolge Verniagerung der Waldböden
an Gelände verloren. Endlich dürfte die rückläufige Bewegung, in der sich heutzutage
die Kahlschlagwirtschaft befindet, fliesen Wandel der Dinge bis zu einem gewissen
Grad mit veranlaßt haben ^). Dafür ist die landwirtschaftliche Zwischennutzung
als sozialpolitische Maßnahme in das Programm der Waldarbeiterfrage
aufgenonnnen worden; zur Erhaltung und Aiasiedelung ständiger Waldarbeiter in
großen, zusammenhängenden Waldgebieten soll Gelegenheit zum Anbau von Kar-
toffeln und Getreide gegeben werden; dieser sehr beachtenswerte Vorschlag dürfte
aber im allgemeinen zweckmäßiger durch Aiisstockung geeigneter Waldfläehen zu
betätigen sein. Dagegen öffnet sich dem landwirtschaftlichen \'or- und Zwischenbau
ein weites Feld im Gebiet der Heide-, Ried- und Oedlandauf forstung, wo er — voraus-
gesetzt, daß .\rbeitskräfte zur Verfügung stehen und die Emteerzeugnissc nicht mit
zu hohen Beifulirkosten belastet werden — in Verbindung mit Boden-
bearbeitung und Düngung als wertvolle Bestockungshilfe und als Ge-
legenheit fur Erleichterung des Kulturaufwands schätzbare Dienste zu leisten ver-
spricht. Mustergültig sind in dieser Hinsicht die Aufforstungsversuche in der belgi-
schen Kampine -).
Aus den bisherigen Ausführungen erhellt, daß der Waldfeldbau nicht eigentlich
mehr als forstliche Nebennutzung, vielmehr fast ausschließlich als Kulturmaßregel,
empfohlen werden kann, abgesehen von örtlichen Gebräuchen, welche auf einer
engen Verbindung von Feld- und Waldwirtschaft beruhen, wie z. B. bei der Siegener
Haubergswirtschaft. Die Erträge des Wald fei dbaus sind ohnehin viel-
fach ganz oder zum überwiegenden Teil als H o I z e r t r ä g e anzusehen, wenigstens
dort, wo mit dem Waldfeldpacht die Stockholznutzung verbunden ist ^) ; im württem-
bergischen Oberschwaben geht der Pachtertrag in manchen Waldteilen überhaupt
nicht, im großen Durchschnitt nur sehr wenig über den Wert des Stockholzes hinaus;
in geringeren und weiter abgelegenen Waldteilen zeigen sich kaum Liebhaber zur
Uebemahme der Waldfeldlose *). Der Bodenpacht bezw. die Entschädigung für den
Entgang an Jahreszuwachs ist somit sehr knapp bemessen, es müssen also wohl
waldbauliche Rücksichten zur Beibehaltung maßgebend sein. Speziell die Kartoffel-
erträge sollen zwar wieder an Menge noch an Güte den auf Ackerland gebauten nach-
stehen, auch die Halmfruchternte wird bei nur 1 — ■2jähr. Nutzung den Felderträgen
annähernd gleich geschätzt. Neuere Geld-Ertragsangaben ^) stehen nur in beschränk-
tem Umfang zu Gebot und die älteren sind für heutige Lohn- und Preisverhältnisse
nicht mehr zutreffend.
Es erübrigt noch, die Einwirkung des Waldfeldbaus auf den Bodenzustand und
das Bestandeswachstum kurz zu erörtern. Daß dem Waldboden durch die Ernten
erhebliche Nährstoffmengen entzogen werden, läßt sich durch die Aschenanalysen
nachweisen. Diese Tatsache ist aber an sich noch ziemlich belanglos, wenn man be-
denkt, daß die jungen Waldpflanzen dieselben bezw. (an Kalk) noch mehr Nährstoff-
mengen dem Boden entziehen. Der möglichen Beraubung des Bodens steht entgegen
die physikalische Bessenmg des Obergrunds durch das Hacken oder die sonstige
1) Selbst in Hessen, dem eliemaligen Dorado des Waldfeldbaus, ist man in letzter Zeit mehr
und mehr davon abgekommen (vergl. H e y e r , Waldbau, 5. Aufl. v. H e ß).
2) Vergl. die .\usführungen Martins im F. Cbl. 1906, S. 287 ff.; ferner J e n t s c h (F.
Cbl. 1901, S. 225); L e n t (D. F. Z. 1902, Bd. 17).
3) Vergl. Köhler, A. F. u. J. Z. 1898, S. 117.
4) Nach diesbezüglichen privaten .Mitteilungen und eigener Erfahrung,
ö) Vergl. H e y e r a. a. O.
550 IX C. D i e t e r i c h , Die Nebennutzungen im Walde.
Bodenbearbeitung vor dem landwirtschaftlichen Anbau. Hierdurch wird eine Ver-
mischung der Humusstoffe mit dem mineralischen Boden, eine Steigerung der Wasser-
kapazität infolge verringerter Kapillarverdunstung und als weitere Folge bessere
Aufschließung vorher unlöslicher Verbindungen im Boden (mit Ausnahme der Phos-
phorsäure) veranlaßt. Außerdem ist zu bedenken, daß an Stelle der landwirtschaft-
lichen Gewächse inzwischen auch die Unkräuter dem Boden Nährstoffe entzogen
und Niederschlagsfeuchtigkeit vorenthalten hätten. R a m a n n ^) kommt auf Grund
spezieller Untersuchungen zu dem Schluß, daß bei besseren Bodenarten eine Erschöp-
fung nicht anzunehmen sei, d. h. auf solchen, die unter natürlichen Verhältnissen
reichlich saftige Gräser tragen. Wenn im Niederwaldbetrieb bei zu häufig wieder-
kehrender landwirtschaftlicher Benutzung einzelne Flächen in ihrem Ertrag geschä-
digt worden seien, so schließe das den Wert des landwirtschaftlichen Zwischenbaus
für viele forstliche Kulturzwecke nicht aus. Die Beschränkung des Waldfeldbaus
aufbessere Böden wird im allgemeinen als Grundsatz von den Forstverwal-
tungen aufgestellt-). Aus Furcht vor Bodenerschöpfung haben sich schon viele
Forstwirte — allerdings ohne genaue Bodenuntersuchungen angestellt zu haben —
der landwirtschaftlichen Zwischennutzung gegenüber überhaupt ablehnend verhalten;
Köhler macht vor allem auch auf physikalische Schädigungen aufmerksam, die
nach seinen Erfahrungen sonst gute Waldböden bei 2maliger Benutzung erlitten
haben, auf die Zerstörung der Krümelstruktur infolge der meist ungenügenden
Bodenbearbeitung zumal beim Anbau von Körnerfrüchten. In der neuesten Auflage
des Heye r sehen Waldbaus ferner wird auf vergleichende Düngungsversuche Bezug
genommen, welche 1893 — 1900 in hessischen Waldfeldern vorgenommen worden
seien; daraus habe man die Ueberzeugung gewonnen, daß der Holzboden durch den
Anbau von Feldfrüchten, insbesondere durch mehrjährigen, in vielen Fällen zu sehr
erschöpft werde. Gleichzeitig wird aber aus der Oberförsterei Eberstadt berichtet,
daß selbst auf den dortigen geringen Sandböden das Wachstum der Holzpflanzen
bei einmaligem Kartoffelbau nicht beeinträchtigt wurde. Alle Bedenken hinsichtlich
Bodenerschöpfung werden natürlich zerstreut, wenn beim Waldfeldbaubetrieb ein
zweckmäßiger Dünger zur Anwendung gelangt (Lupine und Mineraldünger) ^). Es
wird sich aber fragen, ob der Betrieb dann noch lohnend ist. Von den Gegnern des
Waldfeldbaus wird auch das Eintreffen der sonst geltend gemachten Vorteile, vor
allem des Schutzes der Kultur gegen Unkraut, in Abrede gezogen, vielmehr sogar
die Zunahme mancher Forstschädigungen festgestellt, so des Barfrosts, der Engerlings-
plage, der Rotfäule usf. Eine Schutzwirkung für die jungen Pflanzen kann über-
haupt nur dem Zwischenbau zugut geschrieben werden*) (z. B. die Haferschutz-
saaten). In t r o c k e n e n Sommern wird der Schutz gegen Hitze durch den Wasser-
entzug der Halmfrucht mehr als ausgeglichen.
Ueber den Einfluß des Waldfeldbaubetriebs auf das B e s t a n d e s w a c h s-
tum liegen keine wissenschaftlich einwandfreien Messungen vor; man konnte gün-
stige Zuwachsverhältnisse auf ehemaligen Waldfeldern feststellen, aber vollgültige
Beweise für Wuchsförderung sind nicht erbracht worden, ebenso\\enig für gegen-
1) Z. f. F. u. J. 1890, S. 655 (Chemisch-pliysikalisclie Untersuchungen über Waldfeldbau).
2) Vergl. die Ausführungen in Hagen-Donner .S. 70 ff.; auch für die österreiclüschen Staats-
waldungen gilt dieser Grundsatz (s. Geschichte der Österreich. Forstwirtschaft, Festschrift 1898
bis 1902).
3) Vergl. M a r t i n a. a. O. und L e n t a. a. O.
4) Vergl. Naumann, Ueber den .^nbau des Waldlvorns ( Johannisstaudenroggen), das
zugleich als Schutzsaat und als Aesungsgelegcnheit fürs Wild gedacht ist (Thar. f. J. 1905, S. 130);
ferner S c h ü p f e r im F. Cbl. 1908, S. 259 über ,,dic Haferscliutzsaaten als Pflanzenaufzucht-
stätten".
Mineralische Nebennulzungen. § 18. 551
teilige Eimvirkungcn, wenngleich solche in manchen Fällen vermutet werden
können.
Vom waldbaulichen Standpunkt ist gegen den Waldfeldbau mit Recht auch
geltend gemacht worden, daß er der ganzen Wirtschaft eine gewisse Unfreiheit auf-
erlege, sie an einzelne Holzarten (Fichte, Eiche, Kiefer) binde und der Ei-ziehung
von Mischbeständen entgegenstehe. Wer das Ivleinflächenprinzip vertritt und die
Bestandesverjüngung unter dem Schutz des Altholzes grundsätzlich durchgcfiihrt
wissen will, muß den Waldfeldbau als lästige Nebennutzung über Bord werfen, bezw.
er braucht sich dieses Notbehelfs gar nicht zu bedienen. In einzelnen Fällen, so na-
mentlich zur Durchführung der oben angedeuteten Kulturaufgaben, wird diese Be-
triebsform immerhin noch mit ^'orteil zur Anwendung gelangen können.
2. Mineralische Nebennutzungen.
§ 18. Wo der \\'aldboden technisch wertvolle Steine und Erden birgt, die durch
Tagbau gewonnen %\"erden können, ist der forstwirtschaftliche Betrieb nicht mehr
die rentabelste Art der Bodenbenutzung, zumal auf solchen Böden meist nur geringe
Bestände stocken. Nur die Rücksicht auf die landschaftliche und allgemein volks-
wirtschaftliche Bedeutung der Wälder wird in einzelnen Fällen gegen den Abbau
geltend gemacht werden können. Die Gewinnung von Steinen und Erden im großen
— z. B. Bausteine, Pflastersteine, Schiefer, Kies, Zementmergel, Sand, Lehm u. a. —
kann aber nicht mehr als forstliche Nebennutzung bezeichnet werden. Das sind
selbständige gewerbliche Betriebe, auch wenn der betreffende Grund und Boden
einer Forstverwaltung gehört. Immerhin werden derartige Nutzungsgegenstände
auch im kleinen, innerhalb des forstlichen Betriebs und ohne flächenweise Ausschei-
dung eines Steinbruchs, einer Kiesgrube u. dergl. gewonnen. Zu erwähnen ist der
Verkauf von Granitblöcken, von Sandsteinquadern, von großen Findlingen, wie sie
sich da und dort in der diluvialen Formation vorfinden; ferner kommen Kalksteine
von Schutt- und Geröllhalden, Silbersand, Formsand, Töpferlehm, Grobkies für
Wegbeschotterung u. ä. zur Verwertung. Soweit solche Nutzungen ohne Beeinträch-
tigung des forstlichen Betriebs und ohne Schädigung der Waldkultur sich erheben
lassen, wird nichts dagegen einzuwenden sein. Die Abgabe erfolgt entweder gegen
Entrichtung bestimmter, nach Maßen festgesetzter Preise (cbm. Fuhren usf.) oder im
Weg der Verpachtung auf bestimmte Zeit, wobei dann natürlich genaue Bestimmungen
über den Umfang der Nutzungen in den Pachtvertrag aufzunehmen sind.
Der Torfnutzung ist eine besondere Abhandlung in diesem Handbuch
gewidmet: als forstliche Nebennutzung im eigentlichen Sinn kommt sie ja kaum in
Betracht, vielmehr ist sie auch Gegenstand eines selbständigen Betriebs, oder steht mit
der Waldwirtschaft höchstens insoweit direkt in \'erbindung, als sie der Riedauf-
forstung vorangeht.
552
IX.
Die P" o r s t b e n u t z u n g.
D. Forstlich-Chemische Technologie.
Franz Schwackhöfer.
Für die 3. Auflage bearbeitet von J. Schmidt.
I. Die chemische Zus.immensetzung des Holzes, der Rinde und des Korkes,
sowie der Gallen.
a) Holz.
§ 1. C h e ni i s c h e r B e s t a n d. Das frische, sogenannte ,, grüne" Holz,
besteht aus der Holzfaser (Holzskelett) und aus dem Safte.
Die Holzfaser, welche die Wandungen der Zellen und Gefäße bildet, wird aus
Zellulose aufgebaut, welche kurz nach erfolgter Bildung eine Veränderung erfährt,
die man als Verholzung bezeichnet. Die reine Zellulose besteht aus:
44,44 % Kohlenstoff
6,17% Wasserstoff und
49,39% Sauerstoff, woraus sich die empirische Formel CgHjQOg ergibt. Das
verholzte Gewebe ist dagegen kohlenstoffreicher und sauerstoffärmer als die Zellu-
lose und enthält überdies noch Stickstoff und Mineralbestandteile.
Die Elementar-Zusammensetzung der Holz-Trockensubstanz schwankt zwi-
schen :
49,5 und 51,5% Kohlenstoff
6,0 und 6,8% Wasserstoff
42,0 und 44,0% Sauerstoff
0,1 bis 0,3% Stickstoff und
0,1 bis 1,0 °o Asche.
Man hat sich bisher vorgestellt, daß die Zellulose als solche unverändert erhalten
bleibt und nur von einer kohlenstoffreicheren Substanz eingehüllt und durchdrungen
wird, welch letztere daher auch inkrustierende Substanz oder Lignin genannt
wurde. Neuere Untersuchungen haben jedoch ergeben, daß in der verholzten Zell-
Die chemische Zusammensetzung des Holzes, der Rinde und des Korkes etc. § 1. 553
wand mehrere Kohlenhydrate vom Charakter der ZelUilose vorhanden smd, welche
sich durch ihr Verhalten gegen verdünnte Mincralsäuren, Aetzalkalien imd oxydierende
Agenzien voneinander unterscheiden. Die widerstandsfähigste ist die Dextroso-
Zellulose (oder eigentliche Zellulose); die am wenigsten widerstandsfähigen sind die
Hemizellulosen. Dazwischen steht eine Reihe anderer, die man als Mannoso-Galak-
toso usw. -Zellulose bezeichnet, je nachdem sie bei der Hydrolisierung durch ver-
dünnte Mincralsäuren Dextrose, Mannose oder Galaktose usw. liefern. Ob diesen
verschiedenen Zellulosen ein höherer Kohlenstoffgehalt zukommt als der eigentlichen
Zellulose, ist allerdings nicht erwiesen.
Neben den Zellulosen findet sich in den verholzten Geweben noch ein anderer
Teil, den man auch heute noch als L i g n i n bezeichnet. Man nimmt an, daß die
Ligninstoffe mit den Zellulosen zu ätherartigen Verbindungen vereinigt sind und
nennt diese Ligno-Zellulosen.
Lignin dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach ein variables Gemenge von ver-
schiedenen, bisher nicht näher gekannten Körpern sein. Es gibt eine Reihe charak-
teristischer Reaktionen, welche dazu benutzt werden, um verholzte Gewebe zu er-
kennen. Die gebräuchlichste ist die Wiesnersche Phloroglucin-Reaktion. Eine
salzsaure Lösung von Phloroglucin färbt verholzte Gewebe violettrot. Femer färbt
bei Gegenwart von Salzsäure: Phenol blaugrün, Naphtol grün, Pyrrhol rot usw.
Nach der Zellulose-Bestimmungsmethode von Fr. Schulze besteht die Holz-
trockensubstanz der Waldbäume aus: 47 bis 62 "o Zellulose und 38 bis 52% Lignin.
Diese Zahlen sind aber nur als Näherungswerte anzusehen, weil nach den Untersuchungen
Renkers ^) die Schulze-Hennebergsche Methode sowohl wie auch alle übrigen zu diesem Zwecke
vorgeschlagenen Methoden und Reagenzien entweder die eigentliche Zellulose-Substanz mehr
oder minder stark angreifen oder überhaupt nicht imstande sind, reine, ligninfreie Zellulose
aus den stärker verholzten Pflanzenfasern zu liefern.
Bezüglich der Methoden der Zellulose-Bestimmung sei hier nur kurz erwähnt, daß sie
sich prinzipiell in zwei Gruppen teilen lassen, und zwar in solche, welche mittelst hydrolytisch
oder oxydierend wirkender Agenzien die Begleitsubstanzen der Zellulose in lösliche Formen
überführen und solche, welche von der Löslichkeit der Zellulose in gewissen Reagenzien Ge-
brauch machen.
Die Zellulose findet sich rein in der Natur überhaupt nicht. Relativ am reinsten
erscheint sie im Flughaar der Baumwollfrüchte, im IMark gewisser Pflanzen, sowie
in den jüngeren Zellen der höheren Pflanzen überhaupt. Bei fortschreitendem Wachs-
tum tritt bei diesen letzteren allmählich jener Prozeß ein, den man — wie schon er-
wähnt — als Verholzung oder Verkorkung oder Kutikularisierung bezeichnet. Der
Verholzungsprozeß ist regelmäßig schon vor Eintritt des Winters durch den ganzen
neuen Jahresring abgeschlossen. Bei einzelnen Holzarten, bezüglich deren dies nicht
der Fall ist, bleibt die Zellwand auch im späteren Alter nur unvollständig verholzt.
Die Zellulose ist in reinem Zustande weiß, seidenartig glänzend, durchscheinend,
geruch- und geschmacklos, hygroskopisch und hat eine Dichte von 1,52. Sie besitzt
noch die Form des Pflanzenteiles, aus welchem sie isoliert wurde. Die Zellulose ist
in keinem bisher bekannten Agens ohne Zersetzung löslich ; in Kupferoxyd- Ammoniak
quillt sie so stark auf, daß eine scheinbare Lösung entsteht. Aus dieser wird sie durch
Zusatz von Säuren, Salzen und selbst schon durch starke Verdünnung mit Wasser
als strukturlose, flockige oder fadenähnliche Masse gefällt. Die Lösung erfolgt leichter
und rascher, wenn man die Zellulose vorher mit konzentrierter kalter Natronlauge
behandelt. Aehnlich wie Kupferoxyd-Ammoniak verhält sich auch Chlorzink, nur
ist dessen Lösungsvermögen ein geringeres.
Jod färbt die Zellulose gelb bis braun. Wird dieselbe mit Jodlösung getränkt
1) Renker, Ueber Bestimmungsmethoden der Zellulose, Berlin 1910.
554 IX D. S c h wa c k h ö f e r , Forstlich-Chemische Technologie.
und sodann konzentrierte Schwefelsäure zugegeben, so tritt Blaufärbung ein; des-
gleichen wenn man Zellulose mit Chlorzinkjod-Lösung betupft. Diese Reaktionen
werden zum Nachweis der Zellulose benützt.
Als Hydrat-Zellulosen bezeichnet man Abkömmlinge der Zellulose, welche
sich von dieser nur durch ihre größere Hygroskopizität unterscheiden. Schwalbe ^) teilt sie nach
der Bildungs- oder Darstellungsweise in folgende Gruppen:
1. Bildung durch mechanische Zerkleinerung bei Gegenwart von Wasser oder durch
Trocknung gebleichter Zellulose; im Vegetationsprozeß.
2. Bildung durch Einwirkung von Salzlösungen, Alkalien oder Säuren.
3. Bildung durch Ausscheidung aus Lösungsmitteln oder Estern.
In allen iliren Eigenschaften sind diese HydratzcUulosen noch nicht vollkommen erforscht
und cliarakterisiert.
Hydrozellulosen bilden sich durch die Einwirkung von Säuren verschiedenster
Konzentration, von Säuredämpfen, von sauren und neutralen Salzen und beim Erhitzen der
Zellulose. Diese wird dabei hydrolisiert zu einem Produkt, das die Zusammensetzung Cjj H.,2
Ojj, also die .Aufnahme eines Moleküls Wasser, zeigt. Je nach den Darstellungsbedingungen
gibt die Zellulose verschiedene Hydrolisierungsslufen. In reinem Zustande bildet die Hydro-
zellulose ein weißes, leicht zerreibliches Pulver von geringer Hygroskopizität. Gegen kalte
verdünnte Säuren und Alkalien ist Hydrozellulose sehr beständig; kalte konzentrierte Säuren
aber lösen sie, während konzentrierte Alkalilaugen, auch beim Kochen, nur von schwacher
Wirkung sind. Hydrozellulose mit Essigsäureanhydrid und wenig konzentrierter Schwefel-
säure versetzt löst sich momentan unter heftiger Reaktion; beim Verdünnen mit Wasser fällt
das gebildete Acetat in Form von Flocken aus. Mit Jodjodkalilösung sowie Chlorzinkjod-
lösung gibt Hydrozellulose Blaufärbung und reduziert Fehlingsche Lösung; in Kupferoxyd-
Ammoniak und Chlorzink ist sie leichter löslich als die Zellulose. Reine Hydrozellulose verträgt
Temperaturen über 100" Cels. ohne Veränderung. Hydrozellulose kann leichter in Glukose
übergeführt werden als Zellulose.
Durch die Einwirkung von Oxydationsmitteln wird die Zellulose in Oxyzellulose
übergeführt, welche reduzierende Eigenschaften zeigt, sich ganz oder teilweise in verdünnten
Alkalien löst und ein stärkeres Aufnahmevermögen für basische Farbstoffe hat als die Zellulose.
Durch Behandlung der Zellulose mit Wasserstoffsuperoxyd haben Bumcke und Wolffen-
stein ein Produkt erhalten, das den Oxyzellulosen sehr ähnlich ist und von ihnen H y d r a 1-
Zellulose genannt wurde.
Unter den Estern der Zellulose mit organischen Säuren haben namentlich die Zellulose-
A c e t a t e ein technisches Interesse, weil sie löslich sind, sich zu strukturlosen, durchsichtigen
Platten und Fäden von großer Festigkeit und Elastizität formen lassen und nicht explosiv sind.
Kocht man Holz oder Zellulose mit nicht oxydierenden Mineralsäuren — mit oder ohne
Anwendung von Druck — so entsteht, neben anderen Produkten der Hydrolyse, wie schon
erwähnt, Zucker, welcher gärungsfähig ist
Man hat dieses Verhalten technisch zu verwerten gesucht, um aus Holz Aethylalkohol
(Spiritus) zu gewinnen. Erst in der neuesten Zeit aber soll es, nach vielfachen mißglückten \'er-
suchen, gelungen sein, das Verfahren praktikabel und rentabel zu gestalten.
Nach R. F. Ruttans Bericht ") soll in Amerika eine, nach einem von Tomlinson und Ewen
abgeänderten Classenschen Verfahren arbeitende, Fabrik zufriedenstellende Ausbeuten
ergeben.
Nach diesem Verfahren wird Sägemelil in, mit Chamotte ausgelegten, rotierenden Stahl-
zylindern vorerst mit 1% von seinem Trockengewicht gasförmiger, schwefliger Säure behandelt
und sodann einem Dampfdruck von 7 Atm. ausgesetzt. Nach 40 bis 45 Min. ist die Aufschließung
beendet, worauf der, die Terpene, schweflige Säure und Essigsäure enthaltende. Dampf in
Absorptionsgefässe abgeblasen und die aufgeschlossene dunkelgefärbte Holzmassc in eine
Batterie entleert wird, um hier systematisch mit heißem Wa_sser ausgelaugt zu werden. Der
saure Extrakt wird mit Kalk neutralisiert, filtriert, mit Hefe versetzt, vergären gelassen und
schließlich der Alkohol abdestilliert.
1 t (1000 kg) Sägemehl soll 20,5 Gallonen (1 Gallone = 3,785 Liter), somit 77,6 Liter
Spiritus ergeben, welcher nach der Rektifikation zu 94°'cigem Alkohol, sehr rein, färb- und ge-
ruchlos ist und nur Spuren von Aldehyd und Furfurol aufweist.
Auch in Frankreich soll nach G. U. Borde ^) ein im Großbetriebe ausgeführtes, modifi-
ziertes Classensches .\ufschließverfahren, bei dem neben .\lkohol auch noch Essigsäure ge-
wonnen wird, in seinen Erträgen befriedigen. In allen jenen Ländern, in denen die Spiritusge-
winnung aus Stärkemehlhaitigen Rohmaterialion — im Interesse der Landwirtschaft — durch
die Steuergesetzgebung geschützt ist, dürfte diese Art der Nutzbarmachung von Holzabfällen
nicht rentieren.
1) Schwalbe, Die Chemie der Zellulose, Berlin 1910.
2) Journ. Soc. Chem. Ind. 1909.
3) Chem. News. 1910.
Die chemische Ziisammensetziino- dos Holzes, der Rinde und des Korl<es etc. § 1. 555
Wird geraspeltes Holz von Laubbäumen vorerst mit Ammoniak gereinigt und sodann
mit Alkalilaiige digeriert, so entsteht das sogenannte H o 1 z g u m m i oder X y 1 a n C^Hj^Os,
welclies beim Erhitzen mit verdünnter Schwefelsäure in X y 1 o s e, C5 Hio O5, eine nichtgä-
rungsfähice Zuckerart (Holzzucker) übergeht. Das Holz der Coniferen liefert im Verhältnis
zu dem der Laubhölzer nur wenig Xylan.
Wird Zellulose mit konzcnirierlen, kalten Alkalien behandelt, so schwellen und schrumpfen
die Fasern, zeigen aber nach dem Auswaschen der Lauge ein besseres Färbungsvermögen, eine
höhere Festigkeit un<i Hygroskopizität, sowie — nach Schwalbe — eine gesteigerte Reaktions-
fähigkeit und leichtere Hydrolyse. \%rden diese geschrumpften Fasern nach der Behandlung
gestreckt, so erhalten sie einen hohen Glanz. Von diesem Verhalten der Zellulose (Bildung
von Hydratzellulose) wird in der Textilindustrie, beim sog. ,,M ercerisiere n" der Garne
ausgiebig Gebrauch gemacht.
Zellulose mit starker Natronlauge behandelt und sodann Schwefelkohlenstoff-Dämpfen
ausgesetzt, liefert eine \'erbindung, welche als das Natriumsalz der Alkalizellulose-Xanthogen-
säure zu bezeichnen ist. Diese N'erbindung ist im Wasser löslich; je nach der Konzentration
der Lösungen sind dieselben mehr oder minder zähflüssig (viskos), woraus sich die Bezeichnung
dieser N'erbindung, Viskos c, ableitet.
Die wässerigen, meist 10°o Zellulose enthaltenden Lösungen der Viskose sind gelblich
bis bräunlich gefärbt und enthalten neben der eigentlichen Zelluloseverbindung noch, von
Nebenreaktionen herrührende, Zersetzungsprodukte des Schwefelkohlenstoffes. Durch schwache
Säuren (Essig-, Jlilch-, Kohlensäure u. dergl.), ebenso durch Alkalisalze, Ammoniumchlorid oder
starken Alkohol kann die Zelluloseverbindung infolge Fällung von diesen Bcgleitsubstanzen
getrennt, d. h. gereinigt werden. Metallsalze verursachen eine Wechselzersetzung mit der
^'iskose.
Viskoselösungen können zur Herstellung von Fäden, Häutchen oder plastischen Formen,
dann zum Leimen von Papier, Wasserdichlmachen von Geweben etc. verwendet werden.
Durch Stehenlassen an der Luft, schneller aber durch Erwärmen, zersetzen sich die Viskose-
lösungen und es erübrigt schließlich Zellulosehydrat in Form einer festen, elastischen Masse,
die als V i s k o i d jegliche Bearbeitung durch Sägen, Bohren, Drehen usw. zu verschiedenen
Gebrauchs- und Luxusgegenständen ermöglicht.
Technisch wichtig ist ferner das N'erhalten der Zellulose gegen konzentrierte Säuren.
Taucht man ungeleimtes Papier kurze Zeit (5 — 20 Sekunden) in starke Sclnvefelsäure und wäscht
diese sodann mit Wasser vollständig aus, so geht die Zellulose in kolloidale Modifikationen,
,,A m y 1 0 i d und Hyrozelhdose" über, welche sich auf und zwischen den Papierfasern nieder-
schlagen und dieselben verkitten. Derartig präpariertes Papier ist dem animalischen Perga-
mente ähnlich und wird daher auch als vegetabilisches Pergament oder Pergamentpapier
bezeichnet. Es ist durchscheinend, steif, schwer zerreißbar und wird im Wasser geschmeidig,
ohne dabei wie gewöhnliches Papier zu zerfasern. Pergamentpapier wird hauptsächlich zum
Verschließen der Gläser von Obstkonserven, als Wursthüllen u. dergl., dann aber auch als
Membrane bei der Osmose der Melassen in der Rübenzucker-Fabrikation verwendet.
Zur Erzeugung der sog. Vulkanfiber pergamentiert man ungeleimtes Papier statt
mit Schwefelsäure, welche schwer auszuwaschen ist, mit Chlorzink, setzt mehrere Lagen solchen
Pergaments, eventuell unter Farbzusatz, zwischen geheizten Zylindern einem mäßigen Druck
aus, trocknet an der Luft, wäscht das Chlorzink aus und trocknet schließlich vollends. Die
einzelnen Lagen verschweißen bei dieser Behandlung zu Platten oder Blöcken, in denen keiner-
lei Schichtung mehr wahrzunehmen ist und die sich nach dem vollständigen Trocknen wie Metall
bearbeiten lassen. Harte \ulkanfiber dient vornehmlich als Isoliermaterial für den elektrischen
Strom und dann überhaupt zur Erzeugung von Gegenständen, welche, bei einer entsprechenden
Elastizität, besonders auf Härte und Zähigkeit beansprucht werden, z. B. Zahnräder für stoß-
und fast geräuschlosen Gang, Bremsen, Stoßringe, Transportgefäße etc. Biegsame Vulkan-
fiber, durch Tränken der harten mit Glyzerin erhalten, wird als Ersatz für Gummi und Leder
zu Dichtungen, Ventilsitzen- und klappen etc. verwendet.
Durch konzentrierte Salpetersäure oder besser noch durch ein Gemisch von dieser mit
konzentrierter Schwefelsäure (welche als wasserentziehendes Mittel wirkt) wird die Zellulose
(gereinigte Baumwolle oder Holzzellulose) in ein Nitroprodukt oder nach neuerer Auffassung
in Salpetersäure-Ester verwandelt. Je nach dem Mengenverhältnis zwischen Sal-
petersäure, Schwefelsäure und Wasser, sowie nach der Temperatur und Einwirkungsdauer
der Säure entstehen verschiedene Verbindungen. Wird das Molekül der Zellulose mit 12 Atomen
C angenommen, so ertribt sich folgende Reihe:
Zellulose -Dinitrat C,„ Hj, O^ {'S0,)o 6,76% N
-Trinitrat Cj, H,- O, (NO,), 9,15,, N
-Tetranitrat Cj, Ilje O^ (NO,)! 11,11,, N
-Pentanitrat ... Cj, Hj^ O5 (NOjj^ 12,75,, N
-Hexanitrat C,j H,, O, (NOa)^ 14,14,, N
Hexanitrat entspriclit etwa der „S c h i e ß b a u m w o 1 1 e", Penta- bis Trinitrat den
„Collodionpyroxiline n".
Diese letzteren sind in Alkohol-Aether löslich und führen allgemein den Namen ,,K o 1 1 0-
556 IX D. Schwack höfer, Forstlich-Chemische Technologie.
d i u m w 0 I I c oder lösliches Pyroxiliii." .N'ach dem \'erdünsten des Lösungsmittels aus einer
solchen Pyroxilinlösung verbleibt das Kollodium in Form einer Haut, welche in der Chirurgie
und bei der Herstellung photographischer Platten und Papiere \'erwendung findet.
In neuerer Zeit ist die Kollodiumwolle u. a. mit das Hauptrohmaterial für die Erzeugung
der Kunstseide. 1885 nahm Graf Hilaire de Chardonnet sein erstes Patent auf die Her-
stellung künstlicher Seide aus Pyroxilin, wonach dieses in .\lkohol-.\ether unter Erwärmen ge-
löst und die Lösung zur Beseitigung etwaiger mechanischer Verunreinigungen und behufs
gründlicher iMischung unter Druck filtriert wird. Dieses heiße Filtrat wird mit hohem Druck
durch ein, in einer kalten Flüssigkeit, z. B. Wasser, ^igeordnetes, enges .Mundstück (Spinnor-
gan) gepreßt, wobei das Lösungsmittel vom Wasser rasch aufgenommen wird und der austretende
sehr dünne Kollodiumstrahl an seiner Oberfläche sofort erstarrt, im Innern aber noch flüssig
bleibt. In diesem Zustand kann man diese Fäden an der Luft zu sehr feinen Kokons ausziehen,
in welcher Form sie dann leicht vollständig trocknen und erhärten und einen holien Glanz
aufweisen. Zehn bis zwölf solcher Kokons zusammengezwirnt liefern einen verwebbaren Faden,
welcher ohne Schwierigkeit und beliebig gefärbt werden kann. Die aus Nitrozellulose her-
gestellte Kunstseide besitzt aber eine hohe Entzündlichkeit; um ihr dieselbe zu nehmen, wird
sie mit verschiedenen Mitteln (.\Ikali- oder Erdalkalisultiden- und sulfhydraten, Metallsalzen
u. a.) denitriert, d. h. in nahezu reine Zellulose rückverwandelt.
Um dieser letzteren Prozedur bei der Kunstseiden-Fabrikation aus dem Wege zu gehen,
hat man, u. zw. mit Erfolg, Versuche unternomen, dieses Produkt aus nicht feuergefährlichen
Rohmaterialien herzustellen, als welche zu nennen sind: Lösungen von Zellulose in Kupfer-
oxyd-.\mmoniak oder Chlorzink, Sulfozellulose, Viskose und in neuester Zeit die Zellulose-Ester
organischer Säuren, vornehndich die Zelluloseacetate.
Die Festigkeit der Kunstseide ist gering, etwa 40 bis 60°o von der echten Seide, ihr
Glanz aber bei manchen Fabrikaten höher als der der natürlichen. Sie wird, bei Stoffer-
zeugung nur zum ,, Schuß", sonst aber hauptsächlich zur Herstellung von Dekorationsgegen-
ständen, Litzen, Borden etc. verwendet.
Ein anderes Fabrikat, welches aus Nitrozellulose hergestellt wird, ist das Zelluloid,
eine innige .Mischung von Kollodiumwolle und Kampfer. Diese Mischung kann erreiclit werden
dadurcli, daß man entweder die durch Abpressen entwässerte und gemahlene Nitrozellulose
in scliraelzenden Kampfer oder in eine alkoholische Kampferlösung einrührt und diese Masse
in hydraulischen Pressen einem hohen Druck vmd einer Temperatur von 130° Geis, aussetzt,
oder auf kaltem Wege, durch Lösen der Kollodiumw-olle in einer Lösung von Kampfer in Aether,
Holzgeist, ,-\ceton, Eisessig u. dgl. Durch Farbenzusätze zu den Rohmaterialien läßt sich
das Zelluloid beliebig färben; in warmem Zustande kann es in verschiedene Formen gepresst
oder gewalzt werden und behält diese nach dem Erkalten bei. Es ist zäh und elastisch und be-
sitzt bei 90" Gels, seine höchste Elastizität. Bei liO" Geis, beginnt es sich zu zersetzen, was
bei 195° plötzlich eintritt. Durch Zusätze von bor- und wolframsauren Salzen, .-\sbest,
Alaun, Glimmer und verschiedenen anderen Mitteln wird die leichte Entzündlichkeit des
Zelluloids vermindert. Kurz erwähnt sei hier nur noch, daß als Ersatz für den teueren und
gefährlichen Kampfer eine stattliche Zahl von Mitteln versucht wurde, von denen sich auch
einige praktisch bewährt haben (z. B. Borneol, Isoborneol, Naphtalin, Formanilid etc.).
Zelluloid wird zu den verschiedenartigsten Gebrauchs- und Luxusgegenständen geformt
und dient namentlich zu diversen Imitationen von Elfenbein, Schildpatt, Hörn, Bernstein,
Leder (,,Pegamoid" Kunstleder, d. s. mit Zelluloidlösung imprägnierte, somit wasserdichte
Leinen- und Baumwollgewebe) u. dgl.
Stärker nitrierte Baumwolle, welche meist ein Gemenge der höchsten Nitrierungsstufen
darstellt, heißt — wie schon erwähnt Schießbaumwolle. Sie explodiert heftig und
wirkt in geschlossenen Röhren (Gewehr- und Geschützläufen) sehr brisant. Durch Befeuchten
der Schießbaumwolle mit ,\ceton und Essigester entsteht eine gelatinöse Masse, welche in Platten
gewalzt, sodann in kleine Teile zerschnitten und mit Graphit bestäubt das rauchlose, bezw.
rauchschwache Pulver für Gewehre liefert. Dieses brennt langsamer ab als die Schießbaumwolle.
Für .\rtilleriezwecke wird Kollodiumwolle mit dem gleichen Gewichte Nitroglycerin gemengt.
Gekörntes, rauchloses Pulver besteht aus Nitrozellulose und Barytsalpeter.
Beim Zusammenschmelzen von zerkleinertem Holze mit .\lkalihydrat entsteht Oxal-
säure. Diese Art der Darstellung wird fabriksmäßig betrieben, indem man Sägemehl mit
dem gleichen Gewichte Aetzalkalien (iO°^ Kali- und 60°ö Natronhydrat) in flachen eisernen
Schalen unter fortwährendem Umrühren bei 240° C. zusammenschmilzt. Die Schmelze wird
in Wasser gelöst, mit Kalkmilch gekocht, das dabei entstandene Calciumoxalat mit Schwefel-
säure zerlegt und das Filtrat soweit eingedampft, daß die Oxalsäure auskristallisiert. Aus
100 kg Sägemehl erhält man ca. 80 kg rohe Oxalsäure, welclie als solche oder in Form von
Salzen (Oxalate) in der Färberei und im Zeugdruck etc. -Anwendung findet. |
. §2. DerHolzsaft. Der Holzsaft besteht aus Wasser, in welchem orga-
nische und mineralische Bestandteile teils gelöst und teils suspendiert sind.
Der Wassergehalt des frischen Holzes ist sehr verschieden und abhängig:
Die chemische Zusamraenselzung des Holzes, des Korkes und der Rinde etc. § 2. 557
1. von der Holzart;
2. von dem Alter des Holzes;
3. von der Jahres- und Tageszeit;
4. von dem Standorte des Baumes und
5. von der Witterung.
Im allgemeinen bewegen sich die Schwankungen bei frisch gefälltem Holze
zwischen 25 und 50 "i; ausnahmsweise auch unter 20 bis über 60 "i.
Ein durchgreifender Unterschied im Wassergehalte zwischen hartem und
weichem Holze ist nicht zu konstatieren. Im frisch gefällten Holze beträgt der Wasser-
gehalt durchschnittlich :
bei Hainbuche 20%
„ Ahorn, Esche und Birke 25—30%
,, Steineiche, Buche, Weißtanne und Kiefer .... 35 — 40%
„ Erle und Fichte 40—45%
,, Linde, Lärche und Schwarzpappel 45 — 50%
Geflößtes Holz enthält durchschnittlich an 60% Wasser.
Jüngeres Holz ist stets wasserreicher als das ältere. Diesbezügliche Unter-
suchungen von R. H a r t i g ergaben :
Gewichtsprozente Wasser
Splint Mitte Kern
Fichte 75jährig 65,2 39,0 23,7
Kiefer Vojährig 53,9 37,1 24,7
Rotbuche 85jährig 46,9 42,1 36,1
Eiche öOjährig 44,9 42,8 41,4
NB. Die Bäume wurden im Mai (1881) gefällt und die zur Untersuchung verwendeten
Probescheiben aus einer Hölie von 6 — 8 m über dem Boden entnommen.
Der Wassergehalt des Holzes ist im Frühjahr, zur Zeit der Hauptsaftbewegung
am größten und im Winter am geringsten. Jedoch nehmen auch Nebenumstände
darauf Einfluß, so daß diese Regel keine allgemeine Gültigkeit besitzt. Der Wasser-
gehalt wechselt sogar in den verschiedenen Tagesstunden imd ist in hohem Grade von
der Insolation abhängig. An sonnenhellen Tagen fällt er von früh bis gegen 2 Uhr
mittags und steigt sodann bis zum nächsten Morgen.
Von dem im Holze enthaltenen Wasser ist nur ein Teil (etwa V3 bis -/s des Ge-
samt-Gehaltes) im flüssigen Zustande vorhanden; der Rest ist von den Zellvvänden
aufgesaugt (Imbibitionswasser). Das Verhältnis zwischen flüssigem und imbibiertem
Wasser ist nach der Holzart, Jahres- und Tageszeit sehr bedeutenden Schwankungen
unterworfen.
Bleibt frisch gefälltes Holz in zugerichtetem oder wenigstens entrindetem Zu-
stande an der Luft liegen, so verliert dasselbe fortwährend Wasser, bis ein gewisser
Gleichgewichtszustand zwischen dem Wassergehalte der Atmosphäre und der Hygro-
skopizität des Holzes eingetreten ist. In diesem Zustande nennt man das Holz luft-
trocken. Dasselbe enthält aber'immer noch 10 — 18% hygroskopisches Wasser, wel-
ches nur durch Trocknung bei höherer Temperatur (100 — 110" C.) vollständig aus-
getrieben werden kann.
Die im Holzsaflc gelösten oder suspendierten Bestandteile (welche teilweise wohl auch
der Zellwand selbst angehören oder Umwandlungsprodukte derselben darstellen) sind folgende:
1. Stickstoffsubstanz (Protein).
Der Gehalt an Stickstoff ist gering und beträgt im entrindeten Holze etwa 0.1 — 0.2 Proz.
(entsprechend 0..58 — 1.16 Proz. Protein). Im jüngeren Holze ist der Stickstoffgehalt ein höherer
als im älteren. Im Winter und Frühjahr ist er am geringsten, im Sommer am höchsten. Der
-.weitaus größte Teil der Stickstoffsubstanz ist im unlöslichen Zustande zugegen. Technisch
558 IX D. S c h w a c k h ö t e r, Forstlich-Chemische Technologie.
erscheint dieselbe nur insoferne von Bedeutung, als sie neben dem Wassergehalte die haupt-
sächlichste Ursache der Zersetzung des Holzes ist.
2. Kohlehydrate und Nächstverwandte: Stärke, Zucker, Gummi und
andere.
.■\us dem Marke der Sagopalme wird ein Stärkeprodukt, ,,der echte ostindische Sago",
gewonnen, welcher als Nahrungsmittel in den Handel kommt.
Zucker (Saccharose) findet sich im Safte des Stammes einiger .\hornarten und Palmen
in größerer Menge, so daß er für lokalen Bedarf technisch gewonnen werden kann.
Als Manna bezeichnet man den eingetrockneten, süßlich schmeckenden Saft der Manna-
Esche, welcher teils freiwillig, teils durch Einschnitte ausfließt und in den südeuropäischen
Ländern (Sicilien und Calabrien) gewonnen wird.
Gummi gehört zu den am meisten verbreiteten Pflanzenstoffen und steht den Kohle-
hydraten sehr nahe. Der Hauptbestandteil, ,,das Arabin (C-iaHjjOji)" besitzt den Charakter
einer schwachen Säure. Gummi entsteht durch chemische Aletamorphose der Zellwände.
Gummibildung kann sowohl im Holze als auch in der Rinde erfolgen. Das bekannteste Pro-
dukt dieser Art ist das .-^kaziengummi: arabisches Gummi, Senegalgummi usw. Es stammt
von mehreren Bäumen und Sträuchern (hauptsächlich von Acacia Verek), die in Afrika, Ober-
ägypten in den nubischen und arabischen Wüsten, Australien und Ostindien einheimisch
sind. Das Gummi fließt freiwillig aus den Rinden und erhärtet an der Luft. Es kommt in
rundlichen, erbsen- bis haselnußgroßen, oft auch länglich gestreckten und verschiedenartig
gewundenen, glasartigen, farblos oder gelb bis braun gefärbten Stücken in den Handel. Gummi
ist in Wasser leicht löslich, wenn es vornehmlich aus -arabin besteht, teilweise löslich, wenn es
Cerasin und Bassorin enthält; in Alkohol, .4ether u. dgl. ist es unlöslich. Es dient, wie be-
kannt, hauptsächlich als Klebemittel; ferner auch zum Verdicken der Farben, Beizen, Tinten,
Glänzen des Papiers usw. Das natürliche Gummi wird gegenwärtig durch das viel billigere
Dextrin, welches aus Kartoffelstärke erzeugt ist, ersetzt. Unter den einheimischen Holzarten
zeigen namentlich die Steinobstbäume starke Gummiausscheidungen. Eine dem arabischen
Gummi nahestehende Substanz, „derTraganth", ist der eingetrocknete Saft mehrerer Astraga-
lus -Arten.
3. Glykoside. Darunter sind alle Körper verstanden, welche durch Einwirkung
von Enzymen oder chemischen Agenzien in Zucker und irgend eine andere zu den aromatischen
oder Fettkörpern gehörige Verbindung zerlegt werden. Die Glykoside sind hauptsächlich in
den Rinden vertreten, einige davon finden sich aber auch im Holzsafte. Hierher gehört das Coni-
ferin Cj^HjaOä, welches im Cambialsafte aller Coniferen vorkommt; das Fustin CjjHojOij
und Fisetin CuHigOg, welche beide im Fisetholze (Rhus cotinus) vorkommen, und einige
andere.
4. Pflanzensäuren: Gerbsäure, Oxalsäure, Weinsäure, Zitronensäure, .Aeptel-
säure, Arabinsäure.
Gerbsäure findet sich ebenfalls hauptsächlich in den Rinden. Es gibt jedoch auch einige
Holzarten, welche beträchtliche Mengen von Gerbsäure aufweisen, so das Ouebrachoholz
(mit 20 — 25% Gerbstoff), das Catechuholz und das Holz der Edelkastanie, welche als Gerb-
material verwendet werden.
Auch das Eichenholz enthält größere Mengen von Gerbstoff. Die übrigen Säuren sind
technisch bedeutungslos.
5. Bitterstoffe. Diesbezüglich ist namentlich das Ouassiaholz, sowie auch dessen
Rinde ausgezeichnet und findet als Arzneimittel, zur Herstellung bitterer Liköre u. dgl. Ver-
wendung.
6. Farbstoffe. Die meisten Holzarten, speziell die Splint- und Reifholzbäume,
besitzen eine helle, weiße bis blaßgrau-gelbe Farbe. Das Kernholz mehrerer einheimischer,
vornehmlich aber der tropischen Holzarten, zeigt eine lebhafte Färbung.
Bei längerem Liegen des Holzes dunkelt die Farbe immer nach. Auffallend dunkler
wird das Holz durch das Dämpfen.
Manche Holzarten sind sehr reich an Farbstoffen (bezw. Chromogenen) und finden in der
Färberei Verwendung.
Solche Farbhölzer sind:
a) Das Blauholz (Campecheholz), d. i. das Kernholz eines auf den Antillen und an der
Küste von Südamerika, besonders in der Campechebai, wfld wachsenden Baumes. Der Splint
ist unbrauchbar, wird abgeschält und das Kernholz in etwa 1 m lange und mehrere Zentimeter
dicke Scheite zerschnitten. Vor dem Gebrauche werden dieselben geraspelt und zermahlen
und bleiben im angefeuchtetem Zustande mehrere Wochen liegen, damit sich der Farbstoff
durch Oxydation kräftiger entwickelt. Das frische Holz ist an der Oberfläche dunkelrot, im
Innern heller. Es ist hart, sehr dicht (0,9 — 1,0), läßt sich gut polieren und besitzt einen veil-
chenartigen Geruch.
Das Chromogen, ,,Hämatoxylin (CioHi4084-3aq)", ist in reinem Zustande farblos und
kristallisiert; die Färbung kommt erst durch Einwirkung von Luft, von Feuchtigkeit und
durcli Beizmittel zustande. Das Hämatoxylin ist in einer Menge von 9 — 12% im Holze vorhan-
den. Das erste Oxydationsprodukt desselben ,,das Häraatein C15H12O5", ist ein rötliches Pulver
Die chemische Zusammensetzung des Holzes, der Rinde und des Korkes etc. § 2. 559
mit grünlichem Metallschimmer. Bei weiter fortschreitender Oxydation entstehen braun-
schwarze amorphe N'erbindungen.
Je nach der Art der Beizen wird das Blauholz zum Blau-, Violett-, Rot-, Grau- und Schwarz-
färben verwendet.
b) Das Rotholz (Fernambuk- oder Brasilienholz) stammt von verschiedenen Caesal-
|)inien (namentlich Caesalpinia echieata Lam.), welche in Südamerika einheimisch sind. Die
Zubereitung des Kernholzes ist ähnlich wie beim Blauholze. Es kommt in 20 — 50 cm dicken
Klötzen in den Handel, hat eine dunkel gelbrote Farbe und ist sehr dicht, schwerer als Wasser.
Das beste Rotholz kommt aus Brasilien.
Alle enthalten das gleiche Chromogen ,,das Brasilin C,eH,i05+aq", welches in farb-
losen Nadeln kristallisiert; an der Luft oxydiert es zu Brasileln Cj^HijOä-j-aq. Mit .Vlkalien
wird die Lösung rot.
c) Das Sandelholz, von Pterocarpus santalinus L., eines auf Ceylon und in Ostindien
einheimischen Baumes, enthält etwa l'°o eines roten Farbstoffes ,,das Santalin CiäH^Os",
welches in Wasser unlöslich, in Alkohol und Aether hingegen löslich ist. Auch in Alkalien
löst es sich, wobei die t'arbe in violett übergeht.
Dem Sandelholz nahestehend sind: das ostindische Caliatur-Holz, das Madagascar-
Holz, das afrikanische Barwood und das Camwood.
d) Das Gelbholz. Das ungarische Gelbholz stammt vom Perückenbaum (Rhus cotinus
L.), das westindische vom Färbermaulbeerbaum (Maclura aurantiaca Muth).
Ersteres enthält ein Glykosid ,,das Fustin", welches anscheinend an Gerbsäure gebunden
ist und beim Erwärmen mit verdünnter Schwefelsäure in den Gelbfarbstoff ,,Fisetin" und in
Zucker zerlegt wird:
CaeHo^sOn-f 4H.O= 2£i_5H^„_Os+C6H,_£6
Fustin Fisetin Rhamnose.
Das westindische Gelbholz enthält neben dem nicht färbenden Maklurin CjjHjoOj den gelben
Farbstoff Morin Ci5HioO,+2aq.
Um den Transport zu erleichtern, werden aus den Farbhölzern Extrakte hergestellt.
Von einzelnen kommt überhaupt nur das eingedickte Extrakt in den Handel, wie z. B. Catechu,
eine spröde, tief dunkelbraun gefärbte Masse, welche aus dem Kernholze von Acacia Catechu
gewonnen wird und neben Gerbsäure einen roten und einen braunen Farbstoff enthält.
Die Farbhölzer haben seit Einführung der Teerfarbstoffe an Bedeutung viel verloren.
7. A et herische Oele, Harze, Balsame und andere Riechstoffe.
Jedes frische Holz besitzt einen eigentümlichen, meist schwachen Geruch. Bei manchen
Hölzern tritt aber auch im trockenen Zustande der Geruch noch .sehr deutlich hervor; so z. B.
bei allen Nadelhölzern, bei den Farbhölzern, beim Weichselholz, Cedernholz, Veilchenholz,
Aloeholz, Kampferholz usw.
8. Kautschuk, Guttapercha, Kampfer, Bitterstoffe, Alka-
1 0 i d e etc. Diese Substanzen sind für gewisse, meist in den Tropen einheimische Holzarten
(Stammholz, Wurzeln oder Rinden) charakteristisch. In technischer Hinsicht ist namentlich
der Kautschuk von Bedeutung, der sich in dem Milchsaft (Latex) mehrerer tropischer und
subtropischer Pflanzen findet. Den meisten und besten Kautschuk liefern die Euphorbiaceen:
Hevea brasiliensis und guyanensis. Er kommt unter der Bezeichnung ,,Paragummi", nach dem
brasilianischen Hafen Para so benannt, in den Handel. Außer diesen gibt es in Brasilien, Zentral-
amerika, Ostindien und Ostafrika noch eine Reihe anderer Kautschukbäume, aus der Familie
der .\rtocarpeen, Apocyneen u. a.
Um den Milchsaft zu gewinnen, werden entweder die Bäume durch Einschnitte oder
Stiche angezapft, oder die Blätter und Stengel der Kautschukpflanzen ausgepreßt, oder endlich
die kautschukführenden Pflanzenteile getrocknet und dann mit Oucllungsmitteln der Kautschuk
direkt extrahiert.
Der Milchsaft, der eine weißliche, dickflüssige, im frischen Zustande meist geruchlose,
süßschmeckendc Flüssigkeit bildet, w-ird entweder als solcher in Gefäßen gesammelt und aus
ihm der Rohkautschuk auf verschiedene Art (Verdunstenlassen, Schlagen, Zentritugieren, Räu-
chern, Kochen, starkes \'erdünnen mit Wasser, Zusatz von organischen und mineralischen
Säuren) zur Koagulation gebracht, oder das Gerinnen am Baume selbst veranlaßt und der Kaut-
schuk aus dem Clerinnsel auf geeigneten Unterlagen gleichsam abgewickelt.
Das auf die eine oder andere .\rt ausgeschiedene Koagulum ist der Rohkautschuk, welcher
den überseeischen Handelsartikel bildet. Ein Baum liefert pro Jahr etwa 6 Liter Milch, woraus
2,5 kg Rohkautschuk gewonnen werden.
Dieser enthält neben dem eigentlichen oder Reinkautschuk (rund 60%) beträchtliche
Mengen von Harzen, ferner Eiweißkörper, Zucker, Farbstoffe, erdige Bestandteile, Reste
des Koagulationsmittels, Wasser und noch andere \'erunreinigungen.
\'or seiner Weiterverarbeitung wird der Rohkautschuk einem Waschprozeß mit heißem
und kaltem Wasser und darauf folgendem gründlichen Austrocknen unterworfen.
Mischt man so gereinigten Kautschuk auf einem Mischwalzwerk mit Schwefel, nebst
anderen Zusätzen, und setzt diese Mischung in einem Dampfkessel oder in einer heizbaren
Presse einem Druck bis zu 6 Atm. aus, so erhält man, je nach der angewendeten Schwefel-
560 J-^ D. S c li w a c k h ö f e r, Forstlich-Chemische Technologie.
menpre, Höhe und Dauer des Drucices, entweder ein weiches elastisches {Weichgummi) oder ein
hartes, elastisches Produkt (Hartgummi oder Ebonit), welches gegen Säuren und Alkalien,
sowie Quellungsmittel beständig ist und den allgemeinen Namen ,, vulkanisierter Kautschuk"
führt. Weichgummi behält seine Elastizität zwischen — 20 und +120° C. und ist an der Luft
beständiger als der Rohkautschuk. Seine Verwendung zu den verschiedenen, fälschlich „Gummi-
waren" genannten ,\rtikeln ist bekannt.
Ebonit repräsentiert eine hörn- oder fischbeinartige Masse, welche sich zu den verschieden-
sten Gebrauchs- und Luxusgegenständen in jeglicher Art bearbeiten läßt.
Durch Eintauchen von, geformten Kautschukwaren in ein Bad von geschmolzenem
Schwefel oder in eine Lösung von Schwefelchlorür bezw, durch Behandeln der Gegenstände
mit Schwefelchlorürdämpfen erfolgt ebenfalls, wenn auch keine so intensive, Vulkanisierung
des Kautschuks (sog. kalte \'ulkanisierung), Ueber die chemische Konstitution des Kaut-
schuks, dem die Formel (Cj|,Hj„)n zukommt, sowie über die .Art der Bindung des Schwefels beim
Vulkanisierungsprozeß sind die .Ansichten der Forscher noch geteil.
Der zum Teil von Erfolg gekrönten Versuche, Kautschuk synthetisch herzustellen, sei
hier nur Erwähnung getan.
Eine dem Kautschuk ähnliche Substanz, ,,die Guttapercha", wird aus dem .Milchsafte
einiger Palaquien-.\rten auf Sumatra und Borneo gewonnen. Zu diesem Zwecke wurden früher
die Bäume gefällt, jetzt wird aber die Gewinnung auch am lebenden Baume vorgenommen,
indem man Einschnitte in die Rinde macht. In diesen tritt der Milchsaft aus und gerinnt
von selbst sehr rasch, so daß er mit dem Messer ausgeschnitten werden kann. Diese Rohgutta-
percha wird in ähnlicher Weise gereinigt luid auch vulkanisiert wie der Kautschuk.
Einen natürlichen Ersatz für die Guttapercha bildet die „Balata", der eingetrocknete
Milchsaft von Mimusops Balata, einer in Amerika, .Afrika und Australien heimischen Pflanze
aus der Familie der Sapotaceen.
Kampfer CuHj^O ist das Stearopten aus dem ätherischen Gel des Kampferbaumes
(Cinnamomum Camphora, zur Familie der Lauraceen gehörig), welcher in China und Japan
zu Hause ist und auf der Insel Formosa ganze Wälder bildet. Kampfer ist in allen Teilen des
Baumes enthalten; zur Gewinnung werden das Stammholz, die Aeste, die Wurzeln und teil-
weise auch die Blätter verwendet. Das Holz wird zerkleinert und der Kampfer in primitiven
Vorrichtungen mit Hilfe von Wasserdampf überdestilliert. Aus 100 kg Holzspänen resultieren
etwa 5 kg Rohprodukt, aus Kampfer und Kampferöl bestehend. Der feste Kampfer wird von
dem Gel durch Absickern getrennt, als Rohkampfer in den Handel gebracht und fabriksmäßg
durch Sublimation raffiniert,
Kampfer wird heute bereits im Großen künstlich hergestellt aus Harz als Rohmaterial.
Nach E. J. Pond ^) wird die Synthese selbst folgendermaßen ausgeführt:
Pinen (aus Terpentinöl) + HCl .... Pinenhydrochlorid + KOH .... Camphen -j- GH,
GOGH .... Isoborneolacetat + HjO .... Isoborneol + O . . . . Kampfer.
9. M i n e r a 1 s t 0 f f e. Dieselben sind teils im Satte und teils in der festen Holzsub-
stanz abgelagert. Die Menge der Mineralstoffe macht durchschnittlich 0,2 — 0,6% vom Ge-
wichte des entrindeten, lufttrockenen Stammholzes aus. Junges Holz ist reicher als älteres.
Die Zusammensetzung der ilineralbestandteile wechselt nach der Beschaffenheit des
Bodens, auf dem das Holz gewachsen ist. Die Hauptbeslandteile sind: Kali, Kalk, Magnesia
und Phosphorsäure .Alle anderen Bestandteile treten mehr oder weniger zurück. Der Ge-
halt an Mineralsäuren ist gering. Die Metalloxyde sind zum größten Teil als organisch saure
Salze zugegen, welche beim Verbrennen des Holzes Carbonate liefern. In der Holzasche herrscht
daher die Kohlensäure vor, die aber dem Holze als solchem nicht angehört. Der Umstand, daß
die Holzasche zumeist aus Karbonaten besteht, macht sie zur Gewinnung xon Pottasche geeignet.
100 Gewichtsteile Rohasche enthalten:
Kali . . 10— ari
Natron . . . 1 — 5
Kalk . . . 20—45
Magnesia . . . 5 — 15
Manganoxydul . . . 1 — 8
Eisenoxyd . . . 1 — i
Tonerde . . 1 — 8
Kieselsäure . . . 1 — 3
Schwefelsäure . . . 1 — 5
Phosphorsäure . . . 2 — 10
Kohlensäure . . . 15 — 20
Der jüngste Teil des Holzes, „der sogenannte Splint", ist hellfarbig, wasserreich,
enthält mehr gelöste Stoffe, namentlich mehr Stickstoffsubstanz, und ist daher auch
rascher der Zersetzung unterworfen. Mit zunehmendem .\lter zeigt der Splint bei
den verschiedenen Holzarten ein ungleiches Verhalten. Bäume, bei welchem der
1) Chemiker Ztne. 1907.
Die cliemisclie ZusammeiiseUuug Ues Holzes, Jer Hiiide und des Korkes etc. § 3. yßj
Splint auch in späterem Alter sich nur wenig ändert, werden Splintbäume genannt,
wie: Ahorn, Birke, Weißbuche etc. Entwickelt sich aus dem Splint allmählich ein
wasserärmeres, dichteres und merklich dunkler gefärbtes Holz, so bezeichnet man die
Bäume als Reifholzbäume, wie Tanne, Fichte, Linde, Weißdorn, Birnbaum etc. Eine
weiter fortschreitende Veränderung des Splintes findet sich in den Reifholzkern-
bäumen, wie Rotbuche, Esche, Ulme, Salweide etc., und am weitesten geht die Um-
wandlung in den Kernholzbäumen, wie: Lärche, Föhre, Zirbelkiefer, Eibe, Wach-
holder, Eiche, Kirsche, Nußbaum. Hartriegel, Ebenholz, Mahagoni, Stockholz und
allen Färb hölzern.
b) Rinde»).
§ 3. Im jugendlichen Zustande besteht die Rinde aus der Epidermis, dem pri-
mären Rindenparenchym und dem grünen primären Baste. Bei weiterem Wachstum
nimmt die Rinde an Dicke beträchtlich zu und die in der tiefer liegenden Zone ent-
stehende Korkschichte stößt das äußere, allmählich absterbende Gewebe, ,,die sog.
Borke", schuppenförmigab. Der lebende Teil der Rinde, ,, das Fleisch", ist der sekun-
däre Bast und die innerste Korkschichte. Vom sekundären Baste entsteht jedes Jahr
eine neue Schichte, die sich deutlich von den früheren abhebt.
Die chemische Zusammensetzung der Rinden ist eine sehr komplizierte und nur
zum Teile erforscht. Der wichtigste Bestandteil, welcher die technische Verwendbar-
keit gewisser Rinden bedingt, ist der Gerbstoff.
Als Gerbstoffe bezeichnet man eine Reihe schwacher Säuren, welche im Pflan-
zenreiche sehr verbreitet sind, vorzugsweise in den Rinden und in gewissen patho-
logischen Gebilden (Galläpfeln und Knoppern) vorkommen, ferner auch in den Blät-
tern, Samen und anderen Pflanzenteilen. Die Gerbstoffe sind in Wasser leicht, in
Alkohol schwer löslich und in Aether unlöslich. Sie besitzen einen herben, zusammen-
ziehenden Geschmack, geben mit Eisensalzen blauschwarze oder grüne Niederschläge,
fällen Eiweiß und Leimlösungen. Mit der tierischen Haut vereinigen sie sich zu einer
geschmeidigen, fäulniswiderstehenden Substanz ,, Leder". Die Gerbstoffe werden nach
den Pflanzen, von welchen sie abstammen, benannt. Als Typus der Gerbstoffe ist
das Tannin oder die Eichenrindengerbsäure C14HJ0O9 zu betrachten. Es ist ein gelb-
lich grauweißes, amorphes Pulver, von der vorhin angegebenen Löslichkeit. Es bildet
mit zwei Aequivalenten der Metalle Salze und fällt viele Alkaloide aus ihren Lösungen.
Einige Gerbstoffe sind Glykoside. Die hauptsächlichste Verwendung finden
die gerbstoffhaltigen Materialien zur Ledererzeugung.
Dem Tannin am nächsten steht die G a 1 1 u s s ä u r e C^HgOg ; sie ist gewissermaßen
das Hydrat des ersteren: C14H10O9 -l- H20= 2C7H6O5. Tannin kann durch Wasser-
addition in Gallussäure und diese wieder durch wasserentziehende Mittel in Tannin
rückverwandelt werden. Die Gallussäure krystallisiert in feinen Nadeln, ist in heißem
Wasser leicht löslich und gibt mit Eisenvitriol eine braune Färbung. An der Luft
oxydiert sich die Ferroverbindung sehr rasch, wodurch die Flüssigkeit eine tief-
schwarze Farbe annimmt. Gallussäure ist in reichlicher Menge in den Galläpfeln vor-
handen, femer findet sie sich in vielen Rinden und in anderen Pflanzenteilen. Ihre
Hauptverwendung findet dieselbe zur Erzeugung der Schreibtinte.
Der Gerbstoffgehalt der Rinden verschiedener Abstammung variiert in weiten
Grenzen. In den einheimischen Rinden, die als Gerbmaterial Verwendung finden,
1) .^ustührliclies hierüber Prof. Dr. v. H ö li n e 1 in Wiesners Rohstoffe des Pflanzenreiches,
I. Bd. Leipzig 1900.
Handb. d. Forstwiss. 3. Aufl. II. 36
562 IX D. S c h w a c k li ö t e r, Forstlich-Chemische Technologie.
sind im lufttrockenen Zustande durchschnittlich 5 — 15% Gerbstoff enthalten. Unter
den außereuropäischen Rinden gibt es hingegen mehrere, welche einen Gerbstoff-
gehalt von 20 bis über 35% aufweisen.
Für Europa ist die Eichenrinde das wichtigste Gerbmaterial. In Mittel-
europa wird dieselbe vorzugsweise von der Stiel- oder Sommereiche Quercus pedun-
culata und von der Trauben- oder Wintereiche Qu. sessiliflora gewonnen. Ferner
liefern gute Gerbrinde: die Zerreiche Qu. Cerris (Ungarn, Kroatien, Slavonien), die
Kermeseiche Qu. coccifera; die Grüneiche Qu. Hex (Südfrankreich und Algier),
die Korkeiche Qu. Suber (Italien und Spanien). In Nordamerika ist die Ghestnutoak-
rinde von der Kastanieneiche Qu. Castanea das wichtigste Gerbmaterial.
Die Rinde wird entweder von alten Stämmen gewissermaßen nur als Neben-
produkt gewonnen, während das Holz die Hauptnutzung bildet, oder aber es wird die
Rinde nur von jungen, 14 — 20jährigen Stämmen (Stangen) abgeschält und ist das
Hauptprodukt (Schälwaldbetrieb). Die Altholzrinde ist borkig, dicker, ärmer an
Gerbstoff und daher minderwertig. Die Jungholzrinde ist dagegen dünn, glatt,
borkenfrei und bildet das wertvollere Material. Man unterscheidet 4 Sortimente von
Eichenrinden :
1. Die Spiegel- oder Glanzrinde, d. i. Jungholzrinde von Stangen unter 10 cm
Dicke.
2. Die Reitelrinde, von 10 — 12 cm dicken Stangen, ein Mittelding zwischen
Jung- und Altholzrinde, bei 20- bis 35jähriger Umtriebszeit gewonnen. Sie ist schwach-
borkig und längsrissig.
3. Die geputzte Altholz- oder Grobrinde, bei welcher die Borkenschichte ent-
fernt wurde.
4. Die ungeputzte Grobrinde oder rauhe Stammborke, d. i. Altholzrinde, an
welcher die Borke noch vorhanden ist.
Der Gerbstoffgehalt der Rinde nimmt von der Wurzel gegen den Gipfel hin
um 3 — 5% ab. Man unterscheidet daher, speziell bei der Glanz- und Reitelrinde:
Erd-, Mittel- und Gipfelgut. Das Fleisch der Altholzrinde ist nicht wesentlich ärmer
an Gerbstoff als jenes von der Jungholzrinde; der Unterschied liegt hauptsächlich
nur in der Borkenbildung. Während das Fleisch einen Gerbstoffgehalt von etwa
12 — 16 °o aufweist, besitzt die Borke weniger als die Hälfte davon. Durchschnitt-
lich enthalten die besten Spiegelrinden 16 — 20, die Reitelrinden 10 — 14, die geputzten
Altholzrinden 8 — 10 und die ungeputzten 5 — 8% Gerbsäure, im lufttrockenen Zu-
stande.
Neben der Eichenrinde ist für Deutschland, Oesterreich-Ungarn und die nörd-
lichen Länder Europas überhaupt die F i c h t e n r i n d e ein wichtiges Gerbmaterial.
Bäume von 50 — 80 Jahren liefern die beste Rinde. Die Rinde jüngerer Stämme ist
gerbstoffärmer. Bei Stämmen über 80 Jahren geht der Gerbstoffgehalt zwar nicht
wesentlich zurück, es entsteht aber eine größere Menge von Farbstoff, welcher die
Qualität der Rinde als Gerbmaterial beeinträchtigt. Außer dem Alter kommt auch
die Höhenlage der Bäume in Betracht. Die aus alpinen Gegenden stammenden Rinden
sind im allgemeinen die wertvolleren. Durchschnittlich enthalten die besseren Sorten
der Fichtenrinde 7 bis 9 % Gerbstoff.
Die Schälung der Rinde wird immer erst an den gefällten Stämmen vorgenom-
men. Fichtenrinde wird hauptsächlich zum Gerben für schweres Unterleder ver-
wendet.
Die T a n n e n r i n d e ist gerbstoffarm (etwa 5 %) und wird nur im Gemenge
mit anderen, gerbstoffreicheren Rinden zuweilen als Gerbmaterial verwendet.
Die clicmisclie Zusainmciisetzung dos Holzes, der Rinde uiul des Korkes etc. § 3. 563
Die L ä r c h e n r i n d e enthält 10% Gerbstoff und noch darüber, wird aber
wegen des relativ seltenen Vorkommens dieser Holzart nur für lokalen Bedarf, vor-
zugsweise in England und Irland, zum Gerben von Schaffellen benützt.
Die B i r k e n r i n d e ist sehr arm an Gerbstoff (etwa 3 °o), wird aber, haupt-
sächlich ihrer hellen Farbe wegen, zum X'orgerben und teilweise wohl auch zum
Ausgerben verwendet.
Die Erlenrinde besitzt einen sehr hohen Gerbstoffgehalt, 16 bis 20%, zu-
gleich aber auch sehr viel Farbstoff und kann daher in den Gerbereien nur eine be-
schränkte Anwendung finden.
Die Weidenrinden sind für den Norden Europas ein wichtiges Gerb-
material. Das russische .Juchtenleder, sowie das dänische und schottische Hand-
schuhleder wird hauptsächlich mit Weidenrinden gegerbt. Die besten Rinden liefern
die stärkeren Ruten, welche einen Gerbstoffgehalt von 8 bis über 13 % aufweisen.
Selten werden verwendet:
Walnuß-, Buchen-, ital. Pappel-, Ulmen- und Roßkastanien-Rinde.
\"on den außereuropäischen Gerbrinden sind namentlich jene von gewissen
Akazienarten durch ihren Gerbstoffreichtum ausgezeichnet und werden unter der
Bezeichnung W a 1 1 1 e- oder M i m o s a - Rinden von Australien, Südafrika und
Südamerika nach Europa importiert. Die besten Sorten enthalten über 35, die min-
deren einige 20 "„ Gerbstoff. Ueberdies werden auch die Fernambukrinde, die Hem-
lock-Tannenrinde, die Termialia- und die Curtidarinde, sowie mehrere andere als
Gerbrinde in den Handel gebracht.
Sowohl aus den Rinden, als auch aus den gerbstoffreichen Hölzern werden
durch Ausziehen mit Wasser und Konzentrieren der Lösung im Vakuumapparate
Gerbstoffextrakte hergestellt, welche entweder als Flüssigkeit (30 " B) oder als feste
Substanz in den Handel kommen. Dieser Fabrikationszweig ist namentlich dort von
Bedeutung, wo die mangelhaften Verkehrsverhältnisse den Absatz des Rohmateriales
sehr erschweren.
Neben Gerbstoff finden sich in den Binden noch eine Reihe anderer, zum Teile tech-
nisch verwertbarer Stoffe, und zwar:
Gallussäure, besonders in der Eichenrinde, in der Rinde der Edelkastanie, Roß-
kastanie etc.; andere organische Säuren, namentlich Oxalsäure und Pectinsäure. In vielen
Rinden sind Oxalatkristalle (meist Calciumoxalat) ausgeschieden.
Glykoside, wie: das Quercitrin C2,H220i2 in der Rinde von Quercus tinctoria,
welche als Farbmaterial eine hervorragende Rolle spielt und die anderen pflanzlichen Gelb-
stoffe fast gänzlich verdrängt hat; ferner das SalicinCjsHjsO, in den Weiden und Pappelrinden;
das Aesculin CjäHjjOg in der Rinde der Roßkastanie, das Saponin CjjHjnOio in der Ouillaja-
Rinde, deren Abkochungen gleich jenen der Seifenwurzel zum Waschen von Schafwolle und
diversen Geweben benützt wird; das Populin C2„H220g-l-2 aq in der Pappelrinde; das Phloridzin
C2iH2iO,o-j-2 aq in der Rinde der Obstbäume und noch einige andere.
Stärke, Zucker, Gummi. Ein gewisser Stärkegehalt ist in den Gerbrinden
erwünscht.
A e t h e r i s c li e O e 1 e, Harze, Balsame. Die Zimtrinde, von mehreren Cinna-
momumarten stammend, dient als Gewürz, für medizinische Zwecke und zur Erzeugung von
Zimtöl.
Die Cascarilla-Rinde wird ihres ätherischen Oeles wegen in der Parfümerie, in der Medizin,
zur Herstellung von Weihrauch, Tabakbeizen etc. verwendet. Ueber Harze und ätherische
Oele siehe später).
Bitterstoffe und .\ 1 k a 1 o i d e. Den hervorragendsten Platz nehmen in dieser
Hinsicht die Chinarinden ein, welche von Bäumen der inSüdamerika einheimischen Cinchona ab-
stammen, gegenwärtig aber auch in melireren anderen Ländern kultiviert werden. Die größten
Produktionen weisen Ceylon und Java auf. Der Wert dieser Rinden liegt in ihrem Gehalt an
.\lkaloiden, deren heute 10 verschiedene, gut charakterisierte bekannt sind. Die wichtigsten
kristallisierbaren China-.Mkaloide sind: das Chinin und Chinidin (C2oH2,X202), sowie das Cin-
chonin und Chinchonidin (C,9H22N20). Der .Mkaloidgehalt der Rinden ist außerordentlich
variabel, von 1 bis 12 Proz. und auch noch darüber. Die Wurzelrinden sind im allgemeinen
36*
5ß4 IX D. S c h w a c k h ö r e r, Forstlich-Chemische Technologie.
reichhaltiger als die Stammrinden; auch geben die Rinden von den kultiv'ierten Bäumen mehr als
von den wildwachsenden. Die Alkaloide werden fabriksmäßig aus den Rinden gewonnen und
bilden eines der wichtigsten Arzneimittel.
Endlich sind als Rindenbestandteile noch anzuführen: Zellulose, Lignin, Suberin, Farb-
stoffe, Extraktivstoffe, Stickstoffsubstanz, Mineralbestandteile und Wasser. Der Stickstoff-
gehalt der Rinden ist höher als im Holze und beträgt in den älteren Stammrinden 0.4 — 0.6
und in der Reisigrinde 0.6 — 0.8 Proz. Der Gehalt an Mineralstoffen schwankt von 1.5 bis
über 7 Prozent und der Wassergehalt durchschnittlich zwischen 50 und 60, steigt aber auch
bis über 70 Proz. Ein höherer Wassergehalt ist speziell bei den Gerbrinden sehr nachteilig.
Auf feuchten Rinden siedeln sich sehr leicht Schimmelpilze (namentlich Pennieillium glaucum)
an, welche den Gerbstoff rasch oxydieren. Das möglichst schleunige Lufttrockenwerden der
Rinden ist daher ein Hauptertordernis bei der Rindengewinnung.
e) Kork.
§ 4. Die Korkschichte ist, wie schon früher erwähnt, ein Bestandteil der Rinde.
Bei den meisten Holzgewächsen ist aber diese Schichte sehr schwach. Nur bei einigen
Eichenarten entwickelt sich der Kork so mächtig, daß er gewonnen und technisch
verwertet werden kann. In hervorragender Weise ist dies der Fall bei der Korkeiche
„Quercus suber", welche in Algier und Marokko, sowie in Spanien und Portugal zu
Hause ist; femer auch bei einer mit der ersteren nahe verwandten Eichenart, ,, Quer-
cus occidentalis", die im südlichen Frankreich größere Bestände bildet. Auch in
Italien, Dalmatien und in der Türkei kommt Korkeiche vor, welche jedoch nur mindere
Korkqualitäten liefert. Bis zum 3. Jahre bleibt die Epidermis erhalten, dann erst
bildet sich Kork. Wenn die Stämme etwa 10 cm dick geworden sind, wird diese Kork-
schichte (der sog. männl. Kork) abgenommen. Er ist hart, spröde und zu Stöpseln
oder dergl. unverwendbar. In den folgenden Jahren entsteht der weiche, elastische
(sogen, weibliche Kork). Nach Verlauf von etwa 8—10 Jahren ist die Korkschichte
so dick geworden, daß sie abgeschält werden kann. Die Schälung wird dann alle
8 — 10 Jahre wiederholt, bis der Baum etwa 150 Jahre alt geworden ist. Die abge-
lösten Korkplatten sind 0.3 — 0.8 m^ groß und von 5 bis zu 20 cm dick. Sie werden an
der Außenseite von den anhaftenden Moosen etc. gereinigt, kurze Zeit in siedend
heißes Wasser getaucht, behufs Ouellung und Erweichung, sodann flach ausgebreitet,
gepreßt, getrocknet und in Ballen verpackt. Geschieht das Trocknen über freiem
Feuer, so wird die Außenseite dabei etwas gesenkt; die Ware heißt dann schwarzer
Kork, zum Unterschied von dem an der Sonne getrockneten weißen Kork.
Die AuI3enseite der Korkplatten ist rauh und besitzt Längsrisse, während die Innenseile
glatt erscheint und mit radialen Poren (Lenticellen) versehen ist. Je weniger Poren vorhanden
sind, desto wertvoller ist der Kork. Am Querschnitt tritt die Begrenzung der Jahresringe dftrch
dunklere wellige Linien hervor. Die Farbe des Korkes ist grau, gelbrot bis rötlich.
Die Korkzellen sind 5 — 6seitige, mit Luft gefüllte Prismen. Die Zellwand besteht nach
Höhnet aus 5 Lamellen, von welchen die mittlere aus stark verholzter Zellulose, die beiden un-
mittelbar anschließenden aus Suberin mit wenig Zellulose und die beiden äußeren aus schwächer
verholzter Zellulose gebildet sind.
Der charakteristische Bestandteil des Korkes ist das ,, Suberin", welches in einer Menge
von 7 0 bis 80% vorhanden ist. Es besteht der Hauptsache nach aus einem Gemenge von talg-
und wachsartigen Stoffen, mit einer nichtfettigen Substanz. Ferner sind im Kork vorhanden:
Gerbsäure, Phlobaphen, Phloroglucin, 1 — 3°o Stickstoff und 0.5% Asche. Lufttrockener Kork
enthält circa 4 — 5% Wasser.
Die wichtigsten Eigenschaften des Korkes sind: seine Elastizität, Undurch-
iässigkeit für Flüssigkeiten und Gase, Widerstandsfähigkeit gegen äußere Einflüsse,
außerordentliche Leichtigkeit und sehr geringes Wärmeleitungsvermögen. Die haupt-
sächlichste Verwendung findet der Kork bekanntlich für Stöpsel.
Feine Korke für Laboratoriumszwecke, Champagnerflaschen usw. müssen so geschnitten
sein, daß die Porenkanäle senkrecht zur Stöpsclachse stehen, um einen vollkommen dichten
Abschluß zu erzielen. Alle anderen Verwendungen (für Schuhsohlen, Schwimmgürtel, Fischerei-
artikel, elastische Unterlagen u. dgl.) sind von geringerem Belang. Dagegen finden die Kork-
Die chcraisclie Zii~aiuiiieiiM.'t7.ung des Holzes, der 1 linde und des Kuikes elc. § j. yßj
abfülle, welche sich beim Ziisclineiden der Stöpsel ergeben, aussredehnte Anwendnn? zur Er-
zeugung von Korksteinen und Linoleum. Die Abfälle werden zerkleinert mit einem Uindeinittel
vermengt und in Formen gepreßt. Korksteine werden als Wiirmeschutz-UniliüUungen für
Kalt- und Warmwasscr-Leitungen und Reservoire, für Dampfleitungen, Trockenlegung und
Isolierungen für .Mauerwände und dgl. verwendet.
Linoleum wird hergestellt, indem man Leinöl durch Kochen mit Salpetersäure oxydiert,
Korkpulver und Farbmaterialien einrührt, die so erhaltene Masse in dünner Schichte auf ein
Gewebe aufträgt und in hei(3er Luft weiter oxydiert, wobei sie fest wird. Linoleum dient als
Fußboden- und Sliegenstufenbclag, ist sehr dauerhaft und läßt sich leicht reinigen. Kamp-
tulikon (Kortizin), ebenfalls ein Fußbodenbelag, wird hergestellt aus einem Gemenge von Kork-
abfällcn mit Kautschuk, Guttapercha oder eingedicktem Leinöl, in Form von Platten. ,, Spa-
nisch Schwarz", eine scliwarzc Farbe, ist Korkkohle.
d) Gallen 1).
§ 5. Die Gallen oder Galläpfel sind krankhafte Gebilde von mehr oder minder
kugeliger Gestalt und Erbsen- bis Walnußgröße, die auf Blättern und jungen Zweigen
einiger Pflanzengattungen, besonders aber auf Eichen vorkommen. Sie entstehen
durch den Stich der Galhvespe, von welchen es mehrere Arten gibt. Dieselbe durch-
bohrt mit ihrem Legestachel die Haut der Blätter oder jungen Pflanzenteile und
deponiert in die Stichwunde ein befruchtetes Ei. An dieser Stelle bildet sich durch
Saftausfluß und Zellenerweiterung eine Anschwellung, welche die entstehende Larve
umschließt und derselben Nahrung bietet, bis das ausgewachsene Insekt die Hülle
durchbohrt und verläßt. Solange das Insekt seine Behausung noch bewohnt, also
noch nicht durchbohrt hat, sind die Galläpfel schwärzlich oder blaugrau, höckerig,
hart, schwer, sehr gerbstoffreich und besitzen im Innern eine Höhlung mit der mehr
oder minder entwickelten Galhvespe. Die bereits durchbohrten Galläpfel sind blaß-
gelblichgrau, glatt, schwammig, leicht und enthalten weniger Gerbstoff. Demnach
werden im Handel schwarze und weiße Galläpfel unterschieden.
Der wertvolle Bestandteil der Gallen ist die eisenbläuende Gallusgerbsäure
(Tannin), welche beim Kochen mit verdünnter Schwefelsäure und Kalilauge Gallus-
säure liefert:
Ci,H^ + H,0 = 2C£_e05
Tannin Gallussäure
Gute Galläpfel enthalten im lufttrockenen Zustand gegen 60% Tannin. Am
reichsten sind die chinesischen Gallen, deren Gerbstoffgehalt je nach dem Alter
zwischen 59 und 77 "o schwankt.
Der Stickstoffgehalt der Gallen ist gering. Als weitere Bestandteile sind zu
nennen: Dextrose, Stärke, Gummi, fettes Oel, Chlorophyll, Mineralstoffe und Wasser.
Der Aschengehalt beträgt 1 Vi — 2%. Der Wassergehalt ist in der frischen
Galle über 80, in der lufttrockenen etwa 12%.
Nach ihrer Herkunft werden unterschieden:
1. Die kleinasiatischen Galläpfel, von einer strauchartigen Eiche (Quercus
lusitanica) abstammend, welche kaum 2 m hoch wird. Der Stich rührt von der Wespe „Cy-
nips gallae tinctoriae" her. Diese Galläpfel sind kugelig bis eiförmig, mit mehr oder weniger
spitzen Höckern.
Die beste Sorte sind die aleppischen, von 2^', cm Durchmesser, dunkelgrün bis schwärz-
lich; Gerbstoffgehalt bis zu 60 Proz. Mindere Sorten sind die mossulischen von etwas hellerer
Farbe, die smyrnaer mit 3 — 5 cm Durchmesser, gelblich gefärbt und durchbohrt, Tanningehalt
nur 20 — 30 Proz., und die Bassora-Gallen (oder Sodomaäpfel), von ungefähr 4 cm Durchmesser,
braun gefärbt, sehr leicht und durchbohrt, Tannin-Gehalt im Mittel etwa 27 Proz.
2. Die europäischen Galläpfel sind kleiner als die vorgenannten und stammen
von anderen Eichenarten. Hierher gehören: die Moreagallen von Qu. Cerris, mit circa 30 Proz.
Gerbstoff; die Istrianer-Gallen von Qu. Hex, bis zu 40 Proz. Gerbstoff; die kleinen ungarischen
Gallen von Qu. sessiliflora und Qu. pedunculata, nur 1 cm groß; die großen ungarischen Gallen
1) Ausführlich behandelt von Dr. W. Figdor in Wiesners „Rohstoffe des Pflanzenreiches".
566 IX D. Sc h w a c k h ö f e r, Forstlich-Chemische Technologie.
von ly, bis 31/2 cm Durchmesser; die mitteleuropäischen Gallen von verschiedenen Eichenarten,
1 — 21/2 "cm groß, mit etwa 15°o Gerbstoff.
Eine besondere Art von Gallen sind die K n o p p e r n. Die echten ungarischen Knoppern
sind Auswüchse, welche durch den Stich der Gallwespe ,,Cynips calicis", und zwar an den
jungen Früchten von Ouercus pedunculata und Qu. sessiliflora entstehen. Während die
Eichel in ihrer Entwicklung zurückbleibt, bilden sich an ihrer Außenseite Auswüchse, welche
bisweilen so groß werden, daß sie selbst den Grund der Eichel umschließen. Diese Gebilde sind
gelbbraun gefärbt, unförmig, eckig und werden bis zu -t cm groß. Sie werden in den Eichen-
waldungen Ungarns, Slavoniens und der Bukowina vom .\ugust bis Oktober gesammelt und
bilden ein vortreffliches Gerbmaterial, welches nach Eitner 24 — 30" „ Gerbstoff enthält.
Die levantinischen Knoppern oder Valonen sind die becherartig verwachsenen Deckblätter
der Früchte einiger im südlichen Europa, Kleinasien und Syrien einheimischen Eichenarten.
Ihr Gerbstoffgehalt soll bis zu 45% beiragen.
3. Die chinesischen Galläpfel stammen nicht von Eichen, sondern von einigen
Rhus-Arten und sollen durch den Stich von Blattläusen hervorgerufen werden. Es sind feste,
ziemlich lichte, blasenartige Gebilde von der Größe einer Hasel- bis Walnuß, sehr unregel-
mäßig geformt und mit Höckern versehen. Sie kommen auf den Blattstielen, Fiederblättchon
oder Zweigspitzen vor und weisen einen sehr hohen Gerbstotfgehalt, bis zu 7 7% anf.
Auch auf einigen Pistacia- und Tamaria-.\rten finden sich erbsen- bis nußgroße Gallen,
die von Marokko, Algier, Persien, Arabien und Indien aus in den Handel gebracht werden.
II. Konservierung des Holzes.
§ 6. Allgemeines. Das Holz ist verschiedenen nachteiligen Veränderungen
ausgesetzt. Durch Wasser- Abgabe und -Aufnahme erfährt es Gestaltsveränderungen,
welche als Schwinden, Werfen und Reißen bezeichnet werden und namentlich im
zugerichteten und fertig bearbeiteten Holze gefürchtet sind. Verschiedene Insekten
zerfressen das Holz, bohren Gänge in dasselbe, wobei das sogenannte Wurmmehl
entsteht; einige derselben treiben dieses Zerstörungswerk nicht nur im lebenden
Baume, sondern setzen es auch noch in den bearbeiteten Hoizgegenständen fort.
Mikroorganismen pflanzlicher Natur zersetzen das Holz und veranlassen Fäul-
nis, Verwesung und Vermoderung desselben, wodurch allmählich eine Lockerung des
Gefüges, schließlich aber der gänzliche Zerfall der Holzsubstanz herbeigeführt wird.
Endlich wird das Holz auch von höher organisierten Pilzen befallen und zerstört,
unter denen vor allen der echte ,, Hausschwamm" (Merulius lacrymans) der gefürch-
tetste ist.
An allen diesen Schädigungen nimmt der Holzsaft, u. zw. sow^ohl das Wasser
wie auch die in demselben gelösten Bestandteile, als Nahrungsstoffe für die tierischen
und pflanzlichen Schädlinge, einen hervorragenden Anteil. Aber auch die Bestand-
teile des Holzskelettes sind als Nährsubstrate für diese Kleinlebewesen nicht zu
übersehen, wie ja dies die Vorgänge bei der Zerstörung organischer Substanz in der
Natur alltäglich lehren.
W. Omelianski i) ist es gelungen, die anaeroben (luftscheuen) Erreger der Wasserstoff-
und Methan-Gärung der Zellulose in Reinkultur zu züchten, zwei Stäbchen-Bakterien, welclie
sich in ihrem Jugendzustande nur durch ihre Größe und Form der einzelnen Stäbchen unter-
scheiden, später aber — zur Zeit der Sporenbildung — dieselbe Gestalt (eines Trommelschlägels)
annehmen. Der Methan-Bacillus ist in allen seinen .\bmessungen zarter als der Wasserstotf-
Bacillus.
Physiologisch charakterisieren sie sicli dadurch, daß die Methan-Bazillen die Zellulose
in Methan, Kohlensäure und flüchtige organische Säuren (der Hauptmenge nach Essigsäure
und Buttersäure) zerlegen, während die Wasserstoff-Bazillen, an Stelle des Methans, Wasser-
stoff abspalten.
Auch aerobe Bakterien vermögen die Zellulose zu spalten ebenso wie dcnitrifizicrende,
welche in Gegenwart von Zellulose Nitrate zu Nilriten reduzieren, die Zellulose selbst aber in
gleicher Weise zersetzen, wie die anaeroben. Das Gleiche gilt auch von gewissen Schimmelpilzen.
Welcher Art die Einwirkung der Mikroorganismen auf die Zellulose ist, konnte bis nun
mit Sicherheil noch nicht festgelegt werden; doch dürften auch hier, wie z. B. bei der Kei-
1) Lafar, Ilandb. der techn. Mykologie, III. Bd. Jena 1904—1
906.
Koiisüi-vieruiig des Holzes. § 7. 5ß7
mung der Samen liölicrer Pflanzen, Zelkiloso lösende Enzyme (Cytasen oder Zellnlascn) die
Vüllsländiffe Zerlegung der Zellulose vorljereilen. Auch das Mycel des Ilausschwamnies scheint
mittelst einer Cytase die Zellulose zu losen, um sie dann vielleicht auch als Nährstoff zu be-
nützen, jedenfalls aber um sich so den Eingang durch die Zellwandungen in das llolzinnere
zu bahnen.
Uie bekannten Erscheinungen der Trockenfäule, Rotstreifigkeit, des Blau-, Grau- oder
Braunwerdens des Rohholzes, der staubigen Verwesung desselben etc. haben alle ihren Grund
in Pilzwucherungen oder der .\rbeit von Mikroorganismen überhaupt, deren Erreger zum Teil
schon bekannt sind, zum Teil aber noch der Bestimmung harren.
Um nun das Holz vor allen den genannten Schädigungen zu bewahren, wird
es für viele Zwecke schon genügen, den in ihm enthaltenen Ueberschuß an Wasser
soweit abdunsten zu lassen, daß das Holz als gut lufttrocken gelten kann. Solch
trockenes Holz, eventuell noch mit einem dichten Ueberzug versehen, wird sich in
trockener Luft, z. B. unter Dach, viele Dezennien hindurch konservieren. Befindet
sich dagegen das Holz im Freien, so ist es von geringer Dauer, und am schnellsten
unterliegt es der Zersetzung im Boden, wo es oftmals durchnäßt wird, ohne inzwi-
schen gehörig austrocknen zu können. Anaerobe Bakterien finden hier ein geeig-
netes Feld und es ist dann in diesem Falle die Entfernung des Wassers resp. Zell-
saftes allein nicht ausreichend, sondern bakterizide Mittel, Antiseptika, müssen in
Anwendung gebracht werden, wenn man auf eine selbst nur mäßige Dauer des Holzes
reflektiert.
Dementsprechend sind denn auch die Methoden und Mittel, welche man zur
Holzkonservierung anwendet, dem speziellen Zweck entsprechend verschieden.
Die Methoden, welche zur Konservierung des Holzes in Anwendung kommen,
sind folgende: 1. Das Trocknen;
2. Das Auslaugen;
3. Das Dämpfen;
4. Die Umhüllung;
5. Die Imprägnierung.
§ 7. 1. Das Trocknen. Es ist dies die einfachste und ganz allgemein
angewandte Methode der Holzkonservierung.
Bleibt Holz im zugerichteten oder wenigstens entrindeten Zustande an der
Luft liegen, so verliert es fortwährend an Wasser, bis ein gewisser Gleichgewichts-
zustand zwischen dem Wassergehalte der Atmosphäre und der Hygroskopizität des
Holzes eingetreten ist. In diesem Zustande nennt man das Holz lufttrocken. Das-
selbe enthält dann noch 10 — 18% Wasser. Die Zeit, welche das Holz braucht, um
lufttrocken zu werden, ist in erster Linie von der Zurichtung abhängig. Die gewöhn-
lichste .^rt der Zurichtung des Werkholzes ist die Bretterform, und diese ist für die
Trocknung sehr gut geeignet, wenn die Aufschichtung so geschieht, daß sich die
einzelnen Bretter tunlichst wenig berühren und Luft überall frei durchstreichen kann.
Sind die Bretterstöße im Freien aufgestellt, was in der Regel der Fall ist, so sollen
sie durch ein übergreifendes Bretterdach gegen direkte Benässung und gegen Sonnen-
brand geschützt sein. Auch unter günstigen Bedingungen dauert es aber einige
Monate, bis die Bretter lufttrocken geworden sind. Faßholz wird, zu Rohdauben
zugeschnitten, in gleicher Weise in Stößen aufgeschichtet, an der Luft getrocknet.
Bei Holz von stärkeren Dimensionen, „Pfosten oder Rundholz", geht die Austrock-
nung naturgemäß langsamer vonstatten. Das größte Hindernis der Austrocknung
des Holzes in ganzen Stämmen ist die Rinde, welche einen fast dichten Abschluß
bildet. Berindete Stämme werden selbst nach jahrelanger Aufbewahrung nicht luft-
trocken und unterliegen schon nach kurzer Zeit der Zersetzung. Ganz besonders ist
dies bei sehr wasserreichen Holzarten, wie z. B. Birke der Fall.
568 IX D. Sc li w a c k h ö I e r, Forstlich-Chemische Technologie.
Um die Trocknung zu beschleunigen, wird zuweilen auch künstliche Erwär-
mung angewendet.
Die Trocknung geschieht in eigenen Trocken-Kammern oder -Kanälen, in wel-
chen das zu trocknende Holz liegend und quer auf die Zugrichtung so eingeschichtet
wird, daß die Luft zwischen den einzelnen Stücken ungehindert zirkulieren kann.
Kammern mit direkter Heizung, wobei das zu trocknende Holz mit den Heizgasen
in Berührung kommt, sind veraltet und nur für Hölzer, welche keine feinere Zurich-
tung erfahren, anwendbar. In allen anderen Fällen muß in Kammern mit Dampf-
oder Heißluftheizung getrocknet werden.
Die Größe des Trockenraumes ist der Länge des Holzes und der geforderten Leistung an-
gepaßt. Sehr große Räume sind nicht zweckmäßig, weil die Erwärmung und Austrocknung
keine gleichmäßige ist. Für sehr große Leistungen ist es besser, mehrere Kammern oder Kanäle
anzuwenden. Gewöhnlich geht man nicht über 300 bis 400 m' hinaus, wovon Ya auf die Holz-
füllung und -/^ auf den Luftraum entfallen. Häufig ist aber der Gesamtraum viel kleiner. Die
Grundfläche ist länglich viereckig. Die Kammern sind aus Mauerwerk oder aus Holz herge-
stellt. Im letzteren Falle muß für gute Isolierung durch Doppelwände mit schlecht leitendem
Füllmaterial gesorgt sein.
Bei Dampfheizung wird unter dem Lattenfußboden der Kammer ein Rippenheizrohr-
system gelegt, an welchem die vorüberstreichende Außenluft sich erwärmt und zwischen den
Latten in den Trockenraum aufsteigt. Zur Heizung dient in der Regel Auspuffdampf von der
Betriebsmaschine und ist durch Einschaltung einer Sicherungsvorrichtung dafür gesorgt, daß
ein schädlicher Rückstoß auf die Dampfmaschine nicht erfolgt. Das Heizrohrsystem hat ein
schwaches Gefälle, damit das Kondenswasser ablauten kann. Dampfheizung ist nur bei Fabrik-
anlagen zweckmäßig, in denen man die Wärme des .\uspuffdampfes ausnützen will. Häufig
reicht aber derselbe für sich allein nicht, so daß aucli noch direkter Kesseldampf zu Hilfe ge-
nommen werden muß, was diese .«Vrt der Heizung unökonomisch macht.
Die Heißluftheizung ist in den meisten Fällen vorzuziehen. Davon gibt es zwei Varianten:
die Ofenheizung und die Kanal- oder Rohrheizung.
Bei ersterer wird der Heizapparat (Ofen oder Kaloriffero) entweder unterhalb oder seitlich
neben der Trockenkammer aufgestellt. Die Heizvorrichtung besteht aus dem gemauerten
Feuerherd, an welchen sich ein gußeiserner Rippenheizkörper anschließt. Die .\ußenluft streicht
an dem Heizkörper vorbei und gelangt durch Zugöffnungen in den Trockenraura.
Bei der Kanalheizung ziehen die Heizgase durch einen dünnwandigen Chamottekanal
mit daranschließendem Blechrohrsystem. Der Feuerherd liegt außerhalb der Kammer in dem
Boden verlieft, während der Feuerzug unter dem Lattenboden des Trockenraumes verläuft
und in den Kamin einmündet.
Die Ventilation des Trockenraumes muß durch Schieber, Klappen oder Jalousien regu-
lierbar sein und erfolgt entweder durch den natürlichen Zug oder auf mechanischem Wege.
Im ersteren Falle ist ein entsprechend hoher und weiter Dunstschlot erforderlich. Um den
Effekt desselben zu erhöhen, führt man das Rauchrohr, durch welches die Essengase vom
Heizapparat entweichen, ein. Auch ist es zweckmäßig, eine drehbare Haube mit seitlicher
Ausströmung und Windfahne auf dem Schlot anzubringen. Diese Haube verhindert einen Rück-
stau bei windigem Wetter und wirkt immer saugend, gleichgültig von welcher Richtung der
Wind auch kommen mag.
Trotz dieser Vorkehrungen ist aber die Ventilation durch den Dunstschlot doch immer
von der Temperaturdifferenz zwischen Trockenraum und Außenluft abhängig. Es ist daher
dort, wo man eine bewegende Kraft zur Verfügung hat, die Lüftung auf mechanischem Wege,
durch Einblasen oder Absaugen der Luft, vorzuziehen, weil man damit in der Lage ist, die Ge-
schwindigkeit der Luftströmung nach Bedarf zu regulieren.
Es gibt Trockenanlagen für periodischen und solche für kontinuierlichen Be-
trieb. Bei ersteren, den Trockenkammern, wird das zu trocknende Holz eingeschichtet
und nach vollendeter Trocknung der Raum abkühlen gelassen und entleert. Bei
kontinuierlicher Arbeit, der Kanaltrocknung, wird das Holz auf Rollwagen regel-
recht verladen, an der rückwärtigen Stirnseite des Kanals eingefahren, je nach dem
Grade der Trocknung allmählich gegen die Richtung des Luftzuges nach der wär-
meren Zone vorgeschoben und am anderen Ende des Kanals ausgefahren. Für jeden
herausgerollten Wagen wird an der anderen Stirnseite ein mit frischem Holze be-
ladener eingeschoben, so daß der Kanal immer voll beschickt ist.
Bei der künstlichen Holztrocknung sind folgende Momente zu beachten :
Konsei-vivruiii; des Holzes. § 9. 5ß9
1. Das Holz darf nur bei mäßiger Temperatur getrocknet werden. Je feuciiter
das Holz ist, desto langsamer muß die Trocknung erfolgen. Zu rasches Erwärmen
hat ein Werfen und Reißen des Holzes zur Folge. Als Maximaltemperatur gilt 50 — 60"
C. ; in der Regel wird aber bei 35 — 40° C. fertig getrocknet.
2. Die Ventilation darf keine zu starke sein ; es genügt, wenn in etwa 5 Minuten
die Luft einmal erneuert wird. Uebrigens hängt dies hauptsächlich vom Feuchtig-
keitsgehalt der Luft ab. In sehr trockener Luft geht die Verdunstung des Wassers
zu rasch von statten und ist ein Rissigwerden des Holzes zu befürchten.
3. Das Holz muß nach der Trocknung noch etwa 10 — 12% Wasser enthalten.
Vollständig ausgetrocknetes Holz ist spröde, läßt sich schlecht bearbeiten, zieht be-
gierig Feuchtigkeit an und ist dadurch dem Schwinden ausgesetzt.
4. Die Zeitdauer der Trocknung ist verschieden, je nach der Form und Größe
der Holzstücke, dem Feuchtigkeitsgehalte und nach der Holzart. Für Bretter und
Hölzer von geringem Querschnitt überhaupt können 3 — o Tage, für stärkere Dimen-
sionen 8 — 10 Tage gelten.
Nach einem amerikanischen Patente wird die aus dem Trockenraum kommende, mit
Feuchtigkeit beladene Luft in einen Kondensator geleitet, um das Wasser durch Abkühlung
niederzuschlagen. Die teilweise entwässerte Luft kehrt durch den Heizapparat wieder in den
Trockenraum zurück, so daß mit ein und derselben Luftmenge die Trocknung zu Ende geführt
wird. Anfänglich wird die Luft nur wenig entwässert, so daß sie noch mit einem bestimmten
Feuchtigkeitsgehalt in die Kamiuor eintritt. Je weiter die Trocknung des Holzes fortschreitet,
desto mehr wird auch die Luft entwässert. Es soll dadurch einer zu raschen Trocknung und dem
damit verbundenen Schwinden und Reißen des Holzes vorgebeugt werden.
Dieses Verfahren ist nur dort anwendbar, wo große Wassermengen für die Kondensation
zur Verfügung stehen, und hat überdies noch den Nachteil, daß die Luft stark abgekühlt und
dann wieder erwärmt werden muß. Der gleiche Zweck läßt sich einfacher und billiger erreichen,
wenn die aus der Kammer abgesaugte, feuchte Luft mit einem gewissen sukzessive steigenden
Anteil von frischer Außenluft gemischt wird.
§ 8. 2. D a s Auslaugen. Es hat den Zweck, den Zellsaft zu entfernen.
Auch wird dadurch die hygroskopische Eigenschaft des Holzes abgeschwächt; es
wird eher lufttrocken, schwindet weniger und gleichmäßiger. Die einfachste Methode
des Auslaugens besteht darin, daß man zugeschnittenes, oder wenigstens von der
Rinde befreites Holz längere Zeit, mindestens einige Monate, in fließendem Wasser
liegen läßt. Die Auslaugung kann nur durch Diffusion erfolgen und geht daher
außerordentlich langsam vor sich. Stärkere Stämme müssen sogar mehrere Sommer
hindurch unter Wasser liegen bleiben. Zum Auslaugen soll nur frisch gefälltes Holz
verwendet werden. Bleibt dasselbe längere Zeit an der Luft liegen, so werden gewisse
Saftbestandteile unlöslich. Der Effekt des Auslaugens mit kaltem Wasser ist aber,
selbst auch bei frisch gefälltem Holze, kein sehr erheblicher. An eine vollständige
Entfernung aller löslichen Bestandteile des Holzes ist nicht einmal bei schwächeren
Stücken zu denken.
Besser gelingt die Auslaugung mit kochendem Wasser, welche jedoch nur bei
kleineren Holzstücken (Schindeln, Drechsler- und Wagnerholz) anwendbar ist. Als
Schutzmittel gegen die Zersetzung des Holzes ist das Auslaugen nur von untergeord-
neter Bedeutung; dagegen leistet es aber zur Verhinderung des Schwindens und
Reißens gute Dienste.
§ 9. 3. D a s Dämpfen. In jeder Beziehung effektvoller als das Auslaugen
ist das Dämpfen des Holzes.
Man benützt hierzu meist einen starkwandigen Holzkasten von 3 — 4 m Länge, V-/., — 2 m
Breite und Höhe, welcher mit Eisenspangen und Zugankern zum Nachziehen zusammengehalten
wird. Zur Dichtung der Stoßfugen benützt man Hanf- oder Zellulosepackung. Die beiden
Stirnwände sind behufs Beschickung und Entleerung des Kastens zum Abnehmen eingerichtet
und werden durch Eisenschienen mit umlegbaren Schraubenbolzen festgehalten. Die Dichtung
570 IX D. S c h w a c k h ö f e r, Forstlich-Cliemische Technologie.
geschieht in gleicher Weise wie bei den Stoßfugen. Der Kasten ist auf Polslerhölzer, etwas ge-
neigt gestellt und an der tiefsten Stelle mit einem Ablaufhahn für das Kondenswasser versehen.
.\m entgegengesetzten Ende des Kastens mündet das Dampfzuleitungsrohr ein. Um an Dampf
zu sparen, muß möglichst viel Holz in den Kasten eingebracht werden, wobei jedoch zu beachten
ist, daß sich die Flächen der einzelnen Holzstücke tunlichst wenig berühren. Bretter werden
hochkantig eingestellt.
Nachdem der Kasten beschickt und verschlossen ist, wird mit der Dämpfung begonnen.
In den ersten Stadien ist das ablaufende Kondenswasser ziemlich klar und nur wenig gefärbt;
später wird es trübe, dunkelgefärbt und besitzt einen eigentümlichen Holzgeruch von 'den aus-
gelaugten Extraktivstoffen. .Man setzt das Dämpfen so lange fort, bis das Kondenswasser klar
und farblos abläuft, zum Beweis, daß die Auslaugung, soweit sie überhaupt hier gelingt, be-
endet ist. Die Dämpfung nimmt je nach den Dimensionen der Holzstücke 40 — 80 Stunden in
Anspruch. Ein üeberdruck kann natürlich in einem Holzkasten nicht angewendet werden,
und wäre auch nicht zweckmäßig, weil das Holz dadurch an Festigkeit verliert. Nach dem
Dämpfen wird das Holz an der Luft oder in einem Trockenapparat ausgetrocknet. Statt der
Holzkästen verwendet man auch gemauerte oder eiserne Dämpfapparate.
Durch die Einwirkung des Dampfes verändert das Holz seine Farbe und wird
im allgemeinen dunkler. Buchenholz wird braun, Eichenholz schwarzbraun, Ahorn
rötlich, Kirschbaum gelb bis rot usw. Gedämpftes Holz ist dem Werfen und Reißen
weniger ausgesetzt, trocknet rascher und besitzt ein geringeres spez. Gewicht als
nicht gedämpftes von gleichem Trockenheitsgrade. Im noch warmen, durchfeuch-
teten Zustande, wie es aus dem Dampfkasten kommt, ist es biegsam und behält
die gegebene Form auch nach dem Erkalten und Trocknen bei. Von diesem Verhallen
wird bei der mechanischen Bearbeitung des Holzes für die Möbelfabrikation, VVagen-
bau, Schiffbau, Faßfabrikation etc. die ausgedehnteste Anwendung gemacht.
Eine andere Art der Dämpfung, welche zugleich eine Trocknung des Holzes bewirkt,
wurde zuerst in Amerika eingeführt und beruht auf der Anwendung überhitzten Wasserdampfes.
Das Holz wird in einen starkwandigen, mit einer Wärmesch\ilzhülle umgebenen Eisenkessel
gebracht und gespannter Dampf eingeleitet. Der Dampf passiert vor dem Eintritt in den Kessel
ein Röhrensystem, in welchem er nicht nur getrocknet, (d. h. von dem mitgerissenen Wasser
befreit), sondern auch überhitzt wird. Im .4nfang wird der Zellsaft durch den Dampf verdrängt
und mit dem Kondensationswasser abgelassen. Bei längerer Einwirkung des überhitzten Damp-
fes kann das Holz auf einen Feuchtigkeitsgehalt von 10°o gebracht werden. Dieses Verfahren
hat den Vorteil, daß die dem Holze schon vom Walde her anhaftenden parasitischen und sa-
prophytischen Pilze unschädlich gemacht werden, daß ferner ein Rissigwerden des Holzes nicht
eintritt. Dagegen aber sind als Nachteile zu bezeichnen: 1. Die großen .4nlagekosten, 2. der
unverhältnismäßig große Wärmebedarf, und 3. der Umstand, daß das Holz bei diesem Ver-
fahren sehr bedeutend an Festigkeit verliert.
§10. 4. Die Umhüllung des Holzes: a. Durch Polieren mit Schellack
oder Wachs; b. durch Anstrich mit Firniß, Lack, Teer und Teerpräparaten, sowie
das Ueberziehen mit Wasserglas; c. durch Ankohlen.
a. Das Polieren dient mehr zur Verschönerung und nur nebenbei zur
Konservierung des Holzes. Die gewöhnliche Holzpolitur ist eine weingeistige Lösung
von Schellack, welche mit einem zusammengeballten Lappen auf das vorerst glatt-
geschliffene Holz, unter Zugabe von ganz wenig Oel eingerieben wird. Zum Polieren
der getäfelten Fußböden (Parketten) dient Wachs, dem etwas Terpentinöl zugesetzt
ist. Das Einreiben geschieht mit steifen Bürsten. Auch Möbel werden auf diese Art
poliert. Die Wachspolitur besitzt weniger Glanz, läßt sich aber leichter auftragen
und mit weniger Mühe auffrischen als die Schellackpolitur.
b. Der Anstrich hat den Zweck, das Holz gegen Feuchtigkeitsaufnahme
(und damit auch gegen das Schwinden und Reißen) zu schützen, ferner das Eindringen
der Pilze zu verhindern. Häufig beabsichtigt man damit auch noch, den Holzgegen-
ständen ein gefälligeres Ansehen zu erteilen. Jeder wie immer geartete Anstrich
wirkt nur dann konservierend, wenn das Holz zuvor gut lufttrocken geworden ist.
Auf feuchtem Holze ist er geradezu verderblich, weil die Austrocknung dadurch ver-
hindert wird und das Holz um so schneller der Verderbnis unterliegt. Die gebrauch-
Konser\ icning des Holzes. § 10. 57 J
liebsten Anstrichmittel sind die Oelfarbenfirnisse, welche durch Zusammenreiben
der Farben mit Leinölfirnis hergestellt werden.
Das Leinöl gehört zu den trocknenden Oelen; es besitzt die Eigenschaft, Sauerstott aus
der Luft aufzuneliinen, sich <ial)oi zu vcirdicUen und in dünnen Schichten ganz fest zu werden.
Die Verdickung erfolgt viel rasclior, wenn man das Leinöl durch Erwärmen auf 250° C. künst-
lich oxydiert und mit Metallverbindnngen verreibt, welche sich darin lösen. Es dienen hiezu
hauptsächlich Blei- oder Manganverbindungen. .\m besten eignen sicli die Harzseifen dieser
beiden .Metalle, die sich schon bei wenigi^r hoher Temperatur (130 — 150" C.) in Leinöl leicht
und vollständig lösen. Diesen Zusatz nennt man Sikkativ; er ist ein geringer, auf .Metall be-
rechnet 0,1% Mangan oder 0,5% Blei. Ein derartig präpariertes Leinöl lieißt Firnis. .Vnstatt
Leinöl werden zuweilen auch andere trocknende Oele, namentlich Nuß- und Mohnöl verwendet.
Die beigemengten Farben geben dem Firnis eine größere Konsistenz und Deckfähigkeit. Um
das Anstreichen zu erleichtern, setzt man dem Firnis etwas Terpentinöl zu. Er wird dadurch
dünnflüssiger, läßt sich leichter auftragen, trocknet aber langsamer.
Das Anstreichen mit Teer ist nur für roh bearbeitete Holzgegenstände an-
wendbar und nur dort empfehlenswert, wo dieselben gegen die Einwirkung der direkten Sonnen-
strahlen geschützt sind, also hauptsächlich für Hölzer, welche in den Boden oder unter Wasser
kommen. Bei direkter Bescheinung durch die Sonne wird durch die schwarze Farbe des Teers
viel Wärme absorbiert und das Holz infolgedessen leicht rissig. Steinkohlenteer eignet sich als
Anstrichmittel besser als Braunkohlen-, Torf- oder Holzteer.
Um einen haltbaren, gut deckenden und bald erstarrenden Anstrich zu bekommen, muß
der Teer in einem Kessel soweit eingedickt werden, daß er in der Wärme noch genügend flüssig
ist, beim Erkalten jedoch sehr zähe wird und bald erstarrt. Ein geringer Zusatz von gebranntem
und zu trockenem Pulver abgelöschten Kalk erhöht die Konsistenz des Teeres. Auch ein Zu-
satz von Zement soll sich gut bewähren.
Der Teeranstrich ist dauerhaft und gewährt einen guten Schutz gegen das Eindringen
von Feuchtigkeit; eine wesentlich antiseptische Wirkung ist ihm aber nicht zuzuschreiben.
Auch dringt der Teer vermöge seiner schmierigen Beschaffenheit nicht in das Holz ein.
Von Teerpräparaten, welche als Anstreichmittel Verwendung finden, sind vor
allem das Karbolineum und das Antinonnin zu nennen.
Karbolineum ist ein Teeröl, welches etwa 10 — 15% Kresole(pag. 573) enthält; das Uebrige
sind indifferente Kohlenwasserstoffe. Es ist licht- bis tiefdunkelbraun gefärbt, riecht stark
nach Teer, hat ein spezifisches Gewicht von 1,13 — 1,19 und einen Siedepunkt von 250 bis über
360 » C. Es eignet sich als Anstrichnxittel für Pfähle, Zäune, Schleusen, Brückenhölzer u. dgl.
sehr gut. Der Gehalt an Kresolen soll 15% nicht übersteigen, da sonst die Holzfaser ange-
griffen wird.
Antinonnin besteht dem Wesen nach aus Dinitrokresolkalium C^Hj (NOjla . CH3 . OK
welcliem Glyzerin, Seife oder andere Stoffe zugesetzt sind, um die Explodierbarkeit, welche
den Nitroprodukten eigen ist, zu benehmen. Es kommt als orangfarbige Pasta in den Handel,
welche in einer Menge bis zu 5% in warmem Wasser löslich ist. In der Regel wird eine 2pro-
zentige Lösung angewendet und wenn der erste Anstrich trocken geworden ist, ein zweites
und eventuell auch ein drittes Mal gestrichen. Antinonnin dringt in das Holz ein und wirkt
ausgezeichnet antiseptisch. Es wurde mit großem Erfolge als Schulzmittel gegen die Nonnen-
raupe angewendet, daher der Name. Gegenwärtig findet es vielfache Anwendung gegen Haus-
schwamm, Schimmelpilze und Bakterien. Es werden sowohl Holzwerk als auch Mauerwände
damit gestrichen. Letztere übertüncht man noch mit Weißkalk oder mischt die Antinonnin-
lösung gleich der Kalkmilch in einer Menge von 2% zu.
Der .Antinonninanstrich ist vorzugsweise für solche Gegenstände zu empfehlen, welche
sich unter Dach befinden, während Karbolineum für Holzwerk im Freien sich besser eignet.
Ersteres ist nahezu geruchlos, wird aber leicht ausgewaschen, letzteres hingegen ist wider-
standsfähig gegen die Einwirkung von Wasser, hat aber den Nacliteil, daß es einen starken
Geruch besitzt, der in geschlossenen Räumen unangenehm zur Geltung kommt.
Es gibt noch eine ganze Reihe anderer Präparate, bezw. Mischungen, welche
als Anstrichmittel empfohlen werden. Ein häufig gebrauchtes Mittel dieser Art ist
das Mikrosol, eine blaugrüne pastenartige Masse, welche aus einer Mischung von
phenolsulfosaurern, kieselfluorsaurem und schwefelsaurem Kupfer, nebst indifferenten
Beimengungen besteht. Es wird so wie das Antinonnin als 2prozentige Lösung an-
gewendet. Auch Fluors'erbindungen, so z. B. das Antipolypin, bestehend aus ß-Naph-
tol, >satriumhydroxyd und Fluornatriuni, das Montanin (Kieselfluoraluminium) u. a.
werden für diesen Zweck benützt und in neuester Zeit Casein mit Formaldehyd
(CH2O), welches sich für gewisse Holzgegenstände vorzüglich. bewährt.
572 IX D. S c li w a c k h ö f e r, Forstlich-Chemische Technologie.
Für manche Verwendungen wird das Holz mit Wasserglas angestrichen. Das Wasserglas
ist ein Alkalisilikat, welches sich in kochendem Wasser löst und als 33- oder 66%ige Lösung
in den Handel kommt. In dünnen Schichten trocknet diese Lösung an der Luft rasch und gibt
einen glasartigen Ueberzug. Das Anstreichen muß 5- bis 6nial, und zwar mit immer stärkerer
Lösung wiederholt werden. Der erste Anstrich wird mit etwa 15- und der letzte mit unverdünn-
ter 66%iger Lösung ausgeführt. Ein neuerlicher Anstrich darf erst dann erfolgen, wenn der
nächst vorhergegangene vollkommen trocken geworden ist. Der Wasserglasanstrich ist nur
ein Flammenschutzmittel, aber kein Präservativ gegen Fäulnis und andere Arten von Zer-
setzungen des Holzes. Das mit Wasserglas überzogene Holz brennt nicht mit Flamme, sondern
verkohlt nur, und auch die Verkohlung geht nur langsam vor sich. Als anderweitiges Konser-
vierungsmittel ist das Wasserglas ganz untauglich, weil es durch die stark alkalische Reaktion
die Holzfaser angreift und überdies den Nachteil hat, daß es unter dem Einflüsse der Atmosphä-
rilien leicht verwittert. Das Alkalisilikat wird durch die Kohlensäure der Luft zerlegt, wobei
Alkalikarbonat entsteht und Kieselsäurehydrat ausgeschieden wird. Der anfänglich ganz glatte,
glasartige Ueberzug wird rauh, das Alkalikarbonat, welches in Wasser leicht löslich ist, wittert
aus, wird durch das Meteorwasser abgewaschen und in verhältnismäßig kurzer Zeit ist der
ganze Ueberzug verschwunden. Bei Gegenständen, die sich unter Dach befinden, hält der
Ueberzug etwas länger, fällt aber mit der Zeit auch ab.
Neben Wasserglas gibt es noch diverse andere Präparate, um Holz unverbrennlich zu
machen. Die meisten derselben haben aber den Uebelstand, daß sie hygroskopisch sind und
aus dem Holze ausschwitzen. Auch genügt ein bloßer Anstrich mit dem Flammenschutzmittel
in den seltensten Fällen, sondern es muß eine entsprechende Durchtränkung des Holzes auf
dem Wege der Imprägnierung platzgreifen, wenn man mit einer einigermaßen sicheren Wirkung
rechnen will.
c. Das Ankohlen wurde früher, namentlich für Schiffsteile, Brückenhölzer, Tele-
graphenstangen und Pfähle überhaupt häufig benutzt. Gegenwärtig ist man, verschiedener
Mißerfolge wegen, mehr davon abgekommen, auf den französischen Schiffswerften und in an-
deren technischen Etablissements wird aber das Ankohlen (nach L e d e b u r) noch in größerem
Maßstabe betrieben. Der Erfolg ist wesentlich von der Ausführung des Verkohlens abhängig.
Am besten gelingt das Ankohlen mit einer heißen, spitzen Gebläseflamme, welche stets nur
eine kleine Fläche des Holzes auf einmal erhitzt und in alle Spalten und Risse eindringt. Die
verkohlte Schichte soll nur ganz schwach, etwa 2 — 3 mm dick sein. Wird tiefer gekohlt oder
eine größere Fläche auf einmal erhitzt, so entstehen zahlreiche Risse im Holze, welche das
Eindringen der Feuchtigkeit und der Zersetzungsorganismen nur noch mehr begünstigen.
Auch würde bei tieferem Kohlen das Holz zu sehr geschwächt. Ein entschiedener Nachteil
ist die wasserhaltende Kraft der Kohlenschichte, wodurch die darunter befindliche Holzpartie
immer feucht gehallen wird und der Zersetzung zugängiger ist. Dieser Umstand wirkt nament-
lich bei Pfählen und anderen Hölzern, welche im Erdreiche angebracht sind, nachteilig.
5. Die Imprägnierung.
a) Imprägnierungsmittel.
§ 11. Trotz der großen Zahl von Substanzen, welche für diesen Zweck empfoh-
len und auch versuchsweise verwendet wurden und werden, haben sich doch nur
wenige dauernd pralctisch bewährt.
Von einem Imprägnierungsmittel verlangt man, daß es:
1. sehr gut konservierend wirkt; 2. tief in das Holz eindringt; 3. der Aus-
laugung widersteht und 4. billig ist. Allen diesen Anforderungen genügt kein einziges
der bisher bekannten Mittel vollkommen. Relativ am besten haben sich bewährt:
1. das Quecksilberchlorid,
2. das Kupfersulfat (Kupfervitriol),
3. das Zinkchlorid und andere Zinkpräparate,
4. das schwere Teeröl, und in neuerer Zeit
5. die Salze der Fluorwasserstoffsäure.
Das Quecksilberchlorid, HgClg, besitzt unter allen Metallverbin-
dungen die größte antiseptische Wirkung. Zum Imprägnieren des Holzes wurde dieses
Präparat zuerst von dem Engländer Kyan (1832) in Anwendung gebracht. Es
wirkt schon in minimalen Mengen ausgezeichnet konservierend, kann aber: 1. des
hohen Preises und 2. der außerordentlichen Giftigkeit wegen nur beschränkte An-
Konservierung des Holzes. § 11. 573
Wendung finden. Man benützt das Quecksilberchlorid heute nur noch auf einigen
kleineren Bahnen zum Imprägnieren der Schwellen. Für Hölzer zum Bau von Wohn-
häusern und Stallungen ist es seiner Giftigkeit und für Hölzer zu Wasserbauten
der leichten Auslaugung wegen nicht geeignet.
Der Kupfervitriol, CUSO4+5 aq, wirkt viel weniger antiseptisch als
das Quecksilberchlorid. Er ist zwar billiger, aber für alle allgemeinere Anwendung
noch immer zu teuer, zumal er möglichst rein sein soll. Der Kupfervitriol wurde
von dem Franzosen Bouchcrie (1857) zur Holzimprägnierung empfohlen und
wird hauptsächlich zur Imprägnierung von Telegraphenstangen angewendet. Für
Bauhölzer, Schwellen u. dgl. ist man davon schon längst abgekommen. Mit Kupfer-
vitriol imprägniertes Holz ist spröde und der Schimmelbildung unterworfen. Kommt
derartig präpariertes Holz im feuchten Zustande mit Eisen in Berührung (z. B.
durchgehende Bolzen oder Schrauben), so erfährt das Kupfersalz eine Zerlegung,
es bildet sich Eisenvitriol und Kupfer wird ausgeschieden.
CuS04+Fe=FeS04+Cu.
Das Z i n k c h 1 o r i d, ZnCl +2 aq, steht bezüglich seiner antiseptischen Eigen-
schaften noch hinter dem Kupfervitriol, hat aber diesem gegenüber den Vorzug der
Billigkeit. Es wird in den Imprägnierungsanstalteu durch Auflösen von Zinkabfällen
oder Zinkasche in Salzsäure dargestellt. Die Lösung darf keine überschüssige Säure
und nur Spuren von Eisensalzen enthalten, muß klar sein und soll eine Konzentration
von 3" B. (bei 17,5" C.) besitzen. Die mit Zinkchlorid imprägnierten Holzgegenstände
vertragen Oelanstrich ganz anstandslos, was bei den mit Quecksilberchlorid oder
Kupfersalz imprägnierten Hölzern nicht der Fall ist. Auch findet eine Zerlegung
des Zinkchlorides durch Eisen unter gewöhnlichen Umständen nicht statt. Ein Uebel-
stand ist die leichte Löslichkeit des Zinkchlorides. Es wird daher so wie das Queck-
silberchlorid aus dem Holze leicht ausgelaugt.
Nach einem Patente von C. B.Wiese in Hamburg wird anstatt Zinkchlorid
eine heiße Lösung von ß-naphtalinsulfonsaurem Zink angewendet. Diese Verbindung
ist in der Wärme leicht, in der Kälte hingegen schwer löslich und wird daher bei
gewöhnlicher Temperatur weniger leicht ausgelaugt als das Zinkchlorid.
Das schwere T e e r ö 1 übertrifft bezüglich seiner antiseptischen Wirkung
die beiden letztgenannten Metallverbindungen weitaus und kommt dem Quecksilber-
chlorid nahe.
Unterwirft man Steinliotilenteer einer fraktionierten Destillation, so werden der Haupt-
sache nach 5 verschiedene Produkte erhalten:
1. das Leichtöl (Benzol und seine Homologen);
2. das Mittelöl (Karbolsäure und Naphtalin);
3. das Schweröl (Kresol, Chinolin, Naphtalin und Homologe);
5. Pech, als Destillationsrückstand.
Während man früher den Gehalt eines Teeröles an saueren Bestandteilen (Karbolsäure
und deren Homologen) für die Holzkonservierung als allein wertvoll ansah, hat Seidenschnur ^)
nun durch eingehende \'ersuche den Beweis erbracht, daß auch ein von diesen, in Natronlauge
löslichen, Körpern befreites Steinkohlenteeröl eine hohe desinfizierende und konservierende
Wirkung besitzt. Seidenschnur gewann aus Schwellen, welche mit stark kreosothaltigem Teeröl
imprägniert worden waren und nach Ißjähriger Verwendung im Geleise noch keine Spur von
Fäulnis zeigten, durch Extraktion ein Oel, welches fast nur aus hochsiedenden Anteilen bestand
und keinerlei leichtflüchtige Körper oder sauere und basische Bestandteile enthielt. Da nun
diese Schwellen, trotz des Fehlens der als eigentlich wirksam angenommenen Bestandteile des
Teeröles, der Fäulnis widerstanden und noch eine Reihe von Jahren zu widerstehen vermocht
hätten, so ergibt sich daraus, daß auch die neutralen, hochsiedenden Bestandteile des ursprüng-
lich verwendeten Imprägnierungsöles eine vorzüglicfie antiseptische Wirkung geäußert haben,
und im allgemeinen, daß die Wirkung eines gewöhnlichen Teeröles nicht aufhört, wenn die
saueren Bestandteile desselben durch Auswaschen oder dgl. entfernt sind.
1) F. Seidenschnur, Zur Frage der Holzkonservierung, Chem. Ztg. 1909.
574 IX D. S c h w a c k h ö f e r, Forstlich-Chemische Technologie.
Seidenschnur hat nun, veranlaßt durch die antänglichen Mißerfolge, welche sich beim
Ersatz des Teeröles durch rohes Erdöl ergaben, seine Untersuchungen auch auf die schweren
Kohlenwasserstoffe dieses letzteren ausgedehnt und ist dabei zu folgenden Resultaten ge-
gekommen:
1. Die neutralen Bestandteile des Erdöles haben keine Holz konservierende Eigen-
schaften ;
2. durch Behandlung (Destillation) mit Schwefel erhalten sie eine hohe antiseptische
Kraft;
3. das fast nur aus neutralen und hochsiedenden Körpern bestehende Anthrazenöl ist
dem an saueren Bestandteilen reichen Imprägnieröl überlegen, und
4. die antiseptische Kraft des mit Schwefelzusatz destillierten Oeles steht der des ge-
wöhnlichen Teeröles und des Anthrazenöles um 15 — 20°ö nach.
Daraus folgt, daß in Ländern, welche über ausgiebige Erdölquellen verfügen und die
das Tceröl relativ teuer bezahlen oder einführen müssen, dieses ,,Schwefelör' mit Erfolg zur
Konservierung des Holzes verwendet werden kann.
Die öligen ImprägnierungsmiÄel dringen nur im warmen Zustande gut in das
Holz ein, widerstehen aber der Auslaugung durch die Atmosphärilien vortrefflich.
Trotz ihres hohen Preises sind sie heute für die Imprägnierung von im Freien ver-
wendeten Holz, namentlich Schwellen, Leitungsmasten etc. fast ausschließlich in
Verwendung.
Da die Zusammensetzung der von den Destillerien auf den Markt gebrachten
Steinkohlen-Teeröle eine ziemlich schwankende ist, so erlassen die Großkonsumenten
von mit Teeröl imprägniertem Holz, also in erster Linie die Balmverwaltungen,
jeweilig eigene Vorschriften über die Beschaffenheit des für ihre Zwecke zu ver-
wendenden Imprägnierungäöles.
Die bei den deutschen und österreichischen Bahnverwaltungen derzeit gültigen Vor-
schriften lauten:
Das Teeröl darf nur aus Steinkohlenteer erzeugt sein. Der Gehalt an saueren Bestand-
teilen, welche in Natronlauge vom spez. Gew. 1,15 löslich sind, muß mindestens 6% betragen.
Bei der Destillation dürfen, nach deutscher Vorschrift, bis 150° C. höchstens 3°o, bis 200° C.
höchstens 10%, bis 235 " C. höchstens 2ö°ö überdestillieren; nach österreichischer Vorschrift
dürfen höchstens 3% unter 150 ° C, die Hauptmenge aber soll zwischen 180 und 350 ° C. über-
destillieren. Die österreichische Vorschrift fordert, daß das Imprägnierungsöl bei der Impräg-
nicrungstemperatur dünnflüssig und frei von ungelösten Stoffen sowie schmierigen Bestand-
teilen ist, so daß es, auf lufttrockenes Stirnholz gegossen, in dasselbe eindringt, ohne andere
als ölige Bestandteile zu hinterlassen.
Das spezifische Gewicht bei 15 ° C. soll zwischen 1,01 und 1,1 liegen, nacli der deutschen
Verordnung zwischen 1,04 und 1,15. Nach der letzteren muß das Oel bei 40 " C. klar sein und
beim Vermischen mit gleichen Raumteilen Benzol (kristallisierbares) klar bleiben, ohne mehr
als Spuren ungelöster Körper auszuscheiden. Zwei Tropfen dieser Miscliung sowohl als auch
des unvermischten Oeles müssen, auf mehrfach zusammengefaltetes FiUrierpapier gegossen,
von diesem vollständig aufgesogen werden, ohne mehr als Spuren, d. h. ohne einen deutlichen
Flecken ungelöster Stoffe zu hinterlassen.
In beiden Staaten gültig: Die Kontrolle über die Beschaffenheit des Imprägnierungsöles
sowohl wie auch über die Durchführung der Imprägnierung selbst, muß den hiefür amtlich
bestimmten Organen jederzeit gestattet sein.
Da — wie schon erwähnt — das Teeröl mitunter ein kostspieliges Imprägnierungsmittel
ist, so hat man vielfach Versuche unternommen, dasselbe entweder teilweise durch andere
billigere Mittel zu ersetzen oder es in fein verteilter Form als sog. Emulsion anzuwenden.
Die Emulgierung von Teeröl gelingt leicht, bei Einhaltung ganz bestimmter Bedingungen, mit
.Mkaliseifen oder nach einem Patente von G. Rütgers mit .\mmoniak resp. geeigneten .-^mmon-
salzen.
Praktisch haben sich diese Mittel aber nicht bewährt, und vor allem aus dem Grund,
weil durch das Sparen an Konservierungsmittel auch die Dauer und Wirkung der Konser-
vierung beeinträchtigt wird.
Die Fluorwasserstoff-Säure und ihre Salze sind als
Bakteriengifte schon lange bekannt und als solche zur Immunisierung der verschie-
densten Stoffe verwendet worden.
Die Flußsäure (HF) wird durch Erhitzen von Flußspat oder Kryolith mit konzentrierter
Schwefelsäure, in Platin- oder Bleiretorten erhalten.
CaFj + HoSO, = CaSOj -f 2 HF
Die Konservierung des Holzes. § 11. 575
Sie bildet ein rauchendes, giftiges, ätzendes Gas, welches beim .\bkühlen zu einer farblosen
Flüssigkeit verdichtbar ist, die bei 19» C. siedet, bei — 102,5° C. erstarrt und sehr li^ichl in
Wasser löslich ist. FluOsäure löst alle .Metalle, mit .\usnahnie von Gold, Platin und Blei, unter
Wasserstoffentwicklung zu ihren Salzen, den Fluoride n. Glas greift sie an inid bildet mit
dem Hauptbestandteil desselben, dem Silicium, das Siliciumfluorid, weshalb sie nur in Platin-,
Blei- oder Hartgummiflasclicn aufbewahrt werden kann.
Die Fluoride sind, mit .\usnalime derer der Calciumgruppe, alle in W'asser löslich.
Sie wirken weniger antiseptiseli als die Flußsäure, welche aber als solche praktisch keine Ver-
wendung finden kann. .-\iif die Holzsubstanz wirken weder diese nocli jene scliädlieli.
.\uf die Bedeutung der Fluoride als Holzkonservierungsmittel wurde zuerst von Malen-
kovic ') hingewiesen und von J. .Netzsch -) wurden dieselben einer eingehenden Untersuchung
unterzogen.
Derzeit stehen hauptsächlich die Fkioride der Alkalien und des Zinks in prak-
tischer Erprobung und aus den bisher gewonnenen Resultaten ergibt sich, daß die
Fluoride sowohl betreffs Wirksamkeit, wie auch in punkto Kosten den übrigen
Konservierungsmitteln nicht nachstehen. Als wasserlösliche Substanzen teilen sie
natürlich das Schicksal aller ihnen gleichen Mittel.
Von den vielen anderen, für spezielle Zwecke mit wechselndem Erfolg angewendeten,
Mitteln seien hier nur einige wenige genannt: p naphtalinsulfosaures Magnesium, Kochsalz-
lösungen (Salzsole), das Fluorpräparat ,,Hylinit", Kieselfluornatrium, Lösungen von Schwer-
metallsalzen und Alkalifluoriden, Lösungen von Harz und Harzseifen, Wachs, Paraffin, Stearin-
säure, von Holzteeren mit Pectinsäure und Teeröl im Gemisch, von Kresolcalcium, Rohpctro-
leum etc.
Außer diesen, hauptsächlich der Konservierung des Holzes dienenden Mitteln werden
noch eine Reihe von Imprägnierungsflüssigkeiten verwendet, welche entweder ein sog. Här-
ten oder ^■ulkanisie^en resp. ein sog. .\ I t m a c h e n (Senilisieren) des Holzes oder
ein Feuersichermachen des Holzes bewirken sollen.
Nach einem Verfahren von Powell ') wird frisches oder auch trockenes Holz mit Zucker-
lösung einige Zeit hindurch gekocht und dann auf 35 ° C. abkühlen gelassen, wobei die Zucker-
lösung vom Holze begierig aufgesaugt wird. Nach Ablassen der überschüssigen Zuckerlösung
wird heiße Luft eingeblasen und dadurch ein Erstarren und teilweises Karamelisieren des
Zuckers sowie Verdampfen des im Holze enthaltenen Wassers bewirkt. Für billiges Holz wird
Melasse, für feine Holzsorten, welche auch eine gute Politur vertragen sollen, wird Zucker
besserer Qualität verwendet. Derart imprägniertes Holz hat eine größere Härte, Zähigkeit
und Elastizität; es reißt und schwindet nicht, wirft sich nicht und ist auch gegen große Tempe-
raturunterschiede nicht empfindlich.
In London hat sich diese .\rl der Imprägnierung für Holzpflaster sehr gut bewährt, wel-
ches dem mit Teeröl imprägnierten gegenüber noch den \orzug besitzt, daß es geruchlos ist.
Die .\nwendung anderer Härtungsniittel beruht meist auf der Wechselwirkung zweier
oder mehrerer Stoffe, aus denen dabei unlösliche ^'erbindungen ausgeschieden werden, welche
sich auf und zwischen den Holzfasern niederschlagen und diesen so eine größere Festigkeit und
Widerstandsfähigkeit verleihen.
Als Flammenschutzmittel dienen vornehmlich die Lösungen anorganischer Salze, wie
z. B.: Wasserglas, .\laun, IS'atrium-Wolframat-Phospliat oder -Aluminat, -\mmonium-Sulfat-
Phosphat-Wolframat ohne und mit Borsäure oder wasserlöslichen Zinksalzen im Gemisch, Ge-
mische der Mineralsäuresalze mit .\cetaten oder Formiaten u. a. m.
Endlich sei noch der verschiedenen Mittel zur Imprägnierung des Holzes behufs Fär-
bung desselben gedacht.
Man bezweckt damit fast ausschließlich eine ^'erbesserung minderer Holzsorten für das
Auge des Beschauers, also eine \'erschönerung, wodurch geringerwertige Holzware für spezielle
Verwendungsarten namentlich in der Bau- und .Möbeltischlerei besser verwertbar wird. Diesem
Zwecke dienen Imprägnierungsmittel zweierlei .\rt. Entweder man verwendet Lösungen von
Stoffen, welche erst in Verbindung mit der Holzfaser und durch die Einwirkung des Sauer-
stoffes der Luft die gewünschten .Xuancierungen liervorrufen (hieher gehörig die Clironi-und
Eisenbeizen), oder man färbt direkt, durch Tränken des Holzes mit natürlichen oder künst-
lichen Farbstofflösungen (Farbholzextrakten oder Teerfarbstoffen).
1) Malenkovic, Die Holzkonservierung im Hochbau, Wien-Leipzig 1907.
2) Netzsch, Die Bedeutung der Fluorverbindungen für die Holzkonservierung. Inaugural-
dissertation, München 1909.
3) Z. f. angew. Chemie 1906.
576 IX D. S c li w a c k h ö f e r, Forstlich-Chemische Technologie.
b) Imprägnierungsmethoden.
Dem Wesen nach stehen 6 verschiedene Methoden in Anwendung: •
1. das sogenannte Einsumpfverfahren,
2. das hydrostatische Druckverfahren,
3. das Einpressen mit einer Druckpumpe,
4. das pneumatische Druckverfahren,
5. das Behandehi des Holzes mit Teeröldampf,
6. die Imprägnierung auf elektrischem Wege.
§ 12. Das Einsumpfverfahren (oder Kyanisieren). Es ist das ein-
fachste Verfahren, weil es keine besonderen Einrichtungen und kein geschultes
Arbeitspersonal voraussetzt. Es kann aber nur für energisch wirkende, wasser-
lösliche, also leicht in das Holz eindringende Mittel, wie z. B. das Quecksilberchlorid
und die Fluoride, Anwendung finden. Die Lösungen des Imprägniermittels dürfen
nur in geringer Konzentration verwendet werden und auch dann ist die vollständige
Durchtränkung des Holzes nicht zu erreichen. Das Holz muß gut lufttrocken sein,
weil in feuchtes Holz die Lösung überhaupt nicht eindringt, und wird in fertig fasso-
niertem Zustande der Tränkung übergeben. Eine nachträgliche Zurichtung ist bei
Verwendung sehr stark giftig wirkender Mittel von vornherein ausgeschlossen,
und außerdem würden dadurch die gerade am besten imprägnierten Partien entfernt
werden.
Zum Einsumpfen des Holzes in das Imprägniermittel verwendete man früher
vollkommen dichte Kästen aus Eichen- oder Lärchenholz, welche nun fast ausschließ-
lich durch Zisternen aus Zementbeton oder für gewisse Mittel auch aus Eisen er-
setzt sind.
Weiches Holz von den Dimensionen der Bahnschwellen soll 8 — 10, hartes Holz
12 — 14 Tage in der Lösung verweilen. Nach der Imprägnierung muß das Holz noch
einige Monate an der Luft liegen bleiben, damit sich das Imprägnierungsmittel
tiefer in das Holz einsaugt.
§ 13. Das hydrostatische Druckverfahren wurde zuerst
von Boucherie in Anwendung gebracht und besteht dem Wesen nach in folgendem :
Auf dem unteren Hirnende des noch mit voller unverletzter Rinde versehenen
Stammes wird eine hölzerne Schlußplatte derart angelegt, daß eine schmale (etwa
1 cm tiefe) dicht schließende Kammer entsteht. Den dichten peripherischen Ab-
schluß bildet ein gefettetes Hanfseil oder besser ein Kautschuckring, gegen welchen
die Schlußplatte mittelst einer quer über dieselbe liegenden Holzspange und zwei
Schrauben fest angepreßt wird. Diese Kammer steht durch einen Guttapercha-
schlauch mit dem Fallrohr eines 10 m hoch stehenden Reservoirs, welches die Im-
prägnierflüssigkeit enthält, in Verbindung, so daß ein Flüssigkeitsdruck von un-
gefähr 1 Atmosphäre auf die Stirnfläche des Stammes einwirken kann. Infolge dieses
Druckes wird der Zellsaft aus dem Stamme verdrängt und durch die Imprägnierungs-
flüssigkeit ersetzt.
Das für die Imprägnierung bestimmte Holz soll frisch gefällt sein. Bleibt es längere Zeil
an der Luft liegen, so nimmt der Saft (namentlich zur Sommerszeit) eine schleimige Beschaffen-
heit an und läßt sich dann nur schwierig aus dem Holze verdrängen. Holz, welches nicht sofort
imprägniert werden kann, wird am besten in fließendem Wasser aufbewahrt. Das im Winter
gefällte Holz imprägniert sich leichter als das Sommerholz; am schwierigsten ist das in der
Hauplsafttriebperiode (April und Mai) gefällte Holz zu imprägnieren. Die Tränkungsfähigkeit
der verschiedenen Holzarten ist eine sehr ungleiche. Die sogenannten Splintbäume, Reifholz-
bäume und Reifholzkernbäume lassen sich am leichtesten imprägnieren. \'iel schwieriger gelingt
dies bei den sogenannten Kernholzbäumen, bei welchen nur der Splint durchdrungen wird, das
Kernholz aber fast unberührt bleibt. Vorzugsweise werden die Buche, Fichte und Tanne
Konservierung des Holzes. § 14. 577
nach dieser Methode imprägniert. Die Buclic eignet sich für diesen Zweck ganz vorzüglich,
zeigt aber nicht selten in der Mitte des Stammes eine Partie von blaßroter bis brauner Farbe,
welche der Durchtränkung widersteht. Bei den Nadelhölzern ist ein großer Harzreichtum
für die Imprägnierung nachteilig. Bouchcrio verwendete als Imprägnierflüssigkeit eine l%ige
Lösung von Kupfervitriol, und zwar zur Imprägnierung von Masten für Telegraph- und Tele-
phonlcitungen, welches aber heute fast gänzlich aufgelassen und durch die wirksameren
Fluoride resp. durch das Teeröl verdrängt worden ist. (Die Imprägnierung mittelst des
letzteren erfolgt natürlich auf pneumalischem Wege).
Der Verlauf der Imprägnierung nach dem Boucherie-Vertahren gestaltet sich im allge-
meinen nun folgendermaßen:
Bereits wenige Minuten nach Beginn des Flüssigkeitsdruckes auf das, durch die Kammer
eingeschlossene, Stirnende des Holzes tritt an dem freien Stammende Holzsatt aus. Nach und
nach kommt eine Mischung des Holzsaftes mit dem Imprägniermittel, welche immer reicher
an letzterem wird, bis endlich ein gewisser Gehalt an diesem in der ablaufenden Flüssigkeit
erreicht ist, worauf der Zulauf abgesperrt wird. Bei der Imprägnierung mit Kupfersulfal wird
der Zulauf der l°„igen Lösung abgestellt, sobald die austretende Kupferlösung 3/4 " B. zeigt
und hierauf mit einer i,'„%igen Lösung nachgewaschen. Diese zweite verdünnte Lösung hat
nur den Zweck, die bei der ersten Imprägnierung durch Ausscheidung von Kupferhydroxyd
frei gewordene Schwefelsäure aus dem Stamme zu verdrängen. Mit der verdünnten Lösung
wird so lange nachgewaschen, bis die austretende Flüssigkeit nicht mehr sauer reagiert.
Bei der Imprägnierung mit Fluoriden wendet man Laugen in einer Stärke von 3 — 5 ° B.
an und stellt den Zulauf des Imprägniermittels ab, wenn der .\blauf 0,5 — 2 " B. zeigt. Ist die
Imprägnierung beendet, so wird die Verschlußkammer abgenommen, der Stamm entrindet und
an der Luft getrocknet.
Die Dauer der Imprägnierung ist je nach der Holzart, Fällungszeit, Länge und Stärke
des Stammes verschieden und beträgt 48 bis 100 Stunden und darüber.
Der bei Beginn der Imprägnierung aus den Stämmen ablaufende Holzsaft ist wertlos und
wird nicht aufgesammelt.
Die später nachkommende, Imprägniermiltel-haltige Flüssigkeit aber gibt man nicht
verloren, sondern sammelt sie, um sie, nach entsprechender Reinigung und Ergänzung auf den
ursprünglichen Gehalt, wieder zu %-erwenden. .-Vrbeitet man mit Kupfervitriol, so gewinnt man
aus den sehr verdünnten Lösungen das Kupfer durch Fällung mit Eisen, während man die
I2 °-B. zeigenden Lösungen über Sand filtriert und durch Zugabe von Kupfervitriol auf l°o
ergänzt.
Das hydrostatische Druckverfahren ist in der letzten Zeit fast vollständig
außer Kurs geraten, da es Anforderungen an das zu imprägnierende Holz stellt,
welche nicht leicht erfüllt werden können. Die Nachteile dieses Verfahrens sind
folgende: 1. muß frisch gefälltes Holz mit möglichst unverletzter Rinde in An-
wendung kommen. Alle Bringungsarten, bei welchen eine erhebliche Verletzung
der Rinde stattfindet, sowie jeder weitere Transport des Holzes überhaupt, sind
unzulässig; 2. können nur solche Hölzer, welche eine weitere Bearbeitung nicht
erfordern (also Leitungsmaste und runde Bauhölzer), mit Vorteil imprägniert werden,
da bei einer eventuellen Zurichtung die am meisten durchtränkten Partien des Holzes
in Abfall kommen; 3. geht immer ein Teil des Imprägnierungsmittels verloren,
wodurch das \'erfahren wesentlich verteuert wird; 4. nimmt die Imprägnierung
unverhältnismäßig lange Zeit in Anspruch, und da immer nur wenige Stämme gleich-
zeitig in Arbeit genommen werden können, so ist dieses Verfahren für Massenproduk-
tion, oder für einen Großbetrieb überhaupt, nicht geeignet.
§ 14. Das Einpressen der Imprägnierungsflüssigkeit
mittelst einer Druckpumpe nach dem Patente .J. Pfister. Im Prinzip
stimmt dieses Verfahren mit dem vorgenannten völlig überein. Der Hauptunter-
schied der beiden Methoden liegt nur darin, daß Pfister an Stelle des hydrostatischen
Drucks den Druck einer Pumpe setzt und diesen somit ohne besondere Schwie-
rigkeiten ad libitum steigern kann. In Rücksicht auf dieses letztere Moment
müssen beim Pfisterschen Verfahren entsprechend stark konstruierte Verschluß-
kanunem verwendet werden, welche aus Metall (Eisen oder dgl.) gefertigt sind und
durch passende Vorrichtungen gegen den Stamm abgedichtet werden.
Handb. d. Forstwiss. 3. Aufl. II. 37
578 IX D. S c h \v a c k li ö f e r , Forstlich-Chemische Technologie.
Die ursprüngliche Pfistersche Verschlußkamraer bestand aus einer Eisenplatle mit
scharfer Stahlschneide, welche in die glatt abgesägte, untere Hirnfläche des Stammes einge-
trieben wird. Das Festhalten des Verschlußstückes erfolgte mittelst eines Spannkreuzes, das
von Klammern gehalten wird, welche außen in den Stamm eingeschlagen und mit Stellschrau-
ben festgezogen werden. Pfister hat dann seinen Verschluß derart abgeändert, daß an die Stelle
der Stahlschneide ein Dichtungsring aus Kautschuk oder einem ähnlichen, weichen Dichtungs-
material tritt, der einen rechtwinkeligen Querschnitt besitzt und leicht jedem Stammumfang
angepaßt werden kann. Die zum Einpressen der Imprägnierflüssigkeit dienende Druckpumpe
ist auf einem trag- oder fahrbaren Gestell montiert und wird durcli Kautschukschläuche mit
den zu imprägnierenden Stämmen bezw. Verschlußklammern in \"erbindung gesetzt. Der
ausgeübte Druck kann — wie schon erwähnt — nach Bedarf bis zu 10 Atmosphären gesteigert
werden. Die Zeitdauer der Imprägnierung ist, infolge des viel höheren Druckes, eine sehr kurze
und beträgt je nach der Holzart und Länge der Stämme nur wenige Minuten bis 2 Stunden.
Dieses Verfahren erfordert nur ein geringes Anlagekapital, die Hölzer können unmittelbar
nach erfolgter Fällung gleich an Ort und Stelle imprägniert werden, wodurch eine Beschädigung
der Rinde durch den Transport ausgeschlossen und ebenso ein Schleiraigwerden des Saftes in-
folge längeren Liegens des Holzes vor der Imprägnierung vermieden wird. Die Fällung kann
zu jeder Jahreszeit vorgenommen werden, ohne das Imprägnierungsresultat zu beeinträch-
tigen.
In entsprechend modifizierter Form, d. h. mit eigens für den Zweck konstruierten Ver-
schlußkammern, wird dieses Verfahren auch zum Färben des Holzes angewendet i).
Um eine Imprägnierung des Holzes, durch Einpressen der Imprägnierflüssigkeit
mittelst mechanischen Drucks, auch am entrindeten Stamme vornehmen zu können,
hat Ing. E. Köpfer eine Art Verschlußkammer konstruiert, welche den ganzen Stamm
umschließt und so die natürliche Decke des Baumes (die Rinde) durch eine künst-
liche ersetzt. Die Einrichtung besteht der Hauptsache nach aus einem druckfesten
Rohr, welches, entsprechend der Länge des Holzes, aus mehreren Stücken mit Hilfe
von Flanschen, Dichtungsringen und Schrauben zusammengesetzt wird. Das eine
Ende des Rohres wird mit einem Deckel, das andere mit einem, den Stamm über-
greifenden Ring seitlich gegen den Stamm abgedichtet. In dem Deckel und an
dem Rohr befinden sich Einlaßöffnungen für Druckluft und Imprägnierflüssigkeit;
an dem Rohr auch ein entsprechender Auslaßstutzen. Ist der Apparat fertig mon-
tiert, so wird vorerst mit Druckluft der Holzsaft ausgetrieben und sodann die Im-
prägnierflüssigkeit in das Holz (durch den Deckel) und in das Rohr gleichzeitig
so lange eingepreßt, bis sie am freien Stammende austritt.
Durch die Einschaltung entsprechender Dichtungsringe zwischen die Teile des
Rohres kann man auch die Möglichkeit schaffen, nur einzelne Partien des Stammes
zu imprägnieren.
§ 15. Das pneumatische Druckverfahren wurde von
Breant und Payen erfunden, von Burnett, Bethell, Blythe, Rütgers und anderen
verbessert. Dasselbe besteht im wesentlichen darin, daß man das fertig zugerichtete
Holz (Schwellen, Pfosten, Stangen, Bretter, Schindeln etc.) zuerst dämpft oder
trocknet, sodann einer Luftverdünnung aussetzt und schließlich unter Hochdruck
mit der Imprägnierungsflüssigkeit sättigt.
Die hiezu notwendige Apparatur besteht vor allem aus einem horizontalen
Imprägnierungszylinder aus Kesselblech von etwa 9 — 12 m Länge und 2 m Durch-
messer. Die vordere Stirnseite desselben ist mit einem abnehmbaren, luftdicht-
schließenden Deckel versehen, welcher mittelst Laufrollen auf einer Hängebahn
verschiebbar und um einen Bolzen auf dem Laufwagen drehbar ist. Den dichten
Schluß bildet ein in die Flansche eingegossener Bleiring von schwalbenschwanz-
förmigem Querschnitt. Zur Zuhaltung dienen ent\\eder scharnierartig umlegbare
Schraubenbolzen oder Hackenbolzen. An der rückwärtigen Stirnwand des Kessels
1) Näheres siehe: J. Pfister jr., Das Färben des Holzes durch Imprägnierung. Wien-Leip-
zig 1908.
Konservierung des Holzes. § 15. 579
sind die nütigen ArinaLuiieile: Probcbälme, Lufthalin, Standzeiger, Thermometer,
Manometer und Vakuometer angebracht. Der domartige Aufsatz des Kessels steht
mit der Dampfleitung und mit einer Luftpumpe in Verbindung. An der Unterseite
des Kessels sind die \'entile zum Ablassen des Kondenswassers, sowie für den Eintritt
und Auslauf der Imprägnierungsflüssigkeit vorhanden.
Eine Saug- und Druckpumpe stellt die Verbindung der Bassins, in welchen sich
das Imprägniermittel befindet, mit dem Kessel her.
Weiter sind erforderlich: ein Dampfkessel, eine Betriebsmaschine, diverse
Bottiche mit Mischvorrichtung zur Herstellung der Imprägnierungsflüssigkeit, Dexel-
und Hobelmaschinen für die Bearbeitung des Holzes, sowie eine Brückenwage. Soll
feuchtes Holz mit einem öligen Mittel allein imprägniert werden, so muß auch eine
Trockenvorrichtung vorhanden sein.
Um die Beschickung und Entleerung des Imprägnierkessels in einfacher Weise
zu bewerkstelligen, wird das zu imprägnierende Holz auf Bügelwagen verladen und
in den Kessel eingefahren; diese Wagen mit ihrer Ladung sind dem Innenraume
des Kessels angepaßt. Das Holz wird derart verladen, daß sich die einzelnen Stücke
tunlichst wenig berühren, andererseits aber auch nicht zu große Zwischenräume frei-
lassen. Die Bügel, welche die Holzladung zusammenhalten, sind in Scharnieren
zum Umlegen eingerichtet.
Ein Kessel von 9 )■< m Länge faßt 4 und bei 12 m Länge 5 solche mit Schwellen
beladene Wagen. Langhölzer werden auf 2 Wagen verladen.
Die Imprägnierungsanstalten für Bahnschwellen sind entweder stabil oder
ambulant. Erstere sind in eigenen Gebäuden untergebracht und naturgemäß auch
vollkommener eingerichtet als letztere. Die ambulanten Anstalten sind auf Eisen-
bahnwaggons aufmontiert, um sie abwechselnd auf bestimmte Stationen des Bahn-
netzes bringen zu können. In der Regel werden von den Bahnverwaltungen die statio-
nären Anlagen den mobilen vorgezogen und diese letzteren daher auch nur bedin-
gungsweise zugelassen.
Bei der Imprägnierung mit Zinkchlorid, das hier als Repräsentant der
wasserlöslichen Mittel gelten soll, wird in folgender Weise vorgegangen:
Das Holz wird nach entsprechender Anarbeitung auf die Bügelwagen verladen und in
die Präparierkessel eingefahren. Nachdem der Verschlußdeckel vorge'Schoben und luftdicht
verschraubt ist, wird mit der Dämpfung begonnen. Ist alle Luft durch den Dampf verdrängt,
wird mindestens eine .Stunde hindurch bei 112° C. (= 0,5 Atm. Ueberdruck) gedämpft und
das Kondenswasser von Zeil zu Zeit abgelassen. (In manchen Anstalten wird ein höherer Druck
von li>2 — 2 Atm. angewendet.) Das Dämpfen hat den Zweck, die Auslaugeprcdukle aus dem
Holze zu verdrängen und die Zellen mit Dampf zu erfüllen, \ollkommen wird dieser Zweck
aber niemals erreicht. Wollte man so lange dämpfen, bis der Dampf auch in das Innere des
Holzes eingedrungen ist, so würde dasselbe sehr bedeutend an Festigkeit verlieren. Es findet
daher die Auslaugung hauptsächlich nur in der äußeren Schichte statt. Auch soll der Dampf-
druck 114 .\tm nicht übersteigen. Xach der Dämpfung wird der Ueberdruck abgelassen, die
Luftpumpe in Aktion gesetzt und ein \'akuum von mindestens 600 mm erzeugt. Diese Druck-
verminderung muß in 30 Minuten erreicht sein und sodann durch weitere 40 Minuten erhalten
bleiben. Das Evakuieren hat den Zweck, die in den Zellräumen noch vorhandene Luft und den
Dampf so weit zu verdünnen, daß die Imprägnierungsflüssigkeit eindringen kann.
Als dritte Prozedur folgt die eigentliche Imprägnierung. Zu diesem Behufe wird, unter
fortwährender Tätigkeit der Luftpumpe, die Zinkchloridlösung in den Kessel eingesaugt. Ist
der Kessel entsprechend gefüllt, so wird die Luftpumpe abgestellt, dafür aber die Druckpumpe
in Aktion gesetzt und so lange Imprägnierungsflüssigkeil nachgepumpt, bis ein Ueberdruck
von 7H Atm. erreicht ist, was ca. 40 Minuten in .\nspruch nimmt. In dem Maße, als die Flüs-
sigkeit in das Holz eindringt, sinkt der Druck und muß durch Naclipumpen immer auf 7 % Atm.
ergänzt werden. Die Imprägnierung ist erst dann als beendet zu l>etrachten, wenn das Mano-
meter durch mindestens 20 Minuten ohne weiteres Nachpumpen, auf 713 --Mm stationär bleibt,
als Beweis, daß ein weiteres Eindringen der Flüssigkeit in das Holz nicht mehr stattfindet.
Ist dies erreicht, so wird die Flüssigkeit aus dem Kessel in das Reservoir abgelassen, der Ver-
schlußdeckel abgenommen und das Holz ausgefahren. Nach jeder Charge wird der Kessel
gereinigt.
37*
580 IX D. S c h w a c k h ö f e r , Forstlich-Chemische Technologie.
Die imprägnierten Hölzer werden an der Luft getroclcnet. Die Zinkchloridlösung wird
meist mit einer Konzentration von 3 " B. genommen, um an Kosten zu sparen, werden schwä-
chere Lösungen von 1V> — 2 ° B. verwendet, welche zwar leichter in das Holz eindringen, aber
schwächer konservierend wirken.
Bei der Imprägnierung mit Teeröl allein wird etwas anders verfahren,
weil hier das Wasser hinderlich ist. An Stelle dos Dämpfens tritt eine Trocknung, falls nicht
vollkommen lufttrockenes Holz zur Imprägnierung vorliegt. .Muß künstlich getrocknet werden,
so fährt man das Holz aus der Trockenkammer, in der man eine Temperatur von 100 " C. durch
mehrere Stunden hindurch eingehalten hatte, in noch warmem Zustande in den Kessel ein und
erzeugt nun in demselben ein Vakuum von mindestens 600 mm, das H Stunde hindurch ein-
gehalten wird. Unter Einhaltung des Vakuums wird das auf mindestens 50 " C. vorgewärmte
Teeröl eingesaugt und dann mittelst der Druckpumpe nachgedrückt, bis der Kessel voll ist.
Man steigert nun den Druck auf 10 Atm. und darüber und hält ihn l^i — 2 Stunden ein.
Die Imprägnierung mit einem Gemisch von Zinkchlorid und
Teeröl, welches man früher, um an teuerem Teeröl zu sparen, häufig angewendet hat, ge-
staltet sich ähnlich wie die Imprägnierung mit Zinkchlorid allein. Auch hier kann die Dämpfung
entfallen, wenn das Holz gut lufttrocken ist; das Imprägniermittel-Gemisch muß aber ebenso,
wie bei der Imprägnierung mit Teeröl, vorgewärmt werden.
In neuerer Zeit nun bringt man, um die Imprägnierung mit Teeröl allein bewerkstelligen
und doch an diesem kostspieligen Mittel sparen zu können, eigene Imprägnierungsmethoden,
sog. Spar verfahren in .\nwendung.
Nach einem derselben, dem Rüpingschen Sparverfahren läßt die preußisch-hessische
Eisenbahnverwaltung ihre Schwellen, Masten etc. imprägnieren.
Zur Durchführung dieses Verfahrens muß der Kessel mit dem Oelwärmer durch eine
Druckluftleitung in Verbindung stehen. Ist das Holz eingefahren und der Kessel dicht verschlos-
sen, so setzt man auf diesen und den Oelwärmer, je nach der .\rt und Trockenheit des Holzes,
einen Luftdruck von 1 ' i — i .\tm., welchen man 5 — 15 Minuten hindurch aufrecht erhält. Unter
Beibehaltung des Luftdruckes preßt man nun das auf 70 — 100° C. vorgewärmte Oel aus dem
Vorwärmer so lange in den Kessel, bis ein Ueberdruck — wiederum je nach der Beschaffenheit
des Holzes — von SV, bis8 Atm. erreicht ist und hält diesen .30 Minuten bis 3 Stunden lang ein.
Während dieses Oeldruckes wird der Kessel mittelst in ihm befindlicher Dampfschlangen ge-
heizt. Nach Abblasen des Ueberdrucks und Entleeren des Oeles erzeugt man im Kessel ein \a.-
kuura von mindestens 600 mm, welches man während 10 — 30 Minuten einwirken läßt. Nach
Aufhebung des Vakuums ist die Imprägnierung beendet.
Bei der Imprägnierung von Buchenschwellen wird eine zweimalige .\ufeinanderfolge des
geschilderten Tränkungsvorganges, mit entsprechend bemessenen Zeit-, Druck- und N'akuum-
Verhältnissen eingehalten (sog. Doppelverfahren).
Von der Firma Guido Rütgers-Wien wird ebenfalls ein ihr patentiertes Sparverfahren
ausgeführt, welches denselben Zweck verfolgt, wie das eben geschilderte, diesen aber durch
andere Mittel erreicht. Nach diesem Verfahren wird das Holz durcli Eintauchen oder, vorteil-
hafter, in der bereits bekannten Weise (durch Druck und Vakuum) mit der für jede Holzart,
erfahrungsgemäß oder versuchsweise ermittelten, für die Konservierung gerade ausreich-nden
Teerölmenge getränkt, und sodann in heizbaren Kesseln einem Druck von mehreren .At-
mosphären, also heißer Druckluft, ausgesetzt, wodurch eine gleichmäßige Verteilung des
Oeles in der ganzen Holzsubstanz erzielt wird.
Neben diesen beiden genannten Sparverfahren sind noch verschiedene andere Varianten
derselben durch Patente geschützt und auch in Ausübung.
Der Zweck aller dieser Sparverfahren ist, wie schon der Name besagt, an Imprägniermittel zu
sparen, weil die Erfahrung gelehrt hat, daß es zum Sclmlze des Holzes genügt, wenn bloß seine fes-
tenjBestandteile (die Holzfaser) durchtränkt und konserviert sind, die Zellräume aber leer bleiben.
Das pneumatische Druckverfahren ist gegenwärtig das gebräuchlichste und für
den fabriksmäßigen Betrieb auch das zweckmäßigste, weil mit ihm große Holz-
mengen in relativ kurzer Zeit bewältigt werden können. Die mit diesem Verfahren
erzielte Durchtränkung und Konservierung des Holzes kann von keinem der bisher
genannten auch nur annähernd erreicht werden. Die Wahl des Imprägnierungs-
mittels bietet keine Schwierigkeiten, insolange es sich nicht um Mittel handelt,
welche stark korrodierend auf die Apparatur wirken.
Daraus erklärt sich auch, daß diese Verfahren nicht bloß für die Zwecke der
Konservierung, sondern auch zum ,, Härten", Färben etc. des Holzes in vielen, den
speziellen Zwecken angepaßten Variationen Anwendung findet.
§16. Die Imprägnierung mit Teeröldämpfen. Daß Dämpfe
viel leichter und tiefer in das Holz eindringen als Flüssigkeiten, steht wohl außer Zweifel; nichts-
destoweniger hat dieses Verfahren den Erwartungen doch nicht entsprochen. Bei der österrei-
Konservierung des Holzes. § 1". 581
chischen Südbahn, wo seinerzeit ein solches Verfahren eingeführt war, wurde dassellie wieder
aufgegeben, weil es sehr lioinplizierl und kostspielig war.
In neuerer Zeil wurde die Imprägnierung mit Dämpfen wieder aufgenommen und der
Berlin-Anhaltischen Maschinenbau-Aktiengesellschaft ein Verfahren durch D. R.-P. Nr. 189 232
geschützt, wonach das zu imprägnierende Holz in geschlossenen Kesseln der Einwirkung teer-
ölhaltiger Dämpfe ausgesetzt wird, welche l)ei der Destillation von Holz, Torf oder Kohle re-
sultieren und nötigenfalls durch verdampftes Teeröl angereichert werden können.
Nach einem weiteren Patente, Nr. 195 878 ex 1906, derseltien Gesellschaft werden keine
Gase angewendet, sondern das Imprägnierniitti^l wird im Kessel zu einem feinen Nebel verstäubt
und dieser dann in das Holz gedrückt oder gesaugt. Zur Zerstäubung werden entweder
Druckluft oder die komprimierten .Abgase \on Kokereien verwendet. Das Gemisch von Zer-
stäubungs- und Imprägniermittel sowohl, wie auch die aus ihm sicli niederschlagende Flüssigkeit
werden in getrennten Kreisläufen über den Kompressor oder die Flüssigkeitspumpe, eventuell
unter gleichzeitiger .\nwärmung, in den Imprägnierkessel zurückgeleitet.
In welchem Umfange und mit welchem Resultat diese Patente praktisch ausgenützt
werden, darüber fehlen entsprechende Angaben.
An dieser Stelle sei auch auf ein Verfahren hingewiesen, welches F. Denz, B.-H. Forst-
beamter, in einer kleinen Broschüre ,, Buchenholzverwertung", ,,D ä m p f e n u n d Impräg-
nieren von Hölzern mit Holzverkohlungsdämpfen und Gewin-
nung des Holzessigs bei der M e i I e n v e r k o fi 1 u n g", Sarajevo 1911, be-
schreibt und das auch in Oesterreich bereits patentiert ist.
Der Rahmen dieses Werkes gestattet leider eine vollinhaltliche Aufnahme der in der
Broschüre niedergelegten, namentlich für den Forstwirt äußerst interessanten Ausführungen
des, in der Meilenverkohlung bekannten und an einem späteren Orte zitierten Fachmannes
nicht und es sei daher hier speziell auf die oben genannte Broschüre verwiesen.
Kurz möge hier nur angefütirl werden, daß Denz mit seiner Erfindung die bei der Ver-
kohlung von Abfallholz, in einem ganz spezitisch gesetzten Meiler, sich ergebenden flüchtigen
Destillationsproduktc mittelst einer versetzbaren Rohrleitung auffängt und durch einen Im-
prägnierkessel leitet, in welchem .Nutzholz, jeglicher Form, je nach der Dauer der Einwirkung
der Dämpfe, entweder bloß getrocknet oder mit den antiseptischen Anteilen der flüchtigen
Destillationsprodukte imprägniert wird. Die aus der Imprägniervorrichtung abgesaugten,
überschüssigen Verkohlungsdämpfe werden kondensiert und liefern rohen Holzessig, der nach
der .\ngabe von Denz sehr rein sein soll.
Die für dieses Verfahren notwendige Anlage ist stabil. Der große \'orteil vorstehender
.Methode liegt, nach Denz, in den geringen Anlagekosten und der großen Dauerhaftigkeit der
einmal erbauten Anlage, in der Ersparnis an Heizmaterial und in der Einfachheit des Verfahrens.
§17. Die Imprägnierung auf elektrischem Wege. Diese
basiert auf der Tatsache, daß die Geschwindigkeit, mit welcher eine Salzlösung eine
poröse ^lembran durchsetzt, ganz bedeutend vergrößert wird, wenn man gleichzeitig
durch diese Membran einen elektrischen Strom leitet.
Zur Durchführung dieses Verfahrens wird das Holz in einem Trog, welcher die
Imprägnierflüssigkeit enthält, auf den einen Pol einer Dynamomaschine von 110 Volt
Spannung gelegt und über demselben, durch ein Filz- oder Segeltuch-Diaphragma
getrennt, in einem gleichen, zweiten Trog, der mit Wasser beschickt ist, der zweite
Pol angeordnet.
Nach dem' Verfahren von Nodon Bretonneau wird die Imprägnierung mit einer 20%igen,
auf 30 " C. erwärmten Lösung von Magnesiumchlorid vorgenommen. Der Strom wird durch
7 — 14 Stunden mit variabler Stärke zwischen -1 und 6 .\mp. einwirken gelassen. Nach dieser
Behandlung wird das Holz an der Luft getrocknet. Erfahrungen über die Dauer der nach
diesem Verfahren imprägnierten Hölzer liegen bis jetzt nicht vor.
Ganz ähnlich ist das sogenannte Senilisierendes Holzes, bei dem nur anstatt Mag-
nesiumchlorid eine Lösung von 10% Borax, 5% Harzseife, 0,75% Natriumkarbonat und 84,25°o
Wasser angewendet wird. Beide Verfahren sind in Frankreich in Verwendung.
§18. Schlußbemerkungen. Für die Durchführung der Imprägnierung
von Eisenbahnschwellen und Leitungsmasten erlassen die Bahnver-
waltungen bestimmte Vorschriften, an welche sich die Unternehmer zu halten haben. Diese
Vorschriften sind überall fast die gleichen und unterscheiden sich nur in unwesentlichen De-
tails. .\ls Imprägnierungsmittel wird vornehmlich das schwere Teeröl verwendet. Bei den öster-
reichischen Bahnverwaltungen kommt aber auch Zinkchlorid, resp. eine Mischung desselben
mit Teeröl oder eine Nacheinandertränkung mit Zinkchlorid und Teeröl in .\nwendung.
Bei dem ersteren Verfahren (dem sog. gemischten \erfahren) ist das Mischungsverhältnis
der Imprägnierflüssigkeit derart zu regeln, daß auf eine Schwelle durchschnittlich 2 kg Teeröl
entfallen und die Tränkung selbst ist so durchzuführen, daß eine lufttrockene Kieferschwelle
eichene
I-
buchene
I-
kieterne
II.
eichene
II.
buchene
II.
582 IX D. S c h w a c k h ö f e r , Forstlich-Chemische Technologie.
(0,1 m*) mindestens 30 kg, eine lufttrockene Eiclien- und Lärchenschwelle (0,1 m^) mindestens
8 kg Tränkungsstoff aufnimmt. Bei der aufeinander folgenden Imprägnierung, welche mit
besonders günstigem Erfolg für Buchenschwellen in Anwendung kommt, ist eine Tränkung von
13 — 15 kg Teeröi pro Schwelle (von 0,075 — 0,1 m^ Inhalt) vorgeschrieben.
*| Für die Gesamtaufnahme an Tränkungsstoffen ist den österreichischen Bahnverwallungen
maßgebend, daß
1 Rm. lufttrockenes Föhren- bezw. Buchenholz mindestens 300 kg
1 Rm. lufttrockenes Lärchen- bezw. Eichenholz mindestens 80 „
aufnehmen muß.
Dieses Maß gilt bei den österreichischen Bahn Verwaltungen auch für die Imprägnierung
mit Teeröi allein, welche aber nur in ganz bestimmten Fällen für Lärchenholz zur Durchführung
gelangt.
Die preußisch-hessische Eisenbahnvcrwaltung, welche ihre sämtlichen Hölzer nur mit
Teeröi imprägnieren läßt, verlangt eine Gewälirleistung der Aufnahme an Teeröi:
für eine kieferne Schwelle I. Kl. jeder Dimension von 7 kg
>) >, I, 16 ,,
„ ,, „ 6 „
jj )) j) ^ jj
1 *>
für nach dem Kubikinhalt zu berechnende Hölzer:
bei Kiefernholz per m' 63 kg
bei Eichenholz per m' 45 „
bei Buchenholz per m' 145 „ i).
Zur Erklärung der eben angeführten Zahlen sei bemerkt, daß in den österreichischen Vor-
schriften ein fast völliger Ersatz der Gewichtsdifferenz zwischen frisch gefälltem und luft-
trockenem Holz 2) durch das Imprägnierungsmittel verlangt wird, während die deutschen
Bahnverwaltungen nur eine zur Konservierung des Holzes ausreichende Menge Tränkungs-
stoff vorschreiben.
Um letzteres zu erreichen, wird die Imprägnierung nach einem modifizierten pneuma-
tischen'sDruckverfahren, dem bereits angeführten Rüpingschen Sparverfahren ausgeführt.
Ueber die Dauer der imprägnierten Schwellen liegen eine Reihe von Angaben vor, jedoch
lassen sich daraus keine zuverlässigen Schlüsse über den Wert der einzelnen Imprägniermittel
und Methoden ziehen, weil die mechanische Abnutzung dabei ganz wesentlich in Betracht
kommt, welche auf den mehr oder minder befahrenen Strecken sehr ungleich ist. Ferner spielt
auch die Bodenbeschaffenheit, namentlich aber der Feuchtigkeitszustand, eine selir wiciitige
Rolle.
Die Auswechslung der Schwellen erfolgt naturgemäß nur sukzessive, ist innerhalb
der ersten fünf Jahre sehr gering oder gleich Null und steigert sich sodann von Jahr zu Jahr
sehr bedeutend. Man kann daher nur von einer annähernden durchschnittlichen Dauer sprechen.
Nach Angaben von Ing. Ziffer beträgt dieselbe bei mit kreosothaltigem Teeröi imprägnierten
Schwellen :
im Hauptgeleise im Nebengeleise Jahre in Summa
Kiefer 15 5 20
Eiche 18 7 25
Buche 20 10 30
Auch die Kosten der Imprägnierung werden sehr verschieden hoch angegeben, was ja
erklärlich ist, da speziell beim Teeröi es nicht gleichgültig ist, ob dasselbe von heimischen De-
stillerien bezogen werden kann oder importiert werden muß.
Lieber nähere statistische Daten siehe: Archiv für Post und Telegraphie, Berlin 1905
Nr. 16 und 1911 Nr. 8, sowie in den Fachorganen des technischen Eisenbahn-, Post- und Tele-
graphendiensles überhaupt.
III. Zellulose- und Holzstoff-Fabrikation.
§ 19. Allgemeines. Unter den Industrie- und Gewerbszweigen, welche
sich mit der Verarbeitung des Holzes auf chemischen Wege befassen, nimmt die
Zellulosefabrikation den ersten Rang ein. Sie ist ein verhältnismäßig junger Industrie-
zweig und hat in den letzten Dezennien einen ganz kolossalen Aufsch\\aing genom-
men. Bis Ende der vierziger Jahre wurden zur Erzeugung des Papiers fast ausschließ-
1) Nach privaten Mitteilungen.
2) Dieser Gewichtsunterschied beträgt : bei der Kiefer rund 350 kg, bei der Lärche 80 — 140 kg,
bei der Eiche 70 — 100 kg und bei der Buche 350 — 450 kg für den Kubikmeter. Oesterr. Wochen-
schrift f. d. öffentliclien Baudienst 1911.
Zellulose- und Holzstoff-Fabrikation. § 20. 583
lieh Hadern verwendet. Bei dem stetig steigenden Bedarf an Papier konnte aber
da.s Hadernmaterial lang,-;t niclit mehr genügen und es mußte an die Ileranzielmng
von Ersatzmittehi gedacht werden. Unter allen zellulosereichen Rohprodukten ist
das Holz das einzige, welches leicht und billig zu beschaffen ist, große Ausbeuten
liefert und sich daher für den Massenverbrauch am besten eignet. Am nächsten lag
CS wohl, das Holz lediglicli auf mechanischem Wege einfach zu zerfasern und den so
erhaltenen Holzstoff als Zusatz zu Hadern für die Papierfabrikation zu verwenden.
Dieser Ersatz war aber wegen der Kurzfaserigkeit, Steifheit, ungenügenden \er-
filzung und Bleichunfähigkeit der Faser nur ein sehr unvollkommener. Später kam
man darauf, daß durch Dämpfen des Holzes ein ziemlich langfaseriger Stoff her-
gestellt werden kann, welcher auch ohne Hadernzusatz ein genügend festes Papier
liefert und für ordinärere Sorten, wie Packpapier, Zeitungs- und Affichenpapier
geeignet ist. Damit war der erste große Umschwung in der Papierfabrikation hervor-
gerufen. Eine zweite, und zwar noch gewaltigere Umwälzung erfolgte durch die
Erfindung, Holzzellulose durch Einwirkung chemischer Agenzien von den inkru-
stierenden Substanzen zu befreien und nahezu rein herzustellen. Dieses so erhaltene
Produkt bildet ein vorzügliches Ersatzmittel für Hadern und hat dieselben aus der
Papierfabrikation heute fast gänzlich verdrängt.
Als Rohmaterial für die Zellulosefabrikation eignen sich vor allem die Nadel-
hölzer, welche eine lange, geschmeidige, gut verfilzbare, schwach gefärbte und gut
bleichfähige Faser liefern. Minder geeignet sind die weichen Laubhölzer und am
wenigsten brauchbar die meisten harten Laubhölzer. Nach ihrer Verwendbarkeit
nehmen die Holzarten folgende Rangordnung ein: L die Fichte (Abies excelsa);
2. die Kiefer (Pinus sylvestris); 3. die Tanne (Abies pectinata); 4. die Lärche (Larix
europaea); 5. die Espe (Populus tremula); 6. die Pappel (Populus nigra); 7. die
Birke (Betula alba). In der Regel werden aber nur die drei erstgenannten Holzarten
zur Fabrikation verwendet.
Die Herstellung der Zellulose umfaßt folgende Prozeduren:
L Das Putzen, Zerkleinern und Sortieren des Holzes.
2. Das Aufschließen des zerkleinerten Holzes und die Erzeugung (eventuell
Regenerierung) der Lauge.
3. Das Auslaugen, Zerfasern, Sortieren (und eventuell Bleichen) der Roh-
zellulose, sowie das Entwässern und Trocknen der fertigen Zellulose.
§20. l.Das Putzen und Zerkleinern des Holzes. Das Holz
muß von allen zufälligen Verunreinigungen, wie Erde, Sand etc., welche namentlich
an den beiden Enden der Scheite und Klötze zu finden sind, befreit werden. Rinde
und Bast müssen abgeschält, die Aeste und Knorren ausgebohrt werden, da dieselben
der Aufschließung widerstehen und blcichunfähig sind. Die größte Sorgfalt in der
Putzerei ist unbedingtes Erfordernis, weil die Verunreinigungen später nur schwierig
zu entfernen sind und das Produkt verderben. Am besten gelingt das Putzen durch
Handarbeit, ist aber dafür auch am kostspieligsten. In allen größeren Fabriken
verwendet man zum Zerkleinem und Putzen des Holzes eigene Maschinen. Stärkeres
Holz wird zunächst mit einer pendelnden Zirkularsäge in Klötze von etwa 60 — 100 cm
Länge zugeschnitten und dabei das kemfaule Holz, welches an der Schnittfläche
leicht zu erkennen ist, ausgeschieden. Die Entfernung der Rinde und des Bastes
geschieht mit Hilfe der Rindenschälmaschine, welche aus einer rotierenden Scheibe
mit 4 hobelartig eingesetzten Messern besteht. Auch Trommeln mit nach innen
vorspringenden Schlagleisten werden für diesen Zweck benützt. E)urch die Rotation
der Trommel werden die im Innern derselben befindlichen Holzklötze abgerieben,
584 IX D. S c h w a c k h ö f e r , Forstlich-Chemische Teclinologie.
und die dabei abfallenden Rindenstücke durch Wasser abgeschwemmt. Da die Holz-
klötze immer mehr oder weniger unrund sind, so arbeiten alle Schälmaschinen nur
unvollkommen und ist ein wesentlicher Holzverlust damit verbunden.
Viel besser ist das Schälverfahren mit Dampf. Werden die Holzklötze der Ein-
wirkung von Wasserdampf ausgesetzt, so läßt sich die Rinde samt Bast in ganzen
Streifen abziehen und das Holz auf diese Art ganz rein erhalten.
Zum Ausbohren der Aeste benützt man einen rotierenden Löffelbohrer, gegen
welchen die Klötze gedrückt werden. Auch diese Arbeit ist nur eine unvollkommene,
weil man den Verlauf der Aeste im Holze nicht genau verfolgen kann. In manchen
Fabriken werden daher die Klötze zuerst zerhackt und dann erst die Aststücke und
sonstigen unreinen Partien auf einem Gurtentransporteur durch Handscheidung
entfernt.
Von den Hackmaschinen gibt es zwei Abarten, solche mit auf- und abgehenden
und andere mit drehend bewegten Messern; diese letzteren sind die gebräuchlicheren.
Die Hackmaschine zerkleinert das Holz in Späne, unter einem Winkel von 45 — 60"
zur Richtung der Stammachse. Je schwächer die Späne sind, desto leichter werden
sie von der Kochlauge durchdrungen.
Aus der Hackmaschine gelangen die Späne in eine Schleudermühle, wo sie
längs der Faserrichtung zerschlagen werden. Schließlich passieren dieselben noch
eine Siebtrommel, um einerseits die feinen Verunreinigungen, wie Staub, Holzmehl
und dgl., andererseits aber auch die groben Beimengungen, Aststücke und nicht
zerschlagenen Späne wegzuschaffen, während die aussortierten, reinen Späne der
Aufschließung zugeführt werden. Der Abgang durch das Putzen, Zerkleinern und
Sortieren beträgt bei astarmen, entrindeten Stämmen 5 — 6, bei minderen Qualitäten
10 — 15%, bei berindetem, ästigem Scheitholz 15 — 20 und bei Prügelholz bis zu 30%.
2. Das Aufschließen des zerkleinerten Holzes. Für diesen
Zweck wurden eine Reihe von Agenzien und Verfahren in Anwendung gebracht,
von denen aber nur zwei : das Natron- und das Sulfitverfahren in der großen Praxis
Eingang gefunden und sich dauernd bewährt haben. Ein drittes Verfahren, ,,das
elektrochemische", steht dermalen nur vereinzelt in Ausübung.
§21. a)Das Natronverfahren. Von diesem existieren zwei Abarten :
das Soda- und das Sulfatverfahren. Bei ersterem bildet das durch Kaustizieren der
Soda erhaltene Aetznatron und bei letzterem hauptsächlich das durch Reduktion
des Natriumsulfates erhaltene Schwefelnatrium das wirksame Agens.
Das Aetznatron löst in einer Konzentration von etwa 10" B., bei einer Tem-
peratur von 160 — 185" C. (= 5 — 10 Atm. Ueberdruck) die inkrustierende Substanz
des Holzes leicht und vollkommen, so daß die Zellulose nach dem Auswaschen der
Lauge sehr rein erhalten wird. Dagegen hat das Aetznatron den Nachteil, daß es
sehr teuer ist und nur mit erheblichen Verlusten wieder zurückgewonnen (regeneriert)
werden kann, daß es ferner auch die Zellulose selbst angreift und die Ausbeute daher
schmälert.
Schwefelnatrium steht in seiner Wirkung dem Aetznatron nicht nach, im Gegen-
teil — es löst die inkrustierenden Substanzen besser, greift die Zellulose weniger an
und hat zudem noch den Vorzug der Billigkeit. Da es auch auf das im Holze befind-
liche Eisen lösend wirkt, so resultiert ein hellerer und leichter bleichbarer Zellstoff.
Schwefelnatrium braucht nicht eigens dargestellt zu werden, sondern entsteht beim
Glühen des durch Eindampfen der ausgebrauchten Laugen erhaltenen Rückstandes
von selbst, indem die Holzauslaugeprodukte reduzierend auf das Sulfat einwirken.
Der Verlust an Natron kann daher durch Zusatz von Sulfat (Glaubersalz) immer
Zellulose- und Holzstoff-Fabrikation. § 21. 585
wieder ersetzt werden. Als Nachteil ist dagegen anzuführen, daß — wenn nicht
vollkommen richtig zusammengesetzte Laugen und zweckentsprechende Apparate
und Verfahren bei der Regenerierung derselben angewendet werden — sowohl beim
Kochprozeß als auch bei der Wiederbelebung der Laugen höchst übelriechende Um-
wandlungsprodukte (Merkaptan, Methylsulfid und andere Sulfoverbindungen) ent-
stehen. Diese verpesten die Luft auf weite Strecken hin, geben infolgedessen zu
großen Beschwerden seitens der Nachbarschaft Anlaß und haben schon zu wieder-
holten Malen die Betriebseinstellung von Fabriken zur Folge gehabt.
Laugenbereitung und Regenerierung.
Bei dem Sodaverfahren wird die Lauge durch Kaustizierung einer Sodalösung mit Aetz-
kalk hergestellt. Zu diesem Zwecke dienen eiserne Gefäße, die mit einem Rührwerke und mit
einem Schnatterrohr zum Einleiten des Dampfes versehen sind. Für eine Kaustizierung werden
in der Regel 2000 kg Natriumkarbonat (Soda) und 1100 kg Aetzkalk (d. s. um rund 2% mehr
als der Theorie nach erforderlich wäre), angewendet. Da der größte Teil der Soda aus den
gebrauchten Kochlaugen durch Regenerierung w'ieder gewonnen werden kann, so ist nur jener
Teil, welcher bei der Manipulation verloren gegangen ist, durch neue Soda zu ersetzen.
Die Umsetzunc erfolgt nach der Gleichung:
NaoCÖa -f CaO + H^O = 2NaHO + CaCOj.
Die Soda-Aetzkalkmischung wird unter fortwährendem Rühren aufgekocht, und sobald
die Kaustizierung beendet ist, der Dampf abgestellt, der Niederschlag von Calciumkarbonat
absitzen gelassen, und die fertige Lauge abgezogen. Da letztere nicht vollkommen klar ist,
so muß sie ein Sandfilter (oder eine Filterpresse) passieren, um die feinen suspendierten Schlamm-
teilchen zurückzuhalten. Die filtrierten Laugen müssen alsbald (längstens nach 2 — 3 Tagen)
ihrer \'erwendung zugeführt werden, da sonst die Kaustizität wesentlich zurückgeht. Der
Schlamm (CaCOa) wird gesammelt und in größeren Partien ausgelaugt, um das darin enthaltene
Aetznatron zu gewinnen.
Beim Aufschließen des Holzes wird die Lauge tief dunkelbraun von den humusartigen
Zersetzungsprodukten des Lignins. Um aus dieser ausgebrauchten Lauge das Natron wieder
zu gewinnen, wird dieselbe bis zur Trockene abgedampft und der Trockenrückstand in Flamm-
öfen geglüht, wobei die organische Substanz verbrennt und das Natron w-ieder als Karbonat
(Soda) zurückbleibt. Es ist notwendig, daß die Soda im Flammofen möglichst weiß gebrannt
wird, ohne dabei ganz zu schmelzen. Die in der Soda verbleibenden, äußerst fein verteilten
Kohlenteilchen sind sehr nachteilig, da sie durch kein Filter zurückgehalten werden, mit in
die Zellulose gelangen und derselben einen grünlich-blauen Farbenton erteilen, welcher auch
in der Bleiche nicht weggeschafft werden kann.
Die Regenerierung der Laugen ist eine lästige und kostspielige Prozedur; der Wärme-
verbrauch ist trotzdem, daß die Auslaugeprodukte mitverbrennen, dennoch ein ganz erheb-
licher, da auf 100 kg lufttrockener Zellulose etwa 14 hl Lauge entfallen; ferner ist auch der
Sodaverlust durch Verflüchtigung beim Weißbrennen (Calcinieren) ein bedeutender, etwa
12 — 15°o, und endlich wird auch die Herdsohle durch die schmelzende Soda stark angegriffen;
es sind oftmalige Reparaturen notwendig und die Soda selbst wird durch die Bildung von Sili-
katen, aus der Chamottemasse der Herdsohle, immer unreiner.
Ein Teil dieser Uebelstände ist vermieden, wenn anstatt Soda das viel billigere Glauber-
salz in Anwendung gebracht wird (Patent Dahl). Das Natriumsulfat (NajSOj) wird, wie bereits
erwähnt, beim Glühen des aus den Laugen erhaltenen Trockenrückstandes durch die vor-
handene organische Substanz reduziert; es entsteht hauptsächlich Schwefelnatrium, ferner
bilden sich auch schwefligsaures, unterschwefligsaures und kohlensaures Natrium. Die so er-
haltene Schmelze wird in Wasser gelöst und mit .'aetzkalk gekocht, wobei eine teilweise Kausti-
zierung stattfindet. In allen anderen Details stimmen diese beiden Soda- und Sulfatverfahren
vollkommen überein.
Die Kocher, in welchen die .\ufschließung des zerkleinerten Holzes vorgenommen wird,
sind meist aufrecht stehende Zylinder aus starkem Kesselblech, von etwa 10 cbm Fassungs-
rauni. Oben ist die Füllöffnung für das Holz und seitlich unten die Entlterungsöffnung für
die Rohzellulose angebracht. Ferner sind die nötigen Armaturen für die Einströmung und
.\usblasung des Dampfes, Einleitung der frischen und .Ablassen der ausgebrauchten Lauge
vorhanden. Alle Röhren und sonstigen Armaturteile müssen aus Eisen hergestellt sein, da
Messing oder andere Legierungen von der Lauge stark angegriffen werden. Im Kocher sind
Siebeinsätze vorhanden, welche die Lauge ungehindert durchlassen, die Holzspäne aber zurück-
halten. Um Wärmeverlustc nach Möglichkeit zu verhindern, sind die Kocher mit einem Iso-
lierungsmaterial umgeben und mit Bretterwänden verschalt. Jeder Kocher steht mit dem
Laugenvorwärmer und mit dem Dampfkessel in Verbindung. Kocher mit direkter Feuerung
sind veraltet.
Um bei der Entleerung der Kocher an Zeit und Arbeitskraft zu sparen, hat man sie so
eingerichtet, daß der gesamte Inhalt (Zellstoff und Lauge) unter schwachem Druck in offene
586 IX D. S c h w a c k h ö t e r , Forstlich-Chemische Technologie.
oder geschlossene Apparate ausgeblasen werden kann, wobei gleichzeitig eine feine Verteilung
der aufgeschlossenen Holzmasse erreicht wird.
Die Lauge wird von unten in den Kocher eingelassen, um die in der Schnitzelfüllung
befindliche Luft nach oben hin zu verdrängen, und durch eine entsprechende Situierung der
Heizvorrichtung in ständiger Bewegung erhalten. Zuweilen werden zwei oder mehrere Kocher
zu einer Batterie miteinander verbunden, so daß die Lauge von einem Kocher in den nächst-
folgenden übersteigen kann, wodurch die Lauge besser ausgenützt und die Rohzellulose
reiner wird.
Druck, resp. Temperatur, Kochdauer und Konzentration der Lauge müssen dem je-
weiligen Rohmaterial angepaßt werden. Am leichtesten ist das Fichtenholz aufzuschließen,
dann folgt Föliren- und Lärchenholz und am schwierigsten kocht sich das Tannenholz.
Die Laugen haben gewöhnlich 8 — 10° B.; die Kochdauer schwankt zwischen 5 und 6
Stunden und der Druck zwischen 5 und 10 Atmosphären. Meistens halten die Fabriken ihre
Kochordnung geheim.
Das Natronverfahren ist der Kostspieligkeit und der geringen Ausbeute wegen
schon seit einer Reihe von Jahren stark in Abnahme begriffen, wird aber zur Her-
stellung gewisser Papiersorten, namentlich für weiches, geschmeidiges und gut saug-
fähiges Papier doch noch angewendet. Für die Erzeugung von Zellstoff aus der
schwer aufzuschließenden Kiefer wird es nicht zu umgehen sein, sei es, daß man es
hier als solches oder in Kombination mit dem Sulfitverfahren in Anwendung bringt.
In Amerika, wo heute noch 75% der gesamten Zellstoff-Fabrikation ihr Rohmaterial
mit harzreichen Nadelhölzern deckt, steht das Natronverfahren im Vordergrund.
Erwähnt sei hier noch, daß bei der Verarbeitung harzreicher Hölzer nach dem Natron-
verfahren im ersten Stadium des Aufschließprozesses ohne besondere Schwierig-
keiten das Terpentinöl für sich gewonnen werden kann, wodurch eine, mitunter nicht
zu unterschätzende, weil fast kostenlose, Rentabilitätserhöhung des Betriebes er-
zielt wird.
Unter dem Namen ,, Kraftzellstoff" ist in neuerer Zeit ein Zellstoffprodukt stark im
Handel, welches zur Erzeugung außerordentlich fester, dunkelfarbiger Papiere (Packpapiere)
verwendet wird. Dieser Kraftzellstoft stellt ein Halbprodukt dar, das durch unvollständige
Aufschließung von Holz mit aufgefrischten .\blaugen des Natronverfahrens und nachfolgendes
gründliches Zerfasern in Kollergängen oder Holländern erzeugt wird.
§22. b)Das Sulfitverfahren. Dasselbe wurde bereits 1866 dem
Amerikaner Tilgham patentiert, 10 Jahre später von dem Schweden Ekman und
Prof. Mitscherlich in die Praxis eingeführt, dann mehrfach abgeändert und verbessert;
namentlich hat sich Dr. Kellner viele Verdienste in dieser Hinsicht erworben. Heute
ist das Sulfitverfahren weitaus das gebräuchlichste und zweckmäßigste. Es basiert
auf der AufschlieOung der Ligninsubstanz des Holzes mittelst Calciumbisulfit
Ca(HS03)2 d. i. eine Auflösung von schwefligsaurem Calcium (CaSOg) in wässeriger
schwefliger Säure (HjSOg). Das wirksame Agens ist die schweflige Säure, während
das Calcium gewissermaßen nur als Träger für die erstere zu betrachten ist.
Die Laugenerzeugung zerfällt in zwei Stadien: 1. in die Erzeugung des Schwefcl-
dioxydes (SO,), 2. in die Absorption desselben durch Wasser (S02-|-H20 = HoSOj) und Ein-
wirkung der dabei entstehenden schwefligen Säure auf Kalkstein (CaCOa), wobei Calcium-
bisulfit gebildet wird und Kohlensäure entweicht.
2H2S03-fCaC03 = Ca(HS03)2-|-C02-f-H20
Das Schwefeldioxyd wird entweder durch Verbrennen von Schwefel (S-|-02 = S02) oder
durch Rösten von Schwefelkies (2FeS2-f llO = FejOj-l-iSOa) in eigens hiefür konstruierten
Oefen erzeugt.
Die Verbrennung muß bei nur mäßigem Luftüberschuß eine möglichst vollständige sein
und darf kein Schwefel dabei sublimieren, weil dadurch \'erluste und bei der Laugenbereitung
und dem Kochprozeß Schwierigkeiten entstehen. Schwefel, obwohl teuerer, ist dem Schwefel-
kies vorzuziehen, weil sich der Betrieb einfacher gestaltet, kleinere Oefen ausreichen und kein
Abbrand erhalten wird. Vom Schwefelkies, welcher als reiner Pyrit FeS2 46,7 °o Eisen und
53,3% Schwefel enthält, bleiben immer 3 — ö°a Schwefel in den, nie bis ins Innere durchröstenden,
Kiesstücken unverbrannt zurück. Der Abbrand ist somit ein bedeutender, das Gas ist ver-
dünnter (enthält ca. 9 — 10 Vol.-Proz. SOj) und wird daher auch nicht so leicht und vollständig
absorbiert. Es enthält immer Flugasche, die sich schon in den Kühlröhrcn unangenehm be-
Zellulose- und Holzstdff-l'aln-ikation. § 22. 587
merkbar macht und bis in den Alisorplionslurm gelangt. Neben Sclnvcfcldioxyd entstellt
auch immer etwas Trioxyd (SO3) und zwar bei Kies immer mehr als bei reinem Schwefel. Dieses
Trioxyd ist die Ursache der lästigen Gipsbildung bei der Laugenbereitmig. \'op 100 Teilen
des verbrannten Schwefels gelicn etwa 2 — 4 Teile auf Rechnung von Trioxyd.
Eine vorteilhafte Konstruktion der Pyritöfen ist der Kiesröstofen von Herrcshoff, ein
aufrechtstehender Zylinder mit :') Klagen, welche der zu röstende Kies, infolge der Bewegung
von Ridirarmen, langsam von oben nach unten passiert. Dieser Ofen ist speziell für die Er-
zeugung von Bisulfitlauge selir gut geeignet, weil er ein SOj-reiches Gas liefert und die Bildung
von Trioxyd auf ein .Mininuim reduziert.
Zur .Vbsorptiou und Einwirkung der schwefligen Säure auf Kalkstein dienen ui der Regel
hohe Türme, in denen die Kalksteinfüllung von oben herab mit Wasser berieselt wird, während
die schweflige Säure von unten entgegenstreicht. Die Türme sind meist aus starkem Holz-
gebälke hergestellt, 20 — 30 m hoch imd lU, — 1% m im Geviert. Sie sind mit Brettern ver-
schalt, mit Werg oder dergleiclien gedichtet und mit Teer gestrichen. Um den Druck der Kalk-
steinfüllung auszuhalten, müssen starke Eisenreifen angebracht werden. Der Kalkstein ruht
auf einem Rost aus starken Eichenbalken; unter demselben mündet das vom Schwefel- oder
Kiesofen kommende Rohr.
Um möglichst reine und konzentrierte Laugen zu erhalten, muß das Gas vor seinem
Eintritt in den Turm ,, gewaschen" und gekülilt werden. Zu diesem Zwecke passiert es stehende
oder liegende Rohrsysteme, die entweder durch die Luft oder durch A\'asserberieselung gekühlt
werden.
An der obersten Stelle des Turmes befindet sich ein Wasserreservoir, aus welchem das
Wasser mittelst Verteilungsröhren oder Ueberlaufnäpfen durch die Kalksteinfüllung, fein
verteilt, herabrieselt. Unter dem Reservoir ist eine Gosse zum Nachfüllen des Kalksteins
angebracht.
Die durch die Einwirkung der schwefligen Säure auf den Kalkstein entstehende Lauge
sammelt sich in einem unter dem Rost befindlichen, gemauerten Behälter und wird durch ein
Bleirohr nach außen in Holzkästen abgeleitet. Bei regelrechtem Gange der Arbeit zeigt die
abfließende Lauge etwa 5 — 7" B. ; im Winter etwas mehr als im Sommer.
Der durchschnittliclie Gehalt an SOj beträgt ca. 3^/4%, wovon ungefähr 1/3 an Kalk
gebunden und -,'3 im freien Zustande vorlianden sind.
Der Wasserzulauf muß so reguliert werden, daß oben am Turm schweflige Säure nur mehr
ganz schwach durch den Geruch wahrzunehmen ist, was aber nur bei sehr hohen Türmen ge-
lingt. Um auch mit weniger liohen Türmen rascher arbeiten zu können, und das Entweichen
der schwefligen Säure, welche schädigend auf die Vegetation der Umgebung wirkt, zu ver-
hindern, werden nach dem Patente Dr. Kellner zwei Türme so miteinander verbunden, daß
die schweflige Säure, welche oben aus dem ersten Turm entweicht, durch ein Tonrohr nach
unten in den zweiten Turm geleitet wird, während die schwache Lauge aus dem zweiten Turm
auf den ersten gehoben wird und beim Durchrieseln desselben sich mit der frischen, schwef-
ligen Saure anreichert. Der Kalkstein wird in faust- bis kopfgroßen Stücken in den Turm
gefüllt. Er soll porös und dabei doch sehr fest sein, um einerseits eine große Oberfläche zu bieten,
andererseits aber auch den Druck der darüberliegenden Schichten auszuhalten. Am geeignetsten
ist Kalktuff. Anstatt Kalkstein (CaCO,) kann auch Dolomit (CaJIg(C03)2) oder Magnesit
(MgC03) verwendet werden. Unreiner, toniger Kalk gibt zu Betriebsstörungen Anlaß, weil
sich viel Schlamm bildet, der die Lauge verunreinigt und auch Verstopfungen im Turm be-
wirken kann. Bei reinem Kalke kann der Turm lange Zeit ungestört im Betriebe bleiben;
bei unreinem Kalke muß hingegen öfters ein Durchspülen vorgenommen werden, indem man
das Wasser stoßweise, in einem starken Scliwall, durch die Kalksteinfüllung fließen läßt.
Die Türme haben den Nachteil, daß ihre Herstellung kostspielig ist, der Kalkslein und
das Wasser hoch gehoben werden müssen, daß ferner die unteren Partien der Kalkfüllung
stark korrodieren und durch den Druck der oberen Schichten zerbröckeln; auch überzieht
sich die Oberfläche der Kalksteinstücke alsbald mit einer Kruste von Gips und Schlamm,
welche die weitere Einwirkung der schwefligen Säure verhindert.
Um diesen Uebelständen zu entgehen, hat Dr. Kellner an Stelle der Türme Gefäß-
batterien angewendet. Dieselben bestehen aus mehreren (4 — 5) stufenförmig aufgestellten
Holzbottichen, von denen jeder ^1, m über dem vollen Boden einen Lattenboden besitzt auf
welchem eine Schichte von Kalkstein liegt. Die Bottiche sind dicht geschlossen, haben im
Deckel ein Mannloch zum Einfüllen und seitlich unten ein zweites zum .\usräumen des Kalk-
steines. Jeder Bottich ist bis zu -j, der Höhe mit Wasser, bezw. Lauge, gefüllt. Das Schwefel-
dioxyd wird mittelst eines Kompressors in den zu unterst stehenden Laugenbottich gepumpt,
geht durch ein Uebersteigrohr in den ersten Absorptionsbottich, von liier in den zweiten usw.
fort. Aus dem letzten obersten Botlieh entweichen nur mehr indifferente Gase (Stickstoff,
alm. Luft und Kohlensäure), aber keine Schwefligsäure. Wasser fließt in den obersten Bottich
zu; die hier entstehende schwache Lauge fließt durch ein Ueberlaufsrohr in den nächst untern
usw., bis sie aus dem uptersten Bottich mit der erforderlichen Konzentration in den Laugen-
behälter gelangt und von hier abgezogen wird.
Außer diesem Laugenbereitungsapparal gibt es noch diverse andere auch solche bei
588 IX D. S c h w a c k h ö f e r , Forstüch-Chemische Technologie.
denen anstatt Kalkstein Kalkmilch in Anwendung kommt. Trotz der mehrfachen Uebelstände,
welche den Türmen eigen sind, werden dieselben aber noch am häufigsten verwendet.
Die Kocher müssen der Einwirkung der schwefligen Säure widerstehen und einen
Druck von mindestens 6 Atm. aushalten. Diesen Anforderungen entsprechen am besten zylin-
drische, eiförmige oder kugelförmige Gefäße aus Flußeisen oder Stahl, welche im Innern mit
einem säurefesten Material ausgefüttert sind. Die zylindrischen Kocher sind liegend oder
stehend; erstere zumeist rotierend, letztere feststehend. Die Kugelkocher sind immer für
Rotation eingerichtet, werden aber in der Regel nur für Strohzellulose-Erzeugung benützt.
.Als .Austütterung dienen Bleiplatten oder porzellanartig gebrannte, säurefeste Ziegel in Zement
gelegt oder auch Glasziegel.
Die modernen Auskleidungen der Kocher werden in der Regel durch homogene Verbleiung
hergestellt.
Einen einfachen, leicht auszuführenden, billigen und auch sicheren Schutz der Kocher-
wand gegen die schädlichen Säuredämpfe erzielt Brünnger dadurch, daß er, nach Füllung des
Kochers mit Sulfitlauge oder Gipslösung, den Kocher von außen heizt. Es bildet sich so an
der Kocherwandung von selbst eine undurchlässige Kruste, welche jegliche Berührung des
Metalls mit der schwefligen Säure verhindert. Nach Baerwaldt soll sich eine Auskleidung des
Kochers mit einer dicken Schicht eines Zement-Wasserglasgemisches, die mit einer Bleiglätte-
Kitte gründlich verrieben wird, gut bewähren.
Die Sulfit-Kocher haben gewöhnlich einen Fassungsraum von 60 bis 100 m^. Neuerer
Zeit baut man auch sehr große Kocher mit mehr als 2 00 m' Kapazität. Große Kocher haben
den Vorteil, daß die Wandfläche im Verhältnis zum Inhalt geringer ist, ferner bei der gleichen
Produktionsmenge auch weniger Armaturstücke erforderlich sind, welche durch die Säure
stark angegriffen werden und bald zugrunde gehen. Jeder Kocher ist mit einer Füll- und Ent-
leerungsöffnung versehen, ferner mit den nötigen Armaturen: Ventile für Lauge, Dampf, Gas-
ausströmung, Probenahme, Sicherheitsventil, Manometer-Thermometer. Die Heizung geschieht
entweder durch direkte Dampfeinströmung oder mittelst Heizschlangen aus Hartblei, Kupfer
oder zinkfreier Bronze, welche bei stehenden Kochern der Kocherwandung angepaßt, bei lie-
genden als ein Heizrohrsystem im unteren Teil des Kochers angeordnet sind. Auch Mantel-
heizung mit Dampf oder heißer Luft wird angewendet.
Der K o c h p r o z e ß beim Sulfitvcrfahren — im Prinzip überall fast gleich —
wird in seinen Details von den einzelnen Fabriken, je nach der Einrichtung der Fabrik
und der Beschaffenheit des Rohmateriales verschieden durchgeführt. Zunächst wird
der Kocher mit den sortierten Holzspänen so weit gefüllt, daß ein Raum von etwa
40 cm frei bleibt. Sodann folgt das Dämpfen bei 100" C, was den Zweck hat, die
Luft auszutreiben, damit die Lauge leichter in das Holz eindringen kann; ferner
setzt sich auch die Holzfüllung dichter zusammen, so daß eine größere Menge ein-
gebracht werden kann. In französischen Fabriken wird auch überhitzter Dampf
für diesen Zweck verwendet. Nachdem das Kondenswasser abgelaufen ist, wird
Lauge eingelassen und die Heizung so reguliert, daß die Temperatur allmählich
auf 128" steigt. Temperatur und Kochdauer müssen dem Holzmaterial angepaßt
werden. In der Regel kocht man 26—30 Stunden bei 3 1/2—4 Atm. oder 60 Stunden
bei 2 1/2 Atm. Ueberdruck. Temperatur und Druck stehen hier nicht in Relation
wie bei einem Dampfkessel, weil neben dem Dampfdruck auch noch der Gasdruck,
herrührend von der aus der Lauge ausgetriebenen schwefligen Säure, mitwirkt.
Die Sulfitlauge löst die inkrustierende Substanz, ohne die Zellulose selbst
erheblich anzugreifen.
Ueber die beim Kochen des Holzes mit Sulfitlauge sich abspielenden chemischen Pro-
zesse, welche sehr komplizierter Natur sind, ist man noch im unklaren.
Nach Klein erfolgt durch die Sulfitlauge eine Aufspaltung der Lignin-Zellulose-Ester,
als welche ja das Holz angesehen wird, wobei neben Zellulose das Kalksalz der Ligninsulfo-
säure (CigHijOsSCaii oder C4„H440i7S2Ca) entsteht. Klason nimmt das Lignin als eine glu-
kosidartige Verbindung an, welche zum Teil aromatischer Natur ist, zum Teil aber aus einer
Zuckerart oder Zellulose besteht. Sie enthält eine Oxypropylengruppe CH = CHCH20H, ferner
Methoxyl, Hydroxyl und Aldehyd-Gruppen. Beim Kochprozeß lagert sich die Säure an die
doppelte Bindung:
= C =CH
II +H0SO3 I
= C =C.S03H
Nach einer anderen Theorie wird jedoch das Lignin unter Bildung aldehydartiger Ver-
Zellulose- und Holzstoff-Fabrikation. § 2i. 589
bindungen zersetzt, welche mit Bisulfil wasserlösliche Reaktionsprodukte geben. Als Neben-
produkte entstehen Hexoscn, Penlosen, ferner auch leimiihnliclie Substanzen, Gips, freier
Schwefel und Schwefelsäure.
Ein Hindernis bei der Aufschließung ist das Harz. Eine Gewinnung des Terpentin-
öles ist beim Sulfitverfahren nicht möglich, weshalb entweder das Holz vor der Auf-
schließung oder der Zellstoff bei der Reinigung durch geeignete Mittel entharzt
werden muß.
Nach beendeter Kochung, was durch eine Probe der Lauge auf ihren Gehalt
an SO2 erkannt wird, wurd das freigewordene Schwefligsäuregas in einen sog. Ueber-
treibturm oder eine entsprechende Absorptionsvorrichtung abgeblasen, der Kocher-
inhalt einigemal mit heißem Wasser ausgewaschen, um den größten Teil der Lauge
wegzubringen, und sodann die Rohzellulose entleert.
§23. c. Das elektrochemische Verfahren (Patent Kellner). Wird Koch-
salzlösung der Einwirkung eines starken elektrischen Stromes ausgesetzt, so scheidet sich
an der Anode das Clilor und an der Kathode das Natrium ab; da Wasser zugegen ist, geht
ersteres teilweise in unterchlorige Säure und letzteres momentan und vollständig in Natrium-
hydrat über. Zur Aufschließung des Holzes verwendet Kellner eine zweiteilige, gemauerte
und mit Tonplatten ausgelegte Zisterne, in der jede Abteilung eine Elektrode enthält. Dadurch,
daß man den Strom von Zeit zu Zeit wechselt, wird das Holz einmal der Einwirkung von Natron-
lauge, das anderemal aber der von Chlor und unterchloriger Säure ausgesetzt, auf diese Weise
aufgeschlossen und gleichzeitig auch gebleicht.
Dieses Verfahren — an sich ausgezeichnet, weil es sehr feste und reine Zellulose liefert —
konnte sich aber bisher im Großbetriebe nicht einführen, da die Apparate der Zersetzungs-
zellen, mangels eines geeigneten Materials, ständige und kostspielige Reperaturen erheischen,
welche die Rentabilität des Verfahrens in Frage stellen.
Die Aufschließung mit Sulfitlauge ist dermalen noch immer die rentabelste und wird daher
das elektrochemische N'erfahren vorläufig nur zu Bleichzwecken benützt.
§24. 3. Das Auslaugen, Zerfasern, Sortieren und even-
tuell Bleichen der Roh Zellulose, sowie das Entwässern
und Trocknen der fertigen Zellulose. Bei der Natronzellulose-
Fabrikation handelt es sich um möglichst vollständige Rückgewinnung der ausge-
brauchten Lauge. Es ist daher notwendig, daß dem Waschen der Rohzellulose eine
Auslaugung vorangeht. Um die Lauge dabei nicht zu viel zu verdünnen, muß das
Auslaugen systematisch, nach Art des Batteriebetriebes, vorgenommen werden. Man
verwendet für diesen Zweck eine Kombination von mehreren (4 — 8) Gefäßen (eiserne
Reservoire oder zementierte Zisternen), welche mit Siebböden versehen sind und durch
Ueberlaufröhren miteinander kommunizieren. Die Rohzellulose gleitet aus den
Kochern über eine rinnenförmige Rutsche direkt in die Auslaugegefäße. Auf das
jeweiüg erste Gefäß läuft Wasser zu, durchdringt die Zellulosefüllung, fließt durch
den Siebboden ab und steigt durch das Ueberlaufrohr auf das nächstfolgende Gefäß.
Dieser Vorgang wiederholt sich von Gefäß zu Gefäß. Die Lauge nimmt dabei
immer an Konzentration zu und fließt endlich mit etwa 8—10" B. aus dem jeweilig
letzten Gefäß der Batterie ab. Ist der Inhalt des ersten Gefäßes (I) ausgelaugt, so
wird der Wasserzufluß auf II gestellt, I entleert, von neuem mit Rohzellulose be-
schickt und als letztes Gefäß in den Turnus eingeschaltet.
Bei der Sulfitzellulose-Fabrikation, wo man auf eine Wiedergewinnung der
Lauge nicht reflektiert, entfällt diese Manipulation.
Die Abwässer aus diesen Fabriken verursachen nicht selten große Kalamitäten,
da sie in öffentliche Wasserläufe nicht ohne weiteres abgelassen werden dürfen und
eine vollkommen befriedigende Reinigungsmethode hierfür nicht existiert. Nur dann,
wenn eine entsprechend starke \'erdünnung der Ablaugen — nach Klason eine min-
destens lOOOfache, nach Vogel eine öOOfache — im öffentlichen Gerinne erfolgen
kann, dürfen diese Abwässer demselben direkt zugeführt werden.
311 ,,
, 325 „
15,5 ,,
15 „
73 ,
30 „
235 „
200 „
102 ,
90 „
1 380 ,
, 1260 kg
590 IX D. S c h w a c k h ö f e r , Forstlich-Chemische Technologie.
Ueber die Zusammensetzung dieser Abfallprodukte (auf Trockensubstanz bezogen) pro
1 t Zellstoff gibt Klason folgende Berechnung:
Lignin 641 oder 600 kg
Kohlehydrate
Protein
Harz und Fett
Schweflige Säure (an Lignin gebunden)
Aetzkalk
Schädlich für die Lebewesen in und an den Flußläufen, welche solche Abwässer aufneh-
men, ist in erster Linie der Gehalt derselben an schwefliger Säure, welche weniger vielleicht
als direktes, denn als indirektes Fischgift zu bezeichnen ist. Letzteres aus dem Grunde, weil bei
der außerordentlich rasclien Oxydation der schwefligen Säure zu Schwefelsäure, infolge der
starken Verdünnung, Sauerstoffmangel im Wasser eintreten kann.
In zweiter Linie sind es die Kohlehydrate und Proteinstoffe, welche, als geeignete Nähr-
substrate für Kleinlebewesen, durch ilire Gärungsprodukte die Wasserläufe verunreinigen und
namentlich an den ruhigeren Stellen derselben die Fische von ihren Laichplätzen vertreiben.
Die Ligninstoffe dürften aller Wahrscheinlichkeit nach bei der Selbstreinigung der Flüsse
durch den Sauerstoff und die Lebewesen des Wassers beseitigt werden. .
Wo ungenügende Wassermengen zur Aufnahme der Abfallprodukte vorhanden sind,
muß für eine Unschädlichmachung dieser Vorsorge getroffen werden. Der Versuche in dieser
Richtung gibt es zahllose. Die Fällung der schwefligen Säure mit Kalkmilch zu Monosulfit
und die Verwendung der über dem Niederschlag sich ergebenden Flüssigkeit zur Berieselung
von Feldern und Wiesen hat keine befriedigenden Resultate ergeben. Durch Eindampfen die
Ablauge in einen festen Rückstand überzuführen, der als Heizmaterial dienen soll, ist zu kost-
spielig. Alle übrigen Verwendungsarten der Ablaugen: zu Gerbzwecken, zur Erzeugung von
Oxalsäure, eines Dextrin-Surrogates (Dextron genannt), eines Bindemittels (Zellpech) für
pulverige Substanzen bei deren Formung und Brikettierung, als Heilmittel für Lungenkranke
(als Lignosulfit in fester Form) usw. sind von untergeordneter Bedeutung.
In neuester Zeit sollen Versuche, die Sulfitablauge — nach Neutralisation der Säure bis
zu dem für die Hefe günstigen Säuregrad — vergären zu lassen und so zur Spiritusgewinnung
heranzuziehen, von Erfolg gewesen sein. .\us 100 hl Lauge sollen 60 Liter absoluter Alkohol
gewonnen werden können.
Mit Rücksicht auf die Schwierigkeit der Beseitigung der Abfallprodukte einer Sulfit-
stoff-Fabrik nuiß daher schon vor deren Errichtung besonderes Augenmerk auf diesen Um-
stand gerichtet werden. Die Menge der Abwässer solcher Fabriken ist eine sehr bedeutende.
Von einem Kocher mittlerer Größe resultieren etwa 60 cm^ Ablauge, welche beiläufig 5000 kg
organische Substanz und 3000 kg Kalksalze enthalten.
Die Rohzellulose, wie sie aus dem Kocher, oder beim Natronverfahren aus den
Auslaugekästen kommt, besteht der Hauptmenge nach aus Faserbündeln, welche
zerteilt werden müssen. Zu diesem Zwecke benützte man früher fast ausschließlich
die sogen. Holländer, wo durch eine rasch rotierende Trommel mit Grundwerk,
welche beide mit schräggestellten Messerschienen besetzt sind, das Zerfasern der
im Wasser verteilten breiartigen Zellulosemasse erfolgt. Diese Einrichtung hat aber
den Nachteil, daß die Faser dadurch stark beschädigt wird. Gegenwärtig benützt
man schwach konisch geformte Trommeln mit durchgehender Welle, welche mit
quirlartig gestellten Fingern besetzt ist. Durch die Reibung trennen sich die Faser-
bündel, während die unaufgeschlossenen harten Teile, die sogen. Knorren unzer-
kleinert bleiben. Aus dem Zerfaserer gelangt die dünnbreiige Zellulosemasse in eine
zweite Trommel, deren Mantel aus Holz- oder Hartgummistäben hergestellt ist. Das
feinfaserige Material geht durch die Schlitzöffnungen des Trommelmantels und wird
vom Wasser weiter geschwemmt, während die Splitter und Knorren am vorderen
Ende der etwas schräg liegenden Trommel herausfallen. Der so sortierte Stoff passiert
dann noch eine 10 — 20 m lange Rinne, den sog. Sandfang, wo sich die spez. schwe-
reren Beimengungen, Sand u. dgl., abscheiden. Aus dem Sandfang fließt der Stoff
in eine Rührbütte und wird von hier mittelst Schöpfrädern auf die Entwässerungs-
maschine gehoben. Als solche dienen Rund- und Langsiebe. Das Wasser fließt durch
die feinmaschigen Siebe ab, während der Stoff darauf zurückbleibt. Die weitere
Zellulose- und Holzstoff-Fabrikation. § 25. 59J
Trocknung geschieht auf laugsam rotierenden gußeisernen Zylindern, welche mit
Dampf geheizt werden. Es resultiert dabei Rollenpapier, welches die gewöhnliche
Ilandelsform für Zellulose ist.
Zellulose wird in der Regel im ungoljleichlen Zustande an die Papierfabriken geliefert,
welche die Bleicluing selbst nach Bedarf vornehmen. Für gewisse Verwendungen speziell
als Fillermaterial, wird aber gebleichte Ware verlangt. Zum Bleichen benutzt man fast aus-
schließlich einen klaren, wässerigen Auszug von Chlorkalk, dessen wirksamer Bestandteil
das Calciumhypochlorit CaCUOa ist. Sulfitzellulose bleicht sich am leichtesten und genügen
hierzu etwa 8"„ Chlor. Sulfatzellulose erfordert 10 — 12 und Sodazellulose 18 — 22% Chlor.
Diese Zahlen beziehen sich auf trockene Zellulose. Durch die Bleiche verliert die Faser an
Festigkeit und Elastizität; es darf daher nicht mehr 'gebleicht werden, als unbedingt notwen-
dig ist.
§25. 4. Ausbeute, Beschaffenheit und Verwendung der
Zellulose. Die Ausbeute an Zellulose ist bei den verschiedenen Holzarten, auf
das Gewicht bezogen, ziemlich gleich. Im allgemeinen geben die Nadelhölzer etwas
höhere Ausbeuten. Der Hauptunterschied liegt im Putzverlust und in der Art der
Aufschließung.
Von 100 kg lufttrockenem Holze werden durchschnittlich beim Natronverfahren
28 — 34 kg und beim Sulfitverfahren 45 — 52 kg ungebleichte, lufttrockene Zellulose
gewonnen. Auf ein Festmeter reines, geschältes, astfreies Scheitholz bezogen, kann
man beim Sulfitverfahren 200 — 210 kg lufttrockener Zellulose rechnen.
Hinsichtlich der Festigkeit der Faser ist die Natronzellulose mit der Baumwolle
und die Sulfitzeilulose mit der Leinen- oder Hanffaser zu vergleichen. Nichtsdesto-
weniger besitzt aber das Zellulosepapier doch eine geringere Festigkeit als das Hadern-
papier. Natronzellulose ist in chemischer Hinsicht reiner als die Sulfitzellulose, da
das Natronhydrat die inkrustierenden Substanzen vollkommener in Lösung bringt,
als dies beim Sulfit der Fall ist. Auch ist die Sulfitzellulose in der Regel aschenreicher,
indem das beim Kochprozeß ausfallende Calciummonosulfit beim Waschen der
Rohzellulose nicht vollkommen entfernt wird.
Natronzellulose ist weicher und geschmeidiger als Sulfitzellulose.
Die Zellulose soll frei sein von Knotenfaserbündeln und sonstigen Beimengun-
gen; namentlich schädigen bleichunfähige \'erunreinigungen, wie: Rindenfragmente,
braune Faserbündel von den Astansätzen, erdige Teile, Abschürfungen von den
Treibriemen und dergl. das Produkt in hohem Grade.
Die Hauptverwendung findet die Zellulose in der Papierfabrikation und nur
verhältnismäßig geringe Quantitäten dienen dermalen für andere Zwecke, jedoch
werden vielfach Anstrengungen gemacht, ein weiteres Verwendungsgebiet zu gewinnen.
So sind z. B. erst in den letzten Jahren durch eine Anzahl Patente Verfahren geschützt
worden, welche die Herstellung von Garnen (Sylvalin, Xylolin etc.) aus Zellstoff bezwecken,
einen billigen Ersatz für Baumwolle- und Flachs-Garne. .\uch zur Erzeugung von Filz, Watte
und Badeschwämmen wird Zellulose verwendet.
Unter dem Namen ,,Pergamyn" ist ein Surrogat für Pergamentpapier in dem Handel,
welches durch andauerndes Jfahlen von Sulfitzellstoff in Holländern mit stumpfen Messern
zu einer schleimigen Jlasse (Hy-dratzellulose), welche dann bei der Papierbereitung die unzer-
kleinerten Fasern einhüllt, erhalten wird. Wird dieses Zermahlen des Zellstoffes bis zur Bildung
eines gleichmäßigen, faserfreien Breies fortgesetzt und der Brei durch freiwilliges Verdunsten
des Wassers oder Erwärmen auf iO" C. trocknen gelassen, so resultiert schließlich eine feste,
hornartige Masse, ,,Zellulith", welche sich wie Hörn, Ebonit u. dgl. bearbeiten und verwen-
den läßt.
Nicht unbeträchtlich ist der Absatz an Zellulose als Filtermaterial. Für diese
Art der Verwendung wird die Zellulose in Platten von etwa 50 cm im Geviert und
5 cm Dicke gepreßt, um ein bestimmtes Maß für die Filterfüllung zu haben. Diese
Platten werden bei ihrer Verwendung in Stücke gebrochen, in Wasser aufgeschlämmt
und der so entstehende Faserbrei in das Filter eingefüllt. Fast alle Bierbrauereien
592 IX D. S c h w a c k h ö f e r , Forstlich-Chemische Technologie.
und Weinkellereien benützen solche Zellulose-Filter. Auch in mehreren anderen
Gewerben, wo es sich darum handelt, Flüssigkeiten zu klären, wird Zellstoff als
Filtermaterial verwendet.
Von diversen Umwandlungsprodukten der Zellulose wie: Schießbaumwolle,
Zelluloid, Kunstseide u. a. war bereits auf Seite 555 und 556 die Rede.
Im Anschlüsse an diese Ausführungen über die Gewinnung und Verwendung der Zellulose
aus Holz sei hier eine höchst interessante Zusammenstellung über die Wertsteigerung des
Holzes durch seine \erarbeitung zu Zellulose und weiterhin zu Kunstseide angeführt, welche
Dr. O. N. Witt in seinem \'ortrage ,,Die künstlichen Seiden" 1909, nach .\ngaben Dr. M. Müllers,
veröffentlicht:
1. 1 Rm. Holz = 400 bis 500 kg, kostet im Walde Mk. 3
2. 1 ,, als B r e n n h 0 1 z ,,6
3. 1 „ auf ca. 150 kg Z e 1 1 s t o f f verarbeitet (100 kg Zell-
stoff = 15 — 20 Mk.) „ 30
i. 1 ,, zu Zellstoff u. weiter zu Papier verarbeitet „ 40 — 50
5. 1 ,, „ „ ,, „ ,, G a r n „ „ 50 — 100
6. 1 ,, ,, „ „ ,, ,, künsll. Roßhaar ,, ,, 1500
7. 1 ,, „ ,, ,, „ „Kunstseide „ „ 3000
8. 1 ,, „ ,, ,, „ „ Acetatseide „ „ 5000
§ 26. H o 1 z s t o f f g e w i n n u n g. Unter Holzstoff oder Holzschliff versteht
man fein zerfasertes Holz. Das Produkt besitzt dieselbe Farbe wie das angewandte
Holz und da es nicht bleichfähig ist, so ist zur Herstellung eines lichten Stoffes hell-
farbiges Holz erforderlich.
Das hauptsächlichste Material für den Holzstoff bildet die Fichte, weniger
häufig wird die Tanne verwendet. Diese beiden liefern hellgelben Stoff von ziem-
lich langer Faser. Die Föhre schleift sich des großen Harzgehaltes wegen schwierig,
gibt zwar eine feine, aber nur kurze Faser von rötlich gelber Farbe. Die Lärche gibt
eine gröbere, kurze Faser von rötlicher Farbe. Föhren- und Tannenstoff dunkeln
beim Liegen stark nach und werden matt. Unter den Laubhölzern nimmt die Linde
den ersten Rang ein; sie läßt sich am leichtesten schleifen, gibt die größte Ausbeute,
liefert einen feinen Stoff, welcher aber beim Liegen stark nachdunkelt und eine
schmutziggraue Farbe annimmt. Aspe und Pappel schleifen sich ebenfalls leicht und
geben einen sehr weißen Stoff, welcher nicht nachdunkelt. Weißbuche und Ahorn
sind schwer zu schleifen und geben daher nur eine geringe Ausbeute. Die Faser ist
hellfarbig und fein. Alle Laubhölzer liefern nur kurzfaserigen Stoff.
Bezüglich der Vorbereitung des Rohmaterials (Entrinden, Spalten und Putzen)
gilt das bei der Zellulose-Fabrikation bereits Erwähnte.
Das Holz wird mittelst Kreis- oder sog. Blocksägen in Klötze von 35 — 50 cm
Länge und gewöhnlicher Spaltholzdicke zugerichtet. Das Zerfasern geschieht auf
Schleifsteinen, sog. Defibreurs, mit oder auch ohne Wasserzulauf. Die Schleifsteine
müssen aus feinkörnigem, harten Sandstein hergestellt und der ganzen Masse hin-
durch gleichartig sein. Ungleich harte Stellen bedingen eine ungleiche Abnutzung
der Schleiffläche.
Die Steine haben einen Durchmesser von 100 — 150 cm und eine Dicke von
etwa 50 cm. Sie rotieren entweder in horizontaler, gewöhnlich aber in vertikaler
Fiichtung, mit einer Umfangsgeschwindigkeit von ungefähr 700 m pro Minute. In
der Regel wird auf der Mantelfläche, hier und da aber auch auf der Scheibenfläche
geschliffen.
Anstatt die Steine aus einem Stück herzustellen, werden dieselben auch aus mehreren
Segmenten zusammengesetzt, was den Vorteil hat, daß Fehler und Hohlräume im Inneren
des Steines leichter entdeckt und beseitigt werden können. Statt der gewöhnlichen Scheiben-
form werden mitunter auch kegelförmige Schleifsteine benützt.
Zellulose- und Holzstoff-Fabnkalion. § 26. 593
In diesen Schleifmaschinen wird das zu schleifende Holz in Einlagkästen,
5 — 8 an der Zahl, mittelst Druckvorrichtungen gegen den rasch rotierenden Stein
gepreßt und unter Wasserzulauf zerfasert. Die Andrückung des Holzes erfolgt ent-
weder mittelst einer Gewichtsbelastung durch Ketten- oder Seilübertragung, oder
durch ein von der Maschine selbst betätigtes Zahnstangengetriebe, oder bei den neu-
sten Konstruktionen durch hydraulischen Druck. In jedem Falle muß sie eine
gleichmäßige und kontinuierliche sein.
Das Schleifen erfolgt entweder parallel oder senkrecht oder aber schief zur
Faserrichtung des Holzes, und darnach unterscheidet man: Längsschliff, Querschliff
und Diagonalschliff; der gebräuchlichste ist der Längsschliff. Der Kraftaufwand ist
ein beträchtlicher; für je 100 kg lufttrockenen Holzschliff in 24 Stunden sind etwa
6 PS. erforderlich.
Der von den Schleifmaschinen abfließende Faserbrei passiert zunächst einen
Splitterfänger, um die gröberen Teile zurückzuhalten und gelangt sodann auf die
Schüttelsiebe. Dieselben sind aus gelochtem Kupferblech hergestellt, haben eine
schwache Neigung und werden durch eine Kurbelwelle in sehr rasche Oszillation
versetzt. Gewöhnlich sind zwei, mitunter auch drei Siebe von verschieden feiner
Lochung übereinander angebracht. Der Faserbrei fließt aus einer Verteilungsrinne
auf das obere Sieb, geht durch dasselbe auf das nächst untere und durch das unterste
in einen Sammeltrichter, welcher den nunmehr sortierten Stoff auf die Pappen-
maschine bringt. Die gröberen Fasern, welche am vorderen, tiefer liegenden Ende
der Rüttelsiebe ausgeworfen werden, gelangen in eine rinnenförmige Rührbütte und
werden von hier mit einer Pumpe auf den Raffineur gehoben. Derselbe ist nach Art
eines Mahlganges konstruiert, zerreibt die gröberen Teile, welche sodann im zerklei-
nerten Zustande auf die Schüttelsiebe geleitet werden.
.\ußer den Schüttelsieben worden mitunter auch Zylindersiebe oder aber rotierende
Flachsiebe verwendet, bei denen durch die Fliehkraft die Sortierung erlolgt. Endlich gibt
es auch Apparate, in welchen die Trennung der feinen Fasern von den gröberen Beimengungen
durch die verschiedene Schwere geschieht.
In den Pappenmaschinen wird der sortierte Stoff auf ein feinmaschiges Draht-
sieb geleitet, durch welches das Wasser abläuft, während die Fasern auf der Sieb-
fläche zurückbleiben. Der auf solche Art gewonnene Holzstoff enthält 80 — 90%
Wasser und kann nur an Ort und Stelle verwendet werden. Für die Versendung
oder längere Aufbewahrung ist er ungeeignet. Zu diesem Zwecke muß er mindestens
durch Druck so weit entwässert werden, daß sein Trockengehalt etwa 50 % beträgt.
Eine weitergehende Trocknung ist nur unter Anwendung von Wärme möglich.
Bei der Lagerung des Holzstoffes, der infolge seines relativ hohen Wassergehaltes
einen guten Nährboden für Schimmelpilze abgibt, muß man Sorge dafür tragen, daß
entweder die Luft keinen Zutritt hat oder eine kräftige Ventilation im Lagerraum
statthaben kann; am gefährlichsten ist stagnierende Luft. Auch die Anwendung
verschiedener Immunisierungsmittel chemischer Natur wurde in Vorschlag gebracht.
Der Holzstoff kommt in der bekannten Form der ,, Pappe" oder in geringerer
Stärke in Rollen oder endlich als sog. Schabstoff, lose in Säcken, mitunter auch
zu Rollen geformt, in den Handel.
Der Holzschliff hat eine unansehnliche Farbe, ist — wie schon erwähnt —
bleichunfahig und besitzt eine kurze, steife Faser, welche sich schlecht verfilzt. Er
ist daher nur für die Erzeugung von Pappe oder ordinären Papiersorten geeignet.
Das Schleifen des Holzes wird wesentlich erleichtert, wenn ein Dämpfen vor-
angeht. Das unter einem Druck von 4 — ö Atm., in gußeisernen Kesseln 8 — 14 Stun-
Handb. d. Forslwiss. 3. Aufl. II. 38
594 IX D. S c li w a c k h ö f e r , Forstlich-Chemische Technologie.
den lang, gedämpfte Holz schleift sich leicht, gibt eine längere, geschmeidigere und
leichter verfilzbare Faser. Durch das Dämpfen wird aber das Holz dunkler und ist
daher dieses Verfahren nur zur Herstellung von braunem Stoffe (,,Braun-
s c h 1 i f f") verwendbar. Noch leichter gelingt das Schleifen, wenn man das Holz
abwechselnd dem Dampfdruck allein und sodann dem unter Dampfdruck stehenden
Wasser aussetzt. Der Braunschliff hat in den letzten Jahren eine sehr starke Ver-
breitung gefunden, da er fast ausschließlich das Material für die braunen Packpapier-
Sorten, Kartons etc. bildet.
Bemerkenswert ist noch der sog. Heißschliff, welcher in Amerika so
gut wie allgemein ausgeführt wird und darin besteht, daß man während des Schlei-
fens das Holz mit starkem Druck gegen den Stein preßt und nur wenig oder gar kein
Wasser zulaufen läßt, wodurch eine bedeutende Erwärmung hervorgerufen wird.
Die Vorteile dieses Heißschliffes gegenüber dem bei uns gebräuchlicheren Kaltschliff
mit starkem Wasserzulauf sind: größere Leistungsfähigkeil der Schleifmaschinen, geringerer
Kraftvorbrauch (pro 100 kg lufttrockenem Stoff in 24 Stunden .3 — i PS. statt 6) und eine gründ-
lichere Zerfaserung und Zerquetschung des Holzes, wodurch ein feiner, fast splitterfreier, ge-
schmeidiger und sehr griffiger Stoff erzielt wird, der ohne Schwierigkeit sich als solcher zu
dickeren Pappen verarbeiten läßt.
Aus bescheidenen Anfängen hervorgegangen, hat die Holzstoffindustrie, seit
ihrer Erfindung durch Keller im Jahre 1840, ebenso wie die Zellstoffindustrie, einen
kolossalen Aufschwung genommen, namentlich als man, durch verschiedene Verhält-
nisse gezwungen, daran ging, den Holzschleifereien auch Papierfabriken anzugliedern,
natürlich nicht zur Erzeugung feiner, sondern billiger Massen-Papiere (Zeitungs-,
Affichen- etc. Papiere). Während ursprünglich ausschließlich und auch heute noch
für kleinere Unternehmungen Wasserkräfte zum Betrieb von Holzschleifereien aus-
genützt wurden, findet sich in der neueren Zeit bereits eine stattliche Zahl von Holz-
stoff-Fabriken, welche nur mit Dampfkraft gewaltige Mengen von Holzschliff rentabel
produzieren.
IV. Trockene Destillation des Holzes.
(Holzverkohlung, Teergewinnung, Holzessig- und Holzgeist-Erzeugung.)
§ 27. Allgemeines. Wird Holz unter Luftabschluß oder bei beschränktem
Luftzutritt erhitzt, so entweicht bis zu 100" C. nur das hygroskopische Wasser,
die Holztrockensubstanz aber bleibt bis ungefähr 150" C. unverändert. Erst über
diese Temperaturgrenze hinaus beginnt eine Zersetzung des Holzes, wobei Gase,
kondensierbare Destillate und ein fester Rückstand entstehen, welche in ihrer Menge
und Zusammensetzung verschieden sind, je nachdem ob sie unter völligem Luft-
abschluß oder bei beschränktem Luftzutritt gebildet wurden.
Bei der trockenen Destillation des Holzes lassen sich im allgemeinen drei Perioden unter-
scheiden:
In der ersten Periode (zwischen 150 und 260° C.) bildet sich jiauptsächlich wässeriges
Destillat. Der wesentlichste Bestandteil desselben ist Wasser. In geringerer Menge sind darin
enthalten: Essigsäure (CaHjO,), Holzgeist (CH^O), Aceton (CjHeO), Furfurol, Methylamin etc.
Verdichtbare Kohlenwasserstoffe (Teer) und nicht kondensierbare Gase treten nur in beschränk-
tem Maße auf. Die Gesamtmenge der flüchtigen Stoffe beträgt rund 60% vom Gewichte der
Holztrockensubslanz. Der Rückstand (10%) hat eine braune Farbe und kann als Röstholz
angesprochen werden. Der Köhler bezeichnet diese halbverkohllen Stücke als ,, Brände".
In der zweiten Periode (zwischen 260 und 3.30" C.) bildet sicli zwar auch noch wässeriges
Destillat, jedoch in geringerer Menge; dafür treten hauptsächlich Kohlenwasserstoffe: Methan
(Sumpfgas CH4), Aetylen (CoHj), .'\cetylen (CjH,) etc., ferner Kohlenoxyd (CO) und Kohlen-
sä\irc (CO2) auf. Die geringe Menge Stickstoff, welche im Holz enthalten ist, verbindet sicIi
mit dem Wasserstoff zu Ammoniak (H3N) und teils mit Kohlenwasserstoff zu Methylamin
(CHjN). Der Gesamtverlust durch Entweichen der flüclitigen Bestandteile steigt auf 70%,.
Trockene Destillation des Holzes.
595
so dali der Rückstand, welcher als H o t k o h 1 e bezeichnet wird, jetzt etwa noch 30% vom
Holzgewicht ausmacht.
In der dritten Periode (von 330 — 430» C.) geht vornehmlicli die Teerbildung vor sich.
Der Teer scheidet sich als dimkelbraune, dickflüssige Masse ab und sinkt zum größten Teil
im wässerigen Destillat unter. Seine Hauptbestandteile sind: Paraffin, Kresolc, Karbolsäure,
Benzol, Toluol etc. Als Gase treten fast nur .Methan und Wasserstoff auf. Der Rückstand
hat eine schwarze Farbe, ,,S c h w a r z k o h 1 e", und beträgt etwa 20% vom Holzgewicht.
Bei fortgesetzter Steigerung der Temperatur findet zwar noch eine weitergehende Zersetzung
statt, die aber insofern oluie wesentlichen Belang ist, da in der Praxis so hohe Temperaturen
nicht in .\nwendung kommen. Der gewöhnliche N'erkohlungsvorgang ist bei etwa 400 — 450» C.
als abgeschlossen zu betrachten.
Nach den Untersuchungen von Klason, v. Heidenstam und "Norlin i) läßt sich der bei
dieser Temperatur verlaufene üestillationsprozeß nach folgender Gleichung darstellen:
Holz
-28H20+5C02-f3CO+C2sH3209
Holzkohle
Uebrige Produkte: Holzessig-|-Teer-(-Gase
Der Prozeß ist ein exothermischer Reaktionsvorgang, also einer, bei dem Wärme frei
wird (etwa 6°o von der Verbrennungswärme des Holzes) und bei dem die Zellulose keinen
.Methylalkohol liefert, dieser somit aus dem Lignin gebildet werden muß.
.\us den Untersuchungen von Violette über die Vorgänge bei der Verkohlung des Faul-
baumholzes (Rhamnus frangula) ergaben sich folgende Zahlen:
Tempera-
tursteige-
rung bis
» Gels.
Von 100 Gewichtsteilen
Holztrockensubstanz wer-
den erhalten :
In 100 Gewichtsteilen des
Rückstandes sind enthalten :
Destiilations-
produkte
Rückstände
Koh-
len-
stoff
W^as-
ser-
stotf
Sauer- , ,
Stoff A^=^«
Trockenes Holz
Röstholz
Rotkohle
Schwarzkohle
150
260
330
432
60
68
81
100
40
32
19
47,5 ■
67,9
73,6
81,6
6,1
5,0
4,6
2,0
0,1
0,6
0,5
1,2
46,3
26,5
21,3
15,2
von etwa
Sehr harte Schwarzkohle
1000
bis über
—
—
82,0
2,3
1,6
14,1
1500
85
15
96,5
0,6
2,0
0,9
Eine vollkommene Entgasung ist bei den erreichbaren Temperaturen nicht möglich.
Ein kleiner Teil von Wasserstoff und Sauerstoff verbleibt immer noch im Kohlenrückstande.
V e r k o h I u n g s - M e t h o d e n. Im wesentlichen kann man zwei Haupt-
arten der Verkohlung unterscheiden: 1) die Verkohlung bei beschränktem Luft-
zutritt in Meilern, Gruben oder Oefen mit direkter Feuerung und 2) die Verkohlung
unter vollständigem Luftabschluß in Oefen mit indirekter Feuerung, Retorten
oder Kesseln.
Denz -) unterscheidet schart zwischen diesen beiden Methoden als der eigentlichen
,,Holzverkohlung" und der ,, trockenen Destillation des Holzes", welch letztere soeben auf Grund
genauer Untersuchungen charakterisiert wurde. Bei der ,,Holzverkohlung" bedarf es, nach
Denz, bloß einer entsprechend hohen Inilialtemperatur im Meiler — über 400» C. durch die
.\nfeuerung erzielt — damit der Schwel- oder Verkohlungsprozeß in Gang gebracht wird,
sich aber dann von selbst erhält, also nahezu rein exothermisch verläuft.
.Mit weit geringeren Temperaturen, als solche bei der trockenen Destillation erforderlich
sind, findet Denz das .\uslaugen bei der Meilerverkohlung, da Temperaturmessungen im Meiler
ergeben haben, daß unter 240» G. die Holzverkohlung zwar noch nicht vor sich geht, dieselbe
aber zwischen 240 und 230» C. regelrecht verläuft. Bei einer Temperatur von 290" C. wird schon
Kohle minderer Qualität und Quantität gebildet.
Darnach würde also der Xerkohlungsprozeß im Meiler nicht, wie bisher allgemein an-
1) Klar, Technologie der Holzverkohlung, Berlin 1910.
2) Denz, Die Holzverkohlung und der Köhlereibetrieb, Wien 1910.
38^
596 IX D. S c li w a c k h ö f c r , Forstlich-Chemische Technologie.
genommen, durch die unvollständige Verbrennung eines Teiles des Kolilungsmateriales, sondern
durch die Reaktionswärme erhalten werden und müßte somit verlustlos verlaufen.
Durch den in jedem Meiler herrschenden Zug wird aber so viel Sauerstoff mit der
atmosphärischen Luft zugeführt, daß eine, wenn aucli nur unvollständige, Verbrennung eines
geringen Teiles der Kohlungsmaterie nicht hintanzuhalten ist und somit Wärmeentwicklung,
infolge unvollständiger Verbrennung, stattfinden muß. Ob und in welchem Maße nun diese
die trockene Destillation unterhält oder auch nur fördert, mag dahingestellt sein, insolange
als Untersuchungen in dieser Richtung fehlen.
Jedenfalls aber bedingt diese Verbrennung einen Holzverlust und je mehr man sie zurück-
drängt, desto höher wird die Ausbeute an Holzkohle und kondensierbaren Dcstillationsproduklen.
Bei der Verkohlung in geschlossenen Gefäßen sind Verluste zwar auch nicht zu vermeiden,
sie sind aber hier anderer Art. Alle Wärme, welche zur Erhaltung des \'erkohlungsprozesses
notwendig ist, wird dem Holze von außen zugeführt. Der Wärmebedarf ist in diesem Falle
sogar noch ein erheblich größerer, weil die Gefäßwände und das Mauerwerk mitgeheizt werden
müssen und die Feuergase mit hoher Temperatur aus dem Feuerraum abziehen. Man hat
nur den Vorteil, daß zur Feuerung auch geringwertige Materialien (Torf, Braunkohle, Holz-
abfälle und die Gase von der Verkohlung) angewendet werden können, und daß mehr Deslil-
lationsprodukte aus dem Holze resultieren. Als Nachteil ist dagegen hervorzuheben, daß für
diese Art der \'erkohlung eine komplette Fabrikanlage notwendig ist, während die Meiler-
köhlerei mit den primitivsten Mitteln im Walde selbst oder an irgend einem anderen Orte,
wo das Holz leicht zuzubringen ist, betrieben werden kann.
a) Holzverkohlung.
I. Die Meilerköhlerei.
§ 28. Begriff. Unter einem Meiler versteht man einen zu dem Zwecke der
Verkohlung nach gewissen Regeln aufgebauten Holzstoß, welcher mit einer dichten,
feuerbeständigen Decke umgeben ist. Man unterscheidet stehende und lie-
gende Meiler. Erstere besitzen die Form eines Paraboloides, in welchem die
Hauptmenge des Holzes stehend (respektive schwach geneigt) eingeschichtet ist.
Letztere haben im allgemeinen die Form eines liegenden Keiles, dessen Enden senk-
recht abgeschnitten oder abgerundet sind. Das Holz wird liegend, quer über die
Längsrichtung der Kohlplatte eingelegt. In den stehenden Meilern wird vorwiegend
Spaltholz (deutsche Methode), in den Alpenländern aber auch Rundholz (italienische
Methode oder Alpenköhlerei) verkohlt, während in den liegenden Meilern fast aus-
schließlich Rundholz in Anwendung kommt.
Abgesehen von der Form des Meilers unterscheidet man auch noch W a n d e r -
oder Waldköhlerei und konzentrierte, ständige oder Hütten-
köhlerei. Die erstere wird in möglichster Nähe der Holzschläge betrieben, wech-
selt daher fast alljährlich ihren Standort, während für die konzentrierte Köhlerei
ständige Plätze gewählt werden, hauptsächlich dort, wo durch die Trift das Holz
zugebracht oder wo die Kohle verbraucht wird, also bei Eisenhütten.
§ 29. Vorbemerkungen. A. V e r k o h 1 u n g i n stehenden Mei-
lern. Zur Verkohlung kann jede Holzart und auch jedes Holzsortiment verwendet
werden. Zumeist kohlt man Nadelholz oder Laubholz von geringerem Werte (vorzugs-
weise Rotbuche). In manchen Distrikten (z. B. in Ober-Ungarn, im Banat und Küsten-
land) wird übrigens fast ausschließlich Laubholz (Rotbuche, Eiche, Linde, Aspe etc.)
gekohlt. Als Regel gilt es, den Meiler nur aus einer Holzart und einem Sortimente
aufzurichten, was sowohl hinsichtlich der Kohlungsdauer, als auch des verschiedenen
Gebrauchswertes der Kohlen erwünscht ist. Ist man gezwungen, Holz von verschie-
dener Abstammung und Stärke zu verkohlen, so muß das schwerer kohlende Holz
in schwächeren Scheiten mehr gegen die Mitte des Meilers gestellt werden, wo schon
beim Beginn der Kohlung eine höhere Temperatur herrscht.
Das Kohlholz soll lufttrocken sein. Bei feuchtem Holze ist der Kohlgang
langsamer, unregelmäßiger und die Kohlenausbeute geringer.
Trockene Destillation des Holzes. § 29. 597
Das Wasser, welches im Holze enthalten ist, wird bei der Verkohlung in Dampf verwandelt,
und die hierzu notwendige AVärnienicngc (für je 1 kg Wasser rund 630 Calorien = 0,15 kg Holz-
trockensubstanz) muß durch ^■erb^en^cn des Holzes oder der Kohle gelicrerl werden. Ueber-
dies ergibt sich auch noch ein \'erlusl durch die Einwirkung des Wasserdampfes auf die glü-
hende Kohle, -wobei Wasserstoff und Kohlenoxyd als Endprodukte entstehen:
C-|-2HȆ = CO,+2H,
C+COÖ =2CÖ.
Diese Prozesse sind bei keiner Holzverkohlung, mag dieselbe auf was immer für eine
.\rt geschehen, zu vermeiden. Die Kolilenausheulc wird aber um so geringer, je mehr Wasser-
dampf sicli entwickelt, beziehungsweise je feuchter das Holz ist.
\'on Wichtigkeit ist ferner die Form und Stärke des Kohlholzes. Bei der deut-
schen \' e r k o h 1 u n g s m e t h o d e wird vorwiegend Scheitholz ver-
wendet. Stämme über 15 cm Durchmesser werden einmal, stärkere Stämme mehr-
mals gespalten. Die Scheitlänge beträgt gewöhnlich 1 m. Die Aeste und Zacken
müssen scharf abgehauen werden, weil sonst ein dichtes Richten nicht möglich ist
und zu viel Kleinholz, v^elches nur geringwertige Kohle gibt, zum Ausfüllen der
Klüfte notwendig wird.
Knüppel- und Prügel holz bleibt ungespalten. Maximallänge ^4 — 1 m- Län-
gere Stücke sind nicht dicht zu stellen, weil sie nur selten eine regelmäßige Gestalt besitzen.
-\ e s t e bis zu einem Minimaldurchmesser von 3 cm können noch zur Kolilung ver-
wendet werden. Die Zurichtung besteht nur in dem .\bhauen der kleinen Zweige und Zuschneiden
der Aeste auf gleiche Länge.
S t o c k - und W u r z e 1 h o 1 z erfordert wegen der außerordentlich unregelmäßigen
Gestalt eine umständliche, kostspielige Zurichtung, welche häufig nicht rentiert. Alle vor-
stehenden Zacken müssen abgesägt und der Stock je nach seiner Stärke in 3, 4 und noch mehr
Teile gespalten werden.
Bei der A 1 p e n k ö h 1 e r e i ^^ ird in der Regel nur Rundholz benützt, meist
Fichte, seltener Tanne und Lärche. Nur die stärksten Stämme (über 45 cm Durch-
messer) werden einmal gespalten. Die Länge des Kohlholzes beträgt bis zu 2 m,
selten darüber. Das Entrinden der Stämme ist zweckmäßig (schon der besseren
Austrocknung wegen), geschieht aber nicht immer. Unter allen Umständen gilt es
als Regel, nur gesundes Holz zu verwenden. Stockiges oder faules Holz gibt immer
eine schlechte, brüchige, und wenn die Zersetzung schon weiter vorgeschritten ist,
eine ganz mürbe, unbrauchbare Kohle.
Die Form des stehenden ;\I eilers entspricht einem Paraboloid,
dessen Rauminhalt x durch die Formel :
x=p^h
gefunden wird, worin p die Peripherie des Meilers und h dessen Höhe bedeutet. Da
die Gestalt des Meilers von der mathematischen Form des Paraboloides etwas ab-
weicht, so sind von dem berechneten Inhalte 4 — 6°i in Abzug zu bringen.
Die zweckmäßigste Größe der Meiler hängt von verschiedenen Umständen ab.
Nach Denz ergeben deutsche Meiler die besten Ausbeuten, wenn ihr Einsatz: bei der
ständigen Köhlerei 200—280 Rm. bei der Wanderköhlerei 140—200 Rm. Spaltholz
beträgt. Bei der Verarbeitung von minderem Holzsortiment (Knüppel-, Ast-, Wurzel-
holz) nimmt man den Fassungsraum geringer: 60 — 80 — 120 Rm. Nadel- und weiches
Laubholz setzt man in größere Meiler, harte Laubhölzer in kleinere, innerhalb der
angegebenen Maße. Bei der Alpenköhlerei wird der ^Meiler der Form und Stärke
des Kohlholzes wegen viel größer angelegt, bis zu 300 Rm. und darüber. Die früher
gebräuchlichen, abnorm großen Meiler von 1000 Rm. und darüber hat man jetzt
allerorts aufgegeben. Große Meiler beanspruchen im Verhältnis zu ihrem Inhalte
eine geringere Bodenfläche und weniger Deckmaterial. Sie haben ferner den Vorteil,
daß die Wärm.e besser ausgenützt wird, die Kosten für die Arbeit und Ueberwachung
598 IX D. S c h w a c k h ö f e r , ForsUich-Chemische Technologie.
pro Gewichts- oder Volumeinheit der erzeugten Kohle geringer sind und ein kleinerer
Prozentanteil minderwertiger Quandelkohlen gezogen wird. Aber auch die kleinen
Meiler haben gewisse unverkennbare Vorzüge und sind namentlicli für die Wander-
köhlerei sehr geeignet, weil auf unebenem oder sonst ungünstigem Terrain im Walde
ein kleiner Kohlplatz leichter zu finden und mit geringeren Kosten herzurichten
ist als ein großer. Die Arbeit des Meileraufbaues ist eine leichtere, der Feuerungs-
gang läßt sich sicherer regieren und Unregelmäßigkeiten, welche durch ungünstiges
Wetter veranlaßt werden, können leichter vermieden oder eventuell verbessert werden.
§ 30. Die Arbeit an einem stehenden Meiler umfaßt im
allgemeinen folgende Operationen:
1. Die Herrichtung der Kohlstätte.
2. Der Aufbau des Meilers (das sog. Setzen oder Richten).
3. Das Berüsten und Decken des holzfertigen Meilers.
4. Das Anzünden.
5. Das Regieren des Feuers.
6. Das Nachfüllen.
7. Das Verwahren und Auskühlen des Meilers.
8. Das Ausziehen und Sortieren der fertigen Kohlen.
1. Herrichtung der Kohlstätte. Bei der Anlage einer neuen
Kohlstätte ist darauf Bedacht zu nehmen, daß die Zubringung des Holzes und die
Abfuhr der Kohlen keine großen Schwierigkeiten und Kosten verursacht, daß Wasser
in der Nähe sich befindet und der Kohlplatz gegen Windfall möglichst geschützt ist.
Der Boden muß trocken sein. Ist man gezwungen, den Meiler auf sumpfigem Terrain
zu errichten, so muß die betreffende Stelle durch Ziehen von Gräben zunächst trocken
gelegt werden. Setzt man den Meiler direkt auf die Kohlplatte, so darf der Boden
weder zu porös, noch zu dicht sein. Auf sehr lockerem Boden ist der Luftzug im
Meiler ein zu lebhafter und infolgedessen der Kohlgang ein zu rascher. Auf dichtem
Boden werden die flüssigen Destillationsprodukte nicht aufgesaugt und der Verlauf
der Kohlung ist wegen ungenügendem Luftzutritt zu langsam. Kohlplatten der
ersteren Art werden ,,h i t z i g", jene der letzteren Art ,,k a 1 1" genannt. Am
besten eignet sich ein lehmiger Sandboden. Bei Verwendung einer Meilerbrücke wählt
man einen möglichst undurchlässigen Grund, am besten in einem trockenen Lehm-
oder Tonboden. Die wesentlichste Bedingung ist die Gleichartigkeit der Kohlplatte.
Es dürfen keine Risse oder Klüfte, ebensowenig aber auch ganz dichte Stellen (große
Steine etc.) vorhanden sein. Der Boden wird zunächst von allem Gestrüpp, Steinen etc.
befreit, geebnet und wie ein Gartenbeet bearbeitet; sodann zieht man mit einer
Schnur einen Kreis, welcher der Peripherie des Meilers entspricht. Gegen das Zentrum
hin wird ein Anlauf von 20 — ^30 cm Höhe gemacht. Je dichter der Boden ist, desto
steiler muß der Anlauf sein. Letzterer hat den Zweck, den Luftzug im Meiler zu
vermehren und die Kondensationsprodukte nach außen abzuleiten. Schließlich wird
die Kohlplatte festgetreten und bleibt längere Zeit (womöglich über Winter) un-
benutzt. Bevor man die Platte in Gebrauch nimmt, müssen etwa vorhandene Schäden
ausgebessert und der Boden durch Abbrennen von Reisig oberflächlich getrocknet
und vorgewärmt werden. Auf einer neuen Platte fällt die Kohlenausbeute bei den
ersten Kohlgängen immer um 2 — 5% geringer aus. Rings um den Kohlplatz muß
ein genügend freier Raum (Fegplatz) für die Abladung des Holzes, Unterbringung
der Kohlen, Bereithalten des Deckmaterials und Aufstellung der Köhlerhütte vor-
handen sein. Man trachtet immer, selbst bei der Waldköhlerei, wenn möghch zwei
oder mehrere Meiler unweit von einander anzulegen, um an Aufsichtspersonal zu
Trockene Destillation des Holzes. § 30. 59g
sparen und tue Kosten für die Herstellung und Erhaltung der Wego zu vermindern.
Bei der Hütten- und Lendköhlerei versteht es sich von selbst, daß alle Meiler tuidiclist
nahe aneinander gelegt werden.
2. Der Aufbau oder das Richten des Meilers. Der Aufbau
beginnt immer mit der Herstellung des Quandelschachtes. Unter Quandel versteht
man den zentralen Raum des Meilers. Der Quandel dient als Feuerschacht und wird
aus 3 oder 4 armdicken Pfählen gebildet, welche in einem gegenseitigen Abstand
von je 30 — 40 cm im Boden befestigt werden. Ihre Höhe entspricht jener des auf-
zubauenden Meilers. Die Pfähle werden mit Wieden umflochten und bilden so einen
Schacht zur Aufnahme von leicht entzündlichem Brennstoff (Kienholzspäne, trockene
Birkenrinde, dürres Reisig, Brände etc.). Ist der Quandelschacht gefüllt, so wird
am Fuße desselben ein sogenannter Zündmaterialkegel (bestehend aus dünngespal-
tenem, trockenem Holze, Bränden, Reisig und dgl.) angelegt und sodann mit dem
Ansetzen des Holzes begonnen. Dabei ist als Regel zu beachten, daß unmittelbar
an den Zündmaterialkegel schwächeres, dann aber gleich anschließend das stärkste
und gegen die Peripherie hin immer schwächeres Holz zu stehen kommt. Die Scheite
müssen mit dem stärkeren Ende am Boden stehen. Dadurch ergibt sich von selbst
eine gewisse Neigung des Holzes gegen den Quandel. Im fertigen Meiler beträgt
die Böschung etwa 60". Diese Neigung ist notwendig, damit die Decke nicht ab-
rutscht. Ist der Bodenstoß bis auf halbem Diameter fertig, so beginnt man mit dem
Ansetzen des zweiten Stoßes und fährt dann oben und unten gleichmäßig bis zur
Peripherie fort. Schließlich wird die Haube aufgebracht, d. h. das Holz in schwä-
cheren Scheiten quer gelegt, um die runde Abdachung des Meilers herauszubringen.
Das Holz muß zur Vermeidung eines zu starken Zuges im Meiler möglichst dicht
gestellt werden und ist daher noch öfter ein nachträgliches Zurichten der Scheite
(Absägen oder Abhacken der Vorsprünge und Zacken) erforderlich. Alle Klüfte
zwischen den Scheiten müssen mit Spaltholz ausgefüllt werden, namentlich ist dies
an der Oberfläche, das sog. Ausschmälen des Meilers, notwendig, um neben dem
schon erwähnten Grunde auch noch das Durchrieseln der Decke zu verhindern. Muß
Holz von verschiedenem Feuchtigkeitsgrad gekohlt werden, so setzt man das trockene
in den Bodenstoß, das feuchtere aber in die Oberstöße. Verschiedene Holzarten
setzt man so ein, daß das Nadelholz nahe an den Quandel, das harte Laubholz gegen
die Peripherie des Meilers zu stehen kommt.
3. Das Decken und Berüsten des holzfertigen Meilers.
Die Decke besteht bei der deutschen Verkohlungsmethode aus zwei Schichten: zu
Unterst, als unmittelbare Bedeckung des Holzes, das sog. Rauhdach oder Gründach
und darüber das Erddach. Das Rauhdach besteht aus Rasen, Laub, Moos, jungem
Nadelholzreisig, Farnkraut, Schilf oder dgl. Es hat den Zweck, der ganzen Decke
eine gewisse Elastizität zu verleihen, um dem bei der Kohlung allmählich einsinkenden
Meiler nachzugeben, ferner um das Durchrieseln der Erddecke zu verhindern. Das
Erddach bildet die äußere, feuerfeste und bis zu einem gewissen Grade auch dicht-
schließende Umhüllung des Meilers. Dasselbe wird aus einem durchfeuchteten Ge-
menge von humoser Walderde und Kohlenklein (Stübbe oder Lösche genannt) her-
gestellt. Die Mächtigkeit der Erddecke richtet sich nach der Beschaffenheit des
Rauhdaches, nach der Stärke des Kohlholzes, nach der Witterung etc. und schwankt
von 5 — 25 cm. Rasen bedarf die schwächste, Reisig die stärkste Erddecke.
Die Unterstützungen zum Halten der Decke werden ,, Rüsten" genannt. Man
unterscheidet Unter- und Oberrüsten. Die Unterrüsten (Fußrüsten) werden in der
Weise hergestellt, daß man rings um den Meiler in gewissen Abständen kleine, etwa
600 IX D. S c h •«- a c k h ö f e r , Forstlich-Chemische Technologie.
15 cm hohe Klötze anbringt und Scheite quer überlegt, welche der Decke als Unter-
stützung dienen. Bei der Verkohlung verbrennen die Scheite teilweise und sind
gewöhnlich nur einmal zu gebrauchen. Zuweilen werden auch Steinunterlagen oder
eiserne Rüsten, letztere in der Form eines Kreissegmentes, welche an einer Seite
einen Fuß besitzen, verwendet. Sie sind sehr dauerhaft und geben dem Meilerumfang
eine regelmäßige Form, indem sie sich dichter an das Holz bringen lassen, als die
geraden Scheite. Unterrüsten sind bei einem jeden Meiler notwendig, nur bei der
Reisigdecke können sie entbehrt werden, weil sich diese niemals so dicht an das Holz
legt, daß der Luftzug dadurch gehemmt würde.
Oberrüsten werden nur bei steil gebauten Meilern angebracht oder wenn bei
sehr trockenem Wetter die Decke nicht halten will.
Alle Meiler, welche nicht im Walde geschützt stehen, brauchen eine Schutz-
wand gegen den Windanfall, den sog. Windschauer. Derselbe wird aus einigen im
Boden befestigten Pflöcken, die mit Schwarten oder Reisig bedeckt sind, hergestellt,
ist etwas höher als der Meiler und soll, der Feuersgefahr wegen, mindestens 2 m vom
Meilerumfang abstehen.
4. Das Anzünden. Der Meiler kann von oben oder von unten in Brand
gesetzt werden. Beim Obenanzünden wird an der oberen freien Mündung des Quandel-
schachtes ein kleines Feuer angemacht, welches sich allmählich nach abwärts zieht,
indem die Ouandelfüllung ausbrennt. Beim Anzünden von unten muß schon beim
Aufbau des Meilers am Fuße desselben eine Zündgasse, welche von der Peripherie
bis in den Quandelschacht reicht, frei gelassen werden. Diese Zündgasse soll hinter
Wind liegen. Das Anzünden geschieht durch Einführung einer mit brennenden
Kienholzspänen versehenen Zündrute. Damit das Feuer nicht erlischt, müssen sowohl
beim Oben- als auch beim Untenanzünden Zugöffnungen zwischen den Fußrüsten
vorhanden sein. Das Anzünden erfolgt immer vor Tagesanbruch bei windstiller Luft.
5. Das Regieren des Feuers. Bei jeder Art des Anzündens brennt
zuerst die Quandelfüllung aus, sodann wird der Zündmaterialkegel ergriffen, wobei
sich das Feuer um den Quandelschacht herum nach aufwärts zieht und unter der
Haube ausbreitet. Bei normalem Gange schreitet die Glutzone in der Form eines mit
der Spitze nach abwärts gerichteten Kegels fort. Die Mantelfläche desselben breitet
sich immer mehr aus und geht endlich in eine Horizontalebene über, so daß die Glut
an dem untersten Rande des Meilers anlangt. Damit ist die Kohlung beendet.
Um das gleichmäßige Niedergehen der Glutzone zu ermöglichen, müssen Zug-
öffnungen (Rauchlöcher, Register oder Räume genannt) in der Decke angebracht
werden. Die Rauchlöcher werden mit dem Stiel der Schaufel durch beide Decken
hindurch bis auf das Holz gestoßen. In den ersten 24 Stunden nach dem Anzünden
wird in der Regel blind gekohlt, d. h. ohne Rauchlöcher, und der Meiler auf diese
Weise vorgewärmt. Erst nach Ablauf dieser Zeit werden die ersten Rauchhölzer
rings um den sogenannten Saum oder Wechsel (d. i. jene Stelle, wo der zweite Holz-
stoß aufhört und die Haube beginnt) gestochen. Der aus diesen Oeffnungen aus-
tretende Rauch ändert seine Beschaffenheit allmählich und daran läßt sich der
Gang der \'erkohlung beurteilen. Anfänglich tritt fast nur Wasserdampf aus. In
dem Maße, als die Verkohlungszone näher rückt, kommen Produkte der trockenen
Destillation zum Vorschein; der Rauch wird gelblich-braun, besitzt einen empy-
reumatischen, sauren, stechenden Geruch. Im weiteren Verlaufe wird der Rauch
heller, der stechende Geruch läßt nach und schließlich schlägt eine blaue Flamme
(Kohlenoxyd) aus der Oeffnung heraus, als Beweis, daß die Glutzone bei den Rauch-
löchern angelangt ist. In diesem Stadium ist die Verkohlung so weit vorgeschritten, daß
Trockene Destillation des Holzes. § 30. ßOl
die Kohle zwar schon gebildet, aber noch nicht zur fertigen Schwarzkohle geworden
ist. Erst wenn der Rauch sich wieder lichter verfärbt, ist dies ein Zeichen für die
Bildung der Schwarzkohlc und auch dafür, daß nun die ganze Reihe der Rauchlöcher
mit Lösche geschlossen und mit der Plättschaufel zugeschlagen werden muß. Gleich-
zeitig wird weiter unten eine neue Reihe gestochen. In dieser Weise wird fortgefahren,
bis man an dem Fuße des Meilers angelangt ist. Sollte die Glut nicht ringsum im
ganzen Jleiler gleichmäßig niedergehen, so muß an jener Seite, wo sie rascher vor-
schreitet, blind oder an der entgegengesetzten Seite mit stärkerem Zug (durch Ver-
mehren der Fußräume und Rauchiöcher) gekohlt w-erden. Bei Meilern, welche an
einem Bergabhange stehen, ist der Zug an der Talseite immer größer als an der Berg-
scite, folglich auch das Niedergehen der Glutzone ein unregelmäßiges, welches in
der angedeuteten Weise ausgeglichen werden muß. Eine andere Unregelmäßigkeit,
welche namentlich bei zu raschem Kohlgange auftritt, ist das ,, Schütten, Werfen
oder Schlagen" des Meilers: darunter versteht man das explosionsartige Abwerfen
einzelner Partien der Decke. Sobald die Temperatur im Meiler etwas höher steigt,
entwickelt sich Wasserdampf aus dem Holze, welcher anfänglich an der kalten Erd-
decke kondensiert wird. Der Meiler fängt an zu dunsten und zu schwitzen. Zugleich
oder etwas später entweicht auch ein dicker, qualmender Rauch, welcher die Erd-
decke durchdringt. In dieser Periode liegt die Gefahr des Schüttens sehr nahe.
Schließt die Decke zu dicht oder ist das Feuer im Meiler zu lebhaft, so werden mehr
Dämpfe entwickelt, als durch die Decke entweichen können; die Folge davon ist,
daß die Dämpfe sich gewaltsam Austritt verschaffen und einen Teil der Decke ab-
werfen. Außer Wasserdampf können auch noch brennbare Gase, vor allem Kohlen-
oxyd und Kohlenwasserstoffe, in Berührung mit der atmosphärischen Luft knallgas-
artige Gemenge geben, welche Explosionen im Meiler veranlassen. Die Bildung
dieser Gase in größerer Menge kann durch die Annahme, daß die Verkohlung ein
exothermischer Prozeß ist, unschwer erklärt werden. Beim Beginn der Kohlung ist
es vorzugsweise der Wasserdampf und in den späteren Stadien sind es die brenn-
baren Gase, welche das Schütten des Meilers bewirken. Ganz ruhig verläuft die
Kohlung niemals, kleine Detonationen sind unvermeidlich, sie dürfen aber niemals
so stark werden, daß ein teihveises Abwerfen der Decke und Auseinanderwerfen des
Holzes damit verbunden ist. Die durch das Schütten entstandenen Oeffnungen
müssen sofort wieder verschlossen und der Zug im Meiler muß auf das tunlichste
Jlinimum reduziert werden.
6. Das Nachfüllen. Bei der Kohlung entstehen immer Höhlungen im
Meiler, welche mit kurzem Spaltholze, Bränden oder Grösekohlen ausgefüllt werden
müssen. Der erste Hohlraum ergibt sich durch das Ausbrennen des Quandelschachtes ;
weitere Hohlräume entstehen dann noch durch das ungleichmäßige Niedergehen der
Kohle. Das Volumen des Scheitholzes schwindet bei der Verkohlung um 30 — 40%,
bei frischem, wasserreichen Holze auch noch mehr. Durch diese bedeutende Volum-
verminderung findet nicht nur ein starkes Niedergehen der Decke, sondern auch ein
Verstürzen der Kohle statt, wodurch notwendigerweise Höhlungen im Meiler ent-
stehen müssen. Diese Höhlungen fallen um so größer aus: 1. je feuchter das Holz
war, 2. je weniger dicht dasselbe gestellt wurde, 3. je rascher die Kohlung ver-
läuft und 4. je ungleichmäßiger das Feuer niedergeht. Die Ausfüllung des leer-
gebraimten Quandelschachtes nennt man das Hauptfüllen, die Ausfüllung
aller übrigen Höhlungen das Seitenfüllen. Das Hauptfüllen geschieht schon
12 — 16 Stunden nach dem Anzünden des Meilers und muß am 2., 3. und 4. Tage
wiederholt werden, weil sich durch die Verkohlung des FüUmateriales immer wieder
602 IX D. S c li w a c k h ö f e r , ForsUich-Chemische Technologie.
neue Hohlräume bilden. Die Seitenfüllungen werden nach Bedarf gemacht. Größere
Hohlräume geben sich schon an dem örtlich starken Einsinken der Decke zu er-
kennen. Kleinere Höhlungen werden durch das Abklopfen des Meilers mit dem
sogenannten Wahrhammer (d. i. ein hölzerner Schlegel) ausfindig gemacht. Min-
destens eine Stunde vor dem Füllen müssen alle Zugöffnungen verschlossen werden.
An der hohl erkannten Stelle nimmt der Köhler die Decke ab, stößt mit einer Stange
die losen Kohlen hinunter, bringt das schon früher vorbereitete Füllmaterial ein,
legt die Rauh- und Erddecke wieder auf und klopft dieselbe mit dem Hammer fest.
Die ganze Manipulation muß möglichst schnell geschehen, damit die Glut im Meiler
nicht zu stark angefacht wird. Durch etwa 12 Stunden nach dem Füllen wird blind
gekohlt. Trotz dieser Vorsichtsmaßregeln verbrennt aber immer ein Teil der Kohle
und muß daher schon von vornherein darauf Bedacht genommen werden, alle Um-
stände zu vermeiden, welche ein oftmaliges Füllen notwendig machen.
7. D a s Verwahren und Auskühlen des Meilers. Um Un-
regelmäßigkeiten im Kohlgang vorzubeugen, muß der Köhler jeden Abend die Decke,
soweit die Verkohlungszone reicht, mit dem Wahrhammer niederklopfen, etwa vor-
handene Risse, sowie die stark eingesunkenen Stellen mit feuchter Stübbe aus-
gleichen (beschießen) und die nötigen Füllungen machen. Diese Arbeiten nennt man
das Verwahre n. Ist die Verkohlung bis zur Gare vorgeschritten, so erfolgt das
Abkühlen. Zu diesem Behufe werden die Fußräume verschlossen und damit
der Zug im Meiler abgesperrt; die Decke wird streifenweise abgenommen, durch-
gehackt und sofort wieder aufgebracht. Dabei rieselt die Erde zwischen die Kohlen ein
und dämpft die Glut rasch ab. In diesem Zustande bleibt nun der ,, fertig geputzte"
Meiler — ein sog. Kohlstück — 24 bis 48 Stunden der Abkühlung überlassen.
8. Das Auszielien und Sortieren der Kohlen. Das Aus-
ziehen (auch Langen oder Stören genannt) wird mit einem eisernen, gekrümmten
Hacken am Fuße des Meilers vorgenommen. Diese Arbeit wird abends begonnen
und die Nacht hindurch fortgesetzt, um die Glut besser überwachen zu können.
Die Ziehöffnung muß gegen Windanfall geschützt sein. Man zieht nur 2 — 3 m^
an einer Stelle aus, dann wird die Oeffnung verschlossen und an einer anderen Stelle
mit dem Ausziehen begonnen. In dieser Weise fährt man rings um den Meiler fort,
bis alle Kohlen ausgezogen sind. Der verbleibende, aus dem Zentrum des iMeilers
stammende Rest besteht aus Kohlenklein und Asche und wird behufs Erkaltung
ausgebreitet. Die ausgezogenen Kohlen werden nach der Holzart (falls überhaupt
gemischtes Holz in Anwendung kam) und nach ihrer Größe sortiert.
Man unterscheidet folgende Sortimente:
1. Grob- Lese- oder H ü t t e n k o h 1 e n, d. s. die größten Stücke, welche vor-
zugsweise für liüttenmännische Zwecke dienen.
2. S c h m i e d e k 0 h 1 e n , von Faustgröße und darüber.
3. Zieh- oder Rechkohlen, von Nuß- bis Faustgröße.
4. Quandelkohlen, die kleinsten leichten Kohlen aus der Nähe des Quandel-
schachtes.
Die beiden ersten Sortimente werden durcii Handscheidung gewonnen, die beiden letz-
teren durch Gitter aussortiert.
5. Brände, d. s. halbverkohlte Stücke, welche als Füllmaterial \'erwendung finden.
In der Regel wird nur ein Sortiment, bestehend aus 1, 2 und 3, abgegeben, i und 3,
werden am Kohlplatz weiter verwendet.
Von diesem Verfahren, welches gewöhnlich als die deutsche V e r k o h -
1 u n g s m e t h o d e bezeichnet wird, gibt es verschiedene Varianten; eine davon
ist die A 1 p e n k ö h 1 e r e i oder italienische Verkohlung. Dieselbe unter-
scheidet sich von der deutschen Kohlung durch folgendes:
Trockene Destillation des Holzes. § 31. ß03
1. \Mi(l in der Regel Rundholz, aber auch Spaltholz bis zu 2 ni Länge uml
Yz m Stärke angewendet.
2. Die Kohlplatte wird so dicht als möglich gemacht und das Kohlholz auf
eine spinnennetzartige Meilerbrücke gestellt, um den nötigen Luftzug im Meiler zu
veranlassen. Die Meilcrbrücke wird aus einmal gespaltenen Koiilholzklötzen her-
gestellt, welche teils radial und teils querüber konzentrisch gelegt werden.
3. Muß der Meiler, der größeren Länge des Kohlholzes wegen, steiler gebaut
werden. Der Einfallswinkel beträgt 60 — 80". (Bei der deutschen Kohlung hingegen
nur 50—60»).
4. Der Fassungsraum des Meilers ist bedeutend größer, bis zu 300 m^.
5. Wird gewöhnlich nur eine Decke, und zwar aus Kohlenlösche gegeben, welche
aber viel stärker ist als bei der deutschen Kohlung (unten 60 und oben 30 cm dick).
Zum Festhalten der Decke sind bei dem steilen Bau des Meilers komplizierte Rü-
stungen erforderlich.
6. Das Anzünden geschieht von oben und der Feuerungsgang ist ein rascherer.
Diese Verkohlungsmethode ist eine primitive, stammt aus alter Zeit, tial sich aber bis
auf den heutigen Tag erhalten und ist seit dem Rückgange der konzentrierten Köhlerei sogar
in Aufschwung begriffen Für die Wanderköhlerei ist sie wenig geeignet, weil zum .\nmachen
der dicken Löschdecke viel Wasser erforderlich ist, was nicht überall zur \'erfügung steht.
Dagegen wird diese Methode in den österreichischen Alpenländern an ständigen Plätzen häufig
betrieben. Das Rundholz soll entrindet sein und einen genügenden Trockenheitsgrad besitzen.
Starke Drehlinge, so wie früher, kommen heute kaum mehr in \erwendung, da für diese zu-
meist eine bessere \'erwendung als Nutzholz zu finden ist. Zumeist kohlt man nur mindere
Sortimente. Das .\usbringen ist geringer als bei der deutschen Methode, weil des rascheren
Feuerungsganges halber mehr Kohle verbrennt. Die Kohle selbst ist aber besser durchgeglüht,
kohlenstoffreicher und sauerstoffarmer, weil die Hitze im Meiler eine intensivere ist.
Alle anderen \arianten, welche sich auf die verschiedene Art des Richtens (stehende
und liegende Stöße alnvechselnd), Herstellung des Quandels (Stange anstatt Schacht), Ein-
lagerung von Grösekohlen (slavischer Meiler) oder Ausfüllung aller Zwischenräume durch
Kohlenklein (amerikanischer Meiler) usw. beziehen, sind von untergeordnetem Interesse.
Dauer des Kohlganges. Die Kohlungszeit ist von verschiedenen Um-
ständen: Holzart, Größe und Stärke des Kohlholzes, Feuchtigkeitsgehalt desselben,
Größe des Meilers, Leitung des Feuers und von der Witterung abhängig. Ein mäßig
beschleunigter Kohlgang gibt die beste Ausbeute, sowohl in bezug auf Qualität,
als auch auf Quantität der Kohle. Bei einem stehenden Meiler aus Buchenscheit-
holz dauert der Feuerungsgang bei 20 — 40 Rm. Inhalt 4 — 5 Tage, bei 60 — 80 Rm.
7—8 Tage, bei 100—150 Rm. 10—14 Tage. Bei Nadelholz muß der Kohlgang lang-
samer sein und dauert bei einem Meiler von 20 — 40 Rm. Inhalt 6 — 8 Tage, bei 100
bis 150 Rm. 15 — 20 Tage. Ungünstige Witterung verzögert den Kohlgang sehr
bedeutend.
§31. B. Die Verkohlung in liegenden Meilern. Diese Me-
thode ist vorzugsweise in Niederösterreich, Steiermark und im Salzkammergute,
femer auch in Schweden gebräuchlich.
Zur Kohlung dient nur Nadelholz, vorwiegend Schwarzföhre. Das Holz wird
in ganzen, möglichst geraden Stämmen von jeder Stärke und gewöhnlich 3 — 5 m
Länge angewendet. Die Größe der Meiler beträgt 50 — 300 m^.
Die Herrichtung der Kohlstätte geschieht in derselben Weise, wie bei stehenden
Meilern; mit \'orliebe wählt man ein schwach geneigtes Terrain. Ueber die ganze
Länge der Kohlplatte werden gerade Stangen in drei Reihen gelegt, welche dem quer
überzulegenden Kohlholz als Auflager dienen. Beim Aufbau des Meilers ist darauf
Rücksicht zu nehmen, daß die starken Stämme auf halber Höhe und mehr gegen die
Rückwand zu liegen kommen, wo sie am längsten der Glut ausgesetzt sind. Oben,
unten und an der Vorderwand kommt schwächeres Holz. Alle Zwischenräume müssen
504 IX D. S c h w a c k h ö f e r , Forstlich-Chemische Technologie.
mit geringerem Holze möglichst dicht ausgefüllt werden. In der Glitte der Vorder-
wand wird eine Zündkammer und von dieser nach beiden Seiten hin, bis an die
Längswände, eine Zündgasse angelegt, um das Feuer über die ganze Meilerbreite
leiten zu können. Der holztertige Meiler erhält zwei Decken. Als erste dient Reisig,
als zweite Lösche gemengt mit feuchter Erde. Um die Decke an den senkrechten
Seitenwänden zu halten, werden dieselben mit Brettern oder Schwarten verschalt.
In der Regel geschieht dies auch an der Vorderwand, seltener an der Rückwand.
Meist wird letztere in einem Winkel von etwa 20" abfallend gebaut, in gleicher Weise
wie das Dach eingedeckt und durch Rüsten gestützt. Um den erforderlichen Zug
im Meiler herzustellen, werden an den beiden Seitenwänden Fußräume angebracht.
Die Zündkammer und die Zündgasse werden mit Kienholzspänen gefüllt und
in Brand gesteckt. Damit das Feuer gleichmäßig über die ganze Breite des Meilers
platzgreift, ist ein öfteres Nachfüllen von Kienholz oder dgl. leicht entzündlichem
Material notwendig. Ist ein Ausgehen des Feuers nicht mehr zu befürchten, so werden
die Fußräume geschlossen und am Dache, ungefähr auf ein Drittel der Meilerlängc,
die ersten Rauchlöcher gestoßen. Die Glut zieht sich in schräger Richtung von der
Vorderwand nach rückwärts, und zwar so, daß die Glutzone am Dache immer um
2 — ^2 1/2 m weiter vor ist, als am Fuße des Meilers. Sobald sich das Feuer den Rauch-
löchern nähert, werden dieselben verschlossen (desgleichen auch die Mündung der
Zündkammer) und Yo — 1 m weiter rückwärts neue Räume gestochen. In dieser
Weise wird fortgefahren, bis die Flamme am Fuße der Rückwand herausschlägt,
als Beweis, daß der ganze Meilerinhalt verkohlt ist. Der Kohlgang muß möglichst
langsam geführt werden, damit einerseits die starken Stämme vollkommen durch-
kohlen vmd andererseits nicht zu viel Kohle verbrennt. Die Stübbe am Dach muß
anfänglich locker gehalten werden, damit der Wasserdampf entweichen kann. Erst
wenn die Kohlung weiter vorgeschritten und die Gefahr des Schüttens vorüber ist,
wird die Decke verstärkt.
Das Abkühlen geschieht in derselben Art wie bei den stehenden Meilern, durch
stellenweises Abnehmen der Decke am Dache, Einrieseln von trockener Erde und
neuerliches Bedecken. Die Seitenwände dürfen dabei nicht angebrochen werden.
Die fertigen Kohlen werden nur an der Vorderwand ausgezogen. Das Ausziehen
erfolgt partienweise und wird immer nur so viel ausgenommen, als an einem Tage
abgeführt werden kann. Die Kohlen werden so wie bei den stehenden Meilern sortiert.
Am Fuße finden sich die leichtesten, an der Hinterwand die schwersten Kohlen.
Häufig wird mit dem Ausziehen schon begonnen, wenn der rückwärtige Teil des
Meilers noch im Feuer steht. Die Kohlenausbeute ist geringer als bei den stehenden
Meilern.
§ 32. G. B e u r t e i 1 u n g der M e i 1 e r k ö h 1 e r e i. Im allgemeinen ist
dieselbe stark im Abnehmen begriffen, was seinen Grund darin hat, daß im Eisen-
hüttenbetriebe die Holzkohle durch den Koks und die Steinkohle heute schon zum
größten Teile verdrängt ist. An Stelle der vielen kleinen Holzkohlenhochöfen sind
gegenwärtig riesige Kokshochöfen getreten.
Während früher nur mit Holzkohle vorzügliches Gußeisen und Stahl erzeugt
werden konnte, gelingt es seit Einführung des Bessemerprozesses, des Martin- und
Thomasverfahrens, auch mit Koks und auch selbst aus minderen Erzen guten Guß-
stahl herzustellen und zwar so billig, daß derselbe das Holzkohleneisen in vielen Fällen
verdrängen kann. Nach den Angaben des k. und k. Oberforstrates Th. Micklitz ')
1) Geschichte der üsterr. Land- und Forstwirtschaft und iiirer Industrien. Wien 1899.
Trockene Destillation des Holzes. § 12. 605
ist der Holzkohlenverbraucli in Oesterreich gegenwärtig schätzungsweise um min-
destens 12 Mill. Kilogramm per Jahr geringer als vor 3 oder 4 Dezennien.
Obersteiermark allein, wo die Holzkohlenhochöfen in großer Zahl vertreten
waren, verbrauchte früher jährlich ö — 6, heute hingegen nur mehr 2 — 4 Mill. Kilo-
gramm Holzkohle.
Auch die Ocrtlichkeit der Kuhlungsanlagen hat insofern eine Acnderung er-
fahren, als die ständige oder konzentrierte Köhlerei immer mehr
in Abnahme kommt und dafür die W a n d e r k ö h 1 c r e i zunimmt. Früher trach-
tete man, Kohlstätten möglichst zu konzentrieren und an jene Punkte zu verlegen,
wo das Holz auf einfache und billige Art hingeschafft werden konnte. Die Trift war
die Hauptbringungsmethode und wo es nur immer anging, wurden auch die Hoch-
öfen in nächster Nähe angelegt, um einerseits an Transportkosten zu sparen, anderer-
seits aber auch den sogenannten Einrieb (das Abreiben und Zerbrechen der Kohlen-
stücke während des Transportes) zu vermeiden. Auch mehrere andere Vorteile
waren damit verbunden, wie die fortwährende Benutzung der gleichen, gut vorgerich-
teten Kohlplatten, deren Eigentümlichkeiten der Köhler aus jahrelanger Erfahrung
genau kennt, die ausgiebigere Kontrolle, bessere Instandhaltung der Wege, Unter-
bringung des Arbeiterpersonales und dgl. mehr.
Die Wanderköhlerei, welche dem Holzschlage nachgeht, wurde früher mehr
vereinzelt, zumeist nur in bäuerlichen Waldungen betrieben. Durch das Auflassen
der Zentralkohlungsanlagen hat sie aber an Verbreitung gewonnen.
Das qualitative und quantitative Ausbringen ist dabei allerdings ein gerin-
geres und der Einrieb größer, dafür entfallen aber die Auslagen für die Instandhal-
tung der Holzriesen und Triftanstalten; auch die Transportkosten für die Kohle
sind geringer als für das Holz, wodurch die Nachteile wieder ausgeglichen werden.
Stehende Meiler haben den liegenden gegenüber den Vorteil, daß nicht
nur Stammholz, sondern auch geringere Holzsortimente Verwendung finden können,
daß sich das Feuer besser regieren läßt, indem der Meiler ringsum zugänglich ist,
daß ferner das quantitative Ausbringen ein höheres und die Qualität der Kohle
eine bessere ist. Diese Methode ist namentlich für größere ständige Kohlungsanlagen
(Hütten- oder Lendköhlerei) geeignet. Aber auch die liegenden Meiler
haben gewisse nicht zu verkennende Vorzüge. In den engen Tälern des Hochgebirges
läßt sich für einen liegenden Meiler viel leichter ein geeigneter Platz ausfindig machen,
als für einen stehenden vom gleichen Rauminhalte. Das Richten des Meilers ist ein-
facher, erfordert weniger Sorgfalt und Kraftaufwand; die Führung des Feuers ist
leichter; die Witterung hat viel weniger Einfluß, nachdem meist drei Seitenwände
des Meilers ganz geschlossen sind und das Dach mit einer starken Decke versehen
ist; die lästige und gefährliche Arbeit des Nachfüllens kommt gar nicht vor, weil
der Meiler nur nach einer Richtung (von oben nach unten) schwinden kann; das
Schütten kann leichter vermieden werden und der dadurch bedingte Schaden kann
niemals solche Dimensionen annehmen, wie bei einem stehenden Meiler. Ueberhaupt
erfordern die liegenden Meiler viel weniger Wartung; ein Köhler kann mehrere,
auf nicht allzu großen Wegstrecken auseinander liegende Meiler gleichzeitig über-
wachen. Diese Methode eignet sich daher vorzugsweise für die Wanderköhlerei.
§ 33. D. Die G r u b e n k ö li 1 e r e i ist die primitivste Metliode der Holzverkulilung
und wird gegenwärtig nur melir in vereinzelten Fällen betrieben. Sie kann nur dann als zu-
lässig gelten, wenn es sich um die Verkohlung geringwertiger Holzsortimente und nebenbei
um die Gewinnung von Teer handelt, letzteres namentlich bei der \ erwendung von harzreichem
Stockliolze. Die Grube soll in einem festen, wenig durchlässigen Boden angelegt werden. Die
Tiefe beträgt 1 — l', m, der obere Durchmesser 2 — 2^2 "', der untere um U m weniger. Die
g06 I-^ D. S c h w a c k li ö f e r , Forstlich-Chemische Technologie.
Grube wird zuerst mit Reisig gefüllt und dasselbe angezündet. Sobald der Hauch nachläßt,
wird die kohlige Masse zusammengestoßen und Holz nachgeworfen und mit Zwischenpausen
so weiter verfahren, bis die ganze Grube gefüllt ist. Schließlich wird dieselbe mit Rasen und
Erde bedeckt und 1 — 2 Tage der Abkühlung überlassen. Es ist selbstverständlich, daß bei
dieser Manipulation ein großer Teil der Kohle verbrennt. Viel zweckmäßiger ist es, wenn man
die Grube ausmauert oder mit einem dichten Lehmbeschlag versieht, das Holz auf einen Rost
stellt und seitlich im Erdreich Luftzüge anbringt, welche unter dem Roste einmünden. Die
regelrecht mit Holz gefällte Grube wird mit Rasen und Erde dicht eingedeckt. An einigen
Stellen wird die Decke abgenommen und Feuer angemacht. Hat sich das Feuer über die ganze
Grube verbreitet, so werden die Oeffnungen wieder zugedeckt und die weitere Feuerleitung
durch Rauchlöcher in der Decke bewerkstelligt. Für den Abzug des Teeres ist unter dem Roste
ein eigenes Rohr angebracht. Die Grube muß deshalb an einem Bergabhang angelegt werden.
II. Die Verkohlung in Oefen.
§ 34. Diese Methode wird vornehmlich dort angewendet, wo es sich neben der
Erzeugung von Holzkohle auch um die Gewinnung der flüssigen Destillationsprodukte
(Holzessig, Holzgeist und eventuell Teer) handelt. Dieser Betrieb ist im Gegensatz
zur Meilerköhlerei ein rein fabriksmäßiger.
Die hierzu notwendigen Verkohlungs-Apparate weisen die verschiedensten Kon-
struktionen auf, sowohl mit Rücksicht auf deren Form und Größe, wie auch auf
Einrichtung und Leistungsfähigkeit. Auch bezüglich der Art der Heizung unter-
scheidet man mehrere Systeme dieser Oefen, teils solche, bei denen, wie bei den Mei-
lern, die Verkohlung durch eine teilweise Verbrennung des Kohlungsmateriales,
andere wieder, bei denen sie durch direkte Feuergase oder Heizelemente (heiße Luft)
bewirkt wird.
Diese sog. Meileröfen sind in der Regel für die Aufnahme großer Chargen ein-
gerichtet und auch meist in der Form stehender Meiler gebaut.
Die gemauerten Verkohl ungsöfen (wie jene von Reichenbach, Schwarz,
Hahnemann, Scheffer, F. H. Meyer u. a.) stehen auch heute noch vereinzelt in Verwendung,
haben sich aber doch im großen ganzen überlebt. Es haftet ihnen der Uebelstand an, daß das
Mauerwerk trotz aller Mühe und Sorgfalt nicht dicht zu bringen ist und durch die vielen Fugen
namhafte Mengen von Destillationsprodukten entweichen. Ein weiterer Nachteil ist die außer-
ordentlich langsame Abkühlung nach Schluß der Verkühlung. Diese selbst geht zwar anstandslos
von statten und ist bei Oefen von 80 — 120 Rm. Holzfüllung in 6 — 8 Tagen beendet. Die -\b-
kühlung der Kohlenmasse aber nimmt mindestens 14 — 16 Tage in Anspruch, so daß der Ofen
eigentlich nur Ys der Zeit im Betriebe steht und ^/j derselben zum Abkühlen erforderlich ist.
Die Leistungsfähigkeit der Oefen ist daher im Verhältnis zu den Anschaffungs- und Erhaltungs-
kosten eine geringe.
Um diesen Uebelständen abzuhelfen, wurden verschiedene Abänderungen und Verbes-
serungen angebracht. Es wurden Oefen konstruiert, bei denen während des Betriebes von unten
Kohle gezogen und oben Holz nachgefüllt werden kann. Auch andere kontinuierlich arbeitende
Oefen wurden konstruiert, wie z. B. der von E. F. Ljungberg, welcher, aus vier ringförmig
angeordneten Abteilungen bestehend, nach Art eines Ziegel-Ringofens funktionieren sollte;
auch er gehört als solcher schon der Vergangenheit an.
Auch eiserne, mit Mauerwerk umgebene Oefen finden .\nwendung.
Sie sind aufrecht stehend und haben meist einen Fassungsraum von 40 — 45 Rm. Der Eisen-
, einsatz ruht auf einem Gewölbe, unter welchem die Feuerung angebracht ist. Im Inneren des
Ofens befindet sich eine Anzahl vertikaler Röhren, welche von den Heizgasen durchzogen
werden und die Holzfüllung zur Verkohlung bringen. Das Holz wird oben eingefüllt und die
Kohle unten durch zwei große, geneigt liegende Entleerungsöffnungen ausgezogen.
Transportable Oefen haben den Erwartungen nicht entsprochen. Sie sollten
dazu dienen, die Verkohlung gleich in der Nähe der Holzschläge vornehmen und dabei die
flüssigen Destillationsprodukte gewinnen zu können. Diese Oefen hatten die Form aufrecht
stehender Kessel mit einem Fassungsraum von etwa 2 Rm. und waren aus mehreren ring-
förmigen Teilen zusammengesetzt. Diese Teile wurden an Ort und Stelle zusammenge|)aßt
und mit Lehm gedichtet. Hauptzweck dieser Oefen war, an Transportkosten zu sparen, was
aber in der Wirklichkeit nicht zutraf.
Als ein Mittelding zwischen den Oefen und den im folgenden Kapitel zu besprechenden
Retorten wäre vielleicht der kontinuierlich arbeitende Kanalofen von Gröndal
anzusehen. Derselbe ist bis nun auch nur in Form einer Versuchsanlage in Schweden und
einer Fabrikanlage in Finnland ausgeführt, aber mit allen bisherigen Errungenschaften auf
Trockene De^Ullution des Holzes. § 3ö. 6(j7
diesem Gebiete avisgestattet und — vorausgesetzt, daß alle Einzelprozeduren einen ungestörten
N'erlauf nehmen — fflr einen tatsäehlicli kontinuierlielien Betrieb eingerichtet.
Dieser ^'erkohlungsall|Jarat besteht aus einem langgestreckten Kanal, der in sich in drei
resp. fünf Abteilungen geteilt ist. Das Kohlholz wird in Hängekörben oder auf Laufwägen,
welche mittelst Hänge- oder Gelcjis-Schienen imd eines mechanischen .Antriebes durch den
Kanal langsam fortbewegt werden, vorerst in einen gemauerten Vorraum eingeführt, gelangt
von liier in einen teils gemauerten, teils aus Schmiedeeisen gefertigten \ortrockenraum, dann
in den eigentlichen, schmiedeeisernen Verkohlungsraum, welcher mit der Kondensationsanlage
in Verbindung steht, des weiteren in den gemauerten Kohlen-Kühlraum luul endlich, zur Aus-
fuhr der fertigen Kohle, in eine gleiche Kammer, wie bei der Einfuhr. Alle die genannten Ab-
teilungen sind durch gut schließende Schiebetüren von einander getrennt und ebenso die beiden
Endräume nach außen verscldießbar. Ein Generator liefert aus Holzabfällen die zur Vcrkoh-
lung notwendigen Heizgase, welche vor ihrer eigentlichen Verwendung den Kühlrauin durch-
ziehen und so die fertige Holzkohle durch Wärmeentzug kühlen, nach geleisteter \'erkohlungs-
arbeit aber die Trocknung des zu kohlenden Holzes im Vorlrockenraum, bewirken.
Jede Wagenladung beträgt 3 Rm. Holz; nach je einer Stunde wird ein frischer W'agen
eingeführt und einer mit fertiger Kohle herausgeschoben.
Die Ausbeuten sollen mit diesem Ofen etwas geringere sein, als bei anderen Konstruk-
tionen, und seine Verwendung wird daher nur bei billigen Holzpreisen rentieren.
b) Holzdestillation.
Retortenverkohlung.
§ 35. Die rationellste Art der Holzverl^olilung, bei möglichst großer Ausbeute
an flüssigen Destillationspradukten, ist jene in Retorten.
Es gibt verschiedene Konstruktionen von \' c r k o h 1 u n g s r e t o r t e n :
1. liegende;
■ 2. stehende, und zwar a) eingemauerte, b) aushebbare.
Die gebräuchlichsten sind die liegenden Retorten, aus 10 — 12 min star-
kem Schmiedeeisen geschweißt hergestellt, von 3 m Länge und 1 m im Durchmesser,
daher annähernd 2 . 3 Rm. Fassungsraum. Vorne sind sie mit einer gußeisernen
Türe verschlossen und am rückwärtigen Ende geht das Rohr für die Destillations-
produkte ab. Je zwei dieser Retorten haben eine gemeinsame Feuerung, welche
derart eingerichtet ist, daß die Heizgase vom Roste durch einen Mauerkanal nach
rückwärts ziehen und dort erst die Retorte treffen, um die Stichflamme abzuhalten.
Von hier gehen sie durch einen Zug nach vorwärts, durch den zweiten nach rück-
wärts, wobei sie die unterste Hälfte der Retorte umspülen und sodann in den Kamin
entweichen. Nach der Einrichtung von Bühler hat jede Retorte ihre eigene Feuerung,
wodurch ein rationelles Heizen und daher auch eine Brennstoffersparnis erzielt wird.
Die Destillation kann in 12 Stunden beendet sein, besser ist es jedoch, wenn dieselbe
auf 16 Stunden ausgedehnt wird. Das Beschicken und Entleeren nimmt etwa eine
Stunde in Anspruch. Es muß rasch erfolgen, um den Abbrand der Kohle tunlichst
zu reduzieren und die Wärme des Ofens gut auszunützen.
Die Ladung des Holzes geschieht durch Einwerfen der Scheite; es kommen
drei Lagen von je 1 m Länge hintereinander, so daß die Retorte ganz gefüllt ist.
Die Scheite müssen regelrecht gelegt sein, um den Raum möglichst auszunützen.
Ing. Bühler hat eine eigene Ladevorrichtung konstruiert, welche der Hauptsache
nach aus einer auf fahrbarem Gestell montierten Hülse besteht.
Diese Hülse wird mit Holz beladen in die Retorte eingeschoben und leer heraus-
gezogen, indem eine vorgesetzte Scheibe die Holzfüllung zurückhält. Um die am
Schlüsse der Destillation noch schwach rotglühenden Kohlen rasch ausziehen zu
können, wird vor dem Einbringen des Holzes ein eiserner Rechen mit daran befind-
licher Stange bis an das rückwärtige Ende der Retorte geschoben tmd beim Ent-
leeren der Kohle vorgezogen.
608 IX D. S c h w a c k h ö f e r , Forstlich-Chemische Technologie.
Die Kohle kommt sofort in Kühlkästen, die, aus 4 mm starkem Eisenblech
hergestellt, dicht verschließbar und zum Fahren eingerichtet sind. Jeder Kühlkasten
faßt den Inhalt einer Retorte. Die Abkühlung dauert etwa 36 Stunden. Die noch
heiße Retorte wird sogleich wieder mit Holz beschickt.
Für die Bewältigung größerer Holzmengen, bei relativ geringem Zeitaufwand,
ist eine liegende Retortenanlage von F. H. Meyer, Hannover, konstruiert. Die 15 m
lange zylindrische Retorte ist aus Schmiedeeisen und entweder auf der einen oder
auf beiden Stirnseiten mit Türen dicht verschließbar; sie faßt 4 Waggonets, zu
je 7, 5 Rni. Holz, welche auf Schienen in die Retorte eingeführt und nach vollzogener
Destillation aus dieser gezogen oder geschoben werden. Der Retorte vis-ä-vis ist ein
ihr gleich großer, eiserner, gleichfalls dicht verschließbarer Zylinder situiert, in den
die Waggonets mit den noch glühenden Kohlen durch einen entsprechenden Me-
chanismus in wenigen Sekunden zur Abkühlung befördert werden können. In die
noch heiße Retorte werden sofort nach der Entleerung 4 frisch beschickte Waggonets
eingefahren.
Die stehend eingemauerten Retorten haben oben die Füll- und
unten die Entleerungsöffnung. Die Feuerung befindet sich seitlich, um die Stich-
flamme abzuhalten. Die Heizgase umspülen die Retorte spiralförmig nach aufwärts
steigend und entweichen oben in den Kamin. Das Abzugrohr für die Destillations-
produkte ist ganz oben unmittelbar unter dem Deckel angebracht.
Bei der Verkohlung verringert sich das Volumen der Retortenfüllung um etwa
V3, so daß am Schlüsse der Verkohlung die Retorte nur mehr zu ^/g ihres Raum-
inhaltes gefüllt ist. Um den leerwerdenden Raum sukzessive immer wieder auszu-
füllen, wird nach dem Patente F. Schmidt auf den Retorten ein Aufsatz angebracht,
welcher über die Einmauerung frei herausragt, also nicht geheizt wird, und so wie
die Retorte selbst mit Holz gefüllt ist. In demselben Maße, als das Volumen der
Füllung abnimmt, rutscht Holz, schon entsprechend vorgewärmt, von oben nach
und wird auf diese Art der geheizte Raum besser ausgenützt.
Die aushebbaren Retorten sind meist schwach konisch, doch auch
zylindrisch geformt und sitzen oben mit einem starken Gußeisenring auf dem Um-
fassungsmauerwerk auf. Geheizt werden sie von unten, wo ein Gewölbe den Boden
der Retorte gegen die direkte Einwirkung der Stichflamme schützt. Die Heizgase
gehen durch Oeffnungen, welche ringsum im Mauergewölbe angebracht sind, ziehen
an den Wandungen der Retorte nach aufwärts und entweichen oben in den Fuchs.
Das Ausheben geschieht mit Hilfe eines Laufkrahnes, welcher die Retorten
nach dem Kühlplatz schafft, wo sie durch Oeffnen der Deckel und Umkippen direkt
in die Kühlkästen entleert werden. In den frei gewordenen Ofenraum wird sogleich
wieder eine andere, schon vorbereitete, mit Holz gefüllte Retorte eingesetzt, so daß
die Destillation mit nur geringer Unterbrechung fortgesetzt werden kann.
Die aus den Retorten entweichenden Gase und Dämpfe passieren einen Röhren-
kühler, wo der kondensierbare Anteil verdichtet wird und als Rohsäure abläuft,
während die Gase zu den Feuerungen geleitet werden und mit zur Heizung beitragen.
Um das Zurückschlagen der Gase beim Oeffnen der Retorte zu verhindern, ist das
Auslaufrohr für das Destillat gekröpft und auch das Gasrohr mit einem Flüssigkeits-
verschluß versehen.
Das Destillat wird in Absatzgefäße geleitet, wo der größte Teil des Teers zu
Boden sinkt und die darüber stehende Rohsäure zur Weiterverarbeitung abgezogen
gen wird.
Bei primitiver Einrichtung wird die vom Teer getrennte Rohsäure mit Aetz-
Trockene DesliUalion des Holzes. § 30. ß(j9
kalk neutralisiert, sodann in einen Destillierkessel gebracht, der Holzgeist abgetrieben
und der Destillationsrückstand zur Trockene verdampft. Der dabei gewonnene
essigsaure Kalk (Braunkalk) ist mit Teerprodukten stark verunreinigt.
Um ein reineres Produkt zu gewinnen, wird in allen besser eingerichteten
Fabriken die Rohsäure ohne vorhergegangene Neutralisation destilliert. Zu diesem
Zwecke werden drei DestiUierblasen angewendet, wek he stufenförmig nebeneinander
aufgestellt sind. Die Rohsäure kommt in die unterste, größte, mit Dampfheizung
versehene Blase und wird hier abdestilliert. Die Säuredämpfe gelangen in die zweite
Blase, wo sich verdünnte Kalkmilch befindet, welche die Essigsäure bindet. Die
Dämpfe, welche hier entweichen, gehen in die dritte Blase, die ebenfalls verdünnte
Kalkmilch enthält und den Rest der Essigsäure autnimmt. Die von hier abgehenden
Holzgeist- und Wasserdämpfe gelangen in einen Kühler, wo totale Kondensation
stattfindet und roher Holzgeist abläuft, welcher durch Rektifikation gereinigt wird.
Die in der zweiten und dritten Blase befindliche Lösung von essigsaurem Kalk wird
behufs Klärung durch Filterpressen gepumpt und läuft sodann in die Eindampf-
pfannen ab. Dieselben sind flach konstruiert, haben einen linsenförmigen Boden für
Dampfheizung und eine abhebbare Dunsthaube. Der hier bis zur Trockene einge-
dampfte essigsaure Kalk wird auf geheizten Eisenplatten (Darre) weiter getrocknet
und als sogenannter Graukalk in den Handel gebracht. Er bildet das Ausgangs-
material für die Darstellung der Essigsäure, essigsauren Salze und des Acetons.
Im Anschluß an die Ausführungen über die trockene Destillation von Holz
im allgemeinen sei hier nur kurz speziell der Verkohlung von harzreichen Nadel-
hölzern Erwähnung getan, bei welcher außer den bereits mehrfach genannten Pro-
dukten auch noch die der trockenen Destillation des Harzes gewonnen werden können.
* Zu diesem Zwecke wird das Holz vor der eigentlichen Verkohlung mit gesättigtem
oder überhitztem Dampf destilliert. Nach einem neueren Verfahren von Elfström
wird harzreiches Kiefernholz in einer Batterie von Retorten systematisch mit
überhitztem Dampf destilliert, wobei in jeder Richtung bessere Ausbeuten als bei
der gewöhnüchen Destillation und außerdem Terpentin von hoher Qualität gewonnen
werden sollen.
e) Produkte der Holzdestillation.
§ 36. 1. D i e Holzkohle. Eine gute Holzkohle muß folgende Eigenschaf-
ten besitzen:
1. Eine tiefschwarze Farbe mit stahlblauem Anfluge, über Hirn glänzend, ohne
abzufärben. Ein brauner Farbenton zeigt unvollständige Verkohlung an. Kohlen
aus morschem Holze sind matt und färben stark ab.
2. Die Holztextur soll deutlich hervortreten; der Bruch muß muschelig sein
und die Stücke dürfen nur wenig Risse besitzen. Anbrüchiges Holz liefert textur-
lose Kohle. War das Holz feucht oder wurde es in zu starken Stämmen angewendet,
so resultiert stark rissige Kohle.
3. Eine große Festigkeit und hellen Klang. Die Kohle für hüttenmännische
Zwecke muß so fest sein, daß sie bei der Verwendung im Hochofen den Druck der
darüber liegenden Erz- und Zuschlagschüttung auszuhalten imstande ist. Ueber-
feuerte Kohlen oder Kohlen aus morschem Holze sind leicht zerreiblich und klanglos.
Der Klang der Kohlen läßt sich schon beim Aufschütten deutlich erkennen.
4. Die Kohle muß ohne Rauch verbrennen und darf nur eine kurze, blaue
Flanune geben. Nicht ganz durchgekohlte Stücke verbrennen mit langer leuchtender
Handb. d. Forst» iss. 3. Aufl. II. 39
610
IX D. S c h w a c k h ö f e r , Forstlich-Chemische Technologie.
Flamme und geben einen bedeutend geringeren Wärme-Effekt. Die Entzündungs-
temperatur der Holzkohle liegt bei etwa 360" C. Die Kohle glimmt an der Luft
ruhig fort.
Das spezifische Gewicht der HoIzl<ohle ist von verschiedenen Umständen
abhängig. Vor allem ist zu unterscheiden zwischen dem spezifischen Gewicht der Kohlen-
substanz exklusive Porenräume (wirkliches spez. Gewicht) und jenem der ganzen Kohlenstücke,
inklusive der Hohlräume (scheinbares spez. Gewicht). Die Schwankungen beiderseits sind sehr
bedeutend. Ersteres variiert von 1,4 bis 1,9 und kann im Mittel mit 1,6 angenommen werden;
letzteres ist selbstverständlich viel geringer, 0,14 bis 0,25, im Mittel 0,20. Für den Kohlen-
handel kommt nur das scheinbar spezifische Gewicht in Betracht. Auf dasselbe nehmen fol-
gende Momente Einfluß: 1. Die Holzart. Die dichten harten Laubhölzer geben .schwerere
Kohle als das weiche Laubholz und die Nadelhölzer. 2. Der Feuchtigkeitsgehalt
des Kohlholzes. Frisches Holz gibt leichtere Kohlen als das gut lufttrockene. 3. D i e V e r -
kohlungsmethode. Die Meilerkohlen sind weniger durchgekohlt und daher im allge-
meinen schwerer als die Retortenkohlen. 4. D e r K o h 1 g a n g und die Verkohlungs-
t e m p e r a t u r. Je rascher der Kohlgang geleitet wird, desto leichter fallen die Kohlen aus.
(Das wirkliche spez. Gewicht steigt aber mit der Verkohlungs-Temperatur.) Violette fand das-
selbe bei 310» C. = 1,42, bei 1500" C. = 1,87. Solche dichte Kohle ist schwer entzündlich
und bedarf zum Fortbrennen einen scharfen Luftzug. Das Hektolitergewicht (in Kübeln
oder Körben gemessen) hängt von der Holzart, von der Größe der Kohlenstücke, von
dem spez. Gewichte und von der Art des Einschüttens ab. Es schwankt in der Regel
bei Meilerkohlen aus hartem Holze zwischen 18 und 22 kg und aus weichem Holze zwischen
115 und 18 kg.
Gut durchgeglühte Meilerkohlen aus hartem und weichem Holze zeigten nach
18 in meinem Laboratorium untersuchten Proben folgende Zusammensetzung:
Minimum
Maximum
Mittel
Kohlenstoff
81,3
86,9
84,5
Wasserstoff
1,8
2,4
2,2
Sauerstoff
4,6
8,3
6,7
Hygroskopisches Wasser
4,5
7,0
4,6
Asche
1,4
4,1
2,0
Kalorischer Wert
6900
7600
7130
Von diesen 18 Proben wurden 8 auf ihre Festigkeit geprüft und dabei folgende
Resultate erhalten:
Druckfestigkeit in 1 kg per 1 cm'
auf der Hirnfläche
auf der Wölbfläche
Minimum
Maximum
Mittel
Minimum
Maximum Mittel
Kohle aus hartem Holze
„ „ weichem „
265
78
332
182
305
125
21
11
58
38
41
22
Die Holzkohle ist ein guter Wärmeleiter. Wird das Leitungsvermögen des
Eisens = 100 gesetzt, so ist jenes der Holzkohle rund 60 — 65.
Beim Liegen an der Luft nimmt die Holzkohle 5 — 12% Feuchtigkeit auf. Im
frisch geglühten Zustande besitzt die Holzkohle ein beträchtliches Absorptionsver-
mögen für Gase und Flüssigkeiten, sowie auch für gelöste Substanzen, namentlich
Färb- und Riechstoffe. Darauf beruht ihre Anwendung zum Entfuseln des Wein-
geistes, hier und da auch zum Entfärben von Lösungen, Reinigen des Trink-
wassers etc.
Die hauptsächlichste Verwendung findet die Holzkohle im Eisenhüttenbetriebe,
im Schmiedefeuer und für die Metallgewinnung- und Verarbeitung überhaupt. Früher
Trockene Destillation des Holzes. § 37. 611
war ihre Anwendung eine viel gi'ößere und vielseitigere; heute ist, wie schon er-
wähnt, die Holzkohle zum großen Teil durch Gasfeuerung verdrängt.
§ 37. 2. D e r Holzessig. Der bei dem primitiven Verfahren gewonnene
rohe Holzessig ist eine rotbraune, trübe Flüssigkeit von stechendem, empyreumati-
schem Gerüche und stark sauerer Reaktion. Sein spezifisches Gewicht schwankt
zwischen 1,025 bis 1,050. Er ist mit Teerprodukten verunreinigt und enthält eine
ganze Reihe von Bestandteilen ^), von denen aber nur die Essigsäure und der Holz-
geist verwendbar sind. Bei der verbesserten Destillationsmethode wird überhaupt
kein Essig, sondern nur essigsauerer Kalk und einfach destillierter Holzgeist gewonnen.
Darstellung reinerer Produkte. Um aus dem einfacli destillierten Holz-
geist den M e t li y 1 a llv o h o 1 meiir oder minder rein zu gewinnen, muß der rolie Holzgeist
einer fraktionierten Destillation unterworfen werelon. Hierzu dienen, ebenso wie bei der Aethyl-
alkohol-Erzeugung in der Spiritusbrennerei, entweder periodiscli oder kontinuierlich wirkende
Destillierapparate, in denen der rohe Holzgeist, durch wiederholte Destillation (Rektifikation)
und teilweise Kondensation (DephlegmatiOn), in verschiedene Fraktionen, entsprechend den
Siedepunkten der einzelnen Bestandteile, zerlegt und diese nacheinander oder nebeneinander
aufgefangen werden können. Bei der periodischen Fraktionierung ergibt jede Rektifikation
Produkte, welche entweder schon als solche Verwendung finden können (z. B. Denaturierungs-
holzgeist, Methylalkohol für Formaldehyd- und Anilinfarben-Fabrikation (mit 0,03 — 0,5%
Aceton), zu Parfümeriezwecken (mit 0,01 °o -Aceton), oder welche erst nach weiterer Raffinierung
als rein anzusprechen sind. Die kontinuierliche Rektifikation hingegen, in sog. Kolonnen-
apparaten ausgeführt, liefert in einem Zuge, ununterbrochen im Zu- und Ablauf, nicht nur
Zwisclienprodukte (Denaturierungsholzgeist etc.), sondern auch Methylalkohol höchster Grä-
digkeit.
Der chemisch reine Methylalkohol, CH4O oder H.CHj.OH, ist eine
farblose, leicht bewegliche Flüssigkeit von eigentümlich schwach alkoholischem Geruch und
brennendem Geschmack. Bei 15° C. hat er eine Dichte von 0,7984. Sein Siedepunkt liegt
bei 66,5° C. Auf Zusatz von Wasser bleibt er klar (Zeichen der Reinheit), mischt sich in allen
Verhältnissen mit Wasser, Alkohol und Chloroform. Er ist ein Lösungsmittel für Harze, äthe-
rische Oele, Kampfer, Wallrath etc., und kann daher in der Industrie melirfache, bereits er-
wähnte, \'erwendung finden. Er brennt mit schwach leuchtender, nicht rußender Flamme.
Sein Heizwert beträgt 5310 Kalorien, ist daher wesentlich geringer als der des Weingeistes
(Aethylalkohol), welcher sich auf 7120 Kalorien stellt.
Reine Essigsäure wird entweder aus dem Calcium- oder Natriumacetat her-
gestellt.
Der in vorhin angegebener Weise gereinigte essigsaure Kalk wird mit Salzsäure zerlegt
und die Essigsäure abdestilliert.
(C2H302)2Ca-)-2HCl = CaCI,+2(C2H402). 1 I 1
Die Salzsäure muß entsprechend verdünnt sein und darf kein Ueberschuß davon in .An-
wendung kommen.
Die Destillation geht zwischen 100 und 120° C. glatt vonstatten. Das Destillat ist farb-
los, riecht nur schwach empyreumatisch und gibt mit Silbernitrat nur eine ganz schwache
Trübung. Der schwache Teergeruch kann durch nochmalige Destillation der Säure unter Zusatz
von 2 — 3% Kaliumbichromat oder auch durch frisch geglühte Holzkohle beseitigt werden.
Der Gehalt des Destillates an Essigsäure soll etwa 35 — 40% betragen, was man durch die
Verdünnung der zur Zerlegung benützten Salzsäure in der Gewalt hat.
Die Zerlegung des essigsauren Kalkes durch Schwefelsäure anstatt Salzsäure hat sich in
der letzten Zeil immer mehr eingebürgert. Die Preisverhältnisse zwischen den beiden Säuren
haben zugunsten der Schwefelsäure entschieden und ebenso auch die Ausbeuten an höher
prozentigen Essigsäure-Produkten. Im Prinzip sind die beiden Methoden gleich; in der Aus-
führung erfordert aber das Schwefelsäureverfahren mehr Vorsicht und für den speziellen Zweck
eingerichtete Destillierapparate.
An Stelle des Calciumacetales wurde früher vielfach das Natriumacetat, das sog.
Rotsalz, in den Holzdestillationen hergestellt und zur Essigsäurefabrikation ver-
wendet. Zu diesem Zweck wird der Holzessig mit Soda neutralisiert; die sich dabei aus-
scheidenden teerigen Produkte werden entfernt, die Lösung in den Destillierapparat gebracht
und der Holzgeist abgetrieben. Die in der Destillierblase verbleibende Flüssigkeit wird in
eine flache Pfanne abgelassen und bis auf 27° B (heiß gewogen) konzentriert. Diese von den
Teerbestandteilen intensiv rot gefärbte Lösung kommt in noch heißem Zustande in eiserne
Kristallisierkästen, wo beim .\bkühlen das .Natriumacetat auskristallisiert. Die Kristalle werden
1) Aceton (Siedepkt. 56,3° C), Methylalkohol (Siedepkt. 66,5° C), AllylalUohol (Siedepkt.
97,0° C), Aldehyd, Methylacetat, höhere Ketone, Amine, Holzöle und Wa^^cr.
39*
612 IX D. S c h w a c k h ü f e r , Forstlich-Chemische Technologie.
in der Zentrifuge von der JMutterlauge getrennt und in einem Kessel geschmolzen. Zuerst
zerfließen die Kristalle in ihrem Kristallwasser, beim Abdunsten derselben wird die Masse
allmählich trocken, staubig und bei weiterer Steigerung der Temperatur beginnt jetzt der
eigentliche Fluß. Das Schmelzen wird so lange fortgesetzt, bis eine herausgenommene Probe
mit Wasser eine farblose Lösung gibt. Ist dieser Punkt erreicht, so wird die Schmelze aus
dem Kessel entleert, in siedend heißem Wasser gelöst, die Lösung filtriert und zur Kristallisation
angestellt. Die Kristalle werden wieder von der Mutterlauge getrennt, mit Schwefelsäure
zerlegt und die Essigsäure abdestilliert.
2(C2H302Na)+H2SOj = Na2SOi+(C2Hj02).
Die auf diese Art erzeugte Essigsäure ist nahezu chemisch rein.
Will man Eisessig, so wird die Zerlegung mit konzentrierter, andernfalls mit entsprechend
verdünnter Schwefelsäure vorgenommen.
Die Mutlerlaugen, welche von den Kristallisationen resultieren, werden immer wieder
eingedampft, neuerlich zum Kristallisieren gebracht und so bis auf einen kleinen Rest, der
schon sehr unrein ist, aufgearbeitet.
Die reine, wasserfreie Essigsäure C2H4O2 (oder CH3COOH) ist eine
farblose Flüssigkeit, welche bei + 16,7° C. kristallinisch erstarrt (Eisessig). Ist die Säure wasser-
haltig, so liegt die Erstarrungstemperatur tiefer. .
Die Säure besitzt einen seiir scharfen, stechend sauren, zu Tränen reizenden Geruch
und wirkt, auf die Haut gebracht, blasenziehend. Bei 15" C. ist die Dichte der flüssigen Säure
1,055. Auf Zusatz von Wasser steigt die Dichte und erreicht in der 77 bis SOprozcntigen Säure
ihr Maximum von 1,075. Der Siedepunkt liegt bei 118° C, nichtsdestoweniger verdunstet
sie aber schon bei gewöhnlicher Temperatur in merklicher Menge. Der Dampf ist brennbar.
Die reine Essigsäure mischt sich in allen Verhältnissen mit Wasser, Alkohol und Aether. Sie
löst viele ätherische Oele, Kampfer, Harze, Gummi, Kleber etc. Einzelne ätherische Gele,
wie z. B. Zitronenöl und Terpentinöl, sind nur in höchst konzentrierter Essigsäure löslich. Wenn
die Säure mehr als 2% Wasser enthält, so sind die genannten Oele unlöslich; man kann dieses
Verhalten dazu benützen, einen 2% übersteigenden Wassergehalt in der Säure nachzuweisen.
Die Essigsäure ist eine einbasische Säure; die Salze derselben werden Acetate genannt.
Für sich allein kann die Essigsäure, bezw. ihr Dampf, bis auf 360° C. erhitzt werden,
ohne eine Veränderung zu erfahren. Kommt jedoch Essigsäuredampf mit glühender Kohle
in Berührung, so wird er in Sumpfgas, Kohlenoxyd und Kohlensäure zerlegt.
2C2H40,4-C = 2CHj+2CO+C02.
Dieser Prozeß geht schon bei schwacher Rotglut vor sich, erfolgt daher auch bei der
trockenen Destillation des Holzes und verringert die Ausbeute an Essigsäure.
Für die Darstellung der essigsauren Salze (Acetate) bildet entweder der essig-
saure Kalk oder die freie Essigsäure den Ausgangspunkt. Die Acetate finden in der Färberei,
Zeugdruckerei, Farbenfabrikation, ferner für chemische und pharmazeutische Zwecke An-
wendung. Die wichtigsten derselben sind:
1. Bleiacetate: das neutrale Salz (Bleizucker) (C,H302)2Pb-|-.3aq, das basische Salz
(Bleiessig) 2Pb(C2H302)2. Pb(0H)2.
2. Die Kupferacetate: das neutrale Salz (Grünspan) (C2H302)2Cu-|-aq das zweidrittel-
saure Salz 2(C,H302)oCu+CuO-4-6aq, das essig-arseniksaure Kupfer (Schweinfurter Grün)
(C2H302)2Cu-j-3"(As2Cub4).
3. Die Aluminiumacetate: das normale Salz Al2(C2H302)6, das basische Salz AI, (OH),
(CaHjO,),.
4. Die Eisenacetate: das 0-xydulacetat (Eisenbeize) (C2H302)2Fe+4aq, die Oxydace-
tate: das neutrale Salz Fe,(C2H30,)e, das basische Salz Fe,(0 H),(C2H30„)i und diverse andere.
Aus dem essigsauren Kalk wird durch trockene Destillation bei 300 — 400° C. Aceton
gewonnen.
(G2H302)2 Ca = CaC03-t-2CH3— CO— CH3
Aceton
Das bei der ersten Destillation erhaltene Rohaceton wird mit Wasser verdünnt, um die
mit übergegangenen Teeröle abzuscheiden, und sodann unter Zusatz von Alkalien oder alka-
lischen Erden, behufs Bindung der flüchtigen Säuren und Zerstörung der Aldehyde, durch
fraktionierte Destillation in kontinuierlich wirkenden Rektifizier-Kolonnen-Apparaten, ebenso
wie der Holzgeist, raffiniert.
Aus 100 kg essigsaurem Kalk werden durchschnittlich 24 — 25 kg Rohaceton oder ca. 20 kg
Reinaceton erhalten.
Das Aceton (C3HeO) ist eine eigentümlich riechende Flüssigkeit vom spez. Gewicht
0,792 (bei 20° C), siedet bei 56,5°, mischt sich mit Wasser, Alkohol und .^ether und kann durch
Zusatz von Salzen aus diesen Lösungen wieder abgeschieden werden. Die Acetondämpfe sind
brennbar und geben mit Luft ein explosibles Gemisch.
Die Hauptverwendung findet das Aceton zur Erzeugung von rauchschwachem Schieß-
pulver, ferner als Lösungsmittel für Harzöle, in der Zelluloidindustrie etc.
Trockene Destillation des Holzes. § 38. ß23
§ 38. 3. D e r Holzteer. Die äußeren Eigenschaften des Teeres (Konsi-
stenz, Farbe, Geruch) sind je nach seiner Abstammung verschieden.
Der Teer aus Nadelhölzern ist syrupartig, dunkelbraun und besitzt einen
empjTeumatischen Geruch, der Laubholzteer ist fett- oder talgartig, graubraun bis
dunkelbraun und riecht widerlich brcnzlich.
Die chemische Zusammensetzung des Teers ist sehr kompliziert; es sind bis
jetzt über 20 verschiedene Bestandteile darin nachgewiesen worden.
Der Holzteer wird zumeist ohne weitere Verarbeitung als Anstreichmittel für
Holz, namentlich bei Schleusen-, Brücken-, Uferschutzbauten, Zäunen und dgl.
verwendet.
Unterwirft man den Teer einer fraktionierten Destillation, so können drei verschiedene
Produkte daraus gewonnen werden, und zwar:
10 — 15% leichtes Oel vom spez. Gew. 0,900 — 0,977
15 — 20% schweres „ „ „ „ 1,014 — 1,021
40 — 50°ö Pech.
Das auf 100 Fehlende ist Wasser mit etwas Essigsäure. Das bei allmählich bis zu 160° C.
ansteigender Temperatur übergehende leichte Oel (Kienöl) besteht vorwiegend aus Kohlen-
W'asserstotfen der Reihe CnHon— 6, (wie Benzol, Toluol, Xylol, Cymol) und kann, nachdem' es
von dem gleichzeitig mit übergehenden essigsauren Wasser getrennt ist, als Beleuchtungsmaterial
oder als Lösungsmittel für Fette, Harze oder dergleichen Verwendung, finden.
Das zwischen etwa 180 — 260° C. übergehende schwere Oel entliält Kreosot'nebst diversen
Beimengungen. Es kann als Imprägnierungsmittel für Holz, Erzeugung von Wagenschmiere
und dgl. benützt werden; am vorteilhaftesten ist es aber, das Kreosot daraus zu gewinnen.
Zu diesem Zwecke wird es nochmals einer Destillation unterzogen, mit Wasser gewaschen und
mit Sodalösung entsäuert. Die vom Waschmittel abgezogenen Kreosotöle werden in einem
Mischapparat mit schwacher Natronlauge systematisch extrahiert, wodurch das Kreosot und
auch alle übrigen Phenole in Lösung gehen, die sonstigen Beimengungen aber ungelöst zurück-
bleiben. Durch Einblasen von Dampf wird die alkalische Rohkreosotlösung von suspendierten
Bestandteilen befreit und die so geklärte Lösung nun mit llineralsäure (Schwefel- oder Salz-
säure) zerlegt. Das Rohkreosot scheidet sich hierbei als ölige Schichte ab, welche durch Ab-
lassen der Säure von dieser getrennt werden kann. Durch wiederholtes Lösen dieses Rohkreosots
in Natronlauge, Zersetzung der Lösung mit Säure und Destillieren erhält man dann das Rein-
kreosot.
Das Kreosot ist kein chemisches Individuum, sondern ein Gemenge von kompli-
zierter Zusammensetzung. Es besteht aus:
Phenol CeH5(OH).
Kreosol CjH3(CH,) (0CH3);(0H).
Parakresol C5H4 (CH3)'(OH).
. Phlorol C5H3 (CH3) (CH3) (OH).
Guajacol C^H, {OCH3) (OH).
Ferner aus den Dimethyläthern: des Pyrogallols, des Methylpyrogallols und des Propyl-
pyrogallols.
Das reine Kreosot ist eine farblose, am Lichte jedoch allmählich gelb werdende, stark
lichtbrechende Flüssigkeit von öliger Konsistenz, rauchartigem Geruch und intensiv brennen-
dem Geschmacke. Auf die Haut gebracht wirkt es ätzend. Es zeigt neutrale Reaktion. Das
spezifische Gewicht schwankt zwischen 1,030 — 1,080; der Siedepunkt liegt zwischen 205 und
220° C. Bei — 20° ist es noch flüssig. In alkalischen Laugen, in Alkohol, Aether, Schwefel-
kohlenstoff ist es leicht, in Wasser schwer löslich.
Der Deslillationsrückstand „das sog. Pech" erstarrt beim Erkalten zu einer schwarzen,
glänzenden Masse von muscheligem Bruch. Es besteht der Hauptmenge nach aus Paraffin
CnH2n + 2 und ähnlichen Verbindungen und findet als Schiffpech, als Dichtungsmaterial für
Holzstöckelpflaster etc. Verwendung.
Besondere Erwähnung verdient noch der Teer von harzreichen Nadelhölzern
und der Birkenrindenteer. Der erstere, unter den Namen : schwedischer, Stockholmer,
russischer oder finnländischer Teer ein gesuchtes Handelsprodukt, unterscheidet sich
in seinem Wert vom Laubholzteer durch seinen Gehalt an Produkten der trockenen
Destillation des Harzes, der mitunter kein geringer ist. Schon bei der Destillation
614
IX D. S c h w a c k h ö f e r , Forstlich-Chemische Technologie.
des Holzes wird man daher, wie bereits angedeutet, Vorsorge treffen, um diese Pro-
dukte möglichst getrennt vom Teer auffangen zu können und ein Destillat zu erhalten,
welches unter der Bezeichnung ,,Rohkienöl" mit als Rohmaterial für die Herstellung
von Harzdestillations-Produkten dient. Dort wo dies nicht möglich ist, wird der
Teer die Hauptmenge der Harzbestandteile enthalten und dieser somit zur Gewin-
nung des Rohkienöles herangezogen werden.
Durch Destillation, Reinigung auf chemischem Wege und sorgfältige Fraktio-
nierung gehngt es, aus diesem Rohkienöl Raffinate herzustellen, welche den eigent-
lichen Harzprodukten (hauptsächlich Terpentinöl) zwar nicht völlig gleichkommen,
aber sehr wohl als Surrogate für diese Verwendung finden können.
Der Birkenrindenteer, welcher namentlich in Rußland erzeugt wird,
ist dünnflüssig, ölartig, graublau bis schwarzblau, opalisierend, von intensivem,
an Steinöl erinnernden Geruch, leicht flüchtig und spezifisch leichter als Wasser.
Die Hauptbestandteile sind Toluol C^Hg (bis zu 50%), Benzol CgHg und das soge-
nannte Eupion (d. i. ein Gemisch von mehreren, dem Benzol homologen Kohlen-
wasserstoffen). Birkenrindenteer dient zur Bereitung des Juchtenleders und zur
Darstellung der vorgenannten Produkte, welche in der Industrie mehrfache Ver-
wendung finden.
Ausbeute an Holzkohle, Holzessig, Holzgeist und Teer.
In stehenden Meilern und zwar
Mittlere Kohlenausbeute aus folgenden
Holzarten und Sortimenten
Ständige Kiohlung
Wandernde Kohlung
Gew. %
Vol. %
Gew. % Vol. %
Fichten-Scheitholz
„ -Prügelholz
„ -Stockholz
Tannen-Scheitholz
„ -Prügelholz
Kiefern-Scheitholz
„ -Prügelholz
Lärchen Scheitholz
„ -Prügelholz
Rotbuchen- Scheitholz
„ -Prügelholz
Eichen-Scheitholz
„ -Prügelholz
25
22
23
24
20
25
21
2-4
20
18
22
20
70
60
63
65
50
65
60
70
50
50
55
55
20
18
20
22
18
21
18
17
14
19
17
60
50
56
60
50
60
50
40
40
58
50
Diese Zahlen sind nur als beiläufige Werte aufzufassen, da die Ausbeute von so
vielen Momenten beeinflußt wird, daß sich allgemein gültige Mittel- oder Grenz-
werte gar nicht angeben lassen. Ganz besonders gilt dies von der volumprozentigen
Ausbeute, wo auch noch die Unsicherheit des Messens dazu kommt. Im großen
Durchschnitte werden pro Raummeter vom
weichen Holze 5 bis 8 im Mittel 6 V, Hektoliter,
harten „ 3 H „ 5 M, „ „ 4 ;/,
Holzkohle gewonnen.
Für die Ausbeute an Essig resp. Graukalk kann nur die Verkohlung in Retorten
und Oefen maßgebend sein. Je langsamer die Verkohlung vor sich geht, desto höher
ist die Ausbeute an Gesamtdestillat. Entrindetes Holz gibt mehr Säure als solches
mit der Rinde; desgleichen gesundes Holz mehr als anbrüchiges; Stammholz mehr
als Astholz und Laubholz mehr als Nadelholz. Von großem Einflüsse ist der Wasser-
stoffgehalt des Holzes.
Trockene Destillalioii des Holzes. § 39. g£5
Im fabriksmäßigen Betriebe, bei guter Einrichtung werden aus 100 kg Buchen-
holz (entrindet) erhalten:
24—25 kg Holzkohle,
7—8 „ Graukalk,
1 — 1 Vi „ Holzgeist,
7—8 „ Teer.
Diese Zahlen beziehen sich auf Holztrockensubstanz.
Bei Nadelholz ist die Ausbeute an Graukalk um 2 — 3 kg und an Holzgeist um
etwa Vi kg geringer, jene an Teer hingegen höher. Bei harzreichen Hölzern steigt
die Teerausbeute auf 12 — 16 kg. In der Regel ist aber für den Teer keine entspre-
chende Verwertung zu finden, so daß er in den Destillationsanstalten verheizt wer-
den muß.
Für die Rentabilität des Unternehmens ist der Trockenheitsgrad des zur Ver-
kohlung gelangenden Holzes sehr maßgebend, weil davon der Brennmaterialaufwand
abhängt. Man läßt daher das Holz durch längeres Ablagern möglichst gut lufttrocken
werden oder wendet künstliche Trocknung an durch die von den Retortenheizungen
abziehenden Essengase, bei gleichzeitig starker Ventilation in den Trockenräumen.
§ 39. Verkohlung von Holzabfällen. Seit Jahren schon werden
Anstrengungen gemacht, die Holzabfälle von Sägewerken und ähnlichen Holzver-
arbeitungsstätten, welche dort, wo man keine Gelegenheit hat, sie zu verfeuern,
nicht nur ganz wertlos sind, sondern auch noch Kalamitäten bei der Wegschaffung
verursachen, zur Verkohlung zu verwenden. Bei der gewöhnlichen Art der Ver-
kohlung resultiert aber nur Kohlenklein oder Pulver, welches erst brikettiert werden
muß, um es in eine gebrauchsfähige Form zu bringen. Da aber das Holzkohlen-
pulver, selbst bei starker Pressung, keine genügende Bindigkeit hat, so muß ein
Bindemittel (Wasserglas, Teer, Gallerte von Caraghenmoos etc.) zugesetzt werden,
was die Fabrikation verteuert. Teer hätte man am billigsten zur Verfügung ; solche
Briketts müssen aber dann noch nachträglich wieder bis zur vollständigen Entgasung
erhitzt werden, was nicht mehr rentiert. Da ferner die Hauptmenge der Sägewerks-
abfälle solche von Nadelhölzern sind, welche relativ geringe Ausbeuten an Graukalk
und Holzgeist liefern, so gestaltet sich auch mit Rücksicht darauf die Verkohlung
derselben nicht rentabel und erklärt sich somit die Erscheinung, daß bis zum heutigen
Tage diese Art der Verwertung von Holzabfällen noch nicht im großen eingeführt ist.
Ganz abgesehen von der geringeren Rentabilität der Verkohlung von Abfällen
gegenüber der von Holz in jeder anderen Form überhaupt, kommt als weiterer Uebel-
stand bei dieser Nutzungsart noch hinzu, daß es der Technik trotz der eifrigsten
Anstrengungen bis nun nicht gelungen ist, einen für diese Zwecke einwandfrei funk-
tionierenden Apparat zu konstruieren. Die dichte Lagerung des Sägemehls in den
Verkohlungsapparaten gewöhnlicher Art verhindert einen freien Durchgang der
Gase und Dämpfe, welche die Wärmeübertragimg vermitteln sollen, und dement-
sprechend auch den Abzug der Destillationsprodukte, als deren Folgen sich ergeben:
unregelmäßiger Betrieb und ungleichmäßige Produkte. Auch der hohe Wassergehalt
der Sägeabfälle bereitet Schwierigkeiten.
Zahlreiche Patente auf Erfindungen, welche diese Schwierigkeiten beheben
sollten, wurden genommen, keines aber hat sich über das Versuchsstadium hinaus
bewährt.
Kurz erwähnt seien daher hier nur die Versuche mit: Retorten mit Rührvor-
richtungen, rotierenden Retorten mit oder ohne Rührwerken, Brikettierung der
Sägespäne, unter den verschiedensten organischen und anorganischen Zusätzen ,
6ig, IX D. Schwack höfer, Forstlich-Chemische Technologie.
Verkohlung des Materials in dünner Schicht, auf Horden oder während des lang-
samen Durchrieseins durch den Verkokungsraum u. a. m.
y. Das Holz als Heizmaterial.
§ 40. Allgemeines über den Heizwert der Brennmate-
rialien. Der Wert eines Heizstoffes ist abhängig von seiner chemischen Zusam-
mensetzung. Die gewöhnlichen festen Brennstoffe, wie Holz, Torf, Braunkohle und
Steinkohle bestehen aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff, nebst geringen
Mengen von Stickstoff; ferner enthalten alle hygroskopisches Wasser und Mineral-
bestandteile. In den fossilen Brennstoffen ist auch Schwefel, und zwar vorwi^end
als Schwefelkies vorhanden.
Alle fossilen Brennstoffe sind insoferne gleichen Ursprungs, als die Holzfaser das Material
hierzu geliefert hat. Der Zersetzungsprozeß, welcher dabei stattgefunden hat, wird in seinen
ersteren Stadien als Verraoderung und in den späteren Perioden als Karbonisierung bezeichnet.
Die gesarate organische Substanz erfährt dabei eine Abnahme, jedocli schwindet der Sauer-
stoff und Wasserstoff in höherem Mal3e als der Kohlenstoff. Die Folge davon ist, daß mit zu-
nehmendem Alter, resp. fortschreitender Zersetzung, die Substanz relativ immer kohlenstoff-
reicher wird, und zwar läßt sich mit Zugrundelegung der Mittelzahlen folgende Reihe aufstellen :
C
H
O
Holzfasern
50
6,3
43,7
Jüngerer Torf (Fasertorf)
54
6
40
Aelterer Torf { Specktorf)
60
6
34
Jüngste Braunkohle (Lignit)
62
6
32
Gemeine Braunkohle
70
5,5
24,5
Fette Steinkohle
80
5
15
Magere Steinkohle
88
4
8
Anthrazit
95
2
3
Dieser Prozeß ist auch im Anthrazit noch nicht völlig abgeschlossen; das Endprodukt ist reiner
Kohlenstoff „Graphit".
Obige Zahlenreihe bezieht sich auf wasser- und aschenfreie Substanz; die geringe Menge
an Stickstoff ist außer Acht gelassen. Der Wassergehalt ist im lufttrockenen Torfe und in der
Braunkohle in der Regel ein hoher, 10 — 30%, in der Steinkohle dagegen gering, meist 2 — 8%.
Der Aschengehalt ist in allen fossilen Brennstoffen großen Schwankungen unterworfen; in den
besten Quantitäten beträgt er 1 — 5, in den mittleren 5 — 10 und in den schlechten 5ä% und
darüber.
Die Wärmemenge, welche ein Heizstoff zu entwickeln vermag, kann entweder
aus seiner chemischen Zusammensetzung berechnet oder auf kalorimetrischem Wege
bestimmt werden.
Für die Berechnung des Heizwertes aus der E 1 e m e n t a r - Z u s a m m e n-
Setzung dienen folgende Zahlen:
Bei der Verbrennung
von 1 kg Kohlenstoff zu Kohlensäure werden rund 8 100 Kalorien ^)
,, 1 ,, Wasserstoff ,, Wasserdampf ,, ,,29 000 ,,
,, 1 ,, Schwefel „ Schwefeldioxyd ,, ,, 2 500 ,,
produziert.
Alle anderen Bestandteile sind wärmekonsumierend und setzen daher den
Wert des Brennstoffes herab; namentlich ist dies der Fall beim Wasser. Um 1 kg
Wasser von gewöhnlicher Temperatur in Dampf von 100 " C. zu verwandeln, sind
rund 600 Kalorien erforderlich.
Mit Zugrundelegung dieser Zahlen ergibt sich der Heizwert (p) aus der Du-
longschen Formel:
1) Unter Kalorie oder Wärmeeinheit ist jene Wärmemenge verstanden, welche notwendig
ist, um 1 kg Wasser um 1» C. zu erwärmen.
Das Holz als Heizmaterial. § 40. 617
8100 C + 29000 ('h — '^^ + 2500 S — 600 W
P = TOO '
worin C, H, 0, S und W Prozente Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Schwefel
und Wasser bedeuten. Durch 100 muß dividiert werden, weil hier Prozentzahlen
in Rechnung gestellt sind, der Heizwert sich aber auf die Gewichtseinheit (1 kg)
des Brennstoffes bezieht.
Vonm Wasserstoff ist nur jener Anteil wärmegebend, welcher verbleibt, wenn
aller Sauerstoff in dem Gewichtsverhältnisse H : 0 = 1 : 8 gebunden erscheint.
Der Ausdruck ( H — i gibt somit die Menge des nach der Bindung noch übrig
bleibenden Wasserstoffes, welcher als ,, disponibel" angesprochen wird.
Hätte eine Steinkohle z. B. folgende prozentische Zusammensetzung:
70,06 C, i,32 H 10,58 O, 0,93 N, 8,42 hygroskopisches Wasser und 5,69 Asche (darin
0,43 S als Schwefelkies angenommen), so berechnet sich der Heizwert nach obiger Formel mit
, 10,58 \
8100 X 70,06 + 29 000 x U,32 '_—j + 2500 x 0,43 — 600 x 8,42
— — = 6595 Kalorien.
100
Bei der kalorimetrischen Heizwertbestimmung wird eine kleine
Menge des Brennstoffes (gewöhnlich nur 1 g), welche einer unter besonderen Vor-
sichtsmaßregeln hergestellten Durchschnittsprobe entspricht, in einem eigens hierfür
konstruierten Apparat (Kalorimeter) in komprimiertem Sauerstoff gas vollkommen
verbrannt. Die dabei entwickelte Wärme %\ird auf ein gewogenes Wasserquantum
übertragen und die Temperaturzunahme desselben bis auf Tausendstel Grade genau
ermittelt. Alle Wärmeverluste sind dabei sorgfältig vermieden. Bei den älteren
fossilen Brennstoffen (Steinkohle und Braunkohle) stimmen die auf kalorimetri-
schem Werte mit der durch Rechnung nach der Dulongschen Formel gefundenen
recht gut überein und sind selten Differenzen von mehr als 3% des Heizwertes zu
konstatieren. Beim Holze und auch bei jüngerem Torfe hingegen ist dies nicht
der Fall und sind die kalorimetrisch bestimmten Heizwerte regelmäßig höher als die
berechneten, wie weiter unten erörtert ist.
Dieser theoretisch ermittelte Heizwert ist in der Praxis niemals erreichbar, weil bei einer
jeden Feuerungsanlage, mag sie beschaffen sein wie immer, gewisse Wärmeverluste unver-
meidlich sind. Dieselben sind begründet:
1. in dem Entweichen der \ erbrennungsprodukte mit hoher Temperatur (sogen. Schorn-
steinverlust) ;
2. in der unvollkommenen Verbrennung (Entweichen unausgebranntcr Gase und Dämpfe,
Rauch- und Rußbildung, unverbrannte Teile in der Asche und Schlacke);
3. Wärmeabgabe nach außen (Leitungs- und Strahlungsverlust).
Bei den besten Feuerungsanlagen können bis zu 80% der Wärme ausgenützt werden;
in der Regel ist der Nutzeffekt aber viel geringer; bei mittleren Anlagen beträgt er zwischen
60 und 70 und bei schlechten sinkt er nicht selten bis unter 50% herab.
Die auf die Gewichtseinheit (1 kg) bezogene Wärmemenge w^ird der absolute und die
auf die Volumeinheit (z. B. 1 Rm.) bezogene der spezifische Wärmeeffekt genannt. Neben der
Menge kommt unter Umständen auch die Intensität der Wärme (Verbrennungstemperatur)
in Betracht. Diese Zahl wird als pyrometrischer Wärmeeffekt bezeichnet. Unter Verdarapfungs-
wert (V) versteht man jene Zahl, welche angibt, wie viele Kilogramm Wasser durch 1 kg des
Brennstoffes verdampft werden können. Die Gesamtwärme G), welche zur Verdampfung
des Wassers beansprucht wird, ergibt sich aus der Formel:
G = 606,5-1-0,305 T — t,
worin T die Temperatur des Dampfes und t die Anfangstemperatur des Wassers bedeutet.
Wäre T = 100 und t = 0, so ist G = 637. Diese Zahl wird gewöhnlichj^auf 630 abgerundet.
Daher V = — , worin p den absoluten Wärmeeffekt des Brennstoffes bedeutet.
630 '^
618 IX D. S c h w a c k li ö f e r , Forstlich-Chemische Technologie.
§ 41. Heizwert des Holzes im Vergleiche mit den fossi-
len Brennstoffen. Nach der durchschnittlichen Elementar-Zusammenset-
zung der gewöhnlichen Holzarten berechnet sich der Heizwert der Holztrockensub-
stanz mit
8100 X 49.6 + 29000 X ^
:4200
(--^)
100
Kalorien. In WirkHchkeit ist derselbe aber höher und wurde durch kalorimetrische
Untersuchungen mit rund 4500 gefunden. Da die Elementar-Zusammensetzung der
gewöhnlichen Holzarten nur in verhältnismäßig engen Grenzen schwankt, so kann
diese Zahl als allgemein gültiger Mittelwert angenommen werden. Dagegen ist der
Wassergehalt großen Schwankungen unterworfen (pag. 557). Um den Heizwert zu
bestimmen, muß daher der Wassergehalt (W) des Holzes bekannt sein und genügt
dann für praktische Zwecke die Formel
4500 X (100 — W) — 600 W
lOÖ
Wäre der Wassergehalt des lufttrockenen Holzes z. B. 12%, so beträgt der
Heizwert 4500 X (100 — 12) —600 x 12
^ 3888
100
Kalorien. Diese Zahl bezieht sich auf 1 kg. Das Holz wird aber nicht nach Gewicht,
sondern nach Volumen (Raummeter) verkauft. Eine einfache Relation zwischen
Gewicht und Volumen des in Stößen aufgeschichteten Holzes besteht nicht. Das
Gewicht eines Raummeters schwankt je nach der Holzart, dem Holzsortimente,
nach der Art des Aufschichtens und dem Trockenheitsgrade des Holzes in weiten
Grenzen. Wäre z. B. der Derbgehalt eines Raummeters Fichtenscheitholz 70% und
das Gewicht eines Festmeters 470 kg, so wiegt ein Raummeter 329 kg.
Beträgt der Wassergehalt 15%, so stellt sich der Heizwert des Raummeters auf
4500 X (100 — 15) —600 X 15
^^ -7-—^ 329 = 1,228.815
100
Kalorien. Sollte der Heizwert dieses Holzes in Vergleich gebracht werden mit einer
1 228.815
Braunkohle von 3750 Kalorien, so ergibt sich, daß 1 Raummeter — — = 327,7 kg
o /OU
Braunkohle entspricht.
Das Holz kann wohl nur in seltenen Fällen als Heizmaterial mit der Mineral-
kohle in Konkurrenz treten. Es ist dies nur dort möglich, wo das Holz sehr billig
und die Mineralkohle teuer zu stehen kommt oder gar nicht zu beschaffen ist. Auch
in solchen Industriezweigen, wo früher nur ausschließlich Holz verwendet wurde,
und die Mineralkohlen ihres Gehaltes an Asche, die als Flugasche zum Teile fort-
geführt wird, ihrer leichten Rauch- und Rußentwicklung und ihres Schwefelgehaltes
wegen nicht unmittelbar zu gebrauchen sind, wie z. B. in der Glas- und Porzellan-
fabrikation, ist durch die Einführung der Gasfeuerung das Holz, wenn auch nicht
überall, so doch in den meisten Fällen verdrängt worden. Am häufigsten wird das
Holz noch in Haushaltungen als Brennstoff benützt, wo es der großen Reinlichkeit,
der leichten Entzündbarkeit und der rauchlosen Verbrennung wegen, trotz des
höheren Preises, der Mineralkohle vorzuziehen ist. Für industrielle Zwecke kom-
men zumeist nur die Holzabfälle in Verwendung, welche mit Rücksicht auf ihre
Beschaffenheit auf besonders konstruierten Feuerungsanlagen (Treppenrosten) ver-
brannt werden.
Die Pottasche-Erzeugung. § 42. 619
Holz gibt eine lange, nicht rußende Flamme. Der pyrometrische Effekt
ist gering. Der Harzgelialt der Nadelhölzer erhöht die leichte Entzündbarkeit und
Langflanunigkcit.
Das Flößen übt auf den Heizwert keinen Einfluß aus, vorausgesetzt, daß das
Holz wieder lufttrocken geworden ist. Im Wasser liegend nimmt das Holz zwar
sehr viel Feuchtigkeit auf (pag. 557 ), es werden dadurch jedoch nur die Saftbestand-
teile und auch diese nur teilweise ausgelaugt, während das Holzskelett, welches den
Heizwert hauptsächlich bedingt, unverändert bleibt.
Zum beiläufigpn Vergleiche des Heizwertes von Holz und den fossilen Brennmaterialien
können folgende Zaiilen dienen i):
Heizwert in Kalorien
Holz, lufttrocken 3500—4000
Jüngerer Tort 2500 — 4000
Aelterer Torf 3000 — 4800
Lignil 2500 — 4000
Gemeine Braunkohle 3000 — 4500
Aelteste Braunkolile (Glanzkohle) 4500 — 6000
Fette Steinkohle 5000 — 7000
Magere Steinkohle 6000—7500
Anthrazit 7500—8000
VI. Die Pottasche-Erzeugung.
§ 42. Bis vor etwa 40 Jahren war die Asche des Holzes und einiger anderer
Pflanzen das alleinige Material für die Herstellung der Pottasche und aller übrigen
Kalisalze. Gegenwärtig wird Pottasche aus allen drei Naturreichen gewonnen,
und zwar:
1. Aus dem Mineralreiche, wo die Staßfurter Abraumsalze, das Kaliumsulfat
und Chlorid, das Material hierzu abgeben.
2. Aus dem Pflanzenreiche, die Melasseasche (als Einäscherungsrückstand von
der Schlampe der Melassespiritusbrennereien) und die Holzasche.
3. Aus dem Tierreiche, die Schafschweißasche aus der Schafwollwäscherei.
Die größte Menge der Pottasche wird derzeit aus den Staßfurter Abraumsalzen
und aus der Melasseasche gewonnen, während die anderen Materialien eine mehr
untergeordnete Rolle spielen.
Das sogenannte Aschenbrennen ist zwar die geringste, in manchen Gegenden
aber doch nur einzig mögliche Art der Verwertung des Holzes. Im größeren Maß-
stabe wird Holzpottasche in Ungarn, Siebenbürgen, Galizien und Bukowina, Ruß-
land, auf Kanada und in den Vereinigten Staaten von Nordamerika erzeugt.
Die Darstellung der Pottasche aus Holz ist sehr einfach und umfaßt folgende
Prozeduren :
1. Das Veraschen des Holzes.
2. Das Auslaugen der Asche.
3. Das Versieden der Lauge.
4. Das Kalzinieren der Rohpottasche.
Zum Veraschen werden vorzugsweise moderige, gipfcldürrc, kernschälige oder
überhaupt kranke abständige Stämme benutzt. In manchen Lokalitäten muß wohl auch ge-
sundes Holz mit verwendet werden, wenn eine bessere Verwertung nicht zu finden ist. Das
Aschenbrennen wird in verschiedener Weise ausgeführt. Auf der Herrschaft Munkäcs werden
nur hohle, moderig gewordene Buchenstämme verascht. Der noch stehende Stamm wird an-
gehauen und in der Oeffnung ein Feuer angemacht. Der Moder und die innere Holzpartie
brennen allmählich aus, wobei sich die Asche am Fuße, innerhalb des Stammes, ansammelt.
1) Ausführlicheres hierüber F. Schwackhöfer, „Heizwert der Kohlen". III. Autlage.
Wien, Gerold 1912. .
620 IX D. S c h w a c k h ö f e r , Forstlich-Chemische Technologie.
Dieselbe wird von Zeit zu Zeit ausgenommen und das Feuer, wenn nötig, erneuert. Auf solche
Art wird die Asche sehr rein erhalten und ist gegen Wind und Regen geschützt.
In den griech. -Orient. Religionsfondforsten der Bukowina verascht man nur gefälltes
Holz. Zu diesem Behufe wird der liegende Stamm entweder der ganzen Länge nach oder auch
nur in gewissen Abständen mit einer 12 — 15 cm tiefen und 30 cm breiten Kerbe versehen,
welche als Feuerherd dient. Bei einem morschen Stamme genügt eine Feuerstelle am Stock-
ende; gesunde Stämme müssen jedoch mehrere Feuerstellen (gewöhnlich von 6 zu 6 m Ent-
fernung) erhalten. Der Stamm brennt niemals vollständig aus, sondern es bleiben mindestens
Splint und Rinde, nicht selten aber auch größere, gesunde Holzpartien zurück. Dieser Rück-
stand wird zerkleinert, zu einem Stoß aufgeschichtet und verbrannt. In gleicher Weise werden
auch die Aeste aufgearbeitet. Die Asche wird in Butten gesammelt und in sogen. „K o 1 i b a"
bis zur Abfuhr in die Pottaschehütte aufbewahrt. Die Koliba sind einfache Erdgruben, welche
mit Bretterschwarten ausgelegt und eingedeckt werden. Ringsum wird ein Graben gezogen,
um das Tagwasser abzuhalten.
Ueber die Aschenmenge und den Kaligehalt der Holzasche gibt die auf pag. 560 ange-
führte Tabelle Aufschluß. Dabei ist jedoch zu bemerken, daß sich diese Zahlen auf Reinasche
beziehen. Die Rohasche enthält aber auch noch kohlige Teile, Kohlensäure und erdige Ver-
unreinigungen. 100 Teile Rohasche entsprechen durchschnittlich 75 Teilen Reinasche. Es
sind daher alle in dieser Tabelle enthaltenen Zahlen bei der Umrechnung auf Rohasche mit
dem Faktor 0,75 zu multiplizieren.
Die erste Manipulation in der Hütte ist das Auslaugen. Die Auslauggefäße (Aescher
genannt) sind nach unten verjüngte Bottiche, welche einen Doppelboden besitzen. Der untere
Boden ist voll, der obere gelocht. Im Zwischenraum ist eine Holzpippe eingesetzt zum Ablassen
der Lauge. Auf den Siebboden kommt eine Lage Stroh oder Reisig und darauf die mit Wasser
benetzte Holzasche, welche möglichst dicht eingetreten wird. Ein Aescher faßt bis zu ^j seiner
Höhe 120 — 130 kg Rohasche, welche mit 150 — 200 Liter Wasser Übergossen wird. t"m das
Wasser gleichmäßig über die ganze Oberfläche zu verteilen, wird die Asche mit einer Schiclite
Reisig überdeckt. Das Wasser durchdringt die Asche und nimmt die löslichen Salze auf. Nach
4 — 5 Stunden wird die erste Lauge abgelassen, neuerlich Wasser aufgegossen und so weiter
fortgefahren, bis die ablaufende Flüssigkeit nur mehr sehr schwach alkalisch reagiert und am
Aräometer nahezu Null zeigt. Je nach der Beschaffenheit der Rohasche sind 4 — 5 Aufgüsse
erforderlich. Die erste Lauge ist die konzentrierteste, die später nachkommenden werden immer
schwächer und die letzte ist schon so verdünnt, daß sie das Eindampfen kaum verlohnt. Viel
zweckmäßiger ist die systematische Auslaugung nach Art des Batteriebetriebes. Fünf Aescher
werden terrassenförmig übereinander gestellt und mit Asche beschickt Auf den ersten obersten
Aescher wird Wasser gegossen. Nach 3 — 4 Stunden wird die Lauge auf den zweiten Aescher
abgelassen und der erste neuerlich mit Wasser gefüllt. Nach weiteren 3 — 4 Stunden wird die
Lauge von 2 auf 3, von 1 auf 2 abgelassen und 1 wieder mit Wasser gefüllt. In dieser Weise
wird fortgefahren, bis die konzentrierte Lauge bei 5 zum Abzug gelangt. Der Inhalt des Aeschers
1 hat inzwischen 5 Wasseraufgüsse erhalten, ist bereits vollständig ausgelaugt und wird ent-
leert. Der Wasserzulauf wird jetzt auf 2 gestellt und 1 mit frischer Rohasche beschickt. Die
Lauge geht von 2 auf 3, von 3 auf 4, von 4 auf 5, fließt von 5 in ein Reservoir, wird von hier auf 1
gepumpt und nach 3 — 4stündiger Einwirkung als konzentrierte Lauge von 1 abgezogen. Der
weitere Verlauf der Arbeit ergibt sich aus dem Gesagten von selbst.
Mit warmem Wasser gelingt die Auslaugung schneller als mit kaltem. Im Winter muß
das Wasser unter allen Umständen angewärmt werden.
Der nach vollständigem Auslaugen in den Aeschern verbleibende Rückstand (Aescherich
genannt) besteht vorwiegend aus Calciumkarbonat und Phosphat (ca. 8% P2O5 in der Trocken-
substanz) und kann als Düngemittel verwendet werden. Wenn man auf eine weitere Verfrach-
tung reflektiert, so müssen diese Rückstände an der Luft getrocknet werden, da dieselben sehr
viel (50 — 60%) Wasser enthalten.
Zum Abdampfen oder Versieden der Lauge sind gewöhnlich zwei Arten von
eisernen Pfannen vorhanden; die Vorwärmer und die eigentlichen Verdampfpfannen. Erstere
sind flach und in der Regel auf dem Kalzinierofen angebracht. Letztere sind entweder eben-
falls flach oder schalenförmig vertieft und besitzen eine eigene Feuerung. Die frische Lauge
kommt' zuerst in die Vorwärmer und fließt von hier aus in einem dünnen Strahl auf die Ver-
darapfpfannen.
Das Eindampfen wird unter Zufluß von vorgewärmter Lauge so lange fortgesetzt, bis
eine herausgenommene Probe beim Erkalten erstarrt. Ist dieser Punkt erreicht, so wird der
weitere Zufluß der Lauge abgestellt und das Feuer unterbrochen. Beim Abkühlen scheiden
sich an den Wänden der Pfanne Salzkrusten ab, welche allmählich stärker werden, bis endlich
die Masse erstarrt. Diese Krusten werden mit Hammer und Meisel losgeschlagen. Das so er-
haltene Produkt heißt ,,F 1 u ß" oder ausgeschlagene Pottasche. Es ist dunkel-
graubraun bis grauschwarz gefärbt und enthält 10 — 15% Wasser.
Diese Methode des Versiedens hat den Nachteil, daß die Pfannen durch das Losmeißeln
der Salzkrusten sehr stark in Anspruch genommen werden und oftmaligen Reparaturen unter-
liegen.
Die Hai'zp, deren Gewinnung und Verarbeitung. § 43. 621
Zweckmäßiger wird in der Weise vorgegangen, daß man, sobald die Aussclieidung be-
ginnt, das Feuer mäßigt und die Lauge tmunterbrochen rülirt. Naeh vollständigem Abdampfen
hinterbleiht in der Pfanne die rolie Pottasche als lockere, krümliclie Masse, welche nach dem
Abkühlen der Pfanne ausgeschaufelt wird IJicses Produkt heißt ,,gcrülirtePoltasch e",
ist schwarzbraun gefärbt und enthält noch 6 — 10% Wasser. Für das erstere Verfahren" sind
schalenförmige und für das letztere flaclie Pfannen notwendig.
Die letzte Operation ist das Kalzinieren. Es bezweckt die vollständige Entwäs-
serung und das Weißbronnen der l^ottasche. Die Vorrichtung hierfür ist ein Flammofen mit
einem oder zwei Feuerherden. Der Kalzinierraum ist aus feuerfestem Material h(^rgestellt und
überw-ölbt. Das Gewölbe darf von der .Sohle, worauf die Pottasche zu liegen kommt, nicht
mehr als 7i ni abstehen, damit die Flamme niedergehalten wird und die Pottasche bestreicht.
Zuerst wird der Ofen so lange geheizt, bis der Kalzinierraum glühend geworden ist, sodann
die rohe Pottasche eingeworfen und auf der etwas vertieften Sohle ausgebreitet. Beim Kal-
zinieren muß die Pottasche mit einer eisernen Krücke oftmals durchgerülirt und gewendet
werden, damit immer neue Teile an die Oberfläche gelangen. Die Temperatur darf anfangs
nur mäßig sein und wird allmählich bis zur hellen Rotglut gesteigert. Ein Schmelzen der Pott-
asche darf dabei nicht eintreten, weil sonst die kohligen Teile eingeschlossen und an der Ver-
brennung gehindert werden. Beim Schmelzen wird auch die Herdsohle stark angegriffen' und
die Pottasche kieselsäurehaltig. Nach Verlaut von 2 — 3 Stunden ist die Masse weiß gebrannt.
Um sich von der Gahre zu überzeugen, werden einige Stücke ausgezogen und nach dem Er-
kalten zerschlagen. Erscheinen dieselben bis in das Innere weiß, so ist genügend geglüht. Die
Pottasche wird nun ausgezogen, erkalten gelassen und sodann ohne Verzug in Fässern einge-
stampft. Bleibt dieselbe lange an der Luft liegen, so zieht sie Feuchtigkeit an, backt zu Klumpen
zusammen und wird endlich ganz zerfließlich. Beim Kalzinieren ergibt sich je nach der Qualität
der Rohpottasche ein Gewichtsverlust von 10 — 20 Prozent.
Die kalzinierte Pottasche ist eine krümelig-blasige, zusammengesinterte Masse.
Die Farbe ist selten rein weiß, sondern besitzt meist einen Stich ins graue (von sehr
feinen Kohleteilchen). Zuweilen erscheint sie rötlich (durch Eisenoxyd), bläulich
oder grünlich (durch Kaliummanganat). Sie schmeckt laugenhaft, ist stark hygro-
skopisch, in Wasser leicht löslich, im Alkohol hingegen unlöslich. Kalzinierte wasser-
freie Pottasche enthält:
80—85 % Kaliumkarbonat K2CO3
6— 9 % Natriumkarbonat Na.jCOj
6— 9 % Kaliumsulfat K2SO4
0,5— 4% Kaliumchlorid KCl
nebst geringen Mengen von Eisenoxyd, Tonerde, Manganverbindungen, Magnesia und
Kieselsäure (resp. Alkalisilikate).
Durch fraktionierte Kristallisation kann man die Salze voneinander trennen,
und das Kaliumkarbonat fast rein erhalten ; das ist aber eine komplizierte Prozedur,
welche sich nur für chemische Fabriken verlohnt. Auch ist die Pottasche von obiger
Zusammensetzung für die meisten Zwecke ohne weiteres geeignet.
Die Verwendung der Pottasche war in früherer Zeit viel ausgedehnter und viel-
seitiger. Gegenwärtig ist dieselbe durch die weit billigere Soda zum größten Teil
verdrängt. Nur in einigen Industriezweigen kann man die Pottasche nicht ent-
behren ; es ist dies namentlich der Fall bei der Fabrikation des Kristallglases und der
schwer schmelzbaren Glassätze überhaupt, der Schmierseife, des Blutlaugensalzes
und diverser chemischer Präparate.
VII. Die Harze, deren Gewinnung und Verarbeitung 1).
1. Vorkommen, Entstehung und allgemeine Charakteristik der Harze.
§ 43. Die Harze gehören zu den am meisten verbreiteten Pflanzenbestand-
teilen und finden sich in allen Organen mit Ausnahme des Gambiums. Sie bilden
1) Literatur über Harze: Wiesner, Rohstoffe des Pflanzenreiches, Wien 1900; Tschirch,
Die Harze und Harzbehälter, Leipzig 1906; Mayr, Das Harz der Nadelhölzer, Berlin 1894; And6s,
Die Harzprodukte, AVien-Leipzig 1905; Schweizer, Die Destillation der Harze, Wien-Leipzig
1905; Dammer, Chem. Technologie der Neuzeit, Stuttgart 1911, u. a.
522 IX D. Schwack höfer, Forstlich-Chemische Technologie.
entweder einen Teil der Zellwand oder des Zellinhaltes; zumeist sind sie jedoch in
eigenen interzellularen Sekretbehältern (Harzgängen) angesammelt. Dieselben sind
in den Rinden aller Abietineen, nicht selten aber auch im Holze selbst vorhanden.
Nach den Untersuchungen von Mayr wird das Harz aus den oberen Teilen des
Baumes allmählich nach unten geleitet. Der harzreichste Teil ist das Wurzelholz,
sodann folgt die untere Partie des Stammes bis zu etwa 2 m über dem Boden, weiter
das Astholz, dann der bekrönte Teil des Stammes, der astlose Gipfel und endlich
die Rinde. Warmer, sonniger Standort erhöht den Harzertrag. Die Harzmenge
nimmt mit dem Alter des Baumes zu.
Ueber die Art und Weise, wie die Harzbildung erfolgt, sind die Ansichten geteilt. Nach
Wiesner, Karsten und anderen sind die Harze Produkte der rückschreitenden Stoffmetamor-
phose und entstehen entweder direkt oder durch intermediäre Bildung von Gerbstoff aus der
Zellulose oder aus Stärke. Nach neueren Forschungen von Tschirch ist jedoch die Harzbildung
kein pathologischer, sondern ein physiologischer Prozeß, welcher in einer bestimmten Partie
der Zellwand erfolgt, die sich als Schleimschichte entwickelt. Diese Schleimmembran sondert
Oel, bezw. Harz ab. Als Zwischenprodukt wird Phloroglucin angesehen. Daß die harzbildende
Schichte unter Umständen teilweise oder auch ganz resorbiert wird, soll nach Tschirch mit
der Sekretbildung selbst nicht zusammenhängen.
Außer in normalen Pflanzengeweben entsteht Harz auch in nicht normalen Gebilden,
welche durch Verwundungen hervorgerufen werden, wie die Narbengewebe der Conifercn
oder die mit Harz erfüllten Kernholzrisse bei der Lärche oder die sogenannten Harzgallen,
d. h. abnormale, flache Harzbehälter im Nadelholze, welche durch eine Art von innerer Ver-
letzung (hervorgerufen durch Druckdifferenzen im Splintgewebe) zustande kommen.
Die Harzbehälter münden nirgends frei nach außen und es kann daher auch
ein spontaner Harzausfluß nicht erfolgen. Jeder Harzaustritt ist ein pathologischer
Vorgang. Unter natürlichen Bedingungen ist der Ausfluß aber stets nur gering
und hat seinen Grund in dem Vertrocknen der äußeren, der Luft ausgesetzten Ge-
websschichte. Werden hingegen Verwundungen angebracht, wie dies bei der Harz-
nutzung geschieht, die Rinde stellenweise abgeschält oder der Stamm angebohrt,
so vermehrt sich der Harzausfluß sehr bedeutend.
Da die Harzgänge außerordentlich feine Kapillarräume sind und das Harz
sehr zähflüssig ist, so kann ein freiwilliges Ausfließen infolge der Schwere niemals
stattfinden und ist vielmehr ein bedeutender Druck notwendig, um das Harz aus-
zupressen. Dieser Druck geht von den umliegenden Saftgeweben (Splint) aus und
pflanzt sich im Baume fort, so daß das Harz auch aus entfernteren Partien in den
Kanälen bis zur Ausflußstelle geleitet wird.
Das austretende Harz besitzt entweder Tropfenform oder es,^ist zu unförmigen
Knollen oder stalaktitischen Gestalten vereinigt. Charakteristisch ist die zuerst von
Wiesner beobachtete, mikroskopische Oberflächenbeschaffenheit. Beim Festwerden
schrumpft das Harz ein, wodurch die Oberfläche ein feinkörniges, chagriniertes
Aussehen annimmt. Bei längerem Liegen an der Luft verwittert das Harz und
zeigt sodann an der Oberfläche Spalten und Rißlinien.
Die Grundsubstanz der Harze ist immer amorph; häufig sind jedoch kristalli-
nische Einschlüsse in derselben vorhanden. Im gemeinen Coniferenharz sind so
viele Kristalle von Abietinsäure ausgeschieden, daß die ganze Masse trüb erscheint.
Die meisten Harze sind gelb bis braun gefärbt, glasartig glänzend, durchsich-
tig bis durchscheinend, oder auch ganz undurchsichtig. Nur einzelne Harze sind
farblos oder zeigen verschiedene Nuancen von rot, grün bis schwarz. Bei längerem
Aufbewahren dunkeln alle Harze nach. Viele derselben besitzen einen sehr ange-
nehmen, aromatischen Geruch (Coniferenharz), einige sind geruchlos (Copale), andere
hingegen riechen höchst widerlich (Asa foetida). Der Geschmack ist zumeist bitter.
Die harten Harze sind spröde, brechen glasartig oder muschelig; ihre Härte liegt
Die Harze, deren Gewinnuna; und Verarbeitung. § -43. 623
zwischen Steinsalz uiul Gii>,s; aiulero sind weich bis zähflüssig. Bei längerem Liegen
an der Luft gehen die ^^'cichhar/.e in Hartharze über.
Der Schmelzpunkt der festen Harze ist sehr verschieden; Siambenzoe schmilzt
schon bei 73 ", die harten Copale hingegen erst über 300 " Gels. Die Dichte der Harze
ist nahe an 1 (Ausnahmen von 0,9 bis 1,3).
Die Harze sind keine chemischen Individuen, sondern Gemenge von meist sehr
komplizierter Zusammensetzung. Man hat zunächst zu unterscheiden: den eigent-
lichen Harzkörper und die akzessorischen Bestandteile oder Begleitsubstanzen.
Den eigentliclien Harzkörper bilden:
Resine, Resinotannole, Resinole, Resinolsäuren und Resene. In keinem Harz
sind alle diese Substanzen enthalten, bald herrscht die eine, bald die andere vor
oder fehlt auch gänzlich.
Resine sind esterartige Verbindungen der Harzalkohole. In den Harzen kommen sowohl
fltlssige als auch feste Ester (d. h. zusammengesetzte .\ether) vor.
Resinotannole und Resinole sind Harzalkohole, von denen die ersteren
gefärbt erscheinen und die Gerbstoffreaktion geben, während dies bei letzteren nicht der Fall
ist. Sie gehören sämtlich der aromatisclien Reihe an.
Resinolsäuren (Harzsäuren) sind Oxysäuren, welche teils im freien Zustande,
teils als Ester vorhanden sind und den Hauptbestandteil vieler Harze bilden. Hierhergehören:
Abietinsäure, Pimarsäure, Zimmtsäure, Benzoesäure und mehrere andere. Die beiden letzt-
genannten sind charakteristisch für eine ganze Gruppe von Harzen (Perubalsam, Tolubalsara,
Storax, Benzoe, Drachenblut und Xanthorrhoeaharz), während sie in einer anderen Gruppe
(Terpentin und gemeines Harz, .Mekkabalsam, Copaivabalsam, Gurjunbalsam, Elemi, Mastix,
Sandarak, Dammar, Copal, Guajakharz und Gummilack) felüen (Wiesner).
Besonders hervorzuheben ist die --\bietinsäure, als Hauptbestandteil der Coniferenharze.
Die .\bientinsäure -(Gi.HjgOj) bildet im reinen Zustande farblose, wetzsteinförmige Kristalle
von verschiedener Größe, bis zu 0,22 mm. Sie ist unlöslich in Wasser, dagegen leicht löslich
in .\lkohol, .\ether, .\ceton, Chloroform, Schwefelkohlenstoff, Benzol, Eisessig und in alkalischen
Flüssigkeiten. Ihr Schmelzpunkt liegt bei 153 — IS-t" Gels. Sie lenkt die Polarisationsebene
nach links ab, (a) D= — 66,7. Mit der Pimarsäure, mit welcher sie früher oft verwechselt wurde,
hat sie nichts gemein.
Die Pimarsäure, welche neben der vorgenannten in vielen Harzen vorkommt, ist ein
Gemenge von .3 isomeren Säuren (CjoHjoOj).
Schmelzpunkt " C Pol. [a] D
Dextro-Pimarsäure 210 — 211 +'2,5
Lävo-Pimarsäure ... 140 — 150 — 272
Silvinsäure . '. '. '. '. '. '. '. '. '. '. '. 161—162 — 53
Als Resene bezeichnet Tschirch gewisse Harzbestandteile, welche noch nicht näher
studiert sind, sich sehr widerstandsfähig erweisen und wahrscheinlich der aromatischen Reihe
angehören dürften.
Begleitsubstanzen der eigentlichen Harze sind : ätherische Oele, Gummi, Gerb-
stoff, Bitterstoffe, Farbstoffe und diverse mechanische \'erunreinigungen.
Besonders wichtig sind die beiden erstgenannten. Harze, welche größere Mengen
ätherisches Oel, speziell Terpentinöl, enthalten, werden Terpentine genannt. Es gibt
flüssige, halbweiche und feste Terpentine. Erstere heißen Balsame, die beiden letzteren
gemeines Harz. Die feinen Balsame sind honigdick, klar, farblos oder blaßgelb bis
braun gefärbt. Ist eine schwache Trübung vorhanden, so rührt dieselbe nur von ein-
geschlossenen Luftbläschen oder Wassertropfen her und verschwindet, wenn man den
Balsam in dünner Schichte stehen läßt oder schwach erwärmt. Die ordinären Bal-
same hingegen sind immer mehr oder minder getrübt, von ausgeschiedenen Kristallen
der Abietinsäure, und lassen sich durch Erwärmen nicht klären, sondern werden im
Gegenteil noch trüber. Sie bilden den Uebergang zum gemeinen halbweichen Harz.
Der feinste Terpentin ist der von Abies balsamea abstammende Kanadabalsam.
Er ist vollkommen klar, im frischen Zustande farblos und wird bei längerer Aufbe-
wahrung hellgelb, besitzt ein starkes Lichtbrechungsvermögen und wird hauptsäch-
lich für optische Zwecke verwendet. Er hat einen aromatischen Geschmack. In
624 IX D. S c h w a c k h ö f e r , Forstlich-Chemische Technologie.
absolutem Alkohol ist er nur teilweise löslich. Zu den feinen Terpentinen zählen
ferner auch das Lärchenharz oder venetianischer Terpentin und das Tannenharz
oder Straßburger Terpentin. Die übrigen Coniferenharze gehören zum gemeinen Harz.
Die Gummiharze (Gummigutt, Asa foetida, Galbanum und Ammonialigummi) sind
durch ihren Gehalt an Gummi charaliterisiert, welches durchschnittlich in einer Menge von
12 bis 25°'o darin vertreten ist.
Die Harze sind durchwegs kohlenstoffreich, sauerstoffarm und frei von Stick-
stoff. In Wasser sind sie unlöslich, dagegen lösen sich die meisten in Alkohol, Aether,
Schwefelkohlenstoff, Terpentinöl, Benzol, Petroleum usw. Von Gummiharzen lösen
die genannten Mittel nur das Harz, während das Gummi ungelöst bleibt. Chloral-
hydrat löst jedoch beide Substanzen. In konzentrierter Schwefelsäure lösen sich
viele Harze ohne Zersetzung und werden auf Zusatz von Wasser unverändert gefällt.
Gegen schmelzendes Kalihydrat erweisen sich manche Harze sehr widerstands-
fähig, während andere energisch oxydiert werden, wobei regelmäßig die gleichen
Produkte, nämlich: Protocatechusäure, Paraoxybenzoesäure, Phloroglucin und Re-
sorcin entstehen (Hlasiwetz).
Die Verbindungen mit Metalloxyden werden Resinate genannt. Die Alkaliresinate sind
: in Wasser löslich, bilden starken Schaum und werden Harzseifen genannt. Von den
- gewöhnlichen Fettsäureseifen unterscheiden sie sich dadurch, daß ihre Lösungen beim Kon-
zentrieren keinen Seifenleim liefern und auf Zusatz von Kochsalz keine Seife ausscheiden.
Die Harzseifen der alkalischen Erden sind in Wasser schwer löslich, jene der Schwermetalle
unlöslich. Durch Säurezusatz werden alle Harzseifen zerlegt, wobei sich das Harz ausscheidet.
Die Verseifungsfähigkeit der verschiedenen Harze ist eine sehr ungleiche, bei ein und
. demselben Harz aber innerhalb gewisser Grenzen konstant und kann daher neben anderen
Merkmalen zur Bestimmung der Reinheit dieser Produkte verwendet werden.
Unter Verseifungszahl versieht man Milligramme Kali, welche 1 g Harz beim
Kochen mit überschüssiger alkoholischer Kalilauge bindet.
Die Säurezahl sind Milligramme Kali, welche zur Sättigung von 1 g Harz in alko-
holischer Lösung beansprucht werden.
Die E s t e r z a h 1 ist die Differenz zwischen Verseifungs- und Säurezahl.
2. Harzgewinnung.
§ 44. a. Allgemeines. Trotz der außerordentlich weiten Verbreitung der Harze
ist die Zahl der Pflanzen, bei denen die Harznutzung verlohnt, doch nur eine be-
schränkte. Unter den in Europa einheimischen Waldbäumen sind es folgende:
Die Schwarzföhre (Pinus Laricio), die Strandkiefer (Pinus maritima oder P. Pina-
ster), die Fichte (Picea excelsa) und die Lärche (Larix europaea).
Von untergeordneter Bedeutung sind die harzreicheren Spielarten der Tanne
(Abies pectinata) und die Kiefer (Weißföhre) (Pinus silvestris), ferner die Krumholz-
kiefer (Pinus pumilio) und die Zirbelkiefer (Pinus cembra).
Im größten Maßstabe wird die Harzung bei der Schwarzföhre und Strandkiefer be-
trieben, welche unter den Vorgenannten auch die größte Harzergiebigkeit aufweisen.
Viel Harz (bezw. Kolophonium) wird aus Nord- und Südamerika importiert
und macht der einheimischen Produktion ganz gewaltige Konkurrenz. Das meiste
amerikanische Harz wird aus Pinus australis und Pinus taeda gewonnen, neben denen
noch eine Anzahl anderer Bäume zur Harznutzung herangezogen wird. Unter die-
sen verdient besondere Erwähnung Abies balsamea, welche das feinste Harz liefert.
Von den asiatischen Harzbäumen sind vor allem Pinus Merkusii und Pinus Kha-
siana wegen ihres Harzreichtums zu nennen.
Die verschiedenen anderen Harze, welche ebenfalls importiert werden und teils
technische, teils medizinische Verwendung finden, sind für den vorliegenden Zweck
insofern bedeutungslos, als sie durchweg von außereuropäischen Pflanzen abstam-
men und mit den in Europa gewonnenen Harzen nicht in Konkurrenz treten.
Die Harze, deren Gewinnung und Verarbeitung. § 12. g25
Die GcwiniiungsmeLhode ist verschieden, je nachdem die Hauptmenge des
Harzes im Splint und in der Rinde oder in Hohlräumen des Kernholzes sich befin-
det. Im wesentlichen können folgende Methoden unterschieden werden:
1. Das stellenweise Abnehmen der Rinde (das sogen. Lachtenreißen), und zwar
a) das Aufsammeln des ausfließenden Harzes in einer napfförmigen Vertiefung am
untern Ende der Lachte (Schwarzföhrenharzung oder österr. Methode), b) Auf-
sammlung des Harzes in der Nähe der Ausflußstelle, mittelst angehängter Gefäße
(Strandkieferharzung oder französische Methode), c) Erhärtenlassen und Abscharren
des Harzes aus der Lachte (Fichtenharzung).
2. Das Anbohren des Stammes nahe über dem Boden (Lärchenharzung).
3. Anschneiden der Harzbeulen in der Rinde (Tannenharzung).
4. Einfaches Aufsammeln des abtropfenden Harzes.
§45. b)Schwarztöliren-Harzunf?. Die Sclnvarzfölire wird vorzugsweise in
Niederösterreicli, u. zw. in der Umgegend von Mödling, Baden, Wiener-Neustadt, Pottenstein.
Pernitz, Hernstein etc., ferner aucii in Frankreich und auf Korsika zur Harzgewinnung benützt.
Der Vorgang dabei ist folgender: Die erste Arbeit ist die Herstellung des Grandels, d. i. einer
napfförmigen \ertiefung an der Südseite des Stammes, ungefähr Ya m über dem Boden, zum
.\ufsammeln des später abfließenden Harzes. Das Grandel umfaßt etwa '/i bis Ya des Stammes
und hat eine Tiefe von 7 bis 8 cm. Diese Arbeit heißt das Schroten. Zu beiden Seiten des
Grandels wird eine in schräger Richtung aufsteigende Einkerbung gemacht, woran sich die
Lachte (auch Lache, Lasche oder Plätzstreifen genannt) schließt. Diese letztere wird durch
Abdechseln der Rinde und des jüngsten 2 — 4jährigen Holzes hergestellt. Ein tieferer Eingriff
wäre zwecklos, weil das Harz nur aus dem Splinte und der Rinde ausfließt, aus dem Kernholze
aber niemals. Das Dechsel ist eine kleine gebogene Hacke mit einer 6 cm breiten Schneide,
welche zum Stiel rechtwinkelig steht, .anfänglich W"ird die Lachte nur wenige Zentimeter hoch
gemacht und dann allmählich nacli aufwärts verlängert, so daß sie nach einer Jahresperiode
die Höhe von 35 bis 40 cm erreiclit hat. Das allmähliche Verlängern der Lachte nennt man
das Plätzen. Es hat den Zweck, die Harzkanäle offen zu halten. Im ersten Jahre wird alle
8 |Tage, in den späteren Jahren alle 4 — 5 Tage einmal geplatzt. Wird diese .Arbeit in län-
geren Zwischenpausen vorgenommen, so ist der Ertrag geringer, weil sich das Harz an der
Ausflußstelle verdickt und Krusten bildet, welche den weiteren Harzaustritt verhindern. In
dieser Weise wird etwa 8 — 12 Jahre hindurch fortgefahren und die Lachte von Jahr zu Jahr
um 35 — 40 cm erhöht. Die Breite derselben bleibt aber immer gleich und darf ^/j des Stamm-
unifanges niclit übersteigen. Die Harzungsarbeit (das Plätzen) wird in der zweiten Hälfte
.\pril begonnen und bis Anfang oder Mitte Oktober fortgesetzt. Im ersten Jahre, wo die Lachte
noch keine beträchtliche Höhe erreicht hat, fließt das meiste Harz in das Grandel ab (Rinn-
harz), auf der Lachte bleibt nur wenig. Später hingegen, wenn das Harz einen längeren Weg
zurückzulegen hat, verdunstet viel Terpentinöl, das Harz verdickt sich, bleibt zum großen Teil
auf der Lachte sitzen und muß abgescharrt werden (Scharrharz). Um die V'erdunstungsober-
fläche zu verringern, läßt man das Harz nicht über die ganze Breite der Lachte herabfließen,
sondern leitet dasselbe in der Nähe der .\usflußstelle so zusammen, daß es in Form eines schma-
len Streifens in das Grandel abfließt. Zu diesem Zwecke werden von beiden Seiten schräg
gegen die Mitte der Lachte zulaufende Einhiebe (sog. Klaffen) gemacht und Holzspäne (sogen.
Scharten, N'orlegscheiter oder Leitspäne) eingesteckt, welche dem ausfließenden Harze die ge-
wünschte Richtung geben. Alle 14 Tage wird das Harz aus den Grandein ausgeschöpft und in
Bottichen, welche am Harzungsorte in den Boden vertieft sind, bis zur Weiterverwendung
aufbewahrt. Der auf der Lachte festgewordene Teil des Harzes wird im Herbste mit einem
gekrümmten Eisen abgescharrt. Zur Harzung sollen die Bäume erst 10 — 20 Jahre vor dem
Abtrieb, also im 60. — 80., keinesfalls aber vor dem 40. Lebensjahre herangezogen werden.
Stärkere Stämme werden nicht selten von zwei Seiten geharzt. Nachdem die Lachte
auf der einen Seite eine Höhe von 4 bis 5 m erreicht hat, wird sie aufgelassen und an der ent-
gegengesetzten Seite eine neue Laclite gemacht, so daß nur zwei ganz sehmale Rindenstreifen
zwischen beiden Lachten stehen bleiben.
Ueber Harzertrag, Kosten der Harzung etc. hat k. k. Oberforstrat W. Stöger,
in dem Werke ,, Geschichte der österr. Land- und Forstwirtschaft", 1899 sehr wert-
volle Angaben gemacht, aus welchen nachstehendes im Auszuge entnommen ist.
Auf den Harzertrag nehmen Einfluß: der Boden, die Jahreswitterung, die
Stärke des Stammes, die Zeit und Dauer der Harzung, sowie die Geschicklichkeit
der Arbeiter.
Handb. d. Forälwiss. 3. Aufl. II. 40
ß26 IX D. S c h w a c k h ö f e r , Forstlich-Chemische Technologie.
Der Ertrag eines Stammes nimmt um so mehr ab:
1. je seichter, trockener und durchlässiger der Boden ist,
2. je rauher das Klima ist,
3. je geringer die Stammstärke und Benadelung und je dichter der Bestandes-
schluß ist.
Der Harzertrag ist Ende Juni am höchsten und nimmt dann stetig ab bis gegen
Ende des Sommers. In den ersten 2 oder 3 Jahren, sowie auch gegen Schluß der
Harzungsperiode ist der Ertrag geringer. Bei den stärkeren Stämmen wird im 7.
bis 9., bei den schwächeren im 4. bis G.Jahre der Höchstertrag erreicht. Auch die
Qualität des Harzes ist in den ersten Jahren geringer als später. Die Harzungs-
periode geht selten unter 8 Jahre herab und steigt in der Regel nicht über 12 bis
15 Jahre. Das Plätzen darf weder bei andauernder Sommerhitze, noch auch bei
zu niederer Temperatur vorgenommen werden; beides ist nachteilig für den Harz-
ertrag und es kann selbst der Stamm eingehen; günstig für den Ertrag sind Wärme
mit abwechselnder Feuchtigkeit, freier, sonniger Standort, Süd- und Ostlagen.
Kennzeichen eines ertragreichen Stammes ist eine gelbrote Farbe des Plätzstreifens.
Die im harzungsfähigen Alter stehenden Stämme werden nach Stöger in 2
Klassen geschieden: I. Klasse über 30 cm, IL Klasse von 25 bis 30 cm Brustjahres-
durchmesser. Der Harzertrag in kg per Stamm und Jahr stellt sich während einer
10 jährigen Periode:
bei der
I. Kl.
II. Kl.
auf Konglomerat
4,3^,9
2,4—2,8
,, Dolonüt
3,3—4,2
1,4—2,6
„ Hallstädter Kalk
2,6—3,7
1,5-2,2
Das gewonnene Harz scheidet sich in Rinnharz und Scharrharz. Das Scharr-
harz enthält bedeutend weniger Terpentinöl, ist mit Holzspänen vermengt und er-
zielt daher meist nur zwei Drittel des Preises vom Rinnharz. Die Menge des Scharr-
harzes hängt zumeist von dem Flächeninhalt der Lachte ab, ferner auch von der Luft-
temperatur im Herbste. Herrscht im September und Oktober warmes Wetter, so
wird weniger Scharrharz und dafür mehr Rinnharz gebildet.
Von je 100 kg des gewonnenen Harzes entfallen auf Scharrharz
bei der
I. Kl. IL Kl.
auf Konglomerat 42,1—45,8 53,8—62,8
„ Dolomit 41,9—53,7 41,9-68,9
„ Hallstädter Kalk 28,6-60,4 31,8—58,6
Während der Harzungsdauer ergibt sich immer ein Verlust an Stämmen teils
durch Niederbruch und teils durch Vertrocknen. In Prozenten ausgedrückt stellt
sich dieser Verlust
bei der
I. Kl. IL Kl.
vom 1. bis zum 4. .Jahre auf 2 — 4 8 — 12
14_22 1
1.
bis zum 4.
5.
7
8.
j) j) '■^-
6—10
10-40.
Ueberdies werden 3% Eintrocknungsverlust des Rohstoffes beim Lagern und
5 — 6% Einsud beim Raffinieren vom Käufer in Abzug gebracht. Im Frühjahr ist
der Preis des Rohproduktes um 9 — 10 % höher als im Herbste.
Die Harze, deren Gewinnung und Verarbeitung. § 46. 627
Durch die Harzuiig erleidet der Höhenzmvachs eine Einbuße von rund 3%;
der Rindenverlust beträgt 10 — 66% und der Holzverlust 20 — 43%. Dagegen wird
das Holz knorriger und gewinnt an Qualität als Bau- und Nutzholz.
§46. c.Strandkiefor-Harzung. Die Strandkiefer gedeiht nur in wärmeren
Klimaten und wird tiauptsächlich in Frankreicli, in dem Departement „des Landes", zwischen
Bayonne und Bordeaux, wo sie größere Bestände bildet, ferner in Spanien und Portugal (Provinz
(Estremadura), sowie an den nordafrikanisclien Küsten gepflanzt. Die Harzgewinnung könnte
in der gleichen Weise geschehen, wie bei der Schwarzföhre; jedoch ist in Frankreich eine Me-
thode des Lachtenreißens 1) (System H u g u e s) in Uebung, welclie zweckmäßiger ist, als
die österreichische. Da Pinus maritima sehr schnellwüchsig ist, so ist sie schon sehr jung (mit
etwa 15 Jahren) zur Harznutzung reif, doch setzt diese in der Regel erst bei Stämmen von
25 — 30 Jahren ein, welche nach der dort bestehenden Forstordnung einen Stammurafang
von ca. 1,1 m besitzen sollen. Je nach dem Beginn der Harznutzung wird dieselbe bis zum
45. auch 80., ja sogar bis zum 125. Lebensjahre des Baumes fortgesetzt. Ende Februar oder
Anfang März wird die runzelige Rinde an jener Stelle, wo später die Lachte gemacht werden
soll, auf einer Höhe von etwa 60 cm und einer Breite von 10 — 12 cm mit einem Schabeisen
so weit verschwächt, daß der Splint nur noch mit einer dünnen, glatten, rötlich erscheinenden
Rindenschichte bedeckt bleibt. Dies hat den Zweck: 1. zu verhindern, daß Rindenstücke
in das Harzsaramelgefäß fallen, 2. die Werkzeuge bei der Herstellung der Lachte zu schonen
und 3. dem ^■erlaufen des Harzes in der rauhen, rissigen Rinde vorzubeugen.
Die zweite Prozedur, welche in die erste Hälfte März fällt, ist die Herstellung der Lachte.
Zu diesem Behufe wird an der geschälten Stelle, etwa Ya ni über dem Boden ein Einschnitt
von 10 cm Breite, 3 cm Höhe und 1 cm Tiefe gemacht. .\uf dieser Höhe sickert das Harz in
Tröpfchenform aus, wird von einem rinnenförmig gebogenen Zinkblechstreifen aufgenommen
und in den Sammeltopf abgeleitet. Letzterer ist aus glasiertem Ton hergestellt und mit einem
Nagel an dem Stamme befestigt. Sein Fassungsraum beträgt etwa K Liter. Die Blechrinne
ragt über die ganze Breite der Lachte und steht Si-i cm vor. Zur Befestigung der Blechrinne
wird mit einem geschärften Vorschlageisen eine Einkerbung gemacht, die Rinne mittelst des
sogenannten Steckeisens festgehalten und mit einem Hammer eingeschlagen. Die Lachte wird
anfänglich jede Woche, und in den späteren Monaten von je 5 zu 5 Tagen, nach oben hin auf
einer Länge von 10 — 12 cm aufgefrischt. Dabei darf immer nur eine äußerst dünne Schichte
abgenommen werden, so daß der Eingriff in den Splint 1 cm Tiefe niemals übersteigt. Diese
.Auffrischung wird im Laufe eines Jahres 40 — 45mal wiederholt und orfordert die meiste Ge-
schicklichkeit. Die Lachte erreicht dabei im ersten Jahre eine Höhe von 55 cm, im 2., 3. und
4. Jahre wird sie um je 75 und im 5. Jahre um 100 cm erhöht, so daß sie am Schluß des ö. Jahres
die Totalhöhe von 3,8 m erreicht hat. Die Breite bleibt aber immer dieselbe und soll 9 bis 10 cm
nicht übersteigen. In dem Maße, als die Lachte nach aufwärts vorrückt, wird auch die Rinne
und der Sammeltopf gehoben. Darin liegt ein entschiedener Vorzug gegenüber der österr.
Methode. Das Harz hat niemals einen langen Weg zurückzulegen, um in das Sammelgefäß
zu gelangen, es verdunstet viel w eniger Terpentinöl, man erhält weniger Scharrharz und dafür
mehr Rinnharz. .\uch ist das Harz reiner, weil die Töpfe gedeckt sind. Alle 15 — 20 Tage wird
deren Inhalt in einen Kübel entleert und in die Sammelbottiche gebracht. Das Scharrharz
wird zweimal im Jahre und zwar im Juni und November eingesammelt. Auf ein Faß Rinnharz
(gemme) =235 kg dürfen nicht mehr als 50 kg Scharrharz (barras) entfallen, d. s. 17,9% der
Gesamtproduktion, gegen ca. 50% bei der österr. Methode.
Bezüglich des weiteren Verlaufes der Harzung unterscheidet man zwei .Arten: 1. gem-
mage ä mort und 2. gemmage ä vie. Das erste \erfahren wendet man bei solchen Stämmen
an, welche entweder behufs Lichtung gefällt werden müssen, oder welche schon am Ende der
Nutzungsarbeit stehen. Da es unter diesen Umständen angezeigt ist, so viel Harz als möglich
zu gewinnen, so werden je nach der Stärke des Stammes 2 — 6 Lachten gleichzeitig in Angriff
genommen.
Das zweite Verfahren wird nur bei jenen Bäumen in .Anwendung gebracht, welche man
eine Reihe von Jahren hindurch nutzen will. Zu diesem Zwecke darf niemals mehr als eine
Lachte auf einmal geöffnet werden. Wenn nach Verlauf von 5 Jahren die erste Lachte eine
Höhe von 3,8 m erreicht hat, läßt man den Baum mehrere Jahre hindurch ausruhen. Sodann
wird in einem .Abstände von 15 — 20 cm von der aufgelassenen Lachte eine neue geöffnet, wieder
5 Jahre geharzt und so weiter verfahren, bis der Rundgang um den ganzen Stamm gemacht ist.
Ueber die .Ausbeute pro Stamm und Jahr sind in der vorzitierten .Abhandlung präzise
Angaben nicht zu finden; es heißt nur, daß in den jüngeren (30 — 35jährigen) Beständen 240
und in den älteren (40 — 70jährigen) 450 kg Harz pro Hektar und Jahr gewonnen werden. Von
anderer Seite wird die jährliche Ausbeute pro Stamm im .Mittel von jüngeren Bäumen mit
1) Den Grundzügen nach entnommen aus der Notice sur le gemmage du pin maritime
par M. Croizette Dcsnoyer, garde g^nferal de forets; übersetzt vom Forstmeister W. Stöger
in den Mitteilungen d. n. ö. Forstvereins II. Heft 1886.
40*
ß28 IX D. S c h w a c k h ö f e r , Forstlich-Chemisclie Technologie.
etwa 3 kg, bei 60 — 70jälirigen Stämmen mit 6 — 8 kg angegeben, welclier Ertrag sich bei der
gemmage ä mort bis zu 11 kg steigern kann.
In Spanien und Portugal wird die Seestrandkiefer nach tinem N'erfahren genutzt, das
ungefähr die Mitte zwischen der österreichischen und französischen Jlethode hält. Breite Lach-
ten, von denen das Harz über ein Traufblech in ein Gefäß abrinnt, charakterisieren kurz diese
Methode.
§ 47. d. Fichten-Harzung. Die Fichte ist zwar sehr verbreitet, wird aber ihrer
geringen Ergiebigkeit wegen doch nur noch selten geharzt. Die Harzgewinnung beschränkt
sich hauptsächlich auf einige Distrikte in Böhmen, sowie im Thüringerwald und im Großherzog-
tum Baden (Schwarzwald).
Das Ficlitenharz hat die Eigenscliaft, an der Luft sehr bald fest zu werden. .\uf ein frei-
williges .abfließen aus der Lachte sowie bei der Schwarzföhre oder Strandkiefer ist hier nicht
in dem Maße zu rechnen, und muß daher eine andere Gewinnungsmethode befolgt werden.
Im Mai oder Juni werden gleichzeitig 2 Lachten von je 1 — 1 % m Höhe und 3 — 6 cm Breite
an den entgegengesetzten Seiten des Stammes aufgerissen. Die Lachten werden mit einem
eigenartig gekrümmten Messer scharfkantig ausgeschnitten und reichen bis in den Splint. Sie
sollen unten spitz zulaufen, damit kein Wasser in denselben stagnieren kann. Im Laufe des
ersten Jahres überziehen sich die bloßgelegten Stellen mit Harz, welches allmählich erhärtet
und im Juli des nächsten Jahres abgescharrt wird. .\n den Lachtenrändern bildet sich mit
der Zeit eine UeberwalUmg, welche den Harzaustritt beeinträchtigt und endlich ganz verhin-
dern würde. Es müssen daher alle 2 — 3 Jahre die Lachtenränder erneuert werden, eine .\rbeit,
welche man das Flußscharren nennt. In einigen Gegenden wird das Flußscharren jährlicli
vorgenommen und die Lachte dabei immer imi einige Zentimeter erweitert, so daß nach einer
Reihe von Jahren nur mehr zwei schmale Rindenstreifen zwischen den beiden Lachten stehen
bleiben. Die Erneuerung der Lachtenränder soll im Sommer vorgenommen werden, damit
sich dieselben noch vor EintriU des Winters mit Harz überziehen können und der Stamm
dadurch geschützt ist. An anderen Orten macht man zuerst zwei schmale Lachten, nach zwei
Jahren werden diese aufgelassen und zwischen denselben zwei neue Lachten gerissen usw.,
so daß auch hier schließlich nur mehr ganz schmale Rindenstreifen zwischen den einzelnen
Lachten stehen bleiben. In der Regel wird die Harzung 10 — 15 Jahre hindurch fortgesetzt.
Die Ausbeute pro Stamm und Jahr beträgt im Mittel 0,5 kg Baum- oder Bruchharz und 0,2 kg
Fegespäne, sogen. Pickliarz.
Das aus der Lachte ausgescharrte Harz ist am reinsten, während das über die Lachte
herabgeflossene, sowie das beim Flußscharren gewonnene stets verunreinigt und daher gering-
wertiger ist.
Aus der im Vorhergehenden angeführten Beschreibung der praktisch geübten
Methoden der Harznutzung durch das sog. Lachtenreißen ergibt sich ohne weiteres,
daß ein großer Teil (bis zu 50 °o) gerade der wertvollen, leicht flüchtigen Bestand-
teile des Harzes (das Terpentinöl) durch Verdunsten verloren geht. Zudem kommt
noch, daß die durch die Lachten erzeugten Wunden des Baumes nur schwer oder
auch gar nicht heilen und das freigelegte Holz leicht, infolge Austrocknung, Risse
erhält, in denen sich tierische und pflanzliche Parasiten ansetzen, zum Schaden des
Baumes.
Dr. H. Mayr hat daher, um diesen LTebelständen möglichst aus dem Wege zu gehen, ein
Verfahren in Vorschlag gebracht, das für alle Holzarten, welche durch Lachtenreißen auf Harz
genutzt werden können, gleich gut anwendbar sein soll und das nur der Erprobung durch die
Praxis harrt.
Nach diesem Verfahren wird der Baum, an seiner Südostseite, im Frühjahr, etwa 30 cm
über dem Boden, mittelst eines Zentrumbohrers schräg aufwärts ansteigend bis ins Holz an-
gebohrt. Von diesem Loche aus wird mit einer \xl ein ca. 50 cm langer Einschnitt bis zum
Cambium geschlagen und zu beiden Seiten dieses Schnittes die Rinde mittelst des, beim Schälen
der Fichte üblichen, Schäleisens in Herzform vom Holze losgelöst, ohne hiebei aber die Rinde
zu zerreißen. Etwaige Weichholzpartien, zwischen Rinde und Holz, werden bei dieser Prozedur
abgeschabt. Durch Einschieben Aförmig gefalteter Blechstreifen, welche durch entsprechendes
Biegen dem Stammumfange angepaßt werden können, wird ein Verwachsen der Rinde mit
dem Holze vermieden und durch die schräg nach außen und unten gerichtete Stellung der
Blechstreifen, das austretende Harz gegen die Peripherie und nach der Spitze der Herzform
geleitet. Dort wird das Harz beiderseits von nach aufwärts gerichteten V-Blechrinnen auf-
genommen und einer in das Bohrloch eingeführten, halbrunden Blechrinne zugeführt. .\us'
dieser tropft es in ein knapp unter der Rinne angebrachtes Gefäß, welches, um Verdunstung
des Terpentinöles und Verunreinigung des Harzes möglichst zu vermeiden, mit einem klein-
gelochten, trichterförmigen Deckel verschlossen ist. Durch die eingeschobenen Blechstreifen
wird die Rinde ausgepuckelt und so das Regenwasser, eventuell noch durch Zielien entsprechen-
Die Harze, deren Gewinnung und Nerarheitung. § 49. ß29
der Hilleu in der Rinde, aiigeleitet. I!ei starlv liorliigen Kielern, Lurchen oder Duuglastannen
wird man dureli ,.Anrö(en" die Rinde für diese Metliode genügend elastiseli niaclien.
In jedem weiteren Nulzungsjalire wird diese, natürlicli gedeckte I.aclite in gleicher Weise
nach oben verlängert und das Sammelgcf;U3 nachgerückt, während die aufgelassenen Partien
durch Festnageln der Rinde relativ rascli der Heilung zugeführt werden, ohne stark zu ver-
kiencn.
§ 48. e) L ä r c li e n - H a r z u n g. Die Lärche ist der Harzl)aum Südtirols und der
italienischen .Vlpen. Diese Harzung wird vornehmlicli in der Umgeliung von Bozen, Meran
und Trient, in Mals, ferner um Brieangon und im Tale St. Martin betrieben.
Der Haufilsitz des Harzes befindet sich bei der Lärche im Kernholze. Nach W i c s n e r
sind in den Markstrahlen der Lärche zwei liarzführende Interz(>IIularräume vorhanden. Der
Lärchenschafl ist sehr häufig kernschälig und zuweilen auch froslrissig. In diesen Spalten
des Holzkörpers samniell sich das Harz. Um dasselbe zu gewinnen, werden die Stämme im
Frühjahr etwa V3 m über dem Boden in etwas schräg nach aufwärts steigender Richtung an-
gebohrt. Das Bohrloch hat ca. 3 cm Lichte, reicht bis in das Zentrum und wird mit einem
Hnlzstöpsel verschlossen. Bis zum Herbst füllt sich die Bohröffnung mit Harz, welches sodann
mit Hilfe eines halbzylindrischen Hohleisens (Räumer), ausgestochen wird, wobei man den
ganzen Harzzylinder herauszieht und die Oeffnung wieder verstopft. Ein einziges Bohrloch
genügt für die ganze Harzungsdauer, welche bis zu 30 Jahren ausgedehnt werden kann. Die
Bäume sollen mindestens 80 Jahre alt sein, bevor sie zur Harzung benützt w-erden. Bäume mit
starker Borke geben erfahrungsgemäß die beste .'Vusbeute. Der Harzertrag ist vor allem davon
abhängig, ob durch das Anbohren eine oder mehrere Harzspalten getroffen wurden oder nicht;
ferner auch davon, ob in einer Periode nur einmal oder ob mehrmals das Harz ausgestochen
wird oder ob, wie es in manchen Gegenden Brauch ist, das Bohrlocli etwa vom Frühjahr bis
zum Herbst offen bleibt. Die Ausbeute variiert dann von 0,1 bis über 0,5 kg per Stamm und
Jahr. Bei einzelnen starken Stämmen und offengehaltenem Bohrloch soll der Harzertrag bis
zu 4 kg steigen. Das feinste Harz ist das ausgestochene; das bei offenem Bohrloche frei aus-
laufende Harz ist unreiner und enthält auch weniger Terpentinöl, dafür ist aber das quanti-
tative Erträgnis ein bedeutend höheres. Trotz der durchschnittlich doch nur geringen Aus-
beute ist die Lärchenharzung doch rentabel, weil sie sehr wenig .-\rbeit erfordert, das Harz
hoch im Preise steht und die Stämme keinerlei \erunstaltung erfahren.
Alle anderen europäischen Harzbäume sind, wie schon erwähnt, von untergeordneter
Bedeutung. Die Tanne ist im allgemeinen ein harzarmer Baum und wird nur im Elsaß und
auch dort nur noch vereinzelt auf Harz genutzt. Der Hauptsitz des Harzes ist in der I^inde,
wo Harzbeulen entstehen, die man durch .Anschneiden öffnet imd das ausfließende Harz in
eigens geformten Gefäßen aufsammelt. Durch .Anschneiden der Rinde wird in den Karpathen-
ländern aus der Zirbelkiefer, ferner in Galizien und in Rußland aus der Kiefer (Weißföhre)
Harz gewonnen. Das von der Krumholzkiefer, sowie von jungen Fichten und Föhren abtropfende
Harz wird in Gestalt von kleinen Körnchen einfach am Waldboden gesammelt.
Das Schwarzföhren-, Strandkiefer- und Fichtenharz gehören zu den gemeinen Terpen-
tinen. Die beiden ersteren sind halbflüssig und scheiden bei längerem ruhigen Stehen einen
kristallinischen Bodensatz von .Abietinsäure ab, über welchem die klare, gelb bis rotbraun
gefärbte, honigdicke Flüssigkeit steht. Beim Strandkieferharz ist der weitaus größte Teil
flüssig und klar; beim Schwarzföhrenharz hingegen der größere Teil kristallinisch. Das Fichten-
harz ist fest, halbweich und gelb bis braun gefärbt.
Lärchen- und Tannenharz zählen zu den feinen Terpentinen; sie sind, abgesehen von
mechanischen Verunreinigungen (hauptsächlich Lui'tbläschen imd Wassertröpfchen), klar, frei
von kristallinischen Ausscheidungen. Das Lärchenharz ist dickflüssig und geht unter der
Bezeichnung ,,venetianischer Terpentin" in den Handel; das Tannenharz ist dünnflüssiger
und führt den Namen ,, Straßburger Terpentin". Diese beiden besitzen einen sehr angeneh-
men, terpenlinartigen, an Zitronen erinnernden Geruch und bitteren Geschmack. An der Luft
wird der Straßburger Terpentin rascher fest als der venetianische.
Nebenbei sind noch das W u r z e 1 p e c h und das Ueberwallungsharzzu nennen,
welche beide zum geuu'inen Harz gehören. Ersteres findet sich in Form von Platten zw'ischen
Rinde und Holz dicker Wurzeläste der Fichte und wird in einzelnen Gegenden Böhmens ge-
sammelt. Es ist hart, spröde und von schwefelgelber Farbe. Das Ueberwallungsharz wurde
zuerst von W'iesner studiert. Es bildet sich an den Wundstellen verletzter Nadelhölzer aus
dem Narbengewebe. Das Ueberwallungsharz der Schwarzföhre besteht aus dünnen Krusten
oder knollenförmigen, mehrere Zentimeter großen Stücken, von bernsteinartigem .\nsehen.
Jenes von der Fichte ist konglomeratartig, weiß, gelb bis braun. Das Lärchenüberwallungsharz
bildet halbkugel- oder plattenförmige Stücke von bernsteingelber F'arbe. Es erhärtet wegen
seines hohen Gehaltes an Terpentinöl nur sehr langsam.
3. Verarbeitung der Harze.
§ 49. Das Rohharz findet als solches nur beschränkte Verwendung; es dient
hauptsächhch nur für medizinisclie Zwecke, zur Herstellung von Verbandstoffen
630 IX D. S c h w a c k h ö f e r , Forstlich-Chemische Technologie.
und Pflastern. Die weitaus größte Menge des Rohharzes wird auf Harzprodukte
verarbeitet. Die wichtigsten derselben sind : Terpentinöl und Kolophonium.
Aus letzterem werden sodann durch trockene Destillation verschiedene Harzöle
hergestellt. Wird das Terpentinöl ganz abdestilliert, so verbleibt im Rückstand
Kolophonium. Wird hingegen nur ein Teil des Terpentinöles abgetrieben, so hinter-
bleibt eine dickflüssige Masse, welche als gemeiner Terpentin in den Handel geht.
In den primitiv eingerichteten Pechhütten wird die Destillation in kupfernen
Kesseln mit abnehmbarem Helm über freiem Feuer vorgenommen. Um das Ter-
pentinöl leichter zu trennen, wird in das geschmolzene Harz Wasser eingerührt, wel-
ches beim Verdampfen das Terpentinöl mit fortreißt. Die Destillationsprodukte
werden durch einen Kühler geleitet und in einer Vorlage (nach Art der Florentiner-
flaschen) aufgesammelt, wo sich das Terpentinöl vom Wasser trennt. Nachdem das
Terpentinöl abgetrieben ist, verbleibt im Kessel das sogenannte Wasser harz
oder W ei ß p e c h. Dasselbe enthält noch eine beträchtliche Menge Wasser in Form
sehr kleiner Tröpfchen und bildet beim Erstarren eine trübe, hellgelb bis braun
gefärbte Masse. Es dient zum Leimen des Papiers und als Dichtungsmittel für
Fässer, aber nicht als Brauerpech. Um Kolophonium daraus darzustellen, muß das
Wasser vollständig verdampft werden. Zu diesem Behufe wird der Helm abgenom-
men und der Kesselinhalt so lange erhitzt, bis er durchsichtig geworden ist. Sodann
hebt man den Kessel aus dem Feuerherd heraus und gießt das Kolophonium durch
Draht- oder Strohhürden in Fässer oder Kisten. Die mechanisch beigemengten
Verunreinigungen, namenthch Holzspäne und Rindenstücke, bleiben auf den Hürden
zurück. Die schwereren, erdigen Verunreinigungen finden sich in der Schmelze als
Bodensatz, welcher separat ausgestoßen und, wenn eine größere Partie vorhanden
ist, durch Umschmelzen und Abseihen gereinigt wird.
Dieses Verfahren eignet sich nur zur Erzeugung von ordinärem, dunkelgefärbtem
Kolophonium, weil die Erhitzung des Kesselinhaltes eine sehr ungleichmäßige ist.
An den überhitzten Kesselwänden wird immer ein Teil des Harzes zersetzt und die
ganze Masse dadurch trüb und tief dunkelbraun gefärbt. Ueberdies ist auch die
Ausbeute an Terpentinöl eine geringere.
Bei rationeller Arbeit wird das Rohharz zunächst geschmolzen und durch ein
Sieb filtriert. Das Filterreservoir ist doppelwandig für die Dampfheizung und mit
einem aushebbaren Siebeinsatze versehen. Es ist mit dem Destillierkessel durch ein
Rohr verbunden, so daß das filtrierte Rohharz im warmen flüssigen Zustande direkt
in den Destillierkessel gelangt. Derselbe ist aus Eisenblech hergestellt , mit einem
Dampfmantel und überdies auch noch mit direkter Dampfeinströmung versehen.
Der Boden ist trichterförmig vertieft, damit das Kolophonium leicht und vollständig
abgelassen werden kann. Die Destillation wird am vorteilhaftesten unter Druck-
verminderung vorgenommen, welche ein Dampfstrahlgebläse bei der Einmündung
des Helmrohres in den Kondensator veranlaßt. An Stelle des Schlangenkühlers
ist ein Kondensator mit mehreren ineinander gesteckten zylindrischen Einsätzen
angebracht, zwischen denen das Kühlwasser zirkuliert. Vorlauf und Hauptdestillat
können separat aufgesammelt werden. Mit Hilfe dieser Vakuum-Einrichtung wird
nicht nur die Filtration des Rohharzes wesentlich beschleunigt und das Einfüllen
in den Kessel erleichtert, sondern auch die Ausbeute an Terpentinöl erhöht und ein
reineres Produkt erhalten, weil die Destillation bei niedrigerer Temperatur erfolgt.
Die Ausbeute an Terpentinöl und Kolophonium ist sehr verschieden, je nach
der Abstammung und Qualität des Rohharzes. Gewöhnlich werden zwischen
15—30% Terpentinöl und 65—75% Kolophonium erhalten; 5 bis 10% sind Ver-
Die Harze, deren Gewinnung und Verarbeitung. § 52. 631
unreinigungen (Wasser, Rindenstücke, erdige Teile etc.) und Verlust. Nach der Aus-
beute an Terpentinöl nehmen die in Europa gewonnenen Harze folgende Rangord-
nung ein: Tannen-, Lärchen-, Strandkiefer-, Schwarzföhren- und endlich Fichten-
harz als das ärmste.
4. Harzppodukte.
§ 50. a. Das Terpentinöl besteht aus einem Gemenge von Kohlenwasserstoffen;
der Hauptbestandteil ist das Pincn Ci„H,8. Im rohen Produ]<t, welches durch Destillation
über freiem Feuer erhalten wurde, finden sich auch Zersetzunpsprodukte des Kolophoniums
(Retinnaphta C;Hg, Siedepunkt 108», Relinyl C^H,,, Sdpt. 150°, Retinol CgHs, Sdpt. 180» C.),
ferner Harzsäuren etc. Um das Oel zu reinigen, wird es mit Kalkwasser vermischt und noch-
mal mit Dampfheizung destilliert (rektifiziert). .\ber auch das so gereinigte Oel besitzt je
nach seiner .Abstammung noch verschiedene Eigenschaften.
Frisch dargestellt ist das Terpentinöl farblos, dünnflflssig und von eigentümlichem Ge-
ruch. Das französische Oel riecht nach Wachholder, das amerikanische kolophoniumarlig.
Die Dichte bei gewöhnlicher Temperatur variiert von 0,855 — 0,886. Es polarisiert teils nach
rechts und teils nach links. Der Siedepunkt liegt zwischen 150 und 165° C. ; trotzdem verdun-
stet es aber doch schon bei gewöhnlicher Temperatur ganz merklich. Der restierende Teil
nimmt Sauerstoff aus der Luft auf und bildet sich ein .\ldehyd (CjoHjjOj) von scharfem Ge-
ruch. Bei weiter fortschreitender Oxydation verdickt es sich, wird nach und nach ganz fest,
spröde, kolophoniumartig, schwach gelb und zeigt eine saure Reaktion. Der absorbierte Sauer-
stoff wird in Ozon verwandelt und leicht auf andere Substanzen übertragen, so daß das Ter-
pentinöl in Lack- und Firnisanstrichen nicht nur als \'erdünnungsmittel, sondern auch als
Oxydationsmittel wirkt. Durch die Gegenwart von Wasser wird die Oxydation beschleunigt.
Terpentinöl und seine Dämpfe sind leicht brennbar und verbrennen mit roter, stark rußender
Flamme. Terpentinöl ist in Wasser unlöslich, dagegen löslich in Alkohol, Aether, Schwefel-
kohlenstoff, Benzol, Petroleumäther etc. Unter der Einwirkung von Sonnenlicht und Luft
resp. Sauerstoff bildet sich aus feuchtem Terpentinöl Pinolhydrat CjpHjeO,, ein je nach den
angewendeten Lösungsmitteln in Blättchen oder Nadeln kristallisierender Körper, welcher
auch in einigen Pinusarten vorgefunden wurde. Mit Chlorwasserstoffgas gibt es eine weiche,
knetbare \'erbindung CjdHjjHCI — Pinenhydrochlorid — , aus welcher, wie schon erwähnt,
der künstliche Kampfer erzeugt wird.
Terpentinöl ist ein gutes Lösungsmittel für viele Harze, Wachs, Fette, Kautschuk, Schwefel
und Phosphor. In der Industrie findet es vielfache Verwendung, namentlich zur Lack- und
Firnisbereitung. In der Medizin dient es für innerlichen und äußerlichen Gebrauch. Nicht
selten benützt man das Terpentinöl auch als N'erfälsehungsmittel für diverse ätherische Oele.
§ 51. b. Das Kolophonium zeigt je nach der Art der Darstellung sehr verschie-
dene Eigenschaften. Es ist entweder vollkommen durchsichtig, durchscheinend oder fast
undurchsichtig. Das Klarwerden der geschmolzenen Masse basiert auf der Umwandlung der
kristallisierten Abietinsäure in das amorphe .\nhydrid derselben. Die Farbe geht von blaß-
gelb, goldgelb, rotgelb durch alle .Nuancen bis in tief dunkelbraun, fast schwarz. Auch bezüg-
lich der Härte des Kolophoniums gibt es verschiedene Abstufungen. Manche Sorten sind so
weich, daß sie den Eindruck mit dem Fingernagel annehmen; die meisten hingegen besitzen
eine solche Härte, daß sie erst mit Eisen geritzt werden können. Das harte Kolophonium
ist fast geruch- und geschmacklos, glasartig glänzend, sehr spröde, läßt sich leicht pulvern.
Bei 70° C. wird es weich, zwischen 100 und 135° C. schmilzt es. Das spezifische Gewicht beträgt
1,015 — 1,108 bei 15» C. Hinsichtlich der Lösliclikeit steht das Kolophonium ungefähr auf glei-
cher Stufe wie das Harz. Nach den Untersuchungen von Perrenaud enthält das amerikanische
Kolophonium aus dem Stammharze von Pinus strobus und P. picea, sowie jenes aus dem Wurzel-
harze von P. sylvestris Abientisäure, während das Kolophonium aus dem Staramharze von
P. sylvestris und aus dem Galipol Pimarsäure enthält.
Das Kolophonium als solches dient zur Kitt-, Siegellack- und Firniserzeugung, als Geigen-
harz, zur Herstellung von Harzseifen und Brauerpech; ferner werden, w-ie schon erwähnt,
verschiedene Harzöle daraus dargestellt.
Besondere Erwähnung verdienen die beiden letztgenannten Produkte, da deren Her-
stellung mit der Harzgewinnung unmittelbar zusammenhängt und die eigentliche Harzindustrie
bildet.
§ 52. c. Das Brauerpech dient zum Auspichen der Bierfässer. Der innere Pech-
überzug ist notwendig, um das Faß vollkommen zu dichten, dem Austreten der Kohlensäure
und Eindringen der Luft vorzubeugen und ferner eine gründliche Reinigung vornehmen zu
können. In einem unausgepichten Fasse würde das Bier in das Holz eindringen und einen
Holzgeschniack annehmen. Beim .\usschmelzen des alten und Ersatz desselben durch neues
Pech wird hingegen eine so gründliche Reinigung erzielt, wie sie auf anderem Wege gar nicht
zu bewerkstelligen ist. Das Kolophonium als solches ist zum .\uspichen nicht ohne weiteres
geeignet, weil es zu spröde ist und von den Faßwänden abspringt. Um es geschmeidiger zu
632 IX D. S c h w a c k h ö f e r , ForsUicli-Chemisclie Technologie.
machen, wird es mit gewissen Zusätzen versehen imd dieses Produl<t lieißl Brauerpech. Als
Zusätze werden Harzöl, Leinöl, Koltonöl, Paraffin, reiner Preßlalg und dgl. verwendet und
zwar in einer Menge von etwa 8 — 10%. Das Kolophonium wird in einem offenen Kessel ge-
schmolzen und der Zusatz eingerührt, so daß eine gleichmäßige Mischung entsteht. Die Fabri-
kation ist also sehr einfach.
Gutes Brauerpech muß nahezu geruch- und geschmacklos sein, der Schmelzpunkt soll
zwischen 40 — 50" C. liegen; es darf beim Schmelzen nicht schäumen und nach dem Erkalten
weder zu weich noch zu spröde sein. In 4°'ciigem Weingeist muß es unlöslich und in absolutem
.\lkohol vollständig löslich sein. Der Aschengehalt darf 0,3% nicht übersteigen. Die Farbe
ist verschieden von goldgelb bis tiefbraun und an sich bedeutungslos, nur dürfen Farbstoff-
zusätze nicht vorhanden sein. Die hellen Pechsorten sind in der Regel ganz durchsichtig (sog.
Transparentpech), die dunkleren durchscheinend bis undurchsichtig. Doch ist auch diese
Eigenschaft für den Gebrauchswert gleichgültig; das wichtigste ist, daß das Pech keinen Geruch
oder Geschmack an das Bier abgibt, was sich durch eine ganz einfache Probe konstatieren läßt.
Zwei oder drei gut gereinigte und vollkommen ausgetrocknete Bierflaschen werden im ange-
wärmten Zustande mit Pech ausgegossen, so daß nur eine ganz dünne Schichte desselben an
der Glaswand haften bleibt. Nach dem Erkalten werden diese Flaschen mit geschmackreinem
Bier gefüllt, verkorkt und mehrere Tage bei Zimmertemperatur oder im Eiskasten stehen
gelassen. Da hier eine relativ große Pechoberfläche mit dem Bier in Berührung kommt, so
läßt sich bei der Kostprobe schon nach 3 oder 4 Tagen jeder, auch der geringste Geruch- oder
Geschmacksfehler deutlich erkennen. Des Vergleiches wegen muß auch immer eine Probe
desselben Bieres in einer nicht ausgepichten Flasche mit in Beobachtung genommen werden.
§ 53. d. Als Harzöle bezeichnet man mehrere ölarlige Flüssigkeiten, welche durch
trockene Destillation aus Kolophonium erhalten werden.
Die Destillationseinrichtung bestand früher aus einem gußeisernen Destillierkessel von
zylindrischer Gestalt mit schalenförmig vertieftem Boden, gewölbtem Deckel mit Abzugrohr
(Rüssel) für die Oeldämpfe, welches mit einem Schlangenkondensator verbunden ist. Die
Heizung erfolgte mit direktem Feuer, wozu man neben Kohle und eventuell Holzabfällen auch
die Destillationsgase mit verwendete.
Heute Avird in allen rationell arbeitenden Fabriken die Destillation des Kolo-
phoniums in Apparaten ausgeführt, welche entweder ausschließlich mit Dampf
(direkt oder indirekt), auch überhitztem Dampf, oder mit Dampf und Feuergasen
geheizt werden. Die Destillationsgase werden aus dem Apparat abgesaugt und mit
als Heizmaterial verwendet, wodurch sie erstens einmal für die Nachbarschaft un-
schädlich gemacht werden, dann aber auch eine nicht zu unterschätzende Brennstoff-
ersparnis erzielen lassen. Die Apparate sind für periodischen oder kontinuierlichen
Betrieb und zur Vorwärmung des Kolophoniums, sowie zur Fraktionierung und
Rektifikation der Destillationsprodukte eingerichtet.
Von Krämer und Flammer wurde ein Apparat konstruiert, in welchem die Destil-
lation durch überhitzten Dampf, Feuergase und Vakuum betrieben wird, durch welch
letzteres eine raschere Destillation und bessere Qualität der Produkte erzielt wird,
weil man mit geringeren Temperaturen das Auslaugen findet. Die Einrichtung der
Dampfdestillations-Anlagen stimmt dem Wesen nach mit der für direkte Feuerung
überein. Sie besteht somit aus Destillierblasen und Kondensiervorrichtungen, welche
aber je nach der Art der Feuerung, Durchführung des Betriebes und Qualität der
Produkte etc. entsprechend ausgestattet sind ^).
Die Vorteile der Dampfdestillation lassen sich kurz folgendermaßen zusammen-
fassen :
1. Einfacher und rationeller Betrieb.
2. Präzise Temperatur-Regulierung.
3. Hohe Quaütät der Produkte.
4. Rasche Destillation.
5. Leichte Ueberwachung des Ganges der Destillation.
6. Vermeidung von Feuers- und Explosionsgefahr.
7. Schonung der Destillierapparate.
1) Näheres in: An d 6s, Die Harzprodukte, Seh weize r, Die Destillation der Harze u.a.
Die Harze, deren Gewinnung und Verarbeitung. § 53. 633
Behufs Durcliführiing der Destillation \\urde bei den alten Apparaten mit
Feuerkochung das Kolophonium durch die Füllöffnung in den Destillierkessel, bis
zu ^/4 max. ^/s von dessen Fassungsraum, eingebracht und zunächst bei offenem
Mannloch geschmolzen, um ein starkes Schäumen und Steigen der Masse beobachten
und nötigenfalls durch Abschöpfen verhindern zu können. War die Masse in ruhi-
gem Fluß (ca. 140 " C), so wurde das Mannloch verschlossen und mit der Destilla-
tion begonnen.
Bei den Apparaten mit Dampfheizung wird das Kolophonium im Vorwärmer,
welcher mit der unter ihm liegenden Destillierblase durch ein Rohr in Verbindung
steht, durch Anheizen des ganzen Apparates geschmolzen und in diesem Zustande
dem Destillierkessel nach Bedarf zugeführt.
Der Beginn der Destillation des Harzes gibt sich durch ein eigentümlich pras-
selndes Geräusch zu erkennen, hervorgerufen durch den Wasserdampf, welcher sich
aus dem dem Harze anhaftenden Wasser bildet und durch die flüssige Masse Bahn
bricht.
Zuerst gellt bei einer allmählich bis zu 270" C. ansteigenden Temperatur der sogenannte
Vorlauf über, d. i. Sauerwasser mit Pinolin. Ist der Vorlauf zu Ende, so wird die Temperatur
gesteigert und es beginnt die Oeldestillation. Das von etwa 290° C. aufwärts übergehende
Oel ist trüb, dunkelbraun und besitzt einen scharfen, durchdringenden Geruch. Nach dem
trüben Oel folgt klares, wasserhelles bis schwach gelbgefärbtes Oel von mildem, angenehmem
Geruch, ,,sog. Mittel- oder Blondöl". Bei fortgesetzter Temperaturerhühung folgt das Blauöl
und schließlich, über 350 — 360» C, das Grünöl. Im Destillierkessel verbleibt ein koksartiger
Rückstand.
Die .\usbeuten betragen:
e — 8% Vorlauf
4 — 5% trübes Oel
50 — 55% helles Oel
15 — 20% Blauöl
6 — 7% Grünöl
Das auf 100 fehlende ist Koks und sind die Gase, welche entweichen.
Der \' 0 r 1 a u f besteht ungefähr zur Hälfte aus Sauerwasser und zur Hälfte aus leich-
tem Harzöl (Pinolin). Ersteres enthält verschiedene organische Säuren, vornehmlich Essig-
säure, wird aber in der Regel nicht weiter verwertet. Beim Stehenlassen scheidet sich das
leichte Oel an der Oberfläche ab und wird durch .abziehen vom Sauerwasser getrennt. Das
Rohpinolin ist braun gefärbt und riecht sehr unangenehm. Behufs Reinigung wird es mit
Natronlauge gemischt, um die Säure zu neutralisieren, sodann mit Wasser gewaschen und noch-
mals destilliert. Um ein ganz reines Produkt zu erhalten, muß die Destillation mit direkter
oder indirekter Dampfheizung geschehen und wird zuweilen auch Holzkohle zugegeben, welche
den Rest der unangenehm riechenden Beimengungen aufnimmt. Derartig raffiniertes Pinolin
ist wasserhell, riecht mild aromatisch, besitzt eine Dichte von 0,860 — 0,900 und steht in sei-
nem Gebrauchswert auf gleicher Stufe mit dem Terpentinöl. Es kommt unter der Bezeich-
nung „Harzsprit" oder ,, Harzessenz" in den Handel.
Das zweite Produkt „das trübe Oel" ist ein Gemisch von Harzöl mit Vorlauf.
Eine scharfe Trennung dieser beiden ist bei der erstmaligen Destillation jedoch nicht möglich.
Auch bleibt bei der Rektifikation des Pinolins mit Dampfheizung immer etwas Harzöl im Rück-
stande. Bei der .\ufarbeitung wird dieses Gemisch mit Lauge und Wasser gewaschen und dient
dann entweder für sich allein oder mit Blauöl gemischt zur Wagenfetterzeugung oder zur Be-
reitung von Kalkseife.
Das dritte Produkt, das helle Oel oder Blondöl ist das wertvollste und wird
auch in größter Jlenge erhalten. Es kann schon im rohen Zustande zur Wagenfetterzeugung
und als Schmieröl verwendet werden; vorteilhafter ist es aber, dasselbe einer Raffination
zu unterziehen, wodurch sein Gebrauchswert bedeutend erhöht wird.
Das rohe Blondöl muß im frischen Zustande, womöglich unmittelbar nach der Destil-
lation, raffiniert werden. Zu diesem Zwecke wird das Rohöl zunächst mit heißem Wasser
gewaschen, nach Scheidung der beiden Schichten abgezogen, durch Einleiten von direktem
Dampfe zum gleichmäßigen .\ufwallen gebracht -und so viel Natronlauge zugesetzt, als zur
vollständigen Hindun;; der Harzsäure notwendig ist. Sobald die ^■erseifung (resp. Entharzung)
erfolgt ist, was man an der Klärung und scharfen Trennung des Oeles in einer herausgenom-
menen Probe erkennt, muß die Waschflüssigkeit sofort abgezogen werden, da sich sonst wieder
etwas von der Seife löst und das Oel dunkel färbt. Es wird mit Wasser, unter Zuhilfenahme
von direkter Dampfeinströraung, wiederholt gewaschen und sodann in den O.xydationsapparat
534 IX D. S c h w a c k h ö f e r , Forstlich-Chemische Technologie.
abgelassen. Hier wird das Oel in einer 80 bis 100 cm hohen Schichte durch Einblasen von Luft,
unter gleichzeitigem Anwärmen, mehrere Stunden hindurch oxydiert, wobei es den blauen
Schimmer verliert. Ein Zusatz von 10 — 15% Salzwasser während des Oxydationsprozesses
ist vorteilhaft, weil dieses die entstehenden Brandharze aufnimmt. Das raffinierte Oel ist harz-
frei, vollständig blanl<, blaßgelbgrün und nahezu geruchlos. Die Fluoreszenz ist aber nicht
ganz wegzubringen. Das Rohöl fluoresziert blau und das raffinierte grün. Die Dichte ist bei
15° C. = 0,960 — 0,965; der Flammpunkt liegt bei 135 — 140» C; der Brennpunkt bei 180 — 185.
Bei 300° G. destilliert es fast vollständig über. Es trocknet rasch, riß- und klebfrei und findet
vielfache Verwendung zur Firnis- und Lackfabrikation, namentlicli zur Herstellung von Drucker-
schwärze, Eisenlack, Holz- und Mauerglasur, (ferner als Schmiermittel, zur Herstellung von
Ledersalbe, medizinischen Salben, künstlichem Tran, zur Erzeugung von Linoleum, Isolier-
massen für elektrische Leitungen, als Zusatz für Brauerpech, Seife und Parfümerieartikel usw.
Als Nebenprodukt bei der Raffinierung wird die Harzseifenlauge gewonnen, aus welcher
durch Aufkochen mit Dampf und Einleiten von Kohlensäure eine zähflüssige Harzmasse,
sogen. „Dicköl" abgeschieden werden kann, welches zur Wagenfettfabrikation dient. Die durch
Zersetzung der Seife entstehende Sodalauge kann neuerlich kaustiziert und wieder benutzt
werden.
Wird die Oxydation nicht in offenen Gefäßen, sondern in geschlossenen Reservoiren
vorgenommen, so liönnen auch die dabei entweichenden leichten Oeldämpfe abgesaugt und
kondensiert werden.
Sehr praktische Einriclitungen für diesen Zweck, sowie aucli für die Destillation des
Harzes und Raffinierung der Harzöle hat F. Beleg konstruiert und in der Chem. Revue über
Fett- und Harzindustrie 1897 beschrieben.
Das B I a u ö 1 kann in gleicher Weise raffiniert werden, wie das Blondöl.
Das G r ü n ö 1 , welches als letztes Produkt übergeht, wenn die Destillation bis auf
Verbleiben eines Koksrückstandes fortgesetzt wird, kann ebenfalls zur Wagenfetterzeugung
verwendet werden. Da aber dieser Koks nahezu wertlos ist und sich selbst zur Feuerung nicht
gut eignet, wird die Destillation in der Regel nicht bis zum Schluß fortgesetzt, sondern unter-
brochen, sobald das Blauöl übergegangen ist. Es verbleibt sodann im Destillierkessel eine
schwarzbraune, matt bis glänzende, beim Erkalten spröde werdende Masse, das sog. ,,Pech".
Dasselbe wird im heißen, flüssigen Zustande aus dem Kessel abgelassen, in Holzkübel oder
Lehmformen gegossen und findet zur Herstellung von Schmiede-, Schuster-, Bürsten- und
Schiffspech \'erwendung.
Abgebet
Brauerpech 635
Sachregister zu Abschnitt VI bis IX.
Die Zahlen bezeichnen die Seiten.
Abgebot 503.
Abies concolor 31.
Abielum G.
Ableger HS. 139.
Abnutzbarkcit (des Holzes)
426.
Abscheerfestigkeit 387.
Absenker 84. 139.
Aezkalk 125.
Ahorn (Betriebsart und Ver-
jüngung) 14S.
Ailanthusholz 399.
Akkumulation 298.
Alkaloide 5fi3.
Altmachen des Holzes 575.
Alpenköhli-rei 597.
Amaranthholz 362.
Ammoniak, schwefelsauresl2ö.
Amyloid 555.
Anbaufähigkeit 29.
Anbauwürdigkeit 29.
Anbrüchige Hänge (Befesti-
gung durch Vegetalions-
decke) 307.
Angriffshiebe 76.
Ankohlen 572.
Anrücken 496.
Anschlämmen der Pflänz-
linge 128.
Anstrich 570.
Anzündholz 466.
Arbeitskapazität des Holzes
429.
Arbeitsplan für Holzprüfung
389.
Aspenbockkäfer 259.
Aststreu 527.
Astungen 193.
Aufastungen 193.
Aufastungssägen 195.
Aufbewahrung von Hölzern
512.
Aufforstungen
Aufstapelung von Hölzern
512.
Aufstreichsverkauf 502.
Ausformung des Holzes 487.
Ausgleichsgefälle 303.
Ausheben der Pflänzlinge 128.
Ausjälungen 162.
Auskesseln 482.
Ausländische Holzarten (Ein-
führung) 28.
Ausläuterungen 160, 162.
Auslaugen 569.
Auslaugung des Holzes in
Süß- und Salzwasser 42 7.
.\uslichtungsstadium 74.
Aussaat 112.
— im Forstgarten 126.
Ausschlagholzbetriebe 38.
Ausschlagvermögen 79.
Ausschlagwald 42. 50.
Ausschußhölzer 506.
Auszugshauungen 159.
Axt 484.
Bachverlauf, Einteilung 296.
Balata 560.
Balken 447.
Balkensperren 315.
Ballenpflanzung 118. 136.
Bankskiefer 31.
Barfrost 2 7 0.
Barzahlung 509.
Bastkäfer 232.
Bauholz 445.
— Elastizität und Festigkeit
(Tetmayer) 402.
Baumfrüchte 515.
Baumrodemaschine
— Nassauische 480.
— Wohmannsche 480.
— Stendalsche 482.
Baumwinde, Büttners 481.
Bauschreinerei 460.
Beerennutzung 546.
Bekanntmachung (der Ver-
käufe) 508.
Berauhwehre 327.
Bergbau 452.
Beschädigungen, Verhalten
der Holzarten gegen 13.
Beschneiden der Pflänzlinge
128.
Bestandesbegründung 61.
— bei den einzelnen Holz-
arten 140.
Bestandesbegründung künst-
liche 62, 84.
— natürliche 62, 66.
Bestandeserziehung 158.
Bestandesmalerial 4.
Besteck 91.
Bestrauchung 91.
Betriebsarten 36.
— bei den einzelnen Holzar-
ten 140.
— Grundformen 37. 38.
— Uebergangsformen 37. 52.
— Zwischenformeu 37. 52.
Betriebsumwandhmgen 57.
Bewässerung 198.
Biegeversuche 389.
Biegsamkeit 385. 427.
Bildsamkeit 428.
Bindigkeit des Bodens 10.
Binnensand (Kultur und Bin-
dung) 90.
Birke (Betriebsart und Ver-
jüngung) 147.
Birkennestspinner 264.
Birkenrinde 472.
Birkenrindenteer 614.
Bitterstoffe 558. 563.
Blattkäfer 260.
Blauwerdcn des Kiefernholzes
362.
Blendersaumschlag 40. 48.
Blitzschlag 279.
Blockhausbau 446.
Blockwandsperren 315.
Bockkäfer 259.
Boden, Erhaltung des 197.
— physikalische Eigenschaf-
ten des 8.
Bodenbearbeitung, wieder-
holte 126.
Bodenfeuer 208.
Bodenfrische 197.
Bodenlockerheit 197.
Bodenlockerung 110.
Bodenptlege 197.
Bogensägen 482.
Borkenkäfer 229.
Boule-.\rbeit 358.
Brandfruchtbau 98.
Brauerpech 631.
636 Braunschliff
Sachregister zu Abschnitt VI bis IX.
Frühfrost
Braunschlift 594.
Brennholz 466.
Brucherscheinungen 431.
Bruchmodul 384.
Brückenbauhölzer 457.
Buche als Bauholz 449.
— Betriebsart und Verjüngung
140.
Bucheckernöl 515.
Buchein 519. 525.
Buchengallmücke 266.
Buchenhochwaldbetrieb, mo-
difizierter (v. Seebach) 189.
Buchenkcimlingspilz 287.
Buchenspinner 261.
Buchenspringrüsselkäfer 260.
Buchenwollaus 267.
Büschelpflanzung 118. 119.
Buhnen 324.
Buhnenpfähle 458.
Buttlar-Eisen 138.
Cahücit 492.
Carya alba 31.
Castanetum 6.
Chamaecyparis Lawsoniana
31.
Chilisalpeter 125.
Cieslars Keimkasten 108.
Coldewes Keimapparat 108.
Dämpfen des Holzes 569.
— der Rotbuclie 362.
Darrbetrieb 520.
Darrgewicht des Holzes 372.
Darrtemperatur 522.
Darrverfahren 520. 521. 522.
Darrvorrichtungen 520.
Dauer des Nadelholzes 411.
Deformation des Holzes 381.
Deformitätenerzeuger 265.
Denudation 298.
Dichte des Holzes 371.
Douglasie 31.
Dreiecksverband 118.
Drewitz, Sämaschine von 116.
Druckversuch 389.
Dünensand, Bindung und
Kultur 91.
Düngung 124.
— Ausführung der 125.
Duft 278.
Dunkelschlagwirtschaft 40.
Durchtorstung
— Beginn der 169.
— Begriff 164.
— dänische 17 7.
— Hecks freie 177.
— Posteier, nach v. Salisch
178.
— Stärke der 170.
— Wiederholung 170.
— Zweck der 165.
Durchhiebe 165.
Ebenholz 361.
Eclaircie par le haut 17 7.
Edelkastanie 148.
Eggen 111.
Eiche (Betriebsart und Ver-
jüngung) 143.
Eicheln 519. 524.
Eichenbockkäfer 259.
Eichenmehltau 288.
Eichenniederwald 80.
Eichenrinde 492.
Eichenschälrinde 4 7 0.
Eichenschälwald 80.
Eichensehälwaldertrag 495.
Eichenwickler 265.
Eichenwurzeltöter 289.
Eichhörnchen 221.
Einsumpfverfahren 576.
Einzelpflanzung 118.
Eisenbahnschwellen 454.
Eisenbahnwagen 462.
Eisklüfte 270.
Elastizität des Holzes 383.
384.
— verschiedener Nadelhölzer
412.
— von Fichten- und Kiefern-
holz 407.
Engerlingschaden 244.
Entel, Keimapparat von 108.
Entflügelung des Samens 523.
Entwässerung 198.
Entwässerungsanlagen 325.
Entwässerungsarbeiten 88.
Entwässerungsgräben 326.
Erdfeuer 208.
Erdfloh 261.
Erle (Betriebsart und Xev-
jüngung) 147.
Erlenniederwald 82.
Erosion 299.
Esche (Betriebsart und Xer-
jüngung) 146.
Eschenbastkäfer 258.
Eschenholz (technische Eigen-
schaften) 425.
Essigsäure
— Darstellung 611.
— Eigenschaften 612.
Exoten 28.
Exposition 7.
Extensivsystem 12.
Fachwerksbau 446.
Fagetum 6.
Fällungsbetrieb 478.
Fällungsplan 472.
Fällungszeit 473.
— Einfluß auf die Dauer des
Fichtenholzes 400.
Färbung des Holzes 575.
Fallrichtung 485.
Falschkern 361.
Familiengänge 230.
Fangbäume 231.
Fangbüschel 242.
Fanggräben 241.
Fangkloben 242.
Fangrinde 242.
Farbe des Holzes 357.
Farbstoffe im Holz 558.
Farbveränderung 361.
Faschinen 458.
Faschinenwerke 324.
Feinheit des Holzes 365.
Femelbetrieb 38. 45.
Femelschlagbetrieb 39. 46. 75.
Festigkeit des Holzes 383.
384. 385.
Festigkeit des Fichten- und
Kiefernholzes 407.
— der verschiedenen Nadel-
hölzer 412.
Festigkeitsänderung beim Na-
delholz nach der Fällung
411.
Festigkeitskoeffizient 425.
Festigkeitsmaschinen 388.
Feuchtigkeit 10.
Feuersichermachen des Holzes
575.
Fichte (Betrieb.sart und Ver-
jüngung) 152.
— Beziehung zwischen Jahr-
ringbreite und technischen
Eigenschaften 422.
Fichtenbastkäfer 239.
Fichlenbockkäfer 259.
Fichfenborkenkäfer 232.
Fichtengespinsthlattwespe
257,
Fichtenholz
— Alter der Stämme 424.
— .\streinheit 424.
— Jahrringe (Gleichmäßig
keit) 424.
— Kern- und Splintholz 422.
— technische Eigenschaften
419.
Fichtennadelrost 288.
Fichlennestwickler 254.
Fichtenrinde 471. 494.
Fichtenrindenlaus 266.
Fichtenrindenwickler 254.
Flader 367.
Flechtfaschinenwerke 324.
Fliege, spanische 261.
Flugsand 90.
Föhreneule 251.
Föhrenspanner 252.
Forrabarkeit des Holzes 385.
Formen, klimatische 101.
Forstdüngung 199.
Forstfrevel 206.
Forstgärten, Bodenbearbei-
tung 123.
— ständige 121.
— unständige 121.
Forstgartenbetrieb 121.
Forstinsekten 223.
Forstunkräuter 267.
Fraxinus alba-americana 31.
Freihandverkauf 501.
Frost 269.
Frosthöhe 2 71.
Frostlöcher 271.
Frostrisse 2 70.
Frostspanner 264.
Frühfrost 2 7 0.
Frühjahrsfrost
Sachregister zu Abschnitt VI bis IX.
Jätepflug 637
Frühjahrsfrost 269.
I'riiUtifikation 13.
Fünfvorliand 118.
FiiUerlaubtrewinnung 526.
Futterreisig 527.
Galläpfel chinesische 566.
Gallen .')65.
Gallussäure 561.
Gallwespen 266.
Gartensaatmaschine, Halt-
kers 12 7.
Gegenfeuer 211.
Gerbrinden 562.
Gerbstoff 561.
Geruch des Holzes .S68.
Geschiebe, Herkommen der
299.
Gespinstblattwespe 257.
Gipfcldürre 285.
Gipfelfeuer 208.
Gips 125.
Gitterwalze 131.
Glanz des Holzes 364.
Glaserholz 461.
Glashütten 466.
Glcicligewiehtsgefälle 305.
Gletsclierlawinen 331.
Glykoside 558. 563.
Göhren, Sämaschine 116.
Goldaftcr 264.
Grasnutzung 542.
Grauholzverfahren 363.
Grenzzeichen, Sicherung 204.
Grobrinde 494.
Grubber 111.
Grubenholz 452.
Gründigkeit 10.
Gründüngung 124.
Grünfäule 362.
Grüngewicht des Holzes 372.
Grünwald, Keimapparat von
108.
Grundbestand 22.
Grundlawinen 331.
Grundschwellen (Wildbach-
verbauung) 318.
Gruppenhiebe 7 6.
Guajaliolz 361.
Gummi 558.
Guttapercha 560.
Hacken 110.
Hackpflanzungen 136.
Hackwald 548.
Hackwaldwirtschaft 56. 57.
Härte des Holzes 385. 436.
Härteskala 441.
Hagel 2 7 9.
Hainbuche (Betriebsart und
\'erjüngung) 145.
Hainen 57. 547.
Halbschattenhölzer 18.
Hallimasch 288,
Handdrillmasclüne 116.
Handsaat 100.
Hanneiuannsche Keimplatte
108.
Harzbäume 624.
Harzbildung 622.
Harze (Gewinnung und Ver-
arlioilung) 621. 624. 629.
Harzgallcnwickler 254.
Harznutzung 528.
Harzprodukte 631.
Harzrüsselkäfer 243.
Harzung
— der Scliwarzföhre 625.
— Strandkiefer 627.
— Fichte 628.
— Lärche 629.
— Tanne«>629.
Harzungsmethode von M a y r
628.
Haselmäuse 221.
Haubergswirtschaft 56. 57.
547. 548.
Hauptbestand 167.
Hauptfällungsarten 482.
Hau|>tnutzung, \'erhältnis zu
den Nebennutzungen 444.
Hauptnutzungsbetriebe 56.
Heideböden 94.
Heidelbecrhumus 97.
Heilbronner Sortierung 487.
Heißsclüiff 594.
Heizwert des Holzes 616. 619.
Herbstfrost 270.
Hickory, weiße 31.
Hitze 273.
Hochbaus, Holzarten des 448.
Hochdurchforstung 171. 177.
Hochwald 44.
— Burckhardts zweialtriger
189.
Hochwaldbetrieb, femelarti-
ger 52.
— zweihiebiger 53. 55.
Hochwaldformen 38.
Höhenentwicklung 12.
Hohlbohrer von K. Heyer 132.
Hohlspaten 132.
Holz, äußere Erscheinung 357.
— Härten desselben 575.
— als Heizmaterial 616.
— Konservierung 566.
— lufttrockenes 557.
— Trocknung, künstliche 568.
— Trocknung, natürliche 567.
— Wassergehalt 556.
Holzabfälle (\'crkohUmg) 615.
Holzabsatz 510.
Holzanweisung 47 7.
Holzart, Verbreitungsgebiet 6.
— ■ Wahl derselben 4.
Holzarten und Boden 15.
— waldbauliche Eigenschat-
ten 4.
Holzartenwechsel 2 7.
Holzbauten (am Wildbach)
309.
Holzdestillation 607.
Holzdraht 460.
Holzessig 611.
Holzfaser 552.
Holzgärten 512.
Holz- Grundschwellen 318.
llolzliauereibetrieb 4 75.
llolzhauermannschaft 4 76.
Il<ilzk(ihle, Eigenschaften 609.
— /.usammensetzung 610.
Holzkohlensortimente 602.
Holzpflaster 456.
Holzsaft 556.
Holzsamen 515.
— .-Aufbewahrung der 524.
Holzschliff 592.
Holzschuhe 463.
Holzsetzer 490.
Holzstiftc 460.
Holzstoff 463. 592.
Holzstoffgewinnung 592.
Holztaxen 503.
Holzteer 613.
Holztrockensubstanz (Zusam-
mensetzung) 552.
Holzverkaufsarten 500.
Holzverkohlung 596.
Holzverwendung nach Holz-
arten und Sortimenten 467.
Holzweberei 429.
Holzwolle 464.
Holzzucker 555.
Honigpilz 288.
Hopfenstangen 465.
Horizontalgräben 198. 275.
327.
Hornbaum (Betriebsart und
Verjüngung) 145.
Hügelpflanzung 138.
Hüttenköhlerei 596.
Humusformen 535.
Humus, unfruclitbarer 97.
Humusvorrat, Erhaltung des
199.
Hygroskopisches Wasser 375.
Hygroskopizität 379.
Ichneumonen 226.
Imbibitionswasser 374.
Imprägnierung von Eisenbahn-
schwellen und Leitungs-
masten (Vorschriften) 581.
Imprägnierung, auf elektri-
schem Wege 581.
— Sparverfahren 580,
— mit Teeröl 580.
— mit Teeröldämpfen 580,
— mit Zinkchlorid 579,
Imprägnierungsmethoden 576.
580.
Imprägnierungsmittel 572.
Imprägnicrungsöl (Vorschrif-
ten über die Beschaffung)
574.
Imprägnierungsverfahren
— hydrostatisches 576.
— Pfistersches 57 7.
— pneumatisches 578.
Insektenherde 225.
Intensivsystem 12.
Jätepflug, Roth-Gerhardscher
117.
638 Jugenderziehung
Sachregister zu Abschnitt VI bis IX.
Nebennutzungen
Jugenderziehung, Schiffeis
freiwüchsige 173.
Juglans nigra 31.
Kältegrenze 6.
Kalilschlag mit Randbesa-
mung 50. 67.
Kalüschlagbetrieb 41. 48.
Kainit 125.
Kalidüngung 125.
Kalkdüngung 125.
Kampfer 560.
Karbolineum 571.
Kastanienniederwald 81.
Kautschuk 559.
Kegelbohrer von Ed. Heyer
132.
Keil 489.
Keilspaten 138.
Keimapparate 108.
Keirabelt 109.
Keimfähigkeit 524.
Keimprobe 107.
Keimung 11.
— Beförderung der 114.
Keimungsenergie 106.
Keimzahl 106.
Kernpflanzen 84. 118.
Kernrisse 382.
Kernschäle 290.
Kiefer (Betriebsart und Ver-
jüngung) 154.
Kiefernbastkäfer 238.
Kiefernbaumschwamm 290.
Kiefernblattwespe 255.
Kiefernborkenkäfer 235.
Kiefernmarkkäfer 236.
Kiefernritzenschorf 288.
Kiefernspinner 246.
Kiefernstangen-Rüsselkäfer
243.
Kieferntriebwickler 253.
Kinderspielwaren 463.
Kistenfabrikation 461.
Kleinbestandswald, Mayrs
190.
Klemmpflanzungen 136. 137.
Klengbetrieb 520.
Klengergebnisse 523.
Klengkosten 524.
Klima 5.
Knoppern 566.
Köhlerei 596.
Kohlehydrate 558.
Kohlenausbeute (bei Holzver-
kohlung) 614.
Kollodiumwolle 555.
Kolophonium 631.
Kopfholzbetrieb 42. 51. 83.
Korbflechterei 429.
Kork 564.
Kotsackblattwespe 257.
Krafls Slammklassen 171.
Kraftzellstoff 586.
Krankheitserscheinungen am
Holz 361.
Kreditbewilligung 509.
Kronenfeuer 208.
Kubierung 498.
Kubierungsgabelmaße 498.
Kulissendurchforstung 178.
Kulissenhiebe 67.
Kulturen, Reihenfolge 66.
Kulturerde 112.
Kulturfläche, Herrichtung der
133.
Kulturgeräte, Spitzenberg-
sche 131.
Kulturverfahren von Kozesnik
und von Speltstößer 137.
Kunstseide 556.
Kupfervitriol 573.
Kyanisieren 572. 576.
Lachtenreißen 625.
Lärche 157.
— japanische 31.
Lärchenkrebspilz 290.
Lärchenmotte 255.
Lärchenrinde 471.
Lärchensamen 523.
Lafetten 462.
Lage, geographische 4.
— örtliche 7.
Landwirtschaftlicher Holzver-
brauch 465.
Langhölzer 505.
Langholzsortierung 487.
Laricetum 6.
Larix leptolepis 31.
Laßreißer, Laßreitel 42.
Laubhölzer (\erwendung) 467.
Laubholzborkenkäfer 258.
Laubholzrüsselkäfer 259.
Laubholzsamen 519.
Laubstammholz 505.
— Sortierung für 506.
Laubstreu 528.
Lauffeuer 208.
Lauretum 6.
Lawinen, Abbau im Anbruch-
gebiete 333.
— Ursachen und Einteilung
331.
Lawinenbauten, zur Ablei-
tung 340.
Lawinenstatistik 341.
Lawinenverbauung 331. 333.
Lawsonszypresse 31.
Lebende Werke 318.
Leguminosen, .Anbau von 124.
Lehnenbindungen 327.
Leitergänge 230.
Leitungsslangen 458.
Leseholz 528.
Lichthölzer 17. 25. 26.
Lichtungsbetrieb 181. 185.
Lichtwuchsbetrieb 55.
— von V o g 1 191.
— von Wagener 190.
Lichtwuchsdurchforstung v.
Borgmann 178.
Lignin 553.
Linde (Betriebsart und Ver-
jüngung) 147.
Löcherpilze 289.
Löchersaat 100. 101.
Lochpflanzungen 136.
Loshiebe 282.
Lotgänge 230.
Lufttrockengewicht des Hol-
zes 372.
Luxuswagen 462.
Mähstreu 541.
Mäuseschaden 220.
Magersteins Keimapparat 108.
Maikäfer 244.
Markstrahlen 365.
Maschinensaat 100.
Maserung 367.
Massenerzeugung 32.
Massivbau 446.
Masten 458.
Maulwurfsgrille 257.
Mechanische Eigenschaften
des Holzes 383.
Meereshöhe 7.
Meiler 596.
— Arbeit an einem stehenden
598.
— Verkohlung im liegenden
603.
Meilerköhlerei 596.
— Beurteilung der 604.
Meileröfen 606.
Meistgebotsverkauf 501.
Mennigepulver 130.
Mergel 125.
Methylalkohol, (Darstellung u.
Eigenschaften) 611.
Mineraldünger 124.
Mineralstoffe 560.
Mischbestände 19. 157.
— Vorzüge 20.
Mischungen 19.
Misteln 269.
Miltelwald 51.
Mittelwaldbetrieb 38. 42.
Möbelschreinerei 460.
Moore 98.
* Jloorflächen, flüchtige 99.
Moosdecke 540.
Moosdeckung 130.
Moosstreu 539.
Mosaikarbeit 358.
Mullwehen 99.
Muttergang 230.
Nachbesserungen 117.
Nachverjüngungsbetriebe 38.
Nadelhölzer (\erwendung)
469.
Nadelholzabschnitte 505.
Nadelholzsamen 520.
Nadelstreu 528.
Nährstoffgehalt, Erhaltung
des 199.
Nässe 275.
Natronverfahren 584.
Nebenbestand 167.
Nebenholzarten 22.
Nebennutzungen 514.
— mineralische 551.
Nebennutzungsbetriebe Sachregister zu Absclinilt VI bis IX.
Samen 639
Nebennutzungsbetriebe 56.
Neigungsrichtung 7.
Neigungswinkel 8.
Nieiicrclurchforstung 171.
Niederwald 50.
— Verjüngung im 79.
Niederwaldschlagbetrieb i2.
Noobescher Keimapparat 108.
Nonne 249.
Nummerierschlägel 497.
Nutzholz und Brennholz 445.
Nutzholz, \'erwendungsarten
445.
Nutzholz-Borkenkäfer 235.
Nutzholz Wirtschaft, Homburg-
sche 189.
Obenaufpflanzungen 136. 138.
Oberflächengestaltung 8.
Oberholz 42.
Oberlawinen 331.
Oberständer 42.
Oedlandsaufforstung 99.
Oele, aetherische 559. 563.
Optimum, klimatisches 6.
Ortstein 92.
Oxalsäure 556.
Palmetum 6.
Papierfabrikation 463.
Pappel 148.
— kanadische 31.
Pappelbock 259.
Parallelbauten (Wildbach)
322.
Patenthohlbohrer von Janka
132.
Pechkiefer 31.
Pergamentpapier 555.
Pfitzenmayers Keimkasten
108.
Pflanzbeil 138.
Pflanzdolch 138.
Pflanzen, Aufbewahren 132.
— Ausheben 132.
— Beschneiden 132.
— Transport 132.
Pflanzenbeete im Forstgarten
127.
Pflanzenbeschaffung 120.
Pflanzendünger 124.
Pflanzenhalter, Rebmannscher
137.
Pflanzenkrankheiten 283.
Pflanzenlade, Bromberger 133.
— Spitzenbergsche 133.
Pflanzenmenge 135.
Pflanzenprozent 107.
Pflanzensäuren 558.
Pflanzenstichel, Grünewalds
138.
Pflanzenverband 128.
Pflanzenzahl 135.
Pflanzgartendünger 124.
Pflanzholz 138.
— mit Wühlspitze v. Spitzen-
berg 138.
Pflanzkämpe 121.
Pflanzlanze 138.
Pflanzmaterial, Eigenschaften
119.
Pflanzschnabel, Barths 132.
Pflanzschulen 121.
Pflanzspaten, v. Alemanns
138.
Pflanzung, .\rten der 118.
— mit ballenlosen Pflanzen
136.
— geregelte 118.
— ungeregelte 118.
— Vollzug der 134.
Pflanzverband 118.
Pflanzverbände, geregelte 134.
Pflanzverfahren 136.
Pflanzweite 135.
Pflanzzeit 134.
Phosphorsäuredüngung 125.
Picea sitchensis 31.
Picetum 6.
Pilze 546.
Pinus Banksiana 31.
Pinus rigida 31.
Pinus strobus 31.
Plaggenpflanzung 138.
Plattensaat 100.
Plenterbetrieb 38. 45.
Plenterdurchforstung, Borg-
greves 178.
Plentcrschlagbetrieb 39. 46.
Polieren 570.
Pollacks Waldsäniaschine 116.
Populus canadensis 31.
Porzellanfabrikation 467.
Pottasche, Erzeugung 619.
Prachtkäfer 260.
Prozessionsspinner 262.
Prunus serotina 31.
Pseudotsuga Douglasii 31.
Pulver, rauchschwaches 556.
Pulverfabrikation 466.
Punktsaat 100. 101.
Quadratverband 118.
Qualität des Holzes 418.
Quebrachoholz 47 0.
Quecksilberchlorid 572.
Quellen des Holzes 371. 379.
Quercus rubra 31.
Rabattenpflanzung 138.
Rabattierung 94.
Raftholz 528.
Räuber (Insekten) 226.
Räuchern des Holzes 363.
Rahmen (Bauholz) 446.
Raseneisenstein 92.
Rasenhügelpflanzung 138.
Rauchschäden 211.
Rauhbaumsperre 315.
Rauhreif 2 78.
Raupenfliegen 226.
Rechtecksverband 118.
Reife aus Holz 459.
Reihenverband 118.
Reinigungshiebe 160.
Reißen des Holzes 382.
Reisstreu 527.
Resonanzholz 459.
Retorten 607. 608.
Retortcnvcrkohlung 607.
Riegelhölzer 447.
Rillenpfliig 129.
Rillensaat 127.
Rillensämaschine von Fekate
127.
Rillenzieher (Spitzenberg) 127.
Rinde 561.
— Verwendung 469.
Rindenbrand 2 74.
Rindennutzung 492.
Rindensortierung 494.
Ringelspinner 264.
Robinie 148.
Robinienniederwald 81.
Rochs Sämaschine 116.
Rodung des stehenden Holzes
478.
Röderlandbelrieb 56. 548.
Rohhumus 535. 541.
Rostbauten 454.
Rotbuchenholz, rückwirkende
Festigkeit 397.
Roteiche 31.
Rotfäule 362.
Rotschwanz 261.
Rüsselkäfer, brauner 239.
Rundes Sämaschine 116.
Saat und Pflanzung, Wahl
zwischen 84. 100.
Saat, stellenweise 100, 115.
— Durchrupfen zu dichter 130.
— Durchschneiden zu dichter
130.
Saatarten 100.
Saatbedecker 131.
Saatbretter 127.
Saattlinte 116.
Saatkämpe 121.
Saatkulturen, Pflege der 117.
Saatmaterial 101.
Saatpflanzen 118.
Saatrillenwalze (von Holl,
Zwinger) 12 7.
Saatschulen 121.
Saattrichter, Harzer 116.
Saatzeit 112.
Säapparate 116.
Säapparat von Hörraann 12 7.
Sägeblöcke 488.
Sähorn 116. 127.
Sälatte von Esslinger 127.
Sämaschinen 116.
Sämaschine von Sack 116.
— von Schneider 12 7.
— von Spitzenberg 127.
Samen, .\nquellen 114.
— Beschaffung 101.
— Ernte und .Aufbewahrung
105. 517.
— Herkunft 101.
— Selbstgewinnung 101. 516.
— Unterbringen und Bedek-
ken 116.
640 Samenabfall
Sachregister zu Abschnitt VI bis IX.
Ulmensplinlkäfer
Samenabfall 518.
Samenerlrag 517.
Samenholzbetriebe 38.
Samenjahr 518.
Samenmenge 113.
Samenprüfung 105.
Samenprüfungsanstalt 108.
Samenreife 518.
Samenschlag 7 3.
Sandgras 91.
Sandgraspflanzung 91.
Saumplenterschläge 47.
Saumschirmschläge 47.
Saumschlagbetrieb 40. 47.
Saumschlagbetrieb nach Wag-
ner 77.
Schälen des Wildes 216.
Schälrinde 470.
Schälverfahren 493.
Schalenbauten 324.
Schattenhölzer 17. 24. 25.
Schenk von Schmittsburgs
Waldsamensämaschine 116.
Scherenbolirer von Mühlmann
132.
Schießbaumwolle 556.
Schiftbauholz 450.
Schindelfabrikation 459.
Schirmschlagbetrieb 40. 47. 71.
Schläfer 221.
Schlagaufnahme 496.
Schlagauszeichnung 4 7 7.
Schlagbetriebe 39.
Schlagpflanzen 118.
Schlupfwespen 226.
Schmarotzer 226.
Schmarotzergewächse 269.
Schmoren 57.
Schnee 2 76.
Schneebruch 2 7 7.
Schneebrücken und Schnee-
fänge 335.
Schneedruck 27 7.
Schneidelholzbetrieb 42. 51.
84.
Schnitzerei 463.
Schränken der Sägen 483.
Schreinerei 460.
Schrotsäge 483.
Schönjahns Keimapparat 108.
Schütte 286.
Schulpflanzen 118.
Schuttablagerung (Wildbach)
298.
Schuttkegel (Wildbach) 298.
— Schutzvorrichtungen am
308.
Schuttkegelversicherungen
328.
Schutzholz 163.
Schwammspinner 264.
Schweineeintrieb 216. 545.
Schweinemast 515.
Schwellen (Eisenbahnschwel-
len) 446.
— Dauer der imprägnierten
582.
Schwellenhölzer 454.
Schwinden 371. 377. 379.
Schwindmaß 377. 378.
Schwindrisse 382.
Seebachscher Betrieb 189.
Seegras 545.
Seilen 496.
Seilhaken 480.
Sengen 57.
Senilisieren des Holzes 575.
581.
Setzholz 129. 138.
Setzreiser 139.
Setzstangen 118. 139.
Sichwerfen des Holzes 382.
Sickergräben 198.
Silbertanne, amerikanische 31.
Sink walze 322.
Sitkafichte 31.
Sodaverfahren 584.
Sohlenerosion 303.
Sommerfällung 473.
Sommerhänge 7.
Sortierung der Hölzer 486.
Sortimentsbildung 486.
Spätfrost 270.
Spaltbarkeit 385. 432.
Spaltholz 458.
Spalt Pflanzungen 136. 137.
Spaltschneider von Spitzen-
berg 138.
Spallwaren 435.
Sparren 447.
Spezifisches Gewicht des Hol-
zes 371.
Spiegelflächen 365.
Spiegelrinde 470.
Spielwarenfabrikation 463.
Spiritus aus Holz 554.
Splintkäfer 232.
Sprengpfropf 491.
Sprengschrauben 491.
Stainers Keimapparat 108.
Stammfeuer 208.
Stammklassenbildung 171.
Standort 4.
Standortsansprüche 4.
Standorts-Varietäten 101.
Stauberde 97.
Staublawinen 831.
Stecklinge 84. 139.
Steckreiser 118.
Steinbau (Holzverwendung)
446.
Steinbauten (am Wildbach)
309.
Steingrundschwelle 318.
Steinkastensperren 315.
Sterngänge 230.
Stickstoffdünger 125.
Stickstoffsubstanzen 557.
Stieleisen, Wartenbergs 138.
Stockholzgewinnung 490.
Stockschlagbetriebe 80.
Strahlenrisse 382.
Straßenpflasterung 456.
Strauclizäune 91.
Streifen, .-Vbstand der 112.
— Breite der 112.
Streifen, Herstellung der 112.
Streifensaat 100. 101.
— Richtung der 111.
Streuerträge 531.
Streunutzung 529. 537.
Streurechen 538.
Streureisig 52 7.
Streuwert 530. 540. 541.
Stummelpflanzen 84. 118.
Sturm 280.
Submissionsverfahren 502.
Sümpfe, Behandlung 88.
Sulphatverfahren 584.
Sulphitverfahren 586.
Superphosphat 125.
Tachinen 226.
Talsperren 311.
— aus Stein 312.
— aus Holz 315.
Tanne (Betriebsart und Ver-
jüngung) 149.
Tannenborkenkäfer 234.
Tannenkrebs 290.
Tannenrinde 495.
Tannin 561.
Taxklassenbildung 504.
Taxpreisverkauf 501.
Teakholz 398.
Teeröl, schweres 573.
Terpentin 623. 629.
Terpentinöl 631.
Textur 366.
Thomasmehl 125.
Thonetsches \'erfahren 428.
461.
Thuja gigantea 31.
Tischlerei 460.
Tote Werke 320.
Tränkbarkeit des Holzes 375.
Tränken des Holzes 375.
Tränkungsstoffe, Aufnahme
solcher 582.
Tragkraft von Balken 446.
Tragmodul 384.
Traubenkirsche, spätblühende
31.
Traversen 324.
Treibholz 163.
Trockene Destillation des Hol-
zes 594.
Trockengewicht des Holzes
372.
Trockenrisse 382.
Trockentorf 97. 535. 540. 542.
Trocknen der Rinde 493.
Trüffeln 547.
Trummsäge 484.
Ueberhälter, Räumung 159.
Ueberhaltbetrieb 53.
Ueberhaltform 53.
Ueberwurfkultur von Groh-
mann 137.
Ulme (Betriebsart und Ver-
jüngung) 146.
Ulmenblattlaus 266.
Ulmensplintkäfer 259.
Umrandungshiebe Sachregister zu Abschnitt VI bis IX. Zwischennutzungen 641
Umrandung-shiebe 76.
Umschroten 482.
Umzäunungen, tote 129.
Unkräuterstreu 541.
Unterbau 181.
Unterbaubetrieb 53.
Unterholz 42.
Unterwühlung 299.
Urbarmachung 88.
Varietäten, physiologische oder
klimatische 101.
N'erbäiide, geregelte (für Pflan-
zung) 119.
Verbauungsprojekte 310.
Verbauungssysteme 329. 330.
Verbeißen" 218.
Verdünnung der Jung-
wüchse 117.
\'erfahren, elektrochemisches
589.
Verjüngung, natürliche durch
.\usschlag 79.
— natürliche durch Samen 67.
\"erjüngungszeitraum 39. 71.
Verkaufsarten 500.
Verkaufslose 507.
Verkaufsvollzug 507.
Verkohlung des Holzes 467.
^'erkohIungsmethoden 595.
Verkohlungsmethode, deut-
sche 597.
^■erkohlungsöfen 606.
Verkohlungsretorten 607. 608.
Vermarkung 204.
^■erpfählungen (gegen Lawi-
nen) 334.
Verschalen 127.
N'erschulungsapparate 129.
^■erwitterung 299.
Viskoid 555.
Viskose 555.
Vollsaat 100. 115. 127.
\"olunienveränderlichkeit des
Holzes 377.
Volumenveränderung 371.
Vorbereitungshiebe 76.
Vorbereitungsstadium 71.
Vordüne 91.
Vorkeimen der Samen 115.
Vornutzungen 167.
Vorratsdüngung 126.
Vorverjüngungsbetriebe 38.
Vorwüchse, Aushieb derselben
160.
Vulkanisieren des Holzes 575.
Wadelzeit 473.
Wärmeansprüche
arten 5.
der Holz-
Wärmegrenze 6.
Wärmelcilungsfähigkeit des
Holzes 370.
Wagegänge 230.
Wagenbau 462.
Wagnerholz 461.
Waldbau 1.
Waldbeeren 546.
Waldboden, Herstellung eines
kulturfähigen 88.
Waldbrände 208.
Waldfeldbau 56. 547.
I Waldgärtner 236.
W'aldgras 543.
Waldköhlerei 596.
Waldhorn 117.
Waldmantel 282.
Waldpflüge 111.
Waldsägen 482.
Waldstreu 529.
Waldteufel 481.
Waldversteigerung 508.
Waldweide 215. 543.
Waldwolle 526.
Waldzonen 6.
Walnuß, schwarze 31.
Wanderforstgärten 121.
Warnfähigkeit des Holzes
432.
Warthenbergsches Eisen 138.
Wasserbauhölzer 457.
Wasser-Eichenholz 362.
Wassergehalt des Holzes 374.
Wasscrglasanstrich 572.
Wegbauhölzer 454.
Weide 148.
Weideertrag 544.
Weidenniederwald 82.
Weidenrinden 471.
Weidetiere 213.
Weinpfähle 463.
Weißesche 31.
Weißfäule 362.
Weißpunktrüsselkäfer 242.
Weißtannenrinde 471.
Werfen des Holzes 382.
Wertserzeugung 32.
Weymouthskiefer 31.
Wiener Möbel 428.
Wildbäche, der Berg- und
Hügelländer 307.
— Charakteristik und Eintei-
lung 292.
— Reinhaltung von Wildholz
308.
— Unterwühlende Wasser-
wirkung der 306.
Wildbachverbauung 292.
— allgemeine Regeln 308.
— Aufsicht der 309.
Wildbachverbauung fernere
Erhaltung der 310.
— System der 302,
— die technischen Mittel der
310.
— Ursachen der 301.
— die wirtschaftlichen Maß-
nahmen 330.
Wildfütterung 515, 526,
Wildlinge 118,
Wildschaden 216.
Wind 280.
Windbrüche 281.
Windwflrfe 281.
Winkelbänder (beim Hochbau)
446.
Winterfällung 473.
Winterfrost 269.
Winterhänge 8.
Wölfe 160.
Wuchsverhältnisse des einzel-
nen Baums 11.
Wühlrechen 131.
Wühlspaten, Spitzenbergscher
131. 137.
Wundfäule 284.
Wurzelfäule 285.
Wurzelkonkurrenz 17.
Wurzelschneidemesser Kaisers
129.
Wurzelschwamm 289.
Wurzelsystem 11.
Xylan 555.
Zähigkeit des Holzes 385.
427. 428.
Zahlungsbedingungen 509.
Zangenbock 239.
Zangenbohrer 137.
Zapfenernte 320.
Zelluloid 556.
Zellulose 463.
— .\usbeute der 591.
— Beschaffenheit der 591.
— chemische Formen der
554.
— Eigenschaften der 553.
— Verw'endung' der 591.
Zelluloseacetate 554.
Zellulosefabrikation 464. 582.
— Abwässer 589.
— Rohmaterial 583.
— Verfahren 583.
Zinkchlorid 573.
Zirbenholz 361.
Zitnys Plattensäer 116.
Zuckergewinnung 528.
Zugstange 479.
Zwischennutzungen 167.
Handb. d. Forstwiss. 3. Aufl. II.
41
Verlag der ß. ü a u p p ' sehen Buchhandlung in Cübingen.
Aus Württemberg.
Unsere Forstwirtschaft
im 20. Jahrhundert.
In zwanglosen Heften herausgegeben von C. Wagner.
I.
Allgemeine forstökonomische Betrachtungen
von
Professor C. Wagner in Tübingen.
8. 1909. M. —.80.
II.
Betrachtungen über den forstlichen Unterricht
und das Einrichtungswesen
von
Professor C. Wagner in Tübingen.
8. 1910. M. 1.20.
III.
Kritische Betrachtungen über die württembergische
Gemeindewaldwirtschaft
von
Rudolf ScMeiclier, K. Oberförster in Ebingen.
8. 1910. M. 1.20.
IV.
Die zweckmässige Grösse der Forstbezirke in Württemberg
von
Dr. Paul Wörnle, K. Oberförster in Giengen a. B.
8. 1911. M. 1.20.
V.
Die Elemente der Wertsmehrung in der Waldwirtschaft
von
Dr. Victor Dieterich, Forstamtmann in Stuttgart.
Mit 2 Kurven. 8. 1911. M. 3.20.
VI.
Die waldbauliche Zukunft des württembergischen Schwarzwalds
von
Dr. Sigmund Ramm, K. Oberförster in Calmbach.
Mit 8 Abbildungen. 8. 1911. M. 2.60.
VII.
Die Kiefer des württembergischen Schwarzwaldes.
Von
Dr. Wilhelm Harsch, Kgl. Forstmeister in Hirsau.
8. 1912. M. 2.40.
Perlag oon 3. E. B. [Rohr (Paul Siebetfe) in Cübingen. .
Wald und Jagd
zu Anfang des 16. Jahrhunderts und die Entstehung des Bauernkrieges.
Rede gehalten am üeburtsfest Seiner Majestät des Königs Wilhelm II von Württemberg
am 25. Februar 1911 im Festsaal der Aula der Universität Tübingen.
Von Professor Dr. Anton Bühler.
Gross 8». 1911. M. —.80. (Universität Tübingen 2.)
Verlag der ß. L a u p p'schen Buchhandlung in üüblngen.
. Dr. G. V7agner,
Professor der ForstuissenschafI an der Universildf Cübingen.
Die Grundlagen
der rciumlicfien Ordnung im Walde«
Zweite, vermehrte und uerbesserfe fluHage.
mit 60 Figuren im Cext und einer farbigen Cafel.
[lex. 8. 1911. m. 9.-. Gebunden Ul. 11.-.
„Das Werk zeigt uns den Verfasser als einen Mann von staunenswerter
Literaturkenntnis und als wohlbewandert in den verschiedensten Zweigen forst-
lichen Wissens. Scharfsinnig und kritisch im Denken, hat er auf manche Miß-
stände in der forstlichen Produktion und in dem forstlichen Betrieb aufmerksam
gemacht und wird durch sein tiefgründig geschriebenes Buch sicherlich
mancherlei wertvolle Anregungen geben, welche dem Wald zum Segen gereichen
werden. Möge das empfehlenswerte Buch eine recht weite Verbreitung und
die seinem Wert angemessene Beachtung finden."
(H. Stoetzer iii der AUgemeiu. Forst- und Jagdzeitung, 1907, Dezember.)
Der Blendersaumschlag
und sein System«
mit 73 Figuren im Text und zwei farbigen Tafeln,
[lex. 8«. 1912. m. 10.-. Gebunden m. 12.-.
Das Buch bildet in gewissem Sinne die Fortsetzung und Ergänzung der
im Jahr 1907 erschienenen Schrift desselben Verfassers über „Die Grundlagen
der räumlichen Ordnung im Walde" (2. Aufl. 1911), denn der Verfasser
setzt sich hier die Aufgabe, durch Aufstellung eines räumlichen
Betriebssystems für die Forstwirtschaft die Ergebnisse der in
jener Veröffentlichung niedergelegten kritischen Untersuchungen ihrer prak-
tischen Verwirklichung näherzubringen. Die Vorschläge jener „Grundlagen"
haben in der forstlichen Literatur und Wirtschaft in besonderem Maße Anklang
und Anwendung gefunden.
Die Verdrängung der baubwälder
durch die Radelwälder in Deutschland«
Von
ßans Bernhard ^acobi.
6ro^ 8.
z=z: Unter der Presse. =^